Ein Motorradgespann ist ein Motorrad mit Seitenwagen, auch Beiwagen oder Boot genannt. Der Seitenwagen wird traditionell seitlich am bestehenden Motorradrahmen angeschraubt, der oft spezielle Verstärkungen benötigt. Moderne Renn- und Motocross-Gespanne werden wegen der höheren Festigkeit meist direkt auf einem speziellen, einteiligen Gespannrahmen aufgebaut, der Motorrad- und Seitenwagenrahmen ersetzt.

Der Seitenwagen
Seitenwagen ist die Bezeichnung für ein neben einem Zweirad, meist Motorrad mitgeführten, einspurigen Wagen. In Verbindung mit der Zugmaschine spricht man von einem Gespann.
Normalerweise besteht der Seitenwagen aus einem Rahmen, der Karosserie, auch Boot genannt, und der Radaufhängung. Das Boot dient der Aufnahme von Passagieren und/oder Gepäck.
Besondere Seitenwagenkonstruktionen sind selbsttragend ausgelegt, das heißt, sie haben keinen besonderen Rahmen zur Aufnahme der Radaufhängungskomponeten und der Seitenwagenanschlüsse, sondern diese werden durch die Karosserie gehalten. Der Seitenwagen ist in der Regel mit einem außenliegenden Rad ausgestattet, das eine Stütz-, Brems- und mitunter auch eine Antriebsfunktion übernimmt.
Ein angetriebener Seitenwagen soll meist die Geländegängigkeit verbessern wie etwa beim Wehrmachtsgespann, birgt jedoch im Fahrbetrieb seine Tücken, insbesondere in Verbindung mit einem Differenzial (sobald das Boot abhebt, fällt hier der Vortrieb weg.)
Manche Seitenwagen besitzen gelenkte Räder, beispielsweise Produkte des französischen Herstellers Sidebike. In jüngster Vergangenheit wurde ein Seitenwagen mit zwei Rädern, deren vorderes gelenkt wird, entwickelt.
Schwenker
Beim Schwenker neigt sich bei Kurvenfahrt nur das Motorrad. Im Gegensatz zum Pendelgespann oder Paralellneiger, bei dem sich Motorrad und Beiwagen in die Kurve neigt, 1935 von Heinz Kloster, aus Essen-Borbeck patentiert (Flexit, Brough Superior).
Bradley, W. Konstrukteur, Bradleygespann 1929, erstes Schenkergespann. Das Seitenwagenfahrgestell bestand aus a) einem Hilfsrahmen, der parallel zur Fahrzeuglängsachse mit dem Motorrad verschraubt wurde und mit zwei gekröpften Auslegern versehen war und b) einem konventionellen Chassis, in dem die beiden Ausleger drehbar angeordnet waren.
Der hintere Ausleger war mit der gezogenen ungefederten Seitenwagenradschwinge starr verbunden (Ausleger und Schwinge bildeten ein Z). Der Antrieb für den Neigungs-Mechanismus lieferte der Motor. In einem an der Kupplungswelle angeflanschten Getriebe drehte sich eine Schraubenwelle, die ein Schraubenrad antrieb. Mit dem Schraubenrad war ein Stahlkabel verbunden, das über Umlenkrollen zu den gekröpften Auslegern führte. Beim Einschalten des Mechanismus drehten die Ausleger nach oben bzw. unten, analog die Seitenwagenradachse, das Gespann schwenkte in Schräglage.
Der Neigungswinkel war abhängig von der Einschaltdauer des Antriebs, der mit je einem Fußpedal (für Rechts- bzw. Linkskurven) gesteuert wurde. Die maximal erreichbare Schräglage war auf 18 Grad auf beiden Seiten begrenzt. Der Mechanismus funktionierte. Testberichte der Fachpresse attestierten dem Bradley-Gespann exzellente Kurveneigenschaften bei einfachster Handhabung. Kurvenradien von 25 m fuhren sie ohne Probleme mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Durch die Verschiebung des Schwerpunktes um etwa 12 cm zum Kurveninneren konnten sie ohne akrobatische Turnübungen derartige Fahrleistungen vollbringen.
Bei der Kurvenfahrt finden beim Schwenker gleichzeitig mehrere Bewegungsabläufe statt: Schräglage des Motorrades, Spurversatz des Beiwagenrases, Senken des Beiwagenfahrgestells, kippen des Beiwagenrades um die Hochachse. Liegen die Schwingengelenke nicht auf gleicher Höhe, versetzt das Beiwagenrad nicht parallel zur Fahrzeuglängsachse - dadurch bedingt eine variable Vorspur.
Die ersten Schwenkergespanne der "Neuzeit" wurden vom Schweizer Gespannbauer Armec 1988 ausgeführt. Weitere Konstruktionen folgten unter anderem von Walter 1989 und Kalich.
Heute gibt es einfache Schwenker mit zwei Kugelgelenken unter dem Motorrad, bei denen nur das Motorrad in Kurvenneigung schwenkt, sowie aufwändigere Parallelschwenker, bei denen über zusätzliche Anlenkungen auch der Beiwagen in Kurvenneigung schwenkt. Bei beiden Bauformen bleibt die Zugmaschine bis auf die montierten Gelenkpunkte im Solozustand.
