„Nakoniden“ – Versionsunterschied
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Die '''Nakoniden''' |
Die '''Nakoniden''' waren ein elbslawisches Adelsgeschlecht, mit dem sich von 960 bis 1129 sowohl die Hoffnungen als auch das Scheitern der [[Elbslawen]] in dem Bemühen um eine mit der [[Polen|polnischen]] vergleichbare [[Staatsbildung]] verbanden. |
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==Dynastie== |
== Dynastie == |
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Die Zusammenfassung |
Die Zusammenfassung der [[Abodriten|abodritischen]] [[Samtherrscher]] zu einer nach [[Nakon]] benannten Dynastie ist jüngeren Datums. [[Heinz Stoob]] stellte in seiner Neuübersetzung der [[Chronica Slavorum|Slawenchronik]] des [[Helmold von Bosau]] als erster ein [[Genealogie|Stemma]] der Nakoniden auf.<ref>Den von [[Bernhard Schmeidler]]: ''Hamburg-Bremen und Nordost-Europa vom 9. bis 11. Jahrhundert : Kritische Untersuchungen zur Hamburgischen Kirchengeschichte des Adam von Bremen, zu Hamburger Urkunden und zur nordischen und wendischen Geschichte.'' Dietrich, Leipzig 1918, S. 326, 330 aufgestellten Stemmata fehlt die Bezeichnung des Geschlechts als Nakoniden.</ref> Die wichtigsten Quellen für diese Dynastie sind außer Helmold [[Thietmar von Merseburg]], [[Adam von Bremen]] sowie der Däne [[Saxo Grammaticus]]. |
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Es besteht Unsicherheit über die Rangbezeichnung dieser Machthaber: Waren sie Könige |
Es besteht Unsicherheit über die Rangbezeichnung dieser Machthaber: Waren sie Könige, Herzöge oder Häuptlinge? Die meisten Historiker bezeichnen sie als „Samtherrscher“. Im lateinischen Text heißen sie abwechselnd „regulus“ (Kleinkönig), „dux“ (Herzog), "rex" (König) oder „tyrannus“ (Herrscher). Im Zusammenhang mit [[Knud Lavard]], also einem Nichtobotriten, findet sich auch die slawische Bezeichnung [[Knjas|Knes]]. |
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Die Nakoniden gehörten dem Volk der [[Abodriten]] an, das seinerseits in die Unterstämme der [[Wagrier]] mit dem Hauptort Starigard/[[Oldenburg in Holstein|Oldenburg]], der [[Polaben]] mit den Hauptorten [[Liubice]] und [[Ratzeburg]], der [[Linonen]] mit dem Hauptort [[Lenzen]] an der Elbe sowie der [[Warnower]] zerfiel. Diese Stämme hatten jeder seinen Stammeschef, doch scheint es Nakon als erstem gelungen zu sein, sich bei allen |
Die Nakoniden gehörten dem Volk der [[Abodriten]] an, das seinerseits in die Unterstämme der [[Wagrier]] mit dem Hauptort Starigard/[[Oldenburg in Holstein|Oldenburg]], der [[Polaben]] mit den Hauptorten [[Liubice]] und [[Ratzeburg]], der [[Linonen]] mit dem Hauptort [[Lenzen (Elbe)|Lenzen]] an der Elbe sowie der [[Warnower]] zerfiel. Diese Stämme hatten jeder seinen Stammeschef, doch scheint es Nakon als erstem gelungen zu sein, sich bei allen Obodriten Respekt zu verschaffen, da ihnen die benachbarten Sachsen je länger desto mehr zu schaffen machten. |
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Zum Verständnis der politischen Situation der Abodriten muss darauf hingewiesen werden, dass sie mit [[Karl der Große|Karl dem Großen]] |
Zum Verständnis der politischen Situation der Abodriten muss darauf hingewiesen werden, dass sie mit [[Karl der Große|Karl dem Großen]] verbündet waren ([[Schlacht auf dem Sventanafeld]]), als er die Sachsen unterwarf. Als Grenzscheide zwischen den Sachsen (vorwiegend den Holsten und [[Stormarn]]) und Abodriten diente der mit Karl verabredete so genannte [[Limes Saxoniae]], der kein befestigter Grenzwall war, sondern nur aus Wäldern, Heidegebieten und Flüssen bestand, z. B. der [[Trave]]. Mit den weiter östlich wohnenden [[Liutizen]], wahrscheinlich den früheren [[Wilzen]], verband die Abodriten eine dauerhafte Stammesrivalität. |
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Spätestens seit es den [[Polen]] bzw. [[Polanen]] etwa seit 960 durch [[Mieszko I.]] aus dem Geschlecht der [[Piasten]] gelang, die auch dort bestehenden Stammesegoismen zu überwinden und zu einer christlich überbauten politischen Einheit zu finden, |
Spätestens seit es den [[Polen]] bzw. [[Polanen]] etwa seit 960 durch [[Mieszko I.]] aus dem Geschlecht der [[Piasten]] gelang, die auch dort bestehenden Stammesegoismen zu überwinden und zu einer christlich überbauten politischen Einheit zu finden, wurde den Elbslawen deutlich, dass es sich ihnen anbot, den gleichen Weg zu gehen. Nur als christlicher Stammesverband hatten sie eine Chance, sich dem Missionsdruck der Sachsen, der immer auf politische Unterwerfung hinauslief, zu entziehen. Deshalb suchten die Nakoniden immer wieder die Anlehnung an das sich christianisierende [[Dänemark]] und die Annäherung ans Christentum, wurden durch den damit verbundenen [[Zehnten]] und drastische zusätzliche Steuern jedoch auch immer wieder zurückgestoßen, ganz abgesehen davon, dass die Stämme mit ihren Stammesgottheiten (z. B. [[Prove]] in Wagrien, [[Svarozic|Radegast]] in Mecklenburg, [[Swantewit]] bei den [[Ranen]] auf [[Rügen]]) auch ihre Identität verbanden und deshalb nicht leichthin bereit waren, sie einer als fremdartig empfundenen Religion aufzuopfern. Das Schwanken zwischen ursprünglicher und christlicher Religion drückt sich u. a. darin aus, dass mehrere dieser Fürsten sowohl einen slawischen wie einen sächsischen Namen führten, was es manchmal nicht leicht macht, die Quellen korrekt zu interpretieren. So könnte sich unter dem Slawenfürsten Billung des Helmold durchaus Nakons Sohn Mistivoj verbergen. Die Dramatik der Konflikte um die Vorherrschaft im westlichen Ostseeraum erhellt auch daraus, dass nur wenige Nakoniden eines natürlichen Todes starben. |
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In Klammern die Zeiten der Regentschaft. |
