Blauracke

Art der Gattung Coracias
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Die Blauracke (Coracias garrulus) ist ein etwa hähergroßer Vertreter der Racken. Der mit türkisfarbenen und azurblauen Gefiederbereichen sehr auffallend gefärbte Vogel ist in Europa der einzige Vertreter dieser Familie. Blauracken sind obligate Weitstreckenzieher. Die Brutgebiete liegen in der westlichen, südlichen und zentralen Paläarktis, die Überwinterungsgebiete vor allem im östlichen und im südlichen Afrika.

Blauracke

Blauracken (Coracias garrulus)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Rackenvögel (Coraciiformes)
Familie: Racken (Coraciidae)
Gattung: Coracias
Art: Blauracke
Wissenschaftlicher Name
Coracias garrulus
(Linnaeus, 1758)

Blauracken brüten in natürlichen Baumhöhlen, in geräumigen Spechthöhlen oder graben in Sand- oder Lössabbrüche Brutröhren. Sie ernähren sich von großen Insekten, vor allem von Käfern, die von einem Ansitz aus erspäht und am Boden erbeutet werden.

Der weitaus größte Bereich des Verbreitungsgebietes wird von der Nominatform C. g. garrulus eingenommen. Im südöstlichsten Teil ist die etwas größere und weniger kontrastreich gefärbte Unterart C. g. semenowi verbreitet.

Der deutsche Trivialname beschreibt des Hauptruf des Vogels, ein krächzendes Rack, das Artepitheton garrulus bedeutet laut, schwätzend.

Der Gesamtbestand der Blauracke wird momentan als nahezu gefährdet (NT = Near Threatened - Vorwarnstufe) bewertet. [1] In Mitteleuropa war die Blauracke bis zur Mitte des 19. Jh. zwar nicht häufig, aber weit verbreitet. Heute ist sie hier bis auf wenige Restvorkommen ausgestorben, in Nordosteuropa und neuerdings auch in Südosteuropa und der Türkei sind signifikante Bestandsrückgänge zu verzeichnen. [2]

Merkmale

 
Blauracke im Winterquartier

Blauracken erreichen eine Größe von 31−32 Zentimeter; ihr Gewicht liegt zwischen 130 und 160 Gramm. Sie sind damit geringfügig kleiner und leichter als ein Eichelhäher. Es besteht kein Größen- oder Gewichtsdimorphismus. Weibchen sind in der Farbverteilung gleich-, aber insgesamt blasser gefärbt als Männchen. [3]. Als einzige Rackenvögel sind sie in ihrem paläarktischen Verbreitungsgebiet unverwechselbar, nur im äußersten Südosten überlappen die Verbreitungsgebiete der Hinduracke und der Blauracke etwas. Die Hinduracke ist jedoch durch das Vorherrschen von Grüntönen und die bräunliche Brust gut zu unterscheiden.

Blauracken wirken großköpfig und kurzhalsig. Sie ähneln im Habitus einer kleinen Krähe, betont wird dieses Erscheinungsbild durch den mächtigen, deutlich gerundeten und leicht gehakten Schnabel. Türkisfarbene, azurbraune und tiefblaue Farbelemente überwiegen, wobei die türkisen der Sonne zugewandt hellblau erscheinen, im Schatten dagegen türkisgrün. [4]

Kopf, Hals und die gesamte Unterseite sind türkis. Stirn und Kinn sind weißlich-grau, hinter dem Augen befindet sich eine kleine, unbefiederte schwarze Region. Der obere Rücken und die Schultern sind rötlich zimtfarben, der untere Rücken violettblau, die Oberschwanzdecken ultramarinblau. Die beiden mittleren Steuerfedern sind dunkel-olivgrün, die anderen türkis-azurblau mit dunkleren Basen. Die beiden äußersten Steuerfedern sind geringfügig verlängert und dunkel gerandet. Die Handschwingen sind mehrheitlich braunschwarz, zu den Armschwingen hin im basalen Bereich türkis; die Armschwingen zu 3/5 braunschwarz und im basalen Bereich türkis. Die türkisen Bereiche sind auf der Oberseite farbintensiver; auf der Unterseite können die dunklen Schwingen je nach Lichteinfall purpurn schimmern. Die Kleinen Oberflügeldecken sind intensiv pupurblau, die übrigen wie auch die Unterflügeldecken mehrheitlich türkis. Die kurzen und schwachen Füße sind matt ockergelb, die Iris ist haselnussbraun, der Schnabel schwarzbraun.