Gespannbau
Der Seitenwagen ist meist entsprechend dem Verkehrssystem, in dem das Motorradgespann zum Einsatz kommt, angebordnet: Im Rechtsverkehr liegt er an der rechten Seite des Motorrads, bei Linksverkehr auf der linken Seite.
Bis in die 1960er Jahre waren Solomaschinen zahlreicher Hersteller wie BMW, Moto Guzzi oder Harley-Davidson oft ab Werk gespanntauglich, das heißt, ein Seitenwagen durfte ohne größere Änderungen am Motorrad angeschraubt werden. Heute dagegen kann ein Seitenwagen an den meisten Motorräder nicht mehr ohne Weiteres montiert werden, weil diese dafür weder geeignet noch zugelassen sind. Ein seitenwagentaugliches Motorrad benötigt einen speziellen Rahmen, der die Querkräfte aufnimmt.
Wegen der heute üblichen leistungsstärkeren Motoren und daraus resultierenden Fahrleistungen sowie den ausschließlich auf Solobetrieb optimierten Motorradrahmen wird bei modernen Gespannen das Fahrwerk des Motorrades in der Regel stark verändert. Beispielsweise wird oft Verminderung der Bauhöhe gegenüber dem Ausgangsfahrzeug angestrebt, da keine Schräglagenfreiheit benötigt wird und ein tieferer Schwerpunkt die Fahreigenschaften verbessert. Darüber hinaus fallen bei einer auf Solobetrieb ausgelegten Lenkgeometrie im Gespannbetrieb extrem hohe Lenkkräfte an. Preisgünstige Gegenmaßnahmen wie die Umrüstung auf ein kleineres Vorderrad oder einen breiteren Lenker haben nur eine geringe Wirkung. Effizienter, aber auch wesentlich teurer, ist die Umrüstung auf eine Langschwingengabel mit zwei Federbeinen und verkürztem Nachlauf, die zugleich eine größere Torsionssteifigkeit bietet als eine Telegabel. Besonders bei Umrüstung von Motorrädern mit Leichtmetall-Rahmen kommt die noch aufwändigere Vorderradaufhängung an Querlenkern (Achsschenkellenkung) in Betracht, da diese Fahrzeuge ohnedies einen Hilfsrahmen benötigen, bei dem der Seitenwagen einen Teil der Lenkkräfte aufnimmt.
Gespanne werden darüber hinaus zur Verschleißminderung oft auf spezielle Gespannreifen oder Autoreifen umgerüstet. Motorradreifen werden im Gespannbetrieb vor allem hinten und am Boot in kürzester Zeit "eckig" abgefahren. Dies ist auch einer der Hauptgründe, die gegen einen Wechsel zwischen Solo- und Gespannbetrieb sprechen.
Neben anderen Gründen spricht das sehr anspruchsvolle Fahrverhalten gegen eine stark wachsende Verbreitung dieser Fahrzeuggattung. Infolge der geringen Stückzahlen und des hohen Anteils an Handarbeit sind moderne Gespanne teuer und selten.
Fahrtechnik
Motorradgespanne sind asymmetrisch gelenkte Fahrzeuge, das heißt, ihre Lenkachse ist außermittig angeordnet. Dies macht beim Fahren ihren besonderen Reiz aus, da sie sich völlig anders als Solomotorräder und Autos fahren: Der Seitenwagen hebt bei Lenkbewegungen in seine Richtung ab einer bestimmten Fliehkraft ab, während er beim entgegengesetzten Lenkeinschlag vorn eintaucht.Dabei hebt das Hinterrad der Zugmaschine ab!
Ein leichtes Abheben infolge geringfügig überhöhter Kurvengeschwindigkeit birgt dabei tatsächlich das geringere Gefahrenpotenzial, da ein erheblicher Kraftaufwand erforderlich ist, um das Gespann auf diese Weise zum seitlichen Überschlag zu bringen. Die Gefahr besteht hier eher darin, dass der Fahrer erschrickt und den Lenker wieder geradeaus einschlägt, um das Rad wieder auf den Boden zu bringen, wobei das Gespann im Gegenverkehr landen kann. Sollte ein eintauchendes Gespann jedoch mit der Bootsnase aufsetzen, droht unvermittelt die Gefahr eines Überschlags nach vorn (das Gespann kippt über die Achse Motorrad-Vorderranrad/Bootsrad).Ein Gespann wird durch Gewichtsverlagerung und Gasgeben oder Anbremsen gelenkt. Es wird empfohlen, bevor man sich auf öffentliche Strassen trauen sollte, auf eine abgesperrte Strecke zu üben oder ein Fahrtraining zu absolvieren!
Sport
- Seitenwagen - Motocrossweltmeisterschaft
- Straßenweltmeisterschaft für Motorradgespanne.
- Grassbahn Europameisterschaft, Sven Holstein(D) und Desiree Daubert(NL) wurden 2005 Europameister.