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Bei den folgenden Angaben in Klammern handelt es sich um die Zeit der jeweiligen Regentschaft. |
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===Nakon=== |
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⚫ | Nakon (auch Nako, Nakko, Nacco) ( |
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=== Nakon === |
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⚫ | [[Nakon]] (auch Nako, Nakko, Nacco) (vor 955 bis 965/67) erhob sich mit seinem Bruder [[Stoignew]] gegen Herzog [[Hermann Billung]], den Markgrafen der Wendenmark. Stoignew wurde in der [[Schlacht an der Raxa]] [[955]] von [[Otto I. (HRR)|König Otto I.]], dem nachmaligen Kaiser, besiegt und enthauptet. Nakons Teilnahme an dem Aufstand ist allerdings nicht belegt. Er selbst nahm wahrscheinlich das Christentum an, denn auf diese Schlacht folgte eine rund 30 Jahre währende Zeit des Friedens, in der die Slawen christlich blieben (Adam). Nakon und seine Nachfolger mit Ausnahme Heinrichs residierten meistens in der nur noch als Ringwall vorhandenen Burg [[Mecklenburg (Burg)|Mecklenburg]], benutzten aber Starigard, Liubice und Lunkini/Lenzen gleichsam als ''Pfalzen''. Die ''Mecklenburg'' wird bereits von [[Ibrahim Ibn Jacub]] als ''Nakons Burg'' bezeichnet.<ref>Dazu: [[Lutz Mohr]]: ''Das Blutbad und Strafgericht an der Raxa. Obotriten und Lutizen kämpften an der Recknitz mit der Streitmacht König Ottos I. um Unabhängigkeit oder Unterwerfung''. In: STIER und GREIF. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern, Jg. 21, Schwerin 2011, S. 59–68</ref> |
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Ob Mstivoj (auch Mistivoj, Mistui, Mistuwoi) (965/67 bis ca. †995) Nakons Sohn war, ist nicht eindeutig bezeugt, jedenfalls folge er ihm nach und wurde mit seinem Bruder Mstidrag (auch Missidrog) zum Anführer des großen [[Slawenaufstand]]s 983 bis 995. |
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=== Mistiwoj === |
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Die Ursache dieses Aufstands wird von Adam so personalisiert: Ein Slawenfürst namens Billung (wahrscheinlich Taufname Mstivojs nach Hermann Billung, der vielleicht Taufpate war) heiratete die schöne Schwester von Bischof Wago von Oldenburg/Starigard, hatte mit ihr die Tochter Hodica und den Sohn Mstislaw, der seinen Vater, zornig auf die Habgier der Sachsen, gegen das Christentum und seine Mutter aufstachelte, bis Mstivoj seine Frau verstieß und begann, sich gegen Christentum und Bischof zu verbünden. |
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Ob [[Mistiwoj]] (auch Mistivoj, Mistui, Mistuwoi, Taufname möglicherweise Billug) (965/67 bis 990/995) Nakons Sohn war, ist nicht eindeutig bezeugt, jedenfalls folge er ihm nach und erlangte die Herrschaft über den abodritischen Stamm, ab dem Jahr 967 auch die [[Samtherrscher|Samtherrschaft]] über den aus mehreren Teilstämmen bestehenden Stammesverband. Unter Mistiwojs christlich-monarchischer Regentschaft erfolgte der Aufbau einer Kirchenorganisation im Abodritenreich durch das um 972 eingerichtete [[Bistum Oldenburg]] in [[Holstein]]. Zu den [[Bischof|Bischöfen]] sowie den Fürsten der benachbarten [[Stammesherzogtum Sachsen|Sachsen]] und [[Dänen]] unterhielt Mistiwoj enge Beziehungen, die er durch dynastische Eheschließungen abzusichern suchte. Obwohl ihm für das Jahr 983 eine Beteiligung am [[Slawenaufstand]] und die Zerstörung [[Hamburg]]s zugeschrieben wird, verlor Mistiwoj als Folge der Erhebung große Teile seines Herrschaftsgebietes an die siegreichen [[Lutizen]]. Nachdem er wenige Monate später in [[Quedlinburg]] zunächst um die Unterstützung des baierischen Thronanwärters [[Heinrich II. (Bayern)|Heinrich II.]] nachgesucht hatte, erwies er sich bis zu seinem Tod als Verbündeter des römisch-deutschen Königs [[Otto III. (HRR)|Otto III.]], der der [[Mecklenburg (Burg)]] 995 einen Freundschaftsbesuch abstattete. Dorthin war 992 auch der Sitz des Oldenburger Bischofs [[Reinbert]] verlegt worden. |
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Erst die neuere Forschung zur Geschichte der Abodriten stuft Mistiwoj auch für die Zeit nach dem Slawenaufstand als „reichsnahen Slawenfürsten“ ein. In den Darstellungen zur [[Ottonen|ottonischen Kaiserzeit]] beschränkt sich die Rolle Mistiwojs dagegen nach wie vor auf die Zerstörung Hamburgs und seine Beteiligung am Slawenaufstand von 983. |
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Helmold erzählt eine andere Geschichte: Mstivoj habe um eine Nichte von Herzog Hermann Billung geworben, die habe ihm dieser auch zugesagt, wenn er ihn auf einem Zug nach Italien begleite. Das tat Mstivoj und erinnerte nach der Rückkehr an das Versprechen. Da habe Markgraf Dietrich ausgerufen: Die hochgeborene Nichte eines großen Fürsten dürfe nicht einem Hunde gegeben werden. Daraufhin versichert sich Mstivoj der Hilfe der [[Liutizen]] und verwüstet Nordelbien mit Feuer und Schwert. |
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Bei dem Fürsten Mstidrag (auch Missidrog) könnte es sich um Mistiwojs Bruder gehandelt haben. Mstivojs Tochter [[Tove (Mecklenburg)|Tove]] heiratete [[Harald Blauzahn]], eine weitere Tochter [[Hodica]] war Äbtissin des Frauenklosters auf der Mecklenburg. |
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Helmold führt als Ursache und Rechtfertigung der Wendenstürme in Anlehnung an Adam immer wieder die maßlose Habgier der sächsischen Fürsten an: „Aber diese Schmach hat der Sachsen unselige Habsucht selbst hervorgebracht.“ |
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=== Mistislaw === |
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Mstivojs Tochter Tore (auch Tofa) heiratete [[Harald Blauzahn]]. |
