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Friedrich Ebert

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Friedrich Ebert, 1921

Friedrich Ebert (* 4. Februar 1871 in Heidelberg; † 28. Februar 1925 in Berlin) war Politiker der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, ab 1913 SPD-Vorsitzender und ab 1919 der erste Reichspräsident in der Weimarer Republik.

Leben und politische Laufbahn in seiner Zeit

Eberts Weg in die Politik (1871–1912)

Friedrich Ebert wurde am 4. Februar 1871 in Heidelberg als siebtes von neun Kindern geboren. Sein Vater Karl war Schneidermeister. Friedrich besuchte die Volksschule und lernte dann von 1885 bis 1888 das Handwerk des Sattlers in Wesel. Jedoch legte er nie die Gesellenprüfung ab, da er vier Wochen vor der Prüfung nach einem Streit mit seinem Meister J.P. Rummel auf Wanderschaft ging. Unterwegs engagierte er sich für den Zusammenschluss von Handwerkern in Gewerkschaften und Fachvereinen. Er war zeitweise von Arbeitslosigkeit betroffen.

In Mannheim lernte er Sozialisten kennen und trat um 1889 – das genaue Datum ist unbekannt – in die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) ein, die 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands umbenannt wurde. Im selben Jahr wurde er Schriftführer des Sattlerverbandes in Hannover. Für diesen gründete er örtliche Büros in einigen Großstädten. Er musste seinen Wohnsitz oft wechseln, da die Staatsbehörden gewerkschaftlich aktive SPD-Mitglieder im Rahmen der Sozialistengesetze noch bis 1890 überwachten.

1891 kam Ebert nach Bremen, wo er 14 Jahre lang lebte. Zunächst versuchte er als selbstständiger Handwerker und Gelegenheitsarbeiter zu existieren. 1893 wurde er Lokalredakteur der „Bremer Bürgerzeitung“, der Zeitung der Bremer SPD. Diese wählte ihn 1894 zu ihrem regionalen Vorsitzenden. In der Bremer Bürgerschaft sammelte er erste parlamentarische Erfahrung.

In jenem Jahr heiratete er die Arbeiterin Louise Rump, die ihn bis zu seinem Tod begleitete und unterstützte. Sie bekamen eine Tochter und vier Söhne, von denen zwei (Heinrich und Georg) im Ersten Weltkrieg fielen, Friedrich jun. wurde verwundet. Ebert übernahm die Gastwirtschaft „Zur guten Hilfe“, machte sie zum Treffpunkt für Bremer Gewerkschaftsarbeit und intensivierte sein diesbezügliches Engagement, bis er 1900 eine bezahlte Stelle als Arbeitersekretär erhielt. 1902 legte er zusammen mit Hermann Müller eine soziale Statistik vor, die Aufschluss über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bremer Arbeiter gab.

1904 tagte der Reichsparteitag der SPD in Bremen: Als dessen Präsident wurde Ebert öffentlich bekannt. 1905 bekam er eine Stelle als Sekretär des SPD-Reichsvorstands und zog nach Berlin um. Er besuchte die Parteischule und war dort Schüler der Dozentin für Marxismus und Ökonomie, Rosa Luxemburg.

In diesen Jahren wuchs die SPD ständig. Sie vertrat nach außen marxistische Positionen, ließ sich aber stärker in die Reichstagspolitik einbinden, die kaum oppositionelle Spielräume gegenüber der Regierung ließ. Als das Kaiserreich als neue Kolonialmacht längst offene imperialistische Ansprüche erhob, war die SPD über ihre Antwort darauf zerstritten. 1907 verlor sie, auch infolge ihrer offenen Kritik am Völkermord an den Hereros in Südwestafrika, die Hälfte ihrer Reichstagsmandate. Danach gewannen diejenigen SPD-Abgeordneten im Reichstag ein Übergewicht, die auch militärisch zur Zusammenarbeit mit der kaiserlichen Regierung bereit waren.

