Ehegattensplitting

Verfahren zur Berechnung der Einkommensteuer
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Das Ehegattensplitting (englisch: to split = aufteilen) ist das in Deutschland zur Berechnung der Einkommensteuer von zusammenveranlagten Ehegatten angewendete Splittingverfahren. Es muss nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2013 auch für eingetragene Lebenspartnerschaften angewendet werden.[1]

Verfahren

 
Einkommensteuersätze 2013 für Alleinstehende und Verheiratete in Deutschland
 
Einkommensteuersätze 2010 bis 2012 für Alleinstehende und Verheiratete in Deutschland

Der Begriff Splittingtarif stammt aus dem deutschen Einkommensteuerrecht und beschreibt den für zusammenveranlagte Ehepaare anwendbaren Steuertarif. Rechtsgrundlage ist § 32a Abs. 5 EStG. Hierbei wird folgendes Verfahren verwendet:

  1. Das zu versteuernde Einkommen (zvE) der Ehegatten wird ermittelt und halbiert (gesplittet).
  2. Für das halbierte zvE wird die Einkommensteuer nach dem geltenden Einkommensteuertarif berechnet (früher: aus der Grundtabelle abgelesen).
  3. Die so errechnete Einkommensteuer wird verdoppelt.

Dieses Splittingverfahren bewirkt, dass das zu versteuernde Einkommen (zvE) zu gleichen Teilen auf beide Ehegatten verteilt wird. Hierdurch wird das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht auf den einzelnen Ehegatten, sondern auf das Ehepaar als Wirtschaftsgemeinschaft angewendet. Welcher der Ehegatten wie viel zum ehelichen Gesamteinkommen beigetragen hat, ist unerheblich.

Das gemeinsame zvE eines Ehepaares wird bei diesem Splittingverfahren mit dem gleichen Steuersatz belastet wie das halb so hohe zvE eines Unverheirateten. So beträgt beispielsweise im Einkommensteuertarif 2010 bis 2012 der effektive Steuersatz eines Ehepaares mit einem gemeinsamen zvE von 48.000  etwa 16 %. Das zvE eines Alleinstehenden in Höhe von 24.000 € wird mit dem genau gleichen Steuersatz belastet.

Die Splittingwirkung tritt nur ein, wenn bei progressiven Steuertarifen zwischen den Ehegatten eine Einkommensdifferenz besteht. Denn die Progression sorgt in solchen Fällen dafür, dass bei Individualbesteuerung mit wachsender Einkommensdifferenz immer höhere Steuern anfallen. Durch das Splittingverfahren wird dieser Effekt für Ehepaare kompensiert, während er für Unverheiratete bestehen bleibt.

Der Splittingeffekt ist abhängig

  • von der Verteilung des zvE zwischen den Ehegatten
  • von der Höhe des zvE insgesamt sowie
  • vom Steuertarif (Progressionsverlauf)

Bei einem nominellen Einheitssteuersatz kann ein Splittingeffekt nur entstehen, wenn – beispielsweise über Freibeträge – mindestens eine Progressionsstufe existiert.

Beispiel

Die Ehegatten A und E haben zusammen ein zvE von insgesamt 80.000 €. Die tarifliche Einkommensteuer mit Splittingverfahren für die Ehegatten beträgt dann 18.014 € (Einkommensteuertarif 2010/2011 ohne Solidaritätszuschlag), unabhängig davon, wie die Einkommen verteilt sind. Das Splitting stellt dadurch sicher, dass alle Ehepaare mit einem Gesamteinkommen von 80.000 € eine gleich hohe Einkommensteuer zahlen.[2]

Dieselbe Steuerbelastung ergibt sich ohne Splitting ("Individualbesteuerung") nur dann, wenn sich das Einkommen exakt gleichmäßig auf beide Partner verteilt:

  • Referenzverteilung: Jeder Ehegatte hat jeweils 40.000 € beigetragen.
    • zvE von A = 40.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 9.007 €
    • zvE von E = 40.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 9.007 €
    • Einkommensteuer (ohne Splitting) insgesamt: 18.014 €, also identisch mit der beim Splitting.

Jede andere Verteilung des Einkommens würde hingegen bei Individualbesteuerung zu einer zusätzlichen Steuerlast führen, die um so größer wird, je ungleicher das Einkommen verteilt ist:

  • Verteilungsvariante A: Ehegatte A hat 60.000 €, Ehegatte E 20.000 € beigetragen.
    • zvE von A = 60.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 17.028 €
    • zvE von E = 20.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 2.701 €
    • Einkommensteuer (ohne Splitting) von A und E zusammen: 19.729 €
    • Ohne Splitting hätte dieses Ehepaar einen Steuernachteil von 1.715 € gegenüber der Referenzverteilung und würde behandelt wie zwei Alleinstehende.
  • Verteilungsvariante B: Ehegatte A hat 80.000 €, Ehegatte E 0 € beigetragen.
    • zvE von A = 80.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 25.428 €
    • zvE von E = 0 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 0 €
    • Einkommensteuer (ohne Splitting) von A und E zusammen: 25.428 €
    • Ohne Splitting hätte dieses Ehepaar einen Steuernachteil von 7.414 € gegenüber der Referenzverteilung und würde behandelt wie zwei Alleinstehende.

Maximale Auswirkung des Splitting

 
Unterschied zwischen Grund- und Splittingtabelle (Tarif 2004 und 2006)
 
Abhängigkeit des Unterschieds von der Aufteilung zwischen den Ehegatten und der Höhe des Gesamteinkommens (Tarif 2013)

Der Unterschied zwischen Einzelveranlagung und Zusammenveranlagung mit Splitting ist einerseits abhängig von der Aufteilung der Einkommen der beiden Partner untereinander und andererseits von der Einkommenshöhe insgesamt. Dieser Unterschied wird je nach Sichtweise entweder als "Splittingvorteil" bezeichnet oder als erforderlich zur "Gleichbehandlung von Ehepaaren mit unterschiedlicher Aufteilung der Einkommen" eingefordert.

Ohne das Splittingverfahren hätten Ehepaare im Jahr 2005 bis zu 7.914 € mehr Steuern bezahlen müssen. Dieses Maximum wird erreicht, wenn beide Partner zusammen mehr als 104.304 € versteuern, ein Ehegatte aber keine Einkünfte erzielt (Alleinverdienerehe). Mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 % durch Einführung einer zusätzlichen Progressionsstufe (so genannte "Reichensteuer") im Jahr 2007 erhöhte sich auch die maximal mögliche Auswirkung des Splittings bei hohen Einkommen: sie beträgt im Jahre 2013 bis zu 15.718 € bei einem gemeinsamen zvE von mehr als 501.462 €.

Das Bild rechts oben zeigt die Situation bei Alleinverdienerpaaren in den Jahren 2004 und 2006. Betrachtet man andere mögliche Aufteilungen wie 80%/20%, 70%/30% und so weiter, so wird der Unterschied immer kleiner. Das Bild rechts unten zeigt diesen Zusammenhang. Bei der Aufteilung 50%/50% verschwindet der Unterschied vollständig. Für Paare, bei denen beide Ehegatten gleich viel erzielen, bleibt das Splittingverfahren also unabhängig von der Einkommenshöhe stets ohne Auswirkung.

Die oben angedeutete Aufteilung der zu versteuernden Einkommen auf die beiden Ehepartner wirft in der Praxis jedoch erhebliche Schwierigkeiten auf. So weist auch das Statistische Bundesamt in den jährlichen Einkommensteuerstatistiken immer wieder darauf hin, dass sich durch die Zusammenveranlagung das zu versteuernde Einkommen oder die Einkommensteuer nicht auf die einzelnen Ehepartner aufteilen lässt. Auch die getrennt für die Ehepartner angegebenen Einkünfte "lassen nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächlich individuell erzielten Einkünfte zu, da in der Praxis – bis auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – zumeist die gesamten Einkünfte für einen der Ehepartner angegeben werden".[3] Auswertungen nach Geschlecht hätten daher häufig eine eingeschränkte Aussagekraft.

Mathematische Definition

Der Unterschied zwischen Einzelveranlagung und Zusammenveranlagung mit Splitting wird folgendermaßen berechnet:

 

Dabei ist

  = Differenz der Steuerbeträge zwischen den beiden Veranlagungsverfahren
  = Gesetzlich definierte Steuerbetragsfunktion mit einem Grundfreibetrag
  = Jährlich zu versteuerndes Einkommen des Ehegatten A
  = Jährlich zu versteuerndes Einkommen des Ehegatten B

Bei dieser Berechnungsmethode erhalten bei Einzelveranlagung beide Personen den gleichen Grundfreibetrag, vorausgesetzt beide zvE sind höher als dieser. Bei der Möglichkeit der Übertragung eines vollen Freibetrages ändert sich die Formel wie folgt:

 

Dabei ist

  = Grundfreibetrag, der auf den Partner A übertragen wurde.

Bei der Alleinverdienerehe wäre   gleich Null.

Besonderheiten

Tod eines Ehegatten

Verstirbt ein Ehepartner, wird das Splittingverfahren gemäß § 32a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG noch in dem Kalenderjahr, welches dem Jahr des Todes folgt, auf das Einkommen des überlebenden Ehegatten angewendet (Gnadensplitting).

Splitting und nachehelicher Unterhalt

Hat jemand nach einer Ehescheidung erneut geheiratet, so wird der dadurch erzielte Splittingvorteil bei der Ermittlung des für den nachehelichen Unterhalt relevanten Einkommens nicht angerechnet. Der Bundesgerichtshof ging früher davon aus, dass der Splittingvorteil zu dem die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommen gehört. Diese Praxis wurde 2003 durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. (BVerfG, 1 BvR 246/93 vom 7. Oktober 2003, Zur Berücksichtigung steuerlicher Vorteile aus dem Ehegattensplitting bei der Bemessung des an den ehemaligen Ehegatten zu leistenden Unterhalts), [3]

Splitting und Kindesunterhalt

Strittig ist, ob der durch erneute Heirat erzielte Splittingvorteil bei der Ermittlung des für den Kindesunterhalt relevanten Einkommens anzurechnen ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) ging bislang davon aus, dass der Splittingvorteil anzurechnen ist. Eine andere Auffassung wurde dagegen 2006 vom OLG Oldenburg entwickelt, das diese Praxis des BGH im Widerspruch zu dessen sonstiger Rechtsprechung sieht und darüber hinaus für verfassungswidrig hält, jedenfalls wenn der neue Ehegatte neben den Kindern aus einer früheren Ehe nachrangig ist. Denn dann hätte die Einbeziehung des Splittingvorteils bei der Berechnung des Kindesunterhalts die Folge, dass eine steuerliche Entlastung in die Unterhaltsberechnung einfließt, ohne dass die damit verbundene Belastung berücksichtigt würde. [4]. Der BGH hat dagegen an seiner Ansicht festgehalten, siehe Pressemitteilung vom 17. September 2008. Eine Entscheidung des BVerfG hierzu ist noch nicht erfolgt.

Erweiterung des Splittingsystems

In einigen Ländern wird das Splittingsystem auf weitere unterhaltsberechtigte Familienmitglieder, etwa in Frankreich auf Kinder, ausgedehnt (Familiensplitting). Begründung ist hier der Familienlastenausgleich und die Förderung von Kindern.

Entwicklung in Deutschland

Die originäre Frage für das Ehegattensplitting, Individual- oder Ehegattenbesteuerung, wurde vom Gesetzgeber wechselhaft beantwortet:

  • 1891 wurde die Preußische Einkommensteuer durch Finanzminister Johannes von Miquel reformiert. Ehegatten wurden hier gemeinsam veranlagt und die Einkommen zusammen gerechnet. Da keine Progression vorgesehen war, war die Auswirkung gering.
  • 1920 wurde unter Finanzminister Matthias Erzberger das Reichseinkommensteuergesetz geschaffen und die Einkommensteuergesetze der Länder abgelöst. Erstmalig wurde eine Progression vorgesehen. Um Ehepaare hierdurch nicht schlechter zu stellen, wurde eine Individualbesteuerung vorgeschrieben.[4]
  • 1934 führten die Nationalsozialisten die gemeinsame Veranlagung wieder ein. Die damit verbundene Benachteiligung (wegen der inzwischen eingeführten Progression) berufstätiger Frauen war beabsichtigt, da es ein politisches Ziel war, dass die Frau keiner bezahlten Arbeit nachgehen, sondern sich um Kinder und Familie kümmern sollte. Makroökonomisch begünstigt eine solche Zusammenveranlagung von Ehegatten sog. Einverdiener-Ehen, was erklärtes Ziel des Gesetzes aus dem Jahre 1934 war.
  • 1951 übernahm die erste Regierung Adenauer in das Einkommensteuergesetz diese Zusammenveranlagung.[5] Zu einer Benachteiligung der Ehe kam es in Kombination mit der Steuerprogression: Höhere Einkommen werden mit höheren prozentualen Steuersätzen belastet.
  • In dieser Kombination widersprach das Einkommensteuergesetz 1951 der Verfassung, namentlich Art. 6 Grundgesetz und wurde auf Vorlage eines Rechtsstreits durch das Finanzgericht München an das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt.[6] In seiner Entscheidung regte das Gericht eine systemkonsistente Individualbesteuerung an.
  • 1958 setzte die Regierung Adenauer diese Rechtsprechung mit einem neuen Gesetz um, indem sie die Zusammenveranlagung beließ und sie durch ein Splitting kompensierte.
  • 2012 wird in 14 Bundesländern (außer in Bayern und in Sachsen) im Rechtsbehelfsverfahren durch Aussetzung der Vollziehung das Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften gewährt
  • 2013 erging ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (2 BvR 909/06 dejure), dass die steuerliche Gleichstellung des Ehegattensplittings auch für Homosexuelle Lebenspartnerschaften gelten soll.

Varianten zur Einschränkung des Splittings

In Politik, Medien und Wissenschaft werden mögliche Einschränkungen des Ehegattensplittings diskutiert, insb. die folgenden Varianten.

Quelle im Folgenden: DIW Berlin, Veröffentlichungen aus 2003[7] und 2011[8]


Variante 1: Komplette Streichung des Splittings und der getrennten Veranlagung (dadurch Abschaffung des Grundfreibetrages des Ehepartners ohne Einkommen)

  • Steuermehraufkommen: 22,1 Mrd. € (Einkommen 2003, Einkommensteuertarif 2003)
  • Steuermehraufkommen: 20,7 Mrd. € (Einkommen 2003, Einkommensteuertarif 2005)
  • Probleme: Die Abschaffung des Grundfreibetrages begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, da das Existenzminimum nicht besteuert werden dürfe. Daher ist diese Variante laut DIW nicht zulässig. Außerdem alle Probleme der folgenden Varianten.


Variante 2: Realsplittingverfahren. Dabei wird die Bemessungsgrundlage der Besteuerung beim einen Partner reduziert, beim anderen entsprechend erhöht. Im Ergebnis kann bis zu einer gewissen Höchstgrenze ein Teil des zu versteuernden Einkommens vom einen auf den anderen Partner übertragen und so dessen niedrigerer Grenzsteuersatz ausgenutzt werden. Dieses Verfahren findet heute bereits bei geschiedenen Eheleuten Anwendung: die Höchstgrenze für sie (ausgestaltet als Sonderausgabenabzug) liegt bei 13.086€, maximal jedoch beim tatsächlich gezahlten nachehelichen bzw. Trennungsunterhalt.

Je nachdem, wo die Höchstgrenzen für die Übertragung von zu versteuerndem Einkommen auf den Partner liegen, ergeben sich verschiedene Untervarianten des Realsplittings:

  • Variante 2a: Höchstbetrag für Eheleute ist niedriger als der vom Partner nicht ausgeschöpfte Grundfreibetrag (=Existenzminimum).
  • Variante 2b: Höchstbetrag für Eheleute ist mindestens das Existenzminimum (siehe 2a), aber niedriger als der Höchstbetrag für Geschiedene
  • Variante 2c: Höchstbetrag ist mindestens so hoch wie bei Geschiedenen (und wie das Existenzminimum, siehe 2a). Bei exakter Gleichstellung mit Geschiedenen zu aktuellen Bedingungen (also Höchstbeitrag 13.086€) begrenzt das den Splittingvorteil nach DIW auf maximal 5.100 € pro Jahr.[8]

Vom DIW näher untersucht wurden Beispiele für Variante 2b (mit Höchstbetrag gleich dem Grundfreibetrag des Jahres 2003, das waren von 7.325€) und Variante 2c (mit Höchstbetrag 20.000€). Für Variante 2b wurden mit diesen Prämissen jährliche Steuermehreinnahmen von max. 9,1 Mrd. Euro errechnet, für Variante 2c (Höchstbetrag 20.000€) von max. 1,5 Mrd. Euro.

  • Probleme:
    • In Untervariante 2a dieselben wie in Variante 1 (wohl verfassungswidrig, da Existenzminimum besteuert).
    • In Untervariante 2b müssten Ehepaare mehr Steuern bezahlen als geschiedene Paare. Im Ergebnis würde Scheidung steuerlich attraktiv. Wahrscheinlich ist diese Variante nach Ansicht des DIW daher ebenfalls verfassungswidrig.
    • In allen Varianten: im Ergebnis würde der Staat mit dem übertragbaren Betrag festlegen, welcher Teil des Familieneinkommens dem geringer verdienenden Ehepartner als Unterhalt maximal zusteht. Solange dieser Anteil unter 50 % liegt (wie beim bisherigen Splitting), ergeben sich aber Wertungswidersprüche insb. zum Familienrecht (z. B. der Wertung im Zugewinnausgleichsverfahren): die volle Beteiligung beider Ehegatten am Gesamteinkommen innerhalb der Zugewinngemeinschaft würde nicht mehr anerkannt. Damit würde der Staat faktisch in die Gestaltungsfreiheit der Ehegatten eingreifen, also einen (anders als beim Realsplitting für Geschiedene) durch Art. 6 GG unmittelbar geschützten Bereich.
    • In allen Varianten: Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen werden dadurch gemindert, dass die betroffenen Ehepaare Möglichkeiten ausschöpfen werden, ihr Gesamteinkommen gleichmäßiger aufeinander zu verteilen. Laut Schätzung des DIW Berlin beträgt dieser Effekt in der untersuchten Variante 2b mindestens ein Drittel (Steuermehreinnahmen sinken dadurch auf 1 Milliarde €/Jahr). Außerdem haben nicht alle Ehepaare diese Möglichkeiten im selben Maße (insb. Gewerbetreibende wären gegenüber Arbeitnehmern im Vorteil), was wiederum verfassungswidrig sein könnte.
    • In allen Varianten: Zu 90 % sind Ehepaare betroffen, die Kinder erziehen, bzw. deren Kinder bereits aus dem Hause sind. Möchte man, wie in der Politik häufig vertreten, solche Ehepaare von der Steuererhöhung durch den Wegfall des Splittings ausnehmen, verbliebe nach DIW beispielsweise bei Variante 2c eine Steuermehreinnahme von nur noch 0,1 Mrd€. Sie wäre damit wohl geringer als der zusätzlich entstehende Verwaltungsaufwand.


Variante 3: (Anmerkung: nicht vom DIW untersucht): Splitting wie bisher, aber Deckelung des maximalen Splittingvorteils auf einen Betrag unterhalb des sich aus dem Einkommensteuertarif ergebenden maximalen Splittingvorteils.

  • Probleme: je nach Ausgestaltung dieselben wie in den Vorvarianten, lediglich begrenzt auf einen kleineren Personenkreis – nämlich diejenigen, bei denen die Deckelung wirksam wird. Zunächst müsste der Deckel groß genug sein, um sicherzustellen, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird, sonst greifen die Probleme der Variante 1. Für diejenigen Paare, die von der Deckelung betroffen wären, greifen aber auch dann die Probleme der Variante 2 in ihren Untervarianten (je nach Ausgestaltung der Deckelung und ihrer Begleitregeln). Die verbleibenden Steuermehreinnahmen fallen – eben wegen des kleineren betroffenen Personenkreises – gegenüber den Berechnungen zu Variante 2 nochmals deutlich niedriger aus.

Varianten der Gestaltung eines möglichen Übergangs vom Ehegattensplittung zu einer Individualbesteuerung

Ein möglicher Übergangs vom Ehegattensplittung zu einer Individualbesteuerung führt zu der Frage der Rückwirkung: Bestehende Ehen ("Altehen") wurden im Vertrauen darauf geschlossen, dass mit der Ehe eine gemeinsame Versteuerung erfolgt. Auch die innerfamiliäre Arbeitsteilung erfolgte im Vertrauen darauf, dass diese auf die Versteuerung des Einkommens keinen Einfluss hat. Mit einer Abschaffung des Ehegattensplittungs stellen sich nun Paare schlechter, die (teilweise vor Jahrzehnten) ihre Lebensplanung auf das bestehende Steuerrecht gestützt haben.

Rechtlich handelt es sich um eine sogenannte "unechte Rückwirkung". Diese ist rechtlich erlaubt, jedoch ist bei einer Interessen- und Güterabwägung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes, der Grundrechte und vom Sinn und Zweck des Gesetzes durch z. B. Übergangsregelungen dem Betroffenen Vertrauensschutz dann zu gewähren, wenn sein schutzwürdiges Vertrauen auf den bisherigen Rechtszustand überwiegt.

Dies wird teilweise auch von den Parteien, die sich für eine Streichung des Ehegattensplittings aussprechen, so unterstützt. So will die SPD das Splitting nur für die "Neuehen" streichen, die Grünen fordern einen zehnjährigen Übergangsprozess des Abschmelzens.

Jede Übergangsregelung reduziert die fiskalische Wirkung einer Abschaffung und schafft zwangsläufig neue Abgrenzungsprobleme und Ungerechtigkeiten.[9]

Positionen von Parteien

Die CSU will am Ehegattensplitting festhalten.[10] Sie meint, die Verfassung gebiete wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie zwingend ein Ehegattensplitting.

Die FDP[11] will ebenso am Splittingverfahren festhalten. Die FDP tritt dafür ein, die Lohnsteuerklasse V abzuschaffen.[12]

Die CDU ist ebenfalls für eine Beibehaltung des Ehegattensplittings;[13] seit 2006 gibt es jedoch innerhalb der Partei Überlegungen, ein darüber hinausgehendes Familiensplitting einzuführen, das auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern gelten soll. Diese neue Gestaltung wird von CSU und FDP größtenteils abgelehnt, weil sie dadurch das Splitting für Ehegatten in seiner Wirksamkeit beschädigt sehen.

Die SPD erklärt in ihrem „Fortschrittsprogramm“, das im Januar 2011 bekannt wurde,[14] den Willen zur Abschaffung des Ehegattensplittings. Anfang Januar 2012 erklärte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, diese Abschaffung nach einem Wahlsieg bei den Bundestagswahlen 2013 im Bund rasch umsetzen zu wollen. Dazu, wie genau die Abschaffung aussehen soll, wurde bislang keine abschließende Position der Partei bekannt. Parteiintern diskutiert wird z. B. eine Kappung in den höheren Einkommensgruppen (entsprechen oben Variante 3) oder eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag (entsprechend oben Untervariante 2b).[15] Allerdings hatte der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, als Bundesfinanzminister noch das Ehegattensplitting verteidigt, weil eine Abschaffung des Ehegattensplittings überwiegend Ehepaare mit einem Verdiener und einem oder zwei Kindern treffe. Dies sei aber eigentlich der Teil der Gesellschaft, für den etwas getan werden sollte.[16]

Bündnis 90/Die Grünen wollen nach einem Modell die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Höchstbetrag von 10.000 € durchsetzen (entsprechend oben Untervariante 2b).[17] Nach einem anderen aktuelleren Modell planen Bündnis 90/Die Grünen die Abschmelzung des Ehegattensplittings und der Splittingvorteil soll bei 1500 Euro gedeckelt werden.[18]

Die Linke ist ebenfalls für eine Abschaffung des Ehegattensplittings, wobei die Übertragbarkeit der Grundfreibeträge beibehalten werden soll (entsprechend oben Untervariante 2b).[19]

Die Piratenpartei Deutschland fordert die Abschaffung des Ehegattensplittings. Steuerliche Vergünstigungen für Einzelpersonen oder Lebensgemeinschaften sollen an die Versorgung von Kindern und schwachen Menschen gebunden werden (entspräche oben Variante 1).[20]

Verfassungsrechtliche Bewertung

Ob und inwieweit es verfassungsrechtlich zulässig wäre, das Ehegattensplitting einzuschränken, ist umstritten. Dies gilt insbesondere für Regelungen, welche dazu führen, dass die Gesamtsteuerlast im Einzelfall von der Einkommensverteilung in der Ehe abhängt.

Das Bundesverfassungsgericht erklärt in ständiger Rechtsprechung die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit und hat mehrfach entschieden, das Ehegattensplitting erreiche dieses Ziel, weil es die Ehe ungeachtet der ehelichen Aufgabenverteilung als steuerliche Einheit behandelt. Die bislang letzte Entscheidung dazu stammt aus dem Jahr 1982[21][22] (BVerfGE 61, 319 C.I.4.a → Steuersplitting III). Das Gericht geht dabei davon aus, dass zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zu Hälfte teil hat. Damit knüpfe das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfinde.

Durch das Ehegattensplitting werde dem Urteil zufolge „sowohl die bei einer Zusammenveranlagung ohne Splitting gegebene verfassungswidrige Benachteiligung derjenigen Ehe vermieden, in der beide Partner berufstätig sind […], als auch die bei einer getrennten Veranlagung drohende Gefahr der Benachteiligung der Hausfrauen- oder Hausmannehe ausgeschlossen." Eine weitere Begründung für die Verfassungsmäßigkeit des Ehegattensplittings sieht das Gericht darin, dass damit „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter verbunden sei. Insgesamt sei "das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuer-"Vergünstigung", sondern -- unbeschadet der näheren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers -- eine an dem Schutzgebot des Art. 6Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung." Durch dieses Verfahren werde "auch vermieden, dass Eheleute mit mittleren und kleineren Einkommen in der Progressionszone, vor allem Arbeitnehmer, gegenüber Eheleuten mit hohem Einkommen, vor allem Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen, benachteiligt werden." Letztere könnten " -- worauf schon 1958 und 1974 im Gesetzgebungsverfahren und neuerdings wieder von der Bundesregierung mit Recht hingewiesen worden ist […] -- durch vertragliche Aufteilung ihres Gesamteinkommens die Steuerprogression mit dem gleichen Effekt wie beim Ehegattensplitting senken, was für die Masse der Arbeitnehmer nicht möglich ist.“[21]

Das Gericht hat nicht ausgeschlossen, dass auch andere steuerliche Gestaltungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werden könnten, etwa ein Familiensplitting. Befürworter einer Einschränkung sprechen vor diesem Hintergrund von einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers[23] (→ Status Positivus). Gegner halten jede steuerliche Bevorzugung bzw. Benachteiligung einer bestimmten eheinternen Einkommensverteilung für verfassungswidrig[24].

Nach Einschätzung des DIW ist eine Einschränkung des erheblichen Splittingvorteils bei Ehepaaren mit hohen Einkommensunterschieden zu rechtfertigen, wenn das politische Leitbild die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Ehepartner in den Vordergrund stellt.[7]

Begründungen und Kritik

Argumente für das Ehegattensplitting

Für das Ehegattensplitting werden im Wesentlichen folgende Argumente genannt:

  • Zunächst spricht für das Splitting der allgemeine Grundgedanke aller Splittingverfahren, nämlich die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Dieser wird relevant, sobald man die Ehe als eine Gemeinschaft ansieht, deren Leistungsfähigkeit nur als Einheit beurteilt werden kann oder soll – siehe dafür auch die folgenden Argumente. Da nun genau diese Sichtweise (Ehe als steuerl. Leistungsgemeinschaft) nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Grundgesetz her vorgegeben sei, müsse jedes verfassungsgemäße Steuersystem sicherstellen, dass alle Ehepaare mit gleichem Gesamteinkommen der gleichen Besteuerung unterliegen, unabhängig von der internen Einkommensverteilung.
Ohne Splitting würde dieses Ziel wegen der Steuerprogression verfehlt, manche Ehepaare also zu hoch besteuert. Das Splitting stelle somit keinen Steuervorteil dar,[25] sondern den Ausgleich eines per se verfassungswidrigen Nachteils: faktisch einer massiven steuerlichen Bestrafung von Einkommensunterschieden in der Ehe, die ohne Splitting durchschlagen würde.[26]
  • Dies sei umso weniger tolerierbar, als – jenseits aller politischen Gleichstellungsträume – nur wenige Ehepartner eine völlige Gleichheit ihrer Einkommen erreichen könnten. Oft sei dies illusorisch, etwa bei geringerem Ausbildungsniveau oder gesundheitlichen Einschränkungen eines Partners oder wenn dieser Zeit für die Pflege Dritter (z. B. kleiner oder behinderter Kindern, gebrechlicher Eltern) aufwende. Auch die Kernziele der Ehe träten mit dem Ziel einer solchen Gleichheit oft in Konflikt, insb. das Ziel eines gemeinsamen Haushaltes, wenn sich die berufliche Karriere beider Partner nicht am selben Ort optimal verwirklichen lässt.
  • Das Ehegattensplitting berücksichtige auch die gesetzliche Verpflichtung der Ehepartner, finanziell füreinander aufzukommen und sich ggf. gegenseitig Unterhalt zu leisten. So erhalten Personen keine Grundsicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld nach dem SGB II oder Sozialhilfe nach dem SGB XII, wenn der Ehepartner für ihre Versorgung aufkommen kann. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings und ein vollständiger Übergang zum Individualprinzip müsste konsequenterweise auch diese Folgen der ehelichen Solidaritätspflicht beseitigen, womit Ehepartner von Gutverdienenden trotzdem Sozialleistungen beziehen könnten.
  • Eine Kappung des Ehegattensplittings ohne begleitende Erhöhung kindbezogener Transferleistungen würde vor allem Ehepaare mit Kindern belasten, während bei Ehepaaren ohne Kinder meist beide Partner berufstätig seien und daher über etwa gleich hohe Einkommen verfügen.[7] Indirekt diene das Ehegattensplitting also auch dem grundgesetzlich vorgeschriebenen Schutz der Familie (nicht nur der Ehe).

Kritik an den Pro-Argumenten

Kritiker wenden insoweit ein:

  • Eine rechtspolitische oder verfassungsrechtliche Bewertung des Ehegattensplittings sei in isolierter Form unvollkommen. Der gesetzgeberische Reflex auf die Ungleichbehandlung durch Zusammenveranlagung von Eheleuten habe zwar zu einer steuerlichen Tradition seit den 1950er Jahren geführt. Aus der Verfassungsmäßigkeit des Splittings könne im Umkehrschluss aber nicht gefolgert werden, dass es nicht auch andere verfassungsgemäße Lösungsmöglichkeiten gebe. Dies gelte vor allem, wenn das Steuer- und Abgabensystem zugleich anderweitig abgeändert werde (etwa durch Abschaffen der Zusammenveranlagung oder des progressiven Steuersatzes).

Argumente für die Ausdehnung des Splittings

Vom Ehegattensplitting profitieren kinderlose Ehen tendenziell stärker als Ehen mit Kindern, und bei diesen wiederum fällt der Splittingvorteil umso weniger ins Gewicht, je mehr Kinder in einer Familie versorgt werden müssen. Umgekehrt gibt es heute neben der traditionellen Familie aus verheirateten Eheleuten mit Kindern andere Formen des Zusammenlebens von Erwachsenen mit Kindern, etwa alleinerziehende Eltern. Allein die Ehe als steuerliche Leistungsgemeinschaft zu werten, sei zu einseitig und entspreche nicht der Verfassung. Insbesondere wird über Möglichkeiten eines Familiensplittings diskutiert, wie es beispielsweise in Frankreich zur Anwendung kommt. Art. 6 Abs. 1 GG stelle nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie unter den besonderen Schutz des Staates; daher müssten unterhaltsberechtigte Kinder in die Leistungsgemeinschaft einbezogen werden, unabhängig vom Bestand einer Ehe.

Vertreter der Lebensformenpolitik fordern darüber hinaus eine umfassende Gleichstellung auch nichtehelicher Lebensgemeinschaften und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind.[27]

Argumente für Reduzierung oder Abschaffung des Ehegattensplittings

Gegner der Ehegattensplittings wenden ein:

  • 1. Vom Splitting profitierten auch kinderlose Ehepaare; der Splittingvorteil solle aber eigentlich nur Kindern zugutekommen.
  • 2. Die Auswirkung des Splittings im Vergleich mit einem unverheirateten Paar ist wegen der Steuerprogression umso größer, je weiter die beiden Ehegatten-Einkommen auseinander liegen. Sie ist am größten, wenn einer der Eheleute überhaupt kein Einkommen bezieht. Dies bewirke, so die Kritik, dass sich eine über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehende Arbeitsaufnahme für einen Ehepartner kaum lohne, wenn der andere Ehepartner gut verdient. Das führe in der Realität zur Nichtteilhabe am Arbeitsmarkt und zu einem immer größeren Qualifikationsverlust des (einkommens-)schwächeren Partners, somit mit zunehmender Zeit zu seiner dauerhaften Ausgrenzung aus der Berufstätigkeit, also letztendlich zur Abhängigkeit vom besser verdienenden Partner.
  • 3. Auch im Übrigen sei jede Wirkung des Steuerrechts, die ungleiche Rollenmuster begünstige oder stabilisiere, gleichstellungshemmend. Unter Beachtung der Gender-Mainstreaming-Gesetzgebung der EU der letzten Jahre sei das Ehegattensplitting demzufolge neu zu bewerten. Deutschland sei durch Organe der EU mehrfach angemahnt worden, das Steuersystem auf Benachteiligungen zu Lasten von Frauen zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern.
  • 4. Das Splitting bewirke in Kombination mit bestimmten Regelungen der Sozialversicherung (der beitragsfreien Familienmitversicherung des Partners, der auf das Individuum bezogenen Beitragsbemessungsgrenze und der Begünstigung von Minijobs), dass bezogen auf gleich hohe Bruttofamilieneinkommen diejenigen Ehepaare, die sich Erwerbs- und Familienaufgaben ungefähr gleich teilen, durch die Summe der Steuern und Abgaben höher belastet würden als Einverdiener- oder Zuverdienerehen. Egalitär orientierte Paare würden so in der Summe aufgrund der Art ihrer Arbeitsteilung finanziell schlechter gestellt.
  • 5. Die Annahme, dass in der Ehe in der Praxis ein hälftiger Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfinde, sei nicht belegt, da Prozesse der Aushandlung von Arbeitsteilung und Geld unter Partnern nur in Ansätzen wissenschaftlich untersucht worden sind; rechtlich besteht während der Ehe insbesondere ein Taschengeldanspruch. Das Splitting gelte außerdem auch für Ehen, die Gütertrennung vereinbart haben. Für diese Ehen griffen die Grundsätze des Verfassungsgerichts[28] jedoch nicht, da nur bei einer Gütergemeinschaft von einem Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern, zumindest nachträglich im Fall einer Ehescheidung, ausgegangen werden könne.

Kritik der Contra-Argumente

  • Zu 1: Das Ehegattensplitting habe mit Kindern nichts zu tun. Es sei eine Auswirkung des grundgesetzlichen Schutzes der Ehe, zu welchem unabhängig von Kindern eben auch das Recht gehöre, die Einkommensverteilung zwischen den Partnern ohne staatliche Gängelung selbst zu bestimmen und entsprechende Entscheidungen zu treffen (z. B. einen berufsbedingten Wohnortwechsel des Hauptverdieners mitzumachen, auch mit beruflichen Nachteilen für den Partner). Zudem diene das Kindergeld als finanzielle Unterstützung jedes einzelnen Kindes. Da das Splitting in Wahrheit nur ein Nachteilsausgleich sei, könne es nicht als Familien- oder Kinderförderung qualifiziert und eingesetzt werden. In Wahrheit sei gerade die ohne Splitting einsetzende Benachteiligung der Einverdienerehe das eigentliche Ziel der Gegner, um so die politisch gewollten Mehrverdienerehe zu begünstigen und "gender mainstreaming" zu betreiben.
  • Zu 2: Jede Einkommenssteigerung des nicht erwerbstätigen Ehepartners lohne sich (beim Splitting) genauso wie eine entsprechende Einkommenssteigerung beim Hauptverdiener. Der geringer verdienende Ehepartner werde genauso wenig darin behindert, sein Einkommen zu steigern, wie der besser verdienende. Ohne Splitting würde hingegen eine Einkommensteigerung beim weniger verdienenden Ehepartner subventioniert, beim besser verdienenden hingegen bestraft.
  • Zu 3: "Gender mainstreaming" dürfe nicht zu einer verfassungswidrigen Einmischung des Staates in die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft führen. Der Staat dürfe sich für Gleichstellung im öffentlichen Bereich einsetzen, niemals aber dieses politische Ziel der privaten Lebensführung aufnötigen und über die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen setzen.
  • Zu 4: Die angeblich höhere Gesamtbelastung aus Steuern und Sozialabgaben existiere nicht, bzw. nur in Gestalt der Vorteile beim Minijob. Insb. die Sozialabgaben seien völlig unabhängig davon, ob sie bei gleichem Gesamteinkommen bei beiden Partnern hälftig oder bei einem vollständig abgezogen werden. Es ergibt sich zwar auch ein Vorteil, wenn das Einkommen eines Ehegatten Beitragsbemessungsgrenzen überschreitet, und somit ein Einkommenszuwachs beim schlechter verdienenenden Partner eine Erhöhung z. B. der Krankenkassenbeiträge bewirken kann und beim Besserverdiener nicht, jedoch ist dies ein sozialgesetzliches Problem, was auch überlagert wird durch generell unterschiedliche Regeln zur Pflichtversicherung in der Kranken- oder Rentenversicherung.
  • Zu 5: Ein hälftiger Transfer zwischen den Ehegatten werde auch an anderer Stelle vom Gesetzgeber zur Norm und sogar zur Verpflichtung erhoben. Die in § 1360 festgeschriebene Pflicht der Ehegatten "die Familie angemessen zu unterhalten" laufe diesem Argument zufolge auf hälftigen Transfer hinaus, was seinen Niederschlag insbesondere bei den Regelungen zum familienrechtlichen Zugewinnausgleich und im Erbrecht für Ehegatten zeige. All dies gelte weitgehend auch bei Gütertrennung.
  • Allgemein: Praktisch alle Gegenargumente kämen auch bei einem Umbau des Splittings hin zu einer Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag bzw. einem Realsplitting zum Tragen (siehe oben die Varianten 2 und 3 zur Einschränkung des Splittings). Nach diesen Modellen unterliegen die Steuerabzüge bei Arbeitsaufnahme des Partners für dessen zusätzlichen Verdienst ebenfalls einem erhöhten Steuersatz, da der übertragene Betrag bei dem Partner, der den Freibetrag auf sich nimmt, zu einer Steuerprogression führt. Dies verringere den steuerlichen Anreiz für eine Arbeitsaufnahme des Partners ähnlich wie bei einem Splittingsystem. Lediglich die Höhe des Effekts sei geringer, und auch das nur bei höheren Einkommen.

Andere Länder

Neben Deutschland kennen nur Luxemburg und Polen[29] in der Einkommensteuer das Ehegattensplitting. Frankreich und Portugal[30] gehen mit dem Familiensplitting darüber hinaus.

In allen anderen EU-Staaten besteht kein Ehegattensplitting. In diesen Ländern werden Ehepartner individuell besteuert oder erhalten nur begrenzte Steuerermäßigungen.[31] Allerdings gibt es eine Reihe von EU-Staaten, in denen ein proportionaler Steuertarif gilt. Bei einem Proportionaltarif würde ein Splittingverfahren bei gegebener Einkommenshöhe und -verteilung in der Ehe nicht zu einer veränderten Steuerschuld führen. Österreich, das Vereinigte Königreich, Schweden, Niederlande und Spanien haben das Ehegattensplitting zugunsten einer Individualbesteuerung abgeschafft.[32]

In einigen Kantonen der Schweiz gibt es neben dem Vollsplitting ein Teilsplitting, bei dem die Summe der Einkünfte nicht durch zwei geteilt wird wie beim Ehegattensplitting, sondern durch einen niedrigen Splittingdivisor, beispielsweise von 1,6 bis 1,9 (Bundessteuergesetz Schweiz).

In den USA entrichten zusammen veranlagte Ehepaare bis zu einem zu versteuernden Jahreseinkommen in Höhe von 142.700 Dollar (Tarif 2012), unabhängig von der Verteilung des Eheeinkommens auf beide Partner, bei der Bundeseinkommensteuer genau denselben Steuerbetrag wie zwei Singles mit dem jeweils hälftigen zu versteuernden Einkommen. Anders ausgedrückt ist der Durchschnittssteuersatz bis zu dieser Grenze immer genauso hoch wie der Durchschnittssteuersatz des hälftigen Single-Einkommens.[33] Insoweit ist die amerikanische Bundeseinkommensteuer bis zu einem Eheeinkommen von 142.700 Dollar wirkungsgleich mit dem Ehegattensplitting. Jenseits dieser Grenze ist der Durchschnittssteuersatz bei zusammenveranlagten Ehepaaren etwas höher (z. B. bei Eheeinkommen von 200.000 Dollar 21,89 %) als der Durchschnittssteuersatz des hälftigen Single-Einkommens (21,46 % bei Singleeinkommen von 100.000 Dollar).

Literatur

  • Franziska Vollmer: Das Ehegattensplitting: Eine verfassungsrechtliche Untersuchung der Einkommensbesteuerung von Eheleuten. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1998, ISBN 3-7890-5682-0.

Juristische Internet-Publikationen der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema Ehesplitting:

Zum Erfordernis des Gender Mainstreaming vgl. auch:

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. Abgabenrechner des Bundesfinanzministeriums
  3. Jährliche Einkommensteuerstatistik - Fachserie 14 Reihe 7.1.1 - 2008, Seite 10, "Exkurs" (PDF)
  4. Stefan Bach: Ehegattensplitting und mehr. DIW, S. 6.
  5. “Ehepaare werden zusammen veranlagt…“ – § 26 des EStG in der Fassung vom 17. Januar 1952 – EStG 1951 – (BGBl. I S. 33)
  6. BVerfGE 6, 55 – Steuersplitting – Beschluss vom 17. Januar 1957
  7. a b c Stefan Bach, Hermann Buslei: Fiskalische Wirkungen einer Reform der Ehegattenbesteuerung (PDF-Datei; 190 kB), Wochenbericht des DIW Berlin 22/03.
  8. a b Stefan Bach, Johannes Geyer, Peter Haan, Katharina Wrohlich: Reform des Ehegattensplittings: Nur eine reine Individualbesteuerung erhöht die Erwerbsanreize deutlich (PDF-Datei; 624 kB), DIW Wochenbericht 44/22.
  9. Vom Ehegattensplitting zum Partnerschaftstarif; In: FAZ vom 3. Mai 2013, S. 13
  10. Christa Stewens: Ehegatten-Splitting muss bleiben, 14. Juni 2006
  11. Carl-Ludwig Thiele: FDP fordert familienfreundliche Steuerpolitik (PDF), 5. August 2005
  12. FDP: Antrag: Steuerklasse V abschaffen – Lohnsteuerabzug neu ordnen / Drucksache 16/3649 (PDF-Datei; 50 kB), Deutscher Bundestag, 29. November 2006
  13. Johannes Singhammer: Ehegattensplitting ist unverzichtbar, 14. Juni 2006
  14. WAZ:SPD will Ehegattensplitting kippen
  15. Familienpolitiker wollen Ehegattensplitting abschaffen, Spiegel Online
  16. Steinbrück verteidigt Ehegattensplitting, Handelsblatt vom 17. Juni 2006
  17. Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Moderne Individualbesteuerung einführen , 30. Mai 2006
  18. Grüner Deckel für das Ehegattensplitting, Tagesspiegel Online
  19. Andreas Schuster: Wie soll mehr Geld in die Kassen kommen? – Zum Umgang mit dem Steuerkonzept der PDS, Februar 2005
  20. [2]
  21. a b BVerfGE 61, 319 C.I.4.a
  22. Hintergrundpapier zur aktuellen Diskussion über eine Reform der Besteuerung von Ehe und Familie. DJB, , abgerufen am 6. September 2009.
  23. vgl. exemplarisch Christine Hohmann-Dennhardt im Interview
    Felix Berth: Interview – „Der Gesetzgeber hat Spielraum“, Süddeutsche Zeitung, 20. Juni 2006, S. 8.
  24. vgl. exemplarisch Paul Kirchhof, ehem. Verfassungsrichter, im Deutschlandradio, gesendet am 23. August 2008
  25. Landtag des Saarlandes, Antwort zu der Anfrage der Abgeordneten Cornelia Hoffmann-Bethscheider (SPD), Besteuerung von Familienhaushalten, Drucksache 13/1916 vom 2. Juni 2008
  26. Schulemann, Olaf, Familienbesteuerung und Splitting, Änderungsvorschläge auf dem Prüfstand, hrsg. vom Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V., November 2007, S. 16 ff.
  27. Siehe z. B. die Pressemitteilung des Bundesvorstands der GRÜNEN JUGEND vom 25. Februar 2006.
  28. BVerfGE 61, 319
  29. Regierung Polen:Das Europäische Job-Netzwerk
  30. Autoridade Tributária e Aduaneira: Tax System in Portugal (PDF-Datei; 689 kB)
  31. Frankfurter Rundschau:"Wir brauchen eine Politik, die alle Kinder fördert"
  32. Hans-Böckler-Stiftung:Ehegattensplitting macht Erwerbsarbeit für Frauen unattraktiv
  33. Federal Tax Brackets 13. März 2012