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Deutsches Ledermuseum

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Deutsches Ledermuseum
Deutsches Ledermuseum, Mai 2001
Logo des Museums

Das Deutsche Ledermuseum ist ein Museum in Offenbach am Main, das die weltweite Verwendung des Materials Leder im Kunsthandwerk, in der Kunst und im alltäglichen Leben aufzeigt. Auf einer Ausstellungsfläche von rund 2.500 m² werden dort mehr als 30.000 Exponate gezeigt.

Das 1917 begründete Museum vereinigt als Mehrspartenmuseum das Museum für angewandte Kunst und Industrie, das Ethnologische Museum und das größte Schuhmuseum Europas unter einem Dach.

Das Gebäude, welches das Deutsche Ledermuseum beherbergt, ist Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz.

Geschichte

Hugo Eberhardt, der Direktor der Technischen Lehranstalten (heute: Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main) erkannte bei seiner Arbeit an der Hochschule, dass „… für die Ausbildung von Formgestaltern von morgen, die Begegnung mit dem historischen Objekt unerlässlich ist“.[1] Er begann bald eine Sammlung an der Hochschule aufzubauen. In Anbetracht der damals für Offenbach wichtigen Lederwarenindustrie wurde diese der Schwerpunkt der Sammlung. Leder als Material sollte die Rolle des Mediums und des Türöffners spielen.[2]

Ausstellungsraum in den Technischen Lehranstalten, 1917

Am 13. März 1917[3] wurde von Eberhardt schließlich das Deutsche Ledermuseum anlässlich des 25-jährigen Regierungsjubiläums des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen eröffnet. Durch Stiftungen verschiedener Lederwarenfabriken aus Offenbach sowie durch Zuwendungen von Robert von Hirsch und anderer wurde dieser Anfang möglich gemacht.[4]

Die Anfänge der Sammlung zeigte Eberhardt zunächst in den Technischen Lehranstalten. Ab 1922 konnten größere Räume in der Villa Pfaltz an der Kaiserstraße genutzt werden. 1938 zog das Museum in sein bis heute genutztes Domizil an der Frankfurter Straße.[5]

Aus der Lehrmittelsammlung historischer und zeitgenössischer Designobjekte wurde nach 1945 mehr und mehr ein spezielles Heimatmuseum der untergehenden Offenbacher Lederwarenindustrie. Der ursprüngliche Ansatz eines Designmuseums (damals als Kunstgewerbemuseum bezeichnet) lässt sich anhand älterer Exponate noch erleben.

Nach Eberhardts Tod 1959 übernahm sein Assistent Günter Gall für die nächsten 30 Jahre die Leitung des Museums und erweiterte es zweimal, 1960 und 1981.[6] Auch ihm folgte mit Renate Wente-Lukas eine Mitarbeiterin auf diesem Posten nach.[7] Von 2000 bis 2014 stand Christian Rathke dem Museum als Direktor vor.[8] In seiner Amtszeit wurden vor allem die ethnologischen Abteilungen des Museums ausgebaut und das Museum für Bildungsarbeit und repräsentative Nutzung geöffnet.[9] Seit dem 1. November 2014 ist die promovierte Geschichtswissenschaftlerin und Kunsthistorikerin Inez Florschütz Direktorin des Museums.[10]

Gebäude

Das Museum ist seit 1938 im ehemaligen Lagerhaus der Offenbacher Messe, das 1829 im klassizistischen Stil erbaut wurde, untergebracht. Das Gebäude wurde erforderlich, da 1828 eine Zollvereinbarung zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Königreich Preußen geschlossen wurde, der die Messestadt Frankfurt zunächst nicht beitrat. In der Folge veranstaltete Offenbach ab September 1828 mit großem Erfolg eine eigene Messe. 1836 schloss sich die Stadt Frankfurt dem erweiterten Deutschen Zollverein an, was zum Ende der Offenbacher Messe führte. Das Bauwerk wurde 1938 nach Plänen Eberhardts umgebaut und seitdem als Museum genutzt.