SPD-Vorsitzender für den „Burgfrieden“ (1912–1918)

1912 wurde Ebert für den Wahlkreis Elberfeld-Barmen in den Reichstag gewählt. Bei dieser Wahl wurde die SPD mit 34,8% der Stimmen erstmals stärkste Fraktion der im Parlament des Kaiserreichs vertretenen Parteien und erhielt 110 von 397 Sitzen (vgl. auch Reichstagswahl 1912). 1913 starb der bisherige Parteiführer August Bebel. Noch vor seinem Tod billigte die SPD-Fraktion erstmals eine Finanzierung der Aufrüstung des Kaiserreichs aus direkten Steuern, um der SPD im Bürgertum Anerkennung als staatstragende Partei zu verschaffen.

Am 20. September 1913 wählte der Parteitag in Jena Ebert mit 91,5 Prozent zum neuen Parteivorsitzenden, zusammen mit Hugo Haase. Die Aufteilung des Amtes war Ausdruck der verschärften Flügelkämpfe innerhalb der SPD. Ebert vertrat die Mehrheit der SPD-Reichtagsfraktion, die sich entgegen dem Erfurter Programm von 1891 immer stärker revisionistischen Positionen angenähert hatte.

1914 wurde er im Urlaub von der „Juli-Krise“ überrascht, die auf das Attentat von Sarajevo folgte. Er reiste nach Zürich, um im Fall eines SPD-Verbots eine Auslandsleitung aufzubauen und die Parteikasse in Sicherheit zu bringen. Während die SPD in allen deutschen Großstädten riesige Antikriegsdemonstrationen veranstaltete, verhandelten Eberts Stellvertreter bereits mit der Reichsregierung über ein „diszipliniertes“ gemeinsames Vorgehen im Kriegsfall, um dem befürchteten erneuten Parteiverbot zu entgehen. Bei der entscheidenden Abstimmung am 4. August 1914 über die Kriegskredite war Ebert nicht in Berlin; doch er befürwortete sie, während Haase sie ablehnte. So musste dieser die Fraktionsmehrheit entgegen seiner eigenen Haltung vertreten und tat dies mit den Worten: Wir lassen das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich.

Damit drückte er nun bereits die Mehrheitsmeinung der Parteibasis aus, die in Deutschland wie fast überall in Europa innerhalb weniger Tage von massenhafter Ablehnung zu begeisterter Zustimmung umgekippt war. Fast alle Arbeiterparteien Europas glaubten der nationalen Propaganda, hielten das Verhalten der eigenen Regierungen für „Verteidigung“, das der anderen für „Angriff“ und stellten die innenpolitischen Gegensätze zugunsten der „nationalen Einheit“ zurück. Daran zerbrach die 2. Internationale, deren Beschluss, durch die international abgestimmte strikte Verweigerung jeglicher Kriegsunterstützung durch Sozialdemokraten und Gewerkschaften einen drohenden Krieg bald zum Erliegen zu bringen, in der Praxis nicht befolgt wurde. Diese - maßgeblich von Ebert geprägte - Aufgabe der eigenen Ziele und die Unterstützung der deutschen Kriegspolitik war von eigenen Parteigenossen, die an der alten Friedenspolitik festhielten, nur im Ansatz befürchtet worden. 1914 vermutete Rosa Luxemburg noch "Ich fürchte, die Fraktion wird uns morgen verraten. Sie wird sich nur der Stimme enthalten." Tatsächlich stimmte die SPD-Fraktion den Kriegskrediten aber ausdrücklich zu.

Ebert kehrte am 7. August nach Berlin zurück und übernahm mit Haase die Fraktionsführung. In dieser Funktion vertrat er im ganzen Ersten Weltkrieg die sogenannte Burgfriedenspolitik, die die Kriegspolitik des Kaiserreiches billigte und stützte. Damit wurde er zum erklärten Gegner der Parteimitglieder, die diese Politik entschieden ablehnten und darin einen Verrat am SPD-Programm und an den eigenen Wählern sahen. Sie waren ihrerseits gespalten in Reformisten wie Eduard Bernstein, marxistische Theoretiker wie Karl Kautsky und Revolutionäre wie Karl Liebknecht, die nur die Ablehnung des Kriegskurses einte. Sie vertraten dies anfangs nur in der SPD und unterwarfen sich bis 1916 der Fraktionsdisziplin.

