Die Schweiz wurde während des Zweiten Weltkriegs nicht durch eine Invasion in Mitleidenschaft gezogen. Wirtschaft, Gesellschaft und Zeitgeschehen waren jedoch stark vom Krieg betroffen. Insbesondere dadurch, dass die Schweiz zeitweise vollständig von den Achsenmächten umschlossen war. Die Regierung (und Armeeführung) mussten Neutralität und Souveränität wahren, möglichst ohne eine der Kriegsparteien zu brüskieren. Nach Kriegsende wurde dies zum Teil als illegitime Kooperation mit den Nazis verstanden.
Die Schweiz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
Politik
Die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs
Allgemein
Die Schweiz berief sich während des Zweiten Weltkriegs auf ihre bewaffnete Neutralität und ordnete die allgemeine Mobilmachung am 1. September 1939 an.
Im Norden, Osten sowie im Süden von den Achsenmächten eingeengt, versuchte man mit Rationierung und systematischer Nutzung von u.a. Grünflächen, wie Fussballplätzen (Plan Wahlen), der Lebensmittelknappheit zu begegnen. Mehrmals planten die Achsenmächte eine Invasion der Schweiz: Operation Tannenbaum. Dies wurde aber infolge der Ereignisse auf dem europäischen Kriegsschauplatz nie umgesetzt. Allerdings kam es zu einigen Spionage- und Sabotageakten von deutscher Seite.
Regierung während des Kriegs
- 1939 – Philipp Etter
- 1940 – Marcel Pilet-Golaz
- 1941 – Ernst Wetter
- 1942 – Philipp Etter
- 1943 – Enrico Celio
- 1944 – Walter Stampfli
- 1945 - Eduard von Steiger
Innenpolitische Lage
Vor allem in der Deutschschweiz gab es Kräfte, welche die Ideen der Nationalsozialisten mehr oder weniger unterstützten. In der Schweiz waren sie unter dem Namen Frontisten organisiert; sie stellten zeitweise Stadtparlamentarier in Zürich. Ihr Wappen war ein Schweizerkreuz mit bis an den Rand gehenden weissen Balken.
Bei Kriegsausbruch hoffte man noch auf ein baldiges Kriegsende. Im Mai 1940 überstürzten sich die Ereignisse, die Situation wurde bedrohlicher und die Bevölkerung ängstigte sich je länger desto mehr. Insbesondere aus folgenden Gründen:
- 1940 überrannten Armeen Hitlers neutrale Länder wie die Niederlande, Belgien und Luxemburg innerhalb weniger Tage. Auch die Schweizer befürchteten daher einen Einmarsch der kriegführenden Staaten.
- Die Französische Armee, welche als stärkste ganz Europas galt, wurde durch den deutschen Blitzkrieg innerhalb eines Monats überrollt.
- Es kam zu Sabotageakten und Truppenaufmärschen an der Schweizer Grenze. Erst im Nachhinein wurde bekannt, dass diese inszenierten Aufmärsche Teil der deutschen Propaganda waren.
- Die umstrittene Radioansprache vom 25. Juni 1940 des damaligen Bundespräsidenten Marcel Pilet-Golaz wurde von vielen als voreilige Anpassung oder gar Unterwerfung an Deutschland gedeutet.
General und Oberbefehlshaber der Schweizer Armee wurde am 30. August 1939 durch Parlamentsbeschluss Henri Guisan (1874-1960), zuvor Kommandant eines Armeekorps.
General Guisan bemerkte schnell, dass die Moral bei der Truppe auf einem Tiefpunkt war und es jederzeit zur Meuterei hätte kommen können. Als patriotischen Akt lies er alle Stabsoffiziere zusammenkommen. Er hätte keinen sinnbildlicheren Ort wählen können als das Rütli. Auf dieser "heiligen" Wiese soll durch den ewigen Schwur 1291 die Eidgenossenschaft entstanden sein. Auf genau dieser Wiese wollte der General nun am 25. Juli 1940 erneut den Kampfgeist mobilisieren und den Menschen im Land neuen Mut geben. Der Rütlirapport verfehlte seine psychologische Wirkung nicht. Er gilt noch heute als ein Wendepunkt der Schweizer Geschichte und als Beispiel, wie man Bevölkerung und die Truppen wieder ermutigen kann.
