Der Kroatische Frühling (Hrvatsko proljeće) war eine politische Bewegung in den späten 1960ern und den frühen 1970ern, die für Kroatien mehr Rechte und Autonomie von Jugoslawien forderte. Bisweilen wurde er als maspok (masovni pokret; zu dt. Massenbewegung) bezeichnet.[1][2]
Entstehung
Die Ereignisse kamen in Gang, als im März 1967 zahlreiche kroatische Literaten und Linguisten wie z. B. Miroslav Krleža, und der kroatische PEN-Club eine Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache veröffentlichten. Aus dieser Deklaration entwickelte sich eine kroatische Nationalbewegung, die zunächst vor allem von Intellektuellen getragen und von vielen Studentenorganisationen unterstützt wurde.
Forderungen
Im Vielvölkerstaat Jugoslawien wurde die Politik einer gemeinsamen jugoslawischen Identität verfolgt. Einige Kroaten forderten jedoch das Recht sich auf eine explizit kroatische Identität beziehen zu können. Zu den Hauptforderungen des kroatischen Frühlings zählten Bürgerrechte für kroatische Bürger, besonders das Recht auf eine eigene kroatische Nationalität sowie der Gebrauch der heutigen kroatischen Staatsflagge.
Diese Forderungen standen im Widerspruch zur kommunistischen Ideologie von Titos Regierung, die seit der Machtergreifung während des Zweiten Weltkriegs versuchte die nationalen Identitäten der Völker in Jugoslawien abzubauen, um eine jugoslawische Identität zu erreichen. Wie sich später im Jugoslawienkrieg bestätigte, wurden die nationalen Tendenzen von Serben, Kroaten, Slowenen, Mazedoniern, Muslimen, jugoslawischen Sinti und Roma, Montenegrinern und Albanern als Gefahr für die Integrität des Landes angesehen. Nationale Symbole, Lieder und Gebräuche waren daher verboten.
In der Bewegung des kroatischen Frühlings wurden auch Forderungen nach einer Dezentralisierung der Wirtschaft laut, die es der Teilrepublik Kroatien ermöglicht hätte einen größeren Anteil der Einnahmen aus dem Tourismus, der vor allem an der kroatischen Küste blühte, zu behalten. Durchschnittlich gelangten mehr als 50% der Fremdwährungen durch Kroatien nach Jugoslawien, von denen aber nur rund 7% in der Teilrepublik blieben. Eine unabhängige kroatische Nationalbank hätte eine für Kroatien günstigere Verteilung der Einnahmen ermöglicht, jedoch das Recht die jugoslawischen Nationalbank zu nutzen eingeschränkt. Kroatien hätte in der Folge auch die Rechte an Unterstützung aus dem Bundesfond für unterentwickelte Regionen verloren, von dem die Republik zwischen 1965 und 1970 16,5% zugeteilt bekam (im Vergleich: im gleichen Zeitraum fielen 46,6% des Fonds an die Provinz Kosovo). Auch die Monopole der Jugoslawischen Investitionsbank und der Bank für Außenhandel wurden in Frage gestellt, über die Belgrad ausländische Investitionen und den Außenhandel regulierte.
Weitere Kritikpunkte an der jugoslawischen Zentralregierung waren die wachsende Abwanderung und Auswanderung in die wirtschaftlich stark wachsenden Länder Westeuropas, gegen die die Regierung nichts unternahm und die Verschickung von Wehrpflichtigen in andere Teilrepubliken.
Reaktion der Zentralregierung
1971 wurden Demonstrationen organisiert, bei denen tausende von Studenten in Zagreb öffentlich für ihr Ziele eintraten.
Im selben Jahr veröffentlichten drei kroatische Linguisten (Stjepan Babić, Božidar Finka und Milan Moguš) eine kroatische Rechtschreibung unter dem Titel Hrvatski pravopis, die jedoch gleichfalls verboten und alle Kopien verbrannt wurden. Der Grund dafür war, dass bewusst eine kroatische und keine serbo-kroatische Sprache (oder kroato-serbische) dargestellt wurde. Ein Exemplar gelangte jedoch nach London, wo das Buch neu aufgelegt und veröffentlicht wurde.
Die jugoslawische Regierung unter Josip Broz Tito interpretierte die Bewegung als eine Wiederbelebung des kroatischen Faschismus und ließ die Demonstranten polizeilich verfolgen. Viele der studentischen Aktivisten wurden im Dezember 1971 festgenommen und einige sogar zu jahrelanger Haft verurteilt.
