Langes s

lateinischer Buchstabe
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ſ

Das lange s »ſ« ist eine typografische Variante des Buchstabens »s« (oder linguistisch gesagt: es ist eine stellungsbedingte allographische Variante des Graphems »s«).

Gedenktafel an der Salzburger Uni mit langem ſ und rundem s

In den Schriften, in denen es verwendet wird, wird es für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geschrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s oder Auslaut-s verwendet wird. In den gebrochenen Schriften muss das ſ an der richtigen Stelle verwendet werden, in Antiqua- (oder lateinischer) Schrift kann es verwendet werden, und wurde früher in allen aus der karolingischen Minuskel entstammenden romanischen ebenso wie der deutschen der englischen, der holländischen, der westslawischen und der skanivavischen Schriftformen verwendet.

»ſ« bildet auch den ersten Bestandteil der beiden Ligaturen »ſʒ« (»ſz«) und »ſs«, aus denen der Buchstabe ß hervorgegangen ist.

Entstehung

 
Verschiedene Ausführungen des langes ſ und runden s in verschiedenen Schriften

Mit der Halbunzial-Schrift (Beginn 5. Jhdt. – 8. Jhdt.) entstand eine Schriftart, die eine spätere Entwicklung teilweise vorwegnehmend auch als vorkarolingische Minuskel bezeichnet. Diese durch erstmalige ausgeprägte Ausbildung von Ober- und Unterlängen gekennzeichnete Schrift vermittelt, ohne selbst schon ausgesprochen eine Minuskelschrift zu sein, den endgültigen Übergang vom zweilinigen zum vierlinigen Schriftsystem. Diese selbständige Schriftart vermengt Elemente sowohl der Kapitale wie der Unziale und der jüngeren römischen Kursive zu etwas Neuem, sie stellt den Beginn der Weiterentwicklung der antiken, lateinischen Großbuchstaben-Schrift zu einer Minuskelschrift dar. Der Buchstabe S wird nun sowohl in der Majuskelform wie auch in der Minuskelform des langen s »ſ« verwendet.

Die Karolingischen Minuskel-Schrift [9. Jhdt – 12. Jhdt]] lehnt sich an die Nebenformen der Halbunzialen an und wandelt sich unter insularer, italischer und westgotischer Einwirkung zu der sie kennzeichnenden Form, und nimmt für den Geamtablauf der abendländischen Schriftentwicklung eine epochale Stellung ein. Sie ist die Schrift aus der sich sowohl unser lateinisches wie auch unser kurrentes Alphabet entwickelt. Im einzelnen sind die Buchstaben dieser Schrift dem Vierliniensystem voll angepasst. Der Charakter der Minuskelschrift ist damit vorherrschend. Das »s« kommt hier auschließlich als langes s »ſ« mit Oberlänge vor.

Das runde »s« kommt später, zunächst hochgestellt, dann am Wortende im 11. Jahrhundert dazu, während sein Auftreten in der Wortmitte auf das 12. jahhundert verweist. Es ist eine typographische (bzw. handschriftliche) Variante von »ſ« bzw. von »S«, von dem sich ja auch zuvor »ſ« entwickelt hatte.

Die Differenzierung zwischen langem und kurzem s verliert im Antiquasatz, im Gegensatz zu den gebrochenen Schiften, wo es bis heute zumindest im deutschsprachigen Raum ein mitgestaltendes Zeichen geblieben ist, seit dem 18. Jahrhundert an Bedeutung. Das lange s wurde in französischen Texten fast schlagartig mit der Revolution unüblich. Das Pariser astronomische Jahrbuch „Connaissance du temps“ beispielsweise benutzt »ſ« bis zum Erscheinungsjahr 1792, ab 1793 aber »s«, gleichzeitig ändert sich die Jahreszählung auf dem Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe. In den folgenden Jahren beginnt es im Antiqua-Satz auch in deutschen Texten zu verschwinden, allerdings in zwei Phasen. Während es im An- oder Inlaut schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts bald als rundes s geschrieben wird, bleibt es als Bestandteil des Doppel-s im Silbenauslaut in der Form von »ſs« (z. B. in Fluſs) zunächst erhalten, bis etwa um Mitte des Jahrhunderts auch das Doppel-s in dieser Position als »ss« geschrieben wird (also Fluss). Dieses wird wiederum um 1900 durch die (nach Kurzvokal nur bis zur Rechtschreibreform von 1996 übliche) Schreibweise mit »ß« (»Eszett«; entsprechend zur ſʒ-Ligatur im Fraktur-Satz) ersetzt (»Fluß«). Vereinzelt greifen Bücher dem Trend vor, bereits 1811 findet sich ein Werk des Grafen von Buquoz, das nur »ss« verwendet, während sich andere ihm verweigern. Das jährlich erscheinende „Berliner Astronomische Jahrbuch“ schreibt beispielsweise bis 1910 »ſs«, um dann 1911 übergangslos zu »ß« zu wechseln.

