Logistik

Der Begriff Logistik (Materialwirtschaft) umfasst alle Zwischenschritte der Fertigung. Sie umfasst alle Aktivitäten zur physischen Raum- und Zeitüberbrückung von Gütern und Personen, einschließlich deren Umgruppierung.
Konkreter wird Logistik definiert als integrierte Planung, Organisation, Steuerung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten Material- und Warenflusses mit den damit verbundenen Informationsflüssen, beginnend beim Lieferanten, durch die (eigenen) betrieblichen Wertschöpfungsstufen (z.B. Produktions- und/oder Distributionsstufen), bis zur Auslieferung der Produkte beim Kunden, inklusive der Abfallentsorgung und des Recyclings.
Eine mögliche Definition des Begriffs Logistik ist die der Anwendung der sechs R: Die richtige Menge der richtigen Güter zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität zu den richtigen Kosten am richtigen Ort. Häufig wird auch noch ein siebtes R in diese Aufzählung mit aufgenommen: mit der richtigen Information für alle Beteiligten. Insbesondere in der bedarfsorientierten ("just in time") Fertigung, wie sie heute üblich ist, spielt die Informationsbearbeitung eine große Rolle.
Begriffsursprung
Es gibt unterschiedliche Begriffsursprünge für das Wort Logistik. Aus der griechischen Antike werden unterschiedliche Wörter auf die Logistik zurückgeführt. "Lego" wird mit denken übersetzt. "Logizmati" bedeutet überlegen, rechnen oder bedenken. "Logos" ist das Substantiv für Verstand, Vernunft oder Rechnung. In der römischen Antike wurde der Staatsbeamte für Finanz- und Nahrungsgüterverwaltung als "logistika" bezeichnet. Im Mittelalter hingegen stand der gleiche Begriff für die praktische Rechenkunst. Im barocken Frankreich stand der Begriff "loger" für wohnen, logieren bzw. beherbergen. Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff Logistik erst in den späten 1960 er Jahren regelgerecht eingeführt worden.
Heute wird oft der Begriff "Supply Chain" verwendet.
Geschichte
Der byzantinische Kaiser Leontos VI (886 - 911 n. Chr.) verfasste ca.900 n. Chr. die erste, heute bekannte Definition der (militärischen) Logistik im Rahmen seines Werkes "Summarische Auseinandersetzung der Kriegskunst", das unter der Bezeichnung der "Leoninischen militärischen Institute" bekannt geworden ist.
Im Einzelnen schreibt er etwa:"Sache der Logistik ist es, das Heer zu besolden, sachgemäß zu bewaffnen und zu gliedern, es mit Geschützen und Kriegsgerät auszustatten, rechtzeitig und hinlänglich für seine Bedürfnisse zu sorgen und jeden Akt des Feldzugs entsprechend vorzubereiten, d.h. Raum und Zeit zu berechnen, das Gelände in Bezug auf die Heeresbewegungen sowie des Gegners Widerstandskraft richtig zu schätzen und diesen Funktionen gemäß die Bewegung und Verteilung der eigenen Streitkräfte zu regeln und anzuordnen, mit einem Wort zu disponieren.“
Aus dem französischen Militärwesen (1638) ist der Titel "major général des logis" bekannt.
Henri Jormini (1779-1869) beschrieb in seinem Werk "Abriss der Kriegskunst" Logistik als Form des Quartier machens und der Truppenversorgung. 1862 wurde die Abhandlung in die englische Sprache übersetzt.
Die Logistik selbst spielte bereits bei den amerikanischen Freiheitskrieg eine Rolle. Sowohl bei der Marine als auch bei der Armee verstand man darunter navigieren und versorgen der Flotte bzw. Truppe. Die USA hat ab dem 2. Weltkrieg den Begriff ins Heer und die Luftwaffe übernommen. Außerdem wurden mathematische Methoden zur Planung und Optimierung eingesetzt (siehe Operations Research).
In den 70er Jahren wurden in erster Linie Optimierungen stark abgegrenzter Funktionen vorgenommen. Dabei entstanden automatisierte-materialflusstechnische Lösungen wie das Hochregallager. Die 80er Jahre waren geprägt von einer Optimierung funktionsübergreifender Abläufe. Die Logistik avencierte zu einer Querschnittsfunktion innerhalb der Unternehmen (ähnlich wie das Personal- oder Finanzwesen). In den 90er Jahren wurden ganze Prozess- und Wertschöpfungsketten aufgebaut und optimiert. Es fand sowohl eine funktionale (auftragsorientierte) als auch eine unternehmensübergreifende Integration statt. Seit der Jahrtausendwende liegt der Fokus auf dem Aufbau und der Optimierung globaler Netzwerke, zur weltweiten Integration der Wertschöpfungsketten, statt.
