Zum Inhalt springen

Energiewirtschaft Russlands

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. April 2006 um 18:57 Uhr durch 193.26.32.66 (Diskussion) (Weblinks: Ergänzung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Energiewirtschaft hat für die russische Wirtschaft herausragende Bedeutung, insbesondere weil Russland über große Vorkommen an Erdöl und Erdgas verfügt, deren Fördermengen den inländischen Bedarf weit übersteigen.

Beim Erdöl war Russland 2004 nach Saudi-Arabien weltweit zweitgrößter Produzent und Exporteur. Rund 55 % der Rohölförderung wurden exportiert, einschließlich des Exports von Mineralölprodukten gingen 73 % der Rohölförderung ins Ausland.

Beim Erdgas lag Russland als Produzent und Exporteur im internationalen Vergleich mit Abstand an erster Stelle. Rund 30 % der Erdgasförderung wurden exportiert.

Neben Erdöl und Erdgas verfügt Russland auch über bedeutende Vorkommen an Kohle und Uran und hat vielfältige Möglichkeiten zur Nutzung von Wasserkraft zur Erzeugung von Strom.

Die Energiewirtschaft, die zusammen mit den übrigen Rohstoffsektoren schätzungsweise rund ein Viertel zur gesamtwirtschaftlichen Produktion beisteuert, hat entscheidenden Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Russlands. Insbesondere zu den Exporterlösen und den Staatseinnahmen leistet sie hohe Beiträge. Dies bedeutet gleichzeitig, dass Russland in hohem Maße vom Energiesektor abhängig ist, insbesondere von der Entwicklung des Ölpreises.

Die russische Führung sieht die Energiewirtschaft als einen „strategisch wichtigen“ Wirtschaftszweig – zur Sicherung der heimischen Energieversorgung, aber auch weil energiewirtschaftliche Entscheidungen, z.B. über den Bau von Pipelines, als außenpolitische Instrumente eingesetzt werden können. In den letzten Jahren verstärkt sie ihre Bemühungen, Einflussmöglichkeiten zurückzugewinnen, die sie durch die Privatisierung – insbesondere im Ölbereich – verloren hat. Die Marktstellung der im Staatseigentum verbliebenen Energieunternehmen soll ausgebaut werden, private Unternehmen stärker gelenkt und kontrolliert werden.

Energieproduktion wächst nach tiefem Einbruch kräftig

Erdöl-, Erdgas und Kohleproduktion

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging auch die russische Energieproduktion, insbesondere die Öl- und Kohleproduktion, jahrelang drastisch zurück.

Die Produktion von Erdöl halbierte sich von ihrem Ende der 80er Jahre erreichten Höhepunkt bis Mitte der 90er Jahre fast. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre stagnierte sie bei gut 300 Millionen Tonnen pro Jahr. Seither stieg sie dank drastisch erhöhter Investitionen und dem Einsatz moderner Technologien in den mittlerweile weitgehend privatisierten Ölunternehmen bis 2004 um rund die Hälfte. Der rasche Anstieg des Ölpreises schuf dafür die finanzielle Basis.

Die Produktion von Kohle, die ähnlich stark wie die Ölproduktion von rund 400 Millionen Tonnen in den 80er Jahren auf nur noch 233 Millionen Tonnen im Jahr 1998 einbrach, ist seitdem zwar auch nicht mehr rückläufig, erholt sich aber viel langsamer als die Ölproduktion. Russische Kohle hat allerdings für den internationalen Energiemarkt auch weitaus geringere Bedeutung als russisches Erdgas und Erdöl, da bei Berücksichtigung der russischen Kohleimporte netto nur rund ein Zehntel der Kohleförderung exportiert wird.

2004 nahm die Produktion von Brennstoffen um insgesamt 7,1 % zu. Nach Energieträgern ergaben sich folgende Steigerungen:

  • Erdöl und Gaskondensat: + 8,9 % auf 459 Mio. t
  • Erdgas: + 1,9 % auf 632 Mrd. m³
  • Kohle: + 1,3 %

2005 hat sich der Produktionsanstieg im Brennstoffbereich allerdings stark verlangsamt. Besonders augenfällig war der Rückgang bei der Erdölförderung. Mit rund 470 Millionen Tonnen lag sie um lediglich um rund 2,5 % über dem Vorjahresniveau. Die Erdgasförderung stieg nur noch um rund 1 %.

Stromproduktion

Die Produktion von elektrischem Strom wächst seit 1999 ebenfalls wieder.

Mit Öl-, Erdgas- oder Kohle betriebene Wärmekraftwerke stellten 2003 rund 63 % der gesamten Stromproduktion von rund 851 Mrd. Kilowattstunden. Auf Wasserkraftwerke entfielen 21 %, auf Kernkraftwerke 16 %.

Die russische Regierung plant, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2020 auf etwa ein Drittel zu verdoppeln, um noch mehr Erdöl- und Erdgas exportieren zu können.

Hohe Erdgas- und Erdölreserven sichern starke Stellung im Weltenergiehandel

Russland verfügt mit rund einem Drittel der weltweiten Erdgasreserven im internationalen Vergleich mit Abstand über die höchsten sicher gewinnbaren Erdgasreserven. Russland wird deswegen auch künftig eine führende Position im Welterdgashandel einnehmen.

Die sicher gewinnbaren Erdölreserven Russlands sind international nicht von so herausragender Bedeutung. Sie machen „nur“ rund 5 % der weltweiten Reserven aus. Künftige Steigerungen der Ölproduktion, mit denen einigen Prognosen zufolge zumindest noch bis etwa 2015 zu rechnen ist, dürften aber weitgehend in den Export fließen können und so weiterhin zur Deckung der wachsenden weltweiten Nachfrage beitragen können. Der Mineralölverbrauch im Inland wird voraussichtlich trotz starken Wirtschaftswachstums und rasch zunehmender Motorisierung aufgrund der großen Einsparmöglichkeiten kaum steigen. Er hat schon während der zurückliegenden Phase der Produktionserholung seit Mitte der 90er Jahre kaum zugenommen, sondern auf gedrücktem Niveau annähernd stagniert.

