Ein Kernkraftwerk (Abkürzung KKW) oder Atomkraftwerk (Abkürzung AKW) ist eine Anlage zur Gewinnung von elektrischer Energie durch Kernspaltung. Die Erzeugung elektrischer Energie geschieht indirekt: Die Wärme, die bei der Kernspaltung entsteht, wird auf ein Kühlmedium übertragen, wodurch dieses erwärmt wird und Dampf erzeugen oder direkt Turbinen antreiben kann. Je nach Kühlmedium oder Brennstoff unterscheidet man:
- Leichtwasserreaktor (LWR): Als Reaktorkühlmittel wird hier leichtes Wasser verwendet, welches das in der Natur am häufigsten vorkommende Wasser, gebildet mit dem leichten Wasserstoff-Isotop 1H ist. Das leichte Wasser dient gleichzeitig als Moderator. Als Brennstoff geeignet ist angereichertes Uran mit einem U-235-Massenanteil zwischen etwa 1,5% bis 6%. Der LWR wird ausgeführt als
- Druckwasserreaktor (DWR): Das Reaktorkühlmittel transportiert die Kernspaltungswärme in einem geschlossenen Kreislauf zu einem Dampferzeuger, mit dem der Dampf zum Antrieb der Turbinen in einem sekundären Kreislauf erzeugt wird. Dieser Sekundärkreislauf ist nicht mehr Teil des Kontrollbereichs.
- Siedewasserreaktor (SWR): Das Reaktorkühlmittel wird im Reaktordruckbehälter verdampft und direkt den Turbinen zugeführt. Der gesamte Wasser-Dampfkreislauf ist damit Teil des Kontrollbereichs.
Im störungsfreien Betrieb verlässt das Reaktorkühlmittel das Containment, eine druckdichte Stahlkugel, des DWR nicht, im SWR dagegen gelangt es bis in die Turbinen und Kondensatoren des Wasser-Dampfkreislaufs.
- Schwerwasserreaktor (HWR): Schweres Wasser als Reaktorkühlmittel wird mit schwerem Wasserstoff dem Deuterium gebildet, das Neutronen schlechter absorbiert. Deshalb kann als Brennstoff Natururan mit einem Massenanteil an U-235 von etwa 0,7% verwendet werden.
- Flüssigmetall gekühlter Brutreaktor (Schneller Brüter): Der Brutreaktor erzeugt während des Betriebs spaltbares Plutonium aus dem Uran und ermöglicht dadurch eine um 60% höhere Brennstoffausnutzung. Flüssiges Metall (z.B. Natrium), das Neutronen nicht abbremst ("moderiert"), wird als Reaktorkühlmittel eingesetzt und erzeugt über einen Wärmetauscher den Dampf für die Turbinen.
- Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR): Thorium-232, aus dem durch Neutroneneinfang der Kernbrennstoff Uran-233 entsteht, ist in tennisballgroßen Graphitkugeln eingebettet (daher auch "Kugelhaufenreaktor"), die von Helium als Reaktorkühlmittel gekühlt werden (anfangs muss dennoch etwas Uran-233 oder ein anderer Kernbrennstoff vorhanden sein, damit die Reaktion beginnen kann). Das Helium wird dabei auf ca. 1000 °C erhitzt und erzeugt über einen Wärmetauscher den Dampf für die Turbine, oder wird direkt auf eine Gasturbine geleitet.
Im experimentellen Stadium befinden sich derzeit Kernkraftwerke, die Kernfusion als Wärmequelle verwenden. Diese Kraftwerke werden meist als Fusionskraftwerke bezeichnet.
Der wichtigste Bestandteil eines Kernkraftwerks ist der Kernreaktor. In ihm finden die Spaltungsprozesse statt. Viele Kernkraftwerke werden mit mehreren Kernreaktoren gebaut. In einem solchen Fall spricht man von mehreren Reaktorblöcken.
In den Kraftwerken wird bei der Spaltung schwerer Atomkerne die Bindungsenergie der Atomkerne in thermische Energie umgewandelt (der so genannte Massendefekt). In Siedewasserreaktoren bringt diese thermische Energie direkt Wasser zum Sieden und erzeugt somit Wasserdampf. In Druckwasserreaktoren erhitzt die Spaltung dagegen unter starkem Druck stehendes Wasser. Dieses Wasser wird durch einen Wärmetauscher geleitet und bringt dort Wasser in einem anderen Kreislauf zum Sieden. Durch dieses Vorgehen wird erreicht, dass die für die Stromerzeugung nötigen Anlagen (z.B. die Turbinen) nicht radioaktiv kontaminiert werden. Mit dem Dampf werden schließlich Wärmekraftmaschinen gespeist, die Generatoren zur Erzeugung des elektrischen Stroms antreiben.
