https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=XjsWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-06-04T01:55:42ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.3https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tongiaki&diff=226523779Tongiaki2022-09-26T22:35:50Z<p>Xjs: Leerzeichen</p>
<hr />
<div>{{Infobox Spiel<br />
| Name= Tongiaki<br />
| Bild=<br />
| Bildbeschreibung=<br />
| Autor= [[ Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]]<br />
| Grafik= Grafikstudio Krüger,<br>[[Claus Stephan]],<br>[[Jürgen Valentiner-Branth]] <br />
| Verlag= [[Schmidt Spiele]]<br />
| Erscheinungsjahr= 2004<br />
| Auszeichnungen= 2004: [[Spiel der Spiele]]&nbsp;– Spiele mit Freunden<br />
| Art= [[Brettspiel]]<br />
| Mitspieler= 2 bis 6 <br />
| Dauer= ca. 45 Minuten<br />
| Alter= ab 10 Jahren<br />
}}<br />
<br />
'''Tongiaki''' (Untertitel „Aufbruch ins Ungewisse“) ist ein Spiel für 2 bis 6 Personen von [[Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]], das 2004 bei [[Schmidt Spiele]] erschien. Die Illustrationen und Grafiken stammen aus dem Grafikstudio Krüger von [[Claus Stephan]] und [[Jürgen Valentiner-Branth]] (Realisation).<br />
<br />
== Inhalt ==<br />
* 16 Inselkarten:<br />
** 1 Startinsel Tonga<br />
** 3 Inseln für 2 Punkte (Mururoa, Nauru und Tubuai)<br />
** 4 Inseln für 3 Punkte (Rapa Nui, Rarotonga, Tokelau, Tuamotu)<br />
** 5 Inseln für 4 Punkte (Hiva Oa, Mangareva, Oahu, Tahiti, Tuvalu)<br />
** 3 Inseln für 5 Punkte (Fidschi, Hawaii und Samoa)<br />
* 16 Wasserkarten mit je 3 Wasserwegen<br />
* 90 Schiffe, je 15 in den Farben blau, gelb, grün, orange, rot und violett<br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
Das Spiel entführt die Spieler in den pazifischen Ozean der Zeit um 300 n.&nbsp;Chr. Auf der Insel Tonga kommt es zu einer Überbevölkerung, die dazu führt, dass die Polynesier neue Inseln suchen. Diese Fahrt ins Ungewisse ist aber in vielen Fällen nur erfolgreich, wenn sich mehrere Spieler zusammentun. Am Ende des Spieles gewinnt, wer auf den meisten Inseln präsent ist und dafür Punkte erhält.<br />
<br />
== Spielprinzip ==<br />
Zunächst stellen alle Spieler reihum eins ihrer Schiffe auf einen der Strände der Startinsel, wobei immer einer der drei Liegeplätze frei bleiben muss. Haben alle Spieler dort 2 Schiffe platziert, beginnt das eigentliche Spiel. Nun darf reihum jeder Spieler auf einer beliebigen Insel die Anzahl seiner Schiffe vermehren, in dem er genau so viele eigene Schiffe dort platziert, wie dort schon stehen, aber maximal so viele, wie es Strände auf der Insel gibt. In der Regel sind das 2 oder 3 Schiffe, nur auf Tonga können bis zu 6 Schiffe neu eingesetzt werden. Wird dabei einer der Strände vollständig mit Schiffen besetzt, kommt es zu einer Auswanderung. In diesem Fall muss der Spieler eine Karte vom verdeckten Stapel ziehen, der die Insel- und Wasserfelder in zufälliger Reihenfolge enthält. Sollte an den Strand bereits ein Feld angrenzen, wird dagegen nur dann eine neue Karte gezogen, wenn sich der Spieler für den bei einigen Stränden möglichen Alternativweg entscheidet. Es gibt verschiedene Wasserwege, die erfordern, dass Schiffe von 2, 3 oder 4 verschiedenen Spielern die Passage antreten, ansonsten kentern alle Schiffe und werden ihren Besitzern zurückgegeben. Gelingt dagegen die Überfahrt zu einer neuen Insel – nachdem unter Umständen weitere Karten aufgedeckt und angelegt wurden&nbsp;– darf der Spieler alle Schiffe nach seinem Gutdünken auf der neuen Insel verteilen. Dabei muss zunächst auf jeden Strand ein Schiff gesetzt werden&nbsp;– sofern es genügend Schiffe sind. Sind es dagegen mehr Schiffe als Strände, darf er anschließend die überzähligen Schiffe beliebig verteilen. Falls es dabei dazu kommen sollte, dass erneut ein oder mehrere Strände voll besetzt werden, finden weitere Auswanderungen statt. Der Zug des Spielers endet, sobald er keine Schiffe mehr bewegen kann. Nun versucht sein Nachbar aus dieser Situation das Beste zu machen.<br />
<br />
Statt neue Schiffe einzusetzen, darf ein Spieler auch zweimal im Spiel eine Insel, auf der nur eigene Schiffe stehen, zu einer Königsinsel machen. Dazu legt er eins seiner dort befindlichen Schiffe auf die Seite und nimmt die restlichen Schiffe zu seinem Vorrat zurück. Eine Königsinsel darf im weiteren Spielverlauf von keinem Spieler mehr betreten werden. Treffen bei einer Auswanderung Schiffe auf die Königsinsel, so kehren sie zur Ausgangsinsel zurück, mit der Konsequenz, dass sie auf dieser wieder neu verteilt werden müssen.<br />
<br />
Das Spiel endet wenn das letzte Insel- oder Wasserfeld angelegt wurde und der aktive Spieler kein Schiff mehr bewegen kann. Die Spieldauer ist abhängig von der Spielerzahl; während bei 2 Spielern taktische Überlegungen eine größere Rolle spielen, ist es mit 6 Spielern kaum planbar.<br />
<br />
== Einsatz bei Meisterschaften ==<br />
Tongiaki wurde im Finale zur [[Deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel|Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel]] 2004 gespielt.<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
2004: [[Spiel der Spiele]] – Spiele mit Freunden<br />
<br />
== Übersetzungen ==<br />
* Englisch bei [[Überplay]]<br />
<br />
== PC-Umsetzungen ==<br />
Tongiaki kann auch in der [[Brettspielwelt]] gespielt werden.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Luding|spielID=15577|name=Tongiaki}}<br />
* {{BoardGameGeek|spielID=9028|name=Tongiaki}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spiel 2004]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tongiaki&diff=226523754Tongiaki2022-09-26T22:35:02Z<p>Xjs: /* Spielprinzip */ Syntax.</p>
<hr />
<div>{{Infobox Spiel<br />
| Name= Tongiaki<br />
| Bild=<br />
| Bildbeschreibung=<br />
| Autor= [[ Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]]<br />
| Grafik= Grafikstudio Krüger,<br>[[Claus Stephan]],<br>[[Jürgen Valentiner-Branth]] <br />
| Verlag= [[Schmidt Spiele]]<br />
| Erscheinungsjahr= 2004<br />
| Auszeichnungen= 2004:[[Spiel der Spiele]]&nbsp;– Spiele mit Freunden<br />
| Art= [[Brettspiel]]<br />
| Mitspieler= 2 bis 6 <br />
| Dauer= ca. 45 Minuten<br />
| Alter= ab 10 Jahren<br />
}}<br />
<br />
'''Tongiaki''' (Untertitel „Aufbruch ins Ungewisse“) ist ein Spiel für 2 bis 6 Personen von [[Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]], das 2004 bei [[Schmidt Spiele]] erschien. Die Illustrationen und Grafiken stammen aus dem Grafikstudio Krüger von [[Claus Stephan]] und [[Jürgen Valentiner-Branth]] (Realisation).<br />
<br />
== Inhalt ==<br />
* 16 Inselkarten:<br />
** 1 Startinsel Tonga<br />
** 3 Inseln für 2 Punkte (Mururoa, Nauru und Tubuai)<br />
** 4 Inseln für 3 Punkte (Rapa Nui, Rarotonga, Tokelau, Tuamotu)<br />
** 5 Inseln für 4 Punkte (Hiva Oa, Mangareva, Oahu, Tahiti, Tuvalu)<br />
** 3 Inseln für 5 Punkte (Fidschi, Hawaii und Samoa)<br />
* 16 Wasserkarten mit je 3 Wasserwegen<br />
* 90 Schiffe, je 15 in den Farben blau, gelb, grün, orange, rot und violett<br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
Das Spiel entführt die Spieler in den pazifischen Ozean der Zeit um 300 n.&nbsp;Chr. Auf der Insel Tonga kommt es zu einer Überbevölkerung, die dazu führt, dass die Polynesier neue Inseln suchen. Diese Fahrt ins Ungewisse ist aber in vielen Fällen nur erfolgreich, wenn sich mehrere Spieler zusammentun. Am Ende des Spieles gewinnt, wer auf den meisten Inseln präsent ist und dafür Punkte erhält.<br />
<br />
== Spielprinzip ==<br />
Zunächst stellen alle Spieler reihum eins ihrer Schiffe auf einen der Strände der Startinsel, wobei immer einer der drei Liegeplätze frei bleiben muss. Haben alle Spieler dort 2 Schiffe platziert, beginnt das eigentliche Spiel. Nun darf reihum jeder Spieler auf einer beliebigen Insel die Anzahl seiner Schiffe vermehren, in dem er genau so viele eigene Schiffe dort platziert, wie dort schon stehen, aber maximal so viele, wie es Strände auf der Insel gibt. In der Regel sind das 2 oder 3 Schiffe, nur auf Tonga können bis zu 6 Schiffe neu eingesetzt werden. Wird dabei einer der Strände vollständig mit Schiffen besetzt, kommt es zu einer Auswanderung. In diesem Fall muss der Spieler eine Karte vom verdeckten Stapel ziehen, der die Insel- und Wasserfelder in zufälliger Reihenfolge enthält. Sollte an den Strand bereits ein Feld angrenzen, wird dagegen nur dann eine neue Karte gezogen, wenn sich der Spieler für den bei einigen Stränden möglichen Alternativweg entscheidet. Es gibt verschiedene Wasserwege, die erfordern, dass Schiffe von 2, 3 oder 4 verschiedenen Spielern die Passage antreten, ansonsten kentern alle Schiffe und werden ihren Besitzern zurückgegeben. Gelingt dagegen die Überfahrt zu einer neuen Insel – nachdem unter Umständen weitere Karten aufgedeckt und angelegt wurden&nbsp;– darf der Spieler alle Schiffe nach seinem Gutdünken auf der neuen Insel verteilen. Dabei muss zunächst auf jeden Strand ein Schiff gesetzt werden&nbsp;– sofern es genügend Schiffe sind. Sind es dagegen mehr Schiffe als Strände, darf er anschließend die überzähligen Schiffe beliebig verteilen. Falls es dabei dazu kommen sollte, dass erneut ein oder mehrere Strände voll besetzt werden, finden weitere Auswanderungen statt. Der Zug des Spielers endet, sobald er keine Schiffe mehr bewegen kann. Nun versucht sein Nachbar aus dieser Situation das Beste zu machen.<br />
<br />
Statt neue Schiffe einzusetzen, darf ein Spieler auch zweimal im Spiel eine Insel, auf der nur eigene Schiffe stehen, zu einer Königsinsel machen. Dazu legt er eins seiner dort befindlichen Schiffe auf die Seite und nimmt die restlichen Schiffe zu seinem Vorrat zurück. Eine Königsinsel darf im weiteren Spielverlauf von keinem Spieler mehr betreten werden. Treffen bei einer Auswanderung Schiffe auf die Königsinsel, so kehren sie zur Ausgangsinsel zurück, mit der Konsequenz, dass sie auf dieser wieder neu verteilt werden müssen.<br />
<br />
Das Spiel endet wenn das letzte Insel- oder Wasserfeld angelegt wurde und der aktive Spieler kein Schiff mehr bewegen kann. Die Spieldauer ist abhängig von der Spielerzahl; während bei 2 Spielern taktische Überlegungen eine größere Rolle spielen, ist es mit 6 Spielern kaum planbar.<br />
<br />
== Einsatz bei Meisterschaften ==<br />
Tongiaki wurde im Finale zur [[Deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel|Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel]] 2004 gespielt.<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
2004: [[Spiel der Spiele]] – Spiele mit Freunden<br />
<br />
== Übersetzungen ==<br />
* Englisch bei [[Überplay]]<br />
<br />
== PC-Umsetzungen ==<br />
Tongiaki kann auch in der [[Brettspielwelt]] gespielt werden.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Luding|spielID=15577|name=Tongiaki}}<br />
* {{BoardGameGeek|spielID=9028|name=Tongiaki}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spiel 2004]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tongiaki&diff=226523642Tongiaki2022-09-26T22:29:50Z<p>Xjs: /* Beschreibung */ Kommasetzung!</p>
<hr />
<div>{{Infobox Spiel<br />
| Name= Tongiaki<br />
| Bild=<br />
| Bildbeschreibung=<br />
| Autor= [[ Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]]<br />
| Grafik= Grafikstudio Krüger,<br>[[Claus Stephan]],<br>[[Jürgen Valentiner-Branth]] <br />
| Verlag= [[Schmidt Spiele]]<br />
| Erscheinungsjahr= 2004<br />
| Auszeichnungen= 2004:[[Spiel der Spiele]]&nbsp;– Spiele mit Freunden<br />
| Art= [[Brettspiel]]<br />
| Mitspieler= 2 bis 6 <br />
| Dauer= ca. 45 Minuten<br />
| Alter= ab 10 Jahren<br />
}}<br />
<br />
'''Tongiaki''' (Untertitel „Aufbruch ins Ungewisse“) ist ein Spiel für 2 bis 6 Personen von [[Thomas Rauscher (Spieleautor)|Thomas Rauscher]], das 2004 bei [[Schmidt Spiele]] erschien. Die Illustrationen und Grafiken stammen aus dem Grafikstudio Krüger von [[Claus Stephan]] und [[Jürgen Valentiner-Branth]] (Realisation).<br />
<br />
== Inhalt ==<br />
* 16 Inselkarten:<br />
** 1 Startinsel Tonga<br />
** 3 Inseln für 2 Punkte (Mururoa, Nauru und Tubuai)<br />
** 4 Inseln für 3 Punkte (Rapa Nui, Rarotonga, Tokelau, Tuamotu)<br />
** 5 Inseln für 4 Punkte (Hiva Oa, Mangareva, Oahu, Tahiti, Tuvalu)<br />
** 3 Inseln für 5 Punkte (Fidschi, Hawaii und Samoa)<br />
* 16 Wasserkarten mit je 3 Wasserwegen<br />
* 90 Schiffe, je 15 in den Farben blau, gelb, grün, orange, rot und violett<br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
Das Spiel entführt die Spieler in den pazifischen Ozean der Zeit um 300 n.&nbsp;Chr. Auf der Insel Tonga kommt es zu einer Überbevölkerung, die dazu führt, dass die Polynesier neue Inseln suchen. Diese Fahrt ins Ungewisse ist aber in vielen Fällen nur erfolgreich, wenn sich mehrere Spieler zusammentun. Am Ende des Spieles gewinnt, wer auf den meisten Inseln präsent ist und dafür Punkte erhält.<br />
<br />
== Spielprinzip ==<br />
Zunächst stellen alle Spieler reihum eins ihrer Schiffe auf einen der Strände der Startinsel, wobei immer einer der drei Liegeplätze frei bleiben muss. Haben alle Spieler dort 2 Schiffe platziert beginnt das eigentliche Spiel. Nun darf reihum jeder Spieler auf einer beliebigen Insel die Anzahl seiner Schiffe vermehren, in dem er genau so viele eigene Schiffe dort platziert wie dort schon stehen, aber maximal so viele wie es Strände auf der Insel gibt. In der Regel sind das 2 oder 3 Schiffe, nur auf Tonga können bis zu 6 Schiffe neu eingesetzt werden. Wird dabei einer der Strände vollständig mit Schiffen besetzt, kommt es zu einer Auswanderung. In diesem Fall muss der Spieler eine Karte vom verdeckten Stapel ziehen, der die Insel- und Wasserfelder in zufälliger Reihenfolge enthält. Sollte an den Strand bereits ein Feld angrenzen wird dagegen nur dann eine neue Karte gezogen wenn sich der Spieler für den bei einigen Stränden möglichen Alternativweg entscheidet. Es gibt verschiedene Wasserwege, die erfordern, dass Schiffe von 2, 3 oder 4 verschiedenen Spielern die Passage antreten, ansonsten kentern alle Schiffe und werden ihren Besitzern zurückgegeben. Gelingt dagegen die Überfahrt zu einer neuen Insel – nachdem unter Umständen weitere Karten aufgedeckt und angelegt wurden&nbsp;– darf der Spieler alle Schiffe nach seinem Gutdünken auf der neuen Insel verteilen. Dabei muss zunächst auf jeden Strand ein Schiff gesetzt werden&nbsp;– sofern es genügend Schiffe sind. Sind es dagegen mehr Schiffe als Strände, darf er anschließend die überzähligen Schiffe beliebig verteilen. Falls es dabei dazu kommen sollte, dass erneut ein oder mehrere Strände voll besetzt werden, finden weitere Auswanderungen statt. Der Zug des Spielers endet sobald er keine Schiffe mehr bewegen kann. Nun versucht sein Nachbar aus dieser Situation das Beste zu machen.<br />
<br />
Statt neue Schiffe einzusetzen, darf ein Spieler auch zweimal im Spiel eine Insel, auf der nur eigene Schiffe stehen zu einer Königsinsel machen. Dazu legt er eins seiner dort befindlichen Schiffe auf die Seite und nimmt die restlichen Schiffe zu seinem Vorrat zurück. Eine Königsinsel darf im weiteren Spielverlauf von keinem Spieler mehr betreten werden, treffen bei einer Auswanderung Schiffe auf die Königsinsel, so kehren sie zur Ausgangsinsel zurück, mit der Konsequenz, dass sie auf dieser wieder neu verteilt werden müssen.<br />
<br />
Das Spiel endet wenn das letzte Insel- oder Wasserfeld angelegt wurde und der aktive Spieler kein Schiff mehr bewegen kann. Die Spieldauer ist abhängig von der Spielerzahl, während bei 2 Spielern taktische Überlegungen eine größere Rolle spielen, ist es mit 6 Spielern kaum planbar.<br />
<br />
== Einsatz bei Meisterschaften ==<br />
Tongiaki wurde im Finale zur [[Deutsche Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel|Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel]] 2004 gespielt.<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
2004: [[Spiel der Spiele]] – Spiele mit Freunden<br />
<br />
== Übersetzungen ==<br />
* Englisch bei [[Überplay]]<br />
<br />
== PC-Umsetzungen ==<br />
Tongiaki kann auch in der [[Brettspielwelt]] gespielt werden.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Luding|spielID=15577|name=Tongiaki}}<br />
* {{BoardGameGeek|spielID=9028|name=Tongiaki}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spiel 2004]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ich_will_brennen&diff=217923269Ich will brennen2021-12-05T18:16:46Z<p>Xjs: Typo (dass das)</p>
<hr />
<div>{{Infobox Song<br />
| Titel = Ich will brennen<br />
| Musiker = [[ASP (Band)|ASP]]<br />
| Veröffentlichung = 2004<br />
| Länge = <br />
| Genres = [[Dark Rock]]<br />
| Autor = [[Alexander Spreng]]<br />
| Label = [[Trisol Music Group]]<br />
| Album = <br />
}}<br />
<br />
'''Ich will brennen''' ist ein Lied der [[Frankfurt am Main|Frankfurter]] Band [[ASP (Band)|ASP]], das 2004 aus dem Album [[Der Schwarze Schmetterling|Weltunter – Der Schwarze Schmetterling Teil III]] ausgekoppelt wurde. Das Lied ist eine der bekanntesten Singles der Band.<br />
<br />
== Hintergrund ==<br />
Im Rahmen einer Kampagne zur Erhaltung des Rechts auf [[Privatkopie]] wurde die Single ''Ich will brennen'' veröffentlicht. Das [[Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz|Bundesjustizministerium]] plante in einer zweiten Stufe zur Novellierung des Urheberrechts die starke Einschränkung bis Abschaffung des Rechts auf private Kopien<ref>https://www.aspswelten.de/media/m16</ref>. Am 21. September 2007 verabschiedete der Bundesrat das [[Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft|Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft]] (sog. „Zweiter Korb“). Das Gesetz trat am 1. Januar 2008 in Kraft.<br />
<br />
Der Single lagen ein Statement der Band, ein Aufkleber und ein CD-Rohling bei, auf den sich die Käufer ihre eigene Best-Of brennen sollten. Auf der zugehörigen Webseite fand sich neben den detaillierten Forderungen auch eine entsprechende Petition.<br />
<br />
Statt die üblichen „[[Zugabe|Zugabe!]]“-Rufe auf Konzerten, rufen Fans "Wir wollen brennen".<br />
<br />
== Titelliste ==<br />
{{Titelliste<br />
| Überschrift = <br />
| Extra Spalte = <br />
| Gesamtlänge = <br />
<br />
| Titel1 = Ich will brennen<br />
| Notiz1 = Supernova Edit<br />
| Writer1 = <br />
| Text1 = <br />
| Musik1 = <br />
| Extra1 = <br />
| Länge1 = 4:44<br />
<br />
| Titel2 = Lykanthropie<br />
| Notiz2 = Monozelle Remix<br />
| Writer2 = <br />
| Text2 = <br />
| Musik2 = <br />
| Extra2 = <br />
| Länge2 = 6:22<br />
<br />
| Titel3 = She wore shadows<br />
| Notiz3 = Live<br />
| Writer3 = <br />
| Text3 = <br />
| Musik3 = <br />
| Extra3 = <br />
| Länge3 = 4:12<br />
<br />
| Titel4 = Schwarzer Schmetterling<br />
| Notiz4 = Live<br />
| Writer4 = <br />
| Text4 = <br />
| Musik4 = <br />
| Extra4 = <br />
| Länge4 = 6:34<br />
<br />
| Titel5 = Stille der Nacht<br />
| Notiz5 = Videotrack<br />
| Writer5 = <br />
| Text5 = <br />
| Musik5 = <br />
| Extra5 = <br />
| Länge5 = <br />
<br />
…<br />
<br />
}}<br />
== Weblinks ==<br />
* [https://www.aspswelten.de/ Webseite der Band]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste ASP}}<br />
<br />
[[Kategorie:ASP (Band)]]<br />
[[Kategorie:Lied 2004]]<br />
[[Kategorie:Rocksong]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Brokkoli&diff=194762514Brokkoli2019-12-09T11:25:56Z<p>Xjs: /* Verwendung in der Küche und Zubereitung */ Weitere Zubereitungsmethoden eingefügt</p>
<hr />
<div>{{Weiterleitungshinweis|Broccoli}}<br />
<!-- kein Taxon --><br />
[[Datei:Broccoli2.jpg|mini|Brokkoli]]<br />
[[Datei:Broccoli bloeiend.jpg|mini|Blühender Brokkoli]]<br />
[[Datei:Broccoli plant.jpg|mini|Brokkoli]]<br />
'''Brokkoli''' oder '''Broccoli''' (''Brassica oleracea'' var. ''italica'' {{Person|[[Plenck]]}})<ref>{{Internetquelle |url={{ITIS|TSN=530961|Name=''Brassica oleracea var. italica''|Linktext=nein}} |titel=ITIS Report Online-Abfrage |zugriff=2010-02-10 |sprache=en}}</ref> ([[Italienische Sprache|italienisch]] '''il broccolo''' von ''broccoli'', „Kohlsprossen“), auch '''Bröckel-''', '''Spargel-''', '''Winterblumen-''' oder '''Sprossenkohl''' genannt, ist eine mit dem [[Blumenkohl]] eng verwandte [[Gemüse]]pflanze aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Kreuzblütengewächse]] (Brassicaceae).<br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
Er wächst ähnlich wie Blumenkohl, und wie bei diesem bestehen die „Röschen“ des Kopfes aus den noch nicht voll entwickelten Blütenständen, die Knospen sind allerdings schon deutlich zu erkennen. Der Kopf ist meist von tiefgrüner bis blaugrüner Farbe; seltener sind violette, gelbe und weiße Sorten. Brokkoli hat eine [[Vegetationsperiode]] von 14 bis 15 Wochen.<br />
<br />
Geerntet wird Brokkoli, sobald die mittlere Blume gut ausgebildet und noch geschlossen ist. Die noch geschlossenen Blütenstände werden mit 10 bis 15 Zentimeter langem Stiel und Blättern abgeschnitten. Aus den Seitenknospen entwickeln sich weitere kleine Blütenköpfe, die zu einem späteren Zeitpunkt geschnitten werden können. Geerntet und verwertet werden kann die Blume alleine als [[Blütengemüse]] oder komplett mit den kräftigen Stielen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Der aus [[Kleinasien]] stammende Brokkoli war in [[Europa]] zunächst nur in [[Italien]] bekannt. Durch [[Caterina de’ Medici]] gelangte er im 16. Jahrhundert nach [[Frankreich]] und als „italienischer Spargel“ nach [[England]], um schließlich vom US-amerikanischen Präsidenten [[Thomas Jefferson]] im 18. Jahrhundert, zunächst als Versuchspflanze, in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] eingeführt zu werden.<br />
