Luxemburgische Sprache

westmitteldeutsche Standardsprache auf moselfränkischer Grundlage mit französischen Einflüssen
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Die luxemburgische Sprache oder kurz Luxemburgisch (Eigenbezeichnung: Lëtzebuergesch) ist eine westgermanische Sprachvarietät, die zum moselfränkischen Dialektkontinuum gehört.

Luxemburgisch (Lëtzebuergesch)

Gesprochen in

Großherzogtum Luxemburg, Belgien, Deutschland, Frankreich
Sprecher 300.000
Linguistische
Klassifikation
Moselfränkisch
  •                   Luxemburgisch
Offizieller Status
Amtssprache in Großherzogtum Luxemburg
Sprachcodes
ISO 639-1

lb

ISO 639-2 (B) ltz (T) –

Status

Luxemburgisch wurde im Großherzogtum Luxemburg 1984 zur Nationalsprache und neben Französisch und der hochdeutschen Schriftsprache zur dritten Amtssprache erhoben. Es hat eine eigene Rechtschreibung und wird als mündliche, nicht aber als schriftliche Schulsprache gebraucht. In Hörfunk und Fernsehen kommt es häufiger vor, in den Printmedien dagegen sehr selten so werden im Großherzogtum Luxemburg 85 % aller Artikel auf Deutsch, nur 12 % auf Französisch und lediglich 3 % auf Luxemburgisch veröffentlicht. Gesetzestexte werden bis heute nicht auf Luxemburgisch abgefasst oder veröffentlicht. Außerdem zählt es nicht zu den Amtssprachen der Europäischen Union.

Linguistischer Aspekt

Das Luxemburgische bildet zusammen mit den benachbarten moselfränkischen Varietäten, mit denen es in Grammatik, Wortschatz, Wortgebrauch und Lautstand größtenteils übereinstimmt, ein Dialektkontinuum. Rein linguistisch gesehen unterscheidet es sich also nicht von den anderen mitteldeutschen Varietäten. Daher ist es keine Sprache im Sinn einer Abstandsprache.

Politischer Aspekt

Die Gründe, warum es in Luxemburg dennoch meistens als eigenständige Sprache betrachtet wird, haben nicht mit rein sprachlichen Besonderheiten des Luxemburgischen zu tun, sondern mit dem Sprachgebrauch:

  • Das Luxemburgische ist ein wichtiger Teil der luxemburgischen Identität. Die meisten Luxemburger betrachten es als ihre eigene Muttersprache. Es ist zu einem Symbol der kulturellen und politischen Eigenständigkeit des Großherzogtums Luxemburg gegenüber seinen Nachbarstaaten geworden. Dieser Aspekt hat direkt mit der Geschichte Luxemburgs zu tun (siehe unten).
  • Das Luxemburgische entwickelt sich zu einer eigenständigen Ausbausprache, denn es ist im Großherzogtum Luxemburg im Laufe der vergangenen Jahre in zunehmendem Maße als Schriftsprache verwendet worden. Als solche wirkt es auch auf die unmittelbar angrenzenden Gebiete außerhalb Luxemburgs.

Problematik

Die Sonderstellung des Luxemburgischen als einziger mitteldeutscher Sprachvarietät, die in einem unabhängigen Staat außerhalb Deutschlands als Amtssprache anerkannt ist, löst besonders ausserhalb Luxemburgs bisweilen einen heftigen Disput darüber aus, ob es sich hierbei wirklich um eine eigene Sprache handelt. Dabei wird angeführt, dass das Luxemburgische enger mit dem Standarddeutschen verwandt sei als viele niederdeutschen oder oberdeutschen Varietäten (z.B. Alemannisch oder Bairisch), die oft nicht als eigenständige Sprachen betrachtet werden.

Grundsätzlich gibt es keine rein sprachwissenschaftliche (also grammatischen) Kriterien, die es erlauben würden, bei eng verwandten Sprachvarietäten zwischen Dialekten und Sprachen zu unterscheiden. Daher wird diese Unterscheidung politisch immer wieder missbräuchlich eingesetzt, z.B. um vermeintliche Rangordnungen zwischen regionalen Sprachvarietäten scheinwissenschaftlich zu legitimieren. Begrifflich zweifelhafte Termini (wie etwa der des Kulturdialekts) sind Ergebnis dieses Widerspruchs zwischen Sprachwissenschaft und Politik.

