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Hesperopithecus haroldcookii

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Vergleich von Zähnen mehrerer Primaten mit Hesperopithecus:
1 und 4: Hesperopithecus;
2 und 6: junger Schimpanse;
3: Pithecanthropus;
5: „nordamerikanischer Indianer“
Phantasievolle Darstellung des „Nebraska Man“ in Illustrated London News (1922)

Hesperopithecus haroldcookii war der 1922 veröffentlichte wissenschaftliche Artname für einen im US-Bundesstaat Nebraska entdeckten, fossilen Großen Backenzahn. Henry Fairfield Osborn – einer der damals weltweit einflussreichsten Paläoanthropologen – interpretierte den Zahn als Überrest eines Menschenaffen. Wegen seiner Herkunft auch als „Nebraska Man“ (Nebraska-Mensch) bezeichnet, galt der Zahn einige Jahr lang als erster Beleg für das Vorkommen von vorzeitlichen Menschenaffen in Amerika. 1927 wurde der Fund jedoch von William King Gregory, einem Schüler Osborns, als Zahn eines Tieres aus der Familie der Nabelschweine identifiziert und folglich aus dem Formenkreis der frühen Verwandten des Menschen ausgeschlossen.

Herkunft und Namensgebung

Anfang Mai 1922 berichtete Henry Fairfield Osborn in der Fachzeitschrift Science, der Geologe Harold J. Cook aus Agate, Nebraska, habe ihm einen Backenzahn übersandt, dessen Krone 10,5 × 11 Millimeter groß sei und von einem „menschenähnlichen Primaten“ (anthropoid primate) stamme. Schon Cook hatte den Zahn als „anthropoid-human molar“ interpretiert, Osborn beschrieb ihn beim ersten Betrachten so: „It looks one hundred per cent anthropoid“.[1] Nach weiteren Untersuchungen kam er zu dem Schluss, dass es sich bei dem Fund um einen hinteren rechten Oberkiefer-Zahn eines „höheren Primaten“ handele. Obwohl der Zahn sehr stark abgenutzt war, wurde er als dem asiatischen Pithecanthropus (heutige Bezeichnung: Java-Mensch) nahestehend interpretiert, daraus eine Zuwanderung von Primaten aus Asien nach Amerika hergeleitet und zusammenfassend angemerkt, dass das Fossil sogar näher zum Menschen einzuordnen sei als zu einem frühen asiatischen Menschenaffen wie dem Pithecanthropus. Bereits in der Einleitung zum Bericht in Science hatte es geheißen: „Wir haben eine Entdeckung dieser Art mit Spannung erwartet, waren jedoch nicht auf einen so überzeugenden Beweis für die enge faunistische Verwandtschaft zwischen Ostasien und dem Westen Nordamerikas vorbereitet, wie ihn dieses winzige Exemplar liefert.“ Osborn führte aufgrund dieser Analysen und Erwägungen die neue Gattung und Art Hesperopithecus haroldcookii ein.

Die Bezeichnung der Gattung Hesperopithecus ist abgeleitet von dem griechischen Wort ἑσπέρα hespéra für Abend oder Westen sowie vom griechischen Wort πίθηκος, altgriechisch ausgesprochen píthēkos („Affe“). Das Epitheton haroldcookii ehrt den Entdecker. Hesperopithecus haroldcookii bedeutet folglich sinngemäß – und in Abgrenzung zu Fossilienfunden aus dem Osten bzw. aus dem „Morgenland“ – „Harold Cooks Affe aus der westlichen Welt“ bzw. „Harold Cooks Affe aus dem Abendland“.

Fachkollegen blieben selbst gegenüber der zurückhaltenden Einordnung des Fossils als Zahn eines vorgeschichtlichen Affen – statt eines vorgeschichtlichen Menschen – skeptisch. Deshalb wurde die Fundstelle des Zahns in den folgenden Jahren wiederholt abgesucht, in der Hoffnung, weitere Fossilien zu entdecken. Tatsächlich wurden zahlreiche Zähne geborgen, die allerdings die Überlegungen Osborns nicht stützten. Zwar räumte auch William King Gregory 1927 ein, dass der Hesperopithecus haroldcookii zugrunde liegende, weitgehend abgekaute Zahn infolge des fast völligen Verlusts seiner Höcker dem asiatischen Pithecanthropus ähnele, jedoch handele es sich tatsächlich um einen Vorbackenzahn von Prosthennops, einer Gattung der Nabelschweine aus dem Miozän.[2]

Nachleben

Nachdem Hesperopithecus haroldcookii 1927 in Science zum Irrtum erklärt worden war, geriet die nur fünf Jahre andauernde wissenschaftliche Befassung mit dem „Nebraska Man“ allmählich in Vergessenheit. In jüngerer Zeit wurde der Irrtum jedoch wiederholt im Zusammenhang mit der Ablehnung der Evolutionstheorie durch Anhänger des Kreationismus als Argument angeführt, wie wenig sicher die Belege für den Prozess der Evolution und die Zuordnung von Fossilien zu bestimmten Tier- und Pflanzenarten seien.[3]

Literatur

  • Gerald Bergman: The History of Hesperopithecus: The Human-Ape Link that Turned Out to Be a Pig. In: Biology Forum / Rivista di Biologia. Band 99, Nr. 2, 2006, S. 287–306.

Belege

  1. Henry Fairfield Osborn: Hesperopithecus, the First Anthropoid Primate Found in America. In: Science. Band 55, Nr. 1427, Mai 1922, S. 463–465, doi:10.1126/science.55.1427.463.
  2. William King Gregory: Hesperopithecus Apparently Not an Ape Nor a Man. In: Science. Band 66, Nr. 1720, 1927, 579–581, doi:10.1126/science.66.1720.579.
  3. Creationist Arguments: Nebraska Man. Auf: talkorigins.org, zuletzt abgerufen am 1. Dezember 2025.