Bernard Natan
Bernard Natan, geborener Nuham Tannenzaft, (* 14. Juli 1886 in Jassy, Rumänien; † 1942 im KZ Auschwitz) war ein rumänisch-französischer Regisseur. Er war verheiratet und Vater zweier Zwillingstöchter.
Anfänge als Regisseur
Bernard Natan verließ im Jahr 1905 Rumänien und ging nach Frankreich, wo er zuerst Arbeit als Filmvorführer fand. Im Jahr 1910 gründete er mit drei Teilhabern das Unternehmen Ciné Actualités. Drei Jahre später folgten das Filmstudio Rapid Films sowie die Filmzeitschrift Rapid Publicité. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Freiwilliger bis zu seiner Verwundung in der Champagne 13 Monate in der Fremdenlegion und erhielt das Croix de Guerre als Auszeichnung sowie 1921 die französische Staatsbürgerschaft als Kriegsveteran. Sein Filmstudio expandierte. 1924 bekam Natan den Auftrag über die Olympischen Spiele in Paris zu berichten. Im Jahr 1926 gründete er schließlich mit Henri Diamant-Berger und John Maxwell die Productions Natan. Natan ist die Entstehung der Filmindustrie in Frankreich zu verdanken.
Die Rezeption der Regietätigkeit Natans in den zwanziger Jahren gestaltet sich sehr unterschiedlich. Von einigen Quellen wird er als der bekannteste Regisseur von pornografischen Filmen in Frankreich neben Dominique bezeichnet, andere Quellen streiten genau dies ab und führen diesen Ruf auf Verleumdungskampagnen früherer Geschäftspartner und antisemitischer Kräfte zurück.[1] Es ist nicht klar, ob sich bei einigen Produktionen seines Studios in den zwanziger Jahren um pornographische Filme für ein gehobeneres Publikum oder eher um häufiger anzutreffende „frivole“ Filme handelte, die jedoch in der Darstellung niemals explizit waren. In manchen Quellen werden seiner Produktionsfirma fast alle pornografischen Filme mit bi- und homosexuellen sowie masochistischen Inhalten zugeschrieben.
Pathé-Natan
Im Februar 1929 schätzte er die zukünftigen Erfolge des Tonfilms anders ein als die anderen großen Filmstudios und Produzenten in Frankreich. Unter dem Namen Pathé-Natan übernahm er das Pathé-Studio.
Von 1929 bis 1935 produzierte das neue Studio 70 Spielfilme. Zu den Regisseuren, die für Panthé-Natan arbeiteten, zählten unter anderem Marcel L’Herbier, Jacques de Baroncelli, René Clair, Jean Grémillon, Jacques Prévert sowie Maurice und Jacques Tourneur. Bei den Schauspielern sind vor allem Jean Gabin und Renée Saint-Cyr hervorzuheben. Als Franzose jüdischen Glaubens produzierte er 1934 René Clairs Film Le Dernier milliardaire, in dem Adolf Hitler lächerlich gemacht wurde, was ihm Probleme mit französischen Nationalsozialisten einbrachte. Daneben wurde der Vertrieb der französischsprachigen Versionen zahlreicher ausländischer Produktionen – wie zum Beispiel Mickey Mouse – sichergestellt. Zudem erwarb das Unternehmen Anteile an einer Rundfunkstation und einige frühe Patente in der Cinemascope- und in der Fernsehtechnik.[2]
Als Spätfolge der komplizierten Pathé-Übernahme, vor allem aber als Opfer einer xenophoben und antisemitischen Kampagne geriet Natan in finanzielle Schwierigkeiten und musste 1936 die Zahlungsunfähigkeit erklären. Dabei muss zwischen den Kinobetrieben und der Filmproduktion unterschieden werden, welche bis zuletzt profitabel betrieben worden waren (auch die Kinosparte sollte später ihre Verbindlichkeiten einschließlich der Verzugszinsen begleichen können). Anschließend gründete sein Bruder Emile Natan die Produktionsgesellschaft Les Films modernes, während Bernard Natan in den Studios von Paramount in Saint-Maurice arbeitete.
Im Dezember 1938 wurde Natan verhaftet. In den Jahren 1939 und nochmals 1941 wurde er wegen Betrugs verurteilt und musste eine Haftstrafe antreten. Dort befand er sich noch, als die Deutschen 1940 Paris einnahmen. Nach seiner Freilassung 1942 wurde er am 23. September 1942, am Vorabend der Razzia gegen rumänische Juden in Paris, nach Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft als Staatenloser im Sammellager Drancy interniert und am 24. September 1942 mit dem Konvoi 37 ins KZ Auschwitz deportiert, wo er wenige Wochen später umgekommen sein soll.[3][4]
Natan hatte – anders als sein Geschäftspartner und späterer Widersacher Charles Pathé[5] – keine Möglichkeit, rückblickend seine Sicht der Dinge darzustellen. Es ist unklar, inwiefern das Bild des Regisseurs pornographischer Filme und des schlechten Geschäftsmanns den Tatsachen entspricht oder den genannten Kampagnen entsprungen ist.
Film
- Paul Duane, David Cairns (Regie): Natan - Frankreichs unbekanntes Kinogenie. (Dokumentation. U.a. greift darin Serge Klarsfeld die Darstellung Natans als Pornograf als gezielten Rufmord bei den Übernahmeversuchen der Firma an.) Frankreich, 2015, 66 Min.
Literatur
- Georg Seeßlen: Der pornographische Film. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ullstein, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-548-35291-X.
- André Rossel-Kirschen: Pathé-Natan, La véritable histoire. Pilote24 Éditions, 2004, ISBN 2-912347-40-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Droit de réponse. Mise au point sur le grand producteur Bernard Natan. Zu den antisemitischen Ausfällen sei auf Jens Ulff-Möller: Hollywood's film wars with France: film-trade diplomacy and the emergence of the French film quota policy. University Rochester Press, 2001, sowie auf das antisemitische Werk Robert Denoël: Les Juifs en France. 1940-41. verwiesen.
- ↑ Zur Cinemascope-Technik siehe auch Jean-Jacques Meusy: Henri Chrétien, Bernard Natan and the Hypergonar.
- ↑ Gilles Willems: The origins of Pathé-Natan. ( vom 11. Februar 2012 im Internet Archive)
- ↑ Natan - Frankreichs unbekanntes Kinogenie, Arte Dokumentation, 16. August 2016, 23:15 Uhr
- ↑ Zu Pathés autobiografischen Texten siehe André Rossel-Kirschen: Charles Pathé et son bouc émissaire: Bernard Natan. In: 1895. 55, 2008, S. 155–168.
Personendaten | |
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NAME | Natan, Bernard |
ALTERNATIVNAMEN | Tannenzaft, Nuham |
KURZBESCHREIBUNG | rumänisch-französischer Regisseur |
GEBURTSDATUM | 14. Juli 1886 |
GEBURTSORT | Jassy, Rumänien |
STERBEDATUM | 1942 |
STERBEORT | KZ Auschwitz |