Geographische Verbreitung

Luxemburgisch wird im Großherzogtum Luxemburg gesprochen, ferner in den angrenzenden Gebieten Deutschlands (im Südwesten der Eifel um Bitburg und im Moseltal um Trier), Belgiens (Provinz Luxemburg, Raum Arlon), Frankreichs (Teile Lothringens) und in den nördlichen Landesteilen des Saarlandes. Dabei findet nach Osten hin ein kontinuierlicher Übergang zu den anderen moselfränkischen Mundarten statt.

Datei:Heutige deutsche Mundarten.PNG
Das heutige deutsche Sprachgebiet

Es gibt verschiedene lokale luxemburgische Mundarten: Areler, Eechternoocher, Kliärrwer, Miseler, Veiner, Weelzer usw. Eine kartographische Übersicht ihrer Verbreitung findet sich im Digitalen Luxemburgischen Sprachatlas.

Weltweit sprechen ca. 300.000 Menschen Luxemburgisch als Muttersprache; davon leben ca. 250.000 im Großherzogtum Luxemburg, die übrigen in der belgischen Provinz Luxemburg, in Deutschland, in Frankreich, in Rumänien (Siebenbürgen) und den USA.

Schriftsprache

Eine einheitliche und verbindliche Rechtschreibung wurde im November 1976 durch Erlass eingeführt und 1999 reformiert. (Memorial: Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg B - No 68; 30. Juli 1999 ergänzt A - No 112).

Das Gesetz über den Gebrauch der Sprachen vom 24. Februar 1984 legt fest (man beachte, dass der Originaltext auf Französisch abgefasst ist):

Artikel 1: Die Nationalsprache der Luxemburger ist Luxemburgisch.
Artikel 2: Gesetzestexte und ihre Ausführungsbestimmungen werden auf Französisch verfasst.
Artikel 3: Verwaltungssprachen und juristische Sprachen: Es kann Gebrauch gemacht werden von Französisch, Deutsch oder Luxemburgisch.
Artikel 4: Verwaltungsanfragen: Wenn eine Anfrage auf Luxemburgisch, Französisch oder Deutsch verfasst ist, muss die Verwaltung nach Möglichkeit in ihrer Antwort die Sprache des Fragestellers benutzen.

Für die luxemburgische Schriftsprache wird das lateinische Alphabet verwendet, ergänzt um die Buchstaben ä, ë, ü sowie é.

In den Jahren 2000-2002 hat der luxemburgische Linguist Jérôme Lulling eine Datenbank mit 125.000 Wortformen für den ersten luxemburgischen Spellchecker entwickelt (Projekt CORTINA). Somit begann die Informatisierung der luxemburgischen Sprache, die inzwischen auch über eine luxemburgische Wikipedia Version verfügt.

Morphologie

Substantive

Der grammatikalische Kasus wird im Luxemburgischen, wie im Hochdeutschen durch den Artikel den/en, Demonstrativ- sowie Possessivpronomen, z.B. mäin (dt.: mein), dësen (dt.: diesen), keen (dt.: kein) und Attribute angezeigt. Im Luxemburgischen kennt man drei Fälle: Akkusativ welcher die Funktion des Nominativ übernommen hat, Dativ und, in einigen Ausdrücken, Genitiv. Vom Nominativ bleiben lediglich Nominalphrasen, z.B. der Däiwel oder eiser Härgott.

Da der Genitiv nicht ausgeprägt ist, wird die possessive Satzkonstruktion mit dem Dativ gebildet welches im Deutschen oft mit „Genitivumschreibung“ und im Englischen mit periphrastic genitive umschrieben wird. Seltene Ausnamen sind hier Redewendungen wie:

  • Ufanks der Woch (dt.: Anfangs der Woche)
  • Enn des Mounts (dt.: Ende Monat)

Eine Besonderheit des Luxemburgischen ist die häufige Ergänzung der Familiennamen durch -s, -sen oder -schen vor dem Vornamen wodurch ein Genetiv gebildet wird. Diese Form ist auch im Deutschen gebräuchlich allerdings eher in einer gehobenen Ausdrucksweise.

