Summerhill

Schule mit selbstregulativem Erziehungskonzept von A. S. Neill
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Summerhill ist eine reformpädagogische Schule in Leiston (Suffolk, England). Die 1921 von Alexander Sutherland Neill gegründete Schule gilt als älteste demokratische Schule der Welt.

Die Schule ist ein privates Internat, in dem derzeit rund 90 Kinder und Jugendlichen im Alter von 5 bis 17 Jahren aufwachsen. Die Schülerschaft ist sehr international zusammengesetzt. Ein großer Teil der Schüler kommt aus Deutschland und aus Japan.

Summerhill befindet sich von Anfang an im Privatbesitz der Familie Neill. Einige sehen das als wesentlichen Grund dafür, dass Neills Vorstellungen über das Aufwachsen von Kindern bis heute weitgehend erhalten geblieben sind. Nach dem Tod des Gründers im Jahre 1973 übernahm seine Frau Ena und ab 1985 die Tochter Zoe Readhead die Schulleitung.

Neills Ideen über die Schule sind auf seinem Vorbild Homer Lane begründet. Neill legte drei Hauptmerkmale von Summerhill fest:

  1. Selbstverwaltung
  2. selbstbestimmtes Lernen
  3. Freiheit von Moralvorstellungen

Den Kindern wurde somit viel Freiheit gegeben, jedoch waren sie nicht frei von Regeln. Es galt das Prinzip freie Erziehung und nicht frei von Erziehung.

Neill wollte es den Kindern ermöglichen, ihr eigenes Leben zu leben, nicht das, was ihnen Autoritäten wie Eltern oder Erziehern vorschreiben: The function of the child is to live his own life – not the life that his anxious parents think he should live, nor a life according to the purpose of the educator who thinks he knows best.

freiwilliger Unterricht

Im Gegensatz zu traditionellen Schulen steht in Summerhill die Freiheit der Schüler im Vordergrund. So basiert die Teilnahme am Unterricht in Summerhill völlig auf Freiwilligkeit. Neill ging davon aus, dass Kinder lernen wollen und dann auch fleißig sind. Da nur interessierte Schüler am Unterricht teilnehmen, ist dieser damit effektiver. Das Lernklima ist angenehmer.

Schüler, die von einer traditionellen Schule kommen, nutzen in der ersten Zeit meist die Möglichkeit, nicht zum Unterricht gehen zu müssen, und es kann mehrere Monate dauern, bis diese Phase überwunden ist - je nach Qualität und Quantität der negativen Vorerfahrungen.

Eine strikte Einteilung in Klassenstufen nach dem Alter der Schüler findet nicht statt: Es gibt eine Gruppe für die Bis-10-jährigen, eine für die 10- bis 12jährigen sowie thematische Kurse für die älteren Schüler.

Regeln und Pflichten in Summerhill

Auch wenn die Schüler in Summerhill umfangreiche Freiheiten haben, handelt es sich bei Summerhill jedoch nicht um eine "Schule ohne Regeln". Es gibt über 200 Regeln, aber diese Regeln werden allerdings von der Vollversammlung der Schule, in der die Kinder klar die Mehrheit haben, beschlossen und auch abgeschafft. Ausgenommen sind nur Regeln, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften erlassen werden mussten, z.B. Benutzung des Schwimmbades, Klettern auf dem Dach. Darüber hinaus gibt es keine Regeln, die nicht von den Kindern selbst aufgestellt oder auch abgeschafft werden. Somit ist gewährleistet, dass die Erzieher bei der Aufstellung der Regeln nicht mehr Rechte haben als die Kinder.

Aufrechterhaltung der Ordnung

Um einen geregelten Schulalltag zu gewährleisten gibt es in Summerhill eine Art Gewaltenteilung auf demokratischen Grundlagen. Es gibt dabei vier Aufteilungen: Das Komitee, die Ombudspersonen, das Tribunal und das Meeting.

Beim Meeting handelt es sich um ein legislatives Gremium. Dort werden die Regeln und Gesetze für Summerhill beschlossen. Jeder Teilnehmer hat nur eine Stimme und Entscheidungen werden als Mehrheitsbeschlüsse getroffen. Sowohl im Tribunal als auch im Meeting können die Erzieher von den sich in der Mehrheit befindlichen Schülern überstimmt werden.

