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Kaiserschnitt

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Beim Kaiserschnitt (Sectio caesarea) wird der Säugling auf operativem Wege aus dem Bauch der Mutter geholt. Es wird ein Schnitt an der Bauchunterseite vorgenommen.

Narkoseverfahren

Der Kaiserschnitt kann unter Teilnarkose (PDA oder Spinal-Anästhesie) oder auch unter Vollnarkose geschehen. Die Wahl des Narkoseverfahrens hängt insbesondere auch von der Planbarkeit des Kaiserschnitts ab. Ist der Kaiserschnitt geplant, so erfolgt in den meisten Fällen eine Teilnarkose. In diesem Fall kann der Vater in der Regel mit in den Operationssaal; die Mutter kann ihr Kind unmittelbar nach der Entbindung sehen und evtl. sogar kurz in die Arme nehmen. Fällt die Entscheidung für einen Kaiserschnitt dagegen kurzfristig, etwa in Folge auftretender Komplikationen bei der natürlichen Geburt, so muss meist eine Vollnarkose durchgeführt werden. Grund sind sie etwa 15 Minuten Vorlaufzeit, die bei der Durchführung einer Teilnarkose erforderlich sind.

Wunschkaiserschnitt (Wunschsektio, Wunschsectio, elektive Sectio, WKS)

Wurde diese Operation früher hauptsächlich aus medizinisch dringenden Gründen durchgeführt, so wird der Kaiserschnitt heutzutage oft auch auf Wunsch angewandt ("Wunschkaiserschnitt"). Fundierte statistische Angaben zur Zahl der Wunschkaiserschnitte in Deutschland sind nicht verfügbar. Um eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen zu gewährleisten werden diese i.d.R. als medizinisch notwendige Eingriffe deklariert. Wunschkaiserschnitte gelten darüberhinaus gesellschaftlich noch weitgehend als Tabu. So wurden die vielen Kaiserschnitte prominenter Frauen in den vergangenen Jahren vor der Öffentlichkeit meist mit medizinisch äußerst fragwürdigen Scheinindikationen gerechtfertigt.

Die Diskussion über das Für und Wider des Wunschkaiserschnitts wird von Befürwortern wie Gegnern leidenschaftlich geführt.

Vergleich zwischen natürlicher Geburt und Kaiserschnitt

Argumente von Wunschkaiserschnitt Befürwortern

Als Vorteile des Kaiserschnitts gegenüber einer natürlichen Geburt gelten eine geringere Sterblichkeit des Kindes, ein wesentlich geringeres Risiko eines bleibenden Geburtsschadens (bei der natürlichen Geburt etwa 1:500) und ein geringeres Infektionsrisiko beim Kind. Die Mutter reduziert das Risiko bleibender Beckenbodenschäden (z.B. Harn- oder Stuhl-Inkontinenz, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr). Diese können als Folge der extremen Dehnung und ggf. auch des im Verlaufe der natürlichen Geburt häufig durchgeführten Dammschnitts auftreten. Darüberhinaus ist der eigentliche Entbindungsvorgang beim Kaiserschnitt durch die Narkose fast völlig schmerzfrei, während natürliche Geburten trotz aller Fortschritte der Geburtshilfe häufig noch mit unvergleichlichen Schmerzen verbunden seien.

Befürworter des Wunschkaiserschnitts sehen in ihm eine etwa gleichweirtige Alternative zur natürlichen Geburt, und betonen das Selbstbestimmungsrecht der Frau . Beides habe seine Berechtigung, und die Schwangeren könne am besten selber entscheiden, welche der Möglichkeiten sie wähle. Die endgültige Entscheidung für oder gegen einen medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt könne und sollte unter Abwägung aller Aspekte nur von der Mutter getroffen werden.