Anrainerstaaten der Schweiz
- Deutschland ab 1. September 1939 (Überfall auf Polen) im Krieg
- Frankreich erklärte Deutschland am 3. September 1939 den Krieg. Ab Mai 1940 Angriff durch Deutschland. Kapitulation nach einem Monat.
- Österreich ab 12. März 1938 an Deutschland angeschlossen
- Italien ab 1922 faschistisch (Mussolini)
- Liechtenstein blieb wie die Schweiz neutral und blieb unversehrt.
Militärische Ausgangslage 1939
Nach der Mobilmachung am 2. September 1939 rückten etwa 450'000 Soldaten zum Aktivdienst ein. Ausserdem wurden ca. 10'000 Frauen zum sogenannten militärischen Frauenhilfsdienst (FHD) eingezogen.
Vielerorts fehlte es an Waffen, Munition und Ausrüstung. Besonders prekär war die Lage bei den Fliegertruppen. Die 21 Staffeln bestanden zu einem grossen Teil aus veralteten Maschinen und fünf Staffeln verfügten nicht einmal über eigene Flugzeuge. Vor dem Krieg kaufte aber die Armee in Deutschland noch eine stattliche Zahl hochmoderner Messerschmitt-Jäger. In eigenen Fabriken begann man zudem mit der Lizenzproduktion französischer Morane-Saulnier-Jäger. Auch heimische Jagdbomber und Aufklärer füllten nach und nach die Lücken in der Luftverteidigung.
Nicht viel besser sah es beim Heer aus. Es fehlte vor allem an Panzerabwehrmitteln. Eigene Kampfpanzer fehlten praktisch völlig. Die Armee war 1939 so gut wie nicht motorisiert, was Verschiebungen sehr kompliziert machte. Eine so statische Armee hätte im Mittelland einem hochgerüsteten Gegner wie Deutschland nicht viel entgegen zu setzen gehabt. Das erkannte auch die Armeeführung angesichts der Blitzkriege in Polen, Holland, Belgien und Frankreich.
Bei der Wehrmacht wurde überlegt, ob die französische Grenzsicherung (Maginot-Linie) südlich, über die Schweiz, umgangen werden könnte. Konkrete Angriffspläne wie der Plan Operation Tannenbaum entstanden erst während und nach dem Einmarsch in Frankreich im Juni 1940. Die Absicht in diesen Operationsplänen war es, das Schweizer Mittelland als Durchgangsachse nach Südfrankreich zu benutzen. Italienische Pläne sahen einen Einmarsch über die Pässe Splügen und Simplon vor.
Das Réduit
Als die Kriegsgefahr im Frühling 1940 am grössten war, sah man sich vor grosse Probleme gestellt:
- Die Verteidigungslinie an der Nordgrenze entlang des Rheins würde höchstens einige Stunden oder wenige Tage standhalten.
- Im relativ flachen Mittelland mit dem dichten Strassennetz hätten die deutschen Panzerverbände innerhalb weniger Tage die Schweizer Truppen überrannt.
- Um eine einigermassen vollumfängliche Verteidigung der Aussengrenzen sicher zu stellen, hätte die ganze Armee auf unbestimmte Zeit mobilisiert bleiben müssen.
Tausende von Männern fehlten folglich aber in Fabriken und auf Bauernhöfen. Die Frauen mussten während dieser Zeit die Lücken füllen.
Angesichts der schier unlösbaren Aufgabe, das gesamte Territorium langfristig zu verteidigen, musste der Oberbefehlshaber Guisan einen mutigen Entschluss fassen. Man erkannte schnell, dass die Alpen am einfachsten zu verteidigen wären. Daher wählte man diese als Rückzugsfestung für die Armee. Die Idee des Réduit aus dem 19. Jahrhundert wurde von General Guisan erweitert und umgesetzt.
