Kugelblitz

seltene, kugelförmige Leuchterscheinung meist in der Nähe eines Gewitters
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Als Kugelblitz bezeichnet man eine selten beobachtete, kugelförmige Leuchterscheinung, die plötzlich – meist in Nähe eines Gewitters – im Freien und auch in geschlossenen Räumen auftreten kann. Es gibt neben Augenzeugenberichten[1][2] nur wenige fotografische Belege.

Bis heute konnten die Naturwissenschaften keine allgemein akzeptierte Erklärung für dieses Phänomen liefern. Kugelblitze werden oft mit Gewittern und Blitzen in Verbindung gebracht.

Beschreibung

 
„Globe of Fire Descending into a Room“ von Dr. G. Hartwig
 
Beschreibung eines Kugelblitzes aus dem 19. Jahrhundert

Kugelblitze sind extrem seltene Erscheinungen, deren Eigenschaften in den Augenzeugenberichten sich teils widersprechen. Meist wird ihr Auftreten im Zusammenhang mit Gewittern und atmosphärischen Entladungen beschrieben, überwiegend in Bodennähe. Die Phänomene werden als schwebende, selbstleuchtende und undurchsichtige Lichtobjekte beschrieben. Sie strahlen keine Wärme ab und treten in zahlreichen Farben auf. Die Form wird als sphärisch (kugelförmig), eiförmig oder stabähnlich beschrieben, wobei die Erscheinung in keiner Gestalt signifikant voluminöser als in einer anderen ist. Die größte beobachtete Ausdehnung betrug geschätzte 40 cm.

Die natürliche Entstehung von Kugelblitzen ist bisher nicht beobachtet worden, sie haben im Gegensatz zur relativ kurzlebigen Lichtbogenbildung eines gewöhnlichen Blitzes eine Lebensdauer von bis zu dreißig, typischerweise aber zwei bis acht Sekunden. Auffällig ist ihre Flexibilität, denn anscheinend sind sie in der Lage, auch feste Hindernisse zu überwinden und nach dem Durchtritt wieder ihre vorher beobachtete Form anzunehmen. Die Wettererscheinungen können scheinbar von einem bestimmten Objekt angezogen werden, meist wirken ihre Bewegungen jedoch zufällig oder bleiben nach kurzer Zeit ganz aus, gelegentlich werden sie von Funkenschlag begleitet. Nach wenigen Augenblicken lösen sie sich wieder auf, oft in Begleitung eines explosionsartigen Knalls, der teilweise auch Verletzungen und Beschädigungen verursacht haben soll.

Manche Beschreibungen ähneln sehr stark denen von anderen Phänomenen wie zum Beispiel von UFOs oder Foo-Fightern.

Kugelblitze werden von verschiedenen Wissenschaftlern als Ursache des Phänomens der Spontanen Selbstentzündung angesehen[3].

Erforschung

Entstehung und Aufbau des Phänomens sind trotz erfolgreicher japanischer Experimente mit interferierenden Mikrowellen, die Plasmakugeln erzeugten, die Kugelblitzen in Größe und Erscheinungsbild ähnelten, völlig ungeklärt. Experten verschiedener Fachrichtungen wie Meteorologen, Elektrotechniker, aber auch viele Laien sammeln deshalb seit langem alle Augenzeugenberichte, werten sie aus und versuchen auf dieser Grundlage, dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Besonders begehrt sind zufällig gelungene Fotos oder Filmaufnahmen. Dabei handelt es sich aber häufig um Fälschungen.

Nikola Tesla berichtet in seinen Aufzeichnungen von der erfolgreichen Erzeugung von Kugelblitzen in seinem Labor. Spätere Versuche konnten aber keine Anhaltspunkte finden, ob diese Kugelblitze etwas mit dem beobachteten Naturphänomen zu tun haben oder ob es sich nur um eine andere Art elektrisches Phänomen handelt.[4]