<br />
Hauptanbaugebiete in [[Europa]] sind die westlichen Mittelmeerländer, vor allem die Gegend um [[Verona]] in [[Italien]].<br />
<br />
== Inhaltsstoffe ==<br />
Brokkoli ist besonders reich an [[Mineralstoff]]en wie [[Kalium]], [[Calcium]], [[Phosphor]], [[Eisen]], [[Zink]] und [[Natrium]] und Vitaminen wie [[Thiamin|B1]], [[Riboflavin|B2]], [[Pyridoxin|B6]], [[Tocopherol|E]] und besonders [[Ascorbinsäure]] (Vitamin C) und [[Carotine|Carotin]] (Provitamin A).<br />
<br />
Weiter enthält er zahlreiche [[sekundäre Pflanzenstoffe]] ([[Flavonoide]], [[Senfölglycoside|Glucosinolate]] und andere). Glucosinolate speichern wiederum verschiedene [[Indol]]e und viele [[Isothiocyanate]]. Im Brokkoli enthalten sind folgende Isothiocyanate: [[Sulforaphan]], 3-Methylsulfinylpropylisothiocyanat, 3-Butenylisothiocyanat, [[Allylisothiocyanat]] und 4-Methylsulfinylbutylisothiocyanat.<br />
<br />
[[Datei:Broccoli and cross section edit.jpg|mini|Brokkoli]]<br />
[[Datei:Broccoli in a dish 2.jpg|mini|Gedünsteter Brokkoli]]<br />
[[Datei:Brokkoligratin mit dreierlei Käse.jpg|mini|Brokkoligratin mit dreierlei Käse]]<br />
<br />
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="5" style="border-collapse:collapse;"<br />
| colspan="7" align="center" bgcolor=lightgreen | 100 g Brokkoli enthalten:<ref>Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (Hrsg.), Friedrich Senser (Bearbeitung): ''Lebensmitteltabelle für die Praxis. Der kleine Souci-Fachmann-Kraut.'' 4. Auflage. Wissenschaftliche Verlags-Gesellschaft, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8047-2541-6.</ref><ref>[http://ernaehrungsstudio.nestle.de/start/ernaehrungwissen/basiswissen/Broccoli.htm Broccoli] im Nestlé-Ernährungsstudio.</ref><br />
|- align="center" style="background:#ECECEC"<br />
| || colspan="2" |[[Physiologischer Brennwert|Brennwert]] || || || ||<br />
|- align="center"<br />
| || [[Kilojoule|kJ]] || [[kcal]] || [[Wasser]] || [[Fette|Fett]] || verwertb. Kohlenhydrate || Ballaststoffe<br />
|- align="center"<br />
|roh || 117 || 28 || 90 g || 0,2 g || 2,7 g || 3,0 g<br />
|- align="center"<br />
|gar || 92 || 22 || 22 g || 0,2 g || 2 g || 2,7 g (total)<br />
|- align="center" style="background:#ECECEC"<br />
| || colspan="4" | [[Mengenelemente]] || ||<br />
|- align="center"<br />
| || [[Kalium]] || [[Calcium]] || [[Magnesium]] || [[Phosphor]] || [[Protein|Eiweiß]] || [[Eisen]]<br />
|- align="center"<br />
|roh || 373&nbsp;mg || 105&nbsp;mg || 24&nbsp;mg || 65&nbsp;mg || 3,5 g || 0,8&nbsp;mg<br />
|- align="center"<br />
|gar || 324&nbsp;mg || 87&nbsp;mg || x mg || 65&nbsp;mg || 2,8 g ||<br />
|- align="center" style="background:#ECECEC"<br />
| || colspan="3" | Vitamine || || ||<br />
|- align="center"<br />
| || [[Retinol|Vitamin A]] || [[Ascorbinsäure|Vitamin C]] || [[Tocopherol|Vitamin E]] || || ||<br />
|- align="center"<br />
|roh || 143&nbsp;µg || 115&nbsp;mg || 1,2&nbsp;mg || || ||<br />
|- align="center"<br />
|gar || kein || 90&nbsp;mg || ? || || ||<br />
|}<br />
<br />
== Verwendung in der Küche und Zubereitung ==<br />
Brokkoli kann man sowohl roh als auch gegart genießen. Als [[Garen|Garverfahren]] sind Kochen, Dünsten, Dampfgaren, Anbraten, Blanchieren sowie Garen in der Mikrowelle möglich. Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass die wasserlöslichen Nährstoffe wie z.&nbsp;B. [[Vitamin C]] und [[Mineralstoff]]e beim [[Dampfgaren]] weitgehend erhalten bleiben, während sie beim Kochen in siedendem Wasser im Kochwasser gelöst werden.<ref>E. Schlich, M. Schlich: ''Garverfahren für pflanzliche Lebensmittel und deren Einfluss auf Mikronährstoffe - Teil 1.'' In: ''Aktuell Ernährungslehre & Praxis, ErnährungsUmschau.'' (60) 8, 2013, S. S31–S34.</ref><ref>E. Schlich, M. Schlich: ''Garverfahren für pflanzliche Lebensmittel und deren Einfluss auf Mikronährstoffe - Teil 2.'' In: ''Aktuell Ernährungslehre & Praxis, ErnährungsUmschau.'' (60) 9, 2013, S. S35–S38.</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.springlane.de/magazin/brokkoli-zubereiten/ |titel=Brokkoli lecker und vitaminschonend zubereiten - so geht's |werk=Springlane |datum=2017-02-22 |abruf=2019-12-09 |sprache=de-DE|autor=Isabel Günther}}</ref> Die Garzeit liegt zwischen 6 und 10 Minuten, abhängig vom individuell gewünschten sensorischen Ergebnis: Längere Garzeit führt zu weicherem Produkt.<br />
<br />
Nicht nur die Röschen, sondern auch die zarten Blätter und die Stängel, die sich wie [[Gemüsespargel|Spargel]] anrichten lassen, sind essbar.<br />
<br />
Als Gewürz passen zu Brokkoli neben [[Speisesalz|Salz]] auch frisch geriebene [[Muskatnuss]], [[Knoblauch]] und geröstete [[Pinienkern]]e oder [[Mandel]]blätter.<br />
<br />
Auch werden aus den Samen Sprossen gezüchtet, diese können roh in Salaten gegessen werden oder finden sich als Dekoration auf Speisen wieder.<br />
<br />
== Lagerung ==<br />
Frischen Brokkoli erkennt man beim Kauf an seiner kräftigen Farbe und den geschlossenen Blüten. Er sollte kühl, am besten in einer Frischhaltefolie im Gemüsefach im Kühlschrank, gelagert werden. Auf diese Weise hält er bis zu drei Tage. Wird der Brokkoli zu warm gelagert, so verliert er täglich mindestens zehn Prozent seines Vitamin-C-Gehalts.<ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://www.bmnt.gv.at/land/lebensmittel/kostbare_lebensmittel/einzelne_tun/a-z-lagerung.html#Brokkoli |titel=A - Z der Obst- und Gemüselagerung , bmnt.gv.at |abruf=2019-08-26}}</ref><br />
<br />
Im Zuge der Lagerung bilden sich Enzyme, die zum schnelleren Verderb führen. Als Maßnahme dagegen kann Brokkoli kurz blanchiert und danach gleich eingefroren werden. Dabei werden die Enzyme deaktiviert.<ref name=":0" /><br />
<br />
== Sonstige Verwendungen ==<br />
Aus den Samen wird auch [[Brokkolisamenöl]] hergestellt, welches als Haar- und Gesichtspflegeprodukt verwendet wird.<ref>Sabine Kirschner, Helmut Göppel: ''Handbuch der Pflanzenöle.'' Param, 2014, ISBN 978-3-88755-714-0.</ref><br />
== Brokkolisorten (Auswahl) ==<br />
Um bei Brokkoli den Ertrag zu steigern, werden heute meistens [[Cytoplasmatisch-männliche Sterilität|CMS-Sorten]] (F1-Hybride) angebaut.<ref>{{Internetquelle |autor=Roger Müller |url=https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/konsum/schweizer-gemuese-aus-gen-labor-konsument-hat-keine-wahl |titel=Schweizer Gemüse aus Gen-Labor: Konsument hat keine Wahl |werk=[[Schweizer Radio und Fernsehen|srf.ch]] |datum=2014-09-02 |zugriff=2019-03-17}}</ref><br />
<br />
* Atlantic<br />
* Calabreser<br />
* Corvet<br />
* Green Sprouting<br />
* Purple Sprouting<br />
* Primo<br />
* Belstar<br />
* Sparco<br />
* Southern Comet<br />
* Legacy<br />
* Marathon<br />
* Corona<br />
* Hamacher<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Richard Béliveau, Denis Gingras: ''Krebszellen mögen keine Himbeeren.'' Kösel, München 2007, ISBN 978-3-466-34502-1.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Broccoli|Brokkoli (''Brassica oleracea'' var. ''italica'')}}<br />
{{Wikibooks|Kategorie:Kochbuch/ Brokkolirezepte|Rezepte mit Brokkoli|X}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4222003-8|NDL=01030639}}<br />
<br />
[[Kategorie:Kohl]]<br />
[[Kategorie:Kohlgemüse]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bamberger_(Geb%C3%A4ck)&diff=185322072Bamberger (Gebäck)2019-02-02T18:21:21Z<p>Xjs: Link zur Stadt Bamberg ergänzt.</p>
<hr />
<div>[[Bild:hoernla.jpg|thumb|Bamberger Hörnchen]]<br />
Ein '''Bamberger''' oder '''Bamberger Hörnla''' ist ein [[Plunderteig|Plundergebäck]] ähnlich einem [[Croissant]]. <br />
Es ist in [[Oberfranken]] unter dem Namen „Bamberger“ bekannt. In [[Bamberg]] selbst und im Raum [[Haßfurt]] ist das Gebäckstück als „Hörnchen“ oder „Hörnla“ bekannt.<br />
<br />
Das originale Bamberger Hörnchen basiert auf einem leichten, mit [[Milch]] hergestellten [[Hefeteig]], der über Nacht [[Teigführung|geführt]] wird. Am nächsten Tag werden mehrere Schichten [[Butter]] [[Ziehteig|eingezogen]]. Dabei beträgt der Butteranteil mindestens 20 Prozent, auf das gesamte [[Mehl]] bezogen. Andere Fette als diejenigen, welche in Butter und Milch enthalten sind, sind nicht zulässig. Der gewickelte Teigrohling ist in seiner Grundform länglich. Das Bamberger Hörnchen kann am hohen Krustenanteil und dem butterfarbenen Krumenbild erkannt werden; es ist schlanker als das Croissant.<br />
<br />
„Bamberger Hörnchen müssen mit reiner Butter gebacken werden.“ stellte das [[Landgericht Bamberg]] 1977 fest.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* 100 Jahre Bäckerinnung Bamberg, Festschrift der Bamberger Bäckerinnung, Bamberg 1987<br />
* 600 Jahre Bamberger Bäckerhandwerk – Beiträge zur Geschichte des Bäckerhandwerks in Bamberg, Alfred Seel sr., Hrsg. Bäcker-Innung Bamberg Stadt und Bäckerfachverein Bamberg 1373, Bamberg 1973<br />
<br />
[[Kategorie:Feine Backware]]<br />
[[Kategorie:Essen und Trinken (Bamberg)]]<br />
[[Kategorie:Fränkische Küche]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Goldafter&diff=165386799Goldafter2017-05-10T15:42:43Z<p>Xjs: /* Lebensraum */ Formulierung</p>
<hr />
<div><!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --><br />
{{Taxobox<br />
| Taxon_Name = Goldafter<br />
| Taxon_WissName = Euproctis chrysorrhoea<br />
| Taxon_Rang = Art<br />
| Taxon_Autor = ([[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758)<br />
| Taxon2_WissName = Euproctis<br />
| Taxon2_Rang = Gattung<br />
| Taxon3_Name = Trägspinner<br />
| Taxon3_WissName = Lymantriinae<br />
| Taxon3_Rang = Unterfamilie<br />
| Taxon4_Name = Eulenfalter<br />
| Taxon4_WissName = Noctuidae<br />
| Taxon4_Rang = Familie<br />
| Taxon5_Name = Schmetterlinge<br />
| Taxon5_WissName = Lepidoptera<br />
| Taxon5_Rang = Ordnung<br />
| Taxon6_Name = Insekten<br />
| Taxon6_WissName = Insecta<br />
| Taxon6_Rang = Klasse<br />
| Bild =Euproctis_chrysorrhoea_(Linnaeus,_1758).jpg<br />
| Bildbeschreibung = Goldafter (''Euproctis chrysorrhoea'')<br />
}}<br />
[[Datei:Euproctis chrysorrhoea-01 (xndr).jpg|thumb|Raupe]]<br />
[[Datei:Goldafter Gespinst.jpg |thumb||Raupen am Gespinst]]<br />
<br />
Der '''Goldafter''' (''Euproctis chrysorrhoea'') ist ein [[Schmetterling]] ([[Nachtfalter]]) aus der [[Familie (Biologie)|Unterfamilie]] der [[Trägspinner]] (Lymantriinae) innerhalb der Familie der [[Eulenfalter]] (Noctuidae).<br />
<br />
== Merkmale ==<br />
Der Goldafter erreicht eine Flügelspannweite von etwa 30 bis 35 Millimetern und ist damit deutlich größer als der ihm ähnliche [[Schwan (Schmetterling)|Schwan]] (''Euproctis similis''). Am besten unterscheiden sich die beiden [[Trägspinner]] durch die Ausdehnung des gelben Bereichs am Hinterleib (Afterbusch). Die Männchen weisen am Hinterleib ein rostrotes Ende auf, während die Weibchen einen breiteren rostfarbenen Bereich zeigen. Manche Individuen haben zusätzlich noch gelbbraune Borsten am Hinterleib. Die Oberseite beider Flügelpaare ist weiß ohne den schwarzen Fleck, den der Schwan aufweist.<br />
<gallery mode=packed><br />
Euproctis chrysorrhoea MHNT.CUT.2012.0.357 Claix (Isère) Female.jpg|♀<br />
Euproctis chrysorrhoea MHNT.CUT.2012.0.356. Les Mathes Male.jpg|♂ <br />
</gallery><br />
=== Ähnliche Arten ===<br />
* [[Schwan (Schmetterling)|Schwan]] (''Euproctis similis'')<br />
* [[Amerikanischer Webebär]] (''Hyphantria cunea'')<br />
* [[Schmalflügeliger Fleckleibbär]] (''Spilosoma urticae'')<br />
<br />
== Verbreitung ==<br />
Man findet diese Art in ganz [[Europa]], im Norden bis [[Schweden|Mittelschweden]] und [[Finnland|Südfinnland]]. Weiterhin im südwestlichen Mittelmeerraum, auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] und bis [[Russland]] im Osten. In [[Nordamerika]] wurde die Art vor etwa 100 Jahren eingeschleppt.<br />
<br />
== Lebensraum ==<br />
Die wichtigsten [[Biotop]]e sind heute Parkanlagen und Obstgärten. Früher waren lichte Laubmischwälder das Heim des Goldafters. <br />
<br />
== Lebensweise ==<br />
Das Weibchen legt ca. 200 Eier auf einen Haufen und verteilt zum Schutz vor Fressfeinden dann die Haare ihres Hinterleibes darauf. Das Gelege sieht nun aus wie ein [[Baumschwamm]] und wird daher nicht sofort von [[Vögel]]n entdeckt.<br />
<br />
Von September bis Juni findet man die Raupen, die direkt nach dem Schlüpfen noch einige Zeit beisammen bleiben. Im Sommer weben sie Blätter mit einem 8 bis 10 Zentimeter großen, weißen, filzartigen Gespinst zusammen. Selbst nach dem frühjährlichen Schlüpfen kommen die Tiere immer wieder nach dem Fressen zu diesem Gespinst. Beim Fressen sondert diese Art Spinnfäden ab.<br />
<br />
Die Raupen sind etwa 35 bis 40 Millimeter lang, grauschwarz gefärbt, mit einer rot-weißen Zeichnung versehen und besitzen eine lange Behaarung. Sie ernähren sich meist von Laubhölzern wie [[Eichen]], [[Vogel-Kirsche|Kirsch-]], [[Pflaumenbaum|Pflaumen-]], [[Äpfel|Apfel-]] und [[Birnen|Birn]]bäumen.<br />
<br />
Die Raupen überwintern gesellig in einem Winternest.<br />
<br />
== Flugzeiten ==<br />
Die Tiere fliegen von Ende Juni bis Anfang August. <br />
<br />
== Schadwirkung ==<br />
Die Art bevorzugt Bäume und Sträucher in der offenen Landschaft, [[Allee]]bäume, [[Solitärpflanze|Solitärbäume]] sowie Obstbäume in Gärten und [[Streuobstwiese]]n. Oftmals kommt es zum Kahlfraß, so dass der Goldafter als [[Schädling]] angesehen wird. Eine Bekämpfung ist möglich durch das Abtrennen der Überwinterungsgespinste nach dem Laubfall oder Besprühen der Blätter mit ''Bazillus thuringiensis''-Präparaten oder ''Neem''-Präparaten im Jungraupenstadium, bevor die Gespinste dicht gesponnen werden.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Günter Ebert (Hrsg.): ''Die Schmetterlinge Baden Württembergs'' Band 4, Nachtfalter II (Bombycidae, Endromidae, Lemoniidae, Saturniidae, Sphingidae, Drepanidae, Notodontidae, Dilobidae, Lymantriidae, Ctenuchidae, Nolidae). Ulmer Verlag Stuttgart 1994. ISBN 3-8001-3474-8<br />
* Karl Cleve: "Der Goldafter (Euproctis chrysorrhoea L.) als Sanddornschädling", Jahresbericht der Forschungsstelle für Insel- und Küstenschutz,Bd.XIII,1972.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commons|Euproctis chrysorrhoea|Goldafter (''Euproctis chrysorrhoea'')}}<br />
* [http://www.lepiforum.de/cgi-bin/lepiwiki.pl?Euproctis_Chrysorrhoea Lepiforum e. V.] Taxonomie und Fotos<br />
* [http://schmetterling-raupe.de/art/chrysorrhoea.htm www.schmetterling-raupe.de]<br />
* [http://www.leps.it/indexjs.htm?SpeciesPages/EuproChrys.htm Moths and Butterflies of Europe and North Africa] (englisch)<br />
* [http://www2.nrm.se/en/svenska_fjarilar/e/euproctis_chrysorrhoea.html Sammlung Naturhistorisches Museum Stockholm] (schwedisch)<br />
* {{FaunaEuropaea|ID=447130|WissName=Euproctis chrysorrhoea|Rang=Art}}<br />
* [http://www.waldwissen.net/wald/tiere/insekten_wirbellose/lwf_reizende_raupen/index_DE ''waldwissen.net'': "Reizende" Raupen]<br />
<br />
[[Kategorie:Trägspinner]]<br />
[[Kategorie:Forstschädling]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hawking-Strahlung&diff=142580301Hawking-Strahlung2015-05-28T23:14:13Z<p>Xjs: /* Schlussfolgerungen und Ausblick */ kosmetische Änderung</p>
<hr />
<div>Die '''Hawking-Strahlung''' ist eine von dem britischen Physiker [[Stephen Hawking]] 1975 [[Axiom|postulierte]] Strahlung [[Schwarzes Loch|Schwarzer Löcher]]. Sie wird aus Konzepten der [[Quantenfeldtheorie]] und der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Allgemeinen Relativitätstheorie]] abgeleitet.<ref name="pcbbh">[http://www.itp.uni-hannover.de/~giulini/papers/BlackHoleSeminar/Hawking_CMP_1975.pdf Stephen W. Hawking, Particle creation by black holes, Commun. Math. Phys. 43 (1975), 199–220] (PDF; 1,8&nbsp;MB)</ref><br />
<br />
Die Hawking-Strahlung ist auch für die aktuelle Forschung von Interesse, weil sie als potentielles Testfeld für eine Theorie der [[Quantengravitation]] dienen könnte.<br />
<br />
Heuristische Überlegungen führten [[Jacob Bekenstein|J. D. Bekenstein]] bereits 1973 zu der Hypothese, dass die Oberfläche des [[Ereignishorizont]]es ein Maß für die [[Entropie (Thermodynamik)|Entropie]] eines Schwarzen Loches sein könnte ([[Bekenstein-Hawking-Entropie]]). Dann müsste nach der Thermodynamik einem Schwarzen Loch aber auch eine endliche Temperatur zugeordnet werden können und es müsste im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung stehen. Das ergab ein Paradoxon, da man damals eigentlich davon ausging, dass keine Strahlung aus Schwarzen Löchern entkommen könne. Hawking stellte quantenmechanische Berechnungen an und fand zu seiner eigenen Überraschung, dass doch eine thermische Strahlung vorhanden war. <br />
<br />
Ähnliche Phänomene wie in der Hawking-Strahlung treten in der Kosmologie auf ([[Gibbons-Hawking-Effekt]]) und bei beschleunigten Bezugssystemen ([[Unruh-Effekt]]).<br />
<br />
== Anschauliche Interpretation ==<br />
Hawking hat in seiner Veröffentlichung im Jahre 1975<ref name="pcbbh" /> und auch in mehreren populärwissenschaftlichen Büchern intuitive Erläuterungen geboten, die gemäß eigener Aussage allerdings nicht allzu wörtlich zu nehmen sind: <ref name="HistoryOfTime">Stephen Hawking: ''Eine kurze Geschichte der Zeit'', S. 141 f., Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2005, 25. Auflage, ISBN 3-499-60555-4</ref><ref name="UniverseInANutshell">Stephen Hawking: ''Das Universum in der Nußschale'', S. 153, Hoffmann und Campe, 2001, ISBN 3-455-09345-0</ref><br />
<br />
Im Gegensatz zur [[Klassische Physik|klassischen Physik]] ist in der [[Quantenelektrodynamik]] (und anderen [[Quantenfeldtheorie]]n) das [[Vakuum]] kein „leeres Nichts“, sondern erlaubt vielmehr [[Vakuumfluktuation]]en. Vakuumfluktuationen bestehen aus [[Virtuelles Teilchen|virtuellen]] Teilchen-[[Antiteilchen]]-Paaren. Solche Paare können sowohl massebehaftete als auch masselose Teilchen wie [[Photon]]en sein. Derartige Vakuumfluktuationen existieren auch in der unmittelbaren Nähe des Ereignishorizontes Schwarzer Löcher. Fällt ein Teilchen (oder Antiteilchen) in das Schwarze Loch, so werden die beiden Partner durch den Ereignishorizont getrennt. Der in das Schwarze Loch fallende Partner trägt negative Energie, während der zweite Partner, der als reales Teilchen (oder Antiteilchen) in den freien Raum entkommt, positive Energie trägt. „Nach der Einsteinschen Gleichung E=mc² ist die Energie der Masse proportional. Fließt negative Energie in das Schwarze Loch, verringert sich infolgedessen seine Masse“.<br />
<br />
An anderer Stelle<ref>Stephen Hawking, The Quantum Mechanics of Black Holes, Scientific American, Januar 1977</ref> benutzt Hawking eine andere Interpretation von Teilchen-Antiteilchen-Paaren, um die Hawking-Strahlung zu veranschaulichen: da ein Antiteilchen auch als Teilchen aufgefasst werden kann, das rückwärts in der Zeit läuft, könnte man ein in das Schwarze Loch fallendes Antiteilchen als Teilchen interpretieren, das aus dem Schwarzen Loch kommt und am Ereignishorizont durch das Gravitationsfeld als Teilchen in die Zeit-Vorwärtsrichtung gestreut wird.<br />
<br />
Diejenigen Teilchen, die dem Schwarzen Loch entkommen, bilden die Hawking-Strahlung. Sie ist thermischer Natur in der Art von [[Schwarzkörperstrahlung]] und mit einer bestimmten Temperatur verbunden, der sogenannten Hawking-Temperatur, die sich umgekehrt proportional zur Masse des Schwarzen Lochs verhält.<br />
<br />
Da die Vakuumfluktuationen durch eine starke Krümmung der Raumzeit begünstigt werden, ist dieser Effekt besonders bei Schwarzen Löchern geringer Masse bedeutsam. Schwarze Löcher geringer Masse sind von geringer Ausdehnung, d.h. haben einen kleineren [[Schwarzschildradius]]. Die den Ereignishorizont umgebende Raumzeit ist entsprechend stärker gekrümmt. Je größer und damit massereicher ein Schwarzes Loch ist, desto weniger strahlt es also. Je kleiner ein Schwarzes Loch ist, umso höher ist seine Temperatur und aufgrund stärkerer Hawking-Strahlung verdampft es umso schneller.<br />
<br />
Große Schwarze Löcher, wie sie aus [[Supernova]]e entstehen, haben eine so geringe Strahlung (überwiegend [[Photon]]en), dass diese im Universum nicht nachweisbar ist. Kleine Schwarze Löcher haben dagegen nach dieser Theorie eine deutliche Wärmestrahlung, was dazu führt, dass ihre Masse rasch abnimmt. So hat ein Schwarzes Loch der Masse 10<sup>12</sup> Kilogramm – der Masse eines Berges – eine Temperatur von etwa 10<sup>11</sup> Kelvin, so dass neben Photonen auch massebehaftete Teilchen wie [[Elektron]]en und [[Positron]]en emittiert werden. Dadurch steigt die Strahlung weiter an, sodass so ein kleines Schwarzes Loch in relativ kurzer Zeit völlig zerstrahlt (verdampft). Sinkt die Masse unter 1000 Tonnen, so explodiert das Schwarze Loch mit der Energie mehrerer Millionen Mega-, bzw. Teratonnen [[TNT-Äquivalent]].<ref>[http://www.nature.com/nature/journal/v248/n5443/abs/248030a0.html Hawking, Black hole explosions?], Letters to Nature, Band 248, 1. März 1974, S. 30-31</ref> Die Lebensdauer eines Schwarzen Loches ist proportional zur dritten Potenz seiner ursprünglichen Masse und beträgt bei einem Schwarzen Loch mit der Masse unserer Sonne ungefähr 10<sup>64</sup> Jahre. Sie liegt damit jenseits sämtlicher Beobachtungsgrenzen.<br />
<br />
== Hawking-Temperatur ==<br />
<br />
Hawking fand eine Formel für die Entropie S und Strahlungstemperatur T eines Schwarzen Lochs, die auch als Hawking-Temperatur ''T''<sub>H</sub> bezeichnet wird und gegeben ist durch:<br />
<br />
<dl><br />
<dd><math>T_\mathrm{H} = \frac{\hbar\ c^3}{8\pi\,G\,M k_\mathrm{B}}</math></dd><br />
</dl><br />
<br />
