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Viktorshöhe (Bad Godesberg)

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Luftaufnahme der Viktorshöhe (2013)

Die Viktorshöhe in Schweinheim, einem Ortsteil des Bonner Stadtbezirks Bad Godesberg, geht auf eine Villa samt Landschaftspark aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Sie war 1949/50 Amtssitz des ersten Bundespräsidenten und, erweitert um zahlreiche Neubauten, von 1976 bis 1991 Sitz der sowjetischen sowie bis 1999 russischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1999 ist hier ein Generalkonsulat der Russischen Föderation ansässig.

Lage

Die Viktorshöhe befindet sich im Norden des Ortsteils Schweinheim sowie am Südhang des Klufterbergs auf 163 m ü. NN. Im Norden und Osten wird das Gelände von einem Waldgebiet begrenzt, im Süden von der Waldstraße.

Geschichte

Bis zum Zweiten Weltkrieg

Um 1890 entstand auf der brach liegenden Alaunhalde der sog. „Schweinheimer Heide“ ein Landschaftspark für den Unternehmer Carl Samuel Eduard Toepler (* 1857). Zwischen 1893 und 1900 erfuhr die Gartenanlage unter Leitung des Obergärtners Senf eine Neugestaltung.[1] 1901 erwarb Hermann Wendelstadt, Sohn des früheren Godesberger Bürgermeisters und Kölner Bankiers Victor Wendelstadt das Gelände auf der Schweinheimer Heide, nun zu Ehren seines Vaters in Viktorshöhe umbenannt. 1910 ließ er hier die Villa Wendelstadt errichten, die 1920 auch zum dauerhaften Wohnsitz Hermann Wendelstadts wurde. 1933 kaufte die Stadt Bad Godesberg das Anwesen von Wendelstadt, um dort eine Sportschule für die österreichische Sturmabteilung (SA) einzurichten[2]. 1938 übernahm die Deutsche Reichsbahn die Villa zur Unterbringung einer Schule für den Höheren Dienst. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs dienten die Räumlichkeiten der Reichsbahnschule auf der Viktorshöhe als Sitz der Reichsbahndirektion Köln, deren bisheriges Hauptgebäude beschädigt worden war. Aufgrund deren strategischer Bedeutung bombardierten die alliierten Luftstreitkräfte im Februar 1945 auch die Viktorshöhe, wobei die Villa Wendelstadt Schäden erlitt.

Nutzung durch den Bund

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Viktorshöhe als Erholungsheim für zuletzt etwa 30–40 Beschäftigte der Reichsbahn. Als Bonn 1949 zum vorläufigen Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland bestimmt wurde, bot sich die Viktorshöhe als übergangsweiser Dienstsitz des im September 1949 erstmals zu wählenden Bundespräsidenten an. Der Bund mietete das Gelände von der Reichsbahn an und ließ es ab dem 3. September nach Plänen des Architekten Hans Schwippert bei Kosten von 350.000 D-Mark umbauen und einrichten. Am 5. September zogen die letzten Bewohner des Erholungsheims aus, schon zum Zeitpunkt der Bundespräsidentenwahl am 12. September musste die Viktorshöhe bezugsfertig sein. Insgesamt neun Bauunternehmen waren an dem von der Bauleitung der Reichsbahn ausgeführten Umbau beteiligt, mit der Gartengestaltung war das Büro von Hermann Mattern beauftragt.

Am 12. September 1949 bezog der erste Bundespräsident Theodor Heuss die Viktorshöhe am Tag seiner Wahl gemeinsam mit zunächst 25 Mitarbeitern des Bundespräsidialamts – am 19. September 1949 erhielten dort die Mitglieder des ersten Bundeskabinetts ihre Ernennungsurkunden. Für die Bewachung des Amtssitzes, für die vor Ort seit dem Umbau ein Wachhaus bestand, waren zunächst 28 Beamte der Polizei des Regierungsbezirks Köln zuständig und ab April 1950 die Stadtkreispolizei Bonn. Heuss bewohnte mit seiner Familie drei Zimmer in der oberen Etage der Villa, in der auch die zuletzt über 60 Mitarbeiter des zunächst recht unorganisierten Präsidialamts tätig waren. Zu den auf der Viktorshöhe empfangenen Staatsgästen gehörten die Außenminister Dean Acheson (USA) und Robert Schuman (Frankreich).

