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Luzifer

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Sturz des Satan - Illustration von Gustave Doré, 1865

Luzifer, auch Lucifer, ist der lateinische Name des Morgensterns (Venus) und zugleich das lateinische Adjektiv für „lichtbringend“. Lucifer bedeutet Lichtbringer aus dem Lateinischen von lux (Licht) und ferre (bringen). Im Lauf der Zeit wurde dieser Begriff zum Namen des Teufels. Abgeleitet ist er vom sakralen Titel Lucifer (In der römisch-lateinischen Liturgie stand er ursprünglich für Jesus als Lichtbringer).

Römische Mythologie

In der römischen Mythologie wurde Luzifer als poetische Bezeichnung für den Morgenstern, also den Planeten Venus verwendet. Es handelt sie hierbei um die wörtliche Übersetzung der griechischen Begriffe Phosphorus („Lichtbringer“) bzw. Eosphorus („Bringer der Morgenröte“), die etwa in Homers Odyssee oder Hesiods Theogonie auftauchen.

Dementsprechend wurde er bald auch zur mythologischen Gestalt. Als seine Mutter wird Aurora (griechisch Eos), die Göttin der Morgenröte, angesehen, als Vater u.a. Astraios oder Kephalos. Zu Luzifers Kindern werden Ceyx (von der Nymphe Philonis), Philammon (von Kleobios) sowie Stilbe und Daidalion gerechnet.

Sehr häufig wird Luzifer auch mit der Göttin Venus in Verbindung gebracht. Nach dem Vergil-Kommentar Servius habe Venus den Aeneas in Gestalt des Morgensterns nach Laurentium geführt. Hygis berichtet indes im 2. Buch seiner De Astronomia von einem Wettstreit der Liebesgöttin mit Luzifer, wer von beiden schöner sei. Wieder andere Autoren wie etwa Claudian gehen von einer Liebesbeziehung aus.

Luzifers Aufgabe ist es primär, den neuen Tag heranzuführen. Bei Ovid und Tibull reist er– ähnlich wie Helios’ Sohn Phaeton - im Sonnenwagen über den Himmel. Verbreitet ist auch die Vorstellung, er sei zu Pferde unterwegs – wobei dieses bisweilen entsprechend der Tageszeit die Farbe wechselt (Euripides, Ovid, Statius). Vergil und, an ihn anknüpfend, Ausonius lassen Luzifer als Begleiter des Sonnengottes Sol aus dem Meer steigen. Erst im 6. Jahrhundert nach Christus taucht bei Johannes von Gaza die Idee eines fackeltragenden Luzifers auf, wobei der Prometheus-Mythos Pate gestanden haben dürfte.

Phosphorus (=Luzifer) mit seinen Eltern
Gemälde von F. Boucher (Ausschnitt), 1763

Als literarische Belege seien exemplarisch genannt:

  • Vergil Aeneis II,801: „Und schon führt Luzifer hinter dem Gipfel des Ida den Tag herauf.“
  • Vergil, Georgica III, 324-5: “Lasst uns bei Luzifers Aufstieg zu den kühlen Weiden eilen, solange der Tag neu ist und das Gras im Tau steht.”
  • Ovid, Metamorphosen: „Aurora stieß in der Morgenröte ihre purpurnen Tore auf und öffnete ihre rosengefüllten Hallen; die Sterne zogen davon, unter Führung Luzifers, der als letzter verschwand.“
  • Ovid, Amores I, VI, 65: „Und schon schirrt der taubereifte Luzifer seinen Wagen, jagt ihn mit Macht auf leidenschaftlichen Flügeln“
  • Tibull, Elegien I,9,62: „Häufig führen sie jene dem Bacchus auf Gastmählern zu, während Luzifers Wagen den Tagesanbruch verkündet.”
  • Statius, Thebaiden 2,134: “Und so vertrieb Aurora, sich von Mygdonischen Ruhestatt erhebend, die kühlen Schatten vom Himmelszelt, strich sich die Tautropfen aus dem Haar und errötete in den purpurnen Strahlen der Sonne. Durch Wolken reicht ihr der rosenfarbene Luzifer sein letztes Feuer, und auf langsamem Rosse entschwindet eine fremde Welt. Auf dass die Glut den ganzen Sonnenkreis erfülle, versagt er der Schwester, den Strahlen zu wehren.“
  • Lukan, De Bello Civile, X 434: „Luzifer blickte von den Klippen des Casius herab und schickte den Tag ins Ägypterland, wie auch die wärmende Sonne.“
  • Claudian, De Raptu Proserpinae, II 119: „(Cytherea/Venus): So geht, Schwestern, (…) solange mein Luzifer auf taunassem Rosse die gelben Äcker befeuchtet“

