Burschenschaft
Eine Burschenschaft ist eine bestimmte Form des Zusammenschlusses von Studenten und ehemaligen Studenten. Burschenschaften sind eine Sonderform einer Studentenverbindung. Etwa 10-15% (150-200 von 1500-2200) aller studentischen Verbindungen sind Burschenschaften. Fast alle Burschenschaften nehmen nur männliche Mitglieder auf.
Die Burschenschafts-Bewegung entstand in Deutschland seit 1815, griff dann aber weit über den deutschen Sprachraum hinaus nach Mitteleuropa und zog Gründungen ähnlicher Studentengemeinschaften in Polen, Russland, Ungarn und im Baltikum nach sich. Alle heutigen deutschen Burschenschaftsverbände, besonders die Deutsche Burschenschaft, sehen sich in der Tradition der Urburschenschaft und fühlen sich dem Vaterlands-Prinzip verpflichtet.
Im Schriftverkehr wird „Burschenschaft“ oft mit "B!" abgekürzt.
Geschichte
Siehe auch: Geschichte der Studentenverbindungen
Entstehung und Programm

Die Burschenschaften entstanden nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Dabei hatten viele Studenten u.a. im Lützowschen Freikorps mitgekämpft. Sie setzten sich danach in der Zeit des Vormärz für die Abschaffung der deutschen Kleinstaaterei, die Durchsetzung einer demokratischen Verfassung im Rahmen der Monarchie und die Schaffung eines großdeutschen Reiches zum Ziel.
Die am 12. Juni 1815 in Jena gegründete Urburschenschaft bestand aus Gruppen mit nationalen, christlichen und freiheitlichen Ideen. Zu ihren geistigen Wegbereitern gehörten u.a. Ernst Moritz Arndt, "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn und Philosophen wie Johann Gottlieb Fichte.
Sie forderte mit den Werten "Ehre-Freiheit-Vaterland" staatsbürgerliche Verantwortung, ethnische Solidarität und individuelle Freiheitsrechte zugleich ein. Möglich war diese Synthese verschiedener Elemente durch den elitären Ansatz, der in erster Linie die Pflicht des Einzelnen, für das Ganze einzutreten, betonte.
Auszug aus der Verfassungsurkunde der Jenaischen Burschenschaft vom 12. Juni 1815:
Erhoben von dem Gedanken an ein gemeinsames Vaterland, durchdrungen von der heiligen Pflicht, die jedem Deutschen obliegt, auf Belebung deutscher Art und deutschen Sinnes hinzuwirken, hierdurch deutsche Kraft und Zucht zu erwecken, mithin die vorige Ehre und Herrlichkeit unsres Volkes wieder fest zu gründen und es für immer gegen die schrecklichste aller Gefahren, gegen fremde Unterjochung und Despotenzwang zu schützen, ist ein Teil der Studierenden in Jena zusammengetreten und hat sich beredet, eine Verbindung unter dem Namen einer Burschenschaft zu gründen.
Der vaterländische Gedanke war die wichtigste Idee, für die sich sehr viele Studenten begeistern konnten. Um diese Gesinnung der ganzen Welt mitzuteilen, wurde am 17. Oktober 1817 auf der Wartburg bei Eisenach ein Burschenfest gefeiert, an dem etwa 600 Burschen aus ganz Deutschland teilnahmen.
Das Festdatum war bewusst gewählt, um mit der Reformation Martin Luthers zugleich an den Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig zu erinnern. Nach emotionalisierenden Festreden kam es zu einer ungeplanten Bücherverbrennung von Schriften, die als "undeutsch" galten. Verbrannt wurden u.a. Symbole der französischen und der Fürstenherrschaft, der Code Napoleon, und das Buch "Germanomanie" des jüdischen Autors Saul Ascher. Dabei wurde dreifach "Wehe über die Juden!" gerufen.
Diese Bücherverbrennung wurde später unter anderen Vorzeichen von antisemitischen Gruppen und Parteien, vor allem durch die NSDAP kopiert. Vertreter aus der Deutschen Burschenschaft waren 1933 daran führend beteiligt.