wobei ''ħ'' das [[Reduziertes plancksches Wirkungsquantum|reduzierte plancksche Wirkungsquantum]], ''c'' die [[Lichtgeschwindigkeit]], ''G'' die [[Gravitationskonstante]], ''M'' die [[Masse (Physik)|Masse]] des Schwarzen Lochs und ''k''<sub>B</sub> die [[Boltzmannkonstante]] ist. Häufig wird die Temperatur und Entropie in der Gravitationsphysik auch so angegeben, dass die Boltzmannkonstante weggelassen wird.<br />
<br />
Die Ableitung der Formel für die Temperatur erfolgte in der ursprünglichen Arbeit von Hawking in [[Semiklassische Näherung|Semiklassischer Näherung]]. Da ein Teil der erzeugten Strahlung durch das Gravitationsfeld in das Schwarze Loch zurückgestreut wird, sind Schwarze Löcher eher als „graue Strahler“ zu verstehen mit einer gegenüber dem Modell des schwarzen Körpers verminderten Strahlungsintensität. Die Näherungen bei der Herleitung gelten nur für Schwarze Löcher mit großer Masse, da angenommen wurde, dass die Krümmung des Ereignishorizontes vernachlässigbar klein ist, so dass „gewöhnliche“ Quantenmechanik in der Hintergrund-Raumzeit (im Fall des Schwarzen Lochs die [[Schwarzschild-Metrik]] oder deren Verallgemeinerungen) betrieben werden kann. Für [[Schwarzes Mini-Loch|sehr kleine Schwarze Löcher]] sollte die Intensitätsverteilung deutlich von der eines schwarzen Strahlers abweichen, weil in diesem Fall die quantenmechanischen Effekte so bestimmend werden, dass die semiklassische Näherung nicht mehr gilt.<br />
<br />
Aus der von Hawking gefundenen Formel für die Temperatur ergab sich über <math>d E = T d S</math> (mit <math> E = M c^2</math>) eine Formel für die Entropie, die bis auf Vorfaktoren mit der von Bekenstein mit heuristischen Argumenten abgeleiteten Formel übereinstimmte.<br />
<br />
== Abschätzungen ==<br />
Von der Größenordnung her lässt sich die Hawking-Temperatur folgendermaßen herleiten<ref>Roman Sexl, Hannelore Sexl: Weiße Zwerge – Schwarze Löcher, Vieweg 1979, S. 83</ref>: Das [[Wiensches Verschiebungsgesetz|Wiensche Verschiebungsgesetz]] ergibt ein Maximum der Schwarzkörperstrahlung bei Wellenlängen <math>\lambda \approx \frac {\hbar c}{k_B T}</math>. Bei Schwarzen Löchern kommt als Längeneinheit nur der [[Schwarzschildradius]] <math>r_\mathrm{S} = \frac{2 G M}{c^2} </math> in Betracht, so dass <math>\lambda \approx r_\mathrm{S}\approx \frac{G M}{c^2} </math> und sich die Temperatur (in Kelvin) ergibt:<br />
<br />
:<math>T \approx \frac {\hbar c^3}{k_B G M} \approx 10^{-6} \frac {M_{\odot}}{M}</math><br />
<br />
mit der Sonnenmasse <math>M_{\odot}</math>.<br />
<br />
Auf ähnliche Weise lässt sich die Strahlungsleistung nach dem [[Stefan-Boltzmann-Gesetz]] abschätzen:<br />
<br />
<math>P \approx c \frac {{(k_B T)}^4}{{{(\hbar c)}}^3} A \approx c \frac {\hbar c}{{r_S}^4} {r_S}^2 \approx \frac {\hbar c^6}{G^2 M^2}</math><br />
<br />
mit der Fläche <math>A \approx 4 \pi {r_S}^2</math>, dem Schwarzschildradius <math> r_S \approx \frac {G M}{c^2}</math> und der oben abgeschätzten Temperatur <math>k_B T \approx \frac{\hbar c}{r_S}</math>. In MKS-Einheiten ergibt sich: <math> P \approx 10^{38} M^{-2}</math> Watt<br />
<br />
Die Lebensdauer <math>\tau</math> ergibt sich der Größenordnung nach aus <math> P \tau \approx M c^2</math> zu:<br />
:<math>\tau \approx \frac {G^2 M^3}{\hbar c^4}</math><br />
<br />
Oder bei Angabe mit MKS-Einheiten: <br />
<br />
:<math>\tau \approx 10^{-20} M^3</math> Sekunden <br />
<br />
oder <math> \tau \approx 10^{64} \cdot \left(\frac {M}{M_{\odot}} \right)^3</math> Jahre<br />
<br />
== Erläuterungen zu Hawkings Originalarbeit ==<br />
<br />
=== Vorbemerkungen ===<br />
Seit Hawkings Veröffentlichung 1975 <ref name="pcbbh" /> wurde eine Reihe unterschiedlicher Methoden zur Herleitung der thermischen Strahlung Schwarzer Löcher entwickelt, die auf verschiedenen Wegen seine ursprünglichen Ergebnisse bestätigen und ergänzen.<ref>[http://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.13.2188 J.B. Hartle, S.W. Hawking, "Path-integral derivation of black-hole radiance", Phys. Rev. D 13, (1976), S. 2188]</ref><ref name="wald">[http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF01609863 R.M. Wald, "On particle creation by black holes", Comm. Math. Phys. 1975, Volume 45, Issue 1, S. 9-34]</ref><br />
<br />
Hawking verwendete aus Gründen der Einfachheit in seiner Originalarbeit ein masseloses Skalarfeld. Die Ergebnisse können jedoch auf andere Teilchen wie beispielsweise Photonen und allgemeiner auch auf masselose [[Fermion]]en erweitert werden. Die Hawking-Strahlung enthält prinzipiell auch massebehaftete Teilchen, allerdings ist deren Beitrag im Vergleich zu masselosen Teilchen um viele Größenordnungen unterdrückt.<br />
<br />
Entgegen den oben dargestellten, bildhaften Veranschaulichungen verwendete S. Hawking in den ersten zwei Arbeiten aus dem Jahr 1974 und 1975 keine quantenmechanische Störungstheorie, wie der Begriff der „virtuellen Teilchen“ suggerieren könnte. Wäre dies der Fall, so müsste das Endergebnis von der Kopplungskonstante der betrachteten Wechselwirkung, wie z.B. der Feinstrukturkonstante bei der elektromagnetischen Wechselwirkung, abhängen. Das Ergebnis ist jedoch bereits für freie, nicht-wechselwirkende Felder gültig.<br />
<br />
Die Originalarbeit beruht jedoch auf einer Rechnung, deren wesentliche Terme hauptsächlich in der Nähe des Ereignishorizontes einen Beitrag zur Hawking-Strahlung liefern.<ref>[http://www.scholarpedia.org/article/Hawking_radiation#The_origin_of_Hawking_radiation Artikel auf www.scholarpedia.org]</ref> Die Wellenfunktion des bereits erwähnten masselosen Skalarfeldes kann zudem in zwei Anteile zerlegt werden, wobei der erste Teil in den Außenraum und der zweite Anteil in den Innenraum des Schwarzen Loches gestreut wird. Der zweite Teil ist in der fernen Zukunft kausal also vom Außenraum des Schwarzen Loches getrennt.<ref name="wald"></ref><br />
<br />
=== Erläuterungen ===<br />
Hawking arbeitet in einer [[Semiklassische Näherung | semiklassischen Näherung]], d.h. er betrachtet eine freie [[Quantenfeldtheorie]] auf einer klassischen, schwach gekrümmten Raumzeit. Relevant ist im Wesentlichen die globale Struktur der Raumzeit sowie insbesondere die Existenz eines [[Ereignishorizont]]es. <br />
<br />
Hawking setzt einen sphärisch-symmetrischen Kollaps einer Masse M voraus, d.h. er geht nicht von einer rein statischen [[Schwarzschild-Metrik]] aus. Letztere gilt jedoch aufgrund des [[Birkhoff-Theorem]] im Außenraum des Kollaps exakt. Die Details der Innenraumlösung sind für die Argumentation irrelevant. <br />
<br />
Hawking beginnt mit der kanonischen [[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]] freier Felder auf Basis einer verallgemeinerten [[Fourierentwicklung]]. Diese Fouriermoden sind dabei speziell Lösungen der [[Klein-Gordon-Gleichung]] für masselose Skalarfelder auf der Raumzeit-Geometrie. Die dabei notwendige Zerlegung der Fouriermoden nach positiven und negativen Frequenzen sowie die daraus folgende Klassifizierung von Teilchen und Antiteilchen ist aufgrund der Raumzeitgeometrie nicht eindeutig. Im Zuge der Quantisierung kann ein Beobachter mathematisch jeweils für ihn gültige [[Erzeugungs- und Vernichtungsoperator]]en, sowie einen für ihn gültigen Vakuumzustand ([[Fock-Zustand]]) definieren, in dem entsprechend seiner Klassifizierung keine Teilchen und Antiteilchen existieren. Während diese Beobachterabhängigkeit in der Minkowski-Raumzeit für die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren sowie für den Vakuumzustand letztlich irrelevant ist, führt sie bei Anwesenheit eines Ereignishorizontes zu inäquivalenten Vakuumzuständen. <br />
<br />
Mathematisch existiert eine Transformation, die sogenannte [[Bogoljubov-Transformation]], die die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren beider Beobachter ineinander überführt. Hawking fixiert zunächst einen Vakuumzustand sowie die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für die ferne Vergangenheit. In diesem Zustand verschwindet der Erwartungswert des Teilchenzahloperators (definiert für die ferne Vergangenheit). Anschließend bestimmt er die Bogoljubov-Transformation für die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für die ferne Zukunft. Dazu wird im Wesentlichen die Streuung der Fouriermoden am kollabierenden Schwarzen Loch berechnet. Der für die Hawking-Strahlung relevante Anteil stammt dabei aus der Streuung der Moden innerhalb des kollabierenden Körpers. Damit kann nun der Erwartungswert des Teilchenzahloperators (definiert für die ferne Zukunft) im ursprünglichen Vakuumzustand (definiert für die ferne Vergangenheit) berechnet werden. Es zeigt sich, dass dieser Erwartungswert nicht verschwindet! Der Beobachter in der fernen Zukunft sieht demnach nicht den für ihn gültigen Vakuumzustand, sondern einen Zustand, in dem tatsächlich Teilchen und Antiteilchen (bzgl. seiner Definition) enthalten sind. Die thermische Natur des Spektrums folgt aus der genauen Form der Bogoljubov-Transformation.<br />
<br />
Der physikalische Kern von Hawkings Argumentation lautet demnach wie folgt: Der Kollaps sowie die Anwesenheit eines Horizontes führt zu inäquivalenten Vakuumzuständen. Während in einer flachen Raumzeit die Zeitentwicklung das Vakuum invariant lässt, ist dieses in einer Raumzeit mit Schwarzen Loch einem „Streuprozess“ unterworfen ist, der das initiale Vakuum in einen thermischen Zustand überführt.<br />
<br />
=== Details ===<br />
Hawking betrachtet die freie Klein-Gordon-Gleichung <br />
<br />
:<math>-g^{ab}\nabla_a\nabla_b \phi = 0 </math><br />
<br />
eines masselosen Skalarfeldes.<br />
<br />
Er führt nun die beiden Hyperflächen <math>\mathcal{I}^-</math> und <math>\mathcal{I}^+</math> ein, welche den Außenraum des Schwarzen Loches in der fernen, asymptotischen Vergangenheit (-) und der fernen Zukunft (+) darstellen. Auf diesen Hyperflächen gibt es vollständige Funktionensysteme <math>f_i </math> und <math>p_i</math>, mittels derer der Feldoperator <math>\phi</math> als Fouriersumme von Erzeugern und Vernichtern dargestellt werden kann:<br />
<br />
:<math>\phi = \sum_i[f_i a_i + \bar{f}_i a^\dagger_i] </math><br />
<br />
:<math>\phi = \sum_i[p_i b_i + \bar{p}_i b^\dagger_i] + \ldots</math><br />
<br />
“…” steht dabei für ein weiteres Funktionensystem auf der lichtartigen Hyperfläche des Ereignishorizontes. Das ist zwar prinzipiell notwendig, um ein eindeutig lösbares Anfangswertproblem zu erhalten, aber für die weitere Rechnung nicht weiter wichtig.<br />
<br />
Hawking definiert dann den Vakuumzustand<br />
<br />
:<math>a_i|0_-\rangle = 0 </math><br />
<br />
bezüglich der von <math>\mathcal{I}^-</math> einlaufenden Teilchen.<br />
<br />
Der allgemeine Zusammenhang zwischen den beiden Familien von Erzeugern und Vernichtern besteht nun in der Bogoljubov-Transformation<br />
<br />
:<math>p_i = \sum_j\left[\alpha_{ij}f_j + \beta_{ij}\bar{f}_j\right]</math><br />
<br />
:<math>b_i = \sum_j\left[\bar{\alpha}_{ij}a_j - \bar{\beta}_{ij}a_j^\dagger\right]</math><br />
<br />
Hawking zeigt im Folgenden, dass die Streuung der aus <math>\mathcal{I}^-</math> einlaufenden Moden am Schwarzen Loch dazu führt, dass ein Beobachter auf <math>\mathcal{I}^+</math> dem Zustand <math>|0_-\rangle</math> einen nicht-verschwindenden Teilcheninhalt<br />
<br />
:<math>\langle 0_-|b_i^\dagger b_i |0_-\rangle = \sum_{ij}|\beta_{ij}|^2 > 0 </math><br />
<br />
zuschreibt. Die Erzeugungsrate der Teilchen folgt dabei direkt aus den Koeffizienten <math>\beta_{ij}</math> der Bogoljubov-Transformation. Diese mischen den Vernichtern auf <math>\mathcal{I}^-</math> einen Anteil von Erzeugern auf <math>\mathcal{I}^+</math> bei.<br />
<br />
Die Streuung der Moden erfolgt dabei sowohl an der äußeren Schwarzschildgeometrie als auch an der Geometrie des Innenraums des kollabierenden Sterns. Letztere ergibt einen nicht-trivialen Beitrag zu den <math>p_i</math>-Moden, die dann die spezielle Form der Bogoljubov-Koeffizienten bewirken.<br />
<br />
Der Beitrag einer Mode mit Radialfrequenz <math>\omega </math> ist dabei<br />
<br />
:<math>p_i \sim \frac{1}{e^{2\pi\omega/\kappa} -1}</math><br />
<br />
mit <math>\kappa = 1/4M</math>. D.h. es liegt thermische Strahlung mit Temperatur <math>T_H = 1 / 8\pi M</math> (in natürlichen Einheiten) entsprechend der Bose-Einstein-Statistik vor.<br />
<br />
Hawking erläutert grob, dass für Fermionen ein Verlauf<br />
<br />
:<math>p_i \sim \frac{1}{e^{2\pi\omega/\kappa} +1}</math><br />
<br />
entsprechend der Fermi-Dirac-Statistik zu erwarten ist.<br />
<br />
Der Beitrag massebehafteter Teilchen ist exponentiell unterdrückt, da in diesem Fall in der Frequenz bzw. der entsprechenden Energie die Ruhemasse entsprechend <math> \omega^2 \sim E^2 = m^2 + p^2 </math> zu berücksichtigen ist.<br />
<br />
== Schlussfolgerungen und Ausblick ==<br />
Die Vorhersage der Hawking-Strahlung beruht auf der Kombination von Effekten der Quantenmechanik und der allgemeinen Relativitätstheorie sowie der Thermodynamik. Da eine Vereinheitlichung dieser Theorien bisher nicht gelungen ist ([[Quantengravitation|Quantentheorie der Gravitation]]) sind solche Vorhersagen immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.<br />
<br />
Mit der thermischen Strahlung verliert das Schwarze Loch Energie und damit Masse. Es „schrumpft“ also mit der Zeit. Schwarze Löcher stellaren Ursprungs haben jedoch aufgrund ihrer großen Masse eine geringere Temperatur als die [[kosmische Hintergrundstrahlung]], weshalb diese Schwarzen Löcher thermische Energie aus ihrer Umgebung aufnehmen. In diesem Fall ist also kein Schrumpfen des Schwarzen Loches möglich, denn durch die Aufnahme an Strahlungsenergie nimmt die Masse dabei gemäß der einsteinschen Masse-Energie-Äquivalenzformel zu. Erst wenn die Umgebungstemperatur unter die Temperatur des Schwarzen Loches gefallen ist, verliert das Loch durch Strahlungsemission an Masse. <br />
<br />
Was am „Ende seiner Lebenszeit“ mit einem Schwarzen Loch geschieht, ist noch unklar. Zunächst ist zu erwarten, dass die in der ursprünglichen Herleitung verwendeten Näherungen der schwachen Krümmung der Raumzeit nicht mehr gültig ist. Insbesondere tritt dabei das so genannte ''[[Schwarzes Loch#Keine-Haare-Theorem und Informationsverlustparadoxon|Informationsparadoxon]]'' auf. Es besteht in der Frage, was beim „Verdampfen“ des Schwarzen Loches mit der ursprünglichen Information geschieht, die bei dessen Entstehung in das Schwarze Loch hineingestürzt ist und gemäß bestimmter [[Unitärer Operator| Forderungen aus der Quantenmechanik]] nicht verloren gehen kann.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
*[[Robert Brout]], S. Massar, R. Parentani, P. Spindel: A Primer for black hole quantum physics, Physics Reports, Band 260, 1995, S. 329. http://arxiv.org/abs/0710.4345<br />
*Stephen W. Hawking, Particle creation by black holes, Commun. Math. Phys., Band 43, 1975, S. 199–220<br />
*{{cite journal |last=Page |first=Don N. |authorlink= |coauthors= |year=1976 |month= |title=Particle emission rates from a black hole: Massless particles from an uncharged, nonrotating hole |journal=Physical Review D |volume=13 |issue=2 |pages=198–206 |doi=10.1103/PhysRevD.13.198 |url= |accessdate= |bibcode = 1976PhRvD..13..198P }} → Erste detaillierte Studie der Vorgänge bei der Verdampfung Schwarzer Löcher<br />
*[[Robert M. Wald]]: ''General Relativity'', University of Chicago Press, Chicago, 1984. <br />
*{{cite journal |last=Visser |first=Matt |authorlink= |coauthors= |year=2001 |month=01 |title=Essential and inessential features of Hawking radiation |journal= Cornell University|volume= |issue= |pages= |doi= |url=http://arxiv.org/abs/hep-th/0106111 |accessdate= |bibcode= }}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
*[http://www.scholarpedia.org/article/Hawking_radiation Parentani, Spindel: Hawking Radiation, Scholarpedia]<br />
*[http://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/hawking-strahlung/169 Andreas Müller: Hawking-Strahlung, Lexikon der Astronomie, Spektrum]<br />
<br />
== Referenzen ==<br />
<references /><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Hawkingstrahlung}}<br />
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]]<br />
[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie]]<br />
[[Kategorie:Stephen Hawking]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ulichsche_N%C3%A4herung&diff=135921934Ulichsche Näherung2014-11-17T20:30:56Z<p>Xjs: /* 2. Ulich’sche Näherung */ So sollte es eigentlich aussehen.</p>
<hr />
<div>Die '''ulichschen Näherungen''', auch '''Ulich’schen Näherungen''' geschrieben, bezeichnen in der [[Thermodynamik]] drei unterschiedliche Möglichkeiten, die Temperaturabhängigkeit der molaren, [[Isobare Zustandsänderung|isobaren]] [[Wärmekapazität|Wärmekapazitätsdifferenz]] <math>\Delta_R c_p</math> zwischen zwei chemischen Zuständen anzunähern. Diese ermöglichen eine deutlich vereinfachte Berechnung der Temperaturabhängigkeit z.&nbsp;B. der [[Reaktionsenthalpie|molaren Reaktionsenthalpie]] <math>\Delta_R H_m</math> oder der [[Entropie (Thermodynamik)|molaren Reaktionsentropie]] <math>\Delta_R S_m</math>.<br />
<br />
== Grundlagen ==<br />
Aus den [[totales Differential|totalen Differentialen]] der molaren Enthalpie und der molaren Entropie lässt sich ableiten, dass ihre isobare Temperaturänderung von der molaren, isobaren Wärmekapazität abhängt:<br />
<br />
:<math>dH = \delta Q + Vdp \Rightarrow \left( \frac{\partial H_m}{\partial T} \right ) _p = \left( \frac{\delta Q}{\partial T} \right ) _p = c_p </math><br />
<br />
:<math>dS= \frac{\delta Q}{T} \Rightarrow \left( \frac{\partial S_m}{\partial T} \right ) _p = \frac{1}{T} \left( \frac{\delta Q}{\partial T} \right ) _p = \frac{c_p}{T} </math><br />
<br />
Damit ergibt sich für die molare Standardenthalpie <math>H^0_m</math> bei der Temperatur <math>T</math>:<br />
<br />
:<math>H^0 _m (T) = H^0 _m (T_0) + \int _{T_0} ^T c_p(T') dT'</math><br />
<br />
wobei <math>H^0_m (T_0)</math> die Standardenthalpie bei 298&nbsp;K ist. Für die molare Standardentropie ergibt sich analog:<br />
<br />
:<math>S^0 _m (T) = S^0 _m (T_0) + \int _{T_0} ^T \frac{c_p(T')}{T'} dT'</math><br />
<br />
Im Falle [[chemische Reaktion|chemischer Reaktionen]] oder physikalischer Zustandsänderungen rechnet man mit der Reaktionsenthalpie <math>\Delta_R H^0 _m</math>, der Differenz der Produktenthalpien und der Eduktenthalpien.<br />
<br />
:<math>\Delta_R H_m ^0 (T) = H_m ^0 (T_0)_\text{Produkte} + \int _{T_0} ^T c_p(T')_\text{Produkte} dT' - H_m ^0 (T_0)_\text{Edukte} - \int _{T_0} ^T c_p (T')_\text{Edukte}</math><br />
<br />
:<math>=\Delta_R H_m ^0 (T_0) + \int _{T_0} ^T \Delta_R c_p (T') dT'</math><br />
<br />
Ebenso für die Entropie:<br />
<br />
:<math>\Delta_R S^0 _m (T) = \Delta_R S^0 _m (T_0) + \int _{T_0} ^T \frac{\Delta_R c_p(T')}{T'} dT'</math><br />
<br />
Da der genau Verlauf der [[Funktion_(Mathematik)|Funktion]] <math>\Delta_R c_p(T')</math> meistens unbekannt ist, nutzt man in theoretischen Berechnungen häufig die Ulich’schen Näherungen, um die [[Integralrechnung|Integrale]] zu vereinfachen.<br />
<br />
== Ulich’sche Näherungen ==<br />
=== 1. Ulich’sche Näherung ===<br />
:<math>\Delta_R c_p(T')=0</math><br />
<br />
Dies wäre der Fall, wenn Produkte und Edukte die gleiche molare Wärmekapazität hätten.<br />
Daraus folgt, dass die molare Standardreaktionsenthalpie oder -entropie temperaturabhängig, also für alle Temperaturen <math>T</math> den selben Wert hat.<br />
Damit vereinfacht sich beispielsweise der freien Reaktionsenthalpie auf:<br />
<math>\Delta_R G_m^0 = \Delta_R H_m^0 - T \Delta_R S_m^0</math><br />
<br />
=== 2. Ulich’sche Näherung ===<br />
:<math>\Delta_R c_p(T') = \alpha = \text{konst.}</math><br />
<br />
Dies ergäbe sich beispielsweise, wenn die Temperaturänderung der Edukte genau die der Produkte nivilieren würde. Im Allgemeinen ist dies allerdings nicht der Fall. Typischerweise kann man für einen bestimmten Temperaturbereich einen Mittelwert für <math>\Delta c_p</math>, wählen, sodass die Abweichungen aufgrund der Temperaturabhängigkeit klein bleiben.<br />
Das Standardreaktionsenthalpien bzw. -entropien berechnen sich dann wie folgt.<br />
<br />
:<math>\Delta_R H_m^0 (T) = \Delta_R H_m^0 (T_0) + \alpha (T-T_0)</math><br />
<br />
:<math>\Delta_R S_m^0 (T) = \Delta_R S_m^0 (T_0) + \alpha \cdot \ln\left(\frac{T}{T_0}\right)</math><br />
<br />
=== 3. Ulich’sche Näherung ===<br />
Statt wie in der 2. Näherung einen Mittelwert für einen Temperaturbereich zu wählen, unterteilt man in der dritten Näherung einen größeren Bereich in mehrere Intervalle. Für jedes legt man einen Mittelwert für <math>\Delta_R c_p</math> fest, sodass <math>\Delta_R c_p (T)</math> den Verlauf einer Stufenfunktion erhält:<br />
<br />
:<math>\Delta_R c_p (T)=\begin{cases}<br />
\alpha_1 , & \text{für }T_0 \le T < T_1\text{,}\\<br />
\alpha_1 , & \text{für }T_1 \le T < T_2\text{,}\\<br />
\alpha_2 , & \text{für }T_2 \le T < T_3\text{,}\\<br />
<br />
\ldots\end{cases}</math><br />
<br />
Das Integral zur Berechnung der Standardreaktionsenthalpien bzw. -entropien lässt sich dann in mehrere Integrale über die einzelnen Teilintervalle zerlegen, die man voneinander gesondert ausrechnen kann.<br />
<br />
:<math>\Delta_R H_m^0 (T) = \Delta_R H_m^0 (T_0) + \int ^{T_1} _{T_0} \alpha_1 dT' + \int ^{T_2} _{T_1} \alpha_2 dT' + \int ^{T_3} _{T_2} \alpha_3 dT' + \dots</math><br />
<br />
:<math>\Delta_R S_m^0 (T) = \Delta_R S_m^0 (T_0) + \int ^{T_1} _{T_0} \frac{\alpha_1}{T'} dT' + \int ^{T_2} _{T_1} \frac{\alpha_2}{T'} dT' + \int ^{T_3} _{T_2} \frac{\alpha_3}{T'} dT' + \ldots</math><br />
<br />
== Anwendung ==<br />