Die russische Erdölproduktion dürfte künftig jedoch deutlich weniger stark zunehmen als in den letzten Jahren. Auch die Erdölexporte werden voraussichtlich langsamer wachsen, nachdem sie in den letzten 5 Jahren fast verdoppelt wurden. Russland hat damit einen großen Teil des Wachstums des weltweiten Ölverbrauchs gedeckt. Sein Anteil an den weltweiten Ölexporten ist gestiegen. Mittel- und langfristig dürfte dieser Anteil aber wieder sinken, während das Gewicht OPEC-Staaten, die über wesentlich höhere Reserven verfügen, im weltweiten Ölhandel zunehmen wird.

Herausragende gesamtwirtschaftliche Bedeutung

Anteil der Förderung von Rohstoffen am Bruttoinlandsprodukt bei rund 25 %

Nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat steuerten Unternehmen, die im Bereich der Förderung von Rohstoffen tätig waren, also insbesondere die Erdöl- und Erdgasförderunternehmen, 2004 zwar nur 7,7 % zur gesamtwirtschaftlichen Produktion, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), bei. Demgegenüber entfielen auf den Handels- und Dienstleistungssektor insgesamt knapp 60 %, darunter auf den Handelsbereich allein 21,3 %.

Nach Einschätzung der Weltbank dürfte die amtliche Statistik den Anteil des Rohstoffsektors jedoch zu niedrig und den Anteil des Handels zu hoch ausweisen, da die russischen Rohstoffkonzerne durch Anwendung interner Verrechnungspreise Wertschöpfung aus dem Rohstoffbereich auf den Handelsbereich verlagern – insbesondere um Steuern zu sparen. Die Weltbank schätzt, dass tatsächlich rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Produktion vom Rohstoffsektor gestellt wird.

Hohe Beiträge zu Exporterlösen und Staatseinnahmen

Seit Ende der 90er Jahre ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft mit der kräftigen Erholung der Erdölförderung und der annähernden Verdoppelung der Ölexporte bei steigenden Ölpreisen weiter gestiegen.

Der Anteil des Exports von Energieträgern und Elektrizität an den gesamten Erlösen aus Ausfuhren über die Grenzen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, GUS, hinaus erreichte nach Angaben der russischen Zollbehörde 2004 erneut rund 58 %.

Auch die Entwicklung der russischen Staatsfinanzen ist in hohem Maße von den Steuern und Abgaben des Energiesektors abhängig. Die derzeitigen hohen Überschüsse im russischen Staatshaushalt sind den stark gestiegenen Ölpreisen zu verdanken.

Risiken der starken Energieabhängigkeit der russischen Wirtschaft

Die dank hoher Erlöse aus dem Energieexport reichlich zufließenden Devisen bringen die russische Geld- und Wechselkurspolitik in einen Zielkonflikt. Versucht die Zentralbank, die Aufwertung des Rubel durch den Aufkauf von ausländischen Währungen zu dämpfen, um so eine allzu rasche Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit russischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu vermeiden, steigt die Geldmenge und damit das Inflationspotential. Manche Beobachter meinen, dass die Wettbewerbsfähigkeit russischer Wirtschaftszweige außerhalb der Energiewirtschaft durch die laufende Aufwertung bereits beeinträchtigt wird, Russland an der sogenannten „holländischen Krankheit“ leidet.

Zur Vorsorge für einen Ölpreisverfall hat die Regierung Anfang 2004 einen „Stabilisierungsfonds“ errichtet. Grundidee des Fonds ist, dass die Ausgaben der russischen Regierung einem Ölpreis von 20 $ entsprechen sollen. Einnahmen, die aufgrund eines höheren Ölpreises dem Staat zufließen, sollen in den Fonds eingestellt werden. Sinkt der Ölpreis unter 20 $, sollen die staatlichen Ausgaben durch die Entnahme von Mitteln aus dem Fonds stabilisiert werden.

Am Jahresanfang 2005 umfasste der Fonds rd. 522 Mrd. Rubel (rd. 19 Mrd. $). Damit ist der gesetzlich notwendige Mindestbestand von 500 Mrd. Rubel, ab dem Mittel aus dem Fonds für allgemeine Haushaltsausgaben entnommen werden dürfen, überschritten. 500 Mrd. Rubel (rd. 18 Mrd. $) entsprechen aber voraussichtlich nur knapp 3 % des diesjährigen russischen Bruttoinlandsprodukts. Die OECD und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) fordern einen höheren Mindestbestand. Ende 2005 dürfte der Fonds voraussichtlich einen Bestand von rund 50 Mrd. $ erreichen.

Energiepolitik zwischen Liberalisierung und Renationalisierung

Entsprechend der hohen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Energiewirtschaft ist die ordnungspolitische Gestaltung des Energiesektors ein Schwerpunkt der russischen Wirtschaftspolitik. Strittig ist, wie viel Marktwirtschaft es in der russischen Energiewirtschaft geben soll.

Im Zuge der raschen Privatisierung unter Präsident Jelzin wurde zwar der weit überwiegende Teil der Ölindustrie privatisiert. Das Eigentum an den privatisierten Ölunternehmen ist jedoch nicht breit gestreut. Der Privatisierungsprozess hatte im Gegenteil zum Ergebnis, dass fast alle Ölunternehmen aus Staatsbesitz in das Eigentum weniger Oligarchen übergingen.

Die führenden Unternehmen der Erdgas- und Stromwirtschaft, oft als sogenannte „natürliche Monopole“ bezeichnet, wurden nur teilprivatisiert und blieben unter bestimmendem Einfluss des Staates.