Zitat: Die natürlichste Geburt ist die vaginale Geburt ohne Dammschnitt, ohne Zange/Saugglocke und ohne Komplikationen. Eine alternative Geburt kann ein geplanter Kaiserschnitt mit 38 bis 38 1/2 Wochen sein. Die planbare Variante kann Ihnen der Arzt praktisch garantieren, während die natürliche Variante von einigen Launen der Natur abhängt, die wir kaum steuern können. Die Schwangere muss sich also zwischen der natürlichen Ungewissheit und der planbaren Gewissheit entscheiden und mit ihrem eigenen Wertesystem in Einklang bringen. Dr. Pierre Villars, Schweizer Gynäkologe

Befürworter des Wunschkaiserschnitts argumentieren häufig auch mit einem Dilemma der evolutionären Entwicklung des Menschen: Einerseits ist die Entwicklung des Menschen in den vergangenen ca. 1 Mio. Jahren bestimmt durch eine deutliche Zunahme des Kopfumfangs, andererseits konnte die Hüfte und der Geburtskanal nicht unbegrenzt wachsen, das sonst der aufrechte Gang nicht mehr möglich wäre. Als Folge dieser Entwicklung kommen die Kinder des Menschen deutlich unreifer zur Welt als die der meisten anderen Säugetierarten, gleichzeitig ist der Geburtsvorgang im Durchschnitt wesentlich langwieriger, risikoreicher und vermutlich auch schmerzhafter als bei anderen Säugetierarten. Die "Mystifizierung" des Geburtsvorgangs als glückliches Erlebnis diene in unserer Gesellschaft nur der Vertuschung der damit verbundenen Schmerzen und Brutalität.

Der Kaiserschnitt erschwert nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht die Mutter-Kind-Bindung, ebensowenig wie dies für besonders traumatisch verlaufende natürliche Geburten der Fall ist. Mögliche psychische Probleme und Versagensgefühle der Mutter nach einem Kaiserschnitt sind nach Ansicht der Wunschkaiserschnitt-Befürworter eher die Folge mangelnder Information und des Drucks durch das soziale Umfeld.

Das von den Gegnern des Wunschkaiserschnitts angeführte Kostenargument lassen Befürworter des Wunschkaiserschnitts nicht gelten. Sie verweisen auf die enormen sozialen Folgekosten bereits einer einzigen durch Sauerstoffunterversorgung während der Geburt verursachten lebenslangen Behinderung. Ohnehin sei die Kostenfrage von untergeordneter Bedeutung. Die möglichen Folgen für die Patientin in positiver wie in negativer Hinsicht seien erheblich weitreichender als etwa bei der Frage, ob eine (medizinisch nicht notwendige) Lokalanästhesie vor einer Zahnbehandlung durchgeführt werde oder nicht. Akzeptabel sei jedoch ein Zuzahlungsmodell, bei der lediglich die Kostendifferenz zwischen den Kosten natürlicher Geburten (einschließlich aller Folgekosten, etwa denen eines nächtlichen Notkaiserschnitts) und den Kosten eines Wunschkaiserschnitts von der werdenden Mutter getragen werde.

Die Sicht von Wunschkaiserschnitt Gegnern

Auf der anderen Seite führt der Kaiserschnitt häufiger zu vorübergehenden Adaptionsproblemen beim Kind (z.B. Atemnotsyndrom). Als Nachteile für die Mutter gelten eine erhöhte Sterblichkeit (etwa 1:15.000 statt 1:50.000, allerdings unter Einbeziehung der Notkaiserschnitte), ein leicht erhöhtes Risiko für einen Plazenta-Tiefsitz bei Folgeschwangerschaften und ein etwas erhöhtes Risiko für Infektionen im Zusammenhang mit der Operation. Auch besteht ein erhöhtes Risiko einer Embolie oder Thrombose. Als Folge des Kaiserschnitts bleibt zudem eine Narbe, die heutzutage meist unterhalb der "Bikinigrenze" verläuft. Die ersten Tage nach der Operation sind i.d.R. mit größeren Schmerzen verbunden als nach einer natürlichen Entbindung, auch wenn sich diese durch die Gabe von Schmerzmitteln lindern lassen. Zudem dauert es mehrere Wochen, bis die Mutter körperlich wieder voll belastbar ist.

Die immer größer werdende Zahl von Wunschkaiserschnitten wird ven deren Gegnern auch darauf zurückgeführt, dass die Angst vor der natürlichen Geburt von Interessengruppen wie Ärzten - die daran verdienen - geschürt wird. Sie verweisen darauf, dass natürliche Geburten zwar selten schmerzfrei abliefen, dass die Geburt aber prinzipiell von jeder Frau geschafft werden könne.

