Eltern-Kind-Entfremdung

Konzept, bei der ein Kind einen Elternteil herabsetzt
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Eltern-Kind-Entfremdung (englisch Parental Alienation Syndrome - PAS), EKE, auch elterliches Entfremdungssyndrom beschreibt in der Psychologie eine dauerhafte, nach rationalen Maßstäben unbegründete Ablehnung des Elternteils, mit dem es nicht mehr zusammenlebt, die durch den Einfluß des anderen Elternteils entstanden ist. Ablehnung, die in einem Kindesmissbrauch oder tatsächlicher Vernachlässigung entstanden ist, ist kein PAS, da dies rational begründet ist.

Das Phänomen wurde 1992 zum ersten mal von dem US-amerikanischen Kinderpsychiater und Professor Richard A. Gardner so bezeichnet und beschrieben. Da es noch keine ausreichenden empirischen Untersuchungen gibt, die das Phänomen eindeutig belegen, ist es wissenschaftlich noch umstritten, und auch über die von Gardner beschriebenen Symptome, Ursachen und Häufigkeiten des Auftretens besteht noch keine Einigkeit.

Ursachen

Die Grundproblematik ist die in Fachkreisen seit langem beschriebene Situation, dass Eltern in emotional schwierigen Trennungssituationen die Paarprobleme häufig nicht von der Elternverantwortung trennen können.

Die Bandbreite der Folgen ist weit gefächert; so kann es durch die Focussierung auf das Beziehungsproblem zu einer Vernachlässigung des Kindes dahingehend kommen, dass die Probleme des Kindes nicht erkannt oder falsch interpretiert werden. Das das Kind kann dann unnötige seelische Belastungen erfahren (wenn beispielsweise die Abwesenheit des auswärtigen Elternteils als persönliche Ablehnung erlebt wird, ohne dass dies durch den erziehenden Elternteil aufgearbeitet wird). Im schlimmsten Fall bezieht der der erziehende Elternteil bewußt oder -bedingt durch die eigene seelische Überforderung- unbewußt das Kind in die Paar-Auseinandersetzung auf seiner Seite mit ein.

All dies führt dann häufig zu seelischen Beeinträchtigungen beim Kind, je nach individueller Disposition und erlebter Situation unterschiedlich ausgeprägt. Beispiele:

  • Das unselbstständige, objektiv abhängige Kind kann sich auch ohne aktive Manipulation mit dem -im Paarkonflikt - subjektiv leidenden versorgenden Elternteil übermäßig identifizieren (da es die Emotionen des abwesenden Elternteils im Zusammenleben nicht wahrnehmen kann), es kann sich eine dem Stockholm-Syndrom vergleichbare Identifikation ergeben, die zur sachlich unbegründeten Entfremdung von abwesenden Elternteil führt.
  • Das unselbstständige, objektiv abhängige Kind kann durch aktive bewußte oder unbewußte Manipulation durch versorgenden Elternteil von diesem in seinen Gefühlen in einen seelischen Druck gelangen, der zu einer Identifizierung mit dem Aggressor führt, durch die das Kind -im Versuch, das versorgende Elternteil zu legitimieren- den abwesenden Elternteil (objektiv unbegründet) ablehnt.
  • Ein Kind kann aber -bei entsprechender Bindung an den abwesenden Elternteil- durchaus auch paradox reagieren und, sich mit diesem identifizierend, den versorgenden Elternteil und seine Handlungen ablehnen

Gardner versuchte als erster, für diese Problematik einen Namen und eine Definition zu finden. Entsprechend der möglichen Ausprägungen der Grundsituation und der kindlichen Reaktionen ist diese -obwohl auf die Fälle mit elterlichem Vorsatz beschränkt- jedoch unscharf und von daher in wissenschaftlichen Kreisen hinsichtlich der klaren Definition und Abgrenzbarkeit umstritten.

Die mögliche seelische Schädigung des Kindes durch Missachtung der elterlichen Erziehungsverantwortung zum Wohl des Kindes im Paarkonflikt ist hingegen unbestritten!

Symptome

Über die Symptome der Eltern-Kind-Entfremdung ist bislang wenig diskutiert worden, was den Schluß nahe legt, dass nicht das Kind im Mittelpunkt der Diskussion steht, sondern die Eltern. Gardner unterscheidet drei Stufen von PAS, eine milde, eine mittlere und eine schwere. In den laut einer niederländischen Untersuchung selten auftretenden Fällen einer schwerer Entfremdung können sogar psychischen Entwicklungsstörungen beim Kind vorkommen. Das Hauptsymptom, das bei allen Stufen vorhanden ist, ist eine unbegründete ablehnende Haltung des Kindes gegenüber dem nicht mehr bei ihm lebenden Elternteil (zumeist der Vater), über den es auch schlecht redet und denkt.

Missbrauch des Begriffs im Spannungsfeld des Geschlechterkonflikts

Es herrscht selten Einigkeit darüber, ob die Ablehnungsgefühle des Kindes selbstentwickelt oder durch das sorgeberechtigte Elternteil entstanden sind. Da Eltern-Kind-Entfremdung als Syndrom nur dann vorliegt, wenn die Entfremdung vom anderen Elternteil verursacht wurde, und wenn sie nicht aufgrund von Mißbrauch oder anderen rational begründbaren Ursachen entstanden ist, ist der bloße Hinweis auf eine Distanzierung für eine Diagnose nicht ausreichend. Davon unabhängig kann das Kind auch Schaden nehmen, wenn der versorgende Elternteil das Kind nicht sachgerecht seelisch begleitet, ohne dass der für die Definition von PAS notwenige Vorsatz fehlt.

Der Begriff der Eltern-Kind-Entfremdung erfreut sich innerhalb der Männer- und Väterbewegung großer Beliebtheit, da er abgelehnten Elternteilen (überwiegend Vätern) eine Erklärung liefert und in schweren Fällen auch eine Handhabe gibt, zum Wohl des Kindes einzuschreiten. Jedoch kann diese Wahrnehmung der abgelehnten Elternteile auch zu Fehlinterpretationen und einer Pathologisierung des ehemaligen Partners führen. Der Feminismus und Frauenorganisationen sehen ihn daher deutlich skeptischer. Daher sollte die Diagnose nur von erfahrenen Fachkräften gestellt werden, um das Wohl des Kindes zu wahren.

Das PAS-Problem steht -ebenso wie der Streit um seine abgrenzbare Existenz- in direkter Beziehung mit der 'Benutzung' des Kindes als Partei bzw. Waffe im Paarkonflikt und der Negierung der gemeinsamen elterlichen Erziehungsverantwortung über die Paarbeziehung hinaus.

Literatur

  • Richard A. Gardner - Das Elterliche Entfremdungssyndrom - Parental Alienation Syndrom (PAS): Anregungen für gerichtliche Sorge- und Umgangsregelungen - Eine empirische Untersuchung VWB – Verlag für Wissenschaft und Bildung, ISBN 3-86135-117
  • Gabriele ten Hövel - Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung: Das PAS-Syndrom - Kösel Verlag, ISBN 3466306280
  • Constanze Ullrich, Sybille Groß, Kerstin Förster - Hinter der Fassade...Wie werden Interessen von Kindern in Deutschland tatsächlich gewahrt?: Drei "Anwältinnen für Kinder" haben seit Jahren viele Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg begleitet.Sie erzählen nun sowohl von Hintergründen der Schicksale ihrer jüngsten Mandanten, als auch von ihren beruflichen Erfahrungen bei der Vertretung von Kindern in familiengerichtlichen Verfahren in Deutschland. - Athelas-Verlag, ISBN 3-9809652-0-1
  • Kritische Literatur
    Carol S. Bruch, Parental Alienation Syndrome and Alienated Children – Getting It Wrong in Child Custody Cases (2002)
  • aerzteblatt.de Parental Alienation Syndrome: Nicht instrumentalisieren lassen - Dr. Walter Andritzky, 2003
  • www.pas-konferenz.de Internationale Konferenz zum Thema PAS im Sinne von Gardener
  • www.liga-kind.de Kritik am Streit um PAS
  • www.deltabravo.net Über die Entwicklung der Forschung zu PAS (engl.)
  • www.uni-koeln.de Wissenschaftliche Untersuchung über PAS in den Niederlanden (pdf, engl.)
  • www.cptv.org Presseerklärung zum kritischen Dokumentarfilm "Breaking the Silence: Children's Stories" (engl.)