Das ſ kann in manchen Schriftarten mit dem f verwechselt werden, wenn die Unterscheidung nur schwach herausgearbeitet ist.

Synonyme

Synonyme für Lang-s: Anlaut-s, Inlaut-s, Silbenanfang-s, langes s

Synonyme für Rund-s: Schluss-s (alte Rechtschreibbung: Schluß-s), Auslaut-s, Kurz-s, kurzes s, rundes s, Minuskel-s, Kleinbuchstaben-s.

Verwendung

Die differenzierte Verwendung von ſ und s bei deutschsprachigen Texten führt in einigen Fällen zu einer Erleichterung für den Leser. Dies kommt durch das Zusammenwirken folgender Eigenheiten zustande:

  • Viele deutsche Wörter enden mit s, da dieser Buchstabe sowohl als Pluralendung, als auch zur Fall-Kennzeichnung dient
  • Das s ist häufig eine Fuge bei der Bildung von Komposita
  • Komposita werden im Deutschen zusammengeschrieben
  • S (mit Sch, Sp, St) ist in der deutschen Sprache der häufigste Anfangsbuchstabe; Komposita, deren zweiter Wortbestandteil mit S beginnt, sind auf diese Weise schneller erkennbar.
  • Ähnliches gilt für Komposita, deren zweiter Bestandteil mit Ch, P oder T beginnt: Hier verführt ein vorausgehendes rundes s gar nicht erst dazu, die Aussprache des s irrtümlich in /sch/ zu ändern (Beispiel: Haus-tür, Häs-chen).

In diesen Fällen ist Aussprache und Bedeutung abhängig davon, ob das s im Auslaut oder im Anlaut steht. Daher kann die Differenzierung zwischen ſ und s für den Leser von besonderem Vorteil sein. Beispiel: Durch Verwendung des langen ſ ist es auch ohne Kontext sofort klar, ob eine Wachſtube (Wach-Stube) oder eine Wachstube (Wachs-Tube) gemeint ist. Weitere Beispiele: Kreiſchen (Krei-schen, für Schreien) oder Kreischen (Kreis-chen, für kleiner Kreis), Verſendung (Ver-sendung) oder Versendung (Vers-Endung).

Regeln zur Verwendung von rundem s und langem ſ

 
Datei:Gastaette.jpg
Falsch (oben) und richtig (unten) angewandtes Lang-ſ und Rund-s in Frakturschrift

Die Regeln zum langen ſ und runden s sind heute vielfach unbekannt, und ihre Unterscheidung ist mit vielen weit verbreiteten dekorativen Computerschriften und Computerprogrammen nicht ohne weiteres realisierbar. Da insbesondere für Werbezwecke und Drucksachen dennoch auch von typografischen Laien gebrochene Schriften eingesetzt werden, ergeben sich häufig Fehler selbst auf großformatigen Wirtshausschildern, Straßenschildern oder Plakaten. Da die genannten Schriften oft nur das runde s besitzen oder um Verwechslungen mit dem f zu vermeiden, wird statt eines notwendigen langen s vielfach falsch ein rundes s gesetzt (so zum Beispiel seit Ende 2004 in der FAZ). Manchmal wird allerdings bei vorhandenem langen s (wahrscheinlich aufgrund einer Art typografischer Hyperkorrektur) auch dort das lange s verwendet, wo ein rundes s stehen müsste.


Grundsätzlich sollte man sich für die korrekte Anwendung von s und ſ merken:

Das runde »s«

Das runde »s« steht zumeist nur am Silbenende als Wort- oder Teilwortschluss-s, niemals am Anfang eines Wortes:

  • als Wortschluss-s:
z. B. das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils, aber im Hauſe, die Häuſer, das Pilſen, im Glaſe, ſkandalös, in-ſzenieren.
  • als Fugen-s in Zusammensetzungen sonſt selbſtändiger Teilwörter (Wortzusammensetzungen, Komposita)) vor dem anschließend folgenden sonst selbſtändigen Teilwort und am Ende von Vorsilben:
z. B. Haus-tür, Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag., Unter-ſuchungs-ergebnis, Dispoſition, disharmoniſch, aber Achtung!: ſſ wird auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert, natürlich auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt: das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht,Namens-ſtempel, Zwangs-ſparen.
  • als Fugen-s auch dann, wenn nach dem s eine mit dem Mitlaut beginnende Nachsilbe wie -lein, -chen, -mus, -bar u.ä. folgt:
z. B. Wachs-tum, Weis-heit, Realis-mus, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft.
  • im Silbenauslaut kann unter bestimmten Bedingungen anstelle von s auch ſ stehen. (siehe auch Regeln zum Lang-s weiter unten!)
Und zwar weil ſ auf alle Fälle in der ersten Position der Verbindungen ſſ/ſs, ſt und ſp stehen muss, unabhängig von der Silbenstruktur (z. B. Waſſer, Faſs [neue Rechtschr.], Aſt, du ſtehſt, paſſt [neue Rechtschr.], knuſpern). Dasselbe gilt auch für ſch, ſz (und andere Buchstabenkombinationen aus anderen Sprachen: ſh usw.), aber nur wenn sie als jeweils ein Laut gesprochen werden (Digraphen), und für ſ vor l, n, r, aber nur wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist z. B. Buſch, Eſche, Faſs [alte Rechtschr., = Faß], Fuſs [= Fuß]; Wechſler, Pilſner, unſre, aber: Eschatologie, faszinierend; Zuchthäusler, Islam, Oslo, Osnabrück).
Diese Regel für ſ gilt nicht für Teile zusammengesetzter Wörter (Dienstag, Dispoſition) und für Vorsilben (Präfixe; ſſ wird aber auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert'.