Bei Singular und Plural ist der Singular unmarkiert, d.h. es gibt nur eine Pluralendung jedoch keine Singularendung. Im Plural wird unter den Geschlechtern nicht unterschieden.

Nominativ Akkusativ Dativ
1 Singular ech mech mir (mer)
2 Singular du (de) dech dir (der)
3 Singular männlich hien (en) hien (en) him (em)
3 Singular weiblich si (se) si (se) hir (er)
3 Singular sächlich hatt (et) hatt (et) him (em)
1 Plural mir (mer) äis/eis äis/eis
2 Plural dir (der) iech iech
3 Plural si (se) si (se) hinnen (en)

Es gibt wie im Deutschen drei Grammatische Geschlechter (Genus): männlich (’’den’’), weiblich (’’d’ ’’) und sächlich (’’d’ ’’). Das Grammatische Geschlecht ist im Luxemburgischen gleich demjenigen in der jeweiligen Hochsprache aus welcher es übernommen wurde. Beispiele: d’ Gare (fr. la gare, dt. der Bahnhof), d’ Bréck (fr. le pont, dt. die Brücke). Das Geschlecht liegt wie in anderen Sprachen nicht immer mit dem Sexus (Sprache). Wie im Deutschen haben Wörter welche im Deutschen auf e enden oft ein weibliches Geschlecht, wies z. B.: d’Kaatz (dt. die Katze), d’Bei (dt. die Biene), d’Blumm (dt. die Blume).

  • Nominativ/Akkusativ
Singular Plural
männlich weiblich sächlich
bestimmt den d' d' d'
bestimmt betont deen déi dat déi
Demonstrativpronomen dësen dës dëst dës
unbestimmter Artikel en eng en
Verneinung keen keng keen keng
Possessivpronomen männlich säin seng säin seng
Possessivpronomen weiblich hiren hir hiert hir
  • Dativ
Singular Plural
männlich weiblich sächlich
bestimmt dem der dem den
bestimmt betont deem där deem deenen
Demonstrativpronomen dësem dëser dësem dësen
unbestimmter Artikel engem enger engem
Verneinung kengem kenger kengem kengen
Possessivpronomen männlich sengem senger sengem sengen
Possessivpronomen weiblich hirem hirer hirem hiren

Adjektive

Es gibt im Luxemburgischen attributive und prädikative Adjektive.

Das Komparativ ist im Luxemburgischen analytisch, d.h. anders als im Deutschen, bleibt das Adjektiv selbst unverändert und wird lediglich durch „méi“ (dt.: mehr) ergänzt. Der Superlativ wird allerdings durch die Endung „-sten“ gebildet. Ausnahmen bilden hier wenige Wörter wie

  • gutt, besser, am beschten (dt.: gut, besser am besten)
  • vill, méi, am meeschten (dt.: viel, mehr, am meisten)
  • wéineg, manner, am mannsten (dt. wenig, weniger, am wenigsten)

oder Ausdrücke wie:

  • eng eeler Dame (dt.: eine ältere Dame)
  • eng gréisser Firma (dt.: eine größere Firma)

Syntax

Der Satzbau (Syntax) ist wie im Deutschen SVO (Subjekt, Verb, Objekt). Im Nebensatz ist die Satzordnung SOV.


Neologismen

Die neuesten Neologismen stammen aus dem Englischen aus den Bereichen der modernen Telekommunikation und Computertechnik. Jérôme Lulling analysierte diese Neologismen in seiner Promotion 2002 und untersuchte sie auf Mutation und Semantik. Er dokumentierte wie das Internet durch Chaträume und E-Mails und die Mobiltelefonie durch SMS das Luxemburgische stark prägten.