Jungvögel ähneln adulten im Schlichtkleid. Verwaschene Brauntöne überwiegen, die türkisen und blauen Farbelemente sind kontrastärmer und blasser.

Mauser

Kurz nach dem Ausfliegen vermausern die Jungvögel das Kleingefieder und einige oder alle Steuerfedern. Die Schwingenmauser erfolgt im Winterquartier. Einjährige und ältere Blauracken wechseln nach der Brut noch im Brutgebiet das Kleingefieder und die inneren vier Handschwingen. Die Mauser der restlichen Schwingen sowie die der Steuerfedern erfolgt sehr langsam im Winterquartier und ist erst kurz vor dem Heimzug abgeschlossen. [5]

Lautäußerungen

Während der Balz und der Revierabgrenzung sind Blauracken akustisch recht auffällig (Hörbeispiel: Revierdisput zwischen drei Paaren - Italien). In der Brutzeit und danach jedoch kaum zu hören. Der Erregungs- und Störungsruf der Blauracke ist ein rauhes ‚Rak’, das oft mehrmals wiederholt wird und knarrende oder krächzende Klangeigenschaften aufweist. Im Balzflug hört man ein sehr zuerst hartes Kera das im Sturzflug in ein rätschendes Rärrärrärrärrärr... übergeht. Schrecklaut ist ein krähenhaftes Kraaah, mit einem grellen, lauten Ärrrrr warnen Blauracken. Auch Perkussionslaute gehören zu ihren Lautäußerungen, wie zum Beispiel Schnabelschlagen gegen einen schwingenden Ast.

Verbreitung und Lebensraum

 
Verbreitungsgebiet der Blauracke
Rot schraffiert: Stark rückgängig
weiß schraffiert: selten

Die Blauracke ist eine thermophile Art, die während der Brutmonate Mai, Juni und Juli möglichst trockene und warme Witterungsverhältnisse benötigt. Die Nominatform ist vor allem im östlichen, südlichen und südöstlichen Europa verbreitet. Ebenso ist die Art im westlichen Nordafrika (Maghreb), in weiten Teilen Spaniens sowie an der französischen Mittelmeerküste und einigen der großen Mittelmeerinseln mit Ausnahme Korsikas vertreten. Auf Kreta erscheint sie nur als Durchzieher. In Nordosteuropa brütet die Blauracke in Ostpolen und vereinzelt in den Baltischen Staaten sowie im europäischen Russland. Nordwärts erreicht sie im Gebiet des Ladoga-Sees ihre nördlichsten Vorkommen bei ungefähr 60° nB. Weiter nach Osten weicht die Nordgrenze nach Süden ab und folgt im wesentlichen der nördlichen Verbreitungsgrenze der Stieleiche. [6] In Asien erreichen die Vorkommen das südliche Mittelsibirien, sowie unter Auslassung der zentralasiatischen Steppengebiete den Nordwesten Irans. Die Unterart semenowi brütet im südwestlichen sowie den südlichen Teilen Zentralasiens, nach Osten hin bis Sinkiang.

Die Blauracke nistet vor allem am Rande sehr lichter Waldbestände, bevorzugt in alten Eichenwäldern und lichten Kiefernbeständen, die an insektenreiche Heidekrautbestände oder Wiesen, Weiden und andere extensiv genutzte Flächen grenzen. Zuweilen nutzt sie auch Streuobstwiesen und größere Parkgelände. Brutstandorte in Gewässernähe werden bevorzugt. Weiter südlich brütet sie in flussbegleitenden Gehölzen, und in Gehölzinseln in ansonsten weitgehend baumlosen Regionen. Als Höhlenbrüter ist sie auf das Vorhandensein von natürlichen Bruthöhlen oder alten Spechthöhlen angewiesen bzw. muss Sandstein, Lehm- oder Lössabbrüche vorfinden, um Bruthöhlen selbst graben zu können. Um erfolgreich jagen zu können, benötigt sie Ansitze, von denen aus sie die Freiflächen nach Beute absucht. Wenn sie nicht verfolgt wird, meidet sie die Nähe des Menschen und menschlicher Siedlungen nicht.