Reformen mit Maßnahmen, die zu mehr Markt und Wettbewerb führen, sind bisher nur im Strombereich geplant. Der Strommonopolist EES Rossii (РАО "ЕЭС России")(häufig als RAO UES oder Unified Energy Systems bezeichnet), dessen Vorstandsvorsitzender Anatoli Tschubais ist, der unter Jelzin für die Privatisierung der russischen Wirtschaft verantwortlich war, soll in ein Unternehmen zum Betrieb des nationalen Stromnetzes und regionale Produktions- und Verteilungsgesellschaften aufgespalten werden. Bisher hält der Staat aber noch rund 53 % der Aktien des Stromversorgers UES.

Im Gas- und Ölbereich sind demgegenüber eher Tendenzen zu einer „Renationalisierung“ zu beobachten. Seitdem Regierung und Justiz 2003 begannen, gegen den Ölkonzern Jukos des Oligarchen Michail Chodorkowskij vorzugehen, zeigt sich, dass die russische Führung offenbar entschlossen ist, ihre Position im Ölsektor wieder zu verstärken. Ausländische Unternehmen sollen in der Energiewirtschaft als einem „strategisch wichtigen Sektor“ keinen bestimmenden Einfluss gewinnen dürfen. Die hälftige Beteiligung der britischen BP am Ölunternehmen TNK-BP scheint ein Ausnahmefall zu bleiben.

Ende 2004 kaufte der staatliche Ölkonzern Rosneft für rund 9,4 Mrd. $ die größte Fördergesellschaft des privaten Ölkonzerns Jukos, nachdem russische Finanzbehörden Jukos mit Steuernachforderungen von rund 28 Mrd. $ zum Verkauf gezwungen hatten.

Die führende russische Erdgasgesellschaft Gasprom, auf die rund 90 % der Gasförderung entfallen, will die russische Regierung zu einem Energiekonzern mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung umgestalten, der auch in anderen Zweigen der Energiewirtschaft, insbesondere im Ölbereich, über beachtenswerte Marktanteile verfügt. Dazu hat die Regierung über ihre Ölgesellschaft Rosneft ihren Anteil am Gasprom-Aktienkapital Mitte 2005 auf 50 % zuzüglich einer Aktie aufgestockt.

Im Oktober 2005 übernahm Gasprom für 13,1 Mrd. $ fast drei Viertel des Ölkonzerns Sibneft. Sibneft gehörte mehrheitlich dem Oligarchen Roman Abramowitsch. 2004 förderte Sibneft 34 Mio. t Rohöl und war damit fünftgrößte Fördergesellschaft.

Ende 2005 kontrollierte der Staat knapp ein Drittel der russischen Ölwirtschaft und - über die Mehrheit am Gaskonzern Gasprom - praktisch das gesamte Geschäft mit Gas.

Zugleich strebt die russische Energiepolitik an, dass sich ausländische Investoren in der russischen Energiewirtschaft engagieren.

Minderheitsbeteiligungen ausländischer Unternehmen sind möglich. Mitte April 2005 vereinbarte Gasprom mit der deutschen Wintershall AG, einer Tochtergesellschaft der BASF, eine gemeinsame Gesellschaft zur Förderung von Erdgas in Westsibirien im Feld Juschno Russkoje. Wintershall wird daran direkt mit 50 % minus eine Aktie beteiligt. Im Gegenzug wird die Gasprom-Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen Wingas, das Erdgas in Deutschland verkauft, von 35 % auf 50 % minus 1 Aktie aufgestockt.

Außerdem will die russische Regierung 2006 Aktien des staatlichen Ölkonzern Rosneft im Werte von bis zu 15 Mrd. $ an die Börse bringen. Mit dem Geld aus dem Börsengang soll Rosneft vor allem einen Kredit über 7,5 Mrd. $ ablösen, mit dem der Konzern der Regierung den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an Gasprom finanziert hatte.

Konflikte zwischen „Silowiki“ und „Liberalen“

Bei aller Einigkeit über die „strategische Bedeutung“ der Energiewirtschaft zeigen sich in der Energiepolitik aber auch Gegensätze verschiedener Fraktionen innerhalb der Regierung. Die sogenannten „Silowiki“, Regierungsmitglieder, die zumeist früher im Geheimdienst gearbeitet haben und für starke Eingriffe des Staates in die Wirtschaft plädieren, und die sogenannten „Liberalen“, die eher marktwirtschaftlich orientiert sind, verfolgen unterschiedliche Konzeptionen und Ziele. Dabei scheinen auch finanzielle Interessen der beteiligten Politiker eine Rolle zu spielen.

Besonders deutlich wurden die Konflikte bei der Diskussion über die Entwicklung der Erdöl- und Erdgaswirtschaft nach der Zerschlagung des Jukos-Konzerns des Oligarchen Chodorkowski im Frühjahr 2005. Sie ergaben sich auch daraus, dass die führenden Vertreter der „Silowiki“ und der „Liberalen“ auch Aufsichtsratsvorsitzende führender Energiekonzerne sind:

  • Igor Setschin, der Leiter der Präsidialkanzlei, gilt als Chef der "Silowiki". Er ist Aufsichtsratsvorsitzender des staatlichen Ölkonzerns Rosneft. Als früherer Geheimdienstmitarbeiter hat er Präsident Putin vom Bürgermeisteramt in St. Petersburg bis in den Kreml begleitet.
  • Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, bis November 2005 Leiter der Präsidialverwaltung und jetzt Erster Stellvertretender Ministerpräsident, gilt als Chef der Liberalen im Kreml. Medwedew steht dem Aufsichtsrat der Gasprom vor.

Der Plan zur Zerschlagung des Jukos-Konzerns, der 2004 noch größter Ölproduzent Russlands war, stammt von Setschin – so der Moskauer Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“, Jens Hartmann, unter Berufung auf Mitarbeiter Setschins. Die Produktion von Rosneft, der einzigen Ölproduktionsgesellschaft, die nach der weitgehenden Privatisierung der Ölproduktionsgesellschaften völlig in staatlicher Hand verblieben ist, rangierte 2004 noch weit hinter der der führenden Ölproduzenten Jukos und Lukoil. Nach der Zerschlagung des Jukos-Konzerns machte Rosneft 2005 durch die Übernahme von Juganskneftegas (JNG), der größten Produktionsgesellschaft des Jukos-Konzerns, in der Rangliste der russischen Ölproduzenten einen großen Sprung nach oben und belegt jetzt Platz drei.