Verwendung des Luxemburgischen

 
Straßenschild aus der belgischen Provinz Luxemburg mit französischer und luxemburgischer Schreibung

Die Muttersprache und daher Umgangssprache der Luxemburger ist das Luxemburgische. Auf Luxemburgisch sind auch die Ortsnamen auf den Ortsschildern (als zweite Angabe neben der deutschen bzw. französischen Form) geschrieben. Familiäre und volkstümliche Schriftstücke wie Einladungen und Flugblätter sind zumeist auf Luxemburgisch, während offizielle Bekanntmachungen überwiegend auf Französisch abgefasst sind. Nichts desto Trotz verwenden die Mehrzahl der luxemburgischen Jugendlichen die luxemburgische Sprache, um Kurznachrichten (SMS), E-mails usw. zu verfassen. Die einheimischen Verkäufer in traditionellen Geschäften sprechen zumeist Luxemburgisch; aber auch Hochdeutsch und Französisch werden gesprochen.

Der Schulunterricht in der Primarstufe (1. bis 6. Schuljahr) erfolgt auf Luxemburgisch und Hochdeutsch. Die Alphabetisierung in Luxemburg erfolgt in Hochdeutsch. Französisch wird ab dem 2. Schuljahr gelehrt. Die Schulbücher sind, mit Ausnahmen der Bücher zum französischen Sprachkurs, alle auf Deutsch verfasst. Die Unterrichtssprache ist somit, streng genommen, Hochdeutsch. In der Praxis allerdings bedient sich das Lehrpersonal des Luxemburgischen zur mündlichen Erläuterung des Lehrstoffes.

In der Sekundarstufe (7. bis 13. Schuljahr) wird diese Praxis bis zur 9. Klasse fortgesetzt. Unterrichtssprache ist, bis auf Sprachen- und Mathematikunterricht, Hochdeutsch (und Luxemburgisch). Im klassischen Lyzeum ist die Unterrichtssprache ab der 10. Klasse mehrheitlich Französisch, im technischen Lyzeum bleibt Hochdeutsch die überwiegende Unterrichtssprache. In einem Lehrplan, welcher vom Bildungsministerium (Ministère de l'Éducation nationale et de la Formation professionnelle, kurz MEN) festgelegt wurde, ist jedem Fach eine Unterrichtssprache zugeordnet. Diese verändern sich auch von Stufe zu Stufe (klassisches Lyzeum oder technisches Lyzeum). Im Sekundarunterricht würde das Luxemburgische im Unterricht somit auch weniger benutzt werden als in der Primärschule, dies ist allerdings von der jeweiligen Lehrkraft abhängig. Luxemburgisch als Lehrfach steht bis zum 7. Schuljahr auf dem Lehrplan, in den nachfolgenden Jahren wird auf das Luxemburgische noch oft zur Klärung einzelner Sachverhalte zurückgegriffen.

Im Parlament [1] wurde bis vor dem Zweiten Weltkrieg Hochdeutsch und Französisch gesprochen. Nach dem Krieg trat das einheimische Luxemburgisch an die Stelle des Hochdeutschen. Heute wird Französisch von den Abgeordneten nur noch selten gebraucht, etwa beim Zitieren von Gesetzestexten oder bei protokollarischen Anlässen. Die Parlamentssitzungen sind als Livestream oder über den Astra-Satelliten empfangbar.

Aufgrund des klein gebliebenen, spezifisch luxemburgischen, Wortschatzes greifen die Sprecher bei differenziertem Sprachgebrauch häufig auf französische oder hochdeutsche Lehnwörter zurück. Diese Tatsache wird häufig als Kriterium für die "Nichtsprachlichkeit" des Luxemburgischen angeführt, aber es handelt sich hierbei um eine natürliche Adaptionsbereitschaft, die allen Sprachen eigen ist (vgl. die hohe Anzahl von lateinischen, griechischen, französischen und englischen Elementen im Deutschen (neuer Ausdruck Denglish), die aus allen Epochen der Sprachgeschichte belegt sind).

Belletristik existiert auf (Hoch-)Deutsch, (Mitteldeutsch/)Luxemburgisch und Französisch (siehe jährlich erscheinende Literaturbibliographie).

Es gibt auch eine Wikipedia auf Luxemburgisch.