Der Bauteil des ehemaligen Lagerhauses gilt in seinem äußeren Erscheinungsbild schützenswert als Kulturdenkmal. Es handelt sich dabei um einen breitgelagerten, ursprünglich zweigeschossigen und bruchsteinmauersichtigen Baukörper. Das Portal bildet ein Mittelrisalit mit hohem, ehemaligem Torbogen und teilweiser Sandsteinverkleidung. Das Gebäude hat einen hohen geschichtlichen Zeugniswert als Dokument einer Zeit des raschen wirtschaftlichen Aufschwungs und der schnellen industriellen Entwicklung Offenbachs, weshalb es ein Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz ist. Die Anlage steht daher unter Denkmalschutz.[11]

Obwohl der Name des oder der Entwerfer unbekannt ist, darf dieser Zweckbau zu den vom Darmstädter Oberbaurat Georg Moller beeinflussten Bauwerken gezählt werden.[12]

Sparten

Das Deutsche Ledermuseum ist ein Mehrspartenmuseum und vereinigt drei Museen unter einem Dach:

  1. das Museum für angewandte Kunst und Industrie
  2. das Ethnologische Museum
  3. das größte Schuhmuseum Europas

Museum für Angewandte Kunst

Fußball der Olympischen Sommerspiele 1936

Anders als der Name vermuten lässt, sammelt diese Sparte des Museums im Wesentlichen historische Lederwaren, die von dem alten Ägypten, über Kunsthandwerkliches aus diversen Jahrhunderten und Manufaktur- und Industrieerzeugnissen jüngerer Zeiten reichen. Es finden sich Exponate wie Gürtel, Taschen, Prunkschilde und -waffen, Rüstungen, Masken, lederne Bucheinbände und Minnekästchen, darunter Aktentaschen Napoléon Bonapartes und seiner Frau Josefine, Koffer der Hersteller Louis Vuitton und Rimowa, sowie eine von Stefan Heiliger entworfene Chaiselongue. Ein weiteres Sammlungsgebiet ist das internationale Taschen- und Schuh-Design des 20. und 21. Jahrhunderts. Hier präsentiert das Museum die größte Sammlung von Handtaschen in Europa.

Daneben zeigt das Museum auch andere Designartikel und Werke der Angewandten Kunst, so zum Beispiel Boxes and Bowls des Kanadiers Rex Lingwood sowie Werke zeitgenössischer Künstler, unter anderem Horst Egon Kalinowski, Andreas Hoffmann, John Jeanpierre, Julia Kunin, Karina Wellmer-Schnell, Allan Jones sowie Gotthard Bonell.

Raum bietet das Museum auch dessen regionalem Ursprung mit einer Darstellung der Entwicklung der Lederstadt Offenbach und der vielen kleinen Betriebe in bescheidenen Werkstätten der Heimindustrie hin zu großen Fabriken.[13]

Ethnologisches Museum

Schattenspielfiguren aus dem sog. Qianlong-Satz

Das Ethnologische Museum offeriert eine breite kontinentübergreifende Ausstellung:

Die Amerika-Abteilung arbeitet mit dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt und dem Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main zusammen. So bildet die Offenbacher Ausstellung einen Schwerpunkt zu den Kulturen der amerikanischen und kanadischen Völker wie den Diné, Hopi oder Blackfoot. Die Abteilung Nordamerikanische Indianer zeigt, in welcher Abhängigkeit einzelne Indianergruppen von dem, was ihnen die Umwelt bereitstellte, lebten und das Klima die materielle Ausstattung bestimmte. Die Ausstellung über Cowboys und Rinderzüchter Nord- und Mittelamerikas ist ebenfalls bedeutend.

Die asiatischen Exponate sind mit die weltweit bedeutendste Sammlung orientalischer, chinesischer und südostasiatischer Schattenspielfiguren aus Pergament. Darüber hinaus sind auch Figuren aus Ägypten und der Türkei vorhanden.

Weiterer Glanzpunkt ist die in erweiterter Form neu eröffnete Afrika-Abteilung. Bauernkulturen der Savanne und des Sahel-Raumes Westafrikas sowie die Rinder- und Kamelnomaden in der Wüste Sahara und den Steppen Ostafrikas stellen deren Schwerpunkt dar.

Ebenso sind viele Exponate aus den Kulturen Japans, Chinas und Tibets sowie der Polarregionen zu finden.[14]

Deutsches Schuhmuseum

Die Turnschuhe des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer

Das angegliederte Deutsche Schuhmuseum zeigt die internationale und nationale Schuhmode aus vier Jahrtausenden anhand von mehr als 15.000 Ausstellungsstücken. Es finden sich Exponate aus ägyptischen Mumiengräbern, aus dem Iran, Italien, China und vielen weiteren Ländern. Darunter sind beispielsweise die Seidenstiefel der Kaiserin Sisi, die Turnschuhe Joschka Fischers, die er bei seinem Amtsantritt als hessischer Umweltminister trug oder die rekonstruierten Bergschuhe der Gletschermumie Ötzi. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das 18. Jahrhundert mit seinen kostbaren Seidenschuhen des Adels. Auch der Schuh als Kunstwerk gehört zu den Sammlungen im Schuhmuseum, so finden sich Schuhe als Kunstobjekte von Günther Uecker, Allen Jones, Caroline Bahr, Gisela Cardaun und Gaza Bowen unter den Ausstellungsstücken.