Christentum

Die heute geläufige Luzifer-Vorstellung ist in der Bibel so nicht verankert. Sie speist sich vielmehr aus einer Verknüpfung mehrerer heterogener Quellen:

Im Buch Jesaja (Jes 14,12) wird vom Hochmut des Königs von Babel berichtet, der „in den Himmel steigen und (… seinen) Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen“ wollte, über die hohen Wolken fahren und gleich sein dem Allerhöchsten.“. Stattdessen fuhr er aber „hinunter zu den Toten (…), zur tiefsten Grube“, wurde von Gott „hingeworfen ohne Grab wie ein verachteter Zweig.“ (vgl. Höllensturz). Dabei wird der König von Babel allegorisch mit dem „schönen Morgenstern“ verglichen, der vom „Himmel gefallen“.

In der griechischen Bibelübersetzung wurde die hebräische Bezeichnung für den Morgenstern, Helal, bereits mit Phosphorus wiedergegeben. Der Heilige Hieronymus übersetzte ihn in der Vulgata-Bibel dementsprechend mit Luzifer. Dies wiederum nahmen Eusebius, Origines, Tertullian und andere Kirchenväter zum Anlass, die biblische Gestalt mit der römischen Gottheit, dem Lichtbringer Luzifer gleichzusetzen. Hierbei mag auch die Absicht mitgespielt haben, den sardischen Konzils-Bischof Lucifer von Calaris zu diskreditieren, der als Vertreter des Arianismus seinen orthodoxen Amtskollegen ein Dorn im Auge war. Weiter bot sich der erstarkenden Kirche so natürlich eine willkommene Gelegenheit, eine heidnische Gottheit zu eliminieren – noch dazu eine, die als „Lichtbringer“ dem christlichen Gott Konkurrenz machen konnte.

Schließlich wurde der hochmütige Lichtbringer Luzifer mit der Idee des gefallenen Engels in Verbindung gebracht: Maßgeblichen Einfluss übte insofern die Bibelstelle Ez 28,14 aus, wenn dort auch der „glänzende, schimmernde Cherub“ lediglich als allegorische Bezeichnung für den zwar schönen und mächtigen, aber durchaus menschlichen König von Tyrus dient. „Im Garten Gottes“ wandelte er, „geschmückt mit Edelsteinen jeder Art, mit Sarder, Topas, Diamant, Türkis, Onyx, Jaspis, Saphir, Malachit, Smaragd“. „Ein Gott“ war er und „wandelte inmitten der feurigen Steine.“ Eines Tages freilich wurde an ihm „Missetat gefunden“, durch sein „großes Handeln“ wurde er „voll Frevels“, sein „Herz erhob“ sich ob seiner Schönheit. Gott verstieß ihn daraufhin von seinem Berge, stürzte ihn zu Boden und „ließ ein Feuer aus ihm hervorbrechen“ (vgl. Höllensturz).

Mit dem Satan/Teufel brachten die Kirchenväter den gestürzten Lichtbringer Luzifer schließlich auf der Grundlage von Lk 10,18 in Verbindung: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“.

