Quaternion
Die Quaternionen sind eine Verallgemeinerung der komplexen Zahlen. Erdacht wurden sie 1843 von Sir William Rowan Hamilton und werden oft auch Hamilton-Zahlen genannt. Die Menge der Quaternionen wird meist mit bezeichnet. (Man beachte jedoch, dass dieses Symbol je nach Kontext aber auch eine andere Bedeutung haben kann, siehe obere Halbebene und hyperbolischer Raum.)
Quaternionen sind eine vierdimensionale Divisionsalgebra über dem Körper der reellen Zahlen mit einer nicht kommutativen Multiplikation. Als vierdimensionale reelle Algebra sind die Quaternionen ein vierdimensionaler reeller Vektorraum. Daher ist jedes Quaternion durch vier reelle Komponenten eindeutig bestimmt. Als Basiselemente dieses Vektorraums werden vier Elemente mit der Länge gewählt, die senkrecht aufeinander stehen; sie werden mit bezeichnet. Die Linearkombination der vier Komponenten mit den vier Basiselementen lautet also
Dabei ist eingebettet als Elemente der Form , also mit . Die Menge der komplexen Zahlen kann auf verschiedene Weisen in die Quaternionen eingebettet werden; die Quaternionen sind jedoch keine -Algebra.
Rechenregeln
Überträgt man die aus den Körpern (reelle Zahlenebene) und (komplexe Zahlenebene) bekannten Operationen (Addition) und (Multiplikation) auf , erhält man einen Schiefkörper. Die Addition ist dabei identisch mit der Addition des Vektorraums und die Skalarmultiplikation des Vektorraums wird für die Multiplikation übernommen. Dadurch ist zur Definition der Multiplikation nur noch das Produkt von Basiselementen des Vektorraums anzugeben (siehe Multiplikation).
Addition | Multiplikation |
---|---|
|
|
ist assoziativ und kommutativ | ist assoziativ, aber nicht kommutativ |
Die besondere Stellung der Komponente x0 bezeichnet man analog zu den Komplexen Zahlen als Realteil oder Skalarteil , während die Komponenten x1, x2 und x3 Imaginärteil oder Vektorteil genannt werden. Ein Quaternion, dessen Realteil 0 ist, nennt man reines Quaternion.
Darstellung als Matrix
Die Quaternionen können auch als Unterring des Rings der komplexen -Matrizen (alternativ auch als Unterring des Rings der reellen -Matrizen) aufgefasst werden. Dabei setzt man
Als Ergebnis erhält man eine der folgenden Matrixdarstellungen:
2x2 komplex | 4x4 reell |
---|---|
Hamilton-Regeln
Für Quaternionen gelten die folgenden Hamilton-Regeln:
Zusätzlich folgt aus den Verknüpfungsregeln und .
Daraus ergibt sich die folgende Multiplikationstabelle:
|
Addition
Die Addition ist die einfachste Rechenregel für Quaternion. Man braucht lediglich die Komponenten einzeln zu addieren:
Subtraktion
Multiplikation
Die Multiplikation von Quaternionen leitet sich aus der Multiplikation der komplexen Zahlen ab.
In der Matrixdarstellung sieht dies folgendermaßen aus:
Im Fall der Quaternionen wird als b und d ein dreidimensionaler Vektor verwendet und das Kreuzprodukt dieser Vektoren addiert.
Und in der Darstellung als Matrix:
- Merke: (erste minus letzte, außen plus innen plus kreuz)
Es entsteht also bei der Multiplikation reiner Quaternionen und ein Quaternion , dessen Skalarteil bis auf das Vorzeichen dem Skalarprodukt der beiden Vektorteile entspricht, während der Vektorteil , das Vektorprodukt der Vektorteile von und ist.
Die einzelnen Vektoren werden hierbei in der Form ausgedrückt. Aus dem Einsetzen dieser Vektoren erhält man die oben dargestellten Regeln für die Multiplikation der Quaternionen.