Der aktuellen Modeentwicklung wird durch Kontakte des Museums mit dem DSI (Deutsches Schuhinstitut) in Offenbach sowie zur Internationalen Schuhmesse in Düsseldorf Rechnung getragen.[15]

Sonstiges

Unterrichtungstafel Deutsches Ledermuseum Offenbach am Main BAB 3
  • Das Ledermuseum wird seit Juli 2017 mit Hilfe von Unterrichtungstafeln an der Bundesautobahn 3 beworben
  • Im Offenbacher Ledermuseum existiert ein ausgebauter Kinosaal, der in den 1980er Jahren als kommunales Kino genutzt wurde. Seit 2011 ist der Saal ein Programmkino und Konzertsaal, der seit 2014 den Namen Lederpalast trägt.[16] Der Lederpalast wird durch den Verein Kino im DLM betrieben.[17]
  • Die Sammlungen des Museums sind barrierefrei mit Rampen und Aufzug erreichbar.[18]
  • Die letzte Ruhestätte von Hugo Eberhardt, dem früheren Leiter des Deutschen Ledermuseums, befindet sich auch hier. Seine Urne wird hinter einer Grabwand verwahrt.[19]
  • Der wahrscheinlich weltweit größte Stoßzahn eines Narwals mit einer Länge von 2,74 Metern befindet sich im Deutschen Ledermuseum.[20]
Das Portal der Lederwarenfabrik J. Mayer

Ausstellungen (Auswahl)

  • 2010: Marrakesch – Zwischen Moderne und 1001 Nacht[28]
  • 2011: Schattenspielfiguren[29]
  • 2012: Nur ein Hauch … Fächer: ein besonderes Instrument der Kommunikation[30]
  • 2013: Kulturen am Rand der chinesischen Welt: Mongolei, Südsibirien, Korea[31]
  • 2014: Roger Vivier – Schuhwerke[32]
  • 2015: Taschen! Tradition und Qualität – Recycling und Upcycling – Veredelung[33]
  • 2016: Leder – Begleiter durchs Leben[34]