Dabei sollte es nach den Vorstellungen der Gasprom-Führung und ihres Aufsichtratsvorsitzenden Medwedew, die auch von Präsident Putin unterstützt wurden, aber nicht bleiben. Rosneft sollte mit Gasprom zu einem den Erdöl- und Erdgasbereich übergreifenden Energiekonzern fusionieren. Dagegen hat sich Setschin offenbar erfolgreich gewehrt und die Eigenständigkeit von Rosneft gesichert.

Die Episode zeigt nach Einschätzung mancher Beobachter, dass auch Putin seine Vorstellungen nicht immer durchsetzten kann. Beim Verzicht auf eine Fusion von Gasprom mit Rosneft könnte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass Rosneft die Jukos-Fördergesellschaft Anfang 2005 auf juristisch angreifbare Weise übernommen hat. Möglicherweise wollte die russische Führung nicht riskieren, dass deswegen vor internationalen Gerichten gegen Gasprom vorgegangen werden könnte.

Erdölwirtschaft Russlands

Politik der russischen Regierung im Erdölsektor

Zunächst Privatisierung mit Konzentration in Oligarchenhand

Ab 1995 gingen die in der staatlichen Holding Rosneft zusammengefassten russischen Ölunternehmen vielfach in das Eigentum von Banken und Oligarchen über. Um Kredite zu erhalten, verpfändete die russische Regierung in zweifelhaften Verfahren ihre Anteile an den Ölunternehmen. Da sie die Kredite regelmäßig nicht zurückzahlte, verlor sie das Eigentum. Nur die Ölgesellschaft Rosneft ist derzeit noch vollständig in Staatsbesitz.

Die Konzentration der Förderung auf die größten Fördergesellschaften nahm im Zuge der Erholung der Förderung seit 1999 zu. Ende 2003 entfielen rd. 75 % der russischen Förderung auf nur 5 Unternehmen. Mit Abstand größte Fördergesellschaften waren 2003 mit einem Anteil von jeweils rund einem Fünftel an der Gesamtförderung die Gesellschaften Jukos und Lukoil.

Noch stärker wäre die Konzentration der Ölindustrie, wenn der Fusions-Versuch von Jukos mit Sibneft nicht im Februar 2004 gescheitert wäre. Zustande kam hingegen der Kauf von 50 % der Tyumen Oil Co. durch BP und die Bildung der [TNK-BP]].

Dem Umsatz nach war Lukoil 2003 mit 19,3 Mrd. $ klar größter Ölkonzern, vor Jukos (13,3 Mrd. $) und TNK-BP (10,3 Mrd. $). Zum Vergleich: Umsatzstärkstes russisches Unternehmen war die Erdgasgesellschaft Gasprom (26,7 Mrd. $).

Seit etwa 2003 Trend zu verstärktem Staatseinfluss

Seit 2003 war die ordnungspolitische Entwicklung vor allem durch das Vorgehen der von Justiz und Regierung gegen den Vorstandsvorsitzenden und Großaktionär des Mineralölkonzern Jukos, Michail Chodorkowski, geprägt. Die wichtigsten Stationen der Jukos-Affaire, die zur Verurteilung Chodorkowskis zu neun Jahren Haft und zur Übernahme der wichtigsten Jukos-Fördergesellschaft durch die staatliche Ölgesellschaft Rosneft führte:

  • 09. Jul. 2003: Generalstaatsanwaltschaft teilt mit, dass gegen Jukos ein Untersuchungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden ist.
  • 25. Okt. 2003: Festnahme Michail Chodorkowskis, des Vorstandsvorsitzenden und Großaktionärs des Jukos-Konzerns, unter dem Vorwurf des Steuerbetrugs.
  • 27. Okt. 2003: Exxon-Mobil und Chevron brechen Gespräche über Beteiligung an Jukos ab. Im Sommer 2003 hatten sich Gerüchte verdichtet, dass Jukos 25% seiner Aktien an die US-Unternehmen verkaufen werde.
  • 03. Nov. 2003: Rücktritt Michail Chodorkowskis als Konzernchef.
  • 28. Nov. 2003: Sibneft sagt geplante Fusion mit Jukos ab.
  • 15. Apr. 2004: Gericht friert das Vermögen des Konzerns ein.
  • 16. Jun. 2004: Beginn des Gerichtsverfahrens gegen Chodorkowski und seinen Geschäftspartner Lebedew.
  • 01. Jul. 2004: Vollstreckungsbefehl über Steuerschuld von 2,8 Milliarden Euro für 2000 wird Jukos zugestellt. Geschäftskonten von Jukos werden eingefroren. Zugleich fordern die Finanzbehörden weitere 2,8 Milliarden Euro Steuernachzahlungen für 2001.
  • 20. Jul. 2004: Justizministerium kündigt den Verkauf der Jukos-Tochtergesellschaft Juganskneftegas an, um mit den Erlösen die Steuerschulden zu begleichen. Juganskneftegas ist mit rd. 60 % der Jukos-Gesamtförderung die größte Jukos-Fördergesellschaft.
  • 19. Nov. 2004: Staatliche Vermögensverwaltungsbehörde bestimmt 19. Dezember für Mitteilung des Ergebnisses der Versteigerung von Juganskneftegas.
  • Ende November 2004: Jukos-Spitzenmanager verlassen Russland; am 26.11. liegt der Jukos-Kurs 94 % unter dem 2003 erreichten Höchststand.
  • 30. Nov. 2004: Gasprom erklärt, über Gaspromneft Juganskneftegas kaufen zu wollen.
  • 19. Dez. 2004: Juganskneftegas wird von einer bisher völlig unbekannten „Baikalfinanzgruppe“ für rund 7 Mrd. Euro ersteigert.
  • 22. Dez. 2004: Die „Baikalfinanzgruppe“ wird von der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft übernommen.
  • 16. Mai. 2005: Verurteilung Chodorkowskis zu neun Jahren Haft, insbesondere wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Quelle: russland.RU; Chronik und Analyse der Jukos-Affaire auch in “Russlandanalysen” der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (insb. Nr. 34 vom 09. Juli 2004)