Das Mittelland im Norden wäre natürlich nicht kampflos den Deutschen überlassen worden, sondern man wählte eine gestaffelte Verzögerungstaktik mit mehreren Ablauflinien. Die erste Verteidigungslinie blieb die Grenze am Rhein. Dort entstanden unzählige Bunker und Artilleriestellungen, um die potentiellen Übergänge mit Feuer zu belegen. Mit dieser Linie wollte man Zeit gewinnen, um Teile der Armee zu formieren und die Bevölkerung sowie Vorräte, Verwaltungen etc. in die vorbereitete Alpenfestung zu evakuieren. Um den gegnerischen Vormarsch durch das Mittelland verlangsamen zu können, wurden Brücken, Fabriken, Tunnels etc. zur Sprengung vorbereitet.
Eine grosse strategische Bedeutung liess der General der sogenannten Limmatstellung zukommen. Die Linie verlief von Süd-Ost (Sargans) nach Nord-West entlang vom Walensee-Linthkanal-Zürichsee mit der Stadt Zürich Limmatabwärts, dann über den Jura (Bözberg und Hauenstein) bis zum Gempenplateau (bei Basel). Dort erhoffte man, den deutschen Vormarsch für einige Zeit zu stoppen. So wurden an dieser Linie drei leichte Brigaden in Stellung gebracht und tausende Geländeverstärkungen errichtet. Städte wie z.B. Dietikon oder Sargans wurden aufgrund ihrer Lage im Schlüsselgelände verstärkt oder gar zu Festungen ausgebaut.
Die grössten baulichen Massnahmen wurden jedoch in den Alpen vorgenommen. Besonders die grossen Täler, welche sich zum Mittelland hin öffneten, wurden mit massiven Sperren und Festungen gesichert. So entstanden Festungen im Rhonetal bei Martigny VS (St-Maurice) oder im Rheintal bei Sargans. Unzählige Stollen und Tunnel wurden in die Berge getrieben. Es entstanden Artillerieforts, Unterkünfte, Flugzeugunterstände, Spitäler, Lagerkavernen etc. Die Nordfront des Réduit konnte nach der Vollendung lückenlos von Sargans bis St-Maurice mit dem Feuer der Festungsartillerie belegt werden. Im Kalten Krieg wurden diese Anlagen noch weiter ausgebaut und selbst heute sind noch einige dieser Anlagen in Betrieb.
Es gab in der Armeeführung auch Gegner des Réduitplans. Unter anderem sprachen folgende Gründe gegen das langfristige Gelingen des Planes:
- Die wichtigsten Industrieanlagen, Banken, Eisenbahnen, etc. sowie rund dreiviertel der Fläche und Bevölkerung fallen den Deutschen in die Hände. Die Soldaten würden vielleicht über Jahre in den Alpen festsitzen ohne Kontakt zu ihren Familien im besetzten Mittelland.
- Mit einer Hilfe der Allierten (z.B. durch eine Luftbrücke) wäre nicht zu rechnen gewesen.
- Es wäre eine Frage der Zeit, bis Munition und Nahrung knapp würden.
Kriegswirtschaft
Hauptproblem blieb während des ganzen Kriegs die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern. Die Schweiz verfügt praktisch über keine eigenen Rohstoffe und muss alles importieren. Als Binnenland verfügt die Schweiz über keinen eigenen Zugang zum Meer und man musste Kohle, Erdöl, Kautschuk, Erz, etc. durch die von den Achsenmächten besetzten Gebiete transportieren. Diese Versorgungswege waren äusserst unsicher und im Falle eines Kriegsausbruches unterbrochen. Auf den Weltmeeren kreuzte eine stattliche Flotte von Handelsschiffen schweizerischer Reedereien um Rohstoffe nach Europa zu bringen und diese z.B. von Genua per Bahn in die Schweiz zu transportieren. Im Gegenzug ließ die Regierung Deutsche Güterzüge auf der Nord-Süd Achse durch den Gotthard zwischen Italien und Deutschland verkehren.