Geschichte

Für die Luxemburger ist Lëtzebuergesch eines ihrer stärksten nationalen Symbole. Die Sprache ist unabdingbar mit dem Schicksal Luxemburgs verbunden, obwohl sich ein nationales Bewusstsein erst spät, ab dem 20. Jahrhundert, entwickelte. Dies hat zum einen mit seiner Geschichte zum anderen mit der aktuellen Situation in Luxemburg zu tun.

Luxemburg als Spielball zwischen den Großmächten

 
Karte der Teilung Luxemburgs in etwa entlang der Sprachgrenze

Im 15. Jahrhundert endete die Eigenständigkeit Luxemburgs mit dem Verkauf des Landes an Burgund. Seither wechselten sich die europäischen Großmächte als Besatzungsmacht in Luxemburg ab. Dies erklärt sich durch die strategische Lage der Stadt Luxemburg mit ihrer mächtigen Festung zwischen den ewigen Konfliktparteien des Deutschen Reiches und Frankreich.

Die letzte Teilung Luxemburgs

Während der Revolutionskriege fiel Luxemburg abermals an Frankreich. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde am Wiener Kongress über das weitere Schicksal des Landes entschieden. Zusammen mit Belgien wurde es mit den nördlichen Niederlanden zum Vereinigten Königreich der Niederlande vereinigt und zum Großherzogtum erhoben und wird in Personalunion vom niederländischen König regiert. 1830 beteiligte es sich an der Belgischen Revolution gegen die Niederlande. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Land das heutige Luxemburg und die belgische Provinz Luxemburg. Der Großteil der Bevölkerung wollte im neu entstandenen Königreich Belgien verbleiben. Der niederländische König machte allerdings seine Gebietsansprüche in Luxemburg geltend. So wurde 1839 die wallonische (französischsprachige) Westhälfte an Belgien abgetreten, der Rest verblieb in Personalunion mit den Niederlanden. Die Teilung verläuft mehr oder weniger entlang der Sprachgrenze, so daß das Land seiner Doppelsprachigkeit entledigt wurde. Erst jetzt konnte sich das Luxemburgische zu einem Nationalsymbol entwickeln da es nun das ganze Land umfasste.

Ein nationales Bewusstsein entstand aber eher zögerlich, da die Bevölkerung unter immenser Armut litt. Luxemburgisch war in dieser Zeit die Sprache des Volkes. Die Reichen und Gebildeten drückten sich eher auf Französisch aus, um ihren höheren Stand zu verdeutlichen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es zudem einige Abgeordnete, die für einen Zusammenschluss mit Belgien warben. Ohne diese Teilung wäre das Luxemburgische vielleicht zugunsten des Französischen verdrängt worden da der Großteil der Bevölkerung Französisch als Muttersprache gesprochen hätte.

1848 bis 1918

In der ersten Verfassung des Landes (1848) wurde Luxemburgisch nicht erwähnt, für den offiziellen Sprachgebrauch gab es Wahlfreiheit zwischen Deutsch und Französisch. Noch im Dezember 1896 wurde in der Abgeordnetenkammer ein Vorschlag von C. M. Spoo abgelehnt, Luxemburgisch als eigenständige Sprache anzuerkennen.

Erst durch die Entdeckung des Eisenerzes und der Industrialisierung des Südens entstanden Stahlkonzerne, die dem Staat erstmals zu Wohlstand verhalfen. Dieser Aufschwung förderte den Stolz der Bevölkerung und sie begann, sich als eigenständige Nation zu fühlen. Die Besetzung durch die Truppen des deutschen Kaisers im Ersten Weltkrieg (1914-1918) verstärkte dieses Gefühl nochmals und schuf endgültig den Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit.