Die Versammlung formulierte und beschloss dann gemeinsame Grundsätze und Ziele, um allen deutschen Burschenschaften ein gemeinsames politisches Programm zu geben:
- politische, religiöse und wirtschaftliche Einheit Deutschlands
- Aufhebung der Zollschranken
- Ausbau der Wehrkraft
- Entwicklung der konstitutionellen Monarchie mit vaterländischer Verfassung
- Gleichheit vor dem Gesetz,
- Einführung des Prinzips nulla poene sine lege (Latein: keine Strafe ohne Gesetz)
- Schutz von Freiheit und Eigentum
- Rede- und Pressefreiheit, Freizügigkeit
Das Programm griff also wesentliche liberale Ideen der französischen Revolution auf, obwohl die Burschenschafter diese ablehnten. Sie betteten sie in eine "vaterländische" und "wehrhafte" Monarchie ein.
Die bürgerlichen Rechte finden sich heute in allen europäischen Verfassungen, auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, während die Monarchien fast überall abgeschafft wurden.
Im folgenden Jahr kam es an vielen Universitäten zur Gründung von Burschenschaften, die diese Grundsätze vertraten. Diese verstanden sich anfangs nicht als Vielzahl unabhängiger Burschenschaften, sondern als Teil einer einzigen großen Burschenschaft, die die gesamte Studentenschaft umfassen und alle bisher bestehenden Studentenverbindungen ablösen sollte: der "Allgemeinen deutschen Burschenschaft".
Die Vereinigung wurde letztlich nicht erreicht, da einige Verbindungen ihre alten Traditionen festhielten. Die Corps und Landsmannschaften alten Typs bestanden weiter.
Vom Wartburgfest bis zur Paulskirchenversammlung

1819 ermordete der Burschenschafter Karl Ludwig Sand den Schriftsteller und angeblichen russischen Agenten August von Kotzebue, dessen Werk "Geschichte des deutschen Reichs" beim Wartburgfest auch verbrannt worden war. Daraufhin erließen die im Deutschen Bund versammelten Regierungen strenge Verbote jeder studentischen Organisierung an Hochschulen und anderswo. Diese - nach dem Tagungsort des Bundestages benannten - Karlsbader Beschlüsse gingen maßgeblich auf den Einfluss des österreichischen Staatskanzlers Fürst Metternich zurück. Ihretwegen waren viele Burschenschafter in den nächsten Jahren staatlicher Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt.
Auf dem Hambacher Fest 1832 wurden erstmals die Burschenschaftsfarben Schwarz-Rot-Gold (Couleur) verwendet. Sie wurden zum Symbol der Demokratiebewegung in Deutschland und darum später zur Staatsflagge der Weimarer Republik, der Bundesrepublik Deutschland und auch der DDR.
Nach dieser Zusammenkunft wurden die Staatsverbote komplettiert: Alle politischen Vereine und Versammlungen, Fahnen und Abzeichen, Feste und Reden wurden verboten. Ein Spitzelsystem sorgte für Überwachung aller studentischen Aktivitäten.
Nach der Julirevolution in Paris nahm die deutsche Demokratiebewegung wieder zu. Nach und nach wurden die Verbote wieder gelockert. Viele Burschenschafter waren eine treibende Kraft der Revolution von 1848. Infolge der Einrichtung einer Nationalversammlung in der Frankfurter_Paulskirche wurden die Karlsbader Verbote endlich aufgehoben.
1859 kam es beim 100. Geburtstag von Friedrich Schiller zu ersten offiziellen Gründungen von Burschenschaften auf dem Gebiet von Österreich-Ungarn. Zuvor hatte Metternich dort ein Koalitionsverbot mit effizienten Unterdrückungsmethoden durchsetzen können.