Als erster und zunächst einziger Reichstagsabgeordneter stimmte Liebknecht jedoch schon im Dezember 1914 offen gegen die Fortsetzung der Kriegskredite. Rosa Luxemburg hatte mit sechs anderen SPD-Linken am 5. August 1914 die revolutionäre „Gruppe Internationale“ gegründet. Diese bestand anfangs nur aus wenigen Sozialisten, die an den Vorkriegsbeschlüssen der SPD zur internationalen Ablehnung des Krieges festhielten. 1916 wurde daraus die reichsweit organisierte Spartakusgruppe als Vorläufer der KPD.

Das Ausbleiben eines schnellen Sieges, hohe Kriegsopferzahlen, Hungerwinter und der sichtbare Angriffscharakter der deutschen Kriegsführung verschärften die innerparteilichen Spannungen zunehmend. Im Dezember 1915 stimmten 20 SPD-Abgeordnete gegen neue Kriegskredite. Damit war die Parteispaltung eingeleitet. Am 11. Januar 1916 trat Haase als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurück, so dass Ebert auch den Fraktionsvorsitz der SPD übernahm. Philipp Scheidemann wurde zu seinem Stellvertreter gewählt. Unter ihrer Führung vertrat die Mehrheits-SPD nun eine eindeutig revisionistische, jedes revolutionäre Ziel ablehnende Politik in enger Anlehnung an die konservativen Gewerkschaftsführer. Am 16. März 1916 wurden die Kriegsgegner aus der gemeinsamen Fraktion, im Januar 1917 auch aus der Partei ausgeschlossen. Nach einem weiteren verlustreichen Hungerwinter, ersten spontanen Massenstreiks und dem Kriegseintritt der USA gründeten sie im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD).

Ebert verlor in diesem Jahr zwei seiner Söhne, die als Soldaten umkamen. Er bemühte sich fortan um verstärkte Zusammenarbeit mit bürgerlichen Parteien, um einen Verständigungsfrieden mit den alliierten Kriegsgegnern anzubahnen. So kam es im Juli 1917 zu einer gemeinsamen Resolution im Reichstag, die einen „Frieden ohne Annexionen“ forderte. Dabei wurde die USPD-Fraktion nun ihrerseits von der SPD als „Vaterlandsverräter“ gebrandmarkt und geschwächt. Dies hing damit zusammen, dass die Menschewiki in Russland nach dem Sturz des Zaren den Krieg gegen Deutschland fortsetzten. Erst die Oktoberrevolution der Bolschewiki unter Lenin gab der USPD entscheidenden Auftrieb, so dass sie zu einer fast gleichstarken Konkurrenz zur SPD heranwuchs.

Erste Friedensverhandlungen mit dem Außenminister der neuen Sowjetregierung, Leo Trotzki scheiterten. Daraufhin kam es im Anfang 1918 zu den wochenlang anhaltenden und stark verbreiterten Januarstreiks im ganzen Reich. Diese wurde vor allem von den „Revolutionären Obleuten“ besonders der Rüstungsindustrie in den Großstädten getragen. Diese standen kritisch gegen ihre eigenen Gewerkschaftsführer, aber auch gegen die Abgeordneten von SPD und USPD, denen sie vorwarfen, gegen die Arbeiterinteressen an ihren Mandaten zu kleben. Dennoch war das Vertrauen der Belegschaften in Ebert noch so groß, dass er in die Streikleitung gewählt und als Schlichter akzeptiert wurde. In dieser Funktion erreichte er ein vorzeitiges Streikende.

Ebert wurde fortan von rechts wie links als „Verräter“ angesehen, der die Streikenden bzw. die Regierung „betrogen“ habe. Viele unabhängige Arbeitervertreter glaubten nun, ihre Ziele nur gegen die Gewerkschaften und außerhalb von ihnen erreichen zu können. Sie nannten ihre spontan gewählten Streikführer „Räte“ analog zum russischen Vorbild. Das wiederum verstärkte im Bürgertum die Furcht vor einer „bolschewistischen“ Revolution auch in Deutschland.