Aus heutiger Sicht ist das neutralitätspolitsch umstritten; damals war die Versorgung mit Gütern für das Land aber lebensnotwendig. Die wenigen verfügbaren Rohstoffe wurden von Beginn des Krieges an streng rationiert und flossen vor allem in die Rüstungsindustrie. Diese machte im Verlauf des Krieges enorme Fortschritte und konnte die Armee mit immer besserem Material ausrüsten. Besonders moderne Panzer- und Fliegerabwehrkanonen sowie Maschinengewehre wurden produziert. Während die Schweiz nach Deutschland vorwiegend Nahrungsmittel exportierte, tätigte sie mit den Alliierten Rüstungsgeschäfte.
Die vorwiegend weibliche Bevölkerung stellte man durch die Rationierung auf eine harte Probe. Durch die sogenannte Anbauschlacht, auch Plan Wahlen genannt, fehlte es allerdings nie an Grundlebensmitteln. Dazu wurden alle verfügbaren Grünflächen, Sportplätze, etc. zu Getreide- und Kartoffelfeldern umgenutzt.
Infolge des Benzin- und Gummimangels kam der damals ohnehin noch bescheidene Automobilverkehr praktisch vollständig zum Erliegen.
Weil die Schweiz keine eigenen Kohlevorräte hat, war mit der Elektrifizierung des Bahnnetzes bereits vor dem Krieg begonnen worden. Bis 1945 wurde praktisch das gesamte Netz elektrifiziert und in den Bergen wurden zahlreiche Wasserkraftwerke zur Stromgewinnung gebaut.
Luftraumverletzungen
Die Schweizer Armee war im Zweiten Weltkrieg in Luftkämpfe mit der deutschen Luftwaffe verwickelt. So kam es 1940 während des Frankreichfeldzugs häufig zu Überflügen deutscher Kampfflugzeuge. Die Schweizer schossen einige deutsche Maschinen ab, worauf der Chef der Deutschen Lufwaffe Hermann Göring sehr verärgert reagierte. Der Schweizer Regierung wurden Sanktionen und massive Vergeltung angedroht. Darauf lies General Guisan bis zum Oktober 1943 Luftkämpfe grundsätzlich verbieten. Ein sicherlich nicht unumstrittener Entscheid.
Es wurden aber auch Bomber der USA abgefangen, die sich verirrt hatten oder sich schwer beschädigt in die Schweiz retteten, da sie ein Internierungslager einer Kriegsgefangenschaft in Deutschland oder in Italien vorzogen. Alarmpatrouillen der Schweizer Fliegertruppe stiegen auf und geleiteten die Bomber zu Flugplätzen. Wenn die Bomber nicht kooperierten oder gar das Feuer eröffneten, wurden die Maschinen abgeschossen. Dabei starben auch amerikanische Besatzungen.
Aufgrund schlechter geographischer Kenntnisse bei den Amerikanern kam es wiederholt zu irrtümlichen Bombardierungen von Schweizer Städten und Bahnlinien. Amerikanische Luftangriffe gab es besonders in Grenznähe, doch auch Städte wie Basel (speziell Güterbahnhof Wolf) Zürich (speziell Industriequartier Oerlikon) wurden getroffen. Besonders stark getroffen wurden Schaffhausen (Altstadt, Bahnhof und Industrie bei Neuhausen) am 1. April 1944 (40 Tote) und Stein am Rhein am 22. April 1945 (9 Tote). Inwieweit diese Bombardierungen irrtümlich geschahen oder als Warnung der Schweiz durch die Alliierten zu sehen waren ist immer Gegenstand von Spekulationen.