Das Trauma des Zweiten Weltkrieges

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde die Sprache Lëtzebuergesch vom Volk als selbstverständlich angesehen. Dies sollte sich aber durch die Besetzung der deutschen Truppen schlagartig ändern. Der Gauleiter Gustav Simon erhielt von Hitler persönlich den Auftrag, dass Luxemburg sich freiwillig in das Deutsche Reich eingliedern sollte und ließ alles eindeutschen. Das bedeutete, dass jeglicher französischer Einfluss verschwinden musste. Alle Kundgebungen und Texte mussten auf Deutsch verfasst werden. In den Schulen wurde nur noch auf Deutsch unterrichtet. Sogar Vor- und Nachnamen wurden umgeschrieben (z. B. aus dem Namen Louis wurde Ludwig, u.s.w.). Diese Maßnahmen führten zu heftigem Widerstand und mit Lëtzebuergesch konnte man seine Abneigung gegen das Regime bekunden. Gauleiter Simon versuchte, die Luxemburger zu überlisten, indem er am 10. Oktober 1941 eine Personenstandsaufnahme, ein getarntes Referendum, organisierte. Die Nazis glaubten, mit dieser Falle die Luxemburger in das Dritte Reich eingliedern zu können. Man wurde aufgefordert, auf die drei folgenden Fragen zu antworten: Staatsangehörigkeit, Muttersprache, Volkszugehörigkeit.

Mit der Hoffnung, man würde sich für Deutsch entscheiden, konnte man nur mit Deutsch oder Französisch antworten. Die Luxemburger Resistence erfuhr jedoch von dem Plan und forderte die Luxemburger auf, mit dräimol Lëtzebuergesch zu antworten. Bei einem Testlauf antworteten 90 % der Luxemburger mit 3x Luxemburgisch und das Referendum musste abgesagt werden. Diese Blamage bedeutete nicht nur das Ende der steilen Karriere des Gauleiters, sondern stärkte auch den Widerstand in der Bevölkerung. Das machte die Hoffnungen der Nationalsozialisten endgültig zunichte und Simon startete seine Terrorherrschaft, bei der er u.a. die Luxemburger Jugend für die Wehrmacht zwangsrekrutieren ließ. Der Widerstand der Bevölkerung gipfelte schließlich in dem Generalstreik von 1942. Der Streik wurde brutalst niedergeschlagen und wahllos ausgesuchte Streikende vom Standgericht zum Tode verurteilt.

Nachkriegszeit bis heute

Die Erlebnisse des Zweiten Weltkrieges und insbesondere die zwanghafte "Verdeutschung" förderten die vermehrte Aufnahme französischer Ausdrücke in die Luxemburger Sprache und festigten die Sprache Lëtzebuergesch endgültig als nationales Symbol. Ein nach der Befreiung von 1944 unternommener Versuch, das Luxemburgische durch Einführung einer lautgetreuen "Orthographie Luxembourgeoise Officielle" (OLO) rechtschreiblich vom Deutschen abzukoppeln und so auch äußerlich als eigenständige Nationalsprache zu gestalten, scheiterte allerdings. Soweit in Büchern und Periodika das Luxemburgische als Schriftsprache verwendet wurde, hielt man sich in der Regel auch weiterhin an traditionelle, im 19. und frühen 20. Jahrhundert hauptsächlich für lyrische und epische Literatur in Gebrauch gekommene Rechtschreibvarianten, die sich mehr oder minder eng an das als Schriftsprache vertraute und auch nach 1944 weiterhin an den Schulen gelehrte "Hochdeutsche" anlehnten. Die luxemburgische Regierung trug dieser Tendenz Rechnung, indem sie 1976 die unbeliebte OLO endgültig kippte und eine luxemburgische Schulorthographie einführte, die sich wieder stärker an deutschen Schreibkonventionen orientiert (einschließlich solcher "typisch deutscher" Eigenheiten wie der Groß- und Kleinschreibung).

Durch die Anwerbung italienischer (um die Jahrhundertwende) und portugiesischer Bürger (60er), die Entstehung des Bankenwesen und die Politik der Grenzgänger seit Anfang der 90er, entstand in Luxemburg eine multikulturelle Gesellschaft (39,0 % Ausländer), in der viele verschiedene Sprachen gesprochen werden. Neben dem Lëtzebuergesch dient vor allem das Französische als lingua franca zur Verständigung zwischen "Autochthonen" und "Migranten" in Luxemburg.