Mit der Jukos-Affaire wurde deutlich, dass die Regierung verstärkt lenkend und kontrollierend in die Energiewirtschaft eingreifen will. Dazu passt, dass die Regierung Mitte 2005 die Aktienmehrheit an der führenden Erdgasgesellschaft Gasprom erwarb. Gasprom soll künftig verstärkt im Ölbereich aktiv werden. Dazu hat Gasprom die Mehrheit der Ölgesellschaft Sibneft übernommen.

Ende 2005 entfielen bereits 35 % der Ölförderung auf staatliche Gesellschaften (Gasprom, Sibneft, Rosneft sowie Tatneft und Baschneft, die unter Verwaltung der Behörden von Tatarstan und Baschkirien stehen). 2003 hatten staatliche Ölgesellschaften nur rund 12 % der russischen Ölförderung gestellt.

Andererseits wurden Ende 2005 Bestimmungen, die Ausländern die Beteiligung an Gasprom erschweren, und die Begrenzung des Aktienanteils von Ausländern auf höchstens 20 % aufgehoben. Überdies wird die Privatisierung fortgesetzt. So hat der russische Staat Ende September 2004 seine restlichen Anteile an der größten Ölgesellschaft Lukoil (7,59 %) für knapp 2 Mrd. $ an den amerikanische Ölkonzern ConocoPhillips verkauft.

Die ordnungspolitische Entwicklung der russischen Ölwirtschaft bleibt also widersprüchlich.

Entwicklung von Produktion, Verbrauch, Exporten und Transportinfrastruktur

Erdölförderung: Nach tiefem Einbruch seit 2000 rasche Erholung

Die russische Ölförderung schwankte in den letzten 20 Jahren sehr stark. Nachdem sie Ende der 80er Jahre – kurz vor der Auflösung der Sowjetunion - ihren Höhepunkt mit rund 575 Millionen Tonnen überschritten hatte, halbierte sie sich bis Mitte der 90er Jahre fast, hauptsächlich wegen niedrigerer Investitionen nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre stagnierte sie bei gut 300 Millionen Tonnen. Seither stieg sie dank drastisch erhöhter Investitionen und dem Einsatz moderner Technologien in den mittlerweile weitgehend privatisierten Ölunternehmen um rund die Hälfte auf 470 Mio. t im Jahr 2005. Sie war damit nur noch wenig niedriger als die Förderung in Saudi-Arabien. 2005 schwächte sich der Anstieg der Förderung allerdings deutlich ab und erreichte nur noch rund 2,5 % (2004: + 8,9 %).

Prognosen zur Förderung: Wachstum bis mindestens 2010

Die Internationale Energie Agentur (IEA) geht in ihrem im Oktober 2004 veröffentlichten „World Energy Outlook“ ähnlich wie Bankenanalysten davon aus, dass die Ölförderung bis 2010 weiter auf rd. 10,4 Millionen Barrel täglich (520 Mio. t jährlich) steigen wird. Dabei werde sich der Produktionszuwachs in den nächsten Jahren voraussichtlich verlangsamen. Die Möglichkeiten, kurzfristig und zu niedrigen Kosten die Produktion zu erhöhen, seien weitgehend ausgeschöpft.

Die Einschätzungen für die Entwicklung nach 2010 gehen weit auseinander. Die IEA erwartet eine bei rund 10 Mio b/d annähernd stagnierende Produktion. Andere langfristige Prognosen bewegen sich zwischen einem weiteren raschen Anstieg auf über 13 Mio b/d im Jahr 2015 und einem Rückgang auf nur noch 7,4 Mio b/d im Jahr 2020.

Ölexporte seit 2000 noch schneller gestiegen als Ölförderung

Da der Ölverbrauch innerhalb Russlands seit dem 1998 erreichten Tiefpunkt nur sehr schwach zunimmt und sich dies voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern dürfte, wird der Zuwachs der Ölförderung fast vollständig exportiert. Ein Anreiz für die Erhöhung der Exporte sind auch die steigenden Ölpreise.

Von 1999 bis 2004 hat Russland seine Ölexporte von 135 Millionen Tonnen auf 257 Millionen Tonnen gesteigert, also in nur 5 Jahren fast verdoppelt. Der Vorsprung Saudi-Arabiens als weltweit größtes Ölexportland schmilzt rasch. Rund 55 % der Rohölförderung wurden exportiert, einschließlich des Exports von Mineralölprodukten gingen 73 % der Rohölförderung ins Ausland.

Das wachsende Ölangebot aus Russland und den übrigen Staaten der früheren Sowjetunion dämpft den weltweiten Anstieg der Ölpreise. 2003 deckte der Anstieg der Ölexporte aus Russland und den übrigen GUS-Staaten rund 40 % des Anstiegs der weltweiten Ölnachfrage, 2004 dürften es gut ein Drittel gewesen sein.

Der Beitrag Russlands und der übrigen Staaten der früheren Sowjetunion (FSU) zur europäischen Erdölversorgung ist seit Mitte der 90er Jahre anhaltend rasch gestiegen. Die Ölimporte der europäischen Staaten aus den FSU-Staaten sind seit 2003 deutlich höher als die Lieferungen aus dem Mittleren Osten.