Ursprünglich als Hauptfunktion der Materialwirtschaft verstanden, wird Logistik heute v. a. als flussorientierte betriebliche Querschnittsfunktion über die Bereiche Beschaffung, betriebliche Leistungserstellung (Produktion i. w. S.) und Absatz gesehen.
Sah man früher die Logistik vor allem als Rationalisierungsinstrument und Servicefunktion zur Kostenminimierung an, so hat man im Zeitverlauf zunehmend die Logistik als Wettbewerbsinstrument und Gestaltungsfunktion zur Gewinnmaximierung erkannt.
Teilbereiche

Man untergliedert die Logistik im engeren Sinn horizontal oftmals in die vier phasenspezifischen Teilsysteme:
- Beschaffungslogistik (vom Lieferant ins Eingangslager)
- Produktionslogistik (Material- & Warenwirtschaft, Verwaltung von Halbfabrikaten in Zwischenlägern, z.T. auch Fertigungswirtschaft)
- Distributionslogistik (Absatzlogistik) (vom Vertriebslager zum Kunden)
- Entsorgungslogistik (Reverselogistik) (Rücknahme von Abfällen, Leergut, Recycling aber auch Retourware)
- Metalogistik der Teilbereich der Logistik, der sich mit der Optimierung der Zusammenarbeit bzw. Kooperation der Unternehmen auseinandersetzt und entscheidende Entscheidungshilfen erarbeitet.
Im Rahmen der Distributionslogistik wird auch von Marketinglogistik gesprochen. Die Personallogistik ist hingegen Kernaufgabe der Personalabteilung (Personaleinsatzplanung).
Durch moderne Konzeptionen wie Efficient Consumer Response (ECR), Supply Chain Management (SCM), Category Management (CM) und Technologien wie beispielsweise Electronic Data Interchange (EDI) kann Logistik effizienter gestaltet werden. Beispiele sind JIT-Belieferung und Kanban.
Nach Art der Tätigkeit wird auch zwischen Lagerlogistik (Lagerwesen), Verpackungslogistik und Transportlogistik unterschieden. Häufig taucht in diesem Zusammenhang auch der Begriff Intralogistik auf, der i.d.R. die kompletten logistischen Vorgänge an einem Standort übergreifend zusammenfasst und je nach Betrieb eine Kombination aus Produktionslogistik, Lagerlogistik und Verpackungslogistik darstellt.
Aufgaben
In den Ursprüngen umfasst die Logistik die klassischen TUL-Prozesse Transport, Umschlag, Lagerung.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Logistik ist der Transport. Logistik ist verantwortlich für den Transport vom Hersteller zum Unternehmen, den innerbetrieblichen Transport, sowie den Transport zum Kunden. Sie ist damit stark abhängig von einer ausgebauten und effizienten Verkehrsinfrastruktur.
Weitere Funktionsbereiche sind:
- Warenprüfung und Handhabung
- Lagerung und Kommissionierung
- Verpackung
- Steuerung und Planung der Produktionsabläufe
- Koordination der Prozessdurchführung
Spezialaufgaben der Logistik sind z.B. die Sicherung der Güter während der Lagerung und während des Transportes, dies nicht nur bei wertvollen Gütern wie Geldtransporte, sondern auch ganz besonders beim Gefahrgut.
Die Ziele der Logistik sind die Erbringung einer hochwertigen Leistung, Qualität und Kostensenkung. Hierbei entstehen Zielkonflikte. Beispielsweise wird ein hoher Lagerbestand zwar die Fehlmengenkosten vermindern sowie die Lieferbereitschaft erhöhen, jedoch steigen dadurch die Lagerhaltungskosten. Die Logistik-Kostenrechnung dient hierbei als Instrument zur Optimumsermittlung.
Empirie
Der Anteil der Logistik an den Gesamtkosten ist nicht unerheblich. Die meisten Kosten werden hierbei von Transport und Lager eingenommen. Logistikkosten sind jedoch branchenabhängig. Hohe Logistikkosten finden sich beispielsweise in der Konsumgüterindustrie. Ebenso sind die Logistikkosten vom volkswirtschaftlichem Entwicklungsgrad abhängig. So beträgt z.B. der Anteil der Logistikkosten am Bruttoinlandsprodukt bei Schwellenländern 20% (Industrieländer weniger als 5%). Häufig fehlt es bei der Ausgestaltung der Logistik noch an der Ausgestaltung von Anreizen (Personalführung).