Nach dem Frieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918 startete die Oberste Heeresleitung ihre Frühjahrsoffensive, die wiederum Millionen Leben forderte und die militärische Niederlage endgültig machte. Sie rückte auch im Osten vor und leitete damit den russischen Bürgerkrieg und Lenins Einparteien-Regierung ein. Denn nun lehnte ein Teil der Revolutionäre, auf die Lenin sich gestützt hatte, Russlands Kapitulation ab und stieg aus der Koalition mit den Bolschewiki aus, um weiter gegen das Deutsche Reich zu kämpfen.

Erst mit der Einsicht in die unausweichliche Niederlage nach dem Schwarzen Tag des deutschen Heeres am 8. August 1918 übernahm Erich Ludendorff, oberster deutscher Heeresgeneral, plötzlich die SPD-Forderungen nach Demokratisierung Deutschlands. Er forderte am 28. September eine entsprechende Verfassungsänderung, damit die SPD die Verantwortung für Niederlage und Kriegsfolgen zu tragen habe. Scheidemann trat am 24. September 1918 in das neugebildete Kabinett des neuen Reichskanzlers Prinz Max von Baden ein. Ebert sah dies ausdrücklich als vorauseilende Abwehrmaßnahme gegen die befürchtete Revolution.

Novemberrevolution (1918) und Reichspräsidentschaft (1919–1925)

Porträt des Reichspräsidenten Friedrich Ebert von Lovis Corinth, 1924

Nach der Matrosenmeuterei in Kiel kam es zu Entwaffnungen, Rathausbesetzungen, Massendemonstrationen und Verbrüderungen von Arbeitern und desertierten Soldaten im ganzen Reich. Die Novemberrevolution griff in wenigen Tagen auf alle deutschen Städte über. Ebert versuchte erfolglos, dies durch Entsendung Gustav Noskes nach Kiel aufzuhalten.

Am 9. November 1918 begannen spontane Aufstände in Berlin: Daraufhin übertrug Max von Baden aus eigener Verantwortung das Amt des Reichskanzlers auf Ebert: Ich lege ihnen das Schicksal des Deutschen Reiches ans Herz. Zugleich verkündete der Prinz die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ohne dessen Zustimmung und ohne Rückhalt in der Verfassung. Scheidemann rief daraufhin öffentlich die Republik und Ebert als ihren Reichskanzler aus. Dies geschah gegen Eberts Willen, der die Kontinuität zum Kaiserreich wahren wollte, bis eine verfassunggebende Versammlung zwischen Monarchie oder Republik entscheiden würde. Der Kaiser floh in die Niederlande. Die Berliner Obleute besetzten den Reichstag.

Ebert stellte sich nun an die Spitze der Revolution, um sie in parlamentarische Bahnen zu lenken und eine Entwicklung analog zur russischen Oktoberrevolution zu verhindern. Dazu ließ er sich am 10. November 1918 im Zirkus Busch von den versammelten Arbeiter- und Soldatenräten in den Rat der Volksbeauftragten, die provisorische neue Reichsregierung, wählen. Den Vorsitz teilte er sich zunächst mit Hugo Haase von der USPD. Schon am selben Abend verhandelte er mit Wilhelm Groener, dem neuen General des kaiserlichen Heeres, heimlich über gegenseitige Unterstützung gegen die Revolutionäre.

Anfang Dezember beauftragte Ebert Gustav Noske mit der Aufstellung von Freikorps aus heimgekehrten arbeitslosen Frontsoldaten. Am 6. Dezember beorderte er zusätzliche Reichswehr-Einheiten nach Berlin, um den vom 16. bis 20. Dezember geplanten Reichsrätekongress zu verhindern. Zwar misslang dieser Versuch; aber die wirksame Kontrolle des kaiserlichen Militärs durch frei gewählte Soldatenräte und die Übergangsregierung, die der Rätekongress beschlossen hatte, wurde von Ebert gemäß seiner Geheimabsprache mit Groener verhindert. Am 24. Dezember unterstützte er den Einsatz von Reichswehreinheiten gegen die „Volksmarinedivision“, die sich ihrer Auflösung zunächst erfolgreich widersetzte. Bei den Schießereien kam es zu 30 bis 50 Toten.

