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Franz Stock

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Franz Stock (* 21. September 1904 in Neheim; † 24. Februar 1948 in Paris; war kath. Priester und Seelsorger der Gefängnisse von Paris und der Hinrichtungsstätte auf dem Mont Valerien, während der deutschen Besatzungszeit im 2. Weltkrieg. Er gilt als ein Wegbereiter der Deutsch-Französischen Freundschaft.

Leben

Franz Stock ist am 21.09.1904 in Arnsberg / Neheim (Westfalen) geboren. Er wurde sehr durch den Krieg 1914/1918 und durch die Zeit danach mit ihren politischen und ökonomischen Wirren geprägt. Parallel zu seiner religiösen Berufung zum Priester beschließt er, sich für die Völkerverständigung einzusetzen, insbesondere zwischen der deutschen und französischen Jugend. Nach Studienaufenthalten in Frankreich und Reisen in frankophone Gebiete, wird er 1934 zum Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde Paris bestellt, eine Tätigkeit, die er 1940 nach kurzer Unterbrechung wegen des Kriegsausbruches wieder wahrnehmen wird.

Als der Seelsorger der Gefängnisse von Paris und der Hinrichtungsstätte auf dem Mont Valerien, während der Besatzungszeit, ist er in die Geschichte eingegangen. Franzosen gaben ihm die Bezeichnung "L'Aumônier de L'enfer - Der Seelsorger der Hölle" und "L'Archange en enfer - Der Erzengel in der Hölle". Er hat unsägliches Elend gelindert und über tausend Verurteilte auf den Tod vorbereitet. Er begleitete sie bis zum Ende - bis zur Richtstätte. Viele Widerstandskämpfer, wie Edmond Michelet, Jean de Pange, Robert d´Harcourt, wie auch Gabriel Péri und Honoré d'Estienne d'Orves haben ihm die Ehre erwiesen. Nicht zufrieden mit dieser an sich schon harten und leidvollen Tätigkeit benachrichtigte er insgeheim die Familien der Gefangenen und wo es möglich war, warnte er die Widerstandskämpfer vor den ihnen drohenden Gefahren.

Als 1945 seine Gesundheit nach den Kriegsjahren schwer angegriffen war und er in die Heimat hätte zurückkehren können, nimmt er eine neue Aufgabe an: die Gründung eines Seminars besonderer Art, in dem deutschsprachige Priester und Seminaristen zusammengeführt werden sollten, dies in einem ehemaligen Militärdepot, das die Besatzungsbehörden als Durchgangslager für nordafrikanische Gefangene und politische Häftlinge in Le Coudray bei Chartres verwendet hatten. So ist das "Stacheldrahtseminar" entstanden, wo von 1945 bis 1947 ca. 1000 junge Menschen auf ihre zukünftigen Aufgaben in einem neuen Europa vorbereitet wurden.

Unerwartet stirbt Franz Stock - immer noch Kriegsgefangener - 1948 vor Erschöpfung in einem Pariser Krankenhaus. Er wird zunächst auf dem Friedhof Thiais/Paris beerdigt. Abbé Franz Stock - das ist kein Name - das ist ein Programm!" Nuntius Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. sagte dies am 28. Februar 1948 als er die Einsegnung des Toten vornahm.

Eine erste öffentliche Gedenkfeier für Franz Stock findet bereits 1949 im Invalidendom zu Paris statt. Bisher war noch nie ein Deutscher hier geehrt worden. Er sollte der Erste sein. Am 15./16. Juni 1963 wurden seine sterblichen Überreste nach Chartres umgebettet.

Heute ist der Platz vor dem "Mémorial de la France combattante", das an den Widerstand der Franzosen gegen die deutsche Besatzungsmacht erinnert, nach einem Deutschen benannt, nach Abbé Franz Stock.


21.09.1904 Franz Stock wird als erstes von neun Kindern einer Arbeiterfamilie in Neheim geboren.

1910 - 1913 Besuch der katholischen Volksschule Nichts Besonderes beobachten seine Schulkameraden an ihm. Er gehört zum Durchschnitt der Klasse und tritt kaum irgendwie hervor. Als Zwölfjähriger äußert er erstmalig den Wunsch, Priester zu werden.