Asyl- und Flüchtlingspolitik
Die Schweiz nahm während des Kriegs viele zivile und militärische Flüchtlinge und Emigranten auf. So traten allein zwischen dem 19. und 20. Juni 1940 rund 40'000 Mann der geschlagenen französischen Armee im Jura über die Grenze und mussten interniert werden. Insgesamt nahm die Schweiz während des Kriegs - bei einer Gesamtbevölkerung von unter 4 Millionen - rund 275'000 Emigranten und Flüchtlinge auf (Quelle: der Aktivdienst / Ringier Verlag).
Am 13. August 1942 wurden die Grenzen für alle „illegalen“ zivilen Flüchtlinge offiziell geschlossen. Zu dieser Zeit kamen die Flüchtlinge fast nur noch über die genferisch jurassische Grenze, wo dem Beschluss kaum Folge geleistet wurde. Eine computergestützte Studie des Genfer Staatsarchivs aus dem Jahre 2000 ermittelte, dass 86% der „illegalen“ Flüchtlinge und 92% der Flüchtlinge jüdischen Glaubens trotzdem aufgenommen wurden.
Während des gesamten Krieges wurden 51'100 "illegale" zivile Flüchtlinge aufgenommen, von denen 21'300 jüdischer Abstammung waren. Der offizielle Ludwig-Bericht (1957) geht von 10'000 Abgewiesenen, mit einem grossen Anteil Juden, aber auch Sinti, Jenische und Roma, aus. Ein Historiker des Bundesarchivs, Guido Koller, schätzte 1996 30'000 abgewiesene Personen. Seine Schätzungsmethode ist jedoch umstritten. Die Abweisung bedeutete für viele zurück in den Tod geschickt zu werden, weil die Chance unterzutauchen oder von einem Drittland aufgenommen zu werden, gering war. 1938 weigerten sich an der Konferenz von Evian alle Staaten, inskünftig einen Teil der von der Schweiz aufgenommenen Flüchtlinge zu übernehmen.
Mutige Schweizerinnen und Schweizer, welche gegen die damaligen Gesetze Fluchthilfe leisteten wurden bestraft und erst viel später rehabilitiert: Carl Lutz rettete als Schweizer Vizekonsul in Budapest über 60'000 Menschen - rund die Hälfte aller überlebenden ungarischen Juden - vor den nationalsozialistischen Vernichtungsaktionen. Nachdem 1995 das Urteil gegen den 23 Jahre vorher verstorbenen Paul Grüninger, der als Polizeihauptmann in St. Gallen 1940 wegen Amtspflichtverletzung verurteilt wurde, aufgehoben wurde, erliess das Schweizer Parlament ein eigenes Rehabilitationsgesetz für Fluchthelfer aus der NS-Zeit. Seither sind mehr als fünfzig verurteilte Passeure aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 rehabilitiert worden. Allerdings erlebten laut den Recherchen der Wochenzeitung WoZ nur zwei von ihnen ihre Rehabilitierung.
Viele Menschenleben wurden durch die Schweizer Asylpolitik gerettet, aber man hätte noch mehr tun können, darin sind sich heutige Historiker rückblickend gesehen einig. Der Spruch "Das Boot ist voll" trifft wohl am besten die Haltung der Behörden. Heute weiss man, dass das Boot doch nicht ganz voll war.
Siehe auch: Judentum in der Schweiz
Die Schweiz als Devisenumschlagplatz
Deutschland, bzw. die Deutsche Reichsbank, konnte ca. 75 Prozent ihrer ins Ausland gehenden Goldtransaktionen über die Schweiz abwickeln. Auf diesem Wege ist es dem NS-Staat gelungen, mit Hilfe von geraubtem Gold aus den besetzten Staaten sowie Schmuck- und Zahngold aus den Vernichtungslagern, Devisen zu beschaffen. Umstritten bleibt, ob und in welchem Umfang die deutsch-schweizerischen Geschäfte halfen, den Krieg zu verlängern.