Burschenschaften im Kaiserreich
Nach der Einigung des Reiches 1871 sahen die Burschenschaften ihr wichtigstes Ziel, den Zusammenschluss der deutschen Länder und Staaten, als erreicht an und zogen sich allmählich aus dem politischen Leben zurück. Aus der revolutionären Bewegung wurde eine staatstragende Organisation, das politische Spektrum blieb aber sehr breit und reichte von radikal-demokratischen Gruppen bis zu national-konservativen.
Burschenschaften in der Weimarer Republik
In der Zeit der Weimarer Republik befand sich der größte und wichtigste Dachverband von Burschenschaften - die Deutsche Burschenschaft im Lager der nationalistischen Republikgegner. Auch der Antisemitismus setzte sich bei der Deutschen Burschenschaft fort und führte zu Beschlüssen, jüdische Mitglieder auszuschließen. (siehe Artikel Deutsche Burschenschaft)
Die Geschichte anderer Burschenschaften, insbesondere die der konfessionellen Burschenschaften, muss noch nachgetragen werden.
Burschenschaften im Dritten Reich
Adolf Hitlers Machtergreifung wurde von einigen Burschenschaften begeistert begrüßt. Bald darauf initiierten einige seiner Führer zusammen mit der Hitler-Jugend und SA eine öffentliche Bücherverbrennung.
Seit 1934 setzten sie sie im Rahmen der Gleichschaltung immer stärker unter Druck, um sie wie alle übrigen Studentenverbände dem NS-Studentenbund (NSDStB) einzugliedern. Viele Burschenschaften entzogen sich dem, indem sie sich vorher selbst auflösten. Andere führten ihre Traditionen verdeckt innerhalb der NS-Kameradschaften fort.
Burschenschaften heute
Nach 1945 kam es zu Wiedergründungen. Der größte Teil der Burschenschaften ist heute in den Korporationsverbänden Deutsche Burschenschaft (DB, gegründet 1881/wiedergegründet 1948) und Neue Deutsche Burschenschaft (Neue DB, gegründet 1996) organisiert. Viele Burschenschschaften in Österreich gehören den Dachverbänden (zusätzlich zur DB oder nur) Verband der Akademischen Burschenschaften in Österreich (DBÖ, 1907/1952) oder Conservativer Delegierten Convent der fachstudentischen Burschenschaften in Österreich (CDC, 1909/1952) an. Diese sind im Gegensatz zur DB allerdings pflichtschlagend.
Die Deutsche Burschenschaft sieht sich in der patriotischen Traditionslinie und vereint Verbindungen aus der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweiz; Burschenschaften aus Chile haben ein Assoziationsverhältnis mit ihr.
Nach wie vor wird über ein (überstaatliches) "Vaterland", das den deutschen Sprach- und Kulturraum (deutsche Kulturnation) umfasst, in diesem Sinne ein "deutsches Volkstum" und andere Positionen, diskutiert. Dem wollen sich zwar einigen Mitgliedsburschenschaften der DB widersetzen, dem widerspricht aber die Gesamtlinie des Verbandes.
Der Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG) gehören heute 46 Burschenschaften aus der DB, aus der DBÖ und aus dem CDC an. Sie wurde 1961 auf dem Hause der Burschenschaft Danubia München von einigen Verbindungen gegründet, um auch österreichische Bünde aufnehmen zu können, nachdem die DB zuvor eine Aufnahme österreichischer Burschenschaften bis dahin abgelehnt hatte. Diese hatten bisweilen auch mehrmals den Vorsitz in der DB inne.
Die BG kann über die drei wesentlichen führenden Organe der DB Einfluss auf die gesamte Organisation nehmen. Da zum Teil Zwei-Drittel-Mehrheiten benötigt werden (z.B. bei Neuaufnahmen) hat sie eine Art Vetofunktion und somit recht großen Einfluss. Die BG tritt dafür ein, dass alle Bünde pflichtschlagend sein sollten. Da sie sich auch der Historie verschrieben haben, beziehen sich viele kritische politische Diskussionen auch auf vergangene Ereignisse, wie die Vertreibungen aus den ehemaligen Ostgebieten des vormaligen Deutschen Reiches und auf die Anerkennung/ Nichtanerkennung von Gebietsabtretungen, zumal die Heimatvertriebenen darüber nicht abstimmen durften. Etwa 40% der DB Burschenschaften lehnen in diesem Zusammenhang allerdings eine Verschärfung der Mensurverpflichtungen und politisch des Volkstumsbegriffes ab. [1].