Darüberhinaus wird häufig der Verzicht auf das sehr emotionale Geburtserlebnis als Nachteil genannt.

Natürliche Geburten seien für das Gemeinwesen wesentlich billiger, da keine Kosten für eine Operation anfielen und weil - bei Krankenhaus-Geburten - Frau und Kind in der Regel noch am gleichen oder nächsten Tag das Krankenhaus verlassen könnten. Eine Geburt per Kaiserschnitt kostet die Krankenkassen zwischen 4.700 und 6.000 Euro. Für eine natürliche Geburt werden in der Regel ca. 2.700 Euro fällig. Eine Hausgeburt belastet den Krankenkassen-Etat in der Regel um ca. 500 Euro.

Schließlich sehen viele die natürliche Geburt als recht bewährt an, da die Evolution sie über viele Jahrmillionen weiterentwickelt hat.

Gegner des Wunschkaiserschnitts, wie etwa die deutschen Hebammenverbände, kritisieren die Betonung des vermeintlichen Selbstbestimmungsrecht der Frau bei der Frage Wunschkaiserschnitt ja oder nein. Sie sehen den Wunschkaiserschnitt nicht als gleichwertige Alternative. Vielmehr sei das häufiger werden der Wunschkaiserschnitte eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die darauf beruhe, dass eine Sicht der Geburt als mehr oder weniger riskantem medizinischem, mechanischem Vorgang sich mehr und mehr durchsetze. Hebammen beraten Schwangere in der Regel mit einer anderen grundsätzlichen Sicht der Dinge; sie sehen die komplikationsfreie Geburt als natürlichen, nicht medizinischen Vorgang, der zunächst nichts mit Krankheit zu tun habe. Der Wunsch von Schwangeren nach einem Kaiserschnitt sei in der Regel die Folge von Angst vor der Geburt, die in den meisten Fällen unnötig sei, aber von Medizinern und Umfeld der Schwangeren geschürt würde. Diese Angst ernst zu nehmen, mit ihr umzugehen und sie zu bewältigen sehen Hebammen als Teil ihrer Aufgabe an. Laut den "Fachanweisungen des Hebammenverbandes" ist aber ein Wunschkaiserschnitt mit den Eltern bei einem geschätzten Geburtsgewicht von über 4.500 Gramm zu diskutieren. In jedem Fall berücksichtigten Hebammen aber die Wünsche der Schwangeren und respektierten deren Selbstbestimmungsrechte.

Insgesamt sei das Risiko von bleibenden Gesundheitsschäden bei Mutter und Kind bei der natürlichen Geburt nicht höher als bei einem Kaiserschnitt, vorausgesetzt, man beziehe alle Faktoren in die Betrachtungen ein und die geburtsbegleitenden Fachleute hätten auch eine ausreichende Qualifikation für eine natürliche Geburt. Das Vorhandensein von ausreichenden Qualifikationen für die natürliche Geburt wird allerdings von Seite der Hebammen in Frage gestellt, so weit es Ärzte betrifft - diese seinen gut auf Operationen und Notfälle vorbereitet, hätten aber oft nicht genügend Erfahrung und Know-How, um eine natürliche Geburt zu begleiten.


Stillen

Stillen ist nach einem Kaiserschnitt genauso möglich wie nach einer natürlichen Geburt; meist dauert es allerdings etwa einen Tag länger, bis die Milch einschießt.