Pipeline-Kapazitäten reichen nicht – Ölexporte per Eisenbahn steigen rasch

Für einen noch stärkeren Anstieg der Exporte reichen derzeit die russischen Pipelinekapazitäten nicht aus. Durch das Pipelinesystem der staatlichen Transportgesellschaft Transneft konnte nur rund ein Drittel des Exportzuwachses um rd. 40 % von 2000 bis 2003 transportiert, obwohl bereits in den letzten Jahren insbesondere das Baltic Pipeline System (BPS) für die Ausfuhr über die Ostsee ausgebaut wurde. Um die Ausfuhr so stark zu erhöhen, mußte vor allem die – erheblich teurere - Ausfuhr per Eisenbahn sehr stark ausgeweitet werden.

Investitionsentwicklung und Pipeline-Projekte

Die Investitionen der staatlichen Monopolgesellschaften zum Transport von Rohöl (Transneft) und Mineralölprodukten (Transnefteprodukt) sind bereits in den letzten Jahren deutlich erhöht worden.

Die gesamten Investitionen in der russischen Ölindustrie stiegen nach Schätzungen der russischen Investmentbank Renaissance Capital – mit starken Schwankungen - von 2,8 Mrd. $ im Jahr 1999 auf 10,3 Mrd. $ im Jahr 2003. Die IEA erwartet auch im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2010 Investitionen in Höhe von jährlich rd. 10 Mrd. $ in der russischen Ölindustrie.

Künftig will die russische Regierung die Ölexporte regional stärker diversifizieren. Neben dem Ausbau der Transportsysteme für Lieferungen nach Ost- und Westeuropa sind auch Projekte zur Deckung des wachsenden Ölbedarfs in Asien und den USA geplant.

Wichtigste Projekte und Vorschläge zum Ausbau der russischen Export-Infrastruktur:

  • Ausbau des Baltic Pipeline System (BPS) über den Ostseehafen Primorsk; die Lieferungen über den lettischen Hafen Ventspils stellte Russland ein; es wird jedoch erwartet, dass sie in Zukunft wieder aufgenommen werden.
  • Erhöhung der Öllieferungen durch die Druzhba-Pipeline („Freundschafts-Pipeline“) und die Adria-Pipeline an die kroatische Adriaküste nach Omisalj nahe Rijeka.
  • Bau einer Pipeline für Öllieferungen aus Ostsibirien von Taischet (nordwestlich vom Baikal-See) an die russische Pazifik-Küste nach Nachodka. (Länge: 4.200 km; Jahreskapazität: 80 Mio. t; geschätzte Kosten: 11,5 bis 18 Mrd. $)

Ende 2004 beschloss die Regierung den Bau der Erdölleitung von Ostsibirien zum Pazifik.

Die mit dem Projekt beauftragte staatliche Pipelinegesellschaft Transneft will 2006 mit dem Bau beginnen.

Zunächst soll ein 2.400 Kilometer langer Pipelineabschnitt von Taischet nördlich am Baikalsee vorbei nach Osten bis nach Skoworodino in der Amur-Region nahe der chinesischen Grenze verlegt werden. Gleichzeitig soll an der Pazifikküste ein Ölterminal gebaut werden. Nach Fertigstellung des ersten Pipelineabschnitts soll das Erdöl von Skoworodino zum Ölterminal vorerst per Eisenbahn transportiert werden.

Einer zügigen Realisierung des Projekts stehen jedoch weiterhin erhebliche Hindernisse im Wege, insbesondere Zweifel an der Rentabilität des Projekts. Es ist fraglich, ob in Ostsibirien überhaupt ausreichend große Reserven erschlossen werden können. Zudem ist die Routenführung innerhalb der russischen Regierung weiterhin umstritten. Hinzu kommen Bedenken von Umweltschützern.

Erdgaswirtschaft

Ordnungspolitische Entwicklung: Marktstruktur und staatliche Regulierung

Die russische Erdgaswirtschaft wird weitgehend von der Aktiengesellschaft OAO Gasprom beherrscht, deren Kapital seit 2005 zu knapp über 50 % dem russischen Staat gehört. 2005 stellte Gasprom mit rund 548 Mrd. Kubikmetern rund 86 % der gesamten russischen Erdgasförderung. Gasprom ist damit weltweit größter Gasproduzent. Nach Umsatz, Beschäftigtenzahl und Marktkapitalisierung ist die Gesellschaft das größte russische Unternehmen und kommt mit ihren Steuer- und sonstigen Abgabenzahlungen für rund ein Viertel des Staatshaushaltes auf. Das rund 150.000 km lange Pipelinenetz zum überregionalen Erdgastransport gehört ausschließlich Gasprom. Allein Gasprom ist vom Staat autorisiert, Erdgas zu exportieren.

Neben Gasprom fördern insbesondere die Unternehmen Novatek, Surgutneftegas und die staatliche Ölgesellschaft Rosneft Erdgas in Russland. 2004 speisten sie und rund 30 kleinere Gasfördergesellschaften rund 100 Mrd. Kubikmeter Gas in die Pipelines von Gasprom ein.

Der inländische Gaspreis wird - wie der Strompreis - von der Föderalen Energiekommission festgelegt. Er gilt als nicht kostendeckend. Gasprom fordert regelmäßig vergeblich erheblich stärkere Gaspreisanhebungen als die Energiekommission genehmigt. 2005 lag der Gaspreis im Durchschnitt der Verbrauchergruppen bei rund 46 $ pro 1.000 cbm. Er war damit weniger als halb so hoch wie die Exportpreise (95 bis 200 $ pro 1.000 cbm).

Aufgrund des niedrigen Erdgaspreises sind die Anreize zu einem sparsamen und effizienten Einsatz von Erdgas in Russland gering. Erdgas wird in Russland verglichen mit anderen Ländern in hohem Maße als Brennstoff in der Industrie und zur Stromerzeugung eingesetzt. Gasprom setzt so rund zwei Drittel ihrer Fördermenge mit Verlust auf dem Inlandsmarkt ab. Die Niedrigpreispolitik schwächt die Investitionskraft des Unternehmens.