Am 15. Dezember 1950 konnte der Bundespräsident die Viktorshöhe verlassen und seinen Amtssitz in die umgebaute Villa Hammerschmidt im Zentrum des neuen Parlaments- und Regierungsviertels verlegen. Daraufhin übernahm das Bundesministerium für Verkehr im Februar 1951 die seinerzeit fünf Hektar große[3] Liegenschaft auf der Viktorshöhe, um dort unter anderem die bisher in Offenbach untergebrachte Abteilung Straßenverkehr unterzubringen.[4]

Botschaft der Sowjetunion/Russischen Föderation

Die erste Botschaft der Sowjetunion nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1955 befand sich im ehemaligen Hotel Rolandseck-Groyen in Rolandswerth. 1965 wurden Planungen für einen Umzug der Botschaft in eine größere Liegenschaft aufgenommen. Die Bundesregierung bot der Sowjetunion neben etwa 30 anderen Objekten im Gegenzug für ein Grundstück der deutschen Botschaft in Moskau auch ein sieben (von 16 bundeseigenen) Hektar[5] umfassendes Grundstück auf der Viktorshöhe an, die 1971 für 13,5 Millionen D-Mark von der Bundesbahn in den Besitz des Bundes überging. In Muffendorf wurde 1972 übergangsweise ein Wohnblock für die Botschaftsmitarbeiter fertiggestellt. 1975 verabschiedete der Bonner Stadtrat einen Bebauungsplan für das Gelände in Schweinheim, der einen Neubau für die sowjetische Botschaft ermöglichte. Daraufhin erwarb die UdSSR die Viktorshöhe 1976 vom Bund, der damalige Botschafter Valentin Michajlowitsch Falin hatte bereits im Frühjahr 1972 eine nahegelegene Residenz in der Venner Straße 31 bezogen.

Nach einem ersten Bauantrag im Mai 1980[6] wurde im April 1984[7] der Grundstein für die Botschafts-Neubauten auf der Viktorshöhe gelegt, die unter der Leitung des Unternehmens Hochtief erfolgten und eine vollwertige Infrastruktur zur Deckung aller wesentlichen Bedürfnisse der Botschaftsmitarbeiter schufen. Als Kanzleigebäude entstand südwestlich der Villa Wendelstadt ein 18 Meter hoher Komplex, der aus einem Atriumhaus und einem angeschlossenen, im Grundriss nach innen gebogenen und zur Parkanlage hin geöffneten Trakt besteht. Westlich daran schließen sich vier versetzt aneinandergereihte Wohngebäude (etwa 120 Familien) an, die seitlich von einem Schul- und einem Kinogebäude flankiert werden. Die Anlage umfasst auch unter anderem eine Turnhalle, ein Schwimmbad und einen Kindergarten, außerdem ein Pförtnerhaus und eine für 150 PKW konzipierte Tiefgarage.

Eingang zum russischen Generalkonsulat (2009)

Im Juni 1989 wurden die Neubauten der Botschaft durch Michail Gorbatschow eingeweiht[8], 1990 waren die letzten fertiggestellt. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 wurde die Botschaft in die diplomatische Vertretung der Russischen Föderation in Deutschland umgewandelt. Im Zuge der Verlegung des Regierungssitzes zog die Botschaft 1999 nach Berlin um. Auf der Viktorshöhe wurde daraufhin ein russisches Generalkonsulat eingerichtet, das zunächst für fünf Länder mit 200.000 Staatsangehörigen zuständig war und als größtes Konsulat Russlands in Europa galt. Nach der Einrichtung eines weiteren Generalkonsulats in Frankfurt am Main liegen die Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland im Zuständigkeitsbereich des Generalkonsulats in Bonn. Am 30. November 2012 wurde hier ein neues Visazentrum eröffnet.

Literatur

  • Michael Wenzel: Kleine Geschichte(n) Bad Godesberger Botschaften, 2. Auflage 2011, S. 62–64.
Commons: Ehemalige Botschaft der Sowjetunion/Russischen Föderation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rita Hombach: Landschaftsgärten im Rheinland. Die Erfassung des historischen Bestands und Studien zur Gartenkultur des »langen« 19. Jahrhunderts. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland, Band 37) Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2010, ISBN 978-3-88462-298-8, S. 143, 241.
  2. Karl Josef Schwalb: Österreichische Nationalsozialisten im Exil in Bad Godesberg (1934–38). In: Godesberger Heimatblätter. Heft 36, Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg , Bad Godesberg 1998, S. 55–62
  3. Helmut Vogt: Wächter der Bonner Republik. Die Alliierten Hohen Kommissare 1949–1955, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-70139-8, S. 108.
  4. Stadt Bonn, Stadtarchiv (Hrsg.); Helmut Vogt: „Der Herr Minister wohnt in einem Dienstwagen auf Gleis 4“. Die Anfänge des Bundes in Bonn 1949/50, Bonn 1999, ISBN 3-922832-21-0, S. 59/61, 61/62, 100/101, 105, 160, 194/195, 228.
  5. Institut für Zeitgeschichte: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1973, Oldenbourg Verlag 1989, S. 85
  6. Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1981, Oldenbourg Verlag 2012, S. 79
  7. Nach zehnjaehriger Vorgeschichte und zeitgleich mit "Startschuss" in Moskau, General-Anzeiger, 5. April 1984, S. 12
  8. Der Kremlchef muß am Rhein regieren, Der Spiegel, 12. Juni 1989

Koordinaten: 50° 41′ 6,4″ N, 7° 8′ 2,2″ O