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[[Mistislaw]] (auch Mstislaw, Missizla) (ca. 990/995 bis 1018), der schon als junger Mann 982 an der Seite des glücklosen Kaisers [[Otto II. (HRR)|Otto II.]] in der Schlacht bei Crotone gefochten hatte, empfing im September 995 seinen Schutzherrn König [[Otto III. (HRR)|Otto III.]] bei dessen Freundschaftsbesuch auf der Mecklenburg. Mistislaws Förderung des Christentums, sein Kampf gegen den einheimischen Adel und sein Bündnis mit den Billungern entfremden ihn seinem Volk, das sich durch den „Glauben der Sachsen“ in seiner ethnischen, kulturellen und politischen Identität bedroht sieht. Als die Lutizen im Februar 1018 im wohl vermuteten Einverständnis mit Kaiser Heinrich II. im Abodritenreich einfallen, um sich selbst des bedrohlich näher rückenden Christentums und den Kaiser eines Verbündeten der Billunger zu entledigen, erheben sich die Abodriten gegen ihren Fürsten. Mistislaw kann sich von der Mecklenburg grade noch mit Frau und Schwiegertochter in die Burg [[Schwerin]] retten. Von dort flieht er, weil er vom Christenglauben nicht lassen will, zu den Billungern nach [[Lüneburg]], wo er angeblich im hohen Alter stirbt. Aus Sicht polnischer und deutscher Historiker verspielten die Abodriten mit der Vertreibung des ungeliebten Herrschers eine ihrer größten Chancen zur dauerhaften Bildung eines eigenen Staates. |
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=== Udo === |
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⚫ | [[Pribignew|Udo]] (auch Uto, Pribignev, Pribygnev) (1020 bis 1028) heißt bei Saxo Grammaticus noch Pribignew. Er hat sich auf den Namen Udo taufen lassen – womöglich war Graf [[Lothar Udo I. (Nordmark)|Luder-Udo I.]] von [[Grafschaft Stade|Stade]] sein Taufpate. Adam und ihm folgend Helmold bezeichnen Udo als „schlechten Christen“ und führen seine Ermordung 1028 durch einen sächsischen Überläufer auf seine Grausamkeit zurück. Da zwei gleichzeitige Mitfürsten genannt werden ([[Anadrog|Anadrag/Anatrog]] und [[Gneus (Slawen)|Gneus/-gnew]]), kann Udos Macht nicht groß gewesen sein. Er soll mit einer Dänin verheiratet gewesen sein. |
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Mstislaw (auch Mistislaw, Missizla) (ca. 996 bis †1018), selbst möglicherweise Mitverursacher des Slawenaufstands, wird zum Opfer eines liutizischen Aufruhrs im Jahr 1018, dem auch das noch junge [[Hamburg]] bzw. die [[Hammaburg]] zum Opfer fällt. Gerade noch kann Mistislaw sich mit Frau und Schwiegertochter in die Burg [[Schwerin]] retten (Thietmar). Von hier aus flieht er, weil er vom Christenglauben nicht lassen will, nach [[Bardowiek]], wo er angeblich ein hohes Alter erreicht. |
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Mstislaw und sein Vater Mstivoj sind bei Adam und Helmold zu Mstivoj verschmolzen, die Chronologie ist unübersichtlich. |
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=== Gottschalk === |
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⚫ | '''[[Gottschalk der Wende|Gottschalk]]''' (um ca. 1043 bis 7. Juni 1066 in [[Lenzen (Elbe)|Lenzen]]) war der Sohn Udos und seiner dänischen Ehefrau (der Schwiegertochter, mit der Mistislaw sich nach Schwerin rettete). Er erfuhr in Lüneburg während seines dortigen Schulbesuchs von der Ermordung seines Vaters, habe, um ihn zu rächen, die Elbe überquert, einen Räuberhaufen zusammengesammelt und erneut Nordelbien mit Feuer und Schwert verwüstet. Hiervon habe ihn die Begegnung mit einem christlichen Sachsen abgebracht, dessen Darstellung der Leiden des Volkes sein Gewissen gerührt haben soll. Gottschalk ging 1028 zu König [[Knut der Große|Knut dem Großen]] nach England. |
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⚫ | Udo (auch Uto, Pribignev, Pribygnev) ( |
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⚫ | Bis zu seiner Rückkehr rund 15 Jahre später bemühten sich '''[[Ratibor (Fürst)|Ratibor]]''' († 1043, Nakonide, ein anderer Abkomme Mstivojs) und weitere „tyranni“ um Einfluss: „Der Slawenherzog Ratibor wurde (1043) von den Dänen erschlagen. Er war Christ und ein sehr mächtiger Herr unter den Barbaren. Er hatte acht Söhne, Slawenfürsten, die alle von den Dänen erschlagen wurden, als sie ihren Vater zu rächen suchten“ (Adam). |
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===Gottschalk=== |
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⚫ | [[Gottschalk der Wende|Gottschalk]] (ca. |
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⚫ | 1043 kehrte Gottschalk mit Sigrid nach Elbslawien zurück und rechristianisierte seinen Einflussbereich mit so großem Eifer, „dass er den dritten Teil derer bekehrte, die unter seinem Großvater Mstivoj (!) ins Heidentum zurückgefallen waren“ (Helmold). Gottschalk lehnte sich stark an [[Adalbert von Bremen|Erzbischof Adalbert von Bremen und Hamburg]] an, der ein nordisches Patriarchat anstrebte, in das ein selbständiges Elbslawien/Nordalbingien/Abodritien gut hineingepasst hätte. Als Adalbert entmachtet worden war, zettelte wahrscheinlich Blusso, Gottschalks Schwager, einen Aufstand an. Gottschalk wurde in der [[Burg Lenzen]] erschlagen, Blusso ebenfalls, und [[Kruto]], ein Nichtnakonide, Sohn des Grin, kam an die Macht (1066 bis 1093). Kruto wird von den Quellen als skrupelloser Heide beschrieben. „Die Tochter des Dänenkönigs (Sigrid) wurde mit ihren Frauen in der Abodritenfeste [[Mecklenburg (Burg)|Mecklenburg]] entdeckt und nackend davongejagt“ (Adam). Heinrich, Gottschalks Sohn von Sigrid, rettete sich nach Dänemark. |
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⚫ | Bis zu seiner Rückkehr rund 15 Jahre später bemühten sich '''Ratibor''' ( |
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=== Budivoj === |