Höllensturz, Gemälde von Peter Paul Rubens, ca. 1620

Luzifer glaubte man schließlich auch in dem Drachen der Apokalypse ( Offb 12,3ff.) mit "sieben Häuptern und zehn Hörnern" zu erkennen, der mit seinem Schwanz ein Drittel der Stern hinwegfegt und den neugeborenen Christus zu verschlingen droht, eher er vom Hl. Michael besiegt wird: "Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen. Und der Drache stritt und seine Engel und siegeten nicht; auch ward ihre Stätte nicht mehr funden im Himmel. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel (…), der die ganze Welt verführet; und ward geworfen auf die Erde; und seine Engel wurden auch dahin geworfen." (vgl. Höllensturz). Michael war es auch, der Luzifer bei dieser Gelegenheit einen neuen Namen gab: „Satan“, was Schlange und Widersacher bedeutet ( hebr. שטן „Sin-Teth-Nun“ Satan ). Nachdem Satan für tausend Jahre gebunden worden ist, macht er sich noch einmal auf, „zu verführen die Heiden in den vier Vierteln der Erde“. Am Ende freilich wird er „geworfen in den feurigen Pfuhl und Schwefel (… und) gequälet (…) Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit."

An zahlreichen Stellen der Vulgata steht der Begriff Luzifer für den Morgenstern, ohne dass dies in einer Beziehung mit dem Teufel stünde, so etwa in Hb 11,17 und 38,32, in Ps 108,3 oder 2. Petrus 1,19.

Wirkungsgeschichte

In seinem Versepos Paradise Lost zeigt John Milton Luzifer als stolzen, ehrgeizigen Engel, der sich gegen Gott auflehnt und einen Krieg im Himmel anzettelt, um am Ende besiegt und in die Hölle gestürzt zu werden. Dort übernimmt er die Leitung (“Better to reign in Hell than serve in Heav'n.”; Buch I, 263) und setzt, von Mammon und Beelzebub unterstützt, erfolgreich seine rhetorischen und organisatorischen Fähigkeiten ein. Später betritt er den Garten Eden, um dort in Gestalt der Schlange Adam und Eva zu verführen, vom Baum der Erkenntnis zu essen.

Weiter taucht Luzifer als Figur u.a. in Christopher Marlowes The Tragical History of Doctor Faustus von 1604 und Joost van den Vondels Lucifer von 1654 auf.

In Thomas Manns Zauberberg von 1925 verehrt ihn der der Aufklärung verpflichtete Settembrini als Lichtbringer, als sforza vindice della ragione .

In der Satanischen Bibel des Satanisten LaVey von 1969 erscheint Luzifer als einer der vier Kronprinzen der Hölle. Als Herr des Ostens und des Elements Luft fungiert er als „Lichtbringer“ und steht für Intellektualität und Aufklärung. Der rumänische Dichter Mihai Eminescu schrieb 1883 ein Gedicht Luceafarul, in der Luzifer als Abendstern besungen wird.

Daneben war Luzifer vielfach Gegenstand insbesondere angloamerikanischer Trivialliteratur, so etwa in Miguel Serranos Nos, Book of the Resurrection von 1980, in Arthur C. Clarkes Space Odyssey (1968-1997), in Steven Brusts Fantasy-Roman To Reign in Hell (1984), in Neil Gaimans Sandman-Erzählungen (1988-1996), in Mike Careys Comic-Serie Lucifer]] (seit 1999) . in Catherine Webbs Erzählungen Waywalkers (2003) und Timekeepers (2004) oder in Philip Pullmans His Dark Materials.

Auch in Werken der Rockmusik tritt Luzifer auf, etwa als Icherzähler in Sympathy for the Devil der Rolling Stones von 1968, als Siamkatze im Pink Floyd-Song Lucifer Sam oder als Titelfigur in Songs von Rasmus (2005) und Jay-Z. Ebenso erscheint er in Filmen wie The Prophecy (1995), Angel Heart (1987), Constantine, The Devil’s Advocate, The Exorcism Of Emily Rose oder Little Nicky.