Jürgen Spanuth

deutscher Altphilologe, Pastor und Atlantisforscher
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Jürgen Georg Ferdinand Spanuth (* 5. September 1907 in Leoben, Österreich; † 17. Oktober 1998) war Altphilologe und evangelischer Theologe, der von 1933 bis 1978 in Bordelum an der nordfriesischen Westküste Schleswig-Holsteins als Pastor tätig war. Bekannt wurde er durch seine Atlantis-Theorie.

Die Atlantis - Theorie von Jürgen Spanuth

Spanuth entwickelte die Idee, daß in den platonischen Dialogen Timaios und Kritias erwähnte Inselreich Atlantis habe in der Nordsee in der Gegend der heutigen Insel Helgoland gelegen. Der Untergang dieser alten Hochkultur ist nach Spanuth durch den Einschlag eines Kometen zustande gekommen. Das wird auch erwähnt in dem griechischen Phaeton-Mythos, wie bei den Ägyptern als Sekhmet, in Syrien als Anat, in der Awesta als Tistrya, bei den Germanen als Ragnarök. Diese Katastrophe (ca. 1200 vor unserer Zeitrechnung) zwang die überlebenden Atlanter nach Süden zu ziehen und einen Streifen der Verwüstung bis Athen zu erzeugen - bis zu dem Sturm der Nordseevölker auf Ägypten.

Spanuth finanzierte seine Forschungen durch eigenes Geld und mit beträchtlicher Hilfe von Sponsoren. Er organisierte Tauchfahrten zu den versunkenen Stätten in der Nordsee und fertigte Berichte und Karten über die Funde und Fundorte an. Er suchte die Auswirkungen und Spuren des Meteoriteneinschlags in der Nordsee. Er studierte als gelernter Altphilologe die Mythen und Berichte des Mittelmeers. Mehr als interessant sind die Beziehungen zu den Erzählungen der Israeliten. Gerade der Auszug aus Ägypten war für ihn eine Folge der Machtschwächung Ägyptens durch den Kampf der Nordseevölker. Deshalb sind Phönizier und Philister und die Bewohner des Libanon für seine Geschichtsbildung so wichtig, daß er ihnen später eigene Bücher widmet.

Die Hochkultur der Atlanter ist für Spanuth eine nordeuropäische, "protogermanische" Kultur. Damit vertitt Spanuth eine Meinung, die in der deutschen Wissenschaft auch vor dem Nationalsozialismus vorhanden war.

Heute wird seine Meinung nicht offiziell diskutiert.

Die Atlantis- Erzählungen Platons - eine der wenigen Überlieferungen aus der Frühgeschichte - werden von der Mehrzahl der Altphilologen nicht für eine realen Bericht gehalten.

Die Rezeptionsgeschichte von Spanuths Thesen

Spanuth wurde kurz nach Erscheinen erster Veröffentlichungen von einer Gruppe beamteter Altertumswissenschaftlern lächerlich gemacht. Er wurde zu Vorträgen eingeladen, bei denen er nicht reden, sondern nur der Kritik zuhören durfte. Das waren Veranstaltungen wie sie von dem "anerkannten" Prof. Virchow eingestielt wurden. Die Mehrheit der humanistisch gebildeten (d. h. in Latein und Griechisch studierten) deutschen Wissenschaft wehrte sich gegen Diskussion jeder These, die Hochintelligenz auf "deutschem" Boden postulierte.

Nach diesem unredlichen Umgang mit Spanuths Vorstellungen entwickelten sich in der Wissenschaft zwei Lager, die einen lehnten Spanuths Vorstellungen nach wie vor ab, die anderen scholten ihre Fachkollegen ob des peinlichen unwissenschaftlichen Umgangs mit den Atlantisthesen. Exponierte Fürsprecher für die Atlantistheorie traten allerdings nicht öffentlich auf, denn im Nachkriegsdeutschland werden solche Thesen aus der wissenschaftlichen Diskussion ausgeklammert.

Spanuths Arbeiten werden seither weder ernsthaft kritisiert noch weitergeführt. Sein Bild der Frühgeschichte im Bereich Nordsee bis Mittelmeer ist mit neuen Forschungen nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Spanuths Publikationen in rechten Verlagen

Spanuth erlebte Hitlerdeutschland zwischen seinem 26. und 38. Lebensjahr. In dieser Zeit war er nicht politisch tätig. Er war als Pfarrer tätig und Kriegsteilnehmer. Für später geäußerte Verdächtigungen einer Nähe zum Nationalsozialismus gibt es für diese Zeit keine Hinweise.

