Mannigfaltigkeit

topologischer Raum, der lokal dem n-dimensionalen euklidischen Raum gleicht
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Dieser Artikel behandelt den mathematischen Begriff einer „Mannigfaltigkeit“. Für eine andere Bedeutung siehe Vielfalt.

differenzierbare Mannigfaltigkeit

berührt die Spezialgebiete

ist Spezialfall von

umfasst als Spezialfälle

Eine Mannigfaltigkeit ist ein topologischer Raum, der lokal einem gewöhnlichen Euklidischen Raum Rn gleicht. Im Ganzen muss die Mannigfaltigkeit nicht einem Rn entsprechen (nicht zu ihm homöomorph sein).

Mannigfaltigkeiten sind der zentrale Gegenstand der Differentialgeometrie; sie haben bedeutende Anwendungen in der theoretischen Physik.

Einführendes Beispiel

Ein gern gewähltes Beispiel für eine Mannigfaltigkeit ist eine Sphäre (= Kugeloberfläche), anschaulich etwa die Erdoberfläche:

Jede Region der Erde kann man mit einer Karte auf eine Ebene (R2) abbilden. Nähert man sich dem Rand der Karte, sollte man zu einer anderen Karte wechseln, die das angrenzende Gebiet darstellt. So kann man eine Mannigfaltigkeit durch einen vollständigen Satz von Karten vollständig beschreiben; man braucht dabei Regeln, wie sich beim Kartenwechsel die Karten überlappen. Dagegen gibt es keine einzelne Karte, auf der die gesamte Kugeloberfläche vollständig dargestellt werden kann.
Die Dimension einer Mannigfaltigkeit entspricht der Dimension einer lokalen Karte; alle Karten haben die gleiche Dimension.

Übersicht

Wenn die Kartenwechsel hinreichend glatt sind, hat man eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Aus der Analysis bekannte Begriffe wie die Ableitung kann man auf natürliche Art auf differenzierbare Mannigfaltigkeiten übertragen. Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit (nach Bernhard Riemann) besitzt mit der Riemannschen Metrik eine zusätzlichen Struktur, die es erlaubt, Winkel und Entfernungen zu bestimmen.

Warnung: Eine Sphäre ist ein Beispiel für eine Mannigfaltigkeit, die in einen Euklidischen Raum höherer Dimension eingebettet ist. Eine solche Einbettung existiert zwar für jede Mannigfaltigkeit (vgl. Einbettungssatz von Whitney und Einbettungssatz von Nash). Die moderne mathematische Beschreibung von Mannigfaltigkeiten nimmt aber keinen Bezug auf einen Einbettungsraum.

In der Physik finden differenzierbare Mannigfaltigkeiten Verwendung als Phasenräume in der klassischen Mechanik und als vierdimensionale Pseudoriemannsche Mannigfaltigkeiten zur Beschreibung der Raum-Zeit in der Allgemeinen Relativitätstheorie und Kosmologie.

Ränder, Orientierung

Eine Sphäre (=Kugeloberfläche) ist eine Mannigfaltigkeit ohne Rand. Eine Kugel dagegen ist eine Mannigfaltigkeit mit Rand; ihr Rand ist gerade die Kugeloberfläche. Wir verzichten hier auf eine technische Definition des Begriffs Rand (boundary) und weisen daraufhin, dass die im folgenden gegebenen Definition des Begriffs Mannigfaltigkeit nur Mannigfaltigkeiten ohne Ränder einschließt.

Mannigfaltigkeiten können orientierbar sein. Bekannteste Beispiele nicht-orientierbarer Mannigfaltigkeiten sind etwa das Möbiusband und die Kleinsche Flasche. Auch solche Mannigfaltigkeiten werden wir im weiteren nicht betrachten.

Topologische Mannigfaltigkeiten

Eine topologische  -Mannigfaltigkeit ist ein parakompakter Hausdorff-Raum, in dem jeder Punkt eine offene Umgebung besitzt, die homöomorph zu einer offenen Teilmenge von   ist.

Mannigfaltigkeiten erben viele lokale Eigenschaften vom Euklidischen Raum: sie sind lokal wegzusammenhängend, lokal kompakt und lokal metrisierbar.

Es ist nicht möglich alle Mannigfaltigkeiten zu klassifizieren. Die zusammenhängenden 1-dimensionalen Mannigfaltigkeiten (ohne Rand) sind die reelle Zahlengerade   und der Kreis  . Die Klassifikation der 2-Mannigfaltigkeiten ist ebenfalls bekannt, aber schon für die 3-Mannigfaltigkeiten ist das Problem ungelöst (für den Beweis der Poincaré-Vermutung sind 1.000.000 US-$ ausgelobt worden). Die 4-dimensionalen Fälle können nicht klassifiziert werden (jede endlich-erzeugte Gruppe ist als Fundamentalgruppe eines solchen Raumes realisierbar).

Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

Um differenzierbare Funktionen zu betrachten, reicht die Struktur einer topologischen Mannigfaltigkeit nicht aus. Es sei   eine solche topologische  -Mannigfaltigkeit ohne Rand. Eine offene Teilmenge von  , auf der ein Homöomorphismus zu einer offenen Menge von   definiert ist, nennt man eine Karte. Eine Sammlung von Karten, die   überdecken, nennt man einen Atlas von  . Sich überlappende Karten induzieren einen Homöomorphismus (einen so genannten Kartenwechsel oder Koordinatenwechsel) zwischen offenen Teilmengen von  . Falls für einen Atlas   alle solche Abbildungen  -mal differenzierbar sind, dann nennt man   einen  -Atlas. Zwei  -Atlanten (der selben Mannigfaltigkeit) nennt man genau dann miteinander verträglich, wenn ihre Vereinigung wieder einen  -Atlas bildet. Diese Verträglichkeit ist eine Äquivalenzrelation. Eine  -Mannigfaltigkeit ist eine topologische Mannigfaltigkeit zusammen mit einem  -Atlas (eigentlich mit einer Äquivalenzklasse von  -Atlanten). Glatte Mannigfaltigkeiten sind Mannigfaltigkeiten vom Typ  . Sind alle Kartenwechsel sogar analytisch, dann nennt man die Mannigfaltigkeit ebenfalls analytisch oder auch  -Mannigfaltigkeit.

Auf einer  -Mannigfaltigkeit   nennt man eine Funktion   genau dann  -mal differenzierbar ( ), wenn sie auf jeder Karte  -mal differenzierbar ist.

Zu jeder (parakompakten)  -Mannigfaltigkeit ( ) existiert ein Atlas der beliebig oft differenzierbar oder sogar analytisch ist. In der Tat ist diese Struktur sogar eindeutig, d.h. es ist keine Einschränkung der Allgemeinheit anzunehmen, dass jede Mannigfaltigkeit analytisch ist (wenn man von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten redet).


Diese Aussage ist aber für topologische Mannigfaltigkeiten der Dimension   oder höher nicht mehr unbedingt richtig: So gibt es sowohl  -Mannigfaltigkeiten, die keine differenzierbare Struktur besitzen, als auch  -Mannigfaltigkeiten (oder auch  -M., s.o.), die als differenzierbare Mannigfaltigkeiten unterschiedlich, aber als topologische Mannigfaltigkeiten gleich sind. Das bekannteste Beispiel für den zweiten Fall sind die so genannten exotischen  -Sphären, die alle homöomorph zu   (aber untereinander nicht diffeomorph) sind. Da die topologische und die differenzierbare Kategorie in niedriger Dimension übereinstimmen sind solche Resultate leider nur schwer zu veranschaulichen.

Tangentialbündel

An jedem Punkt   einer differenzierbaren (aber nicht einer topologischen) Mannigfaltigkeit findet man einen Tangentialraum. In einer Karte heftet man an diesen Punkt einfach einen   an und überlegt sich dann, dass das Differential eines Koordinatenwechsels an jedem Punkt einen linearen Isomorphismus definiert, der die Transformation des Tangentialraums in die andere Karte leistet. Abstrakt definiert man den Tangentialraum an   entweder als den Raum der Derivationen an diesem Punkt oder den Raum von Äquivalenzklassen von differenzierbaren Kurven (wobei die Äquivalenzrelation angibt, wann die Geschwindigkeitvektoren zweier Kurven an   gleich sein sollen).

Die Vereinigung aller Tangentialräume einer Mannigfaltigkeit bildet ein Vektorbündel, das Tangentialbündel genannt wird. Der Tangentialraum einer Mannigfaltigkeit   im Punkt   wird meist mit   bezeichnet, das Tangentialbündel mit  .

Ein Unterbündel des Tangentialbündels ist das Einheitstangentialbündel  , das nur aus Tangentialvektoren der Länge 1 besteht. Seine Fasern sind keine Vektorräume, sondern Sphären der Dimension  . Daher ist es kein Vektorbündel sondern nur ein Faserbündel. Als Bündel ist es unabhängig von der Wahl der Metrik auf den Tangentialräumen.

Riemannsche Mannigfaltigkeiten

Auf einer "nackten" differenzierbaren Mannigfaltigkeit ist es nicht möglich Abstände, Winkel oder Volumen zu bestimmen. Die üblichste Art alle diese Größen festzulegen, ist die Angabe eines Skalarproduktes an jedem Punkt des Raumes (oder äquivalent einer orthonormalen Basis von Tangentialvektoren). Eine solche Mannigfaltigkeit nennt man dann Riemannsche Mannigfaltigkeit.

Lie-Gruppen

Eine Lie-Gruppe   ist sowohl eine Mannigfaltigkeit als auch eine Gruppe. Man fordert, dass beide Strukturen miteinander verträglich sind. Diese Objekte beschreiben typische Symmetrien von geometrischen Strukturen und physikalischen Systemen.