„Menschenbild“ – Versionsunterschied
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In der Antike hat man Unterschied geringer gesehen. Der Mensch wurde im Gegensatz zu den Göttern als sterblich angesehen, weshalb "die Sterblichen" eine Umschreibung für die Menschen war. |
In der Antike hat man Unterschied geringer gesehen. Der Mensch wurde im Gegensatz zu den Göttern als sterblich angesehen, weshalb "die Sterblichen" eine Umschreibung für die Menschen war. |
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In verschiedenen Kulturen konnten Menschen zu Göttern werden und wurden auch als solche verehrt. Insbesondere Herrscher beanspruchten, als Menschen gleichzeitig Götter zu sein. |
In verschiedenen Kulturen konnten Menschen zu Göttern werden und wurden auch als solche verehrt. Insbesondere Herrscher beanspruchten, als Menschen gleichzeitig Götter zu sein. Mehr dazu siehe [[Theokratie]]. |
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===Mensch und Tier=== |
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Version vom 29. Oktober 2004, 12:23 Uhr
Ein in der philosophischen Anthropologie gebräuchlicher Begriff für die Vorstellung, das Bild, das jemand vom Wesen des Menschen hat. Dieses Menschenbild ist immer in eine bestimmte Überzeugung oder Lehre eingebunden, die jemand vertritt. So gibt es dann bspw. ein christliches oder ein buddhistisches, ein humanistisches oder ein darwinistisches Menschenbild u.a.m.
Dem einzelnen erscheint das eigene Menschenbild häufig als so selbstverständlich, dass er kaum darüber nachdenkt, dass man sich den Menschen auch anders vorstellen kann. Trifft man auf ein anderes Menschenbild, so wird dieses häufig als falsch, das eigene als richtig angesehen. Hier geht es nicht um die Klärung von Streitfragen, also nicht warum, was richtig und was falsch ist, sondern, welche unterschiedlichen Vorstellungen die Menschen in unterschiedlichen kulturen und zu unterschiedlichen Zeiten über sich hatten und welche Implikationen daraus folgern.
Abgrenzung: Wer ist Mensch und wer nicht?
Die Frage, was ein Mensch ist und was nicht, ist grundlegender und vor allem strittiger als gemeinhin angenommen.
Mensch und Gott
Der Unterschied zwischen Mensch und Gott wird in unserer christlich geprägten Gesellschaft darin gesehen, dass Gott das Überwesen ist, das den Menschen überhaupt erst geschaffen hat, das ihn einst richten wird, und das in der Zwischenzeit jede Macht hat, das Leben des Menschen auch existenziell zu beeinflussen. Deshalb beten Menschen Gott an und bitten beispielsweise um Genesung von Krankheit oder um Rettung aus auswegloser Situation. Der Mensch erscheint so als geschaffen, als abhängig von Gott.
In der Antike hat man Unterschied geringer gesehen. Der Mensch wurde im Gegensatz zu den Göttern als sterblich angesehen, weshalb "die Sterblichen" eine Umschreibung für die Menschen war.
In verschiedenen Kulturen konnten Menschen zu Göttern werden und wurden auch als solche verehrt. Insbesondere Herrscher beanspruchten, als Menschen gleichzeitig Götter zu sein. Mehr dazu siehe Theokratie.
Mensch und Tier
Im europäischen naturwissenschaftlichen Weltbild scheint die Abgrenzung zum Tier eindeutig zu sein. In anderen Kulturen jedoch erfolgt die Abgrenzung anders. In Südostasien beispielsweise werden die Menschenaffen zu den Menschen gerechnet: Orang Utan ist der Waldmensch, Orang Asli ein Eingeborener und Orang Jermani ein Deutscher. Alle sind Menschen. Umgekehrt werden gelegentlich völlig andere Menschen als nicht zu den Menschengerechnet. In Brasilien kommt es vor, dass eingeborene Indianer als "Waldtiere" bezeichnet werden. Hinter der abwertenden Bezeichnung "Affen" für Schwarze, die auch in Deutschland in einfachen Kreisen benutzt wird, verbirgt sich eine ähnliche Vorstellung, die jedoch kulturell verdeckt wird, weil es als politisch nicht korrekt gilt, Menschen als Tiere zu bezeichnen.