Die Blauracke ist eine Art der Niederungen und der Hügellandstufe. Die bisher höchstliegenden bekannten Brutgebiete befinden auf etwa 2000 Metern im Atlas.

Ihr Raumbedarf ist in durchschnittlichen Habitaten mit 15 Brutpaaren auf 100 km² relativ groß. Doch wurden in Optimalhabitaten Brutdichten von bis zu 9 Paaren/km² festgestellt. [7] Im letzten verbliebenen österreichischen Brutgebiet in der südöstlichen Steiermark brüteten auf etwa 27 km² bis zu 18 Brutpaare. [8]

Wanderungen

Alle Populationen und beide Unterarten sind Zugvögel, die meisten von ihnen obligate Langstreckenzieher. Die Überwinterungsgebiete liegen in der Dornbusch- und Akaziensavanne vor allem des südöstlichen und des südlichen Afrika. Reine Wüsten, baumlose Halbwüsten sowie geschlossene tropische Waldgebiete werden nicht dauerhaft aufgesucht. Westeuropäische sowie maghrebinische Populationen überwintern am Südrand der westlichen Sahelzone oder queren die Sahara diagonal um nach Ostafrika oder Südostafrika zu gelangen. Auch alle asiatischen Vögel ziehen ins südöstliche und südliche Afrika.

Die meisten Blauracken ziehen in breiter Front, doch wurden an Engstellen, wie zum Beispiel dem Niltal oder der somalischen Nordostküste an einzelnen Tagen Zugdichten von mehreren zehntausend Ziehern beobachtet. Mit dem Wegzug beginnen die mitteleuropäischen Altvögel Mitte August, Mitte September ist er abgeschlossen. In den Überwinterungsgebieten streifen Blauracken kleinräumig umher. Der Heimzug erfolgt ab Mitte April, die meisten mitteleuropäischen Blauracken kommen in der ersten Maidekade in ihr Brutgebiet zurück. Mit durchschnittlichen Tagesstrecken von etwa 67 Kilometern verläuft der Wegzug etwas langsamer als der Heimzug, bei dem im Durchschnitt 110 Kilometer zurückgelegt werden. [9]

Nahrung und Nahrungserwerb

 
Blauracke auf einer Warte
 
Blauracke mit Beute (Skolopender)

Die Nahrung der Blauracke besteht meist aus Insekten und anderen Gliederfüßern, wobei solche Beutetiere bevorzugt werden, die am leichtesten erreichbar sind und zumindest eine Größe von einem Zentimeter aufweisen.[10] Nur auf dem Zug nimmt sie auch pflanzliche Nahrung (Weintrauben, Feigen) zu sich. Große Käfer dominieren, doch gehören andere Insekten wie Heuschrecken, Libellen, Grillen, Zikaden, Schmetterlinge und Raupen ebenfalls zu ihren Beutetieren. Sie verzehrt auch Arten, die sich durch Abwehrstoffe schützen, offenbar ohne Schaden (Wanzen, Laufkäfer). Daneben werden aber auch – quantitativ allerdings nicht bedeutend – kleinere Säugetiere, Amphibien und Reptilien erbeutet.

Als Wartenjäger sitzt die Blauracke auf ihrem Ansitz (Pfahl, Leitungsdraht). Erspäht sie ein lohnendes Beutetier, lässt sie sich im Gleitflug fallen, ergreift die Beute am Boden und kehrt zu ihrer Warte zurück. Dort wird das Beutetier oft gegen eine harte Unterlage geschlagen und zuweilen auch in die Luft geschleudert, bevor es verschluckt wird. Fliehende Beutetiere werden überhaupt nicht oder nur kurz hüpfend verfolgt. Flugjagden kommen vor, sind aber nur bei Massenauftreten von Fluginsekten, wie zum Beispiel Termitenschwärmen, häufiger zu beobachten.