Die geplante Reform des Gassektors, die ähnlich wie im Stromsektor zu verstärktem Wettbewerb führen soll, ist in den vergangenen Jahren nicht wesentlich vorangekommen. Russland weigert sich auch weiterhin, die Europäische Energie-Charta zu ratifizieren. Eine Umsetzung der Charta-Bestimmungen würde ausländischen Unternehmen größere Spielräume für unternehmerische Aktivitäten in Russland eröffnen und so den Wettbewerb für Gasprom verschärfen. Innerhalb des Gasprom-Konzerns gibt es jetzt jedoch Bestrebungen zur Neuordnung der unübersichtlichen Unternehmensstruktur.

Reserven und Förderung von Erdgas in Russland

Russland verfügt über die größten nachgewiesenen Erdgasreserven der Welt. Ende 2004 wurden sie auf rund 48 Billionen Kubikmeter veranschlagt, gut ein Viertel der weltweiten Erdgasreserven (Quelle: BP Statistical Review of World Energy 2005).

Es ist auch weltweit größtes Erdgasförderland - vor den USA und Kanada. Gut ein Fünftel der weltweiten Erdgasförderung entfällt auf Russland.

2005 stieg die russische Erdgasförderung allerdings nur noch um 0,5 % auf 636 Mrd. cbm. Davon förderte OAO Gasprom mit 548 Mrd. cbm rund 86 %. 2006 wird die russische Förderung den Planungen zufolge voraussichtlich ähnlich schwach zunehmen.

Erdgasverbrauch in Russland

Gut zwei Drittel der Erdgasförderung werden im Inland verbraucht. Erdgas trägt gut die Hälfte zum Primärenergieverbrauch bei - mit Abstand am meisten von allen Energieträgern.

Rund 53 % der russischen Haushalte sind derzeit ans Erdgasnetz angeschlossen. Gasprom plant in ihrem "Gasifizierungsprogramm 2005 bis 2007" eine deutliche Ausweitung der Erdgasversorgung der russischen Regionen innerhalb der nächsten zwei Jahre.

Export von Erdgas

Knapp ein Drittel der Erdgasförderung wird von Gasprom ins Ausland exportiert – 2005 rund 205 Mrd. cbm. Auch damit ist Russland weltgrößter Erdgasexporteur.

2005 stiegen die Erdgasausfuhren allerdings ähnlich schwach (+ 1,4 %) wie die Förderung. In Staaten außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, GUS, wurden knapp drei Viertel der Ausfuhren geliefert (2005: rund 153 Mrd. cbm). Der Erlös der gesamten Erdgasexporte erhöhte sich 2005 aufgrund der stark gestiegenen Weltmarktpreise aber kräftig um rund 46%.

2006 wird der Export von Erdgas nach Gasprom-Angaben mengenmäßig annähernd stagnieren.

Der Gasexport Richtung West- und Osteuropa, erfolgt zum weit überwiegenden Teil durch die Ukraine (2004: rund 130 Mrd. cbm) und durch Weißrussland und Polen.

Zur Erweiterung der Transportkapazitäten nach Westeuropa soll insbesondere der Bau der sogenannten Ostsee-Pipeline (Nordeuropäische Gasleitung, NEGP) dienen. Sie wird aus dem Raum Sankt Petersburg durch die Ostsee nach Greifswald verlegt. Russland drängte auf den Bau dieser Pipeline, um mehr Erdgas direkt - ohne Transit über andere Länder und die damit verbundenen Gebühren und politischen Unwägbarkeiten - nach Westeuropa liefern zu können. So flammte 2005/2006 der seit Jahren schwelende Streit zwischen Russland und der Ukraine über den Gaspreis der russischen Lieferungen an die Ukraine wieder auf. Gasprom warf der Ukraine überdies vor, sie zapfe Teile des für Europa bestimmten russischen Gases ohne Genehmigung ab ausführlicher Artikel siehe: Russisch-ukrainischer Gasstreit.

Herausragende weitere Projekte Russland zum Ausbau seiner Exportkapazitäten:

  • Eine derzeit bis Angarsk in Ostsibirien reichende Leitung soll nach Osten in Richtung Pazifik verlängert werden, wobei über einen Abzweig nach China nachgedacht wird.
  • Aus West- und Ostsibirien sollen Leitungen in Richtung China gebaut werden. Anlässlich des China-Besuchs von Präsident Putin im März 2006 wurden Vereinbarungen über den Bau von zwei Gaspipelines und Lieferungen von jährlich 60 Mrd. bis 80 Mrd. cbm Gas geschlossen.
  • Anlagen zur Ausfuhr von verflüssigtem Erdgas mit Tankern, sogenanntem „liquefied natural gas“, LNG, sind im Osten Russlands an der Pazifikküste auf der Insel Sachalin im Bau und im Nordwesten Russlands im Raum Murmansk an der Barentssee geplant. Außerdem soll ein LNG-Terminal in der Nähe von Sankt Petersburg errichtet werden („Baltic LNG“). Dies vereinbarte Gasprom mit der kanadischen Gesellschaft Petro-Canada.

Voraussetzung für die Realisierung dieser Pläne ist allerdings ein kräftiger Ausbau der Förderung in Russland. Mengen für zusätzliche Exporte könnten außerdem freigemacht werden, wenn die Russland seine Erdgasimporte aus Mittelasien, hauptsächlich aus Turkmenistan, zur Versorgung des russischen Marktes erhöhen könnte. Einige Experten bezweifeln aber, dass Russland in den nächsten Jahren die Voraussetzungen für eine deutliche Erhöhung seiner Exporte schaffen kann. Infrage gestellt wird angesichts der großen Entfernung auch die Wirtschaftlichkeit von Lieferungen aus Westsibirien nach China.

Ausbau der Erdgas-Förderkapazitäten in Russland

Gasprom plant, seine Gasförderung bis zum Jahr 2010 auf 550 Mrd. bis 560 Mrd. cbm und bis 2020 auf 580 Mrd. bis 590 Mrd. cbm aufzustocken.