Daraufhin trat die USPD unter Protest gegen diese Maßnahmen am 29. Dezember aus der gemeinsamen Übergangsregierung aus und rief zu neuen Massenaktionen auf. Der Spartakusbund berief einen Reichskongress ein, auf dem überwiegend von enttäuschten SPD-Mitgliedern die neue KPD gegründet wurde. Eine Mehrheit lehnte dort die Beteiligung an den kommenden Reichstagswahlen ab.

Nachdem Eberts Restregierung den Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) abgesetzt hatte, besetzten Arbeiter, die den Obleuten nahe standen, am 5. Januar 1919 das Berliner Zeitungsviertel. Von dort aus waren zuvor bereits Mordaufrufe an den Führern der Linken veröffentlich worden. Nach gescheiterten Verhandlungen und um der Ausweitung eines Generalstreiks zuvorzukommen, gab Ebert am 8. Januar dem Militär den Befehl, den sogenannten Spartakusaufstand niederzuschlagen. Bei den folgenden Kämpfen wurden Hunderte – auch unbeteiligte Zivilisten oder Hausbesetzer, die sich schon ergeben hatten – erschossen. Zudem rückten am 10. Januar die von Noske um Berlin zusammengezogenen Freikorps in die Stadt ein. Damit war die Novemberrevolution, die Ebert zur Kanzlerschaft verholfen hatte, praktisch beendet und eine gewaltsame Vorentscheidung über die Art der Weimarer Verfassung gefallen.

Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Offizieren des größten Freikorps, der Garde-Kavallerie-Schützendivision, ermordet. Deren Kommandeur, Waldemar Pabst, hatte nach eigener Aussage zuvor mit der Reichskanzlei telefoniert. In den folgenden Monaten wurden die übrigen Versuche, in deutschen Großstädten ein Rätesystem zu etablieren, ebenfalls militärisch niedergeschlagen. Dabei kam es in ganz Deutschland zu geschätzten 3.000–5.000 Toten.

Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Die SPD verfehlte die absolute Mehrheit und war fortan auf Koalitionen mit der Zentrumspartei und den Liberalen angewiesen. Die ab dem 6. Februar in Weimar tagende Nationalversammlung wählte Ebert am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Die im August verabschiedete demokratische Verfassung schrieb den Parlamentarismus fest, ließ Sozialisierung der Wirtschaft nur als abstrakte Möglichkeit zu und ermöglichte ein unkontrolliertes Notverordnungs-Regime des Reichspräsidenten.

1923 – im Jahr der Hyperinflation – verfügte Ebert die Reichsexekution gegen die Volksfrontregierungen aus SPD und KPD, die sich in Sachsen und Thüringen gebildet hatten. Dabei wurden nochmals einige Tausende ehemaliger Sozialdemokraten sowie Kommunisten meist ohne jede militärische Notwendigkeit erschossen.

Eberts letzte Monate waren von einer politischen Niederlage geprägt. Ein Redakteur der Mitteldeutschen Presse warf ihm vor, die Kriegsniederlage durch sein Verhalten vor und nach Kriegsende mitverschuldet zu haben. Im Verlauf des Verleumdungsprozesses, der als Dolchstoßprozess bekannt wurde, wurde sein Geheimabkommen mit General Groener publik. Dieser hob Eberts Pflichttreue zum kaiserlichen Obrigkeitsstaat hervor. Dabei kam auch Eberts Verhalten im Januarstreik 1918 zur Sprache. Ebert betonte, er habe sich nur in die Streikkommission wählen lassen, um den Streik so schnell wie möglich zu beenden. Die noch kaiserlich geprägte Justiz verurteilte die Journalisten, die das Staatsoberhaupt herabgewürdigt hatten, im Dezember 1924 nur wegen Beleidigung. Auf der anderen Seite erklärten die Richter des Magdeburger Schöffengerichtes, Ebert habe 1918 faktisch Landesverrat begangen, indem er in die Streikleitung in der Rüstungsindustrie eingetreten war.

