Der abstrakte Expressionismus ist eine Kunstrichtung der modernen Malerei, vertreten in Nordamerika durch die New York School und teilweise auch in Europa in den späten 1940er bis frühen 1960er Jahre.
Charakteristik
Allen Ausprägungen des abstrakten Expressionismus war gemeinsam, dass das Gefühl, die Emotion und die Spontaneität wichtiger waren als Perfektion, Vernunft und Reglementierung. Die Darstellungsweise war abstrakt, teilweise auch abstrakt-figurativ. Die Maltechniken wurden variiert und der Farbauftrag auf den Malgrund wurde mit Pinseln, Behältern und Eimern vollzogen.
Varianten und Strömungen
- In den Vereinigten Staaten entwickelte sich, unabhängig von der europäischen Entwicklung, das Action Painting mit Pollock als ihrem Hauptvertreter ist und die Farbfeldmalerei (Colorfield Painting), hauptsächlich vertreten durch Barnett Newman und Mark Rothko.
- Die europäische abstrakte Kunst der Nachkriegszeit wird in der Regel Informel bzw. Tachismus genannt. Sie stammte aus Frankreich und fand in Deutschland (vornehmlich Düsseldorf) große Resonanz. Wichtige Künstler sind Wols, Fautrier, Mathieu, Hartung und Schumacher.
Entwicklung
Abstrakter Expressionismus in den USA
Der Zweite Weltkrieg, Hitlers Verfolgung der Juden und die Verdammung der modernen Kunst durch die Nationalsozialisten als "entartet", führte zu einer Immigrationswelle europäischer Künstler in die USA, vor allem nach New York. Dies hatte eine starke Beeinflussung zeitgenössischer amerikanischer Künstler zur Folge.
Dabei handelt es sich weniger um eine Stilrichtung als ein Konzept, Kunst in spontaner Weise und ohne die Beschränkung durch herkömmliche Formen auszuführen. Zu den führenden Kräften der Bewegung zählten Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko. Die surrealistische Haltung zur freien Schaffung hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Anfänge des abstrakten Expressionismus.
Seine Wurzeln liegen im Werk des in Russland geborenen Malers Wassily Kandinsky, für dessen Bilder, welche nicht gegenständlich waren, dieser Begriff erstmals in den 1920er Jahren von A. H. Barr, dem damaligen Direktor des New Yorker Museum of Modern Art, verwendet wurde. Maler der europäischen Avantgarde, die während des Zweiten Weltkrieges nach New York kamen, darunter Max Ernst, Marcel Duchamp, Marc Chagall und Yves Tanguy, sowie 1947 Joan Miró, weckten bei amerikanischen Künstlern das Interesse für abstrakte Malerei und leiteten in den 1940er und 1950er Jahren den abstrakten Expressionismus in den USA ein.
Diese Generation der Künstler ist von einer tiefen Fortschrittskritik geprägt, vor allem durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Bei Vertretern des Abstrakten Expressionismus wie Barnett Newman und Mark Rothko wird dies besonders deutlich.
Europäische und US-amerikanische Künstler
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Zitate
Der jüdisch-deutsche Emigrant Hans Sahl war nach eigenen Angaben dabei, als der Begriff „Abstrakter Expressionismus“ erfunden wurde: „Ich hatte ihre Anfänge in der Cedar Bar und im White Horse Inn kennengelernt, als mein Freund, der Bildhauer Peter Grippe, mich mit einigen jungen Leuten bekannt machte, die behaupteten, man müsse etwas Neues erfinden, etwas, das weder abstrakt noch expressionistisch wäre und doch beides zugleich. ‚Warum nicht abstrakter Expressionismus?‘ sagte ein stämmiger, etwas bedrohlich aussehender Mann, der Jackson Pollock hieß. Man prostete einander mit Bierflaschen zu. Das war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Dann griffen die Kunsthändler die Idee auf, und der abstrakte Expressionismus eroberte die Welt“. (Hans Sahl: Das Exil im Exil, Sammlung Luchterhand, 1994, S. 161)
Der abstrakte Expressionismus im Kalten Krieg
In ihrem Buch: Who paid the Piper. The CIA and the Cultural Cold War vermerkte die britische Historikerin und Journalistin Frances Stonor Saunders (* 1966), dass die CIA Jackson Pollock und anderer abstrakte Expressionisten subventionierte. Dies geschah im Wege des Congress for Cultural Freedom und in Übereinstimmung mit der Förderungspolitik der Rockefeller Foundation und der Ford Foundation. Während Stalin also in seinem unmittelbaren Machtbereich den «sozialistischen Realismus», forcierte und in Paris linke Intellektuelle wie Jean Paul Sartre und Pablo Picasso die Kulturszene dominierten, weiters der mexikanische Muralismus um Diego Rivera, der in der Ära des New Deal auf die USA ausgestrahlt hatte, ebenfalls der KP-Seite zugeneigt war, bot sich der abstrakte Expressionismus als Demonstration politischer und künstlerischer Freiheit (ohne sozialkritische Botschaft) an.
Siehe auch
- Tachismus bzw. Informelle Kunst (in Europa)
- Lyrische Abstraktion
- Action Painting (in den USA)
- Neo-Dada (als Gegenbewegung)
- Farbfeldmalerei, Pop-Art und New York School (als direkte und indirekte Weiterentwicklungen]
Literatur
- Barbara Hess: Abstrakter Expressionismus, Köln 2005 - ISBN 3-8228-2967-6
- Lee Krasner, Elaine de Kooning u.a.:Abstrakter Expressionismus in Amerika. Ausstellungskatalog - ISBN 978-3-89422-097-6
- Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt... Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Siedler, Berlin 2001, 480 S., Leinen, ISBN 978-3-88680-695-9