Allerdings lassen sich zunehmend nur noch geologisch schwer zugängliche Lagerstätten in klimatisch äußerst unwirtlichen Gebieten erschließen. Gasprom ist bereit, ausländische Partner daran zu beteiligen, um das technologische Wissen der ausländischen Partner zu nutzen und die Finanzierung der hohen Kosten zu erleichtern.

Entwickelt werden sollen insbesondere die Felder:

  • Juschno-Russkoje, eine im Norden Westsibiriens gelegenen Lagerstätte, aus der die geplante Leitung durch die Ostsee nach Deutschland mit Erdgas gespeist werden soll (geschätzte Gasreserven: mindestens 700 Mrd. cbm; voraussichtliche Förderleistung: 25 Mrd. cbm pro Jahr).
  • Schtokmann in der Barentssee, 650 km vom Hafen Murmansk entfernt (Gasreserven: 3,2 Billionen cbm; Gaskondensatreserven: 31 Millionen t). Geplant ist die Herstellung von verflüssigtem Erdgas, das von Murmansk in Tankern verschifft werden soll, u.a. in die USA.
  • Sachalin-1 und Sachalin-2, Erdöl- und Erdgasfelder im Schelf der Insel Sachalin vor der Pazifik-Küste Russlands. Die Vorkommen werden derzeit von ausländischen Unternehmen erschlossen, wobei vereinbart wurde, dass Gasprom 20% an dem Gemeinschaftsunternehmen zur Erschließung von Sachalin-2 erwerben soll. Auf Sachalin wird das erste Flüssigerdgas-Terminal Russlands zum Export von Erdgas, u.a. in die USA und nach Japan gebaut. Angestrebt ist eine Leistung von 9,6 Mio. t pro Jahr. Die weitere Finanzierung des Sachalin-2-Projekts wird allerdings von Umweltrisiken überschattet.
  • Kowykta, ein Gaskondensatfeld des russisch-britischen Gemeinschaftsunternehmens TNK-BP in Ostsibirien, etwa 450 km nordöstlich der Stadt Irkutsk (Gasreserven: mehr als 1,4 Bill. cbm; Kondensatvorräte: 95 Mio. t). Das Erdgas soll in Ostsibirien und im Asiatisch-Pazifischen-Raum abgesetzt werden. Hinsichtlich der Entwicklung des Vorkommens laufen Verhandlungen zwischen TNK-BP und Gasprom.

Erdgasabsatz auf ausländischen Märkten durch Gasprom

Gasprom bemüht sich in den letzten Jahren verstärkt, ihr Erdgas nicht mehr an ausländische Zwischenhändler zu verkaufen, sondern selbst oder mit Partnern im Ausland an Endkunden abzusetzen. In Deutschland ist Gasprom so bereits seit den 90er Jahren an der Vermarktung ihres Erdgases über die Wingas, eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit der BASF AG, beteiligt.

In der Ukraine gründete Gasprom im Februar 2006 über seine Tochtergesellschaft RosUkrEnergo mit der staatlichen ukrainischen Naftogaz Ukrainy das Joint Venture UkrGasEnergo, um den Verkauf von Erdgas in der Ukraine abzuwickeln.

Neben der Ukraine visiert Gasprom weitere Auslandsmärkte an, darunter Serbien, Großbritannien, Italien.

Stromwirtschaft

Russlands Stromwirtschaft erzeugte 2003 rund 851 Mrd. Kilowattstunden Strom. Davon kamen rund 63 % aus mit Öl-, Erdgas- oder Kohle betriebenen Wärmekraftwerken. Auf Wasserkraftwerke entfielen 21 %, auf Kernkraftwerke 16 %.

Die russische Stromwirtschaft gilt als dringend modernisierungsbedürftig und zwar sowohl hinsichtlich ihrer technischen Ausstattung und Leistungsfähigkeit als auch hinsichtlich ihrer Organisation. Rund 70 % der Stromproduktion entfallen derzeit auf den Konzern EES Rossii (РАО "ЕЭС России")(Unified Energy Systems), dessen Kapitalanteile zu rund 53 % dem Staat gehören. Rund 10 % besitzt darüber hinaus der Gaskonzern Gasprom, der mehrheitlich in Staatseigentum ist.

Ein vom Ministerium für Industrie und Energetik vorgelegtes Reformprogramm sieht zwar eine Liberalisierung des Stromsektors vor. Schwerpunkt ist die Aufspaltung und Privatisierung des Stromkonzerns EES Rossii (РАО "ЕЭС России"), dessen Vorstandsvorsitzender Anatoli Tschubais unter Präsident Boris Jelzin für die Privatisierung der russischen Wirtschaft verantwortlich war. Der Elektrizitätssektor soll in ein Unternehmen zum Betrieb des Stromnetzes als „natürliches Monopol“ und wettbewerbsorientierte Unternehmen in den Bereichen Stromerzeugung und Stromhandel aufgegliedert werden. Als wichtigste Träger des künftigen Wettbewerbs sind 14 regionale Stromerzeuger und Großhandelsgesellschaften vorgesehen. Die Regierung erhofft sich von der Reform einen Zufluss von Investitionsmitteln für die Modernisierung.

Insgesamt ist die bisherige Entwicklung im Stromsektor aber nicht dazu angetan, ausländische Investoren anzulocken:

  • Die Aufspaltung und Privatisierung von RAO UES kommt nicht voran.
  • Beim Handel mit Strom ist bisher nur ein kleines Segment liberalisiert; für 91 Prozent des Marktes gelten noch staatlich festgesetzte Tarife.
  • Die Privatisierung der Großhandels-Stromgesellschaften steht aus.
  • Die Einführung kostendeckender Strompreise kommt man nur langsam voran; die Strompreise einiger Kundengruppen werden weiterhin auf Kosten anderer Kundengruppen besonders niedrig gehalten (sogenannte Quersubventionierung).

Siehe auch

Literatur