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[[Budivoj]] (auch Butue, Buthue) (1066 bis 1071) war der ältere Sohn Gottschalks von einer unbekannten Frau. Seine Herrschaft war geprägt von Auseinandersetzungen mit dem auf der [[Oldenburger Wall|Oldenburg]] in [[Wagrien]] residierenden Teilstammesfürsten [[Kruto]], in denen Budivoj Samtherrschaft und Leben verlor, als er bei [[Plune]] in eine Falle gelockt und erschlagen wurde. Nach Einschätzung des Chronisten [[Helmold von Bosau]] war Budivoj ein schwacher Fürst, der aufgrund seines christlichen Glaubens und seiner Freundschaft mit den sächsischen [[Billunger]]n bei seinem Stamm als Verräter an der Freiheit angesehen wurde. Der bei Helmold erwähnte [[Pribislaw (Alt-Lübeck)|Pribislaw]] (auch Pribizlaus) war wahrscheinlich sein Sohn; er wurde wegen seiner Gastlichkeit von Helmold gerühmt und ließ sich taufen. |
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=== Heinrich === |
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[[Heinrich von Alt-Lübeck]] war der einzige nakonidische Herrscher, der von den Zeitgenossen als König (rex) bezeichnet wurde. Während der Rebellion gegen seinen Vater Gottschalk floh er mit seiner dänischen Mutter Sigrid, einer Schwester oder Tochter des dänischen Königs [[Sven Estridsson]], nach Dänemark. Nach seiner Rückkehr aus dem dänischen [[Exil]] ließ Heinrich 1090 den in [[Wagrien]] ansässigen abodritischen Samtherrscher [[Kruto]] umbringen und erlangte mit sächsischer Unterstützung in der [[Schlacht bei Schmilau]] 1093 auch die Herrschaft über Polaben und Abodriten. In der Folgezeit dehnte er seine Herrschaft bis an [[Oder]] und [[Havel]] aus und drang 1123/1124 bis nach Rügen vor. Das Prägen eigener Münzen, die Erhebung [[Liubice|Alt-Lübecks]] zu seiner Residenz und die Errichtung einer steinernen Kirche sind Ausdruck seines überregionalen Herrschaftsanspruchs. Als Heinrich gegen den Widerstand der antichristlichen und antisächsischen Opposition damit begann, die fest in ihrem heidnischen Glauben verwurzelte Bevölkerung zu missionieren, wurde er 1127 ermordet. |
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Budivoj (auch Butue, Buthue) (1066 bis †1075), Gottschalks älterer Sohn von einer anderen Frau, ging an den Hof des Herzogs von Sachsen. Von dort aus versuchte er die Macht seines Vaters zurückzugewinnen, kontrollierte aber immer nur Teilgebiete und wurde von Kruto 1075 bei [[Plön|Plune]] in eine Falle gelockt und erschlagen. Ein bei Helmold auftauchender Pribislaw (auch Pribizlaus) war wahrscheinlich sein Sohn; er wird wegen seiner Gastlichkeit gerühmt und ließ sich taufen. |
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Unter Heinrich erreichte das Abodritenreich seinen Höhepunkt. Heinrich gelang es in den mehr als 30 Jahren seiner Herrschaft, zwischen den expandierenden Königreichen der Dänen und der Deutschen einen Staat der Slawen aufzubauen. Nach innen vermochte er die heterogenen Verhältnisse hingegen nicht dauerhaft zu überwinden, wie am schnellen Zerfall des Reiches nach seinem Tod deutlich wird. |
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===Heinrich=== |
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Heinrich (ca. 1093 bis †1127), Gottschalks zweiter Sohn, fiel von Dänemark aus nach Elbslawien ein und begann seine Laufbahn mit Hilfe einer Frau. Kruto war mit Slawina verheiratet. „Heinrich fehlte es weder an Klugheit, noch an List, sich zu schützen. Frau Slavina nämlich, die Gattin Krutos, warnte ihn öfters, indem sie ihm verriet, wie man nach seinem Leben trachte. Da ihr der ziemlich alt gewordene Gemahl zuwider war, fasste sie endlich den Plan, womöglich Heinrich zu heiraten. So lud Heinrich auf Anstiften dieser Frau den Kruto zu einem Gastmahl, und als dieser, berauscht vom vielen Trinken, taumelnd das Gemach verließ, in dem sie gezecht hatten, streckte ihn ein Däne mit der Streitaxt nieder und enthauptete ihn mit einem Streich. Heinrich aber heiratete Slawina und nahm Land und Herrschaft ein“ (Helmold). |
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Die Abodriten sahen die verhassten Abgaben wieder auf sich zukommen, wenn Heinrich, der Dänemark und Sachsen im Rücken hatte, über sie herrschen würde. Heinrich schlug ihr Aufgebot jedoch 1093 bei [[Schmilau]]; Helmold will von Augenzeugen gehört haben, dass es der Glanz der sinkenden Sonne war, der die Slawen so sehr blendete, dass sie nichts sehen konnten. Nach diesem Sieg konnte Heinrich nach Gutdünken schalten und walten, bemühte sich aber im Gegensatz zu seinem Vater nicht um eine konsequente Rechristianisierung. Er stellte den Landfrieden wieder her und wählte [[Liubice]] zu seiner bevorzugten Residenz, da dieser Ort genau an der Nahtstelle zwischen den mecklenburgischen, den wagrischen und den linonischen Abodriten lag. Seither wurde er vielfach auch ''Heinrich von Lübeck'' (bzw. Alt-Lübeck oder Liubice) genannt. Er wehrte einen Angriff der [[Ranen]] auf die Burg Liubice ab und machte nach und nach alle an der Ostsee wohnenden Slawen zinspflichtig, auch die Liutizen, [[Kessiner]], [[Zirzipanen]] und [[Pomeranen]], ja, bis zu den [[Brizanen]] und [[Stoderanen]] um [[Havelberg]] reichte seine Macht. Mit [[Adolf I. (Schauenburg und Holstein)|Graf Adolf von Schauenburg]], den Kaiser Lothar um 1111 für Holstein eingesetzt hatte, lebte er in gutem Einverständnis. Als 1123 sein Sohn Waldemar von Ranen erschlagen worden war, unternahm er einen Winterfeldzug über die vereiste Ostsee gegen die Bewohner Rügens, deren Priester sich von der drohenden Vergeltung für eine immense Summe freikauften. 1126 kam [[Vizelin]] zum „Slawenkönig“ Heinrich nach Liubice und bat ihn um Erlaubnis, in seinen Landen missionieren zu dürfen. Diese Erlaubnis erteilte Heinrich, übergab ihm die Kirche in Liubice, „dass sie dort in Sicherheit bei ihm bleiben und Gottes Werke betreiben könnten“ (Helmold). Vizelin und seine Begleiter kehrten nach Sachsen zurück, um sich auf den Aufenthalt im Slawenland vorzubereiten. Da erfuhren sie, dass Heinrich gestorben sei. Eine Quelle behauptet, er sei ermordet und in Lüneburg begraben worden; Helmolds Schweigen macht das fraglich. |