Im selben Atemzug sind die „weißen” Burschenschaften zu erkennen, die politisch als bürgerlich-konservativ gelten müssen. Sie bilden, ähnlich der BG, ein Kartell innerhalb der DB und sind alle pflichtschlagend.
Die BG-Burschenschaften erhalten von politischer Seite viel Kritik. Bayerns Innenminister Günther Beckstein, selbst Alter Herr einer musischen Studentenverbindung, kritisierte 2001: "Rechtsextremisten versuchten in akademischen Burschenschaften und über diese an den Hochschulen Einfluss zu gewinnen. Bayern sehe daher nicht weg, wenn Rechtsextremisten Kontakte mit Burschenschaften pflegten oder gar versuchten, akademische Verbindungen zu unterwandern."
Der bundesdeutsche Verfassungsschutz überwacht gegenwärtig verschiedene Burschenschaften. In Österreich wird dagegen keine Burschenschaft vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) überwacht.
Burschenschaften, die anderen Dachverbänden angehören oder dachverbandsfrei sind, vertreten oftmals liberalere politische Programme: Die Neue Deutsche Burschenschaft hat sich nach internen Meinungsverschiedenheiten von der Deutschen Burschenschaft abgespalten. Auch das Süddeutsche Kartell ein Zusammenschluss von mehreren ehemaligen DB-Burschenschaften, die sich als ein Bund verstehen haben eine andere Ausrichtung, als die meisten Burschenschaften in der Deutschen Burschenschaft.
Außerhalb der bisher genannten Dachverbände existieren weitere Studentenverbindungen, die sich Burschenschaft nennen: z.B. im Schwarzburgbund, der nur nicht-schlagende, christliche Verbindungen aufnimmt, im Ring katholischer Deutscher Burschenschaften (RKDB), sowie im Bund Deutscher Ingenieur-Corporationen (BDIC). Daneben gibt es auch dachverbandsfreie Burschenschaften, die zB aus einem Dachverband ausgetreten sind. Sie sind oft weltanschaulich unabhängig und daher mit den Mitgliedsbünden der DB oder NDB nicht zu vergleichen.
Namhafte Burschenschafter
Wissenschaft und Wirtschaft
- Ernst Heinrich Heinkel (1888-1958), Flugzeugbauer
- Heinrich Hertz (1857-1894), Physiker
- Otto Loewi (1873-1961), Mediziner
- Theodor Mommsen (1817-1903), Historiker
- Franz Oppenheimer (1864-1943), Nationalökonom und Soziologe
- Ferdinand Porsche (1875-1951), Automobilbauer
- Arnold Sommerfeld (1868-1951), Atomphysiker
- Lorenz von Stein (1815-1890), Staatsrechtler und Soziologe
- Max Weber (1864-1920), Soziologe, Nationalökonom und Wirtschaftshistoriker
- Hans-Gerhard Creutzfeldt (1885-1964), deutscher Neurologe und Mitentdecker der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
- Ludolf von Krehl (1861-1937)
- Carl Bosch (1874-1940)
- Heinrich von Treitschke (1834-1896)
- Wilhelm Oncken (1838-1905)
- Friedrich Meinecke (1862-1954)
Kunst, Literatur, Musik
- August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), Germanist und Dichter
- Fritz Reuter (1810-1874), niederdeutscher Schriftsteller
- Theodor Storm (1817-1888), Jurist und Schriftsteller
- Julius Mosen (1803-1867)
- Joseph Victor von Scheffel (1826-1886)
Politik und Gesellschaft
- Wilhelm Exner (1840-1931), Politiker
- Robert Blum (1807–1848)
- Rudolf Breitscheid (1874–1944) sozialdemokratischer Politiker Burschenschaft Arminia Marburg
- Eberhard Diepgen (CDU), ehem. Regierender Bürgermeister Berlins
- Ferdinand Lassalle (1825–1864), Publizist und Arbeiterführer
- Friedrich Julius Stahl Rechtsphilosoph und Politiker
- Gustav Stresemann (1878–1929) Politiker (Sugambria, Bonn)