Im Spezialfall, dass ein Quaternion , bestehend aus der Ableitung der Zeit
und dem Nabla-Operator
- ,
mit einem anderen Quaternion multipliziert wird, enthält man die zeitbasierte Ableitung des Skalars, sowie 3-Vektorfunktionen welche die Abweichung vom Ursprung (Offset), Steigung und Biegung einer Bewegung enthalten.
Dies ist eine sehr kompakte Darstellung um etwa eine ballistische Flugbahn darzustellen.
Division
Rotation
Quaternionen können zur Darstellung von Rotationen im dreidimensionalen Raum verwendet werden. Rotationen werden hierbei mit Hilfe von Multiplikationen durchgeführt.
Ein Quaternion, welches eine Rotation darstellt, hat die folgende Form:
Hierbei gilt:
- α ist der Winkel der Rotation
- (x,y,z) ist ein Vektor, der die Rotationsachsen darstellt
Diese Art der Darstellung leitet sich von der Achsenwinkel-Darstellung der Rotationen im zweidimensionalen Raum ab.
Das Quaternion i stellt somit eine Rotation von 180° um die X-Achse, j eine Rotation von 180° um die Y-Achse und k eine Rotation von 180° um die Z-Achse dar. Somit entspricht einer Rotation von 360° um die jeweilige Achse.
Komplexe Zahl | Quaternion | |
---|---|---|
Darstellung | 2D-Vektor | 3D-Rotation |
Rotation um i | 90° | 180° |
Kombination von Rechenoperationen |
Addition | Multiplikation |
Dies führt dazu, dass das Quaternion die selbe Rotation darstellt wie das Quaternion . Die Quaternionen und sind daher die Identitätsrotation (dh. keine Änderrung der Lage). Ein Quaternion welches um 360° gedreht wird, wird invertiert. Ein Quaternion ist also auch ein sogenannter Spinor.
Exponentialfunktion
Man kann für Quaternionen q eine Fortsetzung der Exponentialfunktion definieren:
Diese unendliche Reihe konvergiert für jedes Quaternion, und lässt sich in der Form
schreiben, wobei ein Quaternion mit einer reellen Zahl a und einem reinen Quaternion ist.
Das Exponential eines reinen Quaternions kann so berechnet werden:
wobei
ist. Diese Gleichung geht für in die Eulersche Identität über:
Die Exponentialfunktion erfüllt für Quaternionen mit die Funktionalgleichung
- .
Andernfalls ist das nicht garantiert, z.B. ist
aber
- .
Praktische Anwendungen

Arthur Cayley entdeckte, dass sich mit Quaternionen Drehungen im Raum beschreiben lassen. Genutzt wird dies heutzutage im Bereich der interaktiven Computergrafik, insbesondere bei Computerspielen, sowie bei der Steuerung und Regelung von Satelliten. Bei Verwendung von Quaternionen an Stelle von Rotationsmatrizen werden etwas weniger Rechenoperationen benötigt. Insbesondere, wenn viele Rotationen miteinander kombiniert (multipliziert) werden, steigt die Verarbeitungsgeschwindigkeit. Des Weiteren werden Quaternionen zur Programmierung von Industrierobotern (z.B. ABB) genutzt.
In der Physik ist die Matrixalgebra, die von den Pauli-Matrizen aufgespannt wird, isomorph zu den Quaternionen. Insbesondere bilden die Einheitsquaternionen eine nichttriviale Überlagerung der 3-dimensionalen orthogonalen Gruppe SO(3), d.h. die Gruppe der Einheitsquaternionen ist isomorph zur Gruppe Spin(3). Siehe auch Spinor.
Historisch bedeutsam ist, dass Maxwell sein Gleichungssystem 1873 ebenfalls in Quaternionen-Schreibweise publizierte.
Verwandte Themen
Ähnliche Konstruktionen wie die Quaternionen werden manchmal unter dem Namen "hyperkomplexe Zahlen" zusammengefasst. Beispielsweise sind die Cayley-Zahlen oder Oktaven ein achtdimensionales Analogon zu den Quaternionen.
Weblinks
- Hamilton's Quaternions – eine englische Einführung (Post Script)
- Doing Physics with Quaternions (PDF)
- Quaternionen in der Computeranimation