Die Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg, Aufarbeitung
Außenpolitisch
Die Schweiz war nach dem Sieg der Allierten außenpolitisch isoliert. Die Siegermächte betrachteten die Schweiz als "Kriegsgewinnler", welche mit den Nazis (mehr oder weniger) kooperiert hatten. Mit dem Abkommen von Washington kaufte sich die Schweiz von den Vorwürfen frei: es wurden 250 Mio. SFr. an die USA gezahlt, dafür wurden Schweizer Konten entsperrt und die "Schwarze Liste", auf der Schweizer Unternehmen standen, welche mit den Nazis kooperiert hatten, gelöscht.
Das Prinzip der Neutralität und des "apolitischen Danebenstehens" wurde für die kommenden globalen Probleme als nicht praktikabel erachtet.
Aufarbeitung
Die genaue Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg wurde in den 1990er Jahren mit dem Verfassen des Bergier-Berichts aufgearbeitet. Die historische Expertenkommission unter der Leitung des Lausanner Wirtschaftshistorikers Jean-François Bergier wurde am 12. Dezember 1996 in Bern eingesetzt. Sie hiess offiziell "Unabhängige Expertenkommission" (UEK). Diese Kommission sollte die Verbindungen der Schweiz zu Nazideutschland vor, während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg untersuchen. Insbesondere die Verbindungen zu den Schweizer Banken. Die UEK veröffentlichte in den letzten Jahren mehrere Berichte.
Jüdische Konten auf Schweizer Banken
In der Schweiz deponierte Devisen wurden den Erben von im Holocaust getöteten Personen nicht ausgezahlt, da von den meisten Opfern keine Sterbeurkunden existierten. 1998 wurde ein Vergleich geschaffen, demzufolge Schweizer Banken 1,25 Mrd. Dollar in einen Fonds für die Entschädigung dieser Erben einzahlten.
Wirtschaft
Die Wirtschaft profitierte nach dem Krieg stark davon, dass die Schweiz als (fast) einziges westeuropäisches Land vom Krieg keine materiellen Zerstörungen erleiden musste. Die Bankenbranche erhielt den Ruf, stabil, seriös, diskret und sicher zu sein. Dies führte, insbesondere wegen des Bankgeheimnisses auch dazu, dass viele unrechtmässige Gelder in der Schweiz angelegt wurden. Daher der Mythos des "Schweizer Nummernkontos".
Zukunft
Die Vergangenheitsbewältigung ist noch lange nicht zu Ende. Die jüngeren Generationen betrachten das Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg heute kritischer als frühere Generationen.
Literatur
- Verweigerte Erinnerung: nachrichtenlose Vermögen und die Schweizer Weltkriegsdebatte 1989-2004 Maissen, Thomas. Zürich : Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2005, ISBN 3-03823-046-4
- Der Loskauf der Freiheit : eine politische Meisterleistung : das Überleben der Schweiz im Zweiten Weltkrieg Albers-Schönberg, Heinz. Stäfa : Gut, 2002, ISBN 3-85717-145-6
- Hinschauen und nachfragen - Die Schweiz und die Zeit des Nationalsozialismus im Licht aktueller Fragen Barbara Bonhage u.a. Lehrmittelverlag des Kantons Zürich. 2006. ISBN 3-03713-058-X
- Die Frau in der Schweizer Armee: die Anfänge, Gründung und Aufbau des militärischen Frauenhilfsdienstes während des Zweiten Weltkriegs Signer, Barbara Zürich : Thesis Verlag, 2000 (zugleich Dissertation der Universität Zürich, 1999), ISBN 3-908544-32-7
- Refuge from the Reich : American airmen and Switzerland during World War II Tanner, Stephen Rockville Centre, N.Y. : Sarpedon, 2000, ISBN 1-885119-70-4