- Friedhelm Farthmann (SPD), ehem. Staatsminister für Arbeit und Soziales in NRW, SPD-Fraktionsvorsitzender (Königsberger Burschenschaft Gothia zu Göttingen)
- Dieter Haack (SPD), Ex-Bundesbauminister (Burschenschaft der Bubenreuther zu Erlangen)
- Theodor Herzl (1860-1904), Begründer des politischen Zionismus, von 1880 bis zu seinem Austritt wegen antisemitischer Aussagen anderer Burschenschafter im Jahr 1883 Mitglied der Burschenschaft Albia Wien; später Mitglied der jüdischen Verbindung Kadimah Wien
- Hermann Höcherl (1912 - 1989), ehem. Bundesinnenminister CSU, (Babenbergia München)
- Hermann Höpker-Aschoff (1883 - 1954), erster Präsident des Bundesverfassungsgerichts FDP, (Arminia auf dem Burgkeller Jena)
- Friedrich Nietzsche (1844-1900), Philosoph, zeitweilig Mitglied der Burschenschaft Franconia, brach aber mit der Verbindung und deren „Biergemüthlichkeit“
- Franz Oppenheimer (1864-1943), Soziologe und Ökonom, Mitglied der Burschenschaft Allemannia und kurz auch der Hevellia, aus der er sich aber wegen reaktionären Tendenzen („Judenparagraph“, „Husarenideal“, „Adelsäfferei“) wieder zurückzog
- Bernhard Vogel, ehem. Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von Thüringen CDU, (Arminia Mainz)
- Max Weber (1864-1920) bis1918 Mitglied der Burschenschaft Allemannia Heidelberg
Kritik
Kritik an Burschenschaften wird vor allem vom linken Rand der Sozialdemokratie, Teilen der Grünen, anarchistischen bzw. kommunistischen Parteien und ähnlichen Organisationen geäußert.
Häufig wird von Teilen der studentischen Verbindungen behauptet, dass sie einen elitären Zugang zur Gesellschaft hätten. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen der radikalen Linken werden Burschenschaften und Verbindungen meist undifferenziert als faschistische Organistationen bezeichnet, während in der theoretischen/historischen Auseinandersetzung meist eine differenziertere Darstellung erfolgt. Wobei die Demonstrationen gegen Burschenschaften eine lange Tradition haben. Bereits im 19. Jh. erfolgten Demonstrationenen und staatliche Verfolgung.
Allgemein wird den Burschenschaften ein starker Bezug zum deutschnationalen Lager vorgeworfen. Im Allgemeinen ist zu bemerken, dass Burschenschaften einen, im Bezug auf die Gesellschaftsrelevanz, geringer werdenden Bedeutungsgrad erreichen.
Das Geschlechterbild von Burschenschaften
Burschenschaften bestehen fast alle, bis auf ein paar Ausnahmen, aus Verbindungen mit rein männlichen Mitgliedern. Kritiker interpretieren dies dahingehend, dass in einigen oder fast allen Burschenschaften ein veraltetes Geschlechterbild vorherrsche. Frauen würden demnach meistens als "hübsches Beiwerk" zu bestimmten Veranstaltungen eingeladen. Auf der Homepage der Hamburger Burschenschaft Germania steht dazu in der Rubrik "Fragestunde": "Wieso sollten wir etwas gegen Frauen haben? Auf unseren Partys wimmelt es nur so von ihnen und auf Vorträgen sind auch immer einige dabei, das zeigt doch, daß sie sich wohl bei uns fühlen. Würden wir sie entgegen unser Tradition aufnehmen, würde das nur einen Haufen an Problemen und internen Reibereien mit sich bringen." Allerdings lässt dieses Zitat keine Rückschlüsse auf das Geschlechterbild anderer Burschenschaften oder gar Korporationstypen zu, da diese voneinander unabhängig sind. Auch wird lediglich auf mögliche Beziehungsprobleme hingewiesen, nicht Frauen per se herabgewürdigt.