Um die luxemburgische Identität zu wahren, werden sich die Luxemburger der kulturellen Bedeutung ihrer Sprache immer bewusster. Luxemburgisch wird vermehrt durch den Staat und in den Medien gefördert. Die neuen Medien tragen dazu bei, dass auch Jugendliche vermehrt auf Luxemburgisch schreiben. Nach einer Studie des Eurobarometer 2005 gaben 73 % der luxemburgischen Bevölkerung an, Luxemburgisch als Muttersprache zu sprechen.

Eine luxemburgische Eigenart ist, dass in manchen Geschäften damit geworben wird, dass man bei ihnen auch Luxemburgisch spricht, da in vielen Geschäften des Landes fast ausschließlich belgische und französische Angestellte arbeiten. Ein hoher Anteil dieser Angestellten sind Grenzgänger für die das Erlernen der Sprache keinen oder wenig Sinn macht. Somit gilt der Trotz, mit dem manche Luxemburger ihre Sprache verteidigen, mittlerweile mehr der französischen als der deutschen Sprache. Trotzdem sind sich die Luxemburger der patriotischen Bedeutung ihrer Sprache während des Zweiten Weltkrieges bewusst. Dies ist einer der Gründe, weshalb sie bis heute jeder Art von Verdeutschung widerstreben (z.B. wenn die luxemburgische Sprache als ein deutscher Dialekt bezeichnet wird, da sie ein gemeinsames Dialektkontinuum bilden).

Presse und Medien

Die in Luxemburg landesweit empfangbaren Fernseh- und Radioprogramme von RTL Lëtzebuerg und T.TV (auch europaweit über den Astra-Satelliten und als Livestream im Internet) senden auf Luxemburgisch und tragen so zur Standardisierung und Fortentwicklung der Sprache bei.

Die Presse, z. B. die Tageszeitungen Luxemburger Wort, Tageblatt oder Lëtzebuerger Journal benutzen überwiegend die hochdeutsche Schriftsprache, enthalten aber auch Artikel auf Französisch und Luxemburgisch. Letzteres wird vor allem für Kommentare und Glossen, Lokalnachrichten, Familienanzeigen und Werbung gern verwendet; Französisch findet sich besonders oft in den Wirtschafts- und Kulturteilen. Ferner gibt es drei ausschließlich französischsprachige Zeitungen, die Wochenzeitung «Le Jeudi» und die Tageszeitungen «La Voix du Luxembourg» und «Le Quotidien», die sich vor allem an die ausländische französischsprachigen Leser richten. Das Nachrichtenportal von RTL Lëtzebuerg ist dagegen komplett auf Luxemburgisch. Im Großherzogtum Luxemburg werden 85 % aller Artikel in Printmedien in Deutsch, nur 12 % in Französisch und lediglich 3 % in Luxemburgisch veröffentlicht. Luxemburger sehen überwiegend deutsches Fernsehen.

Sprachbeispiele

Luxemburgisch Hochdeutsch Französisch
Moien Guten Tag Bonjour
Äddi Auf Wiedersehen Adieu
wann ech gelift bitte s'il vous plaît
merci danke merci
Lëtzebuerg Luxemburg Luxembourg
jo ja oui
neen nein non
propper sauber propre
Prabbeli Regenschirm parapluie
Forschett Gabel fourchette

Für die linguistische Klassifikation bedeutsame Wörter, die die Lage des Luxemburgischen im Rheinischen Fächer definieren:

Luxemburgisch Standarddeutsch Lage im Rheinischen Fächer nörd./südl. Wortpaar
ech ich südlich der Uerdinger Linie ik/ich
maachen machen südlich der Benrather Linie maken/machen
Duerf Dorf südlich der Bad Honnefer Linie Dorp/Dorf
tëschent (südlux.), zwëschent (nordlux.) zwischen auf der Linzer Linie tussen/zwischen
op auf nördlich der Bad Hönninger Linie op/auf
Kuerf Korb nördlich der Bopparder Linie Korf/Korb
dat das nördlich der St. Goarer Linie dat/das
Apel Apfel nördlich der Speyerer Linie Appel/Apfel