Ebert hatte mit Rücksicht auf seinen laufenden Prozess eine medizinische Behandlung seiner Blinddarmentzündung verzögert. Daran starb er am 28. Februar 1925 im Alter von 54 Jahren. Er wurde in seiner Geburtsstadt Heidelberg beerdigt.

Einordnung und Beurteilung

Gedenkstein in Wuppertal

Ebert war seit seinem Amtsantritt als SPD-Vorsitzender stark umstritten: Auf der einen Seite standen Bewunderung und Verehrung für den Vertreter der „kleinen Leute“, der sich aus einfachen Verhältnissen zum Führer der größten und fortschrittlichsten Partei emporgearbeitet hatte. Seinen Ruf als einheitsstiftender „roter Kaiser“ bewahrte Ebert noch bis weit in die Novemberrevolution hinein.

Aber spätestens nach seinem Entschluss, reichsweit Militär gegen revolutionäre Arbeiter und „Räterepubliken“ einzusetzen, galt er der radikalen Linken als „Verräter der Arbeiterklasse“, „reaktionärer Militarist“ und „Agent der Bourgeoisie“. Bei Rechten und Rechtsradikalen wiederum galt er als der „Verzichtspolitiker“, der die Kapitulation des Deutschen Reiches und die Unterzeichnung des Versailler Vertrags maßgeblich zu verantworten hatte („Novemberverbrecher“, „Landesverräter“). Diese Ablehnung erstreckte sich bei den Rechtsradikalen auch auf die Weimarer Verfassung, für deren Zustandekommen Ebert stand.

Seine politische Prägung war im Kaiserreich gewachsen und blieb diesem verhaftet. Er verkörperte den Typus des „Realpolitikers“, der die gegebenen legalen Spielräume nutzte, um kleine, schrittweise Verbesserungen für die Masse der lohnabhängigen Bevölkerung zu erreichen – ein Revolutionär war er nie. Er strebte eigentlich eine parlamentarische Monarchie an, die er schon mit der Oktoberreform vom 5. Oktober 1918 erreicht sah. Sein Verständnis von „Sozialismus“ sah keine Eingriffe in Produktionsverhältnisse vor, obwohl dies dem immer noch gültigen Erfurter Programm der SPD entsprochen hätte. Vielmehr setzte er auf eine tarifliche Absicherung von Arbeitszeiten und Versorgungsansprüchen der Arbeiter in der Tradition von Bismarcks Sozialgesetzen.

Damit setzte er sich in einen Gegensatz zu einem großen Teil der damaligen SPD-Basis, die seit Anfang November in zahlreichen Resolutionen die Sozialisierung wichtiger Teilbereiche der deutschen Industrie gefordert hatte. Ebert machte die Umsetzung solcher Schritte von einer parlamentarischen Mehrheit abhängig, die er dann verfehlte.

Nach einer Aussage Max von Badens sagte Ebert am 9. November 1918 über die Revolution: Ich aber will sie nicht, ich hasse sie wie die Sünde. Sein Misstrauen galt in erster Linie den Revolutionären, die den Übergang zur Demokratie und seine Kanzlerschaft ermöglichten. Um „geordnete Verhältnisse“ wieder herzustellen, arbeitete er stattdessen mit Gegnern der Sozialdemokratie zusammen: dem kaiserlichen Offizierskorps und Generälen der Obersten Heeresleitung, die den Ersten Weltkrieg mit seinen Millionen Toten maßgeblich zu verantworten hatten. Diese hatten ihn im Oktober 1918 zur Teilhabe an der Macht eingeladen, um sich ihrer eigenen Verantwortung für die Kriegsniederlage und deren Folgen zu entziehen. Die Kriegsschuldfrage wurde damals fast nur in der Absicht gestellt und beantweortet, deutsche Verantwortung abzuwehren. Auch die SPD, die den Krieg unter Eberts Führung mitgetragen hatte, sorgte dafür, dass die Aufarbeitung unterblieb.