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Heinrich hatte vier Söhne. Waldemar († 1123) und Mstivoj († 1127) starben vor ihrem Vater. Zwischen Knut und dem erstgeborenen Sventipolk brach ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf Sventipolk Knut mit Hilfe der Holsten in der Burg [[Plön]] belagerte. Sie einigten sich auf eine Landesteilung, aber Knut wurde bereits 1128 in [[Lütjenburg]] erschlagen. Sventipolk, nunmehr Alleinherrscher in [[Wagrien]], unternahm mit Graf Adolf von Schauenburg und den Stämmen der Holsten und Stormaren einen Feldzug gegen die Abodriten. Sie eroberten die [[Burg Werle]] und bezwangen nach fünf Wochen Belagerung die Hauptburg der [[Kessiner]]. Der mit den Sachsen siegreiche Sventipolk erlaubte Bischof [[Vizelin]] die erneute Mission in Liubice, aber nach einem Angriff der Ranen und der Zerstörung der Stadt flohen die von Vizelin entsandten Priester Ludolf und Volkward nach [[Neumünster|Faldera]]. Noch im gleichen Jahr wurde Sventipolk im Auftrag des reichen Holsten Daso ermordet, sein Sohn Swineke 1129 bei der [[Ertheneburg]] an der Elbe erschlagen. |
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Mit Swineke wurde die letzte Möglichkeit der Abodriten auf Bewahrung ihrer politischen Eigenständigkeit begraben. „So erlosch Heinrichs Geschlecht in der Herrschaft über die Slawen mit dem Tod seiner Söhne und Enkel.“ (Helmold I, 48). |
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Heinrich hatte vier Söhne. Waldemar (†1123) und Mstivoj (†1127) starben vor ihrem Vater. Zwischen Knut und Sventipolk brach Krieg aus, das Land wurde unter ihnen geteilt. Knut wurde 1128 in der [[Lütjenburg]] erschlagen, Sventipolk übernahm das gesamte Land. Vizelin entsandte Priester nach Liubice, doch dieses wurde von den Ranen erobert und zerstört, die Priester flohen nach Faldera/[[Neumünster]]. Sventipolk wurde im gleichen Jahr getötet, sein Sohn Swineke wurde 1129 in [[Artlenburg]] erschlagen. „So erlosch Heinrichs Geschlecht in der Herrschaft über die Slawen mit dem Tod seiner Söhne und Enkel“ (Helmold). Mit Heinrich wurde die letzte Chance der Elbslawen auf politische Eigenständigkeit begraben. |
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==Nachgeschichte== |
== Nachgeschichte == |
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[[Knud Lavard]], Thronanwärter von Dänemark, erkauft sich 1128 die Belehnung mit dem Abodritenreich von [[Lothar III. (HRR)| |
[[Knud Lavard]], Thronanwärter von Dänemark, erkauft sich 1128 die Belehnung mit dem Abodritenreich von [[Lothar III. (HRR)|König Lothar III.]], wird aber bereits 1131 von seinem Vetter Magnus ermordet. |
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1132 übernimmt [[Niklot]], ein Nichtnakonide, die Macht im |
1132 übernimmt [[Niklot]], ein Nichtnakonide, die Macht im östlichen Einflussgebiet, während mit Budivojs Sohn Pribislaw ein Nakonide noch bis 1138/39 in [[Wagrien]] regiert. Niklot fällt im Krieg gegen Sachsen und Dänen 1160. Sein Sohn Pribislaw erhält Mecklenburg als Lehen von [[Heinrich der Löwe|Heinrich dem Löwen]] und wird zum Stammvater des [[Obodriten (Adel)|Hauses Mecklenburg]] (bis 1918). |
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Sein Sohn Pribislaw erhält Mecklenburg als Lehen von [[Heinrich der Löwe|Heinrich dem Löwen]] und wird zum Stammvater des [[Abodriten (Adel)|Hauses Mecklenburg]] (bis 1918). |
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== Mögliche Nakoniden == |
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* [[Estrid (Obodritin)|Estrid]] (um 979-um 1035), Ehefrau von [[Olof Skötkonung]], [[Königreich Schweden|König von Schweden]], Mutter von [[Anund Jakob]], König von Schweden und [[Ingegerd]], [[Großfürstentum Kiew|Großfürstin von Kiew]] |
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Sie war obodritischer Herkunft<ref>Snorri Sturlasson: ''Ólafs helgi saga''</ref>. Eine Verbindung auf einer solch herausgehobenen Ebene lässt die Möglichkeit einer Herkunft von den Nakoniden denkbar erscheinen. |
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⚫ | * [[Adam von Bremen]]: [[Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum|Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche]]. In: ''Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburger Kirche und des Reiches''. Neu übertragen von Werner Trillmich. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-00602-X. |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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[[Kategorie:Abodriten]] |
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[[Kategorie:Adelsgeschlecht (Mittelalter)]] |
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[[Kategorie:10. Jahrhundert]] |
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[[Kategorie:11. Jahrhundert]] |
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[[Kategorie:Schleswig-holsteinisches Adelsgeschlecht]] |
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[[Kategorie:Nakoniden| ]] |
Aktuelle Version vom 23. Juli 2023, 22:14 Uhr
Die Nakoniden waren ein elbslawisches Adelsgeschlecht, mit dem sich von 960 bis 1129 sowohl die Hoffnungen als auch das Scheitern der Elbslawen in dem Bemühen um eine mit der polnischen vergleichbare Staatsbildung verbanden.