Burschenschaften vertreten, laut ihren Kritikern, ein polarisiertes Geschlechterbild, das den Frauen und Männern eine bestimmte Rolle zuweist. So heißt es in den Burschenschaftlichen Blättern von 1980: "Unser Burschenbrauchtum ist immer auf eine bestimmte männliche Gruppe abgestimmt. Die menschliche Weltordnung ist auf das Männliche ausgerichtet". Das interpretieren Kritiker folgendermaßen: Während Männern die öffentliche und politische Sphäre gehöre, wird den Frauen die private Sphäre mit der Rolle als Mutter, Ehefrau, als fürsorgliche emotionale Person zugewiesen. Der Anwärter wird aus Sicht der Kritiker in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft "zur Männlichkeit erzogen", um seine Rolle in der Gesellschaft zu erfüllen. Dazu wieder die Homepage der Hamburger Burschenschaft Germania: "Frauen, die gegenseitig mit scharfen Klingen aufeinender eindreschen, müssen doch 'ne Meise haben, oder?" Allerdings ist dann auch zu hinterfragen, ob Männer dieses Ritual vollziehen sollten. Dazu die Germania: "Da ist es egal. Das ist altes, gelebtes Ritual, das paßt schon... Außerdem dient es der Auslese: Wer sich vor der Mensur scheut, der würde auch sonst kein Opfer für den Bund bringen."
Einige Burschenschaften aus der Burschenschaftlichen Gemeinschaft vertreten aus Sicht der Kritiker die klassisch patriarchale Polarität, bei der den Männern die gesellschaftliche Produktion und den Frauen die reproduktive Arbeit zugeschrieben wird. Wie stark dieses Weltbild formuliert ist und wieviele Burschenschaften diesem anhängen, lässt sich nicht eruieren. Es ist jedoch anzunehmen, dass es sich dabei um eine Minderheit innerhalb der Korporationen handelt.
Distanzierung von Seiten der SPD
In einem Brief an Egon Bahr kritisierten die Jusos "Burschenschaften behandeln Menschen ungleich, Frauen werden oft wegen ihres Geschlechts strukturell benachteiligt. Für viele Burschenschaften sind rassische Kriterien, Nationalität, sexuelle Orientierung, Religion oder die Wehrdienstverweigerung Ausschlusskriterien für eine Aufnahme. (...) Wir halten es für nicht akzeptabel, wenn Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durch Reden vor Burschenschaften daran mitwirken, dass Burschenschaften an Einfluss gewinnen und ihr elitäres und undemokratisches Weltbild salonfähig wird." (2005)
Die Sozialdemokraten arbeiten im Moment an einem Unvereinbarkeitsbeschluß, in welchem Parteimitgliedern die Mitgliedschaft aufgekündigt wird, wenn sie Mitglied einer Verbindung sind, welche der Dachorganisationen Deutsche Burschenschaften, Coburger Convent, Neue Deutsche Burschenschaft oder Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen zugeordnet sind. Ausschluß droht auch Mitgliedern aus Verbindungen, welche sich nicht "klar von geschichtsrevisionistischen Meinungen abgrenzen", "Ungleichbehandlung von Mann und Frau" betreiben oder Randgruppen diskriminieren (Ausländer, Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer usw.).
Nach Protesten verschiedener studentischer Verbände und dem Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) gegen diesen Antrag stellte die Projektgruppe "Rechtsextremismus", die vom SPD-Parteivorstand mit der Vorbereitung des Beschlusses "Burschenschaften und SPD" beauftragt worden war, im November 2005 klar, dass sich der zu fassende Beschluss ausschließlich auf Burschenschaften beziehen soll, die Mitglied des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) seien. Der Parteivorstand der SPD fällte schließlich am 16. Januar 2006 seine Entscheidung. Er distanzierte sich, schloss aber eine generelle Unvereinbarkeit aus.