Ein Reaktor kann über seinen Neutronenfluss geregelt, angefahren und abgeschaltet werden, indem man Neutronen absorbierende Stoffe wie etwa Cadmium, Gadolinium oder Bor in den Reaktorkern hinein- oder herausbringt. Diese geschieht z. B. mit Hilfe der Steuerstäbe oder Zugabe bzw. Entzug von Borsäure im Reaktorkühlkreislauf.
Als Kernbrennstoff wird in den meisten Kernkraftwerken Uran verwendet. Es gibt auch Kraftwerke, die mit Plutonium betrieben werden. Plutonium als Brennstoff ist von der Energieausbeute her effizienter als Uran, allerdings ist dieses Element stark radioaktiv und hochgiftig, weshalb es problematisch in der Handhabung ist. In Form von MOX-Brennelementen wird es jedoch weltweit in vielen Leichtwasserreaktoren eingesetzt.
Die Energie die aus der Kernspaltung gewonnen werden kann ist gewaltig, jedoch sind damit auch große Risiken für die Umwelt und die Menschen verbunden. Die Spaltprodukte, die in den abgebrannten Brennstäben enthalten sind, sind stark radioaktiv und enthalten Nuklide verschiedener Halbwertszeiten. Je nach Halbwertszeit sind die Spaltprodukte in einigen Jahren bis zu einigen Jahrmillionen zu stabilen Elementen zerfallen. Durch langfristige Lagerung lässt sich die Strahlung reduzieren. Die abgebrannten Brennelemente werden daher zunächst für einige Monate im Abklingbecken des Kernkraftwerks gelagert. Da in Deutschland die Wiederaufarbeitung ab Mitte 2005 verboten ist und kein genehmigtes Endlager existiert, werden die Brennelemente nach etwa 5 Jahren in Transport- und Lagerbehälter (z.B. Castor- oder TN-Behälter) verpackt und in Zwischenlager gebracht.
Neben der normalen Strahlenbelastung und der Abfallproblematik gibt es noch das Risiko eines GAU. Bei einem solchen sehr unwahrscheinlichen Unfall gerät der Kernreaktor außer Kontrolle und Spaltprodukte dringen zum Teil aus dem Kraftwerk in die Umwelt. In jüngster Zeit wird ebenfalls über das Risiko von Terroranschlägen auf Kernkraftwerke debattiert.
Das erste Kernkraftwerk der Welt wurde 1954 in Obninsk bei Moskau erfolgreich in Betrieb genommen (elektrische Leistung 5 MW). Fast zeitgleich wurde im Jahr 1955 in Calderhall (England) ein weiteres Kernkraftwerk errichtet. In den meisten frühen Kernkraftwerken kamen Siedewasserreaktoren zum Einsatz, da diese einfacher zu konstruieren und zu regeln sind. Inzwischen sind dagegen Druckwasserreaktoren üblicher, die höhere Leistungsdichten besitzen und bei denen der Kontrollbereich kleiner ist. Das erste Kernkraftwerk Deutschlands mit einen Druckwasserreaktor wurde Ende 1971 in Niederaichach in Bayern fertiggestellt. Es wurde schon am 31. Juli 1974 aus wirtschaftlichen Überlegungen wieder stillgelegt. Alle sich noch im Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerke wurden von der Siemens AG oder deren ehemaliger Tochter, der Kraftwerk-Union (KWU) gebaut.
Der neueste Auftrag (2004) für einen EPR Druckwasserreaktor von 1,6 GW Leistung wurde vom finnischen Energieversorgungsunternehmen Teollisuuden Voima Oy (TVO) für den Standort Olkiluoto an ein Konsortium von Siemens und Framatom ANP erteilt. Der privat finanzierte Reaktor soll im Jahre 2009 an das Netz gehen.
2003 waren in Deutschland 19 Kernkraftwerke in Betrieb, und produzierten 165 Terawattstunden Strom. Das entspricht 27,7% der gesamten Bruttoerzeugung (Quelle: Statistisches Bundesamt). Das Kernkraftwerk Stade bei Hamburg wurde im Dezember 2003 abgeschaltet und befindet sich derzeit in der Stillegungsphase.
Siehe auch: Kernenergie, Liste der Kernkraftanlagen, Liste der Kernkraftwerke in Deutschland, Liste der Kernreaktoren in Österreich, Strahlenschutz, Atomkraftgegner, GAU, Liste der nuklearen Unfälle, Kernschmelze, Liste von Reaktortypen