1917 - 1923 So kommt er als Dreizehnjähriger Ostern 1917 aufs Neheimer Realgymnasium. Er hat sich in seiner ganzen Schulzeit wenig durch besondere Leistungen hervorgetan. Ostern 1926 macht er sein Abitur.

1926 - 1932 Studium der katholischen Theologie. Beginnt das Studium in Paderborn an der Philosophisch-Theologischen Akademie.

Nimmt 1926 an dem internationalen Friedenstreffen in Bierville in der Nähe von Paris teil, das von Marc Sagnier, einem Franzosen, organisiert war, und unter dem Motto stand "Frieden durch die Jugend!". Schließt die Bekanntschaft mit Joseph Folliet, der einen besonders großen Einfluss auf ihn ausübt. Geht Ostern 1928 für drei Semester nach Paris und studiert am Institut Catholique. Er ist seit dem Mittelalter der erste deutsche Theologiestudent in Frankreich. Tritt den "Compagnons de Saint Francois - den Gefährten des heiligen Franz" bei, deren Ideal das einfache Leben und die Verwirklichung des Friedens war. Ist in den folgenden Jahren bei internationalen Begegnungen dabei, so 1931 auf dem Borberg bei Brilon.

12.03.1932 Priesterweihe durch den Paderborner Erzbischof Dr. Kaspar Klein. Auf seinem Primizzettel stehen die Worte aus dem 1. Petrusbrief: "Weihet Eure Seele durch Gehorsam gegen die Wahrheit zu aufrichtiger Bruderliebe und habet einander von Herzen lieb. Ihr seid ja wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern unvergänglichem Samen, durch Gottes Wort, das lebt und ewig ist."

1932-1934 Erste Seelsorgtätigkeit in Effeln bei Lippstadt und in Dortmund-Eving.

1934 Berufung zum Rektor der deutschen Gemeinde in Paris. Er wohnt in der Rue Lhomond 21/23 in der Nähe des Quartier Latin.

01.09.1939 Ausbruch des 2. Weltkrieges. Einige Tage zuvor übereilte Rückkehr Stocks nach Deutschland. Seelsorgertätigkeit in Dortmund-Bodelschwingh und in Klein-Wanzleben in Mitteldeutschland.

13. 08. 1940 erneute Ernennung zum Seelsorger der Deutschen in Paris. Kehrt im Oktober nach Paris zurück.

Anfang 1941 Beginn seiner Tätigkeit in den Pariser Gefängnissen Fresnes, La Santè und Cherche Midi.

10. 06. 1941 Amtliche Anerkennung zum Standortpfarrer im Nebenamt. Ihm obliegt die Betreuung der Häftlinge in den Gefängnissen und die Vorbereitung der zum Tode Verurteilten. Die Gefängnisse von Paris haben von 1941 – 1944 etwa 11000 Gefangene. Die Erschießungen finden auf dem Mont Valerien statt. Stocks Tagebuch, in dem er kurze Notizen über die Gefangenen und die zum Tode Verurteilten macht, wird zum erschütternden Dokument. Er erwähnt darin 863 Erschießungen! Er selbst hatte gesagt, daß die Zahl der Erschießungen, denen er beiwohnen mußte, eine vierstellige Zahl sei, und nicht die Kleinste. Er selbst hatte einem Bekannten gegenüber kurz vor seinem Tod geäußert, daß es über 2000 gewesen seien. Die Gedenktafel auf dem Mont Valerien nennt eine Zahl von über 4500.

25. 08. 1944 Einzug de Gaulles in Paris. Abbè Stock befindet sich im Hospital la Pitiè, in dem mehr als 600 verwundete deutsche Soldaten liegen, die nicht mehr transportfähig sind. Als die Amerikaner das Lazarett übernehmen, wird Abbè Franz Stock amerikanischer Kriegsgefangener und erhält die Gefangenennummer US/PWIB/31 G/820 274.

