Jamchad war ein Staat des Vorderen Orients, der im ausgehenden 19. Jahrhundert v. Chr. erstmalig in den Quellen erwähnt wurde und bis mindestens in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts existierte.
Geographie und Wirtschaft
Seine Hauptstadt war Halab, das heutige Aleppo. Sein unmittelbares Herrschaftsgebiet und sein Einflussbereich, die nicht für alle Zeitpunkte der Geschichte klar zu ermitteln und voneinander zu unterscheiden sind, lagen im Wesentlichen in den nördlichen Regionen des heutigen Syrien sowie im den südöstlichen Teilen der heutigen Türkei. Damit umfassten sie große Teile des Nordens des fruchtbaren Halbmondes, was sicherlich auch ein Grund für Jamchads Prosperität und Vormachstellung über anderthalb Jahrhunderte hinweg war. Hinzu kam seine Lage als Bindeglied zwischen Mesopotamien und dem Mittelmeerraum. Über Halab verliefen die Handelsrouten, auf denen Waren wie beispielsweise Kupfer aus Zypern oder Luxusgüter aus der Ägäis nach Mesopotamien gebracht wurden. In Jamchad produziertes Getreide wurde in Richtung Osten und Westen exportiert, spezielle Jamchad-Textilien waren auch im Ausland gefragt.
Aufstieg und Blüte
Neben seiner Stellung als zentrale Kultstätte des weithin verehrten Wettergottes Hadad wird es wohl die Rolle als Handels- und Umschlagplatz gewesen sein, die Halab zu einer größeren Bedeutung innerhalb seiner Region verholfen hat. Diese Bedeutung scheint in den Quellen erstmals auf, als sich im ausgehenden 19. Jahrhundert einige syrische Fürstentümer unter der Führung des Sumu‘epuh von Jamchad der Oberhoheit Maris widersetzten, die König Yahdun-Lim von Mari bei seinem Eroberungszug in Richtung Mittelmeer tributpflichtig gemacht hatte.
Sumu‘epuhs Nachfolger Yarim-Lim I. musste sich einer Koalition erwehren, die Schamschi-Adad I. von Assyrien mit Ishhi-Adad von Qatna geschmiedet hatte. Der Zeitpunkt, als es ihm zusammen mit Zimri-Lim gelang, den in Mari residierenden assyrischen Vizekönig nach dem Tode Schamschi-Adads aus dieser Stadt zu vertreiben, ist sicherlich als der Zeitpunkt zu betrachten, ab dem Jamchad als arrivierte Macht im syrischen Raum zu betrachten ist. Häufig wird in diesem Zusammenhang der Brief des Beamten Iturasdu an Zimri-Lim (veröffentlicht in Georges Dossin: Syria 19, Paris, 1938, S. 117f.) zitiert, der Jamchad für den Zeitpunkt von etwa 1770 als den mächtigsten der damals mächtigen vorderasiatischen Staaten Mari, Babylon, Larsa, Eschnunna und Qatna ausweist. Yarim-Lim und dessen Nachfolger Hammurabi I. von Jamchad erscheinen in den Quellen auch als Verbündete des Hammurabi von Babylon. Unter einem dieser beiden Jamchad-Könige dehnte der Staat seine Macht bis an den Belich (Balikh) aus. Abba‘el, der Sohn und Nachfolger Hammurabis von Jamchad, musste jedoch einen Aufstand in dieser Region niederschlagen, der mit der völligen Zerstörung seines Zentrums, der Stadt Irrite, endete.
Für die Rekonstruktion Geschichte Jamchads vom ausgehenden 18. Jhdt. bis etwa 1650 sind wir hauptsächlich auf die nicht sonderlich ergiebigen Quellen aus Alalach angewiesen, wo eine Seitenlinie des Herrscherhauses von Aleppo unter der Oberhoheit Halabs regierte. Immerhin wird aus diesen Quellen deutlich, dass die Vorherrschaft Jamchads in diesem Zeitraum niemals ernsthaft angefochten wurde, auch wenn das Erstarken hurritischer Fürstentümer im Osten die eine oder andere Auseinandersetzung mit sich gebracht haben mag.
Die Hethitereinfälle und die Folgezeit
Der Hethiterkönig Hethiterkönig Hattušili I. unternahm kurz nach 1650 einen Feldzug in Richtung Westen. Dabei unterwarf er unter anderem auch Gebiete aus der Interessensphäre Jamchads und zerstörte das Jamchad unterstehende Alalach. Als Hattuschili drei Jahre später einen erneuten Vorstoß nach Westen unternahm, war es wieder Jamchad, das an der Spitze einer nordsyrischen Koalition stand, die sich mit den hethitischen Streitkräften bei Hashuwa (Hashum) eine Schlacht lieferte. Die Syrer verloren diese Schlacht. Die Hadad-Statue wurde von den Hethitern mitgenommen, und der Hadad-Kult in Hatti eingeführt, um sich der Macht der Gottheit zu versichern, die Jamchad für lange Zeit zu einem – auch aus hethitischer Sicht – mächtigen Staat gemacht hatte. Schließlich gestanden die Hethiter Jamchad den Titel „Großkönigtum“ zu, den sie neben ihrem eigenen kaum einem anderen Reich zubilligten. In dem Edikt, in dem Hattuschili die Thronfolge seines Adoptivsohnes Muršili I. festschrieb, wurde letzterem das aufgetragen, was ersterer noch nicht geleistet hatte: die Unterwerfung Halabs. Diese Aufgabe erfüllte Murschili denn auch. Es war etwa um diese Zeit, als der Name Jamchad letztmalig in den Quellen auftaucht.
Es ist jedoch keineswegs sicher, dass die Existenz des Staates hiermit ihr Ende fand. Daraus, dass die lakonischen hethitischen Nachrichten von „Unterwerfung“ sprechen, kann man schließen, dass Jamchad nicht zerstört wurde. Halab war, wenn überhaupt, nur wenige Jahrzehnte vom Hethiterreich abhängig, hethitische Quellen äußern sich hierzu interessanterweise nicht. Entscheidend ist, dass mit der Zerstörung Alalachs und dem hethitischen Rückzug nach dem Niedergang des Althethitischen Reiches uns die Quellengeber wegbrechen, die uns über die Geschichte Jamchads der vorangegangenen Jahrzehnten informiert haben. Die Archive der Könige von Jamchad liegen bislang noch unentdeckt irgendwo im Boden des heutigen Aleppo. Die Inschrift auf der heute im British Museum zu sehenden Skulptur des Idrimi lehrt uns, dass Halab am Ende des 16. Jahrhunderts neben den westlich gelegenen Ländern Niya, Ama‘u und Mukisch auch – wie schon 150 Jahre zuvor – Alalach beherrschte. Sie lehrt uns aber auch, das Halab zu einem nicht sicher zu ermittelnden Zeitpunkt von Mitanni unterworfen wurde.
Literatur
- Erich Ebeling, Bruno Meissner u. a. (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie (und vorderasiatischen Archäologie). Berlin, Leipzig 1932-2005 (bisher 10 Bde.)
- Horst Klengel: Geschichte und Kultur Altsyriens. Leipzig 1979
- Kay Kohlmeyer, Eva Strommenger u. a.: Land des Baal: Syrien - Forum der Völker u. Kulturen . Mainz 1982
- Horst Klengel: Syria: 3000 to 300 B.C. Berlin 1992
- Michael Roaf: Mesopotamien. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998
- Abraham Malamat: Mari and the Bible. Leiden 1998