Statistische Entwicklung und Gründe

Kaiserschnittgeburten haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2001 kamen in Deutschland 22,6% der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt, 10 Jahre vorher waren es nur 15,3%. Es steht zu vermuten, dass dies nicht nur auf medizinische Notwendigkeiten zurückzuführen ist, sondern dass insbesondere die Zahl der Wunschkaiserschnitte stark angestiegen ist. Zusammenhängen dürfte das neben den oben aufgeführten Aspekten mit der einhergehenden Planbarkeit des Geburtstermins, die manchen Frauen und Ärzten als Vorteil erscheinen mag. Weiterhin stellt die Abrechnung eines Kaiserschnitts anstatt einer "normalen" Geburt für das Krankenhaus einen erheblichen finanziellen Anreiz dar. Neue, schonendere Operationstechniken (wie die "Misgav Ladach Methode") haben darüberhinaus die Liegezeit im Krankenhaus auf meist nur wenige Tage verkürzt. Das erhöhte Risiko von Geburtsschäden lässt Ärzte bei problematischen Schwangerschaften (z.B. großer Kopfumfang, Steißlage, Frühgeburtlichkeit) im Zweifelsfalle auch aus haftungsrechtlichen Gründen zunehmend zum Kaiserschnitt tendieren. Als weiterer Grund für die zunehmende Kaiserschnittquote gilt das immer höhere durchschnittliche Geburtsgewicht in den Industriestaaten, das offenbar vorwiegend auf die verbesserte Ernährung zurückzuführen ist. Bei einem absehbaren Geburtsgewicht von deutlich über 4kg wird meist ein Kaiserschnitt durchgeführt.

Natürliche Geburt nach Kaiserschnitt

Die Auffassungen über die Frage, ob nach einem Kaiserschnitt noch eine natürliche Geburt möglich ist, haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Dies liegt vor allem daran, dass der Kaiserschnitt heute nicht mehr durch einen vertikalen, sondern durch einen horizontalen Schnitt in die Bauchdecke vorgenommen wird, was das Risko eines Gebärmutterrisses bei einer Folgeschwangerschaft und insbesondere bei den mechanischen Belastungen einer natürlichen Geburt deutlich verringert hat - wenn auch das Risiko immer noch deutlich höher ist als bei einer vorangegangenen natürlichen Geburt. Galt vor einigen Jahren noch die Regel "Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt", so wird es werdenden Müttern nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt bei ansonsten unproblematischen Schwangerschaften heute meist freigestellt, ob sie sich einem erneuten Kaiserschnitt unterziehen möchten. In diesem Fall wird i.d.R. die alte Narbe herausgeschnitten, so dass nur eine, allerdings etwas längere Narbe, zurückbleibt.

Geschichtliches

Bereits im römischen Recht war es dem Ehemann als Familienoberhaupt gegen Strafdrohung untersagt, den Kaiserschnitt durch einen Arzt an der hochschwangeren Ehefrau zu unterlassen, wenn diese im Sterben lag. In den Digesten steht dazu unter Titel XI.8.2, der eine lex regia wiedergibt:

negat lex regia mulierem, quae praegnans mortua sit, humari, antequam partus ei excidatur. Qui contra fecerit, spem animantis cum gravida peremisse videtur.

Bis in die Neuzeit war der Kaiserschnitt fast immer mit dem qualvollen Tod der Mutter verbunden. Normalerweise wurde er daher nur an Toten vorgenommen, z.B. um das Kind ordnungsgemäß bestatten zu können. Der erste bekannte erfolgreiche Kaiserschnitt an einer Lebenden wurde im Jahre 1500 vom Schweizer Schweinekastrierer Jacob Nufer vorgenommen. Seine Frau überlebte die Prozedur nicht nur, sondern brachte im nächsten Jahr noch Zwillinge zur Welt - auf natürlichem Wege. In Deutschland erfolgte der erste Kaiserschnitt 1610 in Wittenberg durch Jeremias Trautmann. Es dauerte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, bis die Kenntnisse z.B. über die notwendigen Hygienemaßnahmen dafür ausreichend waren, dass die Mutter den Kaiserschnitt mit einer reellen Überlebenschance überstehen konnte. Erst in den letzten Jahren "konkurriert" der Kaiserschnitt als Geburtsmodus zunehmend mit der natürlichen Geburt; in einigen Privatkliniken in Brasilien liegt die Kaiserschnittquote heute bei über 70%.

Literatur

  • Kaiserschnitt und Kaiserschnittmütter. Brigitte R. Meissner, Meissner Verlag , 2003, 269 Seiten, ISBN 3-952-22462-6
  • Kaiserschnitt, Theresia M. de Jong und Gabriele Kemmler, 2003, ISBN 3-466-34461-1
  • Die Gewalt des Gebärens, Streitschrift wider den Mythos der glücklichen Geburt, Isabelle Azoulay, 237 Seiten, Paul List Verlag, München, 1998, ISBN 3-471-77029-1