Verhalten

Die Blauracke ist tagaktiv mit zwei ausgeprägten Aktivitätsgipfeln am frühen Morgen und am späten Nachmittag. Dazwischen sitzt sie meist ruhig auf ihrem Ansitz. Außerhalb von Brut und Balzzeit ist ihre Anwesenheit wenig auffällig. Ihr Flug ist ein schnell fördernder, krähenartiger Ruderflug. Zu Fuß bewegen sich Blauracken kaum fort. Sie baden, indem sie im Flug kurz ins Wasser eintauchen.

Blauracken sind mäßig gesellig, können aber in aufgelockerten Kolonien brüten. Auf dem Zug und im Winterquartier kommt es zu größeren Konzentrationen, wobei aber die Individualabstände von 100−200 Meter eingehalten werden. [11]Sie behaupten im Brutgebiet ein Territorium, das vor allem im Umkreis des Höhlenbaumes gegenüber Artgenossen energisch verteidigt wird. Dabei kann es auch zu Berührungskämpfen kommen. Gegenüber Höhlenkonkurrenten ist die Blauracke sehr häufig unterlegen.

Jungvögel legen ihren Kot in der Bruthöhle ab, ohne dass jedoch häufig sehr stark verschmutzte Höhlen beobachtet wurden. Bei Gefahr erbrechen sie ein sehr übelriechendes Magensekret in die Bruthöhle, das sie möglicherweise für potenzielle Prädatoren als Beute unattraktiver macht. [12]

Balz und Brut

Das Bruteintrittsalter ist nicht genau bekannt, dürfte aber auf Grund der regelmäßigen Anwesenheit nichtbrütender Einjähriger im Brutrevier bei zwei Jahren liegen. Blauracken führen eine monogame Saisonehe. Möglicherweise erlischt die Paarbindung auch außerhalb der Brutzeit nicht, sodass -wohl auch auf Grund der großen Brutortstreue- mehrjährige Partnerschaften vorkommen. Die Balz und Paarbildung erfolgt bereits im Winterquartier oder auf dem Heimzug. Wesentlichste Balzelemente sind anhaltende wechselseitige Verbeugung begleitet von langen Rufreihen, Beuteübergaben und Verfolgungsflüge mit Höhlenzeigen. Die spektakulären Sturzflüge der Männchen im Brutrevier dienen vor allem der Revierabgrenzung. Blauracken sind Höhlenbrüter, also auf das Vorhandensein von Spechthöhlen (meist Schwarzspecht bzw. Grünspecht) oder natürlichen Höhlungen in Bäumen angewiesen. Sie graben auch 50-60 cm tiefe Niströhren in Sandstein-, Lehm- oder Lössabbrüche. Gelegentlich kommen Gebäudebruten vor, in weitgehend baumlosen Gebieten wie in Inneranatolien brüten Blauracken in Erdhöhlen. [13] Nistkästen werden angenommen. Nistmaterial wird nicht eingetragen, vorhandenes sogar entfernt.

Als Höhlenbäume kommen alle Baumarten der Niederungen in Frage, in Europa besteht eine gewisse Präferenz für Kiefern und Eichen. Die verbliebenen Blauracken in Ostösterreich brüten in Buchen, alten Obstbäumen und zunehmend in Nistkästen. [14] Die Höhlen liegen meist recht hoch, im Durchschnitt bei etwa 8 Metern. [15]

Blauracken brüten einmal im Jahr. Über Nachgelege bei Gelegeverlust liegen keine Angaben vor. Legebeginn ist in Südeuropa frühestens Mitte Mai mit einem Gipfel in der ersten Junihälfte. In nördlicheren Brutgebieten ein−zwei Wochen später. Ein Gelege besteht aus 4−6 (2–7) reinweiß glänzenden, kurzovalen Eiern mit den durchschnittlichen Maßen von 35,80 x 28,26 Millimetern. [16] Sie werden in einem Abstand von 48 Stunden gelegt und ab dem letzten Ei fest bebrütet. Beide Partner brüten, mehrheitlich jedoch das Weibchen, das auch die Küken anfangs hudert und in dieser Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Die Brutdauer schwankt zwischen 18−19 (17−20) Tagen. Die Küken schlüpfen nackt und blind. Nach 26−28 (25−30) Tagen verlassen die Nestlinge die Höhle und werden noch eine gewisse Zeit von den Eltern geführt.[17] Zur Dismigration liegen keine Daten vor. Ihren ersten Wegzug beginnen die Jungvögel 1−2 Wochen nachdem die Altvögel das Brutrevier verlassen haben.