Literatur

  • Günter Gall, Renate Wente-Lukas: Deutsches Ledermuseum, Deutsches Schuhmuseum Offenbach. Westermann, Braunschweig 1981, DNB 810983036.
  • Wolfgang Jäger: Vom Handwerk zur Industrie, Entstehung und Entwicklung des Ledergewerbes in Offenbach am Main – Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Deutschen Ledermuseums mit dem angeschlossenen Deutschen Schuhmuseum. Deutsches Ledermuseum/Deutsches Schuhmuseum, Offenbach 1992, ISBN 3-87280-075-2.
Commons: Deutsches Ledermuseum – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Günter Gall: Nachruf – Hugo Eberhardt. In: Kunstchronik. Nr. 11. München November 1959, S. 294 f.
  2. Wolfgang Jäger: Vom Handwerk zur Industrie: Entstehung und Entwicklung des Ledergewerbes in Offenbach am Main, Festschrift zum 75-jährigen Bestehen des deutschen Ledermuseums mit dem angeschlossenen Deutschen Schuhmuseum, am 13. März 1992. ISBN 978-3-87280-075-6, S. 7.
  3. 13. März 2007 – Vor 90 Jahren: Deutsches Ledermuseum in Offenbach gegründet. In: wdr.de. 13. März 2007, abgerufen am 7. April 2016.
  4. Hugo Eberhardt: Ein Deutsches Ledermuseum zu Offenbach a. Main. In: Deutsche Kunst und Dekoration. Nr. 7–8 (April/Mai). Verlagsanstalt Alexander Koch, 1917, ISSN 2195-6294, S. 186–196, hier S. 196. (digi.ub.uni-heidelberg.de [abgerufen am 7. April 2016]).
  5. Lothar R. Braun: Ledermuseum blickt voraus auf 100-jähriges Bestehen. In: op-online.de. 21. April 2015, abgerufen am 7. April 2016.
  6. Einstiger Museumsleiter Günter Gall ist tot. In: fr-online.de. 16. Dezember 2008, abgerufen am 4. Februar 2015.
  7. Lothar Braun: 1917: Vom „Schnorrer“ und seinem Minnekästchen. (Memento vom 19. Januar 2014 im Internet Archive). Ursprünglich in: Offenbach-Post, 10. Dezember 2008, zuletzt online auf offenbach.de.
  8. Markus Terharn: Dr. Christian Rathke geht. Haus wohlbestellt verlassen. In: op-online.de. 23. August 2014, abgerufen am 3. Juli 2015.
  9. Zeitenwende im Museum. In: fr-online.de. 25. Juni 2014, abgerufen am 15. Oktober 2014.
  10. Neue Chefin für das Deutsche Ledermuseum in Offenbach. In: fnp.de. 2. Oktober 2014, abgerufen am 15. Oktober 2014.
  11. Vorlage:KD-Hessen.
  12. 23 – Deutsches Ledermuseum. Auf: offenbach.de, abgerufen am 18. März 2016.
  13. Für den gesamten Abschnitt: Museum für Angewandte Kunst. Auf: ledermuseum.de, abgerufen am 16. Oktober 2014.
  14. Für den gesamten Abschnitt: Ethnologisches Museum. Auf: ledermuseum.de, abgerufen am 16. Oktober 2014.
  15. Für den gesamten Abschnitt: Schuhmuseum. Auf: ledermuseum.de, abgerufen am 16. Oktober 2014.
  16. Claus Wolfschlag: Kommunales Kino in Offenbach scheiterte stets am Besuchermangel. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf. In: op-online.de. 9. September 2011, abgerufen am 3. Juli 2015.
  17. Kino im DLM e.V. Auf: lederpalast.de, abgerufen am 22. April 2015.
  18. DLM – Öffnungszeiten. Auf: ledermuseum.de, abgerufen am 11. März 2016.
  19. Reinhold Gries: Der vergessene Todestag. op-online.de, 27. August 2009, abgerufen am 3. Juli 2015.
  20. Guinness-Buch der Rekorde 1992, Ullstein, ISBN 3-550-07750-5.
  21. Jörg Echtler: Denkmal für die Mayer-Werke. In: fr-online.de. 16. Oktober 2013, abgerufen am 9. Juli 2015.
  22. Anton Jakob Weinberger: Ziegenhäute und heroische Arbeiter. In: faz.net. 27. Oktober 2013, abgerufen am 9. Juli 2015.
  23. Claus Wolfschlag: Nacht der Museen in Offenbach. In: op-online.de. 6. Mai 2013, abgerufen am 3. Juli 2015.
  24. Markus Terharn: Nacht der Museen lockt in vier Einrichtungen in Offenbach. In: op-online.de. 22. April 2015, abgerufen am 3. Juli 2015.
  25. Lokaler Routenführer Nr. 9 der Route der Industriekultur Rhein-Main. (PDF; 519 kB) In: krfrm.de. KulturRegion FrankfurtRheinMain gGmbH, , abgerufen am 14. November 2015.
  26. Luminale in Offenbach: Im doppelten Sinne erhellt. In: op-online.de. 26. Februar 2016, abgerufen am 12. März 2016.
  27. Jan Schuba: Ledermuseum beteiligt sich erstmals an der Luminale. In: op-online.de. 15. März 2016, abgerufen am 15. März 2016.
  28. Sigrid Aldehoff: Zwischen Tradition und Moderne. In: fr-online.de. 15. Januar 2010, abgerufen am 22. April 2015.
  29. Auf der Leinwand Szenen aus Schatten in: FAZ vom 13. August 2011, Seite 59.
  30. Monica Bielesch: Ausstellung im Ledermuseum: Werkzeug der Koketterie. In: fr-online.de. 14. April 2012, abgerufen am 16. Oktober 2014.
  31. Offenbach am Main, DLM – Deutsches Ledermuseum/Deutsches Schuhmuseum. (PDF; 7,7 MB) In: Die Kunstgeschichte Ostasiens. Zentrum für Ostasienwissenschaften, November 2013, S. 184 f., abgerufen am 8. Juli 2015.
  32. Ausstellung: Roger Vivier – Schuhwerke im Deutschen Ledermuseum Offenbach. In: vogue.de. 21. März 2014, abgerufen am 16. Oktober 2014.
  33. Silvia Bielert: Luxuriös, funktional, nachhaltig. In: fr-online.de. 17. Dezember 2014, abgerufen am 4. Februar 2015.
  34. Lisa Berins: Sonderausstellung „Leder – Begleiter durchs Leben“ im Ledermuseum Offenbach. In: op-online.de. 1. Juli 2016, abgerufen am 1. Juli 2016.

Koordinaten: 50° 6′ 12″ N, 8° 45′ 18″ O