Experimente und Hypothesen

Silicium-Wolken

Eine im Jahr 2000 von John Abrahamson und James Dinniss in Neuseeland vorgestellte Hypothese postuliert, dass Kugelblitze nichtelektrischer Natur sind, jedoch durch Blitzeinschlag ins Erdreich entstehen. Dabei werde Siliciumdioxid (Sand, Kieselerde) in Silizium und Sauerstoff zerlegt. Während der Sauerstoff im Erdreich mit Kohlenstoff (organischem Material) reagiere, trete das Silizium als Dampf oder Aerosol aus dem Blitzkanal aus und werde durch Luftsauerstoff langsam oxidiert, wodurch es leuchte. Die Siliciumpartikelwolke sei durch Selbstorganisation aufgrund ihrer Ladung in der Lage, eine kugelähnliche Form anzunehmen, und es sei daher auch möglich, dass sie sich nach Durchdringen einer kleinen Öffnung wieder zusammenfindet.[5]

Diese Hypothese wurde in Brasilien an der Universidade Federal de Pernambuco von Antônio Pavão und Gerson Paiva nachgeprüft, indem Siliciumplättchen elektrisch verdampft und die Silicium-Luft-Mischung per Funkenentladung entzündet wurde. Farbe, Temperatur und Lebensdauer (8 Sekunden) der tischtennisballgroßen Siliciumdampfbälle entsprachen dabei den Zeugenaussagen, soweit diese bei einem seltenen Kurzzeitphänomen exakt sind.[6][7] Ein wissenschaftlicher Bericht dazu ist 2007 in den Physical Review Letters erschienen.[8]

Einschlag in Wasserpfützen

Eine andere Hypothese stammt vom deutschen Plasmaphysiker Gerd Fußmann von der Berliner Humboldt-Universität. Er hat 2008 mit einem recht einfachen Versuchsaufbau eine Leuchterscheinung erzeugt, die den Beschreibungen eines Kugelblitzes ähnelt. Dabei füllte er ein Gefäß mit Wasser, setzte zwei Elektroden ein und legte für den Bruchteil einer Sekunde 5.000 Volt Spannung an. Für etwa eine halbe Sekunde entstand dabei ein Gebilde, das er als Kugelblitz deutete. Daraus schloss er, dass Kugelblitze in der Natur durch normale Blitzeinschläge in Wasserpfützen entstehen könnten.[9] [10]

Seine Arbeit basiert auf derjenigen, an der er im Jahre 2006 als Leiter der gemeinsamen Arbeitsgruppe Plasmaphysik des Garchinger Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) und der Berliner Humboldt-Universität (HUB) beteiligt war. Damals erzeugten die Wissenschaftler über einer Wasserober­fläche leuchtende, kugelblitzähnliche Plasmabälle, die Lebensdauern von knapp einer halben Sekunde und Durchmesser von 10 cm bis 20 cm besaßen. Dabei ragten in ein mit Salzwasser gefülltes Becherglas zwei Elektroden, wobei eine Elektrode durch ein Tonröhrchen, das etwas aus der Wasseroberfläche herausschaute, vom umgebenden Wasser isoliert war. Wurde über eine Kondensatorbatterie von 0,5 mF eine Hochspannung von 5 kV angelegt, so floss für 0,15 Sekunden ein bis zu 60 Ampere starker Strom durch das Wasser. Durch einen Überschlag vom Wasser aus gelangte der Strom in das Tonröhrchen, wobei das dort enthaltene Wasser verdampfte. Nach dem Stromimpuls zeigte sich ein leuchtendes Plasmoid aus ionisierten Wassermolekülen.[11][12]

Stehende Wellen und Maser

Eine wichtige Hypothese wurde 1955 vom russischen Physiker Pjotr Kapiza aufgestellt. Er rechnete die Lebensdauer einer nuklearen Explosionswolke auf die von Kugelblitzen angenommenen Dimensionen herunter und erhielt für einen Feuerball von 10 cm Durchmesser eine Lebensdauer von weniger als 10 Millisekunden. Da Kugelblitze meist mehrere Sekunden lang beobachtet werden, kam er zu dem Schluss, dass sie extern gespeist werden müssen und eine intern ablaufende Reaktion, gleich welcher Art, für den Energiebedarf nicht ausreicht. Darauf entwickelte er die Hypothese, dass sich während eines Gewitters stehende elektromagnetische Wellen zwischen Himmel und Erde ausbilden und an den Schwingungsbäuchen Kugelblitze entstehen.[13] Kapiza ging jedoch nicht auf die Problematik ein, dass es eine Reihe von Schwingungsbäuchen gibt (siehe Stehende Welle) und welche Bedingungen einen bestimmten Schwingungsbauch zum Kugelblitz werden lassen. Um einen Ort bevorzugter Energieabgabe zu bilden, muss das sich dort befindliche Gas im Vergleich zur Umgebungsluft zumindest schwach ionisiert (leitfähig) sein, und es ist unklar, wie sich eine solche Anfangsionisation ausbilden kann. Als theoretisches Beispiel sei eine heiße Luftblase genannt, denn die Ionisierung von Luft steigt mit der Temperatur an. Wenn eine solche Luftblase dadurch mehr Energie erhielte, führte das zu einem weiteren Anstieg der Temperatur und damit zu einem sich selbst aufschaukelnden Prozess.