Vladimir Bakarić, Milka Planinc und andere hochrangige Vertreter der Kommunistischen Partei Kroatiens schlossen zahlreiche Beschuldigte aus der kommunistischen Studentenorganisation und der kommunistischen Partei aus. Besonders auch Professoren waren von den Ausschlüssen betroffen. Andere hochrangige Mitglieder der kroatischen Kommunistischen Partei, wie zum Beispiel Savka Dabčević-Kučar und Miko Tripalo, unterstützten die Ideen der Bewegung.
Folgen
Auch im Zuge des Kroatische Frühlings wurde im Jahr 1974 eine neue Verfassung verabschiedet, die den einzelnen Republiken weitere Autonomierechte zugestand und somit einige wesentliche Forderungen der Demonstrationen von 1971 erfüllte. Einer der Verfassungsartikel enthielt das Recht für die einzelnen Teilrepubliken zur Sezession, eine Option, die von den meisten Teilrepubliken 1991 genutzt wurde.
Mehrere der studentischen Anführer des Kroatischen Frühlings wurden später einflussreiche Politiker. Ivan Zvonimir-Čičak etwa wurde der Leiter des kroatischen Helsinki-Komitees für Menschenrechte, Dražen Budiša wurde Vorsitzender der Kroatischen Sozial-Liberalen Partei und Savka Dabčević-Kučar und Miko Tripalo wurden Gründungsmitglieder der der neuen Kroatischen Volkspartei.
Zahlreiche Anführer wurden inhaftiert, misshandelt und vom damaligen jugoslawischen kommunistischen Regime wegen verbaler Delikte zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt.
In den folgenden Jahren wurden vom jugoslawischen Geheimdienst UDBA insgesamt 69 Exil-Kroaten aus politischen Gründen im Ausland ermordet (Bruno Bušić in Paris, Stjepan Đureković in Deutschland...).
Bekannte Persönlichkeiten
- Savka Dabčević-Kučar
- Dragutin Haramija
- Srećko Bijelić
- Pero Pirker
- Franjo Tuđman
- Bruno Bušić
- Bruno Tandara
- Miko Tripalo
- Ivan Zvonimir Čičak
- Dražen Budiša
- Stipe Mesić
Autobahn Zagreb - Split
In diesem kurzem Zeitraum der politischen Emanzipation wurde mit dem Bau der Autobahn von Zagreb nach Split und Rijeka begonnen. Fertiggestellt wurde jedoch nur das 50 km kurze Teilstück bis Karlovac, danach wurde das Bauvorhaben auf Befehl der Belgrader Zentralregierung eingestellt. Erst 32 Jahre später, im Jahr 2004, wurde dieses Projekt verwirklicht. Heute ist diese „Hauptachse des kroatischen Fremdenverkehrs“ von Zagreb bis einschließlich nach Split durchgängig befahrbar (Stand: August 2006). Ein weiterer Ausbau von Split nach Dubrovnik ist für 2009 geplant. Diese Autobahn verkürzt die ca. 400 km lange Strecke von Zagreb an die mitteldalmatinische Küste von zuvor 5–6 auf 3 Stunden.
Rechtschreibung
Die vierte Ausgabe der Babić-Finka-Moguš-Rechtschreibung (Hrvatski pravopis) ist zwar im Bildungs- und Öffentlichen Wesen (Schulen, Universitäten, Medien) die am meisten benutzte, wird aber von den wissenschaftlichen Autoritäten immer noch hinterfragt, da sich das Gremium über viele Angaben noch nicht im Klaren ist. Diesbezüglich gibt es mehrere Versionen der kroatischen Rechtschreibung, die landesweit verbreitet sind.
Einzelnachweise
- ↑ HNS, Povijest (kroatisch)
- ↑ Slobodna Dalmacija, Ravnopravnost zvana šovinizam, 9. September 2002 (kroatisch)
Literatur
- "Hrvatsko proljeće", ISBN 978-8634305999, Miko Tripalo
- "Der Schattenkrieger - Klaus Kinkel", ISBN 3430180147, Erich Schmidt Eenboom
- "Razaranje drzave: NDH, Tito, 'hrvatsko proljece' i 1991", ISBN 978-9536155019, Kazimir Katalinic
- "Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart", ISBN 978-3791717340, Ludwig Steindorff
- "Der Kroatische Frühling. Eine soziale Bewegung in einer sozialistischen Gesellschaft", in: "Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in Geschichte und Gegenwart" (HMRG-Beihefte, Bd. 16), Hrsg. Jürgen Elvert, Stuttgart: Steiner 1997, S. 197-210