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„Keimruhe“ – Versionsunterschied

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{{Infobox GO-Terminus
Der Begriff '''Keimruhe''' bezeichnet das Phänomen, dass eine befruchtete [[Eizelle]] eines [[Säugetier|Säugetieres]] sich nicht sofort kontinuierlich zum [[Embryo]] weiterentwickelt. Beim [[Reh|Rehwild]] z.B. erfolgt die Befruchtung während der [[Brunft]] Ende Juli, erst nach der Keimruhe bis November beginnt die normale embryonale Entwicklung. Die dadurch verlängerte [[Tragzeit]] ermöglicht die Geburt während einer günstigen Jahreszeit. In Europa kommt die Keimruhe regelmäßig außer beim [[Reh|Rehwild]] auch beim [[Marder]] vor.
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| Eltern = [[Dormanz]]<br/>[[Reproduktion]]
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}}Die '''Keimruhe''' ist eine Form der [[Dormanz]] (Entwicklungsverzögerung), die sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren auftritt. Bei Säugetieren spricht man auch von '''Vortragezeit''', während für Vögel der Begriff '''Eiruhe''' verwendet werden kann.

[[Art (Biologie)|Tierarten]] stoppen bei der Keimruhe die embryonale Entwicklung, zwischen der Befruchtung und der Geburt. Diese Keimruhe, während der die [[Trächtigkeit]] pausiert, wird auch als ''Vortragezeit'' bezeichnet und tritt bei zahlreichen Wildtieren, wie z.&nbsp;B. [[Bären]], [[Robben]], [[Seelöwen]] und [[Reh]]en auf.<ref>{{Literatur |Autor=Johanna Kauffert, Christian Ehrmantraut, Peter Mikula, Piotr Tryjanowski, Anette Menzel, Andreas König |Titel=Matching the green wave: growing season length determines embryonic diapause in roe deer |Sammelwerk=Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences |Band=292 |Nummer=2047 |Datum=2025-05 |ISSN=1471-2954 |DOI=10.1098/rspb.2024.2903 |PMC=12092121 |PMID=40393484 |Online=https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2024.2903 |Abruf=2025-05-30}}</ref>

Es wird zwischen einer optionalen bzw. fakultativen und einer obligaten Keimruhe unterschieden, die unabhängig von äußeren Bedingungen eintritt.

== Keimruhe bei Tieren ==
=== Ablauf und Gründe ===
Bei Tieren bezeichnet Keimruhe das Phänomen, dass eine befruchtete [[Eizelle]] eines Tieres sich nicht sofort kontinuierlich zum [[Embryo]] weiterentwickelt. Die [[Befruchtung|befruchtete]] Eizelle ([[Zygote]]) nistet sich zwar in der [[Gebärmutterschleimhaut]] ein, teilt sich aber zunächst nicht.

Erst nach der Keimruhe schreitet die embryonale Entwicklung normal fort. Die dadurch verlängerte [[Tragzeit]] ermöglicht die [[Geburt]] zu einer günstigeren [[Jahreszeit]] mit besseren Nahrungsangebot, oder zu einem Zeitpunkt, wenn kein weiteres Jungtier mehr auf die Versorgung durch das Muttertier angewiesen ist.<ref name = NAT>[https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/11/die-tricks-der-gebaermutter-warum-tierbabys-ein-wunder-der-natur-sind ''Die Tricks der Gebärmutter: Warum Tierbabys ein Wunder der Natur sind''] [[National Geographic]], abgerufen am 28. März 2023</ref>

=== Beispiele für Tiere, die Keimruhe praktizieren ===
Insgesamt ist von über 130 Säugetierarten bekannt, dass sie Keimruhe praktizieren, darunter [[Bären]], [[Robben]], [[Seelöwen]] und mehrere Arten von [[Beuteltier]]en.<ref name = NAT/>

Beim [[Reh]] etwa erfolgt die Befruchtung während einer viertägigen Phase zwischen Mitte Juli und Mitte August, nur gut zwei Monate nach der Geburt des Kitzes. Aber erst 5 Monate später, etwa im Dezember oder Januar, beginnt das embryonale Wachstum.<ref>V. A. van der Weijden, Susanne E. Ulbrich: ''Embryonic diapause in the European roe deer (Capreolus capreolus).'' In: ''Biosci. Proc.'', Band 10 (Proceedings of III International Symposium on Embryonic Diapause), 2020, S. 59–75, {{doi|10.1530/biosciprocs.10.004}}, [https://www.biosciproceedings.org/bp/0010/pdf/bp0010ised4.pdf (PDF)].</ref> Dadurch verlängert sich die Tragzeit und die Kitze kommen im darauffolgenden Mai oder Juni zur Welt, so dass Mutter und Jungtier sofort von einem reichen Nahrungsangebot profitieren.<ref name = REH>[https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/reh ''Reh. Fakten. Fortpflanzung''] [[Deutsche Wildtier Stiftung]], abgerufen am 28. März 2023</ref>