Der Parteivorstand der SPD hatte sehr ernsthaft erwogen, die Mitgliedschaft in Mitgliedsverbänden der Deutschen Burschenschaft generell für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SPD zu erklären. Auf einen förmlichen Unvereinbarkeitsbeschluss wurde allerdings verzichtet, weil dies keine Prüfung des jeweiligen Einzelfalls ermöglicht hätte, zudem einige der genannten Dachverbände sich gegen die aus ihrer Sicht erfolgte Verleumdung juristisch gewehrt hätten. Der Abgrenzungsbeschluss des Vorstandes stellt klar, dass gegen die Grundsätze der Partei und gegen die Beschlüsse der Parteiorganisation handelt, wer sich in einer Mitgliedsburschenschaft des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) engagiert und sich nicht ausdrücklich persönlich von rechten Umtrieben distanziert. Soweit der Partei durch dieses Parteimitglied und dessen Mitgliedschaft schwerer politischer Schaden entsteht, sollen die Schiedskommissionen als Ergebnis eines rechtsstaatlichen Parteiordnungsverfahrens auch Ausschlüsse aus der SPD verhängen können. Andere Studentenverbindungen bzw. ihre Dachverbände sind von diesem Beschluss nicht betroffen.
Am 27. März 2006 konkretisierten Präsidium und Vorstand der SPD ihre Haltung gegenüber der Deutschen Burschenschaft und beschloss, dass die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (fraktionsähnliche Interessengemeinschaft innerhalb der DB) nicht mit einer Mitgliedschaft in der SPD vereinbar ist. Der Parteirat muss aber diesem Beschluss noch am 24. April zustimmen.
In früheren Jahrzehnten hatte es bei der SPD bereits einen ähnlichen Unvereinbarkeitsbeschluss gegeben, der aber nach Gesprächen mit den studentischen Verbänden in den 1960er Jahren aufgegeben wurde, da sich sich SPD im Rahmen ihres Godesberger Programms mehr der politischen Mitte hin öffnen wollte. Ein Ausschluss der Korporierten hätte damals beispielsweise die Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf und Georg Diederichs betroffen, ebenso den späteren Minister Dieter Haack.
Heinrich Heine als Zeitzeuge
Heine studierte zwischen 1819 und 1825 Jura in Bonn, Göttingen und Berlin. In seiner Göttinger Studienzeit war er Mitglied einer Studentenverbindung, die sich später zum Corps Hildeso-Guestphalia formierte. Schon 1820 äußerte er sich sehr kritisch über das Wartburgfest und seine Göttinger Erfahrungen (Werke Band 4, Ausgabe Insel-Verlag, S. 415f)
- Auf der Wartburg hingegen herrschte jener unbeschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Hass des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte, als Bücher zu verbrennen! … Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen.
- Im Bierkeller zu Göttingen musste ich einst bewundern, mit welcher Gründlichkeit meine altdeutschen Freunde die Proskriptionslisten anfertigten, für den Tag, wo sie zur Herrschaft gelangen würden. Wer nur im 7. Glied von einem Franzosen, Juden oder Slawen abstammte, ward zum Exil verurteilt. Wer nur im mindesten etwas gegen Jahn oder überhaupt gegen altdeutsche Lächerlichkeiten geschrieben hatte, konnte sich auf den Tod gefasst machen…
Heine beobachtete also schon wenige Jahre nach der Gründung der Urburschenschaft Einstellungen, deren mörderische Konsequenzen er ahnte: darunter eine durch Vernunft nicht begrenzte Deutschtums-Manie, Fremdenhass und gnadenlosen Antisemitismus, der sich gezielt gegen Personen richtete, die man später vertreiben oder töten wollte.