Nur in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Verwaltung, wie z.B. dem Einstellen einer neuen Lehrkraft oder der Festsetzung des Schulgeldes, hat allein die Direktion Entscheidungsbefugnis. So gilt zum Beispiel für alle Schüler striktes Alkoholverbot und diese Regel kann auch nicht von den Schülern geändert werden.

Für die alltäglichen Probleme, beispielsweise einer Rauferei, sind die Ombudspersonen zuständig. Diese sind für 14 Tage gewählte Schüler und können auch als "Ordnungshüter" oder "Schiedsrichter" bezeichnet werden. Sollte ein Kind mit der Entscheidung der Ombudspersonen nicht einverstanden sein, so kann das Problem dem Tribunal vorgetragen werden.

Es werden aber nicht nur Schüler-Schüler-Probleme verhandelt, sondern genauso Schüler-Lehrer Probleme. Lehrer haben sich genauso wie Schüler an die Regeln der Gemeinschaft zu halten und können vor das Tribunal gebracht werden.

Das Tribunal ist ein judikatives Gremium und findet unter Teilnahme alle Kinder und Erzieher jeden Freitag statt. Unter dem Vorsitz eines neutralen Freiwilligen werden die Probleme diskutiert und abschließend mit einem Mehrheitsbeschluss abgestimmt. Jeder Teilnehmer hat dabei eine Stimme. Typische Strafen des Tribunals sind Tellerwaschen oder das Aushelfen in der Theater-AG.

Nachts gibt es noch eine von älteren Schülern gestellte Schlafaufsicht. Diese kontrolliert nachts die Schlafräume und kann Schüler verweisen. Hierbei hat der Schüler nicht die Möglichkeit die Strafe anzuzweifeln, sondern muss sich fügen. Es besteht aber die Möglichkeit, dem Tribunal eine Beschwerde vorzutragen.

Die Regeln der Nachtruhe werden aber vorher von den Kindern selbst beschlossen. Gelegentlich werden diese Regeln auch abgeschafft, so dass jeder aufbleiben darf, so lange er will. Natürlich können diejenigen, die sich dann gestört fühlen, im Meeting wieder Regeln vorschlagen, die dann gelten, wenn die Mehrheit sie beschließt.

Keine der vorgestellten Funktionen, wie der Vorsitz des Meetings oder des Tribunals, ist in irgendeiner Form vergütet oder mit Privilegien verbunden. Jedem Schüler und Lehrer ist erlaubt, gegen Tribunal- oder Meetingteilnehmer Beschwerde einzureichen oder um eine Entlassung aus dem Amt zu bitten. Somit ist gewährleistet, dass Ämter nicht missbraucht werden können.

Es hat sich in den über 80 Jahren Summerhill gezeigt, dass es unterschiedliche Phasen gibt. Es kommt vor, dass im Meeting ein oder zwei Jahre lang ständig neue Regelungen und Gesetze beschlossen werden, somit ist dies eine relativ autoritäre Phase. Nach einigen Jahren ist es den Schülern dann wiederum zu autoritär und es werden zum Teil alle Regeln aufgehoben. Dies ist dann die anarchische Phase. In dieser Phase sind die älteren Schüler auch durchaus in der Lage, sich gut zu verhalten. Die jüngeren Schüler jedoch kennen die Grenzen des Miteinander oft noch nicht und verlangen schnell wieder nach Regeln. So werden nach und nach wieder neue Regeln beschlossen und Summerhill wird zunehmend autoritärer.

Problem-Schüler

Wenn sich ein Schüler störend verhält, betrachtet man dieses Verhalten oft nicht als negativ und bestraft es, sondern es wird für diesen Schüler ein "Tag der Aufmerksamkeit" ausgerufen. An diesem Tag sind alle in Summerhill aufgerufen, sich um diesen einen Schüler besonders zu kümmern und ihm wo immer möglich zu helfen.

Neill hat früher sogenannte "privat lessons" angesetzt. Davon ist er aber abgekommen und nun regelt die Gemeinschaft solche Dinge. Diese ist sehr sensibel und findet gute Lösungen - z.B. schenkt einem, der Fahrräder unrechtmäßig benutzt ein Fahrrad. Jedenfalls sind keine law and order mit Forderungen nach hartem Durchgreifen zu beobachten.