Die Aumônerie Gènèral in Paris mit Abbè Franz Stock in Verbindung, der sich jetzt in dem großen Gefangenenlager von Cherbourg befindet. Man plant die Errichtung eines Seminars für kriegsgefangene katholische Theologen. Man will sie damit dem Priestertum näherkommen lassen und ihnen die Möglichkeit bieten, bald ein Element katholischer Erneuerung Deutschlands zu werden.

Man bittet kurz darauf Abbè Stock, dieses Seminar als Regens zu leiten. Für das Seminar ist das Kriegsgefangenenlager Dèpôt 51 in Orleans vorgesehen.

24. 04. 1945 Abbè Le Meur begleitet Abbè Stock nach Orleans , wo man bereits 28 Theologen antrifft.

17. 08. 1945 Das Gefangenenseminar wird von Orleans ins Gefangenenlager Dèpôt 501 bei Chartres verlegt.

18. 09. 1945 Der spätere Papst Johannes XXIII., Nuntius Roncalli, trifft zu einem längeren Besuch im Lager ein.

16. 05. 1946 Der Nuntius besucht erneut das Seminar. Am Sonntag nach Weihnachten erscheint der päpstliche Nuntius wieder, um die Segenswünsche des Heiligen Vaters zu überbringen. Er betont bei diesem Besuch: Das Seminar von Chartres gleicht sowohl in Frankreich wie Deutschland zum Ruhme. Es ist sehr wohl geeignet, zum Zeichen der Verständigung und Versöhnung zu werden."

05. 06. 1947 Auflösung des Seminars für kriegsgefangene deutsche Theologen. 949 Dozenten, Priester, Brüder und Seminaristen waren im Seminar gewesen. Beim Abtransport sind es noch 369.

16. 12. 1947 Abbè Stock empfängt die Nachricht seiner Ernennung zum Ehrendoktor der Universität Freiburg i.Br.

24. 02. 1948 er stirbt plötzlich und unerwartet, noch keine 44 Jahre alt, gegen 16.00 Uhr im Hospital Cochin in Paris.

28. 02. 1948 Totenfeier in der Kirche Saint Jaques du Haut-Pas in Paris. Der Nuntius Roncalli nimmt selbst die Einsegnung des Toten vor. Klägliche und erbärmliche Beerdigung – nur etwa 12 Menschen geben ihm das letzte Geleit – auf dem Friedhof Thiais.

Gedenkfeiern nach Abbe Stocks Tod

03.07.1949 Erste öffentliche Gedenkfeier für Franz Stock im Invalidendom zu Paris. Bisher war noch nie ein Deutscher hier geehrt worden. Er sollte der Erste sein.

15.08.1951 Einweihung des neuen Grabsteins durch Kardinalerzbischof von Paris Mgsr. Feltin. Pater Riquet, Domprediger von Notre Dame in Paris, sagt in seiner Ansprache: "Das ist die Paradoxie, daß ein deutscher Priester sich mitten im Kriege zum Diener und Freund derer machte, die seine Regierung als die ärgsten Feinde betrachtete. Die Familien der Inhaftierten und Erschossenen stiften den Grabstein für Abbe Stock mit der Inschrift "PAX"

08.07.1962 Begegnung Adenauers und de Gaulles in der Kathedrale von Reims um die deutsch-französische Aussöhnung zu besiegeln. Sie bereitet den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vor.

13. 06. 1963 Exhumierung von Stocks Leichnam auf dem Friedhof Thiais.

14. 06. 1963 Die französische Nationalversammlung billigt den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, oft auch Elyseevertrag genannt, den Adenauer und de Gaulle am 22. Februar 1963 unterzeichnet hatten.

15./16. 06. 1963 Umbettung der Gebeine Abbe Stocks von Paris nach Chartres in die neuerbaute Kirche Saint Jean Baptiste. Papst Johannes XXIII. Unterzeichnet auf dem Sterbebett das Telegramm für diese Gedenkfeier. Der päpstliche Segen aus dem Vatikan trägt die Namenszüge des Toten – wie ein Vermächtnis.

15.09. 1990 Namengebung "Place de l'Abbe Franz Stock" in Suresnes/Paris auf dem Mont Valerien vor dem "Mémorial de la France combattante", das an den Widerstand der Franzosen gegen die deutsche Besatzungsmacht erinnert.