Mit dem Begriff Karl-Ferdinands-Universität wird gemein hin die Deutsche Universität in Prag gemeint, die als eigenständige Institution von 1882 bis 1945 bestanden hat.

Vorgeschichte
Die Karls-Universität, die älteste deutsche Universität, wird 1348 von Karl IV. nach dem Muster der Pariser gegründet. Geraume Zeit die einzige Hochschule Deutschlands, zählte sie zu Anfang des 15. Jahrhundert über 10,000 Studenten. Infolge der Streitigkeiten mit den Reformator Jan Hus nahm ihr Einfluss aber erheblich ab. Kaiser Ferdinand III. vereinigt sie mit der katholischen Hochschule, die von den Jesuiten gegründet worden war. Ab diesem Zeitpunkt benennt sich die Prager Universität Karl-Ferdinands-Universität bzw. Universitas Carolo-Ferdinandea. Ab dem Revolutionsjahr 1848 wird an der Karl-Ferdinands-Universität auch in Tschechisch unterrichtet. Diese Zweisprachigkeit wird bis 1882 durchgehalten.
Die Universitätsspaltung
Die tschechischen Politiker verstärkten deshalb in den 1860er Jahren den Druck auf die Wiener Regierung mit der Forderung, an der Prager Universität eine konsequente Zweisprachigkeit einzuführen. Geleichzeitig waren die Befürchtungen der deutschen Studenten und Lehrer bezüglich einer Tschechisierung der Prager Universität derart gestiegen, dass die österreichische Regierung einer besonderen Lösung zustimmte. 1882 wird die Karl-Ferdinands-Universität in eine deutsche Universität (k.k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität) und eine tschechische (k.k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität) geteilt. Nachdem die Gleichstellung des Tschechischen und des Deutschen auf behördlicher Ebene bereits 1880 durch Carl von Stremeyer erfolgte. Bei dieser, wie auch andere Maßnahmen (Punktationen von 1890), ging es um den tschechisch-deutschen Ausgleich in Österreich-Ungarn. Die Größe der beiden Universitäten war 1890:
k.k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität besaß 4 Fakultäten mit 146 Lehrer und 1483 Studenten
k.k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität besaß 3 Fakultäten mit 112 Lehrer und 2191 Studenten.
Gemeinsam teilten sie sich die klinischen und wissenschaftlichen Institute, wie auch die Bibliothek und den botanischen Garten. Die deutsche Universität in Prag hatte zwar dem Gesetz nach den gleichen Status wie die tschechische Universität, hatte aber in Wirklichkeit vor allem materiell die ungleich besseren Ausgangsbedingungen. Die Institute, Kabinette und Bibliotheken sowie die Kliniken an den medizinischen Fakultäten waren nämlich anhand dessen aufgeteilt worden, für welche Universität sich die einzelnen Professoren entschieden hatten. Aufgrund der ungleichen Entwicklung vor der Teilung waren die Professoren zumeist Deutsche, die selbstverständlich an der deutschen Universität weiter lehren wollten. Was nichts anderes bedeutete, als dass die tschechische Universität in vielerlei Hinsicht von Grund auf neu errichtet werden musste. Ihr Blütezeit erlebte die Karl-Ferdinands-Universität vor dem Ersten Weltkrieg. Weltbekannte Wissenschaftler haben ihre Vorlesungen dort gehalten. Zu ihnen gehörten unter anderen der Physiker und Philosoph Ernst Mach, der in Prag nahezu 30 Jahre lang lebte, der Indologe Moritz Winternitz und insbesondere der Entdecker der Relativitätstheorie Albert Einstein, der hier als Professor für theoretische Physik in drei Semestern von 1911 bis 1912 seine Vorlesungen hielt. Aber auch unter den Studenten finden wir prominente Persönlichkeiten, wie z. B. die späteren Schriftsteller Max Brod und Franz Kafka.