Dynastie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zusammenfassung der abodritischen Samtherrscher zu einer nach Nakon benannten Dynastie ist jüngeren Datums. Heinz Stoob stellte in seiner Neuübersetzung der Slawenchronik des Helmold von Bosau als erster ein Stemma der Nakoniden auf.[1] Die wichtigsten Quellen für diese Dynastie sind außer Helmold Thietmar von Merseburg, Adam von Bremen sowie der Däne Saxo Grammaticus.
Es besteht Unsicherheit über die Rangbezeichnung dieser Machthaber: Waren sie Könige, Herzöge oder Häuptlinge? Die meisten Historiker bezeichnen sie als „Samtherrscher“. Im lateinischen Text heißen sie abwechselnd „regulus“ (Kleinkönig), „dux“ (Herzog), "rex" (König) oder „tyrannus“ (Herrscher). Im Zusammenhang mit Knud Lavard, also einem Nichtobotriten, findet sich auch die slawische Bezeichnung Knes.
Die Nakoniden gehörten dem Volk der Abodriten an, das seinerseits in die Unterstämme der Wagrier mit dem Hauptort Starigard/Oldenburg, der Polaben mit den Hauptorten Liubice und Ratzeburg, der Linonen mit dem Hauptort Lenzen an der Elbe sowie der Warnower zerfiel. Diese Stämme hatten jeder seinen Stammeschef, doch scheint es Nakon als erstem gelungen zu sein, sich bei allen Obodriten Respekt zu verschaffen, da ihnen die benachbarten Sachsen je länger desto mehr zu schaffen machten.
Zum Verständnis der politischen Situation der Abodriten muss darauf hingewiesen werden, dass sie mit Karl dem Großen verbündet waren (Schlacht auf dem Sventanafeld), als er die Sachsen unterwarf. Als Grenzscheide zwischen den Sachsen (vorwiegend den Holsten und Stormarn) und Abodriten diente der mit Karl verabredete so genannte Limes Saxoniae, der kein befestigter Grenzwall war, sondern nur aus Wäldern, Heidegebieten und Flüssen bestand, z. B. der Trave. Mit den weiter östlich wohnenden Liutizen, wahrscheinlich den früheren Wilzen, verband die Abodriten eine dauerhafte Stammesrivalität.
Spätestens seit es den Polen bzw. Polanen etwa seit 960 durch Mieszko I. aus dem Geschlecht der Piasten gelang, die auch dort bestehenden Stammesegoismen zu überwinden und zu einer christlich überbauten politischen Einheit zu finden, wurde den Elbslawen deutlich, dass es sich ihnen anbot, den gleichen Weg zu gehen. Nur als christlicher Stammesverband hatten sie eine Chance, sich dem Missionsdruck der Sachsen, der immer auf politische Unterwerfung hinauslief, zu entziehen. Deshalb suchten die Nakoniden immer wieder die Anlehnung an das sich christianisierende Dänemark und die Annäherung ans Christentum, wurden durch den damit verbundenen Zehnten und drastische zusätzliche Steuern jedoch auch immer wieder zurückgestoßen, ganz abgesehen davon, dass die Stämme mit ihren Stammesgottheiten (z. B. Prove in Wagrien, Radegast in Mecklenburg, Swantewit bei den Ranen auf Rügen) auch ihre Identität verbanden und deshalb nicht leichthin bereit waren, sie einer als fremdartig empfundenen Religion aufzuopfern. Das Schwanken zwischen ursprünglicher und christlicher Religion drückt sich u. a. darin aus, dass mehrere dieser Fürsten sowohl einen slawischen wie einen sächsischen Namen führten, was es manchmal nicht leicht macht, die Quellen korrekt zu interpretieren. So könnte sich unter dem Slawenfürsten Billung des Helmold durchaus Nakons Sohn Mistivoj verbergen. Die Dramatik der Konflikte um die Vorherrschaft im westlichen Ostseeraum erhellt auch daraus, dass nur wenige Nakoniden eines natürlichen Todes starben.
Bei den folgenden Angaben in Klammern handelt es sich um die Zeit der jeweiligen Regentschaft.
Nakon
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nakon (auch Nako, Nakko, Nacco) (vor 955 bis 965/67) erhob sich mit seinem Bruder Stoignew gegen Herzog Hermann Billung, den Markgrafen der Wendenmark. Stoignew wurde in der Schlacht an der Raxa 955 von König Otto I., dem nachmaligen Kaiser, besiegt und enthauptet. Nakons Teilnahme an dem Aufstand ist allerdings nicht belegt. Er selbst nahm wahrscheinlich das Christentum an, denn auf diese Schlacht folgte eine rund 30 Jahre währende Zeit des Friedens, in der die Slawen christlich blieben (Adam). Nakon und seine Nachfolger mit Ausnahme Heinrichs residierten meistens in der nur noch als Ringwall vorhandenen Burg Mecklenburg, benutzten aber Starigard, Liubice und Lunkini/Lenzen gleichsam als Pfalzen. Die Mecklenburg wird bereits von Ibrahim Ibn Jacub als Nakons Burg bezeichnet.[2]
Mistiwoj
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ob Mistiwoj (auch Mistivoj, Mistui, Mistuwoi, Taufname möglicherweise Billug) (965/67 bis 990/995) Nakons Sohn war, ist nicht eindeutig bezeugt, jedenfalls folge er ihm nach und erlangte die Herrschaft über den abodritischen Stamm, ab dem Jahr 967 auch die Samtherrschaft über den aus mehreren Teilstämmen bestehenden Stammesverband. Unter Mistiwojs christlich-monarchischer Regentschaft erfolgte der Aufbau einer Kirchenorganisation im Abodritenreich durch das um 972 eingerichtete Bistum Oldenburg in Holstein. Zu den Bischöfen sowie den Fürsten der benachbarten Sachsen und Dänen unterhielt Mistiwoj enge Beziehungen, die er durch dynastische Eheschließungen abzusichern suchte. Obwohl ihm für das Jahr 983 eine Beteiligung am Slawenaufstand und die Zerstörung Hamburgs zugeschrieben wird, verlor Mistiwoj als Folge der Erhebung große Teile seines Herrschaftsgebietes an die siegreichen Lutizen. Nachdem er wenige Monate später in Quedlinburg zunächst um die Unterstützung des baierischen Thronanwärters Heinrich II. nachgesucht hatte, erwies er sich bis zu seinem Tod als Verbündeter des römisch-deutschen Königs Otto III., der der Mecklenburg (Burg) 995 einen Freundschaftsbesuch abstattete. Dorthin war 992 auch der Sitz des Oldenburger Bischofs Reinbert verlegt worden.