- Katholizismus und Antisemitismus : Mentalitäten, Kontinuitäten, Ambivalenzen. Altermatt, Urs. Frauenfeld : Huber Verlag, ISBN 3-7193-1160-0
- "Die Schweiz muss noch geschluckt werden!" Urner, Klaus. 3. Auflage. Zürich : Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1991, ISBN 3-85823-327-7
Bergier-Bericht
- Switzerland, National socialism and the Second World War : final report / Independent Commission of Experts Switzerland - Second World War Jean-François Bergier (Uebersetzungen : Rosamund Bandi)
- Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg : Schlussbericht Unabhängige Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg. Zürich : Pendo, 2002, ISBN 3-85842-601-6
- Erpresste Schweiz : zur Auseinandersetzung um die Haltung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg und um die Berichte der Bergier-Kommission : Eindrücke und Wertungen von Zeitzeugen / eine Gemeinschaftsarbeit des Arbeitskreises Gelebte Geschichte (AGG) Arbeitskreis Gelebte Geschichte (Schweiz)
- Der Inhalt des Bergier-Berichts auf zwanzig Seiten Stamm, Luzi. Aarau : Interessengemeinschaft Schweiz - Zweiter Weltkrieg Geschäftsstelle, 2003
- Die Dämonisierung der Schweizer nach dem Zweiten Weltkrieg Heim-Lauchenauer, Ariste René. Basel : Selbstverlag, 1998
- zusätzlich noch etwa 40 Veröffentlichungen der "Unabhängige Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg" über das Verhältnis Schweiz-Nazideutschland (insbesondere über Geld, Gold, Interaktionen, Transit, Transport, Rechtliche Aspekte, Minderheiten (Juden, Sinti, Jenische) und Flüchtlinge )
- Der Prügelknabe Schweiz Zeller, Heinz. Basel : Buch-Verlag Zeller, 1998, ISBN 3-9521215-1-7
- Die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg : die neuere historische Literatur im Ueberblick Bundesamt für Kultur Schweiz, Bern, 1997.
Bergier-Bericht für die Schule
- Hinschauen und nachfragen - Die Schweiz und die Zeit des Nationalsozialismus im Licht aktueller Fragen Barbara Bonhage u.a. Lehrmittelverlag des Kantons Zürich. 2006. ISBN 3-03713-058-X
Flugzeuge, Luftraum
- Die Messerschmitt Me 109 in der Schweizer Flugwaffe Hoch, Georg. Payerne : G. Hoch, 1999, ISBN 3-905404-10-9
- Schweizer Schlachtfelder III: Schwaderloh, Luftgefechte 1940 Eidgenössische Militärbibliothek und Historischer Dienst (Bern), 2004, ISBN 3-906969-11-8
Reduit
- Geheime Kommandoposten der Armeeführung im Zweiten Weltkrieg. Maurer, Hans-Rudolf. Merker im Effingerhof, Lenzburg (Schweiz) 2001, ISBN 3-85648-120-6
- General Henri Guisan: die schweizerische Armeeführung im Zweiten Weltkrieg. Gautschi, Willi 4., durchges. Auflage. Verlag NZZ, Zürich 2001, ISBN 3-85823-516-4
Schweiz nach dem zweiten Weltkrieg
- Schweizer Sicherheitspolitik seit 1945" Kurt R. Spillmann, A. Wenger (Verlag NZZ, Zürich 2001) ISBN 3-85823-909-7
- Die Schweiz und der Zweite Weltkrieg : zur Resonanz und Dynamik eines Geschichtsbildes anhand einer Analyse politischer Leitmedien zwischen 1970 und 1996 ; Studie im Rahmen des NFP "Aussenpolitik" ; Synthesebericht. Matthias Kunz ; Pietro Morandi. ISBN 3-907148-30-4
Weblinks
- Unabhängige Expertenkomission Schweiz - Zweiter Weltkrieg
- Isolation der Schweiz am Ende des Zweiten Weltkriegs Joël Widmer, Reto Moosmann („Berner Zeitung“ vom 04.05.05)
- Zweiter Weltkrieg geschichte-schweiz.ch
- Aufarbeitung der Geschichte shoa.de
- Die Festungsmuseen der Schweiz