Peter Handel hat die Hypothese mit dem Vorschlag eines atmosphärischen Masers ausgebaut. Wenn das Volumen eines Masers groß genug ist (mehrere Kubikkilometer), könnten durch alleiniges Pumpen (was bei kleinen Masern normalerweise zur sofortigen Dissipation der Energie führt) genügend Moleküle in einen angeregten Zustand versetzt werden. Handel hat gezeigt, dass es Solitonlösungen innerhalb des Masers gibt, das heißt, eine stabile stehende Welle im nichtlinearen Medium, deren Energie vom Maser eine Zeitlang aufrechterhalten wird.[14]

Die Entstehung und die Bewegung der Kugelblitze ist damit an den Ort der Energieabgabe gebunden, deshalb steigen sie im Gegensatz zum gewöhnlichen Plasma nicht auf und sind gegen Wind unempfindlich. Sofern Baustoffe von Gebäuden für Mikrowellen durchlässig sind, was zumeist der Fall ist, können Kugelblitze diese durchaus durchdringen.

Die von Ohtsuki und Ofuruton durchgeführten Experimente konnten dies bestätigen. Die Plasmabälle hatten vergleichbare Dimensionen und Lebensdauern, sie konnten sich gegen Wind bewegen und eine 3 cm dicke Keramikplatte durchdringen.[15]

Elektromagnetischer Knoten

A. F. Ranada (Madrid) geht von einem topologischen Modell, einem sogenannten elektromagnetischen Knoten aus. Ein elektromagnetischer Knoten ist definiert als Vakuum-Lösung der Maxwellschen Gleichungen mit der Eigenschaft, dass alle elektrischen und magnetischen Feldlinien geschlossen sind. Entsprechend dieser Hypothese besteht das Volumen des Kugelblitzes nicht vollständig aus Plasma, sondern aus ineinanderhängenden Plasma-Schläuchen, die sich gegenseitig magnetisch und hydrodynamisch stabilisieren und Eigenschaften von etwa 10 s Lebensdauer sowie eine Netto-Abstrahlung von etwa 100 W bei einer Gesamtenergie von etwa 20 kJ ohne externe Energiezufuhr zulassen, wie durch entsprechende elektrodynamische Modellrechnungen auf der Grundlage der Alfvén- und Maxwellschen Gleichungen gezeigt werden konnte. Dabei werde der Hauptteil der Energie nicht durch das Plasma der Blitzentladung, sondern in Form der magnetischen Feldenergie gespeichert, wobei magnetische Flussdichten von 0,5 T bis 2 T angenommen werden.

Interferierende Mikrowellen in Plasmen

Eine andere weit verbreitete Hypothese ist, dass es sich um Plasmen handelt, die durch interferierende Mikrowellen gebildet werden. Y. H. Ohtsuki und H. Ofuruton gelang es 1991 erstmals, unter Laborbedingungen Kugelblitzen ähnelnde Plasmagebilde reproduzierbar zu erzeugen, deren Eigenschaften dem von Augenzeugen berichteten Verhalten ähnelten. Dabei verwendeten sie ein Magnetron mit 2,45 GHz und 5 kW Dauerleistung.[16] Die Lebensdauer dieser Gebilde betrug einige Sekunden, und sie konnten eine Keramikplatte durchdringen sowie an geladenen Drähten entlangbalancieren (ein Verhalten, welches ebenfalls Augenzeugen an Hochspannungsleitungen beschrieben haben).[17]

Weitere Hypothesen

Es gibt viele weitere Hypothesen: Hochstromentladungen, bei denen kleine (< 1 cm) hüpfende Feuerbälle entstehen, die Bildung anderer zündfähiger Gase oder Aerosole (sogenannte diffusive Verbrennung) oder Zuhilfenahme esoterischer Energiequellen.