Die Revolutionen von 1848 begrüßte Heine als überzeugter Demokrat. Doch schon bald erkannte er ihr Scheitern. Seine Enttäuschung darüber bringt das Gedicht „Michel nach dem März“ zum Ausdruck:
Doch als die schwarz-rot-goldene Fahn,
Der altgermanische Plunder,
Aufs neue erschien, da schwand mein Wahn
Und die süßen Märchenwunder.
Ich kannte die Farben in diesem Panier
Und ihre Vorbedeutung:
Von deutscher Freiheit brachten sie mir
Die schlimmste Hiobszeitung.
Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn
Die Helden aus anderen Zeiten
Aus ihren Gräbern wieder nahn
Und für den Kaiser streiten.
Die Burschenschaftler allesamt
Aus meinen Jünglingsjahren,
Die für den Kaiser sich entflammt,
Wenn sie betrunken waren (…)
Siehe auch
Literatur
- Diana Auth, Alexandra Kurth: "Männerbündische Burschenherrlichkeit. Forschungslage und historischer Rückblick", in: Christoph Butterwegge / Gudrun Hentges (Hrsg.), Alte und Neue Rechte an den Hochschulen, Agenda-Verlag, Münster, 1999, ISBN 3896880608
- Helma Brunck: "Die Deutsche Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus", München, 2000 ISBN: 3800413809
- Ludwig Elm, Dietrich Heither, Gerhard Schäfer (Hg.): "Füxe Burschen Alte, Herren - Studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute", Papyrossa-Verlag, Köln, 1993, ISBN 3-89438-050-0
- Georg Heer: "Geschichte der Deutschen Burschenschaft. II. Band: Die Demagogenzeit. Von den Karlsbader Beschlüssen bis zum Frankfurter Wachensturm. (1820-1833)", Heidelberg, 1965 ISBN: 3825313425
- Georg Heer: "Geschichte der Deutschen Burschenschaft. III. Band: Die Zeit des Progresses. Von 1833 bis 1859", Heidelberg, 1965 ISBN: 3825313433
- Georg Heer: "Geschichte der Deutschen Burschenschaft. IV. Band: Die Burschenschaft in der Zeit der Vorbereitung des zweiten Reiches, im zweiten Reich und im Weltkrieg. Von 1859 bis 1919", Heidelberg, 1977 ISBN: 3533013480
- Dietrich Heither, Gerhard Schäfer: "Studentenverbindungen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus", in: Jens Mecklenburg (Hrsg.), Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin, 1996, ISBN 3885205858
- Dietrich Heither, Michael Gehler, Alexandra Kurth: "Blut und Paukboden". Fischer (Tb.), Frankfurt, 2001 ISBN 3596133785
- Horst Grimm/Leo Besser-Walzel: "Die Corporationen". Umschau Verlag Breidenstein GmbH, Frankfurt am Main, 1986.
- Peter Krause: "O alte Burschenherrlichkeit - Die Studenten und ihr Brauchtum", Verlag Styria, Graz, Wien, Köln, 1997 ISBN 3-222-12478-7
- Paul Wentzcke: "Geschichte der Deutschen Burschenschaft. I. Band: Vor- und Frühzeit bis zu den Karlsbader Beschlüssen", Heidelberg, 1965 ISBN: 3825313387
- Alfred Thullen: "Der Burgkeller zu Jena und die Burschenschaft auf dem Burgkeller von 1933-1945", Heidenheim a.d.B., 2002 ISBN: 393389249X
Weblinks
- Deutsche Burschenschaft
- Conservativer Delegierten Convent der fachstudentischen Burschenschaften Österreichs
- Burschenschaftliche Gemeinschaft
- Neue Deutsche Burschenschaft
- Geschichte der deutschen Burschenschaften
- Liste von bekannten Verbindungsstudenten
- Tradition-mit-Zukunft (TraMiZu) Das größte Verbindungsportal!
- Eine kritische Auseinandersetzung vor allem mit den Burschenschaften in der Deutschen Burschenschaft
- www.p-kw.de Projekt - "Konservatismus und Wissenschaft"
- Verhältnis Burschenschaften und Studentenverbindungen