Angaben zum Bruterfolg sind spärlich. Offenbar ist die Reproduktionsrate der am Nordrand des Verbreitungsgebietes brütenden Populationen mit 1.5−1.8 flüggen Jungvögel zu gering, um den Bestand auf Dauer sicherstellen zu können. Dem stehen Ausfliegeraten von 5.4 Jungvögel in den expandierenden mediterranen Brutgebieten Frankreichs gegenüber. [18]

Systematik

Coracias garrulus ist einer von 7 Vertretern der Gattung Coracias, die mit fünf Arten in der Afrotropis, und je einer in der Paläarktis und der Orientalis vertreten ist. Zusammen mit der kleinen Gattung Eurystomus bildet sie die Familie Coraciidae. Zur Zeit werden zwei nur schwach differenzierte Unterarten beschrieben, die räumlich relativ gut voneinander getrennt sind, da C. g. garrulus am südlichen Rand seines Verbreitungsgebietes nur in geringen Zahlen vorkommt.

  • Coracias garrulus garrulus (Linnaeus, 1758) : Oben beschrieben; kommt im weitaus größten Teil des Verbreitungsgebietes vor.
  • C. g. semenowi (Loudon & Tschusi, 1902): Vom südlichen Jordantal ostwärts über Irak und Iran bis ins Kaschmirgebiet und Sinkiang. Etwas größer. Die Grün- und Blautöne sind insgesamt blasser, der Rücken eher kastanienbraun.

Bestand und Gefährdung

Der Gefährdungsstatus der Art wurde 2005 von LC (=least concern - keine Gefährdung) auf NT (near threatened - Vorwarnstufe) hochgestuft. [19] Dafür sind vor allen die starken Rückgänge in Nordosteuropa und der sich abzeichnende Bestandsrückgang in Südosteuropa und in der Türkei, sowie anhaltende Gefährdung ziehender Blauracken verantwortlich. Dem stehen allerdings annähernd stabile Bestandsverhältnisse auf der Iberischen Halbinsel und eine Expansion im mediterranen Frankreich, sowie wahrscheinlich ebenfalls weitgehend stabile Vorkommen im zentralen Osteuropa und in Zentralasien gegenüber. Der Bestand der Nominatform in Europa wurde 2009 auf mindestens 55.000 und maximal 117.000 Brutpaare geschätzt, von denen höchstens 25.000 in Staaten der EU brüten. Dies entspricht zumindest 50% des Gesamtbestandes von Vögeln der Unterart C. g. garrulus. Über die Bestandszahlen von C. g. semenowi liegen keine Angaben vor. [20] Fry & Fry (1999) dagegen beziffern den Gesamtbestand vage mit Millionen und geben an, dass allein im Gebiet der beiden Tsavo National Parks 500.000−700.000 Individuen überwintern. [21] Die besten Blaurackenbestände beherbergen heute Spanien, Rumänien, die Ukraine, Russland, Zypern und die Türkei. In Mitteleuropa brütet mit etwa 1000 Paaren nur mehr in Ungarn eine nennenswerte Anzahl dieser Vögel. [22]

Verantwortlich für den Bestandsrückgang sind neben zunehmend atlantisch geprägten Klimaverhältnissen in den aufgegebenen ehemaligen Brutgebieten Mitteleuropas, vor allem Biozideintrag und damit einhergehender Rückgang der Beutetiere, Umwandlung früher extensiv genutzter Landschaftsgebiete in intensiv bebaute, ausgeräumte Agrarfabriken, Zusammenlegung kleiner, reich strukturierter Agrarflächen in große Monokulturen und damit einhergehender Verlust der ökologisch besonders wertvollen Randzonen. Auch forstwirtschaftliche Maßnahmen, insbesondere großflächige Schädlingsbekämpfung und Entfernung von Totholz verschlechtern die Biotopqualität für die Art. Dazu kommen erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensumstände in den Überwinterungsgebieten. Ganz gravierend wirkt sich auch der Abschuss ziehender Blauracken in vielen Staaten aus. Vor allem in Oman werden jährlich hunderte Blauracken getötet. Nicht unbeträchtlich sind weiters die Verluste, die die Art im Straßenverkehr und durch Kollisionen mit Stromleitungen und Windkraftanlagen erleidet. [23]

Als wirkungsvollste Schutzmaßnahmen haben sich neben dem Erhalt geeigneter Landschaftsstrukturen das Anbringen von Nistkästen erwiesen.