Das Schluss-s steht niemals am Anfang eines kleingeschriebenen Wortes!

In allen anderen Fällen muss ſ verwendet werden. Ausnahmen finden sich in Namen, Fremd- und seltenen Wörtern. So steht »s« zum Beispiel in den Fremdwortvorsilben dis- und des-, ferner vor k, n, m, w, d: z. B. Distribution, Desinfektion, brüsk, grotesk. Namen müſſen den Rechtscreibregeln nicht folgen: Heuſs(mit Doppel-s statt mit ß), Lenski, Mesner, Oskar, Oswald, Dresden, Schleswig.

Merke: Für lateinisch ss steht niemals ss !
Wasser – Waſſer, Aussicht – Ausſicht.

Das lange »ſ«

Das lange »ſ« steht:

  • immer am Beginn und im Inneren von Silben:
z. B. ſauſen, Wunſch, wünſchen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, einſt.
  • im Anlaut der Nachsilben -el , -al , -am
z. B. Rätſel, Labſal, ſeltſam.
  • in den Lautverbindungen ſp und ſt
z. B. Eſpe, Knoſpe, Weſpe, faſten, Kiſte, Pfoſten; Haſt, Luſt, Neſt.
  • am Schluss einer Silbe, wenn kein Wortschluss innerhalb einer Zusammensetzung auch sonst selbstständigen Teilwörtern vorliegt:
z. B. Gaſ-ſe, Waſ-ſer, Biſ-ſen, faſ-ſen, müſ-ſen, Zeugniſ-ſe, Aſ-ſeſ-ſor.
  • Bei Silbentrennung bleibt ein »ſ« am Silbenende unverändert:
z. B. Weſpe—¸Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.


Siehe auch: Regeln zur Verwendung des Inlaut-s aus dem Duden von 1895, Der Große Duden, Rechtſchreibung der deutſchen Sprache und der Fremdwörter, 12. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Bibliographiſches Institut AG. in Leibzig, 1941 (der letzte Duden der mit der Lang-ſ Schreibweise erſchienen ist).

Darstellung in Computersystemen und Ersetzung

Kodierung

Im internationalen Zeichenkodierungssystem Unicode liegt ſ auf Position:

  • U+017F ›Latin small letter long s‹ (Lateinischer Kleinbuchstabe langes s).

Im veralteten ASCII-Zeichensatz ist das Zeichen nicht enthalten, weshalb viele ältere Computersysteme es nicht darstellen konnten.

Im Internet-Dokumentenformat HTML wird das Zeichen folgendermaßen kodiert:

  • ſ (hexadezimal) und
  • ſ (dezimal).

Tastatur

Das ſ ist auf Tastaturen nicht vorhanden.

Ersetzung

Kann das Zeichen nicht dargestellt werden, weil es in der verwendeten Schriftart oder dem Zeichensatz fehlt, so sollte es durch das normale Schluss-s ›s‹ ersetzt werden.

Da allerdings praktisch alle modernen Computersysteme und -schriften auf Unicode basieren, kann das Zeichen heutzutage problemlos weltweit dargestellt, verarbeitet, übertragen und archiviert werden. Eine Ersetzung aus technischen Gründen ist deshalb kaum noch nötig. Auch wenn die verwendete Tastatur das Zeichen nicht aufweist, kann es praktisch immer über eine entsprechende Funktion des Betriebssystems oder des jeweiligen Texteditors eingefügt werden.

Schriftsatz

Schriftsatz mit langem s ist vergleichsweise komfortabel möglich mit LaTeX sowie mit XeTeX sowie mit vielen Programmen, die OpenType- und AAT-Schriften unterstützen.

Anwendungsbeispiele

Beispiele für fehlerhafte Verwendung

Siehe auch

Vorlage:Lateinisches Alphabet