Der Insignienstreit
1920 wurde das Lex-Mares-Gesetz erlassen, das nach seinem Initiator, dem Professor der Physiologie Frantisek Mares benannt wurde. Darin wurde gefordert, dass die tschechische Universität zum einzigen Nachfolger der Ur-Universität erklärte. Sie durfte ab 1920 den Namen Karls-Universität tragen, während die deutsche Universität diesen Zusatz aus ihrem Namen streichen musste. Neben vielen Schikanen und Benachteiligungen wurde die Herausgabe der Universitätsinsignien von der tschechischen Karls-Universität verlangt. Mit den Insignien der Prager Universität sind die Gründungsurkunde mit dem Siegel, die Zepter der vier Fakultäten und des Rektors, sowie dessen Amtskette gemeint. Begründet wurde der Anspruch der tschechischen Universität damit, dass die Universität 1348 von Karl I. als König von Böhmen und eben nicht von Karl IV. als Kaiser von Deutschland gegründet worden war. 1934 wurde das Hauptgebäude der Universität, das Carolinum, im Grundbuch als tschechischer Besitz eingetragen. Die nationalen Spannungen verschärften sich, obwohl einige Professoren der Karl-Ferdinands-Universität sogar Mitglieder der tschechischen Regierung waren, wie z. B. Franz Spina, oder Robert Mayr-Harting. Am 21. November 1934 wurde dem Rektor der deutschen Universität ein Schreiben zugestellt, demzufolge die Insignien einem Vertreter der tschechischen Universität am 26. November zu übergeben sei. Eine Übereinkunft, wie etwa die gemeinschaftliche Nutzung für beide Universitäten, wurde von der Karls-Universität kategorisch abgeleht. Es kam zu den Studentenunruhen, bei denen nationalistische tschechische Studenten die deutsche Universität vehement dazu aufforderten, auf Grund des Gesetzes vom Jahr 1920 endlich die historischen Universitätsinsignien der Karls-Universität herauszugeben, ebenso das Universitätsarchiv. Die Demonstrationen waren die nicht selten von Gewalt begleitet. Unter Aufsicht des Schulministeriums wurden die Insignien dann tatsächlich der tschechischen Universität übergeben. Der Insignienstreit von 1934 belastete das Verhältnis beider Hochschulen aufs Äußerste. Für die deutsche Minderheit in Tschechien war die Karl-Ferdinands-Universität der kulturelle, sprachliche und nationaler Rückhalt, während für die tschechene Mehrheit, diese symbolischen Insignien der Anspruch auf eine homogene nationale Identität darstellte. Nach dem Münchener Abkommen im Herbst 1938 lehnte deutsche Universität ihre Loyalität zum tschechoslowakischen Staat ab und ihre Hochschullehrer wanderten in großer Zahl nach Deutschland oder nach Wien. Eine Rückgabe der Insignien fand im Februar 1939 bei der Annektierung Tschechiens durch das Deutsche Reich statt.
Das Ende
Mit Beginn des Semesters 1939/40 wurde die Karl-Ferdinands-Universität dem Schulministerium in Berlin unterstellt und zu einer Reichsuniversität erklärt, während gleichzeitig, am 17. November 1939 die tschechische Universität, wie alle tschechischen Hochschulen auf Befehl der deutschen Besatzer geschlossen wurden. Bis Kriegsende wurde daher einzig an der deutschen Universität in Prag gelehrt. In dieser Zeit wurde sie ganz offiziell als Deutsche Karls-Universität in Prag geführt. Nach dem Krieg ist die Universität de facto von den Tschechen übernommen worden. Mit dem Dekret Nr. 112 des Präsidenten der Tschechischen Republik vom 18. Oktober 1945 wurde die Auflösung der Karl-Ferdinands-Universität verfügt , nachdem die Karls-Universität im Sommer wieder eröffnet worden war. Im Nachhinein wurde zum Datum ihrer Schließung der 17. November 1939 erhoben, also genau jenes Datum, an dem die Nazis die Karls-Universität und andere tschechische Bildungseinrichtungen hatten schließen lassen. Damit endete endgültig das Nebeneinander der beiden Prager Universitäten.
Bedeutende Hochschullehrer
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Bedeutende Studenten |