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Falcidisches Gesetz

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Das Falcidische Gesetz (Lex Falcidia de Legatis) war ein römisches Gesetz aus dem Jahre 40 v. Chr., das auf Antrag des Volkstribuns Publius Falcidius durch ein Plebiszit zustande gekommen war. Es regelte die Höhe eines Mindesterbteils im römischen Erbrecht.

Das Gesetz verordnete, dass niemand über mehr als drei Viertel seines Vermögens durch Vermächtnisse verfügen durfte, damit dem Erben wenigstens ein unbeschwertes Viertel des Nachlasses verblieb. Nach Gaius[1] sollte durch dieses Gesetz der Ausschlagung von belasteten Erbschaften durch faktisch enterbte Erben vorgebeugt werden, die nach römischem Pflichtteilsrecht die Unwirksamkeit der Vermächtnisse zur Folge gehabt hätte. Bis zu seinem Erlass hatten die vorangegangenen gesetzlichen Regelungen aus der lex Cincia, der lex Furia testamentaria und der lex Voconia ihren Dienst dahingehend versagt, dass sie zur Eindämmung luxusorientierter Lebensweisen zwar erlassen, aber durch juristische Finessen ausgehöhlt worden waren und keine breite Anerkennung fanden.[2]

Ein Recht auf diese Quart hatte jeder Erbe, sowohl der testamentarische als auch der gesetzliche. Waren mehrere Miterben vorhanden, so musste für jeden nach Abzug der Vermächtnisse mindestens ein Viertel seines Erbteils verbleiben. Dem Abzug der Quart waren alle Vermächtnisse, Stiftungen und Schenkungen auf den Todesfall unterworfen, nicht aber auch Schenkungen unter Lebenden.

Hinsichtlich der Berechnung der Quart war Folgendes zu beachten:

  1. um zu bestimmen, ob die Erbschaft durch Vermächtnisse soweit überlastet ist, dass der Abzug der Quart stattfinden müsse, ist die Größe der Erbschaft, wie sie zur Zeit des Todes des Erblassers sich darstellt, in Betracht zu ziehen;
  2. die Quart ist vom reinen Vermögen des Erblassers, also nach Abzug der Schulden, zu berechnen;
  3. der Erbe braucht sich in seine Quart nur das anrechnen zu lassen, was er als Erbe, nicht auch, was er als Vermächtnisnehmer aus dem Nachlass erhält.

Das Recht des Abzugs erlosch, wenn der Erblasser ihre Auszahlung ausdrücklich untersagte oder wenn der Erbe darauf verzichtete. Auf Vermächtnisse zugunsten wohltätiger Stiftungen und beim Soldatentestament[3] kam das Gesetz nicht zur Anwendung. Hier wurde dem Erblasser eine größere Testierfreiheit gewährt.

Das Falcidische Gesetz hat Eingang gefunden in das Corpus Iuris Civilis des oströmischen Kaisers Justinian. Seitdem war der Erbe berechtigt, von jedem Vermächtnisnehmer eine Aufstockung des Pflichtteils zu verlangen. Beschwerungen des Mindesterbteils waren unwirksam, so dass ein unbeschwertes Viertel sichergestellt war. Dieses Viertel wurde im mittelalterlichen Pflichteilsrecht falzidische Quart (Quarta Falcidia) genannt.

Das Rechtsinstitut der falzidischen Quart war im preußischen Landrecht, im österreichischen und im sächsischen Zivilgesetzbuch und dem französischen Recht unbekannt. Nur das Zürcher Privatrechtliche Gesetzbuch (PBG) aus dem Jahre 1855 von Johann Caspar Bluntschli hat daran festgehalten.

In das Bürgerliche Gesetzbuch wurde es ausdrücklich nicht übernommen.

Literatur

  • Annemarie Dilger: Die Anwendung der Lex Falcidia in Württemberg, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung. Band 99, Heft 1, 1982, S. 332–342
  • Michael Henning: Die lex Falcidia und das Erbrecht des BGB – Eine kritische Würdigung der Entscheidung des historischen Gesetzgebers, das Rechtsinstitut der falcidischen Quart aufzugeben, Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 78, Berlin 1999; Buchbesprechung von Gerhard Otte, in: Archiv für die civilistische Praxis 2002, S. 885-887
  • Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5. Auflage, Springer, Zürich 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 197–198.
  • Fritz Schwarz: Die Rechtswirkungen der Lex Falcidia, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung. Band 63, Heft 1, 1943, S. 314–367
  • Andreas Wacke: Die Rechtswirkungen der lex Falcidia, in: Studien im römischen Recht, gewidmet Max Kaser zum 65. Geburtstag, Berlin 1973, S. 209-251

Einzelnachweise

  1. Gai. II 227
  2. Heinrich Honsell: Römisches Recht. 5. Auflage, Springer, Zürich 2001, ISBN 3-540-42455-5, S. 197–198.
  3. Jakob Fortunat Stagl: Das "testamentum militare" in seiner Eigenschaft als "ius singulare", in: Revista de estudios histórico-jurídicoskam no. 36, Valparaíso 2014