Historische und aktuelle Entwicklung

Ihre größte Verbreitung dürfte die Blauracke in den durch besonders heiße Sommer gekennzeichneten Jahren 1774–1824 gehabt haben. Ihr Brutgebiet reichte damals bis ins nördliche Südschweden und erreichte Finnland. Im mittleren und südlichen Deutschland, Westfrankreich und Ostösterreich scheint sie ein häufiger Brutvogel gewesen zu sein. Nur in der Schweiz, Liechtenstein, Belgien und den Niederlanden hat die Blauracke offenbar nie oder nur ausnahmsweise gebrütet. Der bald danach einsetzende Bestandsrückgang und Arealschwund wird vor allem auf klimatische Veränderungen, insbesondere auf zunehmend stärker werdende atlantische Wettereinflüsse zurückgeführt. [24]

Zuerst räumte die Art nach und nach ihre skandinavischen Brutgebiete bis 1967 das letzte Vorkommen auf Fårö erlosch.

In Deutschland verschwand die Blauracke zuerst aus ihren nördlichen und nordwestlichen Brutgebieten, während sich im östlichen Niedersachsen in Baden-Württemberg und in Bayern bis in die 40er und 50er Jahre des 20. Jh. kleine Bestände halten konnten. In der ehemaligen DDR brüteten 1976 noch maximal 27 Paare. Die letzten Vorkommen in der Colbitz-Letzlinger Heide erloschen 1989, die in der Niederlausitz ein Jahr später.[25] 1994 kam es in Baden-Württemberg zu einer erfolgreichen Brut. [26]

In Österreich verschwand die Blauracke zuerst aus ihren Brutgebieten in Niederösterreich, danach räumte sie innerhalb weniger Jahre die zuvor recht gut besetzten Reviere im Klagenfurter Becken. Diese Entwicklung wurde durch die fast lückenlose Umwandlung unterschiedlich landwirtschaftlich genutzter Flächen in Mais-Monokulturen ausgelöst. [27] Ob im Vorarlberger Bodenseegebiet jemals Blauracken gebrütet haben ist unsicher aber nicht unwahrscheinlich. 1965 scheiterte ein Brutversuch wegen Abschüssen der Altvögel. Als Durchzieher wird die Art im Rheindelta und den angrenzenden Riedgebieten noch gelegentlich beobachtet. [28] Heute brüten in einem kleinen Gebiet in der Nähe von Straden/Südoststeiermark die letzten Blauracken Österreichs. [29] 2011 wurden dort noch 2 erfolgreiche Bruten festgestellt.

Aus der Schweiz ist ein Brutversuch von 1896 in der Gegend von Meyrin bekannt geworden. Auch dieser scheiterte, da der fütternde Altvogel abgeschossen wurde. Die spärlichen Zugzeitbeobachtungen (durchschnittlich <3 jährlich) betreffen vor allem den Heimzug und stammen insbesondere aus dem Oberengadin, dem Tessin und dem Gebiet um den Thunersee. [30]

In Slowenien konnte seit 2005 keine erfolgreiche Brut nachgewiesen werden, spätestens seit Anfang des 21. Jh. ist die Art aus der Tschechischen Republik verschwunden und auch in der Slowakei scheint sie sich nicht halten zu können. In Nordostpolen und im Baltikum waren die Blaurackenbestände bis ins letzte Viertel des 20. Jh. relativ stabil. In Polen ist der Bestand in den Jahren 1980−2000 von mehr als 1000 auf etwa 100 Brutpaare zurückgegangen.[31] 1970 wurden 1000-2000 brütende Blauracken in Litauen vermutet, 2004 konnten noch 20 Paare nachgewiesen werden. Ähnlich verläuft die Entwicklung in Estland, wo in den 1950er und frühen 1960er Jahren noch Tausende von Brutpaaren vorkamen. Danach begann der sehr rasche Rückgang, sodass bereits um 2000 weniger als 15 Paare regelmäßig vor allem im Süden des Landes brüteten. 2010 wurde die letzte erfolgreiche Brut mit zwei flüggen Jungvögeln festgestellt. [32]