Nach dem letzten Weltkrieg entsprach selbst die These einer vor 3000 Jahren existierenden Hochkultur auf deutschem Boden nicht mehr der "political correctness". Um seine in zwanzig Jahren zusammengestellten Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, wandte er sich an Verlage aus dem rechten Verlegerspektrum.

Spanuth wurde nach 1952 wegen seiner Veröffentlichungen in rechten Verlagen von Vereinigungen und Verbänden kritisiert. Er verklagte daraufhin seine Kritiker vor dem Landgericht Flensburg. Die beklagten Kritiker (alle im Rang von Professoren) zogen wegen Unhaltbarkeit ihrer Gegenthesen nach einer Verhandlung vor dem Landgericht Flensburg Ihre Einwendungen zurück.

Bereits 1955 schrieb Spanuth über seine Helgoland-Theorie in der damals noch von dem ehemaligen SS-Sturmbannführer Artur Erhardt geleiteten Zeitschrift "Nation und Europa". Für einen Nachdruck des 1934 von dem NS-Rasseforscher Hans Friedrich Karl Günther herausgegebenen Buches "Die nordische Rasse bei den Indogermanen Asiens" verfasste er das Eingangskapitel über das "Schicksal der Philister und anderer Nordmeervölker". Spanuth war aktives Mitglied in der 1968 von Bolko Freiherr von Richthofen wiedergegründeten Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte. In 60er Jahren veröffentlichte Spanuth mehrere Bücher über Atlantis - mit dem Untertitel "Heimat, Reich und Schicksal der Germanen" -, die Philister und die Phönizier in dem rechten Grabert-Verlag von Wigbert Grabert sowie zahlreiche Aufsätze in der Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" des gleichen Verlages. Seit Ende der 1970er Jahre hielt Spanuth Vorträge auf Veranstaltungen der rechtsextremen Vereinigung "Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG), die ihm 1991 den jährlich von ihnen gestifteten "Schillerpreis" verlieh.

Werke Spanuths

  • Eine Ehrenrettung Platons / Spanuth, Jürgen. - 1. Aufl. - München : Dt. Akad. für Bildung und Kultur, 1992
  • Die Rückkehr der Herakliden : das Erbe der Atlanter ; der Norden als Ursprung der griechischen Kultur / Spanuth, Jürgen. - Tübingen : Grabert, 1989
  • Die Phönizier : ein Nordmeervolk im Libanon / Spanuth, Jürgen. - Osnabrück : Zeller, 1985
  • Stollberg : ein altes friesisches Zentralheiligtum ; Erstveröffentlichung in Jahrbuch des Heimatbundes Nordfriesland, Band 25, Jahrgang 1938 / Spanuth, Jürgen. - [Bredstedt] : M. L. Weisser, 1982
  • Die Philister, das unbekannte Volk : Lehrmeister und Widersacher der Israeliten / Spanuth, Jürgen. - Osnabrück : Zeller, 1980
  • Die Atlanter : Volk aus dem Bernsteinland / Spanuth, Jürgen. - 3. Aufl. - Tübingen : Grabert, 1977
  • Atlantis : Heimat, Reich und Schicksal der Germanen / Spanuth, Jürgen. - Tübingen : Grabert, 1965
  • Das enträtselte Atlantis / Spanuth, Jürgen. - 1. - 8. Tsd. - Stuttg.: Union Dt. Verl.-Ges., 1953
  • Nordfrieslands Bekehrung zum Christentum / Spanuth, Jürgen. - Berlin : Verl. d. Evang. Bundes, 1939
  • ...und doch: Atlantis enträtselt! Eine Entgegnung von Jürgen Spanuth (Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1955).

Kritische Literatur zu Spanuths Thesen

  • Richard Weyl (Hrsg.): Atlantis enträtselt? : Wissenschaftler nehmen Stellung zu Jürgen Spanuths Atlantis-Hypothese. Kiel : Mühlau, 1953.
  • Carl Gripp: Spanuth's Atlantis-Forschungen hielten der Kritik nicht stand. Aus der Heimat 62 Heft 3, 1954, 50-53.
  • Arn Strohmeyer: Roter Fels und brauner Mythos. Eine deutsche Reise nach Atlantis ( Frankfurt (Main) : R. G. Fischer, 1990). ISBN 3894061928.
  • Albert Panten, Atlantis' Untergang, in: Nordfriesisches Jahrbuch, Neue Folge Band 29 1993, Seite 15-51
  • Ingo Wiwjorra: „Ex oriente lux“ - „Ex septentrione lux“. Über den Widerstreit zweier Identitätsmythen. In: Achim Leube / Morton Hegewisch (Hrsg.): Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933-1945. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2 (Heidelberg 2002) 73-106. ISBN 3935025084.