Literatur

Auf Deutsch

  • Guy Berg: „Mir wëlle bleiwe wat mir sin“. Soziolinguistische und sprachtypologische Betrachtungen zur luxemburgischen Mehrsprachigkeit. (= Germanistische Linguistik; Bd. 140). Tübingen 1993, ISBN 3-484-31140-1
  • Bertrang, A. Grammatik der Areler Mundart. Bruxelles, 1921. --CharlesElie 12:23, 14. Aug 2006 (CEST)
  • BRUCH Robert, Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, Luxembourg, Publications scientifiques et littéraires du Ministère de l'Éducation nationale, 1953, vol. I; Das Luxemburgische im westfränkischen Kreis, Luxembourg, Publications scientifiques et littéraires du Ministère de l'Éducation nationale, 1954, vol. II.
  • Liette Derrmann-Loutsch: Deutsch-Luxemburgisches Wörterbuch. Éditions Saint-Paul, Luxemburg 2004, ISBN 2-87963-464-4
  • MOULIN, Claudine an Nübling, Damaris (Erausg.): Perspektiven einer linguistischen Luxemburgistik. Studien zu Diachronie und Synchronie., Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 2006. This book is published with the support of the Fonds National de la Recherche
  • J. F. Gangler: Lexikon der Luxemburger Umgangssprache. Hoffman, Luxemburg 1847 (Digitalisat)
  • GILLES, Peter, "Die Emanzipation des Lëtzebuergeschen aus dem Gefüge der deutschen Mundarten", in Zeitschrift für deutsche Philologie 117 (1998), 20-35.
  • Kloss, Heinz. Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. 2., erw. Aufl. ed. Sprache der Gegenwart; Bd. 37. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann, 1978.
  • REMUS, Joscha, Lëtzebuergesch Wort für Wort. Kauderwelsch Band 104. Bielefeld, Reise Know-How Verlag 1997. ISBN 3-89416-310-0


Auf Englisch

  • NEWTON, Gerald (ed.), Luxembourg and Lëtzebuergesch: Language and Communication at the Crossroads of Europe, Oxford, 1996, ISBN 0-19-824016-3.

Auf Französisch

  • BRAUN, Josy, et al. (en coll. avec Projet Moien), Grammaire de la langue luxembourgeoise. Luxembourg, Ministère de l'Éducation nationale et de la Formation professionnelle 2005. ISBN 2-495-00025-8.
  • Bruch, Robert. Précis populaire de grammaire luxembourgeoise. Luxemburger Grammatik in volkstümlichem Abriss. 3e éd. / rev. par Léon Senninger. Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde; Nr. 10. Luxembourg: Section de linguistique de l'Institut Grand-Ducal, 1973.
  • Lulling, Jérôme. La créativité lexicale en luxembourgeois, Promotion, Université Paul Valéry Montpellier III, 2002
  • SCHANEN, François, Parlons Luxembourgeois, Langue et culture linguistique d'un petit pays au coeur de l'Europe. Paris, L'Harmattan 2004, ISBN 2-7475-6289-1.
  • SCHANEN, François, Recherches sur la syntaxe du luxembourgeois de Schengen: l'énoncé verbal. Thèse Paris IV. 1980. --CharlesElie 12:23, 14. Aug 2006 (CEST)
  • SCHANEN, François / ZIMMER, Jacqui.1,2,3 Lëtzebuergesch Grammaire. Band 1: Le groupe verbal. Band 2: Le groupe nominal. Band 3: L'orthographe. Esch-sur-Alzette: éditions Schortgen, 2005-2006
  • Gilbert Sondag, Josiane Kartheiser, Henry Wickens: Parler Luxembourgeois / Esou Schwaetze mir / Living Luxembourgish. Editions Le Phare, Esch-sur-Alzette 1996

Luxemburgisch

  • L wei Lëtzebuergesch. Lëtzebuergesch fir all Dag. Centre de Langues Luxembourg, Unterrechtsministaer Letzebuerg, provisoresch Editioun 1993
  • Lëtzebuergesch: Quo Vadis? Actes du cycle de conférences. Hrsg. v. Projet Moien!, Sproochenhaus Wëlwerwolz. Mamer, Wilwerwiltz 2004, ISBN 2-87996-855-0 (dreisprachig lb, de, fr)

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Wiktionary: Luxemburgisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einführungen in die Orthographie

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