Unklar und unbewiesen bleibt bei allen geschilderten Experimenten, ob die erzeugten kugelförmigen Gebilde irgendetwas mit den von Augenzeugen beschriebenen Kugelblitzen zu tun haben.

Es gibt auch Forscher, die der Meinung sind, die beobachteten Kugelblitze seien nur eine optische Täuschung. Wird das Auge kurzzeitig stark geblendet, so sieht man noch einige Sekunden einen Lichteffekt. Bewegt man die Augen, kann der Eindruck entstehen, eine Lichtkugel fliege durch den Raum. Dieser Annahme widersprechen häufige Berichte, dass Kugelblitze nicht überaus hell waren und für Lichteffekte untypisch lange beobachtbar waren.

Wissenschaftler der Universität Innsbruck vermuten, dass es sich bei den beschriebenen Kugelblitzen gar um vom Gehirn erzeugte Eindrücke (sogenannte Phosphene) handelt. Diese Halluzinationen sollen durch die elektromagnetischen Felder, bei Blitzeinschlägen entstehen können, indem die Neuronen im Gehirn angeregt werden. [18] [19]

Siehe auch

Quellenangaben

  1. Beispiel in Rolf Froböse: Wenn Frösche vom Himmel fallen, Wiley-VCH, 2007, S. 43: [1]
  2. [2]
  3. http://www.newscientist.com/article/dn1720
  4. Nikola Tesla, Colorado Springs Notes, S. 368–370
  5. John Abrahamson, James Dinniss: Ball lightning caused by oxidation of nanoparticle networks from normal lightning strikes on soil, Nature 403, S. 519–521, 3. Februar 2000 Abstract. Siehe auch wissenschaft.de zur Hypothese von Abrahamson und Dinniss
  6. wissenschaft.de - Wie man Kugelblitze macht, zum experimentellen Nachweis von Siliciumdampfbällen, Wissenschaft.de 11. Januar 2007
  7. 3sat.de/nano - Künstliche Kugelblitze irrlichtern für Sekunden im Labor, Bildbericht, Nano TV, 3sat, 12. Januar 2007
  8. Production of ball-lightning-like luminous balls by electrical discharges in silicon, Paiva et al., Phys. Rev. Lett. 98(2007)048501.
  9. SPIEGEL Online: Feuerball aus der Pfütze, 11. August 2008
  10. WELT online: Geheimnisvolle Kugelblitze existieren wirklich, 12. August 2008
  11. ipp.mpg.de - Kugelblitze im Labor. Bericht der IPP-Arbeitsgruppe Plasmaphysik
  12. aip.de (archive.org) - Kugelblitze im Labor bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2006
  13. Kapitza, P. L.: On the nature of ball-lightning (Übersetzung aus dem Russischen). In: Collected Papers of Kapitza (Vol. 2). Pergamon Press, London 1965, S. 776–780
  14. P. H. Handel: Maser-Caviton Ball Lightning Mechanism, Proc. VIII Int. Conf. on Atmospheric Electricity, Institute of High Voltage Research, Uppsala University Press, Uppsala, Sweden, 1988, S. 177–182
  15. Harald Pokieser, Manfred Christ: "UNIVERSUM: Die Waffen der Götter", ORF 1995, 50 Minuten.
  16. Y. H. Ohtsuki und H. Ofuruton: Plasma fireballs formed by microwave interference in air. In: Nature 350, 1991, S. 139–141
  17. Harald Pokieser, Manfred Christ: "UNIVERSUM: Die Waffen der Götter", ORF 1995, 50 Minuten.
  18. http://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/archiv/2010/051701/
  19. http://www.newscientist.com/article/dn18918-mysterious-ball-lightning-may-be-a-hallucination.html?DCMP=OTC-rss&nsref=online-news

Literatur

Wiktionary: Kugelblitz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Kugelblitz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien