Eva Kimminich

deutsche Kulturwissenschaftlerin und Romanistin
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Eva Kimminich (* 28. April 1957 in St. Blasien, Schwarzwald) ist Kulturwissenschaftlerin und Romanistin. Sie ist Inhaberin der Professur "Kulturen romanischer Länder" an der Universität Potsdam.

Leben

Eva Kimminich studierte in Freiburg i. Br. und promovierte 1985 an der Universität Freiburg mit der in Florenz erarbeiteten Dissertation Des Teufels Werber. Anschließend wurde sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Forschungsprojekt "Brauch am Oberrhein" beauftragt, aus dem die beiden Monographien Religiöse Bräuche im Räderwerk der Obrigkeiten und Prozessionsteufel, Herrgottsmaschinen und Hakenkreuzflaggen. Zur Geschichte der Fronleichnamsprozession in Freiburg und Baden hervorgingen. Anschließend erarbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Schriftlichkeit und Mündlichkeit" an der Universität Freiburg mit der Monographie Erlebte Lieder. Eine Analyse handschriftlicher Liedaufzeichnungen des 19. Jahrhunderts. 1989 erhielt sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn ein Forschungsstipendium und habilitierte sich 1992 an der Universität Freiburg mit einer kollektiven Reformulierungstheorie gesellschaftlicher Wirklichkeiten am Beispiel zensierter Chansons aus Pariser Cafés-concerts des 19. Jahrhunderts (Erstickte Lieder. Zensierte Chansons aus Pariser Cafés-concerts. Versuch einer kollektiven Reformulierung gesellschaftlicher Wirklichkeiten) für das Fach Romanische Philologie. Von 1993 bis 2009 nahm sie verschiedene Gast- und Vertretungsprofessuren an deutschen Universtäten wahr und führte Forschungsprojekte zum Rap in Frankreich und Westafrika durch. 2009 erhielt sie einen Ruf auf die Professur „Kulturen romanischer Länder“ an die Universität Potsdam. 2000 erschien mit Zunge und Zeichen der erste Band von zurzeit 12 Aufsatzbänden ihrer interdisziplinär ausgerichteten Schriftenreihe "Welt – Körper – Sprache". 2002 begründete sie die Sektion "Semiotik der Jugend- und Subkulturen" in der Deutschen Gesellschaft für Semiotik, von der sie von 2009 bis 2011 mit der Präsidentschaft betraut wurde, und für die sie bis heute als Beirätin für Jugend- und Subkulturen und im Vorstand tätig ist.

Forschungsschwerpunkte

Kimminich versteht Kultur als Praxis. Sie geht in ihren Forschungen deshalb von einem konstruktivistischen Standpunkt aus und untersucht insbesondere zentrale metaphorische Konzepte einer Kultur oder Teilkultur. Diese erlauben Rückschlüsse auf die Entwicklung und Innovation oder die Tradierung von kulturellen Wirklichkeitsentwürfen, Identitätskonstruktionen und den damit verbundenen sozialen Prozessen. Dabei spielt einerseits das Wechselspiel zwischen sinnlicher Wahrnehmung und sinnhafter Darstellung eine wichtige Rolle, wie Kimminich in ihrer Analysen der Kulturgeschichte der Synästhesie[1] oder zur abendländischen Esskultur[2] zeigt. Andererseits rückt sie die Wechselwirkungen zwischen den Zeicheneinheiten und den zeichensetzenden Individuen, sozialen Gruppen sowie gesellschaftlichen Ordnungen einer Kultur ins Blickfeld und zeigt, wie Kultur durch die Entstehung und Veränderung von symbolischen Formen geprägt und erneuert wird. So konzentriert sie sich besonders auf individuelle oder gruppenspezifische Akte der Zeichensetzung, die in innovativer Weise auf Semiosen und symbolische Formen bestehender Kulturprogramme einer Gesellschaft einwirken: In ihren Forschungen zu Sub- und Jugendkulturen[3] sowie zu Protest- und Gegenkulturen[4] weist Kimminich ein besonders dichtes Spiel mit symbolischen Formen nach.

Werke

Monographien

  • Illégal ou légal. Anthologie du rap français. Stuttgart: Reclam 2002.ISBN 978-3-15009-093-0
  • Erstickte Lieder. Zensierte Chansons aus Pariser Cafés-concerts. Versuch einer kollektiven Reformulierung gesellschaftlicher Wirklichkeiten. (= Romanica et Comparatistica 31), Tübingen: Stauffenburg 1998.ISBN 978-3-86057-081-4
  • Erlebte Lieder. Eine Analyse handschriftlicher Liedaufzeichnungen des 19. Jahrhunderts. (= ScriptOralia, Bd. 20), Tübingen: Gunter Narr Verlag 1990. ISBN 3-8233-4237-1
  • Prozessionsteufel, Herrgottsmaschinen und Hakenkreuzflaggen. Zur Geschichte der Fronleichnamsprozession in Freiburg und Baden. Freiburg: Schillinger 1990 (= Stadt und Geschichte, Bd. 14).ISBN 978-3-89155-051-9
  • Religiöse Volksbräuche im Räderwerk der Obrigkeiten. Ein Beitrag zur Auswirkung aufklärerischer Reformprogramme am Oberrhein und in Vorarlberg. (= Menschen und Strukturen, Bd. 4), Frankfurt a. M.: Peter Lang 1989. ISBN978-3-63140-356-3
  • Des Teufels Werber. Mittelalterliche Lasterdarstellung und Gestaltungsformen der Fastnacht. (= Artes Populares, Bd. 110), Frankfurt a. M.: Peter Lang 1986.ISBN 978-3-82049-500-3

Aufsatzbände (Auswahl)

  • Mythos Stadt – Stadtmythen. Hg. mit Judith Stein. (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 10), Frankfurt a. M.: Peter Lang 2013.(ISBN 978-3-631-62849-2)
  • Stadt und Zeichen. Hg. mit Mara Persello. Berlin 2011.
  • Utopien, Jugendkulturen und Lebenswirklichkeiten: ästhetische Praxis als politisches Handeln. (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 7), Frankfurt a. M.: Peter Lang 2009.(ISBN 978-3-63159-938-9)
  • Metaphern der Macht – Macht der Metapher. Aachen: Shaker 2008. (ISBN 978-3-83227-111-4)
  • Express Yourself! Europas Kreativität zwischen Markt und Underground. Hg. mit H. Geuen, M. Rappe u. S. Pfänder. Bielefeld: Transcript 2007. (ISBN 978-3-89942-673-1)
  • Kulturschutt: Über das Recyceln von Theorien und Kulturen. Hg. mit Christoph Jacke u. Siegfried J. Schmidt. Bielefeld: Transcript2006.(ISBN 978-3-89942-394-5)
  • GastroLogie. (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 5), Frankfurt a. M.: Peter Lang 2005. (ISBN 978-3-63154283-526-7)
  • Rap: More Than Words. (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 4), Frankfurt a. M.: Peter Lang 2004(ISBN 978-3-63151-961-5)
  • Kulturelle Identität: Konstruktionen und Krisen. (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 3), Frankfurt a. M.: Peter Lang 2003 (ISBN 978-3-63150-206-8)

Preise

  • 2012 Potsdamer Kongresspreis in der Kategorie "Beste Einzelveranstaltung" für den 2011 an der Universität Potsdam ausgerichteten 13. Internationalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Semiotik zum Thema "Repräsentation – Virtualität – Praxis".
  • 2008 Lehrepreis der Universität Freiburg

Einzelnachweise

  1. "Synästhesie und Entkörperung der Wahrnehmung. Bemerkungen zur einer historischen Entwicklung in Europa vom 17. bis zum 20. Jahrhundert", in: Zeitschrift für Semiotik 24/1, 2002, S. 71-109
  2. "Bemerkungen über die kultürlichen Paradiese des homo gastrologicus." In: Dies.: GastroLogie. Frankfurt a. M. / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien (Peter Lang), 2005 (= Welt – Körper – Sprache. Perspektiven kultureller Wahrnehmungs- und Darstellungsformen, 5), S. VII-LXXII
  3. "I-Stories und Histories. Rap und Slam: Arbeiten an Identität, Gemeinschaft und Geschichte." In: Jahrbuch für Europäische Ethnologie. Görresgesellschaft Paderborn, München, Wien, Zürich: Verlag Ferdinand Schöningh, 2011, S. 173-196; "HipHop B-Boys Tanz und Körperbilder." In: Richard, Birgit/ Krüger, Heinz-Hermann (Hg): inter_cool 3.0. Jugendliche Bild- und Medienwelten. Ein Kompendium zur aktuellen Jugendkulturforschung. München: Fink Verlag, 2010, S. 81-97; "Kultur(Schutt)Recycling: Von Kids und Barbaren, Jesuslatschen und Dreadlocks - Jugend im Spannungsfeld von Konzepten und Kulturprogrammen." In: Christoph Jacke/Eva Kimminich/Siegfried J. Schmidt (Hg.): Kulturschutt: Über das Recycling von Theorien und Kulturen, Bielefeld: Transcript, 2006. S. 34-69.
  4. "Black Barbie & Co. Migrations- und Rassismuserfahrungen in Songtexten französischer Rapperinnen." In: Freiburger Geschlechterstudien, 25, 2011: Migration, Mobilität, Geschlecht, S. 75-92; "Selbstgestaltung, Selbst(er)findung, Selbstbehauptung - eine Kulturprogrammstörung?" In: E. Kimminich / H. Geuen / M. Rappe / S. Pfänder (Hg.): Express Yourself! Europas Kreativität zwischen Markt und Underground. Bielefeld: Transcript, 2007, S. 51-73