Logistische Kette
Der logistische Kanal (der Weg vom Hersteller bis zum Endkunden) wird durch Schnittstellen miteinander verbunden, die Grenzen darstellen und den logistischen Fluss behindern. Das Ziel der logistischen Kette ist es, diese Schnittstellen in Nahtstellen zu transformieren, in dem sie durchgängig abgestimmt und Prozessabläufe systemübergreifend gesteuert werden. Dabei wird zwischen logistischen Schnittstellen erster bis dritter Ordnung unterschieden (gleiche Abteilung, gleiches Unternehmen, unternehmensübergreifend).
Die logistische Kette bringt u.a. folgende Vorteile:
- Durch das Zusammenfassen der Hauptprozessketten wird die Duplizierung logistischer Aktivitäten vermieden.
- Transporteinheiten werden aufeinander abgestimmt, wodurch der Umschlags- und Verpackungsaufwand vermindert wird.
- Die logistische Flussorientierung wird verwirklicht.
Siehe auch
- Glossar der Logistik
- Geschäftsprozessmanagement
- Supply Chain Management
- Materialwirtschaft
- Operations Research
- Informationslogistik
- Verkehrswesen
- Verkehrswissenschaften
- Güterverkehr
- Logistikcontrolling
- Sicherheit in der Logistik
Literatur
- Klaus, Peter und Krieger, Winfried: Gabler Lexikon Logistik, 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2004.
- Domschke, Wolfgang, Logistik (in drei Bänden), 4. Auflage, R. Oldenbourg
- Ehrmann, Harald: Logistik, 4. Auflage, Kiehl Verlag; ISBN 3470475946
- Schulte, Christof: Logistik, 3. Auflage, Verlag Franz Vahlen: München 2004 ISBN 3800624540
- Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Tempelmeier, H.: Handbuch Logistik, 2. Aufl., Springer: Heidelberg 2002.
- Klaus, P. / Krieger, W. (Hrsg.) (2000): Gabler Lexikon Logistik / Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 2. Aufl., Wiesbaden
- Eversheim, W. / Luczak, H. (2002) (Hrsg.): Industrielle Logistik, 7. Aufl., Aachen
- Schulte, G. (2001): Material- und Logistikmanagement, 2. Aufl., München / Wien ISBN 3-486-2548-8
- Schulte, C. (2005): Logistik / Wege zur Optimierung der Supply Chain, 4. Aufl., München
- Wannenwetsch, H. (2004): Integrierte Materialwirtschaft und Logistik / Beschaffung, Logistik, Materialwirtschaft und Produktion, 2. Aufl., Berlin et al
- Hessenberger, M. / Krcal, K: Innovative Logistik /Versorgungsstrategien, Standortkonzepte, Steuerungselemente, Wiesbaden: Gabler, 1997, ISBN: 3-409-18958-0
- Arnold, Furmans: Materialfluss in Logistiksystemen. 4. Aufl. Springer 2005
- Ingrid Göpfert: Logistik Führungskonzeption - Gegenstand, Aufgaben und Instrumente des Logistikmanagements und -controllings. 2. Auflage, München: Vahlen, 2005 - interpretiert die Logistik als einen spezifischen Ansatz zur Führung von Wertschöpfungssystemen.
- Hans-Christian Pfohl: Logistiksysteme - betriebswirtschaftliche Grundlagen. 7. Auflage, Berlin et al.: Springer, 2004 - Standardlehrbuch; interpretiert die Logistik als Funktionenlehre welche die räumliche und zeitliche Gütertransformation zum Gegenstand hat.
- Rolf G. Poluha: Anwendung des SCOR-Modells zur Analyse der Supply Chain. Lohmar und Köln 2005, ISBN 3899364104
Weblinks
- BVL - Bundesvereinigung Logistik e.V.
- Deutsche Gesellschaft für Logistik
- lagerlogistik-info.de - Aktives Themenportal für Lageristen, mit Infos, Downloads etc.
- Institut für Transportwirtschaft und Logistik - Wirtschaftsuniversität Wien
- Transportbranche.de - Branchenportal für die Transport- und Logistikbranche
- DHL Logistik-Lotse 2005 - Online-Nachschlagewerk zu Logistik-Themen
- Logistik-Lexikon der Rieck-Gruppe
- Logistik-Lexikon der ROI Management Consulting