Einzelnachweise

  1. Datenblatt C. garrulus pdf engl.
  2. Action Plan (2008) S. 11
  3. Fry & Fry (1999) S. 300
  4. HBV (1994) S.834
  5. HBV (1994) S. 835
  6. HBV (1994) S. 836
  7. Fry & Fry (1999) S. 299
  8. Tiefenbach (2009) S. 5
  9. Fry & Fry (1999) S. 299
  10. HBV (1994) S. 849
  11. HBV (1994) S. 847
  12. HBV (1994) S. 849
  13. Guy M. Kirwan et al.: The Birds of Turkey Helm London 2008. ISBN 978-1-4081-0475-0. S. 268
  14. Tiefenbach (2009) S. 7
  15. HBV (1994) S. 844
  16. HBV (1994) S. 845
  17. HBV (1994) S. 845
  18. Action Plan (2008) S. 11
  19. Datenblatt BirdLife international pdf engl.
  20. Action Plan (2008) S. 11
  21. Fry & Fry (1999) S. 299
  22. Action Plan (2008) S. 13
  23. Action Plan (2008) S. 13-14
  24. HBV (1994) S. 840
  25. Hans-Günther Bauer, Wolfgang Fiedler und Einhard Bezzel: Kompendium der Vögel Mitteleuropas Ulmer-Stuttgart 2012. ISBN 978-3-89104-758-3 S.751
  26. Jochen Hölzinger und Ulrich Mahler: Die Vögel Baden.Württembergs. Nicht-Singvögel 3. Ulmer-Stuttgart 2001. ISBN 3-8001-3908-1 S. 351
  27. HBV (1994) S. 840
  28. Lyonel Maumary, Laurent Valloton und Peter Knaus: Die Vögel der Schweiz Schweizerische Vogelwarte, Sempach und Nos Oiseaux, Montmollin 2007. ISBN 978-3-9523006-2-6 S. 472
  29. Tiefenbach S. 7
  30. Lyonel Maumary, Laurent Valloton und Peter Knaus: Die Vögel der Schweiz Schweizerische Vogelwarte, Sempach und Nos Oiseaux, Montmollin 2007. ISBN 978-3-9523006-2-6 S. 472
  31. Hans-Günther Bauer, Wolfgang Fiedler und Einhard Bezzel: Kompendium der Vögel Mitteleuropas Ulmer-Stuttgart 2012. ISBN 978-3-89104-758-3 S.751
  32. Grete Lüütsepp, Andres Kalamees und Olev Lüütsepp: European Roller Coracias garrulus in Estonia 2000-2011 In: Hirundo 24: 61-72(2011)

Literatur

  • Hans-Günther Bauer, Peter Berthold: Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. 2., durchgesehene Auflage. AULA Verlag, Wiesbaden 1997, ISBN 3-89104-613-8, S. 294. S. 277 f.
  • Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bearbeitet u. a. von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim. Band 9. Columbiformes-Piciformes. 2., durchgesehene Auflage. AULA Verlag, Wiesbaden 1994, ISBN 3-89104-562-X, S. 1095–1115 (HBV).S. 831-851
  • C. Hilary Fry und Kathie Fry: Kingfishers, Bee-Eaters & Rollers. Princeton University Press, Princeton 1999. ISBN 0-691-04879-7. S. 100-101 und 298 - 300.
  • International Species Action Plan for the European Roller Coracias garrulus garrulus. 2008
  • Michael Tiefenbach: Habitat selection in foraging European Rollers (Coracias garrulus L.) in Eastern Austria Diplomarbeit Universität Wien 2009. pdf engl.
Commons: Blauracke – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien