Schachtürke

vorgeblicher Schachroboter im 18. Jahrhundert, in dem ein Mensch die Züge ausführte
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Schachtürke ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Schachautomaten, der 1769 von dem österreichischen Mechaniker Wolfgang von Kempelen konstruiert und gebaut wurde.

Die Schachmaschine bestand aus einer in türkische Tracht gekleideten Figur eines Mannes, der vor einem Tisch, auf dem sich ein Schachbrett befand, saß. Die Figur hat mit den bekanntesten Schachspielern der damaligen Zeit gespielt und meistens gewonnen. Der Türke begann immer die Partie, hob den linken Arm, bewegte die Schachfigur und legte den Arm dann wieder auf ein Polster zurück. Bei jedem Zug des Gegners blickte er auf dem Brett umher. War der Zug falsch, schüttelte er den Kopf und korrigierte die Position der Figur. Beim Schach der Königin nickte er zweimal, beim Schach des Königs dreimal mit dem Kopf. Alle Bewegungen waren von einem Geräusch ähnlich dem eines ablaufenden Uhrwerks begleitet. Kempelen, der Erfinder, der jedem, der es sehen wollte, das Innere der Maschine und ihre Mechanik gerne zeigte, stand während des Spiels etwas abseits und blickte in einen kleinen Kasten, der auf einem Tisch stand.

Diese Schachmaschine erregte zur damaligen Zeit großes Aufsehen, da sie der erste Automat war, der Schach spielen konnte. Ihr Erfinder Kempelen konnte sich der vielen Besucher nur erwehren, indem er später verkündete, er habe die Maschine zerstört.

Nach einigen Jahren führte er die Maschine aber in Wien Kaiser Joseph und dem Großfürsten Paul von Russland vor und unternahm Reisen nach Paris und London, wo er wiederum großes Aufsehen erregte. In Berlin spielte der "Türke" gegen Friedrich den Grossen und besiegte ihn. Friedrich bot Kempelen für die Aufdeckung des Geheimnisses eine große Geldsumme und war, nachdem das geschehen war, außerordentlich enttäuscht. Seitdem stand der "Türke" unbeachtet in einer Abstellkammer im Potsdamer Schloss, bis Napoleon kam und sich seiner erinnerte. Auch er spielte gegen den Automaten und verlor.

Später kam der Automat in den Besitz des Wiener Mechanikers L. Mälzl, der größere Reisen damit unternahm. Er gelangte 1819 nach London und 1820 in die USA.

In London wies R. Willis aufgrund von Zeichnungen zuerst nach, dass in dem Automaten ein Mensch versteckt sein könnte. Aber erst 1838 teilte Thournay in der "Revue mensuelle des echécs", Bd. 1, mit, dass wirklich Menschen darin versteckt gewesen sind. Wer diese Helfer Kempelens gewesen sind, ist unbekannt. Mälzl hatte zu diesem Zweck in Paris die Franzosen Boncourt und Mouret, in England einen gewissen Lewis und später einen Deutschen names Schlumberger, angenommen.

Über das weitere Schicksal der Maschine ist nichts bekannt. Wahrscheinlich ist sie 1854 in Philadelphia verbrannt.

Von Walter Benjamin wird der Schachtürke in seinen Thesen zur Geschichte als Allegorie auf das Verhältnis zwischen Marxismus und Theologie genommen: (...) Gewinnen soll immer die Puppe, die man "historischen Materialismus" nennt. Sie kann es ohne weiteres mit jedem aufnehmen, wenn sie die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen (Gesammelte Schriften I.2, S.693).

Eine der etymologischen Herleitungen des Ausdrucks "etwas türken" oder "einen Türken bauen" im Sinne von "etwas nur vorspiegeln", "etwas fingieren" beruft sich auf den Schachtürken.


Bilder

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Titelblatt Racknitz
 
Kupferstich von Racknitz
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Kupferstich von Racknitz
 
Kupferstich von Racknitz
 
Kupferstich von Racknitz
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Titelblatt Windisch
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Kupferstich von Windisch
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Kupferstich von Windisch
 
Kupferstich von Windisch