Häufig schmücken sich jedoch in vielen Kulturen Menschen mit Bezeichnungen von Tieren. Adler, Löwe, Fuchs, Wolf usw. sind beliebte Selbstbezeichnungen, wie auch anhand von Vornamen und Titeln erkennbar ist. Analog gibt es Bezeichnungen, die abwertend gesehen werden, wie z. B. Schwein, Sau, Ratte, Hund, Esel. Manche Tiere wie z. B. Kamel werden in einigen Kulturkreisen anerkennend, in anderen abwertend gebraucht. Wo der Unterschied zwischen Mensch und Tier besonders betont wird, werden Tiervergleiche überhaupt nicht gerne gesehen.
Eine Selbstbeschönigung sind die Bezeichnungen human (wörtlich: menschlich) und bestialisch (wörtlich: tierisch). Hier wird unterstellt, dass der Mensch mild wäre, während das Tier roh ist. Häufig werden aber Handlungsweisen des Menschen als bestialisch bezeichnet, die beim Tier kaum oder gar nicht vorkommen. Umgekehrt wird mit human häufig eine Verhaltensweise bezeichnet, die bei Tieren in analoger Form vorkommen.
Mensch geschlechtsspezifisch
Noch bis ins 19. Jahrhundert wurde in der Theologie, aber auch in den Wissenschaften und der Politik darüber debattiert, ob Frauen als Menschen zu gelten haben oder nicht und wenn ja, ob sie "vollwertige" Menschen seien oder nur eine minderwertige Sonderform.
Mensch und Sonderling
Menschen mit außergewöhnlichen Verhaltensabweichungen, insbesondere extremer geistiger Behinderung, wird gelegentlich das Attribut "Mensch" abgesprochen. In extremer Form hat diese Vorstellung in der "Rassenhygiene" während der Zeit des Dritten Reiches zu der Vorstellung des "lebensunwerten Lebens" geführt.
Bei Schwerverbrechern wird eine ähnliche Ausgrenzung vorgenommen. In einer Vorform spricht man vom "Unmenschen". Man "werde zum Tier", ist ein geflügeltes Wort, wenn man sich selbst oder anderen in bestimmten Phasen Eigenschaften abspricht, die man als "typisch menschlich" betrachtet.
Wann beginnt der Mensch?
Seine Rechtsfähigkeit beginnt mit der Vollendung der Geburt. Dies entspricht jedoch nicht der allgemeinen Vorstellung vom Beginn des Menschseins, sondern ist nur für rechtliche Zwecke recht praktisch, weil i. a. gut datierbar. Nach römisch-katholischer Lehre beginnt der Mensch mit der Zeugung. Andere setzen die Ausbildung mehrerer Zellen an. Wieder andere erkennen keinen Zeitpunkt der Menschwerdung, sondern eine Entwicklung, in der der Fötus mehr und mehr Mensch wird. Praktische Bedeutung hat diese Frage vor allem bei der Abtreibung. Von den Verfechtern eines frühen Menschen wird daher von Mord gesprochen, während andere keine moralischen Probleme haben, den Fötus abzutöten, weil sie ihn noch nicht als Menschen sehen.
Beachtet werden sollte, dass auch das Neugeborene nicht unbedingt bereits als vollwertiger Mensch galt. Häufig wurde das Kind erst mit der Entwicklung der Sprache als Mensch gezählt. Sehr praktisch wurde diese Diskussion in den Betrachtung über den sprachlosen Kaspar Hauser. Das Aussetzen eines Kindes war früher weit verbreitet. Findelkinder wurden dem Schicksal überlassen.
Wann endet der Mensch?
Die Frage nach dem Ende des Menschen gewinnt mit zunehmender Medizintechnik an Bedeutung. Herzstillstand muß aber z. B. noch keinen endgültigen Tod bedeuten. Der Eintritt des Hirntods ist eindeutiger, aber schwerer feststellbar. Praktisch wird die Frage, wenn - etwa nach einem Unfall - ein Mensch mit Hilfe von Apparaten im Koma gehalten wird, aber ein Wiedererreichen der vollen Vitalfunktionen ausgeschlossen erscheint. Sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber führen dazu, dass alten Menschen eine Patientenverfügung empfohlen wird, in der sie ihre eigenen Vorstellungen darüber niederschreiben und für die behandelnden Ärzte verbindlich machen können.