Erst die neuere Forschung zur Geschichte der Abodriten stuft Mistiwoj auch für die Zeit nach dem Slawenaufstand als „reichsnahen Slawenfürsten“ ein. In den Darstellungen zur ottonischen Kaiserzeit beschränkt sich die Rolle Mistiwojs dagegen nach wie vor auf die Zerstörung Hamburgs und seine Beteiligung am Slawenaufstand von 983.
Bei dem Fürsten Mstidrag (auch Missidrog) könnte es sich um Mistiwojs Bruder gehandelt haben. Mstivojs Tochter Tove heiratete Harald Blauzahn, eine weitere Tochter Hodica war Äbtissin des Frauenklosters auf der Mecklenburg.
Mistislaw
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mistislaw (auch Mstislaw, Missizla) (ca. 990/995 bis 1018), der schon als junger Mann 982 an der Seite des glücklosen Kaisers Otto II. in der Schlacht bei Crotone gefochten hatte, empfing im September 995 seinen Schutzherrn König Otto III. bei dessen Freundschaftsbesuch auf der Mecklenburg. Mistislaws Förderung des Christentums, sein Kampf gegen den einheimischen Adel und sein Bündnis mit den Billungern entfremden ihn seinem Volk, das sich durch den „Glauben der Sachsen“ in seiner ethnischen, kulturellen und politischen Identität bedroht sieht. Als die Lutizen im Februar 1018 im wohl vermuteten Einverständnis mit Kaiser Heinrich II. im Abodritenreich einfallen, um sich selbst des bedrohlich näher rückenden Christentums und den Kaiser eines Verbündeten der Billunger zu entledigen, erheben sich die Abodriten gegen ihren Fürsten. Mistislaw kann sich von der Mecklenburg grade noch mit Frau und Schwiegertochter in die Burg Schwerin retten. Von dort flieht er, weil er vom Christenglauben nicht lassen will, zu den Billungern nach Lüneburg, wo er angeblich im hohen Alter stirbt. Aus Sicht polnischer und deutscher Historiker verspielten die Abodriten mit der Vertreibung des ungeliebten Herrschers eine ihrer größten Chancen zur dauerhaften Bildung eines eigenen Staates.
Udo
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Udo (auch Uto, Pribignev, Pribygnev) (1020 bis 1028) heißt bei Saxo Grammaticus noch Pribignew. Er hat sich auf den Namen Udo taufen lassen – womöglich war Graf Luder-Udo I. von Stade sein Taufpate. Adam und ihm folgend Helmold bezeichnen Udo als „schlechten Christen“ und führen seine Ermordung 1028 durch einen sächsischen Überläufer auf seine Grausamkeit zurück. Da zwei gleichzeitige Mitfürsten genannt werden (Anadrag/Anatrog und Gneus/-gnew), kann Udos Macht nicht groß gewesen sein. Er soll mit einer Dänin verheiratet gewesen sein.
Gottschalk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gottschalk (um ca. 1043 bis 7. Juni 1066 in Lenzen) war der Sohn Udos und seiner dänischen Ehefrau (der Schwiegertochter, mit der Mistislaw sich nach Schwerin rettete). Er erfuhr in Lüneburg während seines dortigen Schulbesuchs von der Ermordung seines Vaters, habe, um ihn zu rächen, die Elbe überquert, einen Räuberhaufen zusammengesammelt und erneut Nordelbien mit Feuer und Schwert verwüstet. Hiervon habe ihn die Begegnung mit einem christlichen Sachsen abgebracht, dessen Darstellung der Leiden des Volkes sein Gewissen gerührt haben soll. Gottschalk ging 1028 zu König Knut dem Großen nach England.
Bis zu seiner Rückkehr rund 15 Jahre später bemühten sich Ratibor († 1043, Nakonide, ein anderer Abkomme Mstivojs) und weitere „tyranni“ um Einfluss: „Der Slawenherzog Ratibor wurde (1043) von den Dänen erschlagen. Er war Christ und ein sehr mächtiger Herr unter den Barbaren. Er hatte acht Söhne, Slawenfürsten, die alle von den Dänen erschlagen wurden, als sie ihren Vater zu rächen suchten“ (Adam).
1043 kehrte Gottschalk mit Sigrid nach Elbslawien zurück und rechristianisierte seinen Einflussbereich mit so großem Eifer, „dass er den dritten Teil derer bekehrte, die unter seinem Großvater Mstivoj (!) ins Heidentum zurückgefallen waren“ (Helmold). Gottschalk lehnte sich stark an Erzbischof Adalbert von Bremen und Hamburg an, der ein nordisches Patriarchat anstrebte, in das ein selbständiges Elbslawien/Nordalbingien/Abodritien gut hineingepasst hätte. Als Adalbert entmachtet worden war, zettelte wahrscheinlich Blusso, Gottschalks Schwager, einen Aufstand an. Gottschalk wurde in der Burg Lenzen erschlagen, Blusso ebenfalls, und Kruto, ein Nichtnakonide, Sohn des Grin, kam an die Macht (1066 bis 1093). Kruto wird von den Quellen als skrupelloser Heide beschrieben. „Die Tochter des Dänenkönigs (Sigrid) wurde mit ihren Frauen in der Abodritenfeste Mecklenburg entdeckt und nackend davongejagt“ (Adam). Heinrich, Gottschalks Sohn von Sigrid, rettete sich nach Dänemark.
Budivoj
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Budivoj (auch Butue, Buthue) (1066 bis 1071) war der ältere Sohn Gottschalks von einer unbekannten Frau. Seine Herrschaft war geprägt von Auseinandersetzungen mit dem auf der Oldenburg in Wagrien residierenden Teilstammesfürsten Kruto, in denen Budivoj Samtherrschaft und Leben verlor, als er bei Plune in eine Falle gelockt und erschlagen wurde. Nach Einschätzung des Chronisten Helmold von Bosau war Budivoj ein schwacher Fürst, der aufgrund seines christlichen Glaubens und seiner Freundschaft mit den sächsischen Billungern bei seinem Stamm als Verräter an der Freiheit angesehen wurde. Der bei Helmold erwähnte Pribislaw (auch Pribizlaus) war wahrscheinlich sein Sohn; er wurde wegen seiner Gastlichkeit von Helmold gerühmt und ließ sich taufen.
Heinrich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heinrich von Alt-Lübeck war der einzige nakonidische Herrscher, der von den Zeitgenossen als König (rex) bezeichnet wurde. Während der Rebellion gegen seinen Vater Gottschalk floh er mit seiner dänischen Mutter Sigrid, einer Schwester oder Tochter des dänischen Königs Sven Estridsson, nach Dänemark. Nach seiner Rückkehr aus dem dänischen Exil ließ Heinrich 1090 den in Wagrien ansässigen abodritischen Samtherrscher Kruto umbringen und erlangte mit sächsischer Unterstützung in der Schlacht bei Schmilau 1093 auch die Herrschaft über Polaben und Abodriten. In der Folgezeit dehnte er seine Herrschaft bis an Oder und Havel aus und drang 1123/1124 bis nach Rügen vor. Das Prägen eigener Münzen, die Erhebung Alt-Lübecks zu seiner Residenz und die Errichtung einer steinernen Kirche sind Ausdruck seines überregionalen Herrschaftsanspruchs. Als Heinrich gegen den Widerstand der antichristlichen und antisächsischen Opposition damit begann, die fest in ihrem heidnischen Glauben verwurzelte Bevölkerung zu missionieren, wurde er 1127 ermordet.
Unter Heinrich erreichte das Abodritenreich seinen Höhepunkt. Heinrich gelang es in den mehr als 30 Jahren seiner Herrschaft, zwischen den expandierenden Königreichen der Dänen und der Deutschen einen Staat der Slawen aufzubauen. Nach innen vermochte er die heterogenen Verhältnisse hingegen nicht dauerhaft zu überwinden, wie am schnellen Zerfall des Reiches nach seinem Tod deutlich wird.
Heinrichs Söhne
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heinrich hatte vier Söhne. Waldemar († 1123) und Mstivoj († 1127) starben vor ihrem Vater. Zwischen Knut und dem erstgeborenen Sventipolk brach ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf Sventipolk Knut mit Hilfe der Holsten in der Burg Plön belagerte. Sie einigten sich auf eine Landesteilung, aber Knut wurde bereits 1128 in Lütjenburg erschlagen. Sventipolk, nunmehr Alleinherrscher in Wagrien, unternahm mit Graf Adolf von Schauenburg und den Stämmen der Holsten und Stormaren einen Feldzug gegen die Abodriten. Sie eroberten die Burg Werle und bezwangen nach fünf Wochen Belagerung die Hauptburg der Kessiner. Der mit den Sachsen siegreiche Sventipolk erlaubte Bischof Vizelin die erneute Mission in Liubice, aber nach einem Angriff der Ranen und der Zerstörung der Stadt flohen die von Vizelin entsandten Priester Ludolf und Volkward nach Faldera. Noch im gleichen Jahr wurde Sventipolk im Auftrag des reichen Holsten Daso ermordet, sein Sohn Swineke 1129 bei der Ertheneburg an der Elbe erschlagen.
Mit Swineke wurde die letzte Möglichkeit der Abodriten auf Bewahrung ihrer politischen Eigenständigkeit begraben. „So erlosch Heinrichs Geschlecht in der Herrschaft über die Slawen mit dem Tod seiner Söhne und Enkel.“ (Helmold I, 48).
Nachgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Knud Lavard, Thronanwärter von Dänemark, erkauft sich 1128 die Belehnung mit dem Abodritenreich von König Lothar III., wird aber bereits 1131 von seinem Vetter Magnus ermordet.
1132 übernimmt Niklot, ein Nichtnakonide, die Macht im östlichen Einflussgebiet, während mit Budivojs Sohn Pribislaw ein Nakonide noch bis 1138/39 in Wagrien regiert. Niklot fällt im Krieg gegen Sachsen und Dänen 1160. Sein Sohn Pribislaw erhält Mecklenburg als Lehen von Heinrich dem Löwen und wird zum Stammvater des Hauses Mecklenburg (bis 1918).
Mögliche Nakoniden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Estrid (um 979-um 1035), Ehefrau von Olof Skötkonung, König von Schweden, Mutter von Anund Jakob, König von Schweden und Ingegerd, Großfürstin von Kiew
Sie war obodritischer Herkunft[3]. Eine Verbindung auf einer solch herausgehobenen Ebene lässt die Möglichkeit einer Herkunft von den Nakoniden denkbar erscheinen.
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thietmar von Merseburg: Chronik. Neu übertragen und erläutert von Werner Trillmich. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974, ISBN 3-534-00173-7.
- Helmold von Bosau: Slawenchronik. Neu übertragen und erläutert von Heinz Stoob. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00175-3.
- Adam von Bremen: Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche. In: Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburger Kirche und des Reiches. Neu übertragen von Werner Trillmich. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-00602-X.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Den von Bernhard Schmeidler: Hamburg-Bremen und Nordost-Europa vom 9. bis 11. Jahrhundert : Kritische Untersuchungen zur Hamburgischen Kirchengeschichte des Adam von Bremen, zu Hamburger Urkunden und zur nordischen und wendischen Geschichte. Dietrich, Leipzig 1918, S. 326, 330 aufgestellten Stemmata fehlt die Bezeichnung des Geschlechts als Nakoniden.
- ↑ Dazu: Lutz Mohr: Das Blutbad und Strafgericht an der Raxa. Obotriten und Lutizen kämpften an der Recknitz mit der Streitmacht König Ottos I. um Unabhängigkeit oder Unterwerfung. In: STIER und GREIF. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern, Jg. 21, Schwerin 2011, S. 59–68
- ↑ Snorri Sturlasson: Ólafs helgi saga