Es gibt aber auch seltene Fälle in denen auch Summerhill Kinder bzw. die Eltern vor die Entscheidung gestellt werden, entweder sich der Gemeinschaft anzuschließen oder sie zu verlassen.

Gerichtsprozess 2000

Im Jahr 1999 war Summerhill, u.a. wegen des freiwilligen Unterrichts, von der Schließung durch die Schulbehörden bedroht. Der Gerichtsprozess vor dem Independent Schools Tribunal im März 2000 ging überraschend zu Gunsten der Schule aus. Das Gericht stellte fest, dass sich Lernen nicht immer notwendigerweise im Unterricht ereignen müsse und unterband die außergewöhnlich häufigen Inspektionen der Schule.

Entstehungsgeschichte

Die Anfänge von Summerhill liegen in der "Neuen deutschen Schule" in der Künstlerkolonie Hellerau in der Nähe von Dresden. Die "Neue deutsche Schule" vereinigte viele Strömungen der deutschen Reformpädagogik. Neill war auf Grund des günstigen Wechselkurses zwischen englischem Pfund und Reichsmark in der Lage, einer der wesentlichen Geldgeber dieser Schule zu sein. Diese finanzielle Unabhängigkeit gestattete es ihm auch, seine eigenen Ideen umzusetzen, ohne dass Druck von den anderen reformpädagogischen Lehrern auf ihn ausgeübt wurde. Die Schule war in verschiedene Abteilungen gegliedert, Neill leitete die Ausländer-Gruppe. Es gab in der Schule sehr wohl unterschiedliche Auffassungen in Erziehungsfragen. Neills Auffassung vom freiwilligen Besuch des Unterrichts stand konträr zum Rest der Schule, der zunächst von Carl Theil und Christine Bear geleitet wurde. Durch Umstrukturierung wurde die Ausländerabteilung Neill unterstellt.

"Schon nach einiger Zeit stellten sich Schwierigkeiten in der Kooperation mit den Kollegen der "Neuen deutschen Schule" ein. Neill hatte das Gefühl, dass diese an Erziehung und Charakterformung interessiert waren, aber nicht an den Kindern. Die Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit der deutschen Pädagogen, die Charlie Chaplins Filme aus Mangel an erzieherischem Wert ablehnten, machten Neill zu schaffen. Die "Neue deutsche Schule" wurde von Idealisten betrieben, von denen die meisten der Jugendbewegung Deutschlands angehörten. Sie verurteilten Tabak, Alkohol, Foxtrott und Kinos; sie trugen Wandervögel-Kleidung. "Wir auf der anderen Seite hatten andere Ideale! Wir waren gewöhnliche Menschen, die Bier tranken und rauchten und Foxtrott tanzten. Unsere Absicht war es, unser eigenes Leben zu leben, während wir den Kindern freistellten, ihr eigenes Leben zu leben. Wir gingen davon aus, daß Kinder ihre eigenen Ideale bilden würden." Zellinger, 1996

Neill nahm von Hellerau wichtige Anregungen mit, z.B. die von Prof. Zutt, der zuvor 15 Jahre lang eine Handwerkerschule in Budapest geleitet hatte. Er ermutigte Neill, selbst praktische Arbeiten auszuführen. Von der Zeit an beschäftigte sich auch Neill mit Holz- und Metallbearbeitung. Künftig sollte an keiner Schule, die er betrieb, eine Werkstatt fehlen. Zellinger, 1996

Im Jahre 1923 verlegte Neill die Schule zunächst nach Österreich auf den Sonntagsberg, wo es jedoch zu Konflikten mit der örtlichen Bevölkerung kam.

Nach nur wenigen Monaten zog die Schule nach Lyme Regis in Südengland und 1927 an ihren heutigen Ort nach Leiston in Suffolk.

Siehe auch: Kinderrepublik

Literatur

  • Neill, A.S.: Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. Das Beispiel Summerhill, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt TB, 1969, ISBN 3499167077
  • Neill, A.S.: Das Prinzip Summerhill: Fragen und Antworten, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt TB, 1971, ISBN 3499166909
  • Summerhill: Pro und Contra, 15 Ansichten zu A.S. Neills Theorie und Praxis, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt TB, 1971, ISBN 3499167042
  • Illich, Ivan: Entschulung der Gesellschaft. Reinbeck