Erbe und Umwelt, Determinismus und freier Wille
Welche Eigenschaften eines Menschen vererbt sind und welche durch die Umwelt erworben sind, ist seit jeher strittig. Neben den extremen Ansichten, die von einer vollständigen Vorbestimmung des Menschen durch sein Erbgut bzw. von einer völligen Erziehbarkeit des Menschen ("tabula rasa") ausgehen, gibt es viele Abstufungen von Meinungen, die den Menschen mehr oder weniger durch das Erbgut vorbestimmt sehen.
Beide Seiten können hinreichend Beispiele für die Vererbbarkeit bzw. die Umweltbeeinflussung von menschlichen Eigenschaften vorbringen, so dass die extremen Ansichten heute selten geworden sind. Neben den beiden Extremen gibt es auch noch die Prägung, einer irreversiblen Umweltbeeinflussung.
Philosophisch und religiös haben diese Fragen eine sehr große Bedeutung bei der Diskussion über den freien Willen. Wird ein freier Wille postuliert, dann gibt es Bereiche, die weder durch Erbe noch durch Umwelt determiniert sind. Im Gegensatz dazu steht die Auffassung, dass der Mensch völlig determiniert sei. Auch hier gibt es wieder die vermittelnden Auffassungen, dass der Mensch teilweise frei sei und teilweise vorbestimmt.
Die Fragen haben sehr praktische Bedeutung.
In der Erziehung geht es um die Frage, was Erziehung überhaupt bewirken kann. Geht man von einer sehr starken Vorbestimmung von Fähigkeiten durch das Erbe aus ("Begabungen"), dann muß man diese Begabung ermitteln, um sie zu fördern. Die Erziehung zu Fähigkeiten, die nicht angeboren sind, ist danach ausgeschlossen bzw. nur mit sehr großem Aufwand durchzuführen. Früher ging man bei der Frage der Rechtshändigkeit von einer Umweltbeeinflussung aus und versuchte, die Kinder alle zu Rechtshändern zu erziehen. Heute unterstellt man, dass die Händigkeit angeboren ist, und läßt die Kinder mit der Hand schreiben, die für sie die "richtige" erscheint.
Geht man von starken Umwelteinflüssen aus, so neigt staatliche Erziehung dazu, die Unterschiede zwischen den Einflüssen verschiedener Elternhäuser ausgleichen zu wollen. Der Mensch sei "gleich geboren" und die Ungleichheiten sind nach dieser Auffassung Ungerechtigkeiten, die man in der Schule möglichst ausgleichen muß.
Auch in der Kriminalitätspolitik hat das Menschenbild einen erheblichen Einfluss. Menschen mit der Vorstellung, dass Verbrecher zu Verbrechern "gemacht" werden, neigen zu starker Gewichtung von Resozialisierungsmaßnahmen und lehnen das "Wegsperren" der Täter ab. Umgekehrt gehen Menschen mit der Vorstellung, dass man "zum Verbrecher geboren" wird, dazu, Verbrecher wegzusperren. Nach ihrer Vorstellung sind Resozialisierungsbemühungen vertane Liebesmüh’. Weit verbreitet ist auch die Vorstellung, dass beides - erbliche Veranlagung und Umwelteinflüsse zusammenkommen, wenn ein Mensch zum Verbrecher wird. Hier mischen sich dann die Absichten zum Wegsperren mit denen zur Resozialisierung.
Auch in der Wirtschaft und in der Politik kommen die Antworten auf diese Fragen zum Tragen. Werbung beruht auf der Vorstellung der Beeinflussbarkeit der Menschen. Das wiederum setzt voraus, dass man vererbte Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens der Menschen unterstellt, die durch Werbung angesprochen werden. Die Grenzen dieser Vorstellung werden bei internationalen Konzernen sichtbar, die gelegentlich ihre Werbekampagnen an die jeweilige Kultur anpassen.
Gleichheit oder Ungleichheit?
Die alte Streitfrage, ob alle Menschen gleich seien oder verschieden, wird ebenfalls durch das Menschenbild bestimmt. Ganz offensichtlich haben alle Menschen Gemeinsamkeiten, die schon rein äußerlich auffallen. Ebenso offensichtlich gibt es aber auch Unterschiede, so dass wir einzelen Menschen identifizieren können, was ja nicht möglich wäre, wenn alle gleich wären.
In der Frage, wie gleich die Menschen sind, unterscheiden sich die Geister. Und noch mehr unterscheiden sich die Vorstellungen, ob die Menschen gleich oder verschieden sein sollen.
Weblinks
- http://www.menschen-bild.de - Weiterführende Texte zum Thema Menschenbild und Einladung zum Mitgestalten.