In [[Europa]] kommt die Keimruhe auch beim [[Europäischer Dachs|Dachs]], [[Marder]], [[Hermelin]], [[Seehund]], [[Reh|Rehen]] und beim [[Braunbär]] vor.<ref>{{Literatur |Autor=Johanna Kauffert, Christian Ehrmantraut, Peter Mikula, Piotr Tryjanowski, Anette Menzel, Andreas König |Titel=Matching the green wave: growing season length determines embryonic diapause in roe deer |Sammelwerk=Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences |Band=292 |Nummer=2047 |Datum=2025-05 |ISSN=1471-2954 |DOI=10.1098/rspb.2024.2903 |PMC=12092121 |PMID=40393484 |Online=https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2024.2903 |Abruf=2025-05-30}}</ref> Auch dem [[Fischotter|eurasischen Fischotter]] wird bisweilen Keimruhe zugesprochen, doch basiert dies auf einer Verwechslung mit dem [[Nordamerikanischer Fischotter|kanadischen Flussotter]].<ref>{{Literatur |Autor=Hans Kruuk |Titel=Otters: Ecology, Behaviour and Conservation |Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2006 |ISBN=978-0-19-856586-4 |Seiten=186}}</ref> Besonders lang im Verhältnis zur eigentlichen Tragzeit ist die Keimruhe bei [[Beutelsäuger|Beuteltieren]].

== Keimruhe bei Pflanzen ==
Bei Pflanzen des gemäßigten Klimas ist die Keimruhe (Dormanz) der ausgereiften [[Pflanzensamen|Samen]] die Regel. Durch diesen Schutzmechanismus der Pflanzen wird der klimatischen Saisonalität dahingehend Rechnung getragen, dass die [[Keimung]] zu einer günstigen Jahreszeit erfolgt und der [[Embryo (Pflanze)|Keimling]] optimale Wachstumschancen vorfindet.

Die Zeitdauer der Keimruhe ist bei den einzelnen Pflanzenarten sehr unterschiedlich, ebenso wie die Faktoren, die zum Abbau der Keimruhe führen. Als Einflussfaktoren sind zu nennen: Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Lichtverhältnisse und Nährmedium (Boden).

Die Keimruhe muss beendet sein, wenn [[Saatgut]] in das [[Saatbett]] ausgebracht wird. Während die Keimruhe bei [[Roggen]] nur wenige Tage nach der Reifung endet, beträgt sie bei [[Weizen]] und [[Gerste]] mehrere Wochen, [[Kulturapfel|Apfelkerne]] keimen sogar erst nach einer winterlichen Frosteinwirkung. Der künstliche Abbau der Keimruhe wird in diesem Fall als [[Stratifikation (Botanik)|Stratifikation]] bezeichnet.

== Siehe auch ==
* [[Lichtkeimer]]
* [[Vernalisation]]
* [[Winterruhe]]

== Literatur ==
* [[Ernst Klapp (Agrarwissenschaftler)|Ernst Klapp]]: ''Lehrbuch des Acker- und Pflanzenbaus''. 5. Auflage. Parey, Berlin 1958.

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Fortpflanzung]]
[[Kategorie:Embryologie]]

Aktuelle Version vom 30. Mai 2025, 10:17 Uhr

Übergeordnet
Dormanz
Reproduktion
Untergeordnet
Eintritt/Wartung/Beendigung der Keimruhe
Gene Ontology
QuickGO

Die Keimruhe ist eine Form der Dormanz (Entwicklungsverzögerung), die sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren auftritt. Bei Säugetieren spricht man auch von Vortragezeit, während für Vögel der Begriff Eiruhe verwendet werden kann.

Tierarten stoppen bei der Keimruhe die embryonale Entwicklung, zwischen der Befruchtung und der Geburt. Diese Keimruhe, während der die Trächtigkeit pausiert, wird auch als Vortragezeit bezeichnet und tritt bei zahlreichen Wildtieren, wie z. B. Bären, Robben, Seelöwen und Rehen auf.[1]

Es wird zwischen einer optionalen bzw. fakultativen und einer obligaten Keimruhe unterschieden, die unabhängig von äußeren Bedingungen eintritt.

Keimruhe bei Tieren

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Ablauf und Gründe

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Bei Tieren bezeichnet Keimruhe das Phänomen, dass eine befruchtete Eizelle eines Tieres sich nicht sofort kontinuierlich zum Embryo weiterentwickelt. Die befruchtete Eizelle (Zygote) nistet sich zwar in der Gebärmutterschleimhaut ein, teilt sich aber zunächst nicht.

Erst nach der Keimruhe schreitet die embryonale Entwicklung normal fort. Die dadurch verlängerte Tragzeit ermöglicht die Geburt zu einer günstigeren Jahreszeit mit besseren Nahrungsangebot, oder zu einem Zeitpunkt, wenn kein weiteres Jungtier mehr auf die Versorgung durch das Muttertier angewiesen ist.[2]

Beispiele für Tiere, die Keimruhe praktizieren

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Insgesamt ist von über 130 Säugetierarten bekannt, dass sie Keimruhe praktizieren, darunter Bären, Robben, Seelöwen und mehrere Arten von Beuteltieren.[2]

Beim Reh etwa erfolgt die Befruchtung während einer viertägigen Phase zwischen Mitte Juli und Mitte August, nur gut zwei Monate nach der Geburt des Kitzes. Aber erst 5 Monate später, etwa im Dezember oder Januar, beginnt das embryonale Wachstum.[3] Dadurch verlängert sich die Tragzeit und die Kitze kommen im darauffolgenden Mai oder Juni zur Welt, so dass Mutter und Jungtier sofort von einem reichen Nahrungsangebot profitieren.[4]

In Europa kommt die Keimruhe auch beim Dachs, Marder, Hermelin, Seehund, Rehen und beim Braunbär vor.[5] Auch dem eurasischen Fischotter wird bisweilen Keimruhe zugesprochen, doch basiert dies auf einer Verwechslung mit dem kanadischen Flussotter.[6] Besonders lang im Verhältnis zur eigentlichen Tragzeit ist die Keimruhe bei Beuteltieren.

Keimruhe bei Pflanzen

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Bei Pflanzen des gemäßigten Klimas ist die Keimruhe (Dormanz) der ausgereiften Samen die Regel. Durch diesen Schutzmechanismus der Pflanzen wird der klimatischen Saisonalität dahingehend Rechnung getragen, dass die Keimung zu einer günstigen Jahreszeit erfolgt und der Keimling optimale Wachstumschancen vorfindet.

Die Zeitdauer der Keimruhe ist bei den einzelnen Pflanzenarten sehr unterschiedlich, ebenso wie die Faktoren, die zum Abbau der Keimruhe führen. Als Einflussfaktoren sind zu nennen: Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Lichtverhältnisse und Nährmedium (Boden).

Die Keimruhe muss beendet sein, wenn Saatgut in das Saatbett ausgebracht wird. Während die Keimruhe bei Roggen nur wenige Tage nach der Reifung endet, beträgt sie bei Weizen und Gerste mehrere Wochen, Apfelkerne keimen sogar erst nach einer winterlichen Frosteinwirkung. Der künstliche Abbau der Keimruhe wird in diesem Fall als Stratifikation bezeichnet.

  • Ernst Klapp: Lehrbuch des Acker- und Pflanzenbaus. 5. Auflage. Parey, Berlin 1958.

Einzelnachweise

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  1. Johanna Kauffert, Christian Ehrmantraut, Peter Mikula, Piotr Tryjanowski, Anette Menzel, Andreas König: Matching the green wave: growing season length determines embryonic diapause in roe deer. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. Band 292, Nr. 2047, Mai 2025, ISSN 1471-2954, doi:10.1098/rspb.2024.2903, PMID 40393484, PMC 12092121 (freier Volltext) – (royalsocietypublishing.org [abgerufen am 30. Mai 2025]).
  2. a b Die Tricks der Gebärmutter: Warum Tierbabys ein Wunder der Natur sind National Geographic, abgerufen am 28. März 2023
  3. V. A. van der Weijden, Susanne E. Ulbrich: Embryonic diapause in the European roe deer (Capreolus capreolus). In: Biosci. Proc., Band 10 (Proceedings of III International Symposium on Embryonic Diapause), 2020, S. 59–75, doi:10.1530/biosciprocs.10.004, (PDF).
  4. Reh. Fakten. Fortpflanzung Deutsche Wildtier Stiftung, abgerufen am 28. März 2023
  5. Johanna Kauffert, Christian Ehrmantraut, Peter Mikula, Piotr Tryjanowski, Anette Menzel, Andreas König: Matching the green wave: growing season length determines embryonic diapause in roe deer. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. Band 292, Nr. 2047, Mai 2025, ISSN 1471-2954, doi:10.1098/rspb.2024.2903, PMID 40393484, PMC 12092121 (freier Volltext) – (royalsocietypublishing.org [abgerufen am 30. Mai 2025]).
  6. Hans Kruuk: Otters: Ecology, Behaviour and Conservation. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-856586-4, S. 186.