Den brutalen Einsatz von Freikorps im Spartakusaufstand 1919 rechtfertigte Ebert wie die meisten damaligen Medien und Historiker mit der angeblichen Gefahr einer bolschewistischen Rätediktatur nach sowjetischem Vorbild. Man glaubte an eine gefährliche Führungsrolle des Spartakusbundes. Die Rätebewegung war jedoch unabhängig von diesem entstanden und verfolgte in der großen Mehrheit sozialdemokratische Ziele. Es gab also in Deutschland damals keine Organisation, die analog zu den Bolschewiki Lenins und ihrer Roten Armee eine sozialistische „Räterepublik“ hätte durchsetzen können. Ob Ebert irrtümlich, aber ehrlich an diese Gefahr glaubte, oder ob er sie nur beschwor, um weitergehende Demokratisierungsforderungen seiner eigenen Anhänger abzuwehren, ist umstritten.

Die Niederschlagung des Januaraufstands führte mit dazu, dass die SPD im Parlament keine stabile Mehrheit erhielt und letztlich nur einen geringen Teil der Sozialreformen verwirklichen konnte, die Ebert befürwortete. Sein „Verrat“ am SPD-Parteiprogramm und der Pakt, den er mit den alten Kräften einging, destabilisierte gegen seine Absichten die Weimarer Republik, noch bevor sie eigentlich gegründet war. Er entfremdete die SPD-Führung von einem Teil ihres Wählerpotentials, der die Aufgabe der ursprünglichen Parteiziele nicht mitvollzog. Dies trug zur Spaltung der Arbeiterbewegung in zwei verfeindete Lager bei, die nur in Ausnahmesituationen wie dem Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 zusammenhielten.

Nachdem die rechten Parteien die SPD für die Notlage nach dem Krieg hatten verantwortlich machen können, verlor diese ihre führende Position in der Weimarer Republik sehr bald wieder und geriet in die Defensive, aus der weitere Kompromisse (z.B. Zustimmung zum Panzerkreuzerbau 1928) resultierten. Eberts Einsatz der kaiserlichen Militärs gegen die Linke bewirkte deren schnelle Rehabilitation: Sie konnten sich erneut als „Retter des Vaterlands“ darstellen, die den Übergang vom Kaiserreich zur Republik stabilisiert hätten. Rückblickend waren sie und nicht, wie Ebert geglaubt hatte, der Spartakusbund, die „Totengräber“ der ersten deutschen Demokratie. Aus ihnen rekrutierten sich später die Mitglieder der SA und SS, mit denen Adolf Hitler zur Macht kam.

Gleichwohl sieht die heutige SPD in Ebert eines ihrer größten Vorbilder. Die 1925 gegründete sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung spielt Eberts Rolle in der Novemberrevolution und seine Verantwortung für die Folgen meist herunter und schreibt sie den Umständen zu. Angenommen wird

  • dass der Versuch einer Sozialisierung die deutsche Wirtschaft nachhaltig geschwächt hätte: Dadurch wären die Umstellung der Kriegs- auf Friedenswirtschaft und die Integration von Millionen Kriegsheimkehrern in die Produktion erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht worden.
  • Zudem standen, wie man glaubte, komplizierte Friedensverhandlungen bevor: Auch hierfür sei eine nationale Einheit ohne Sozialisierungen Voraussetzung gewesen.
  • Ferner wird auf äußere Gefahren für die Reichseinheit durch polnische Aufstände an der Ostgrenze wie durch separatistische Bestrebungen im Rheinland hingewiesen. Zu deren Niederschlagung habe die SPD-Führung Stabilität in der Hauptstadt gebraucht.
  • Hinzu kamen tägliche Zeitungsmeldungen über blutige Auseinandersetzungen im russischen Bürgerkrieg. All das habe Ebert vor sozialistischen Experimenten zurückschrecken lassen und zur Zusammenarbeit mit den alten Eliten des Kaiserreichs bewogen.

Welche verheerenden Folgen die so geschaffene Kontinuität des deutschen Militarismus, des autoritären Obrigkeitsstaates und des Einflusses von Industrieverbänden auf die politische Führungsschicht nach dem Weltkrieg haben würde, erkannte Ebert nicht; hierin sehen kritische Historiker wie Sebastian Haffner und Heinrich August Winkler sein historisches Versäumnis. Nach ihrer Ansicht wäre die Entmachtung des kaiserlichen Verwaltungsapparates, der Militärs und der größten Industriekonzerne zwischen November 1918 und Januar 1919 sowohl möglich als auch nötig gewesen.

Eine durchgreifende Gesellschaftsreform hatte seit dem November 1918 in Deutschland eine breite demokratische Legitimationsbasis, da sie den Forderungen der großen Bevölkerungsmehrheit entsprach, wie sie sich im Berliner Rätekongress vom 16. bis 20. Dezember 1918 spiegelte. Die anhaltenden Kämpfe hatten jedoch zur Folge, das Ebert ein Rückgriff auf funktionierende staatliche Einrichtungen wie Verwaltung und Militär unverzichtbar erschien. Diese Gegenwehr der Übergangregierung sei durch zahlreiche Angriffe rechts- und linksradikaler Kräfte erzwungen worden, wie Emil Felden, ein Parteifreund und Zeitgenosse Eberts, in seinem 1927 erschienenen biographischen Roman meinte.

Sie stellte die Weichen für die Beibehaltung vieler alter Strukturen. Damit wurden die Bedingungen für den Übergang der ersten deutschen Republik in die Diktatur des NS-Staates geschaffen. Dies hat die von Ebert geprägte SPD nicht gewollt. Die Partei wurde 1933 nach der KPD verboten, und viele ihrer Mitglieder waren in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten interniert, wo sie teilweise ermordet wurden. Doch die Chance einer konsequenten Entmachtung der Kräfte, die den Ersten Weltkrieg zu verantworten hatten, war schon im November 1918 vertan worden. Die kontrafaktische Diskussion, wie dieses zweite Scheitern einer Revolution (nach der Märzrevolution von 1848) mit all seinen verheerenden Folgen hätte abgewendet werden können, ist bis heute offen.

Ehrungen und Nachwirkungen

Literatur

  • Friedrich Ebert. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Begleitband zur ständigen Ausstellung in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, hg. u. bearb. v. Walter Mühlhausen, Kehrer Verlag Heidelberg ISBN 3-933-257-03-4.
  • Friedrich Ebert. 1871 - 1925 : vom Arbeiterführer zum Reichspräsidenten; Ausstellung der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg und der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn ; Begleitheft mit den Haupttexten der Ausstellung, hrsg. von Dieter Dowe]. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Historisches Forschungszentrum. - 5. Aufl. - Bonn, 2005 (Gesprächskreis Geschichte ; 9) ISBN 3-89892-347-9
  • Sebastian Haffner: Der Verrat – Deutschland 1918/19, Verlag 1900, Berlin 1968 u.ö.– ISBN 3-930278-006
  • Paul Kampffmeyer: Fritz Ebert. Verlag J.H.W. Dietz, Weimar 1923
  • Henning Köhler: Deutschland auf dem Weg zu sich selbst. Eine Jahrhundertgeschichte, Hohenheim Verlang, Stuttgart und Leipzig 2002 ISBN 3-89850-057-8
  • Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert 1871-1925. Reichspräsident der Weimarer Republik. 1.064 Seiten mit 76 Abbi. 2006. ISBN 3-8012-4164-5. Rezension von Michael Epkenhans in Die Zeit vom 01. Feb.2007.
  • Walter Mühlhausen: Die Republik in Trauer. Der Tod des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert. 72 Seiten. 2005 ISBN
  • Heinrich August Winkler: Weimar 1918-1933: Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993
  • Peter-Christian Witt: Friedrich Ebert: Parteiführer - Reichskanzler - Volksbeauftragter - Reichspräsident, Bonn 1987, Verlag Neue Gesellschaft, ISBN 3-87831-446-9
  • Waldemar Besson: Friedrich Ebert - Verdienst und Grenze, Musterschmidt, Göttingen, 1963
  • Emil Felden: Eines Menschen Weg - Ein Fritz-Ebert-Roman, Bremen, Friesen-Verlag, 1927
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