Allgemein lässt sich über die Standardreaktionsenthalpie <math>\Delta_R H_m^0 (T)</math> und Standardreaktionsentropie <math>\Delta_R S_m^0 (T)</math> auch die [[Gibbs-Energie|freie Standardreaktionsenthalpie]] <br />
<br />
:<math>\Delta_R G_m^0 (T) = \Delta_R H_m^0 (T) - T \cdot \Delta_R S_m^0 (T)</math><br />
<br />
bestimmen. In diesem Zusammenhang werden die Ulich’schen Näherungen beispielsweise bei Aussagen über die Temperaturabhängigkeit der [[Gleichgewichtskonstante]] [[Chemisches Gleichgewicht|chemischer Gleichgewichte]] angewendet.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: ''Lehrbuch der Physikalischen Chemie Sechste, vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage''. Wiley-VCH, Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-32909-0, S. 432–433.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.spektrum.de/lexikon/chemie/ulichsche-naeherungen/9587 ''Ulichsche Näherungen.''] In: ''Lexikon der Chemie.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998.<br />
<br />
[[Kategorie:Thermodynamik]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pop-Tart&diff=134635010Pop-Tart2014-10-05T22:58:31Z<p>Xjs: /* Zusammensetzung und Varianten */</p>
<hr />
<div>[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Mixed Box.jpg|miniatur|right|Eine Packung ''Pop-Tarts'', wie sie im Geschäft zu finden ist.]]<br />
'''Pop-Tart''' bezeichnet eine Art [[Gebäck]] [[USA|US-amerikanischen]] Ursprungs, welches von der Firma [[Kellogg’s]] vermarktet wird. Der Pop-Tart ist ein süßes Teiggebäck und wird meist im Toaster aufgebacken.<br />
<br />
== Entstehung und Vermarktung ==<br />
<br />
Ihren Ursprung hatten Pop-Tarts in den 1960ern beim Hersteller Post Cereals als Ergänzung zu den damals erhältlichen Frühstückscerealien. 1963 wurden sie der breiten Öffentlichkeit unter dem Namen ''Country Squares'' erstmals vorgestellt.<br />
<br />
Die Firma Kellogg’s, als großer Konkurrent von Post Cereals, brachte nur sechs Monate nach diesem Erfolg ein eigenes Produkt auf den Markt. Der Name wurde in Anlehnung an die [[Pop Art]] von [[Andy Warhol]] gewählt, eine in der damaligen Zeit sehr populäre Kunstrichtung. Die „Pop-Tarts“ (zu deutsch etwa „Pop-Törtchen“) waren geboren. ''Pop out'' bedeutet zudem „Herausspringen“, in Anspielung an das Herausspringen aus dem Toaster.<br />
<br />
1967 wurden erstmals Pop-Tarts mit Zuckerglasur auf den Markt gebracht, nachdem festgestellt wurde, dass diese beim Toastvorgang nicht zerstört wurde. In den 1990ern begann der Verkauf in Großbritannien, wenngleich auch mit deutlich geringerem Erfolg als in den Staaten.<br />
<br />
Kellogg’s verkauft die Pop-Tarts bis zum heutigen Tag in den USA mit großem Erfolg, laut eigener Informationen über zwei Milliarden Stück jedes Jahr. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://newsroom.kelloggcompany.com/index.php?s=27529&item=76138<br />
| titel=Kellogg Launches New Pop-Tarts Yogurt Blasts<br />
| datum=2003-05-20<br />
| hrsg=[[Kellogg’s]]<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> Man kann sie jedoch auch noch in Kanada, Großbritannien und Irland erwerben. Der Vertrieb in Australien wird seit 2005 nicht mehr fortgesetzt, sie sind jedoch als Importware weiterhin dort erhältlich. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://www.bbc.co.uk/dna/h2g2/A19442234<br />
| titel=Pop-Tarts<br />
| datum=2007-03-06<br />
| autor=Not Panicking Ltd<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> In Deutschland sind Pop-Tarts ebenfalls als Import sowie in einigen wenigen Supermärkten erhältlich, darunter bei manchen Filialen von [[real,-]]<!--gesehen in München im August 2013-->.<br />
<br />
== Zusammensetzung und Varianten ==<br />
[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Brown Sugar Cinnamon.jpg|miniatur|right|Zwei Zimt-Pop-Tarts.]]<br />
[[Datei:Pop-Tarts Frosted Strawberry.jpg|miniatur|right|Pop-Tarts mit Zuckerguss und Erdbeergeschmack.]]<br />
<br />
Ein Pop-Tart bildet eine Tasche aus zwei Schichten Teig mit einer süßen Füllmasse (etwa Marmelade) in der Mitte. Oftmals wird das Gebäck noch mit einem Überzug aus [[Zuckerguss]] versehen.<br />
Zwar können sie auch kalt verspeist werden, typischerweise jedoch werden Pop-Tarts im Toaster aufgebacken und warm verzehrt. Im verpackten Zustand können sie ohne zusätzliche Kühlung aufbewahrt werden.<br />
<br />
Aufgrund der Nachfrage wurden im Laufe der Zeit verschiedenste Geschmacksrichtungen und Variationen des Gebäcks entwickelt; die beliebtesten stellen etwa Schokolade, Apfel, glasierte Erdbeere, glasiert mit braunem Zucker und Zimt, Kirsche und S’mores (Schokolade-Marshmallow-Cracker) dar.<br />
Insgesamt gibt es 27 verschiedene Geschmacksrichtungen.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commons|Pop-Tarts|Pop-Tarts}}<br />
* [http://www.poptarts.com/ Offizielle Website]<br />
<br />
== Einzelnachweise== <br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Gebäck]]<br />
[[Kategorie:Markenname (Lebensmittel)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pop-Tart&diff=134634964Pop-Tart2014-10-05T22:56:25Z<p>Xjs: /* Entstehung und Vermarktung */ Zeichensetzung.</p>
<hr />
<div>[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Mixed Box.jpg|miniatur|right|Eine Packung ''Pop-Tarts'', wie sie im Geschäft zu finden ist.]]<br />
'''Pop-Tart''' bezeichnet eine Art [[Gebäck]] [[USA|US-amerikanischen]] Ursprungs, welches von der Firma [[Kellogg’s]] vermarktet wird. Der Pop-Tart ist ein süßes Teiggebäck und wird meist im Toaster aufgebacken.<br />
<br />
== Entstehung und Vermarktung ==<br />
<br />
Ihren Ursprung hatten Pop-Tarts in den 1960ern beim Hersteller Post Cereals als Ergänzung zu den damals erhältlichen Frühstückscerealien. 1963 wurden sie der breiten Öffentlichkeit unter dem Namen ''Country Squares'' erstmals vorgestellt.<br />
<br />
Die Firma Kellogg’s, als großer Konkurrent von Post Cereals, brachte nur sechs Monate nach diesem Erfolg ein eigenes Produkt auf den Markt. Der Name wurde in Anlehnung an die [[Pop Art]] von [[Andy Warhol]] gewählt, eine in der damaligen Zeit sehr populäre Kunstrichtung. Die „Pop-Tarts“ (zu deutsch etwa „Pop-Törtchen“) waren geboren. ''Pop out'' bedeutet zudem „Herausspringen“, in Anspielung an das Herausspringen aus dem Toaster.<br />
<br />
1967 wurden erstmals Pop-Tarts mit Zuckerglasur auf den Markt gebracht, nachdem festgestellt wurde, dass diese beim Toastvorgang nicht zerstört wurde. In den 1990ern begann der Verkauf in Großbritannien, wenngleich auch mit deutlich geringerem Erfolg als in den Staaten.<br />
<br />
Kellogg’s verkauft die Pop-Tarts bis zum heutigen Tag in den USA mit großem Erfolg, laut eigener Informationen über zwei Milliarden Stück jedes Jahr. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://newsroom.kelloggcompany.com/index.php?s=27529&item=76138<br />
| titel=Kellogg Launches New Pop-Tarts Yogurt Blasts<br />
| datum=2003-05-20<br />
| hrsg=[[Kellogg’s]]<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> Man kann sie jedoch auch noch in Kanada, Großbritannien und Irland erwerben. Der Vertrieb in Australien wird seit 2005 nicht mehr fortgesetzt, sie sind jedoch als Importware weiterhin dort erhältlich. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://www.bbc.co.uk/dna/h2g2/A19442234<br />
| titel=Pop-Tarts<br />
| datum=2007-03-06<br />
| autor=Not Panicking Ltd<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> In Deutschland sind Pop-Tarts ebenfalls als Import sowie in einigen wenigen Supermärkten erhältlich, darunter bei manchen Filialen von [[real,-]]<!--gesehen in München im August 2013-->.<br />
<br />
== Zusammensetzung und Varianten ==<br />
[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Brown Sugar Cinnamon.jpg|miniatur|right|Zwei Zimt-Pop-Tarts.]]<br />
[[Datei:Pop-Tarts Frosted Strawberry.jpg|miniatur|right|Hier die Variante mit Erdbeere.]]<br />
<br />
Ein Pop-Tart bildet eine Tasche aus zwei Schichten Teig mit einer süßen Füllmasse (etwa Marmelade) in der Mitte. Oftmals wird das Gebäck noch mit einem Überzug aus [[Zuckerguss]] versehen.<br />
Man kann sie zwar auch kalt essen, jedoch werden Pop-Tarts traditionell im Toaster aufgebacken und warm verzehrt. Im verpackten Zustand können sie ohne zusätzliche Kühlung aufbewahrt werden.<br />
<br />
Aufgrund der Nachfrage wurden im Laufe der Zeit verschiedenste Geschmacksrichtungen und Variationen des Gebäcks entwickelt; die beliebtesten stellen etwa Schokolade, Apfel, glasierte Erdbeere, glasiert mit braunem Zucker und Zimt, Kirsche und S’mores (Schokolade-Marshmallow-Cracker) dar.<br />
Es existieren 27 verschiedene Geschmacksrichtungen.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commons|Pop-Tarts|Pop-Tarts}}<br />
* [http://www.poptarts.com/ Offizielle Website]<br />
<br />
== Einzelnachweise== <br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Gebäck]]<br />
[[Kategorie:Markenname (Lebensmittel)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pop-Tart&diff=134634953Pop-Tart2014-10-05T22:56:01Z<p>Xjs: /* Entstehung und Vermarktung */ Formulierung.</p>
<hr />
<div>[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Mixed Box.jpg|miniatur|right|Eine Packung ''Pop-Tarts'', wie sie im Geschäft zu finden ist.]]<br />
'''Pop-Tart''' bezeichnet eine Art [[Gebäck]] [[USA|US-amerikanischen]] Ursprungs, welches von der Firma [[Kellogg’s]] vermarktet wird. Der Pop-Tart ist ein süßes Teiggebäck und wird meist im Toaster aufgebacken.<br />
<br />
== Entstehung und Vermarktung ==<br />
<br />
Ihren Ursprung hatten Pop-Tarts in den 1960ern beim Hersteller Post Cereals als Ergänzung zu den damals erhältlichen Frühstückscerealien. 1963 wurden sie der breiten Öffentlichkeit unter dem Namen ''Country Squares'' erstmals vorgestellt.<br />
<br />
Die Firma Kellogg’s, als großer Konkurrent von Post Cereals, brachte nur sechs Monate nach diesem Erfolg ein eigenes Produkt auf den Markt. Der Name wurde in Anlehnung an die [[Pop Art]] von [[Andy Warhol]] gewählt, eine in der damaligen Zeit sehr populäre Kunstrichtung. Die „Pop-Tarts“ (zu deutsch etwa „Pop-Törtchen“) waren geboren. ''Pop out'' bedeutet zudem „Herausspringen“, in Anspielung an das Herausspringen aus dem Toaster.)<br />
<br />
1967 wurden erstmals Pop-Tarts mit Zuckerglasur auf den Markt gebracht, nachdem festgestellt wurde, dass diese beim Toastvorgang nicht zerstört wurde. In den 1990ern begann der Verkauf in Großbritannien, wenngleich auch mit deutlich geringerem Erfolg als in den Staaten.<br />
<br />
Kellogg’s verkauft die Pop-Tarts bis zum heutigen Tag in den USA mit großem Erfolg, laut eigener Informationen über zwei Milliarden Stück jedes Jahr. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://newsroom.kelloggcompany.com/index.php?s=27529&item=76138<br />
| titel=Kellogg Launches New Pop-Tarts Yogurt Blasts<br />
| datum=2003-05-20<br />
| hrsg=[[Kellogg’s]]<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> Man kann sie jedoch auch noch in Kanada, Großbritannien und Irland erwerben. Der Vertrieb in Australien wird seit 2005 nicht mehr fortgesetzt, sie sind jedoch als Importware weiterhin dort erhältlich. <ref>{{internetquelle<br />
| url=http://www.bbc.co.uk/dna/h2g2/A19442234<br />
| titel=Pop-Tarts<br />
| datum=2007-03-06<br />
| autor=Not Panicking Ltd<br />
| zugriff=2014-05-17}}</ref> In Deutschland sind Pop-Tarts ebenfalls als Import sowie in einigen wenigen Supermärkten erhältlich, darunter bei manchen Filialen von [[real,-]]<!--gesehen in München im August 2013-->.<br />
<br />
== Zusammensetzung und Varianten ==<br />
[[Datei:SCEhardt Pop-Tart Brown Sugar Cinnamon.jpg|miniatur|right|Zwei Zimt-Pop-Tarts.]]<br />
[[Datei:Pop-Tarts Frosted Strawberry.jpg|miniatur|right|Hier die Variante mit Erdbeere.]]<br />
<br />
Ein Pop-Tart bildet eine Tasche aus zwei Schichten Teig mit einer süßen Füllmasse (etwa Marmelade) in der Mitte. Oftmals wird das Gebäck noch mit einem Überzug aus [[Zuckerguss]] versehen.<br />
Man kann sie zwar auch kalt essen, jedoch werden Pop-Tarts traditionell im Toaster aufgebacken und warm verzehrt. Im verpackten Zustand können sie ohne zusätzliche Kühlung aufbewahrt werden.<br />
<br />
Aufgrund der Nachfrage wurden im Laufe der Zeit verschiedenste Geschmacksrichtungen und Variationen des Gebäcks entwickelt; die beliebtesten stellen etwa Schokolade, Apfel, glasierte Erdbeere, glasiert mit braunem Zucker und Zimt, Kirsche und S’mores (Schokolade-Marshmallow-Cracker) dar.<br />
Es existieren 27 verschiedene Geschmacksrichtungen.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commons|Pop-Tarts|Pop-Tarts}}<br />
* [http://www.poptarts.com/ Offizielle Website]<br />
<br />
== Einzelnachweise== <br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Gebäck]]<br />
[[Kategorie:Markenname (Lebensmittel)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Reziprokes_Gitter&diff=124947968Reziprokes Gitter2013-11-28T22:12:55Z<p>Xjs: /* Bragg Gleichung */ DEPPENLEERZEICHEN ENTFERNT</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|befasst sich mit dem Gitter im naturwissenschaftlichen Sinne, andere Bedeutungen unter [[Gitter (Begriffsklärung)]]}}<br />
Das '''reziproke Gitter''' ist eine Konstruktion der [[Kristallographie]] zur Beschreibung der Beugung an Kristallen, z. B. in der [[Laue-Bedingung]]. Es wird in der Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeugung verwendet. <br />
Dieses Konzept wurde – mit einer leicht veränderten Definition – in der [[Festkörperphysik]] zum reziproken Raum erweitert. Dort wird es bei der quantenmechanischen Beschreibung von physikalischen Vorgängen in einem Kristall durch [[Quasiteilchen]] eingesetzt.<br />
<br />
== Definition ==<br />
Ein 3-dimensionales [[Kristallstruktur#Gitter | Punktgitter]] wird durch drei Basisvektoren <math> \vec {a_1}</math>, <math> \vec {a_2}</math> und <math> \vec {a_3}</math> beschrieben. Dieses Gitter wird auch reales oder direktes Gitter genannt. Die Basisvektoren des zu diesem Gitter reziproken Gitters <math> \vec {b_1}</math>, <math> \vec {b_2}</math> und <math> \vec {b_3}</math> ergeben sich aus den Gleichungen:<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
! Kristallographie !! Festkörperphysik<br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_1=\frac{ \mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|| <math>\mathbf{b}_1= 2\pi \,\frac{\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_2=\frac{\mathbf{a}_3 \times \mathbf{a}_1}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
||<math>\mathbf{b}_2=2\pi \,\frac{\mathbf{a}_3 \times \mathbf{a}_1}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_3=\frac{ \mathbf{a}_1 \times \mathbf{a}_2}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
||<math>\mathbf{b}_3=2\pi \,\frac{ \mathbf{a}_1 \times \mathbf{a}_2}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|}<br />
Hierbei ist <math>\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)</math> das Volumen der [[Elementarzelle]].<br />
Damit gilt für die kristallographische Definition allgemein: <math> \vec {a_i} \cdot \vec{b_j} = \delta_{ij} </math><br />
<br />
Trägt man die Basisvektoren des realen Gittes (in kartesischen Koordinaten) in die Spalten einer Matrix <math>A</math> ein, so lässt sich durch [[Matrix_(Mathematik)#Die_transponierte_Matrix|Transposition]] und [[Matrix_(Mathematik)#Inverse_Matrix|Inversion]] eine Matrix <math>B</math> berechnen, die als Spalten die Basisvektoren des reziproken Gitters enthält.<ref>{{Literatur | Autor=Rudolf Gross, Achim Marx | Titel=Festkörperphysik | Auflage=1. | Verlag=Oldenburg Verlag | Ort=München | Jahr=2012 | ISBN=9783486712940 | Seiten=61–62}}</ref> In kristallographischer Definition (ohne Faktor <math>2\pi</math>):<br />
<br />
<math> B=(A^T)^{-1}</math><br />
<br />
Der Unterschied zwischen beiden Definitionen hat seine Ursache in der unterschiedlichen Darstellung des Streuvorgangs. In der Kristallographie wird die einfallende bzw. gestreute Welle in der Regel durch Einheitsvektoren <math> \vec {s_0} </math> bzw. <math> \vec {s_s} </math> beschrieben. In einigen Fällen wird auch die Definition <math> \vec k = \frac{\vec s}{\lambda} </math> verwendet, wobei λ die Wellenlänge der verwendeten Strahlung ist. In der Festkörperphysik werden zur Beschreibung von Wellen generell die Wellenvektoren <math> \vec k = \frac{2 \pi \vec s}{\lambda} </math> verwendet.<br />
Im Folgenden wird die kristallographische Definition benutzt.<br />
<br />
== Eigenschaften der Basisvektoren ==<br />
* Ein Basisvektor '''b<sub>i</sub>''' des reziproken Gitters steht senkrecht auf den beiden anderen Vektoren des realen Gitters. Seine Länge hängt von den Winkeln zwischen den Basisvektoren '''a''' ab. Stehen alle Basisvektoren senkrecht aufeinander (kubische, tetragonale und orthorhombische Gitter), beträgt seine Länge 1/a<sub>i</sub>.<br />
* Die Koordinaten eines Punktes des reziproken Gitters werden in der Regel mit (h,k,l) bezeichnet.<br />
* Das zu einem reziproken Gitter reziproke Gitter ist wieder das entsprechende reale Gitter.<br />
* Das reziproke Gitter eines Bravais-Gitters gehört zum gleichen Kristallsystem wie das reale Gitter, kann aber eine andere Zentrierung haben:<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
!Bravaisgitter !! reziprokes Gitter<br />
|-<br />
| Primitiv (P) || Primitiv (P)<br />
|-<br />
| Innenzentriert (I) || Allseitig Flächenzentriert (F)<br />
|-<br />
| Allseitig Flächenzentriert(F) || Innenzentriert (I) <br />
|-<br />
| Basiszentriert (A,B,C) || Basiszentriert (A,B,C) <br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Verwendung in der Kristallographie ==<br />
=== Zusammenhang mit den Millerschen Indizes ===<br />
Ein Vektor des reziproken Raums (h,k,l) steht senkrecht auf der Schar von Netzebenen mit den [[Millersche Indizes|Millerschen Indizes]] (h,k,l). Die Länge des Vektors ist gleich dem reziproken des Netzebenenabstandes.<br />
Im reziproken Gitter haben aber auch die Punkte, deren Koordinaten ein gemeinsames Vielfaches besitzen, eine Bedeutung: Die mit (100) und (200) bezeichneten Netzebenenscharen liegen parallel zueinander, die Netzebenen der Schar (200) haben aber nur halb so großen Abstand wie die der Schar (100).<br />
<br />
<br />
=== Bragg-Gleichung ===<br />
Die [[Bragg-Gleichung]] liefert einen Zusammenhang zwischen dem Netzebenenabstand d<sub>hkl</sub> und dem Beugungswinkel θ. Die Bragg Gleichung gilt nur für den Fall, dass der einfallende und der gestreute Strahl symmetrisch zur "reflektierenden" Netzebenenenschaar (h,k,l) verlaufen und lautet: <br />
<br />
:<math> n \lambda = 2d_{hkl} \, \sin(\theta) </math><br />
<br />
In dieser Form liefert sie aber keine Aussagen über die Richtungen der Netzebenen und der einfallenden und gestreuten Welle zueinander. Beschreibt man die einfallende Welle mit <math> \vec{k_0} = \frac{\vec{s_0}}{\lambda} </math> und die gestreute Welle mit <math> \vec{k_s} = \frac{\vec{s_s}}{\lambda} </math>, so lautet die Bragg-Gleichung in vektorieller Form:<br />
<br />
:<math>\vec k = \vec{k_s}-\vec{k_0}=\vec{G}_{h,k,l}</math><br />
<br />
Dabei ist <math>\vec {G}_{h,k,l} </math> der Vektor (h,k,l) des reziproken Gitters und <math> \vec k </math> der Beugungsvektor.<br />
<br />
Allgemein bedeutet diese Gleichung: ein Röntgenstrahl wird genau dann gestreut, wenn der Beugungsvektor <math>\vec k </math> gleich einem reziproken Gittervektor ist. Dieser Zusammenhang wird mit der [[Ewaldkugel]] anschaulich dargestellt.<br />
<br />
== Historisches ==<br />
Das ''polare Gitter'' („réseau polaire“) als Vorläufer des reziproken Gitters wurde bereits von [[Auguste Bravais]] im Rahmen seiner Arbeit über Punktgitter behandelt.<ref>Auguste Bravais: ''Mémoire sur les systèmes formés par des points distribués régulièrement sur un plan ou dans l’éspace''. In: ''Journal de l'École Polytechnique'', Bd. 19 (1850), S. 1–128 {{ISSN|0368-2013}}</ref><ref>[http://reference.iucr.org/dictionary/Polar_lattice Definition des polaren Gitters (IUCr, engl.)]</ref><br />
<br />
[[Josiah Willard Gibbs]] führte 1881 den Begriff des ''reziproken Systems'' („reciprocal system“) als rein mathematische Konstruktion in seinem Buch [http://en.wikipedia.org/wiki/Vector_Analysis Vector Analysis] ein.<ref>Josiah Willard Gibbs: ''Elements of Vector Analysis arranged for the Use of Students in Physics''. Morehouse & Taylor, New Haven, Conn. 1881.</ref> Seine Definition ist identisch mit der oben angegebenen kristallographischen. [[Paul Peter Ewald]] war der erste, der dieses Gitter zur Beschreibung von Röntgenreflexen einsetzte.<ref>Paul Peter Ewald: ''Zur Theorie der Interferenzen der Röntgenstrahlen in Kristallen''. In: ''Physikalische Zeitschrift'', Bd. 14 (1913), S. 465–472.</ref> Danach baute er die Theorie weiter aus.<ref>Paul Peter Ewald: ''Das rezibroke Gitter in der Strukturtheorie''. In: ''Zeitschrift für Kristallographie. International Journal for structural, physical and chemical aspects of crystalline materials'', Bd. 56 (1921), S. 129–156 {{ISSN|0044-2968}}</ref> Aber erst aufgrund einer Arbeit von [[John Desmond Bernal]]<ref>John Desmond Bernal: ''On the interpretation of x-ray, single crystal, rotation photographs''. In: ''Proceedings of the [[Royal Society|Royal Society of London]]/Serie A'', Bd. 113 (1926), Nr. 763, S. 117–160 {{ISSN|1471-2946}}</ref> wurde diese Konstruktion zur Beschreibung von Braggreflexen allgemein bekannt und etablierte sich.<br />
<br />
== Anmerkungen zum reziproken Gitter in der Festkörperphysik ==<br />
{{Hauptartikel| Reziproker Raum}}<br />
<br />
In der Festkörperphysik werden zur Beschreibung des Kristalls [[Quasiteilchen]] eingesetzt. <br />
Diese besitzen einen Wellenvektor <math> \vec k </math> und einen Quasiimpuls <math> \hbar \vec k </math>. Daher werden sie im reziproken Raum beschrieben. In diesem Raum spielt das reziproke Gitter eine wichtige Rolle. <br />
<br />
So ist der wesentliche Bereich des reziproken Gitters, in dem die Darstellungen der Quasiteilchen stattfinden, die erste Brillouinzone. Diese ist die [[Wigner-Seitz-Zelle]] des reziproken Gitters.<br />
<br />
In dieser Beschreibung stellt die Bragg-Gleichung einen Impulserhaltungssatz für Quasiteilchen dar: <br />
<br />
Bei der Wechselwirkung zwischen Quasiteilchen muss die Differenz der Impulse vor und nach der Wechselwirkung dem <math>\hbar </math>-fachen eines reziproken Gittervektors entsprechen. <br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lew Dawidowitsch Landau]], [[Jewgeni Michailowitsch Lifschitz]]: ''Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. 5: Statistische Physik''. 8. Aufl. Akademischer Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8171-1330-9. <br />
* Will Kleber: ''Einführung in die Kristallographie''. 19. Aufl. Oldenbiourg Wissenschaftsverlag, München 2010, ISBN 978-3-486-59075-3 (zusammen mit [[Hans-Joachim Bautsch]] und [[Joachim Böhm]]). <br />
* Martin Buerger: ''Kristallographie'' („Contemporary crystallography“, 1975). Walter de Gruyter, Berlin 1977, ISBN 3-11-004286-X. <br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.archive.org/details/117714283 Vector Analysis]<br />
* [http://reference.iucr.org/dictionary/Reciprocal_lattice Das reziproke Gitter (IUCr, engl.)]<br />
<br />
[[Kategorie:Kristallographie]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Speyer&diff=107397926Speyer2012-08-29T11:17:31Z<p>Xjs: /* Kunst, Musik, Veranstaltungen, Unterhaltung */ Redundanten Satz entfernt (Altstadtfest war zweimal erwähnt)</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{{Infobox Gemeinde in Deutschland<br />
|Art = Stadt<br />
|Wappen = Wappen Speyer.jpg<br />
|Breitengrad = 49/19/02/N<br />
|Längengrad = 08/26/03/E<br />
|Lageplan = Rhineland-Palatinate SP.svg<br />
|Lageplanbeschreibung= Lage der Stadt Speyer in Rheinland-Pfalz<br />
|Bundesland = Rheinland-Pfalz<br />
|Höhe = 103<br />
|Fläche = 42.58<br />
|PLZ = 67346<br />
|PLZ-alt = 6720<br />
|Vorwahl = 06232<br />
|Kfz = SP<br />
|Gemeindeschlüssel = 07318000<br />
|Gliederung = 4 [[Stadtteil]]e<br />
|Straße = Maximilianstraße 100<br />
|Website = [http://www.speyer.de/ www.speyer.de]<br />
|Bürgermeister = [[Hansjörg Eger]]<br />
|Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister<br />
|Partei = CDU<br />
}}<br />
[[Datei:Speyer dom 11.jpg|miniatur|Dom zu Speyer]]<br />
[[Datei:MaximilianstraßeSpeyer.jpg|miniatur|Blick vom [[Altpörtel]] entlang der [[Maximilianstraße (Speyer)|Maximilianstraße]] (Via Triumphalis) auf den [[Speyerer Dom]]]]<br />
[[Datei:Blick auf den Altrheinarm Rundedebunk, rechts die Insel Horn, Speyerer Auwald.JPG|miniatur|[[Speyerer Auwald]], Blick auf den Altrheinarm ''Runkedebunk,'' rechts die ''Insel Horn'']]<br />
<br />
'''Speyer''' ist eine historisch und kulturell bedeutende Stadt am [[Oberrhein]]. Als römische Gründung, damals ''Noviomagus'' oder ''Civitas Nemetum'' (Hauptstadt des Stammes der [[Nemeter]]) genannt, ist sie eine der [[Älteste Städte Deutschlands|ältesten Städte Deutschlands]] und wurde als ''Spira'' um 600 Zentrum des [[Speyergau]]es. Im Mittelalter war Speyer als [[freie Reichsstadt]] eine der bedeutendsten Städte des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]]. Zwischen 1816 und 1945 Sitz der bayrischen Verwaltung der Pfalz, gehört Speyer heute als [[kreisfreie Stadt]] zu [[Rheinland-Pfalz]] und hat gut 50.000 Einwohner.<br />
<br />
Weithin bekannt ist Speyer durch seinen [[Speyerer Dom|Kaiser- und Mariendom]]. Er ist die weltweit größte noch erhaltene [[Romanik|romanische]] Kirche und zählt seit 1981 zum [[UNESCO]]-[[Weltkulturerbe]].<br />
<br />
== Geographie ==<br />
<br />
Speyer wird raumplanerisch als [[Mittelzentrum#Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums|Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums]] eingestuft und ist Teil der [[Metropolregion Rhein-Neckar]] mit Ludwigshafen und Mannheim als Zentrum. Die Stadt liegt in der [[Oberrheinische Tiefebene|Oberrheinischen Tiefebene]] an der Mündung des [[Speyerbach]]s in den [[Rhein]], knapp 20&nbsp;km südlich von [[Ludwigshafen]]/[[Mannheim]] und 34&nbsp;km nördlich von [[Karlsruhe]] (jeweils Luftlinie). Seine Nachbarorte sind [[Römerberg (Pfalz)|Römerberg]] im Süden, [[Dudenhofen]] im Westen, [[Schifferstadt]] im Nordwesten, [[Waldsee (Pfalz)|Waldsee]] und [[Otterstadt]] im Norden. Jenseits des Rhein liegen [[Ketsch]] im Nordosten, [[Hockenheim]] im Osten, [[Altlußheim]] im Südosten und [[Oberhausen-Rheinhausen|Rheinhausen]] im Süden.<br />
<br />
Der Rhein bildet die östliche Grenze der Stadt und gleichzeitig die Grenze von Rheinland-Pfalz zu Baden-Württemberg. Er tritt bei Stromkilometer 393,8 in die Gemarkung von Speyer ein und verlässt sie 9,2&nbsp;km später wieder bei Stromkilometer 403. Die durch die Rheinbegradigung von [[Johann Gottfried Tulla|Tulla]] abgeschnittenen alten Flussschleifen (Altrheinarme) im Süden der Stadt stehen mit dem sich dort nach Norden fortsetzenden [[Speyerer Auwald]] und den Wasserflächen nach der [[Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)|Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie]] unter europäischem Schutz. In der Rheinniederung nordwestlich des Stadtgebietes entstanden durch Sand- und Kiesabbau zahlreiche [[Baggersee]]n, darunter allein das Gebiet [[Binsfeld (Speyer)|Binsfeld]] mit 8 Seen nördlich der [[Bundesautobahn 61|A&nbsp;61]]. Ganz im Norden hat Speyer noch Anteil am [[Angelhofer Altrhein]].<br />
<br />
=== Stadtgliederung ===<br />
Das Stadtgebiet gliedert sich in die Kernstadt und die Stadtteile:<br />
<br />
* [[Speyer-Nord]] mit [[Binsfeld (Speyer)|Binsfeld]]<br />
* [[Speyer-Nord#Speyer-Ost|Speyer-Ost]]<br />
* [[Speyer-Süd]] mit Oberkämmerer, Neuland und Vogelgesang<br />
* [[Speyer-West]] mit Erlich.<br />
<br />
Außerhalb der geschlossenen Siedlung liegen: Binshof, Deutschhof, Ludwigshof, [[Rinkenbergerhof]], Spitzenrheinhof, Thomashof, Weiherhof und Reffenthal.<br />
<br />
=== Flussterrassen ===<br />
Bis zu seiner [[Rheinbegradigung|Regulierung]] und Begradigung im frühen 19. Jahrhundert mäandrierte der Rhein in der Oberrheinischen Tiefebene in unzähligen Schleifen und Schlingen und änderte über die Jahrtausende beständig seinen Lauf. Auch nach der Regulierung ist die Landschaft am Rhein durch die zahlreichen noch vorhandenen bzw. wieder ausgekiesten [[Altrhein]]arme geprägt. Auch dort, wo sich keine Wasserflächen mehr befinden, lassen sich ehemalige Rheinarme am Bewuchs, Zuschnitt der Flure und am Verlauf der Niederterrassen nachvollziehen.<br />
<br />
Das Stadtgebiet Speyers hat Anteil an der Rheinniederung (etwa 93&nbsp;m über Normalnull), der Niederterrasse (im Mittel bei 103&nbsp;m über Normalnull) und der Hochterrasse (bis zu 113&nbsp;m über Normalnull). Die Rheinniederung besteht aus [[alluvial]]en und [[holozän]]en Ablagerungen. Die Niederterrasse entstand in der letzten Eiszeit; über einer mächtigen Kiesablagerung liegt eine etwa 50&nbsp;cm dicke Lehmschicht durch Flusschlickablagerungen ([[Pleistozän]]). Die Hochterrasse besteht im Südwesten aus eiszeitlichen Anhäufungen von [[Löß]] (gegen [[Dudenhofen]] der nördliche Teil der Schwegenheimer [[Platte (Geomorphologie)#Lössplatten|Lößplatte]]) und im Nordwesten aus Sandflächen und [[Binnendüne|Sanddünen]] ([[Standortübungsplatz Speyer|Truppenübungsplatz]] und [[Speyerer Stadtwald]]) westlich der [[Bundesstraße 9|B&nbsp;9]].<br />
Die Übergänge zwischen den drei Ebenen zeichnen sich durch teilweise deutlich erkennbare Versprünge aus. Den Speyerern sind diese Höhenunterschiede von der Niederterrasse zum Rhein als „Museumsbuckel“, die Terrassierung im [[Domgarten]], die Treppe an der Nordseite des Domes oder die abfallenden Straßen zum Fischmarkt bekannt. Die Anstiege zu Hochterrasse kennen sie als „Brauereibuckel“ (Obere Langgasse) oder „Schützenbuckel“ (Schützenstraße). Die relativ hochwassersicheren Niederterrassen liegen mehr oder weniger weit von der Hauptachse des Flusses entfernt. In Speyer ragt diese Niederterrasse wie ein Keil unmittelbar an den Rhein heran und bot damit die Möglichkeit, relativ sicher vor Hochwasser möglichst nahe am Fluss zu siedeln.<ref name="Kohlhammer">''Geschichte der Stadt Speyer.'' Bd. 1, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007522-5.</ref><br />
<br />
Der Verlauf des Hochgestades entspricht im Stadtgebiet von Speyer etwa der 100-m-Höhenlinie über Normalnull und lässt sich leicht verfolgen. Der südwestlich von Speyer liegende Ort Berghausen liegt unmittelbar an seiner Oberkante. Von dort verläuft es in einer generellen Linie nach Nordosten, um das Wohngebiet Vogelgesang herum, bis zum östlichsten und dem Rhein am nächsten gelegenen Punkt, dem sogenannten ''Domhügel.'' Von dort schwenkt es zurück nach Nordwesten entlang der Johannesstraße, nach Norden entlang der Wormser Landstraße und des ersten Teilstücks der Waldseer Straße, um dann über Buchen- und Erlenweg nordöstlich übers freie Feld bis zum [[Speyer-Nord#Spitzrheinhof, Ketscher Fahr, Speyerlach|Spitzenrheinhof]] zu springen und von dort wieder nördlich an der Westseite der Binsfeldseen vorbei bis nach [[Otterstadt]]. Dabei bildet es eine Abfolge von Halbkreisen, an denen der einstige Verlauf des Rheines ablesbar ist.<br />
<br />
Der Forlenwald (102–110&nbsp;m ü. NN) nordwestlich der Stadt besteht aus (großen Bäumen) 76 % [[Kiefern]], 7 % Buchen, 4 % Eichen, je 3 % [[Robinie]]n, [[Birke]]n, [[Roteiche]]n sowie 2 % sonstigen Bäumen auf nährstoffarmen dilluvialen Flug- und Dünensanden, [[Schwemmsand]]en und Geröllen, vorwiegend Sandbraunerden mit [[Podsol]]igkeit oder [[Podsolierung]]. Im Nachwuchs werden vor allen die Buchen (von 4 % auf 21 %) zu Lasten der Kiefern (von 76 % auf 53 %) verstärkt.<br />
<br />
Die Bedeutung Speyers und seine topografisch günstige Lage an den Flussterrassen war für die bayerische [[Landesvermessung]] nach den napoleonischen Kriegen ein wichtiger Grund zur Anlage eines speziellen [[Vermessungsnetz]]es, das als Grundlage für die seit 1805 projektierte Rheinregulierung und die Vermessung des neugebildeten [[Rheinkreis]]es dienen sollte. Unter dem großherzoglich-badischen Oberingenieur [[Johann Gottfried Tulla]] wurde 1819 eine genaue [[Basislinie (Technik)|Basislinie]] zwischen Speyer und [[Oggersheim]] gemessen, während für die astronomische [[Laplace-Azimut|Orientierung]] des Netzes einer der 72 Meter hohen [[Kirchturm|Osttürme]] des Speyerer Doms und die [[Mannheimer Sternwarte]] gewählt wurden.<br />
<br />
=== Klima ===<br />
Durch seine Lage im [[Oberrheingraben]] gehört Speyer zu den wärmsten und niederschlagsärmsten Gebieten Deutschlands. Die [[Jahresmitteltemperatur]] beträgt 9,8&nbsp;°C, in der [[Vegetationszeit]] 16,9&nbsp;°C, die durchschnittliche [[Niederschlagsmenge]] beträgt 596&nbsp;mm (1931–1960 Station Speyer), davon 314&nbsp;mm in der Vegetationszeit. Die Zahl der [[Sommertag]]e mit über 25° liegt bei durchschnittlich 40 Tagen pro Jahr. Gewitter treten durchschnittlich an 20–25 Tagen auf, Schneefall an 20 Tagen, eine geschlossene Schneedecke an 20 Tagen. Die Hauptwindrichtungen sind Südwest und Nordost. Die Zahl der Sonnenscheinstunden ist im Sommerhalbjahr deutlich überdurchschnittlich, im Winter wegen häufiger [[Inversionswetterlage]]n unterdurchschnittlich. Wegen der Inversionslagen und der Schwüle im Sommer gilt das Wetter in Speyer als bioklimatisch belastend.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
→ ''Hauptartikel [[Geschichte der Stadt Speyer]]''<br />
=== Antike und Mittelalter ===<br />
Zahlreiche Funde aus der [[Jungsteinzeit]], [[Bronzezeit]], [[Hallstattzeit]] und [[Latènezeit]] lassen darauf schließen, dass die Terrassen in Speyer, insbesondere die Niederterrassenzunge in unmittelbarer Rheinnähe, schon immer interessante Siedlungsorte darstellten.<ref name="Kohlhammer" /> Im zweiten vorchristlichen Jahrtausend war die Gegend von Speyer Siedlungsgebiet der keltischen [[Mediomatriker]].<br />
[[Datei:Karte limes.jpg|miniatur|links|Noviomagus im Römischen Reich]]<br />
Nach der Unterwerfung [[Gallien]]s durch die Römer 50 v. Chr. wurde der Rhein, auch wenn das Gebiet noch außerhalb des militärischen Geschehens lag, Teil der Grenze des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]]. 10 v. Chr. wurde ein [[Römische Militärlager|Lager]] vermutlich für eine 500 Mann starke Infanterietruppe errichtet. Dieser römische Militärposten wurde zum Impuls für die Stadtbildung. Um 150 erschien die Stadt unter dem keltischen Namen ''Noviomagus'' (Neufeld oder Neumarkt, siehe alle ''[[Noviomagus]]'') in der Weltkarte des Griechen [[Claudius Ptolemäus|Ptolemaios]]; der gleiche Name steht im [[Itinerarium Antonini]], einem Reisehandbuch des Antonius aus der Zeit [[Caracalla]]s (211–217) und auf der [[Tabula Peutingeriana]], einer Straßenkarte aus dem 3. Jahrhundert. Ab 260 konnten die ständigen Angriffe der Alamannen im Rahmen der [[Völkerwanderung]] auf den [[Limes (Grenzwall)|Limes]] nicht mehr abgewehrt werden, die römische Reichsgrenze musste an den Rhein zurückgezogen werden, und Speyer wurde wieder zur Grenzstadt. Für das 4. Jahrhundert ist ein erster Speyerer Bischof belegt; das Bistum ging vermutlich während der Völkerwanderungszeit unter.<br />
Im Jahre 406 setzten [[Sueben]], [[Vandalen]] und sarmatische [[Alanen]] auf Druck nachrückender [[Hunnen]] über den Rhein und überrannten auf ihrem Weg ins innere Gallien auch Speyer. Ein reich ausgestattetes „Fürstengrab“ im [[rechtsrheinisch]]en [[Altlußheim]], etwa 4&nbsp;km von Speyer, bezeugt die Anwesenheit von Alano-[[Sarmaten]], Hunnen oder [[Ostgermanen]].<ref>Die Identität der Toten dieser Art Fürstengräber ist unmöglich zu definieren, deshalb haben die Archäologen den Namen „Untersiebenbrunngruppe“ gegeben. Siehe [[Untersiebenbrunn]].</ref><br />
<br />
[[Datei:Speyer Stadtentwicklung.jpg|miniatur|Stadtentwicklung von Speyer]]<br />
<br />
In einer Schlacht 496/497 bei [[Zülpich]] und einer weiteren Schlacht 505 besiegten die Franken unter [[Chlodwig I.|Chlodwig]] die Alamannen und Speyer wurde Teil des fränkischen Königreiches. Damit erhielt Speyer wieder Anschluss an die gallisch-römische Kultur. Im Rahmen der Reorganisation der Verwaltung kamen romanisierte Beamte und Bischöfe aus Südgallien an den Rhein. Auch bei der Verwaltungsgliederung hielten sich die Franken weitgehend an ihre Vorgänger, beispielsweise bei der Einrichtung der Gaue. Der neue [[Speyergau]] entsprach ungefähr dem civitas Nemetum. Erstmals wird der von den Alamannen eingeführte Name ''Spira'' in den „Notitia Galliarum“ aus dem 6. Jh. erwähnt, obwohl er sich bereits 496/509 erschließen lässt.<br />
Ab dem 7. Jahrhundert ist Speyer erneut Bischofssitz.<br />
<br />
Kaiser Otto der Große verlieh 969 der Bischofskirche das [[Kirchliche Immunität|Immunitätsprivileg]], eine eigene Gerichtsbarkeit und die Kontrolle über Münze und Zoll. Ab 1030 ließ Kaiser [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] die Bauarbeiten am [[Dom zu Speyer]] beginnen.<br />
<br />
Im 11. Jahrhundert siedelte sich auf Veranlassung Bischof [[Rüdiger Huzmann]]s in Speyer eine der ersten [[Jüdische Gemeinde Speyer|Jüdischen Gemeinden]] im Heiligen Römischen Reich an. Neben den anderen [[SCHUM-Städte]]n [[Worms]] und [[Mainz]] gilt Speyer als eine der Geburtsstätten der [[Aschkenasim|aschkenasischen]] Kultur.<br />
<br />
Am Tag der Beisetzung seines Vaters im Speyerer Dom erteilte [[Heinrich V. (HRR)|Heinrich V.]] im Jahre 1111 der Stadt [[Urkundeninschriften des Speyerer Doms|umfassende Privilegien]]. Als erster Stadt in Deutschland gewährte der ''Große Freiheitsbrief'' den Bürgern persönliche Freiheiten. Zusammen mit seinem Bild wurde der Brief in goldenen Buchstaben über dem Domportal angebracht, wo sie aber im Zuge der späteren Dombeschädigungen verloren ging.<ref>http://www.speyer.de/de/tourist/salierjahr/buergerfreiheit</ref><br />
<br />
Das 13. Jahrhundert in Speyer sollte von der Auseinandersetzung um die stadtherrlichen Rechte gekennzeichnet sein. Die zweite Hälfte war von heftigen Streitigkeiten zwischen der Stadt und dem Bischof, und vor allem den [[Stift (Kirche)|Stiften]], gekennzeichnet, die vom Investiturstreit nur noch verschärft wurden. Es war insbesondere das [[Domkapitel]], das sich zum eigentlichen Kontrahenten der Bürgerschaft entwickelte. In der Mitte dieses Jahrhunderts ist erstmals belegt, dass es in Speyer „öffentliches Eigentum“ in Form von städtischem Grundbesitz gibt.<br />
<br />
Im 14. Jahrhundert spielte die ''generalis discordia,'' die Auseinandersetzung zwischen Bürgerschaft und Klerus, nur eine untergeordnete Rolle. Im wittelbachisch-habsburgischen Thronstreit stand Speyer erneut im Mittelpunkt der Reichspolitik. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich ein Machtkampf um die Ratsbesetzung zwischen den Münzer-Hausgenossen und den Zünften. Auf ihre letzten Vorrechte verzichten mussten die Hausgenossen 1349, als sich in Speyer das Prinzip der reinen Zunftverfassung durchsetzt. Von diesem Zeitpunkt an mussten sich die Hausgenossen als Zunft etablieren und waren damit nur noch eine Gruppierung unter 14 anderen Zünften.<ref>''Geschichte der Stadt Speyer.'' Bd. 1, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007522-5, S. 314–332.</ref><br />
<br />
=== Stadtrecht und Reichstage ===<br />
<br />
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zeigte sich auch, dass die Speyerer Bischöfe ihren stadtherrlichen Anspruch nie aufgegeben hatten. Zur Vertretung ihrer Interessen gewannen sie die Unterstützung Kaiser [[Karl IV. (HRR)|Karls IV.]] und vor allem der [[Kurpfalz|Pfalzgrafen]] bei Rhein, wohingegen die Stadt sich nicht mehr uneingeschränkt auf den Rückhalt der Kaiser verlassen konnte.<br />
<br />
1434 kam mit dem Kurfürsten Ludwig III. von der Pfalz ein Schutz- und Schirmvertrag auf 10 Jahren zustande. Ab 1439 war die Region von marodierenden [[Armagnaken]] bedroht, aus französischen Diensten entlassene Söldner. 1439 schloss Speyer mit Mainz, Worms und Straßburg ein Bündnis, das die Aufstellung eines Heeres von 100 [[Gleve]]n vorsah, jeweils 30 aus Mainz und Straßburg und 20 aus Worms und Speyer. Möglicherweise aufgrund der äußeren Gefahr rückten Stadt und Geistlichkeit näher zusammen. 1459 bis 1462 musste sich Speyer wieder an einer kriegerischen Auseinandersetzung der Kurpfalz beteiligen, diesmal im Zusammenhang mit dem ''Pfälzer Krieg'' und der [[Mainzer Stiftsfehde]] gegen [[Kurmainz]].<br />
<br />
[[Datei:Speyer 1550.jpg|miniatur|links|Stadtansicht zur Zeit der Reichstage. [[Holzschnitt]] aus [[Sebastian Münster]]s ''[[Cosmographia (Sebastian Münster)|Cosmographia universalis]],'' Basel 1550]]<br />
<br />
Mit [[Matthias von Rammung]] übernahm 1464 in Speyer ein Bischof das Amt, der nochmals konkrete Anstrengungen unternahm, die Befugnisse der Kirche auszubauen bzw. zurückzugewinnen. Dabei geriet die Stadt unverschuldet 1465 mit der Kirche in Konflikt, weil sie auf Geheiß des kaiserlichen Hofgerichtes einem Bürger gegen den Bischof zu seinem Recht verhelfen sollte. 1470/71 kam Speyer abermals in eine Situation, in der sie sich mühsam um eine neutrale Haltung bemühen musste. Wiederum geriet Kurfürst Friedrich I. überkreuz mit dem Kaiser, weil er sich der Stadt und des Klosters [[Kloster Weißenburg (Elsass)|Weißenburg]] bemächtige und beide, Kurfürst und Kaiser, verlangten in dem entbrannten Krieg die militärische Hilfe Speyers.<br />
<br />
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts rückte Speyer in den Mittelpunkt deutscher Geschichte. Die Bedeutung der Stadt in jenen Tagen wird deutlich, indem in ihren Mauern insgesamt über 50 [[Hoftag]]e stattfanden und von den 30 [[Reichstag (HRR)|Reichstagen]], die es in diesem Jahrhundert gab, fünf in Speyer abgehalten wurden (siehe [[Reichstage zu Speyer]]). Darüber hinaus fanden in Speyer [[Reichsdeputation]]stage, z. B. 1558, 1560, 1583, 1595, 1599/60, Kurfürstentage, z. B. 1588 und Reichsmoderationstage, z. B. 1595 statt.<br />
<br />
1525 wurde die Rheingegend von einer Bauernerhebung erfasst, die das Hochstift Speyer am 20. April erreichte. Der Aufstand richtete sich hauptsächlich gegen kirchlichen Besitz und die Bauern wandten sich gegen den Zehnten, die Zinsen und [[Gült (Abgabe)|Gülten]]. Am 30. April planten sie „gen Speyer zu ziehen und daselbst der Pfaffheit Nester, die viel Jar mit Nachtheil und großen Schaden der Armen erhalten weren worden, zu zerstören“. Der lutherische Einfluss auf diese Erhebung ist erkennbar. Beim Anmarsch auf Speyer wurde die Absicht bekundet, „die Stadt Speier zu belegern und die Geistlichen irs Gefallens darin zu reformieren“ und sie erwarteten hierfür sogar die Unterstützung der Stadt. Die Bürger sollten unbehelligt bleiben.<ref>''Geschichte der Stadt Speyer.'' Bd. 1, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007522-5, S. 488.</ref> In der Folge fanden einige Reichstage in Speyer statt.<br />
<br />
=== Neuzeit und Moderne ===<br />
[[Datei:Speyer vor 1750.jpg|miniatur|Speyer vor 1750.]]<br />
<br />
Bis auf ein Ereignis im Jahre 1552 verlief die Zeit in Speyer zwischen 1530 und 1620 vergleichsweise friedlich. Dennoch blieb die Stadt von Unglück nicht verschont. Es kam immer wieder zu Pestepidemien, beispielsweise in den Jahren 1539, 1542, 1555 und 1574. Der [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldische Krieg]] 1546 hatte auf Speyer keine direkten Auswirkungen.<br />
<br />
1612 erschien nach zehnjähriger Arbeit die Erstausgabe der ’’’Chronica der freien Reichsstadt Speier’’’ von [[Christoph Lehmann (Schriftsteller)|Christoph Lehmann]]. Das Werk war sehr populär, da es sich auch intensiv mit der Reichsgeschichte befasste und erlebte im Verlauf des folgenden Jahrhunderts vier Auflagen. 1618 beteiligte sich Speyer mit einem pfälzisch-badischen Heer an der Schleifung der Udenheimer Bischofsfestung, die jedoch bald wiederaufgebaut wurde.<br />
<br />
In den Wirren des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] (1618–1648) befand sich das ummauerte, aber selbst kaum verteidigungsfähige Speyer im Spannungsfeld der häufig umkämpften Festungen [[Frankenthal (Pfalz)|Frankenthal]], [[Friedrichsburg (Mannheim)|Friedrichsburg]], [[Philippsburg]] und [[Landau in der Pfalz|Landau]]. Somit fiel der Stadt ständig die Rolle als Zufluchtsort, Lazarett, Versorgungsstation und/oder Truppenlager zu. Hinzu kamen Besetzungen durch Spanier, Schweden, Franzosen und kaiserliche Truppen, die in kurzen Abständen wechselten. Erst 1650 verließen die letzten Soldaten die Stadt, zurück blieben Schulden, Hunger und Seuchen.<br />
<br />
1689 kam es im Rahmen des [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieges]] und der planmäßigen [[Entfestigung]] der Pfalz unter General [[Melac]] zur völligen Zerstörung der Stadt durch französische Truppen. Zwei Tage nachdem der französische General [[Joseph de Montclar]] am 30. Januar 1689 die Befestigungsanlagen der Stadt inspiziert hatte, begannen die Abbrucharbeiten, an denen sich die Stadtbewohner zwangsweise beteiligen mussten. Die Bürger vermuteten, dass die Franzosen die Stadt niederbrennen wollten. Am Nachmittag des 23. Mai teilte der französische Kriegsintendant den beiden Bürgermeistern und den Ratsherren mit, dass die Stadt innerhalb von sechs Tagen evakuiert werden müsse: „es solle jedoch niemand daraus schließen, dass die Stadt verbrennet werde.“ Montclar ließ dem Domdekan und bischöflichen Statthalter [[Heinrich Hartard von Rollingen]] am 27. Mai 1689 mitteilen, er habe den Befehl erhalten „die Stadt samt allen darin befindlichen Kirchen und Klöstern, einzig die hohe Domkirche ausgenommen, in Brand zu stecken“. Der Oberkommandierende der Franzosen in Mainz, Marschall Graf [[Jacques-Henri de Durfort, duc de Duras]], wurde vom Domkapitel um die Zusicherung gebeten, dass der Dom verschont bleibe.<ref>Hans Ammerich: ''[http://www.heimat-pfalz.de/lokalgeschichte/762-die-katastrophe-des-pfaelzischen-erbfolgekriegs.html Die Katastrophe des Pfälzischen Erbfolgekriegs]'', in: ''Kleine Geschichte der Stadt Speyer''</ref> <br />
<br />
1792 eroberten französische Revolutionstruppen Speyer. Es blieb als Sitz einer Unterpräfektur im [[Département du Mont-Tonnerre]] ([[Donnersberg]]) bis 1814 unter französischer Herrschaft. Die Befreiungskriege gegen [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] sowie die Neuordnung der europäischen Staatenwelt auf dem [[Wiener Kongress]] von 1815 brachten wiederum eine Änderung der Machtverhältnisse im pfälzischen Raum. Für wenige Stunden stand Speyer noch einmal im Rampenlicht der großen Politik, als sich am 27. Juni 1815 Zar Alexander von Russland, Kaiser Franz I. und Preußens König Friedrich Wilhelm III. im alliierten [[Hauptquartier]] in der Stadt trafen. 1816 wurde Speyer zur Kreishauptstadt des in der Folgezeit so genannten Rheinkreises. Dieser fiel im Ergebnis des Wiener Kongresses dem [[Königreich Bayern]] als Ausgleich für das an Österreich abgetretene Salzburg zu. Der Regierungsbezirk (Kreis) [[Pfalz (Region)|Pfalz]] bestand erst seit dem 1. Januar 1838 und löste den Rheinkreis ab.<br />
<br />
1837 war der Ausbau des Rheinhafens abgeschlossen. Speyer erhielt 1847 seinen Anschluss an das deutsche Eisenbahnnetz. Es entstanden unter anderem soziale und karitative Einrichtungen (Arbeits- und Bildungsanstalt für Mädchen, Wohltätigkeitsverein der jüdischen Gemeinde und ein Hospital). Im Bereich des Bildungswesens verfügte die Stadt über Einrichtungen aller Art und das am besten ausgebaute Schulsystem in der Pfalz. Es entstanden die ersten Vereine: zur Schützengesellschaft, die bereits seit 1529 bestand, kamen beispielsweise Turnverein, Harmoniegesellschaft, Musikverein und Liedertafel. Bis 1918 war Speyer Garnison des 2. Pionierbataillons der [[Bayerische Armee|bayerischen Armee]]. In Speyer befanden sich seit 1913 die [[Pfalz-Flugzeugwerke]]. Sie entwickelten sich im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] zu einem bedeutenden deutschen Rüstungsbetrieb und lieferten mehrere tausend Kampfflugzeuge.<br />
<br />
[[Datei:Speyer um 1900.jpg|miniatur|Speyer von Westen um 1900]]<br />
<br />
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Besetzung des linken Rheinufers zog in Speyer 1918 erneut die französische Armee ein. Schon ab Ende 1918 unterstützte das französische Militär unter General Gérard gezielt eine Bewegung unter Führung des promovierten Chemikers Eberhard Haaß, die sich „Freie-Pfalz“ nannte – zusammen mit mehreren anderen Separatistengruppierungen im nördlichen Rheinland. Im Frühsommer 1919 unternahm die Freie Pfalz in Speyer einen Putschversuch für eine autonome Pfalz. Dieser scheiterte kläglich, hauptsächlich am Widerstand des stellvertretenden Regierungspräsidenten [[Friedrich von Chlingensperg auf Berg]] (1860–1944). Er hatte die Mehrheit der pfälzischen Parteien an seiner Seite. Nach wenigen Stunden war die schlecht vorbereitete Aktion beendet. 1930 zog die [[Interalliierter Hoher Ausschuss für die Rheinlande|französische Besatzungsmacht]] ab.<br />
<br />
Die [[Machtergreifung|NS-Machtübernahme]] mit der darauffolgenden [[Gleichschaltung]] wirkte sich 1933 auch auf die Domstadt aus. Speyer gehörte zunächst zum Gau Rheinland, der 1935 mit dem Saarland zum Gau Saar-Pfalz zusammengelegt wurde. Der Verwaltungssitz des Gaues kam nach Neustadt. Auch die Speyerer Synagoge in der Heydenreichstraße wurde in den [[Novemberpogrome 1938|Novemberpogromen 1938]] am 9. November 1938 niedergebrannt und kurz danach völlig abgerissen. Das sogenannte „Tausendjährige Reich“ brachte eine erneute Judenverfolgung mit sich. Mehr als 100 Juden aus Speyer und Umgebung, die nicht mehr hatten fliehen können, wurden umgebracht. Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete die Gruppe [[Speyerer Kameradschaft]] um den Speyerer Sozialdemokraten [[Jakob Schultheis]] und seine Ehefrau Emma. Die Stadt erlitt während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], abgesehen vom Bahnhofsgebiet, keine größeren Zerstörungen durch Luftangriffe. 1945 wurde Speyer von der amerikanischen Armee eingenommen, nachdem abziehende deutsche Truppen noch die [[Rheinbrücke Speyer (B 39)|Rheinbrücke]] gesprengt hatten.<br />
<br />
[[Datei:SpeyerBriefmarke2000oS.jpg|miniatur|Briefmarke zur 2000-Jahr-Feier]]<br />
Speyer, das seit 1945 wieder eine französische Besatzungsgarnison hatte, lag bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 in der [[Französische Besatzungszone|Französischen Besatzungszone]]. Als Zeichen der wachsenden Freundschaft entstand 1953/54 mit deutschen und französischen Mitteln die [[Bernhardskirche (Speyer)|St.-Bernhard-Kirche]] in der Wormser Straße. Das Besatzungsregime endete am 6. Mai 1955. Erst in den 1990er Jahren endete die Geschichte Speyers als Standort der französischen Armee.<br />
<br />
Das Jahr 1990 stand im Zeichen von zahlreichen Feierlichkeiten aus Anlass des zweitausendjährigen Bestehens der Stadt.<br />
<br />
Am 9. November 2011 wurde die neue [[Synagoge Beith-Schalom]] geweiht. Die alte Synagoge war in der Pogromnacht 1938 zerstört worden.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Stadtrat ===<br />
Der [[Stadtrat]] von Speyer besteht aus 44 [[ehrenamt]]lichen Ratsmitgliedern, die bei der [[Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz 2009|Kommunalwahl]] am 7. Juni 2009 gewählt wurden, und dem [[hauptamt]]lichen [[Oberbürgermeister]] als Vorsitzenden.<br />
<br />
Sitzverteilung im gewählten Stadtrat:<br />
{| class="wikitable"<br />
|--- class="hintergrundfarbe5"<br />
!Parteien und Wählergemeinschaften<br />
!align="center" | %<br />2009<ref>[http://www.wahlen.rlp.de/kw/wahlen/2009/kreistagswahlen/ergebnisse/3180000000.html Kommunalwahl Rheinland-Pfalz 2009]</ref><br />
!align="center" | Sitze<br />2009<br />
!align="center" | %<br />2004<ref>[http://www.wahlen.rlp.de/kw/wahlen/kreistagswahlen/ergebnisse/3180000000.html Kommunalwahl Rheinland-Pfalz 2004]</ref><br />
!align="center" | Sitze<br />2004<br />
!align="center" | %<br />1999<br />
!align="center" | Sitze<br />1999<br />
|----<br />
|[[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]<br />
|align="right" |33,4<br />
|align="right" |15<br />
|align="right" |39,1<br />
|align="right" |17<br />
|align="right" |42,8<br />
|align="right" |19<br />
|----<br />
|[[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]<br />
|align="right" |22,4<br />
|align="right" |10<br />
|align="right" |23,0<br />
|align="right" |10<br />
|align="right" |30,7<br />
|align="right" |13<br />
|----<br />
|Speyerer Wählergruppe<br />
|align="right" |13,3<br />
|align="right" |6<br />
|align="right" |9,5<br />
|align="right" |5<br />
|align="right" |8,3<br />
|align="right" |4<br />
|----<br />
|[[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]]<br />
|align="right" |12,9<br />
|align="right" |6<br />
|align="right" |9,5<br />
|align="right" |4<br />
|align="right" |6,5<br />
|align="right" |3<br />
|----<br />
|[[Die Republikaner|REP]]<br />
|align="right" |3,1<br />
|align="right" |1<br />
|align="right" |5,0<br />
|align="right" |2<br />
|align="right" |4,7<br />
|align="right" |2<br />
|----<br />
|[[Wählergruppe|Bürgergemeinschaft Speyer]]<br />
|align="right" |6,1<br />
|align="right" |3<br />
|align="right" |5,0<br />
|align="right" |2<br />
|align="right" |0,0<br />
|align="right" |0<br />
|----<br />
|[[Freie Demokratische Partei|FDP]]<br />
|align="right" |6,1<br />
|align="right" |2<br />
|align="right" |4,6<br />
|align="right" |2<br />
|align="right" |3,9<br />
|align="right" |2<br />
|----<br />
|[[Die Linke]]<br />
|align="right" |2,8<br />
|align="right" |1<br />
|align="right" |–<br />
|align="right" |–<br />
|align="right" |–<br />
|align="right" |–<br />
|----<br />
|[[Ökologisch-Demokratische Partei|ÖDP]]<br />
|align="right" |–<br />
|align="right" |–<br />
|align="right" |4,3<br />
|align="right" |2<br />
|align="right" |3,5<br />
|align="right" |1<br />
|--- class="hintergrundfarbe5"<br />
!gesamt<br />
!align="right" |100,0<br />
!align="right" |44<br />
!align="right" |100,0<br />
!align="right" |44<br />
!align="right" |100,0<br />
!align="right" |44<br />
|--- class="hintergrundfarbe5"<br />
!Wahlbeteiligung in %<br />
!colspan="2" align="center" | 47,4<br />
!colspan="2" align="center" | 49,7<br />
!colspan="2" align="Center" | 54,5<br />
|}<br />
<br />
=== Bürgermeister ===<br />
Ab 1923 trug das Stadtoberhaupt den Titel „Oberbürgermeister“.<ref>http://www.dom-speyer.de/index.html</ref><br />
<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
* Ebelin vor dem Münster (um 1294)<br />
* Bernhard zur Krone (um 1294)<br />
* Contze Fritze (um 1390 bis 1409)<br />
* Hans der Elder Fritze (um 1390 bis 1409)<br />
* Hensel Muttersteder (um 1390 bis 1409)<br />
* Friederich Fritze (15. Jahrhundert)<br />
* Peter Fritze (15. Jahrhundert)<br />
* Claus von Rinckenberg (15. Jahrhundert)<br />
* Engel von Rinckenberg (15. Jahrhundert)<br />
* Conrad Roseler (15. Jahrhundert)<br />
* Martin Stossel (15. Jahrhundert)<br />
* Eberhart Meinsheim (15. Jahrhundert)<br />
* Friedrich Meurer (1531–1563)<br />
* Christman Petsch (1575–1593)<br />
* Haman Petsch (1563–1573)<br />
* Jakob Meurer<br />
* Jakob Friedel Meurer<br />
* Johann Paul Fuchs (um 1689)<br />
* Georg Ernst Rützhaub (um 1689–um 1700)<br />
* Israel Kümmich (um 1689–um 1700)<br />
* Johann Peter Schreyer (nach 1700)<br />
* Johann Conrad Schwanckhardt (nach 1700)<br />
* „Maire“ Karl Ludwig Petersen (1792)<br />
* „Maire“ Johann Adam Weiß (1796–unsicher)<br />
* „Maire“ Johann David Staub (1796–unsicher)<br />
* „Maire“ Franz Freytag (1800–1801)<br />
* „Maire“ Johann Adam Weiß (1801–1804)<br />
* „Maire“ David Staub (1801–1804)<br />
* „Maire“ Ludwig Wilhelm Sonntag (1804–1809)<br />
| valign="top" |<br />
* „Maire“ Georg Friedrich Hetzel (1809–1813)<br />
* Franz Reichardt (1814–1819)<br />
* Georg Friedrich Hetzel (1819–1829)<br />
* Friedrich August Heydenreich (1830–1832)<br />
* Georg Friedrich Hetzel (1833–1838)<br />
* Georg Friedrich Hilgard (1838–1843)<br />
* Georg Friedrich Kolb (1848–1849)<br />
* Georg Friedrich Haid (1859–1868)<br />
* Johann Conradt Eberhardt (1868–1874)<br />
* Georg Friedrich Haid (1875–1884)<br />
* Georg Peter Süß (1885–1894)<br />
* Dr. med. Friedrich Weltz (1894–1897)<br />
* Philipp Serr (1897–1904)<br />
* [[Philipp Lichtenberger]] (1904–1911)<br />
* Dr. Ernst Hertrich (1911–1914) (erster Berufsbürgermeister)<br />
* Dr. [[Otto Moericke]] (1917–1919)<br />
* Karl Leiling (1919–1943)<br />
* Rudolf Trampler, NS-Gau-Propagandaleiter (1943–1945)<br />
* Karl Leiling (1945–1946)<br />
* Hans Hettinger (1946)<br />
* OB Paul Schaefer (1946–1949)<br />
* Hermann Langlotz (1946–1949)<br />
* OB Dr. Paulus Skopp (1949–1969)<br />
* Bertram Hartard (1948–1952)<br />
* Stefan Scherpf (1956–1984)<br />
* OB Dr. [[Christian Roßkopf]] (1969–1995)<br />
* OB [[Werner Schineller]] (1995-2010)<br />
* Hanspeter Brohm (1995–2010)<br />
* Monika Kabs (seit 2010)<br />
* OB [[Hansjörg Eger]] (Seit 2011)<br />
|}<br />
<br />
[[Datei:Speyer Siegel.jpg|miniatur|Stadtsiegel]]<br />
<br />
=== Wappen ===<br />
Die [[Blasonierung]] des Wappens lautet: „In Silber ein rotes Kirchengebäude mit drei blaubedachten und mit goldenen Kreuzen besteckten Türmen und drei offenen Toren“.<br />
<br />
Es wurde 1846 vom bayerischen König genehmigt. Seit dem 13. Jahrhundert führte Speyer im Stadtsiegel den Dom in der Nordansicht belegt mit der Madonna. Beim Wappen entschied man sich für die Westansicht des Domes, weil sie vom Reichsherold als „empfehlenswerter und ehrwürdiger“ angesehen wurde.<ref>Karl Heinz Debus: ''Das große Wappenbuch der Pfalz.'' Neustadt an der Weinstraße 1988, ISBN 3-9801574-2-3.</ref><br />
<br />
=== Partnerstädte ===<br />
Mit [[Spalding (Lincolnshire)|Spalding]] ([[Vereinigtes Königreich]]) wurde 1956 die erste Partnerschaft geschlossen. 1959 folgte das [[Frankreich|französische]] [[Chartres]], 1989 [[Ravenna]] ([[Italien]]) und [[Kursk]] ([[Russland]]) und 1992 [[Gniezno]] (Gnesen) in [[Polen]]. Jüngste Partnerstadt ist seit 1998 [[Jawne (Stadt)|Yavne]] in [[Israel]].<ref>[http://www.speyer.de/de/kultur/partner Stadt Speyer]</ref><br />
<br />
Darüber hinaus übernahm die Stadt 1982 eine Patenschaft für Karengera in [[Ruanda]] bzw. nach einer Kommunalreform 2001 für den Bezirk Ruzisi (vormals Impala).<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
Einwohnerentwicklung Speyers ab 1586:<br />
{| class="wikitable"<br />
|- style="background:#e3e3e3"<br />
! align="left" | Jahr || 1586 || 1797 || 1815 || 1830 || 1846 || 1871 || 1939 || 1946 || 1950 || 1956 || 1961 || 1966 || 1974 || 2007<br />
|- align="right"<br />
| Einwohner || 7.814 || 2.805 || 5.827 || 8.391 || 10.619 || 12.901<ref>http://www.dom-speyer.de/daten/domspeyer/seiten/geschichtezeitstrahl2ue.html</ref> || 26.509 || 28.047 || 31.706 || 35.526 || 38.724 || 41.348 || 44.658<ref name="ew-bd3">Wolfgang Eger: ''Geschichte der Stadt Speyer.'' Bd. 3.</ref> || 50.673<br />
|}<br />
<br />
Speyer verzeichnete von allen Städten in der Pfalz die stärksten Wachstumsraten und hat als eine von wenigen Städten überhaupt bis 2009 eine positive Wachstumsrate.<br />
Vergleich 1939 (100 %) bis 1985 in Prozent:<br />
* Landau 110,0<br />
* Ludwigshafen 105,3<br />
* Neustadt an der Weinstraße 115,2<br />
* Speyer 144,0<br />
* Rheinland-Pfalz 122,3<ref name="ew-bd3"/><br />
<br />
== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==<br />
=== Historische Bauwerke ===<br />
[[Datei:Altpörtel.jpg|miniatur|[[Altpörtel]]]]<br />
[[Datei:Judenbad Speyer 7 entrance to the pool.jpg|miniatur|links|hochkant|180|Judenbad ([[Mikwe]])]]<br />
[[Datei:SpeyerCathedralSonnenbrücke2.JPG|miniatur|[[Speyerer Dom]] (Nordseite), im Vordergrund die Sonnenbrücke]]<br />
''siehe auch: [[Liste der Kulturdenkmäler in Speyer]]''<br />
<br />
Bedeutendstes Bauwerk ist der [[Speyerer Dom]]. Er wurde 1981 als zweites deutsches Kulturdenkmal ins [[United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization|UNESCO]]-[[Weltkulturerbe]] aufgenommen und gilt als das größte [[Romanik|romanische]] Bauwerk der Welt. Der Dombau wurde 1030 unter [[Kaiser]] [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] begonnen. Die 1041 geweihte [[Krypta]] ist die Grablege der [[Salier]].<br />
<br />
Am anderen Ende der Maximilianstraße (im Volksmund „Hauptstraße“ genannt), dem Dom direkt gegenüber, liegt das 55&nbsp;m hohe „[[Altpörtel]]“, das im Mittelalter das westliche Haupttor der Stadt darstellte. Die unteren Teile des heutigen Tores wurden zwischen 1230 und 1250 erbaut, das oberste Geschoss mit der Galerie und dem 20&nbsp;m hohen Walmdach wurde zwischen 1512 und 1514 hinzugefügt.<br />
<br />
Nach dem großen Stadtbrand wurde das Altpörtel 1708 mit einem neuen Schieferdach versehen. Im ersten Stockwerk befindet sich eine Dauerausstellung über die Geschichte der Speyerer Stadtbefestigung.<br />
<br />
Speyer besitzt im „[[Judenhof Speyer|Judenhof]]“ die älteste noch vollständig erhaltene deutsche [[Mikwe]], ein rituelles, jüdisches Bad aus dem 12. Jahrhundert.<br />
<br />
=== Kirchen ===<br />
[[Datei:Gedaechtniskirche Speyer Sued.jpg|miniatur|hochkant|[[Gedächtniskirche (Speyer)|Gedächtniskirche]]]]<br />
Im Rahmen des Wiederaufbaues der Stadt nach der Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg entstanden Anfang des 18. Jahrhunderts die [[Dreifaltigkeitskirche (Speyer)|Dreifaltigkeitskirche]] als lutherische Stadtkirche sowie die Heiliggeistkirche (heute profaniert) für die reformierte Gemeinde.<br />
<br />
Die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete [[Gedächtniskirche (Speyer)|Gedächtniskirche]] erinnert an die [[Speyerer Protestation]] im Jahr 1529.<br />
<br />
In unmittelbarer Nähe der Gedächtniskirche steht die katholische [[Josephskirche (Speyer)|Josephskirche]], die als Reaktion auf den Bau der Gedächtniskirche errichtet und 1914 eingeweiht wurde.<br />
<br />
In der Nähe des Bahnhofs befindet sich die [[Bernhardskirche (Speyer)|Bernhardskirche]] (1953 bis 1954), die als deutsch-französische Friedenskirche erbaut wurde.<br />
<br />
Für den Stadtteil [[Speyer-Nord]] wurden die Kirchen [[St. Konrad (Speyer)|St. Konrad]] und die [[Christuskirche (Speyer)|Christuskirche]] errichtet, für Speyer-West [[St. Otto (Speyer)|St. Otto]] und [[St. Hedwig (Speyer)|St. Hedwig]] sowie die ev. [[Johanneskirche (Speyer)|Johanneskirche]] und für Speyer-Süd die [[Auferstehungskirche (Speyer)|Auferstehungskirche]].<br />
<br />
Eine weitere evangelische Kirche ist die [[Heiliggeistkirche (Speyer)|Heiliggeistkirche]].<br />
<br />
Über eigene Kirchen verfügen auch jeweils die drei katholischen Frauenklöster und die evangelischen Diakonissen.<br />
<br />
Auch die [[Evangelisch-methodistische Kirche]], die [[Neuapostolische Kirche|Neuapostolische Gemeinde]], die [[Freie evangelische Gemeinde]], die freikirchliche [[Pfingstgemeinde]] und die [[Zeugen Jehovas]] verfügen über Kirchen bzw. Versammlungsorte.<br />
<br />
''siehe auch: [[Liste der Sakralbauten in Speyer]]''<br />
<br />
=== Kirchen und Klöster ===<br />
[[Datei:speyer-koelner-zeichnung.jpeg|miniatur|sog. „Kölner Zeichnung“ von 1606]]<br />
[[Datei:speyer-st-guido.jpeg|miniatur|St. Guido Stift (Ausschnitt aus dem Merian-Stich)]]<br />
Bis zur Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg verfügte Speyer über unzählige Kirchen, Klöster und Kapellen, von denen die meisten bis auf wenige Reste verschwunden sind.<br />
<br />
Hier eine Liste der bis 1689 vorhandenen Kirchen, Klöster und Kapellen in Speyer (ein Aufführen in der Liste bedeutet nicht automatisch, dass diese heute nicht mehr existieren: ** = wesentliche Teile erhalten / * = in Resten erhalten):<br />
<br />
* [[Speyerer Dom|Dom]] **<br />
* Dom – [[Speyerer Dom#Afra-Kapelle|Afrakapelle]] **<br />
* Dom – St. Emmeranskapelle **<br />
* [[Aegidienkirche (Speyer)|Ägidienkirche]] * ''neben der [[Josephskirche (Speyer)|Josephskirche]]''<br />
* [[Allerheiligenstift (Speyer)|Allerheiligenstift]]<br />
* [[Augustinerkloster (Speyer)|Augustinerkloster]] *<br />
* [[St. Bartholomaeus (Speyer)|St. Bartholomäus]]<br />
* [[Dominikanerkloster (Speyer)|Dominikanerkloster]] ** 1260 gegründet, nach 1689 wieder hergestellt, Heute ''Seminarkirche St. Ludwig''<br />
* [[Franziskanerkloster (Speyer)|Franziskanerkloster]]<br />
* [[Friedhofskapelle (Speyer)|Friedhofskapelle]] ** 1516 vollendet<br />
* [[St. Georg (Speyer)|St. Georg]] *<br />
* [[St. German (Speyer)|St German]]<br />
* [[St. Guido (Speyer)|St. Guido]] *<br />
* [[St. Jakob (Speyer)|St. Jakob]]<br />
* [[Jesuitenkirche (Speyer)|Jesuitenkirche]]<br />
* [[St. Johannes (Speyer)|St. Johannes]]<br />
* [[Karmeliterkloster (Speyer)|Karmeliterkloster]]<br />
* [[Kloster St. Magdalena (Speyer)|St. Magdalena]] ** gegründet 1232, seit 1304 Dominikanerinnen-Kloster<br />
* [[St. Markus (Speyer)|St Markus]]<br />
* [[St. Moritz (Speyer)|St. Moritz]]<br />
* [[St. Nikolaus (Speyer)|St Nikolaus]]<br />
* [[St. Peter (Speyer)|St. Peter]]<br />
* [[Retscher (Speyer)|Retscher]] – von 1628 bis 1648 wurde der „Retscher“ (Ruine eines Adelspalais der Familie Retschelin neben der Dreifaltigkeitskirche) als Betsaal der lutherischen Gemeinde benutzt<br />
* [[St. Stephan (Speyer)|St. Stephan]]<br />
<br />
=== Synagogen ===<br />
Die [[Synagoge Beith-Schalom]] (Haus des Friedens) ist seit 9. November 2011 die Speyerer [[Synagoge]] und das Gemeindezentrum der [[Judentum|Jüdischen]] Kultusgemeinde der Rheinpfalz. Es ist die insgesamt vierte Synagoge seit dem Bestehen von [[Jüdische Gemeinde Speyer|jüdischen Gemeinden in Speyer]].<br />
<br />
=== Moschee===<br />
2011 bis 2012 errichtete die Türkisch-Islamische Gemeinde im Speyerer Norden die [[Fatih-Moschee Speyer]].<br />
<br />
=== Friedhöfe ===<br />
* ''siehe [[Jüdische Friedhöfe in Speyer]]''<br />
* [[Friedhof Speyer]]<br />
<br />
=== Museen ===<br />
Das [[Historisches Museum der Pfalz|Historische Museum der Pfalz]] verfügt über römische und mittelalterliche Ausstellungsstücke aus der Region, insbesondere Reste der alten Domausstattung und einen der bedeutendsten Funde der Bronzezeit den in [[Schifferstadt]] gefundenen [[Goldener Hut von Schifferstadt|Goldenen Hut]], einen mit kreisförmigen Ornamenten reich verzierten, aus Gold getriebenen Kultkegel.<br />
[[Datei:Speyer BW 2.JPG|miniatur|links|[[Historisches Museum der Pfalz]] Haupteingang]]<br />
[[Datei:742 technik museum speyer.jpg|miniatur|Boeing 747 im [[Technik-Museum Speyer|Technikmuseum Speyer]]]]<br />
[[Datei:Hans Purrmann.jpg|miniatur|Portrait-Stele Hans Purrmann in [[Langenargen]]]]<br />
Unweit des Stadtzentrums befindet sich das [[Technik-Museum Speyer|Technikmuseum Speyer]], das eine sehr große Anzahl von technischen Meisterleistungen insbesondere aus dem Fahrzeug- und Flugzeugbau, unter anderem die weit sichtbare Boeing 747-230 „Schleswig-Holstein“ und die russische Raumfähre [[OK-GLI|„Buran“]] zeigt.<br />
<br />
Dem [[Gesamtwerk|Oeuvre]] zweier bedeutender Söhne der Stadt sind Dauerausstellungen in ihren jeweiligen Geburtshäusern gewidmet: [[Anselm Feuerbach]] (1829–1880) im [[Feuerbachhaus (Speyer)|Feuerbachhaus]] und [[Hans Purrmann]] (1880–1966) im [[Purrmann-Haus]]. Letzterem ist ein bundesweit anerkannter Preis der Stadt Speyer für Bildende Kunst gewidmet.<br />
<br />
Das [[Museum SchPIRA]] präsentiert archäologische Exponate aus dem [[Jüdische Gemeinde Speyer|jüdischen Leben Speyers]] im [[Mittelalter]]. Mit dem benachbarten [[Judenhof Speyer|Judenhof]] können die drei wichtigsten Säulen der jüdische Gemeinde besichtigt werden, Synagoge, Friedhof und [[Mikwe]].<br />
<br />
=== Bibliotheken und Archive ===<br />
==== Bibliotheken ====<br />
* Speyer ist Standort der [[Pfälzische Landesbibliothek Speyer|Pfälzischen Landesbibliothek]], mit etwa 1 Million wissenschaftlicher Bücher, 110.000 Musiknoten, etwa 700 Handschriften, 150 Inkunabeln und etwa 100 Nachlassbeständen die größte Bibliothek der Region. Sie besitzt seit 1947 das Pflichtexemplarrecht für den damaligen Regierungsbezirk Pfalz.<br />
<br />
* Die Bibliothek der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften, eine Präsenzbibliothek, hält 250.000 Bände zu den Themen Staat und Verwaltung vor und ist damit die größte [[verwaltungswissenschaft]]liche Spezialbibliothek in Deutschland.<ref>http://192.124.238.252/biblio/</ref><br />
<br />
* Das [[Priesterseminar Speyer|Bischöfliche Priesterseminar St. German]] unterhält eine Bibliothek mit etwa 200.000 Bänden.<ref>http://cms.bistum-speyer.de/bibliothek-ps/</ref><br />
<br />
* Die [[Bibliothek und Medienzentrale der Evangelischen Kirche der Pfalz]] verfügt über etwa 100.000 Bände.<ref>http://www.kirchenbibliothek.de/</ref><br />
<br />
* Die Kommune selbst unterhält die Stadtbücherei Speyer mit etwa 80.000 Medien.<ref>http://buecherei.speyer.de/index.asp?lkz=&nextpage=&time=21:29:230</ref><br />
<br />
* Darüber hinaus verfügt Speyer über die [[Bibliothèque Française Speyer e.&nbsp;V.]]<ref>[[RheinNeckar:Französische Bibliothek|Französische Bibliothek]] im [[RheinNeckar:Hauptseite|Rhein-Neckar-Wiki]]</ref> die etwa 3.500 Medien in französischer Sprache anbietet.<ref>http://www.bibliotheque-francaise-speyer.de</ref> Darüber hinaus veranstaltet die Bibliothèque française regelmäßig Lesungen mit französischsprachigen Autoren.<br />
<br />
==== Archive ====<br />
Als Archivstandort verfügt Speyer über vier Archive: das [[Pfälzisches Landesarchiv|Pfälzische Landesarchiv]], das [[Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz]], das katholische [[Bistum Speyer|Bistumsarchiv]] und über das älteste kommunale Archiv der [[Pfalz (Region)|Pfalz]], das [[Stadtarchiv Speyer]].<br />
<br />
=== Theater ===<br />
Die Stadt Speyer unterhält seit 1990 selbst ein [[Kinder- und Jugendtheater]].<ref>http://www.speyer.de/de/kultur/theater/kijuall</ref><br />
<br />
Theater, Musicals und andere Bühnenaufführungen werden unter dem Titel ''Theater in der Stadthalle''<ref>http://www.speyer.de/de/kultur/theater/Theaterspielplan</ref> angeboten von einer privaten Veranstalterin<ref>http://www.saltengastspiele.de/content/view/38/33/</ref>, der die Halle zu günstigen Konditionen überlassen wird.<br />
<br />
Im Rathaus bietet das [[Nicole Risse-Kaufmann#Zimmertheater Speyer|Zimmertheater Speyer]]<ref>http://www.speyer.de/de/kultur/theater/zimmer?cmd=print</ref> Theaterstücke, Kabarett und Kleinkunst.<br />
<br />
=== Kunst, Musik, Veranstaltungen, Unterhaltung ===<br />
[[Datei:Warturm.JPG|miniatur|[[Haus der Badisch-Pfälzischen Fasnacht]] und Wormser Warte]]<br />
Von August bis Oktober jeden Jahres werden in der Trägerschaft des Domkapitels Speyer, des SWR und der Stadt Speyer die Internationalen Musiktage „Dom zu Speyer“ veranstaltet. Neben der Austragung des Internationalen Orgelwettbewerbs „Dom zu Speyer“ stehen Sinfoniekonzerte, Abende mit Kammermusik und geistlicher Musik auf dem Programm. Ins Leben gerufen wurde dieses Festival 1980, als anlässlich der 950-Jahrfeier der Grundsteinlegung des Speyerer Domes der Internationale Orgelwettbewerb startete. Daraus entwickelte der künstlerische Leiter, Domkapellmeister Prof. Leo Krämer, die „Internationalen Musiktage Dom zu Speyer“ mit dem darin eingebetteten „Internationalen Orgelwettbewerb Dom zu Speyer“.<br />
<br />
Die Stadt verfügt mit dem Musik- und Kulturzentrum Halle 101, Träger ist der Rockmusikerverein Speyer e.&nbsp;V. gegründet 1992, über eine der größten ehrenamtlichen Institutionen im Bereich Rockmusik/Nachwuchsförderung in ganz Deutschland. Mit dem Ehrenamtspreis des Landes Rheinland-Pfalz 2003 ausgezeichnet, ist die Halle 101 der Gegenpol zu den klassischen Touristenadressen in Speyer. Konzerte, von Gruppen wie Saga, Manfred Mann, Nazareth, Sven Väth, Jadakiss, Partys der Schüler und Studentengruppen, aber besonders die Förderung des Musikernachwuchses bestimmen das Programm.<br />
[[Datei:Dom291209.JPG|miniatur|links|Speyerer Dom zur Weihnachtszeit]]<br />
[[Datei:SPWeihnachtsmN.JPG|miniatur|Speyerer Weihnachtsmarkt]]<br />
Am jeweils zweiten Juliwochenende (Freitag bis Dienstag) findet das traditionsreiche ''[[Speyerer Brezelfest]]'' statt. Das Brezelfest gilt als das größte Volksfest am Oberrhein. Am zweiten Wochenende im August wird auf der ganzen Länge der Maximilianstraße die ''Kaisertafel'' aufgestellt. Zwei weitere kleinere Volksfeste sind die Frühjahrs- und Herbstmesse. Der zweite festliche Höhepunkt im Jahr ist das ''Altstadtfest,'' das jährlich am zweiten Wochenende im September in den Gassen nördlich des Domes stattfindet.<br />
<br />
In der Vorweihnachtszeit wird auf dem alten Markt zwischen Dom und Alter Münz ein Weihnachtsmarkt abgehalten. Der Dom ist in dieser Zeit besonders festlich beleuchtet.<br />
<br />
Das Haus der Badisch-Pfälzischen Fastnacht ist Treffpunkt, Museum und Archiv der [[Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine]].<br />
<br />
Jedes Jahr zu Ostern findet mit dem Satanic Stomp in Speyer das größte [[Psychobilly]]-Festival Deutschlands statt.<br />
<br />
=== Sport ===<br />
In Speyer existieren 17 Großspielfelder, davon 8 von Vereinen, 14 Kleinspielfelder, davon 7 von Vereinen, 13 Bolzplätze, 8 Gymnastikwiesen, davon 4 von Vereinen, 24 Tennisplätze, 2 Tennishallen, 14 Bahnen-Kegelanlagen, 4 Steganlagen für Boote, 2 Yachthäfen, 3 Reitplätze, 3 Reithallen, 1 Schießsportanlage, 1 Trimmanlage, 1 Minigolfanlage, 1 Skaterpark, 1 Minipipe, 1 Schwimmhalle und damit verbunden 1 Freibad sowie 1 Flugsportanlage.<ref>Flächennutzungsplan 2020, S. 195</ref> Im Jahr 2004 waren in 47 Sportvereinen 13.937 Mitglieder organisiert.<ref>Vorentwurf FNP 13. September 2005, S. 60</ref><br />
<br />
Ein Verein ist der [[JSV Speyer]], dessen Judogruppe national und international große Erfolge hat (mehrere Deutsche Meister).<br />
Derzeit ist die Männermannschaft in der 2. und die Damenmannschaft in der 1. Judo Bundesliga. Außerdem leitet den Leistungssport dort der ehemalige ungarische Nationaltrainer Ference Nemeth. Im Dezember 2011 wurde das ''Judo-Sportzentrum Speyer'' als Landesleistungszentrum eröffnet.<ref>[http://www.judo-speyer.de/Projekte/Judohalle/Bau_Doku_Berichte.php JSV Speyer über Judo-Sportzentrum]</ref><br />
<br />
Das Basketballteam [[BIS Baskets Speyer]] spielt in der [[Pro B]] und ist somit Speyers erfolgreichster Sportverein. Heimspiele werden in der Nord-Halle Speyer ausgetragen.<br />
Seit 2005 spielen die Damen der SG Towers Speyer-Schifferstadt in der 2. Damen-Basketball-Bundesliga.<br />
<br />
Der bekannteste Fußballverein [[FV Speyer]] fusionierte im Jahr 2009 mit dem VfR Speyer zum ''FC Speyer 09.''<br />
<br />
Der Schwimmer [[Thomas Ligl]], Mitglied des Wassersportvereins Speyer (WSV), wurde 2004 zweifacher Weltmeister der Masters über 50&nbsp;m, 100&nbsp;m und 200&nbsp;m Brust und wurde wegen weiterer sportlicher Erfolge in den Jahren 1984, 1990, 2001 und 2004 Sportler des Jahres der Stadt. Er hält seit 1987 bis heute den deutschen Rekord in der AK 25 über 100&nbsp;m Brust auf der 50-m-Bahn. Sein Weltrekord wurde inzwischen unterboten.<br />
<br />
== Wirtschaft und Infrastruktur ==<br />
=== Wirtschaft ===<br />
==== Industrie ====<br />
* Elektroindustrie, vor allem ein großes Werk des [[Tyco]]-Electronics-Konzerns (früher [[Siemens]]).<br />
* Flugzeugbau, vor allem die [[Pfalz-Flugzeugwerke]] GmbH sowie der Hersteller von Ultraleichtflugzeugen FK-Leichtflugzeuge<br />
* Fahrzeugbauzulieferer, vor allem ein großes Werk der [[Mann+Hummel GmbH]] (neben Luftfiltern für Fahrzeuge auch Industriefilter)<br />
* Maschinenbau, vor allem die Loeser GmbH<br />
* Chemie, vor allem ein Werk der Thor GmbH und die Spezialraffinerie Haltermann<br />
* Isolierstoffe, vor allem ein großes Werk von Saint-Gobain [[ISOVER]] G+H zur Herstellung von Isoliermaterial aus Glasfasern und ein Werk der Pan-Isovit AG.<br />
* Druckereien<br />
<br />
==== Dienstleistung ====<br />
In der Innenstadt von Speyer bestehen (2007) aktuell 177 Ladengeschäfte mit einer Verkaufsfläche von 29.785&nbsp;m². Die drei stärksten Branchen sind Bekleidung/Textil mit 54 Betrieben und 12.735&nbsp;m² Verkaufsfläche, Schuhe mit 20 Betrieben mit 3.700&nbsp;m² und Einrichtungsbedarf mit 4.535&nbsp;m² Verkaufsfläche. Größte Einzelbetriebe sind der Kaufhof mit etwa 8180&nbsp;m² und der C&A-Bekleidungsmarkt mit etwa 2100&nbsp;m². Die 19 größten Geschäfte erzielten einen Umsatz von 101 Mio. Euro.<br />
<br />
Stark gewachsen ist in Speyer in den letzten Jahren der [[Tourismus]].<br />
<br />
=== Behörden und Einrichtungen ===<br />
Zahlreiche Verwaltungseinrichtungen, regional und überregional wichtige Behörden und Institutionen haben in Speyer ihren Sitz:<br />
* Landes[[rechnungshof]] Rheinland-Pfalz,<br />
* [[Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz]] des Landes Rheinland-Pfalz,<br />
* [[Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung]] Speyer<br />
* [[Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz]] (mit fast 1300 Mitarbeitern vor Ort),<br />
* [[Landwirtschaftliche Sozialversicherung]] Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (Berufsgenossenschaft – Alterskasse – Krankenkasse – Pflegekasse)<br />
* Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), regionale Dienststelle Speyer (LBM Speyer)<br />
* [[Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)]]<br />
* [[Bistum Speyer|Kath. bischöfliches Ordinariat Speyer]] (kath. Diözesanverwaltung)<br />
* Finanzamt Speyer-Germersheim<br />
* [[Verband deutscher landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten]] und die LUFA Speyer<br />
* Bundeswehr, Kurpfalzkaserne Speyer [[Spezialpionierbataillon 464]] (Schließung der Kaserne angekündigt<ref>http://www.rhein-zeitung.de/regionales_artikel,-Bundeswehrreform-Fuenf-Standorte-im-Land-fallen-weg-Birkenfeld-Speyer-Kusel-Stegskopf-_arid,326461.html</ref>)<br />
<br />
==== Größte Arbeitgeber ====<br />
Die Liste der größten Arbeitgeber ab 100 Beschäftigte zeigt Speyer als Stadt der Dienstleistungen. Die größten Arbeitgeber in Speyer sind (Stand 2008)<ref>Broschüre Standortdaten Speyer (30. Juni 2008), Seiten 5-8</ref>: [[Diakonissen Speyer-Mannheim]] (in Speyer): 2200, [[Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz]]: 1323, Bischöfliches Ordinariat: 1004, Stadtverwaltung: 954, Evangelische Heimstiftung: 930, Tyco Electronics: 900, Pfalz-Flugzeugwerke (PFW): 826 (plus 41 Azubis), Postfrachtzentrum: 650, Protestantische Landeskirche: 603 (plus 703 Pfarrer/innen), Filterwerk Mann u. Hummel (in Speyer): 505, Standortverwaltung der Bundeswehr: 485, Thor Chemie: 450, Kreis- und Stadtsparkasse: 426, Volksbank Kur- und Rheinpfalz (insgesamt): 426, Klambt-Verlag (insgesamt): 342, Diakonisches Werk: 309, Vincentius-Krankenhaus: 302, Landwirtschaftliche Sozialversicherung Hessen – Rheinland-Pfalz – Saarland: 300, Saint-Gobain Isover: 280, Finanzamt (in Speyer): 249, Stadtwerke Speyer: 224, Elopak: 220, Marktkauf: 200, Gartner Speditions GmbH: 160, Kissler: 155, Lidl-Zentrallager: 153, Bopp + Reuther: 152, [[PM-International AG]]: 150, Lindner Hotel & Spa Binshof: 130, Bauhaus: 120, Rechnungshof: 119, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften: 116, Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt: 115, Landesbetrieb Mobilität: 104, Pneuhage – Interpneu-Zentrallager Speyer: 100<br />
<br />
=== Gerichte ===<br />
Zuständig in [[Zivilsache]]n sind je nach [[Streitgegenstand]] und [[Streitwert]] das [[Amtsgericht Speyer]] oder das [[Landgericht Frankenthal]]. Darüber wölbt sich als [[Rechtsmittel]]gericht das [[Oberlandesgericht Zweibrücken]].<br />
<br />
Diese Gerichte sind je nach Schwere des [[Delikt]]s auch die zuständigen [[Strafgericht]]e. Strafdelikte in Speyer werden von der [[Staatsanwaltschaft]] [[Frankenthal (Pfalz)|Frankenthal]] verfolgt.<br />
<br />
Zuständiges Gericht in [[Öffentliches Recht|öffentlich-rechtlichen]] Streitigkeiten ist das [[Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße]]. In [[Arbeitsrecht (Deutschland)|arbeitsrechtlichen]] Streitigkeiten ist der Rechtsweg zum [[Arbeitsgericht Ludwigshafen]] eröffnet. In [[Sozialrecht (Deutschland)|Sozialrechtsfällen]] ist das [[Sozialgericht Speyer]] zuständig.<br />
<br />
=== Krankenhäuser ===<br />
Die [[Diakonissen Speyer-Mannheim]] sind Träger des größten regionalen Krankenhauses (kurz: das ''Diakonissen'') und weiterer Einrichtungen in und um Speyer. 1859 nahmen die ersten [[Diakonissen]] in Speyer ihre Tätigkeit als christlichen Dienst auf. Heute sind die Diakonissen ein bedeutender Arbeitgeber für 2500 Menschen in vielen Arbeitsfeldern: Krankenhäuser, Kindergärten und Hort, Jugendhilfemaßnahmen, Behindertenarbeit, Altenheime und Hospiz. Mit dem städtischen Stiftungskrankenhaus hat die ''Diakonissenanstalt'' überdies eine traditionsreiche Speyerer Einrichtung übernommen. Als zweites Krankenhaus besteht in Speyer das von einem katholischen Orden getragene St. Vincentius. Dies blickt auf eine über 100-jährige Tradition zurück. Die beiden Krankenhäuser ergänzen sich in ihrem Spektrum: so sind zum Beispiel die Gefäßchirurgie, Pädiatrie und Gynäkologie im Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus, im „Vincenz“ die Unfallchirurgie und die Urologie.<br />
<br />
=== Feuerwehr ===<br />
Die [[Freiwillige Feuerwehr]] Speyer gehört zum Fachbereich 2 (Sicherheit, Ordnung, Umwelt, Bürgerdienste, Verkehr) der Stadt. Zur Feuerwehr gehören gut 150 freiwillige und einige hauptamtliche Feuerwehrleute, die sich auf zwei Standorte verteilen: die Hauptwache mit der Einsatzzentrale in der Industriestraße und die Wache 2 (Nord) in der Viehtrieftstraße. Eine Freiwillige Feuerwehr besteht in Speyer seit 1848, daneben gab es seit dem Mittelalter die „Städtische-Löschanstalt“. 1860 beschloss die Stadt eine neue Feuerlöschordnung und vereinigte beide Organisationen.<ref>[http://www.feuerwehr-speyer.de/ Website der Feuerwehr Speyer], dort [http://www.feuerwehr-speyer.de/pages/startseite/daten.php Daten] und [http://www.feuerwehr-speyer.de/pages/startseite/geschichte.php Geschichte]. (Abgerufen am 16. Juli 2010.)</ref><br />
<br />
=== Bildung ===<br />
====Schulen====<br />
Speyer hat einen größeren Einzugsbereich mit seinen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Drei staatliche und zwei konfessionelle Gymnasien, eine Integrierte Gesamtschule sowie das Speyer-Kolleg führen zur Hochschulreife. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Berufs-, Berufsfach- und Fachoberschulen.<br />
<br />
Die Bedeutung Speyers als Schulstadt belegen folgende Zahlen: Im Jahre 2007/08 gab es bundesweit 9,18 Millionen Schüler an allgemein bildenden Schulen, was einem Bevölkerungsanteil von etwa 11,2 % entsprach. In Speyer gingen in diesem Jahr 8.710 Schüler zur Schule; dies entsprach einem Anteil von etwa 17,5 % an der Speyerer Bevölkerung.<br />
Interessant ist auch die Verteilung der einzelnen Abschlussarten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Besonders hervor sticht in Speyer der hohe Anteil der Abschlüsse, die zur Hochschul- bzw. Fachhochschulreife führen, mit 49,5 %. Es gibt in der Region nur eine Stadt, die diesen Wert knapp übertrifft, nämlich Heidelberg mit 49,9 %. Dieser Wert wird in Westdeutschland kein weiteres Mal und in Ostdeutschland nur drei Mal übertroffen.<ref>http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|--- class="hintergrundfarbe5"<br />
!Gebiet bzw.<br />Stadt<br />
!align="center" | Anzahl<br />Schüler<br />
!align="center" | Anteil<br />an Wohn-<br />bevölkerung<br />%<br />
!align="center" | Anteil<br />o. Abschluss<br />%<br />
!align="center" | Anteil<br />Hauptschule<br />%<br />
!align="center" | Anteil<br />Realschule<br />%<br />
!align="center" | Anteil<br />Hochschulreife<br />%<br />
|----<br />
|Deutschland<br />
|align="right" |9.183.811<br />
|align="right" |11,2<br />
|align="right" |7,4<br />
|align="right" |23,3<br />
|align="right" |40,9<br />
|align="right" |28,5<br />
|----<br />
|Speyer<br />
|align="right" |8.710<br />
|align="right" |17,5<br />
|align="right" |4,0<br />
|align="right" |17,2<br />
|align="right" |29,2<br />
|align="right" |49,5<br />
|----<br />
|Heidelberg<br />
|align="right" |16.179<br />
|align="right" |12<br />
|align="right" |4,1<br />
|align="right" |17,7<br />
|align="right" |28,3<br />
|align="right" |49,9<br />
|----<br />
|Neustadt<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |44,5<br />
|----<br />
|Kaiserslautern<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |44,1<br />
|----<br />
|Landau<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |40,0<br />
|----<br />
|Ludwigshafen<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |28,8<br />
|----<br />
|Mainz<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |<br />
|align="right" |44,4<br />
|}<br />
<br />
====Universität====<br />
Speyer ist Sitz einer post-universitären Bildungseinrichtung, der [[Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer|Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer]], der einzigen Ausbildungsstätte ihrer Art für den gesamten höheren Verwaltungsdienst in der Bundesrepublik Deutschland.<br />
<br />
Die Stadtbücherei befindet sich in der [[Villa Kirrmeier-Ecarius]].<br />
<br />
=== Verkehr ===<br />
<br />
====Rad/Fuß====<br />
Radwanderwege bestehen den Rhein entlang, von [[Bruchsal]] nach Speyer und von Speyer nach [[Neustadt an der Weinstraße]]. Speyer ist ein klassischer Startpunkt für den Pilgerweg nach [[Santiago de Compostela]], dessen Wiederbelebung vom [[Bistum Speyer]] stark gefördert wurde.<br />
<br />
====Öffentlicher Pernsonennahverkehr (ÖPNV)====<br />
Speyer gehört zum '''Verkehrsverbund Rhein-Neckar''' ('''VRN'''), einem [[Verkehrsverbund]] im [[Rhein-Neckar-Dreieck]] in den Bundesländern [[Rheinland-Pfalz]], [[Hessen]] und [[Baden-Württemberg]]. Im Gebiet des VRN verkehren Züge der Deutschen Bahn und anderer Verkehrsunternehmen, die S-Bahn RheinNeckar sowie Straßenbahnen und Busse. <br />
<br />
;Busverkehr<br />
Der Stadtbusverkehr Speyer gehört auch zum VRN und liegt in Händen der BRN Stadtbus GmbH (BRN) und der FirstGroup Rhein-Neckar GmbH (First) (ehem. Firma Merl). Diese bedienen die Stadtbuslinien 561, 562, 563 und 564 sowie die Shuttlelinie 565 zwischen Hauptbahnhof und Rhein. Diese fünf Buslinien bilden das städtische Busnetz. <br />
<br />
Mit dem benachbarten Umland, einschließlich der rechten Rheinseite, stellen die Buslinien 572 (Richtung Ludwigshafen und Germersheim), 573 (Richtung Neustadt), 578 (Römerberg) und 717 (Richtung Heidelberg) Verbindungen her.<br />
<br />
Die Verkehrsbetriebe Speyer (VBS) sind lediglich für die straßengebundenen Infrastruktureinrichtungen des ÖPNV in Speyer zuständig. Zu diesen zählen Haltestellen, Wartehallen und der Busbahnhof (ZOB) an der Nordseite des Hauptbahnhofes.<ref>http://www.verkehrsbetriebe-speyer.de/index.php/stadtverkehr.html</ref><br />
<br />
;Schienenverkehr<br />
[[Datei:Speyerer Hauptbahnhof- Empfangsgebäude- von Bahnhofstraße aus 7.7.2009.jpg|miniatur|Das Empfangsgebäude des Speyerer Hauptbahnhofes]]<br />
Der größte Teil des Schienenverkehrs wird zwischenzeitlich über den VRN abgewickelt. Seit der Einführung der [[S-Bahn RheinNeckar]] fahren die Linien S&nbsp;3/4 ab [[Speyer Hauptbahnhof]] und über den Haltepunkt ''Speyer-Nord/West'' in einem gemeinsamen Halbstundentakt in Richtung Mannheim, dessen Bahnhof, einer der wichtigsten ICE/IC-Knotenbahnhöfe Deutschlands mit ausgezeichneten Fernverbindungen, in 25 Minuten erreicht wird. In [[Schifferstadt]] besteht Anschluss an die Linien S&nbsp;1/2 nach Neustadt und Kaiserslautern. Ende 2006 wurde die S-Bahn über Speyer hinaus bis nach Germersheim verlängert. <br />
<br />
Der alle zwei Stunden verkehrende Regionalexpress erreicht Karlsruhe in 40 und [[Mainz]] in 60 Minuten. Außerdem halten in Speyer täglich mehrere Regionalbahnen mit den Zielen Ludwigshafen BASF und Wörth (Rhein).<br />
<br />
====Überörtliche Straßenanbindung====<br />
<br />
Speyer hat direkten Anschluss an das Bundesstraßen- und Autobahnnetz. Die nördlich gelegenen Städte [[Ludwigshafen am Rhein|Ludwigshafen]] und [[Mannheim]] und das südlich gelegene [[Karlsruhe]] sind über die [[Bundesstraße 9|B&nbsp;9]], die die Bebauung der Stadt westlich begrenzt, in etwa 20 Minuten zu erreichen. Die [[Bundesautobahn 61]], von der deutsch-niederländischen Grenze von Nordwesten kommend, durchquert den nördlichsten Teil der Stadt und führt über den Rhein zur [[Bundesautobahn 6|A&nbsp;6]] am Autobahndreieck [[Hockenheim]]; Anschlussstellen gibt es im Norden an der B&nbsp;9 und im Osten an der B&nbsp;39. Außerdem verläuft die [[Bundesstraße 39|B&nbsp;39]] zum 20&nbsp;km westlich gelegenen [[Neustadt an der Weinstraße]] durch die Stadt. Die B&nbsp;9 ist vierspurig, beide Bundesstraßen sind kreuzungsfrei ausgebaut und haben auf Speyerer Gemarkung sieben Abfahrten. Wegen des dazwischenliegenden unzerstörten Schwetzinger Waldes ist das gut 30 Straßenkilometer östlich gelegene [[Heidelberg]] in 40–45 Minuten zu erreichen.<br />
<br />
Der Rhein wird in Speyer von der [[Salierbrücke]], über die die [[Bundesstraße 39]] verläuft, und von der [[Rheinbrücke Speyer (A 61)|Autobahnbrücke]] der [[Bundesautobahn 61|A&nbsp;61]] gequert.<br />
<br />
====Carsharing====<br />
[[Carsharing]] wird neben dem zu Fuß gehen, dem Rad fahren und dem Öffentlichen Nahverkehr oft als vierte Säule des [[Umweltverbund]]es bezeichnet. In Speyer gibt es seit über 10 Jahren ein Carsharing-Angebot und ergänzt das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs. An vier Carsharing-Stationen im Stadtgebiet stehen den Nutzern 4 Teilautos zur Verfügung. Kooperationen des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar und der RNV mit [[Stadtmobil]] ermöglichen Besitzern von ÖPNV-Jahresabonnements die besonders günstige Nutzung von Carsharing.<br />
<br />
====Rhein====<br />
Speyer liegt am [[Rhein]] und besitzt im Süden einen Hafen für Mineralölprodukte (für das Tanklager und die Spezialraffinerie), die Schiffswerft Braun mit dem südlichen Yachthafen und östlich des Domparks Anlegestellen für Passagierschiffe. Der klassische (alte) [[Hafen]] östlich der Altstadt, in dem zuletzt vor allem Getreide, Kies, Baustoffe und Schrott umgeschlagen wurden, wurde geschlossen und in einen Yachthafen umgewandelt. Dort befindet sich auch ein kommerzielles Aquarium der SeaLife-Gruppe, das Fische von den Quellbächen des Rheins bis zur Nordsee zeigt. Im Sommer finden täglich Fahrten mit zwei fest in Speyer stationierte Ausflugsschiffe statt. Im Sommer wird zeitweise, ganz im Süden der Gemarkung eine [[Rheinhäuser Fähre|Personenfähre nach Rheinhausen]] betrieben.<br />
<br />
====Flug====<br />
Die Internationalen Flughäfen Frankfurt und Stuttgart sind in gut einer Stunde zu erreichen. Der [[Flugplatz Speyer]] ist als Verkehrslandeplatz klassifiziert und besitzt nach dem Ausbau 2011 die längste Lande- und Startbahn der Region. Nutzer sind vor allem Firmenjets und ein sehr aktiver Flugsportverein. Der Ausbau war aufgrund des Schutzes des nahegelegenen Auwaldes heftig umstritten.<br />
<br />
=== Medien ===<br />
''' Tageszeitungen '''<br />
<br />
In Speyer erscheint seit 1952 als [[Tageszeitung]] die ''[[Speyerer Rundschau]]'' als Lokalausgabe der Zeitung ''[[Die Rheinpfalz]]'' und seit dem 2. Januar 2003 die ''[[Speyerer Morgenpost]].'' Auch die über den Rhein benachbarte ''[[Schwetzinger Zeitung]]'' bringt werktäglich Lokalnachrichten aus Speyer.<br />
<br />
Von 1952 bis zum 31. Dezember 2002 erschien zudem die ''[[Speyerer Tagespost]].''<br />
<br />
''' Wochenzeitung '''<br />
<br />
Seit 1848 erscheint [[der Pilger]], die Kirchenzeitung des Bistums Speyer, mit Bistums- und Lokalnachrichten.<br />
<br />
''' Internet-Zeitung '''<br />
<br />
Als [[Internet-Zeitung]] hat sich ''speyer-aktuell.de'' etabliert.<br />
<br />
''' Chronik '''<br />
<br />
Als [[Chronik]] der Stadt gibt der [[Speyerer Verkehrsverein]] die ''Speyerer Vierteljahreshefte'' heraus.<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
→ ''Hauptartikel: [[Liste von Persönlichkeiten der Stadt Speyer]]''<br />
<br />
Berühmte Persönlichkeiten aus Speyer sind unter anderem der Alchemist [[Johann Joachim Becher]], der Maler [[Anselm Feuerbach]], der General [[Karl Becker (General)|Karl Becker]], der Organist [[Ludwig Doerr]], der Bildende Künstler und Hochschullehrer [[Eberhard Bosslet]], der Schriftsteller und Hochschullehrer [[Thomas Lehr]], der Leichtathlet [[Christian Reif]] sowie der Trompeter [[Helmut Erb]].<br />
<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
''→ Hauptartikel: [[Liste der Ehrenbürger von Speyer]]''<br />
<br />
Die Stadt Speyer hat seit 1832 20 Personen das Ehrenbürgerrecht verliehen. Sie würdigt damit jene Personen, die sich in herausragender Weise für die Domstadt engagiert haben.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Jüdische Gemeinde Speyer]]<br />
* [[SCHUM-Städte]], [[Die Weisen von Speyer]]<br />
* [[Speyerer Landwehr]]<br />
* [[Speyer-Nord]]<br />
* [[Speyer-West]]<br />
* [[Binsfeld (Speyer)|Binsfeld]]<br />
* [[Speyerer Auwald]]<br />
* [[Speyerer Wald]]<br />
* [[Angelhofer Altrhein]]<br />
* [[Friedhof Speyer]]<br />
* [[Liste der Kulturdenkmäler in Speyer]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Bibliografie ===<br />
* Kathrin Hopstock, Sigrid Werner: ''Quellen zur Geschichte Speyers. Bücher, Urkunden, Bilder. Eine Auswahl aus den Beständen von Stadtarchiv und Stadtbücherei.'' Stadtarchiv, Speyer 1990<br />
<br />
=== Stadtgeschichten ===<br />
* [[Christoph Lehmann (Schriftsteller)|Christoph Lehmann]]: ''Chronica der Freien Reichs Stadt Speyer.'' Erste Ausgabe. Rosen, Frankfurt am Main 1612.<br />
* Christoph Lehmann: ''Chronica der freyen Reichsstadt Speier.'' Frankfurt am Main 1698.<br />
* Carl Weiss: ''Geschichte der Stadt Speier.'' Gilardone, Speyer 1876. [http://www.dilibri.de/rlb/content/titleinfo/140492 Digitalisat]<br />
* Fritz Klotz: ''Speyer, eine kleine Stadtgsschichte.'' Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte, Heft 2, Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz, 1971, mehrere Auflagen.<br />
* Stadt Speyer (Hrsg.): ''Geschichte der Stadt Speyer.'' Bd. 1–3. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007522-5.<br />
* [[Ferdinand Schlickel]]: ''Speyer. Von den Saliern bis heute. 1000 Jahre Stadtgeschichte.'' Hermann G. Klein Verlag, Speyer 2000, ISBN 3-921797-60-8.<br />
* Sabine Happ: ''Stadtwerdung am Mittelrhein. Die Führungsgruppen von Speyer, Worms und Koblenz bis zum Ende des 13. Jahrhunderts.'' Böhlau-Verlag, Köln unter anderem 2002, ISBN 3-412-12901-1.<br />
* [[Hans Ammerich]]: ''Kleine Geschichte der Stadt Speyer.'' G. Braun Buchverlag, 2008, ISBN 978-3-7650-8367-9.<br />
<br />
=== Einzelthemen ===<br />
* [[Wolfgang Eger]]: ''Speyerer Straßennamen. Ein Lexikon.'' Hermann G. Klein Verlag, Speyer 1985, ISBN 3-921797-08-X.<br />
* Stadt Speyer und dem Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Amt Speyer (Hrsg.): ''UNTER DEM PFLASTER VON SPEYER, Archäologische Grabungen von 1987 bis 1989.'' 1. Auflage. Verlag der Zechnerschen Buchdruckerei in Speyer, 1989, ISBN 3-87928-894-1.<br />
* Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche der Pfalz (Hrsg.): ''Erbe und Auftrag. Die Gedächtniskirche zu Speyer im Strom protestantischer Erinnerungskultur.'' verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2004, ISBN 978-3-89735-277-3.<br />
* Hubert Neumann: ''Sozialdisziplinierung in der Reichsstadt Speyer im 16. Jahrhundert.'' Gardez Verlag, St.&nbsp;Augustin 1997.<br />
* [[Johannes Bruno]]: ''Schicksale Speyerer Juden 1800–1980.'' Schriftenreihe der Stadt Speyer, Band 12, 2000, ISSN 0175-7954.<br />
* Johannes Bruno, [[Lenelotte Möller]] (Hrsg.): ''Der Speyerer Judenhof und die mittelalterliche Gemeinde. Verkehrsverein Speyer.'' Speyer 2001.<br />
* Johannes Bruno: ''Die Weisen von Speyer oder Jüdische Gelehrte des Mittelalters.'' Schriftenreihe der Stadt Speyer, Band 14, 2004, ISSN 0175-7954.<br />
* Johannes Bruno, Eberhard Dittus: ''Jüdisches Leben in Speyer. Einladung zu einem Rundgang.'' Haigerloch 2004.<br />
* Johannes Bruno: ''Das Mahnmal für die jüdischen Opfer der Naziverfolgung 1933–1945.'' Schriftenreihe der Stadt Speyer, Band 16, 2008.<br />
* Hermann W. Morweiser: ''Vom antifaschistischen Widerstand in Speyer.'' VVN-Bund der Antifaschisten, Speyer 1983.<br />
<br />
=== Karten ===<br />
*Die Geologie Speyers ist erfasst und dargestellt in der Karte ''Geologische Übersichtskarte 1 : 200 000, Blatt CC 7110 Mannheim''<ref>http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Sammlungen-Grundlagen/GG_geol_Info/NichtPublizieren/Deutschland/GUEK200/Texte/Mannheim.html</ref> der [[Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe]].<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Speyer}}<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.speyer.de/ Stadt Speyer]<br />
* {{DNB-Portal|4056179-3|TYP=Literatur zu}}<br />
* {{dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Rheinland-Pfalz/St%c3%a4dte_und_Gemeinden/S/Speyer|Speyer}}<br />
* [http://archaeologie-speyer.gdke.webseiten.cc/ Archäologie in Speyer der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Metropolregion Rhein-Neckar-Dreieck<br />
|Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Rheinland-Pfalz<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4056179-3|GKD=2022265-8}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ort in Rheinland-Pfalz]]<br />
[[Kategorie:Reichsstadt]]<br />
[[Kategorie:Kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz]]<br />
[[Kategorie:Träger des Europapreises]]<br />
[[Kategorie:Ort am Rhein]]<br />
<br />
[[af:Speyer]]<br />
[[am:ስፓየር]]<br />
[[be:Горад Шпаер]]<br />
[[bg:Шпайер]]<br />
[[br:Speyer]]<br />
[[ca:Espira (Alemanya)]]<br />
[[cs:Špýr]]<br />
[[cy:Speyer]]<br />
[[da:Speyer]]<br />
[[el:Σπάιερ]]<br />
[[en:Speyer]]<br />
[[eo:Speyer]]<br />
[[es:Espira]]<br />
[[et:Speyer]]<br />
[[eu:Spira]]<br />
[[fa:اشپیر]]<br />
[[fi:Speyer]]<br />
[[fr:Spire (ville)]]<br />
[[he:שפייר]]<br />
[[hu:Speyer]]<br />
[[id:Speyer]]<br />
[[is:Speyer]]<br />
[[it:Spira (Germania)]]<br />
[[ja:シュパイアー]]<br />
[[kk:Шпейер]]<br />
[[ko:슈파이어]]<br />
[[la:Spira (urbs)]]<br />
[[lb:Speyer]]<br />
[[nl:Speyer]]<br />
[[nn:Speyer]]<br />
[[no:Speyer]]<br />
[[pdc:Speyer]]<br />
[[pfl:Schbaya]]<br />
[[pl:Spira]]<br />
[[pt:Speyer]]<br />
[[ro:Speyer]]<br />
[[ru:Шпайер]]<br />
[[sco:Speyer]]<br />
[[sh:Speyer]]<br />
[[simple:Speyer]]<br />
[[sk:Speyer]]<br />
[[sr:Шпејер]]<br />
[[stq:Speyer]]<br />
[[sv:Speyer]]<br />
[[sw:Speyer]]<br />
[[th:ชไปเออร์]]<br />
[[uk:Шпайєр]]<br />
[[uz:Speyer]]<br />
[[vi:Speyer]]<br />
[[vo:Speyer]]<br />
[[war:Speyer]]<br />
[[zh:施派尔]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Blaue_Banane&diff=107011543Blaue Banane2012-08-19T23:56:59Z<p>Xjs: /* Geographische Eingrenzung */ Verlinkung der Metropolregion Rhein-Neckar</p>
<hr />
<div>[[Datei:Blue Banana.svg|miniatur|Blaue Banane]]<br />
[[Datei:Population density Europe.png|miniatur|Karte der Bevölkerungsdichte in Europa]]<br />
[[Datei:Western Europe.ogv|miniatur|Nächtlich leuchtende Agglomerationen der Blauen Banane aus Weltraumsicht, aufgenommen von einem Satelliten auf einer Flugbahn vom Nordatlantik bis Ägypten]] <br />
Die '''Blaue Banane''' bezeichnet eine [[Megalopolis (Stadtlandschaft)|Megalopolis]], einen bandförmigen europäischen Großraum zwischen [[Irische See|Irischer See]] und [[Mittelmeer]], dessen [[Urbanisierung]] eine Kette von [[Agglomeration]]en bildet und der aufgrund der Verdichtung von [[Bevölkerung]], [[Wirtschaft]], [[Wissen]] und [[Kultur]], [[Kapital]], [[Kommunikationsmittel|Medien]], [[Verkehr]], [[Siedlung]] und [[Infrastruktur]] sowie aufgrund seiner [[Globalisierung|globalen]] Verflechtung einen hohen Grad der [[Zentralität]] und [[Systemeigenschaften#Dynamik|Dynamik]] erreicht. Fast alle zentralen Einrichtungen der [[Europäische Union|Europäischen Union]] sowie 20 ''[[Weltstadt#GaWC 1999, 2004, 2008, 2010|Global and World Cities]]'' befinden sich in diesem Raum. Mit der [[City of London]] verfügt die Blaue Banane über das größte [[Finanzplatz|Finanzzentrum]] Europas und über einen der bedeutendsten Knotenpunkte von globalen Wirtschafts- und Finanznetzwerken der Welt.<ref>[http://www.joejoe.de/geo/London%20City.pdf Johannes Gerlinger: ''Die globale, nationale und regionale Bedeutung der Londoner City''], Stuttgart, 2002</ref> Der Begriff ''Blaue Banane'' gründet sich auf ein [[Wirtschaftsgeographie|wirtschaftsgeographisches]] Modell einer Gruppe um den Franzosen [[Roger Brunet]] aus dem Jahre 1989, das einen Raum geographisch relevanter [[Transformation]]en kennzeichnet, eine Erklärung für die unterschiedlichen Besiedlungsdichten in [[Europa]] anbietet und den Kontinent hierbei in sogenannte Aktiv- und Passivräume untergliedert.<ref>Gert-Jan Hospers: ''Beyond the Blue Banana? Structural Chance in Europe's Geo-Economy'' [http://www-sre.wu-wien.ac.at/ersa/ersaconfs/ersa02/cd-rom/papers/210.pdf], pdf-Datei eines Vortrags in Dortmund; Enschede/Niederlande 2002</ref> Weiterentwicklungen oder Abwandlungen des Modells stellen die Konzepte der '''Goldenen Banane''' oder des '''Blauen Sterns''' dar.<br />
<br />
Der mit dem Begriff ''Blaue Banane'' gekennzeichnete [[Bevölkerungsdichte|Verdichtungsraum]] ist kein Ergebnis einer [[Planung]], sondern hat sich im Zuge langfristiger geschichtlicher und [[Marktwirtschaft|marktwirtschaftlicher]] Prozesse durch [[Besiedlung]] entwickelt. Heute steht dieser [[Verdichtungsgebiet|Verdichtungsraum]] in enger globaler Konkurrenz und Kooperation zu anderen Verdichtungsräumen in der Welt, etwa zu [[Boswash|BosWash]], [[Chipitts]] oder [[Sansan (Megalopolis)|SanSan]] in den USA oder zu den großen Ballungsräumen an den Küsten und großen Flüssen Asiens, wie dem [[japan]]ischen [[Taiheiyō Belt]].<br />
<br />
== Geographische Eingrenzung ==<br />
Die ''Blaue Banane'' hat ihr nördliches Ende bei den alten Industriezentren um [[Liverpool]], [[Manchester]] und [[Birmingham]], verläuft dann südwärts durch [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] über den Großraum [[London]]. Auf dem europäischen Festland schließlich krümmt sie sich, dabei schließt sie [[Flandern]], den nördlichen Raum [[Belgien]]s, den südlichen Teil der [[Niederlande]], die [[Randstad]], die [[Städteregion Aachen]], das [[Ruhrgebiet]], die Agglomeration um [[Düsseldorf]] und die [[Region Köln/Bonn]] ein. Von der [[Metropolregion Rhein-Ruhr]] aus verläuft sie weiter entlang des Rheins und fasst dabei [[Frankfurt am Main]] und das [[Rhein-Main-Gebiet]] ein. Über die [[Metropolregion Rhein-Neckar]] führt sie weiter zur [[Metropolregion Stuttgart]]. Am Scheitel ihres Bogens berührt sie die Metropolregionen [[Metropolregion Nürnberg|Nürnberg]] und [[Metropolregion München|München]]. Nach Süden führt sie weiter über die [[Trinationale Metropolregion Oberrhein]] zu den Ballungsräumen der [[Schweiz]] und endet schließlich im Norden [[Italien]]s bei den [[Oberitalien|oberitalienischen]] Städten [[Turin]], [[Mailand]], [[Genua]], [[Verona]] und [[Bologna]].<br />
<br />
Die zentrale [[Entwicklungsachse]] der ''Blauen Banane'' bildet der [[Rhein]] aufgrund seiner historischen Funktion als wichtiger Verkehrs- und Handelsweg Europas.<br />
<br />
Das Modell der ''Blauen Banane'' kann durch das Modell der ''Goldenen Banane'' ergänzt werden, indem der ebenfalls verdichtete Großraum entlang der [[Mittelmeer]]küste (unter anderem mit den Städten [[Nizza]], [[Marseille]], [[Montpellier]] und [[Barcelona]]) bis [[Valencia]] in [[Spanien]] in die Betrachtung einbezogen wird.<br />
<br />
Das Modell der ''Blauen Banane'' besitzt eine Nordsüdausdehnung von etwa 1.300&nbsp;km (Westostausdehnung: zirka 900&nbsp;km) und geht dabei durch neun Länder, die alle – bis auf die Schweiz und das [[Fürstentum Liechtenstein]] – zur [[Europäische Union|EU]] gehören und dort den Kern derselben darstellen.<br />
<br />
== Entstehung des Konzepts und des Begriffs ==<br />
Der Franzose Roger Brunet, der Europa in Aktiv- und Passivräume untergliedern wollte, entwickelte 1989 mit seiner Gruppe RECLUS den Begriff „Blaue Banane“. Damit meinte er einen europäischen [[Industrie]]- und [[Dienstleistung]]sgroßraum, der sich vom nördlichen [[England]] entlang des [[Rhein]]s bis nach [[Oberitalien]] erstreckt. Brunet sah jedoch seine These als keine wirklich neue Entdeckung an, da sie mit „ein wenig Verstand und räumlichem Einfühlungsvermögen“ vorherzusehen gewesen sei.<br />
<br />
Er sah die ''Blaue Banane'' als Entwicklung historischer Gegebenheiten, wie z.&nbsp;B. bedeutende [[Handel]]swege, oder als Folge der [[Akkumulation (Wirtschaft)|Akkumulation]] industriellen Kapitals. [[Frankreich]] jedoch habe hauptsächlich durch die Verfolgung von [[Minderheit]]en, er nennt [[Hugenottenkriege|die der Protestanten]], und durch die [[Zentralismus|Zentralisierung]] auf [[Paris]] den Anschluss an diesen Großraum verloren. Brunet ließ somit gewollt den französischen Raum weg, der sich insbesondere auf den Großraum Paris konzentriert beziehungsweise beschränkt, um der französischen Regierung die Notwendigkeit einer [[Wirtschaftliche Integration|wirtschaftlichen Integration]] in diesen gesamteuropäischen Raum zu zeigen.<br />
<br />
Die ''Banane'' wurde als blau bezeichnet, da es sich um das europäische Kerngebiet handelt und die Flagge [[Europa]]s überwiegend blau (mit gelben Sternen) ist, es wurde somit die Fahnenfarbe übernommen. Andere Quellen hingegen nennen die Arbeitskleidung – im Englischen existiert nach wie vor der Begriff des ''blue-collar-worker'', der vor allem für [[Fabrik]]arbeiter steht – der größtenteils industriellen Arbeitskräfte als Begründung für den Zusatz.<br />
<br />
== Bedeutung ==<br />
[[Datei:Population_density.png|thumb|Bevölkerungsdichte – Stand 1994 – die Blaue Banane als größtes Städteband vor dem Taiheiyo-Belt und BosWash]]<br />
[[Datei:GaWC World Cities.png|miniatur|Weltweite Verteilung sowie Konzentration der ''Global and World Cities'' in der Blauen Banane als dem Zentrum Europas]]<br />
Die ''Blaue Banane'' erhält nicht nur durch die [[Bevölkerung]]sverdichtung, die sich in einem fast durchgehenden Städteband über lange Strecken ausdrückt, eine besondere Bedeutung. Auch die Infrastruktur – sowohl verkehrstechnischer als auch informationstechnischer Natur – ist überdurchschnittlich. Die Dichte der Zentren verschafft [[Logistik|logistische]] Vorteile und fördert Zusammenarbeit und Innovation. Voneinander abhängige Wirtschaftszweige können durch Nähe besser in einen gegenseitigen Austausch kommen. Eine Vielzahl qualifizierter Arbeitskräfte, [[Innovation|innovative]] und [[Kreatives Milieu|kreative]] [[Soziales Milieu|Milieus]] („[[Kreative Klasse]]“), [[Messe (Wirtschaft)|Messestandorte]] und gute „Ferninfrastrukturen“ (''Gateways'') wie z.&nbsp;B. die Seehäfen [[Europoort|Rotterdam]] und [[Hafen von Antwerpen|Antwerpen]] oder große internationale Flughäfen wie z.&nbsp;B. in [[Flughafen London-Heathrow|London]], [[Flughafen Schiphol|Amsterdam]], [[Flughafen Brüssel-Zaventem|Brüssel]], [[Flughafen Düsseldorf International|Düsseldorf]], [[Flughafen Frankfurt am Main|Frankfurt]], [[Flughafen Zürich|Zürich]] und [[Flughafen Mailand-Malpensa|Mailand]] machen den Raum wirtschaftlich attraktiv, insbesondere für überregional und international operierende Unternehmen. Dichte und zentrale Lage in Europa führen auch dazu, dass die ''Blaue Banane'' für zentrale öffentliche Einrichtungen bevorzugt wird. Dies ist in der Verteilung internationaler Institutionen zu erkennen, wie etwa dem [[Internationaler Gerichtshof|Internationalen Gerichtshof]] in [[Den Haag]], dem [[Europarat]] in [[Straßburg]] oder den Sitzen von [[Europäische Union|EU]] und [[NATO]] in [[Brüssel]]. Die Vorteile der Verdichtung von Bevölkerung, Infrastrukturen, Funktionen und Angeboten werden auch mit den Begriffen [[Fühlungsvorteil|Fühlungs-]] und [[Agglomerationseffekt|Agglomerationsvorteile]] bezeichnet. <br />
<br />
[[Datei:Goldene & Blaue Banane.gif|thumb|Blaue und Goldene Banane im erweiterten Modell]]<br />
In der ''Blauen Banane'' werden gegenwärtig 20 [[Weltstadt|''Global and World Cities'' (GaWC)]] gezählt.<ref>[http://www.lboro.ac.uk/gawc/world2010t.html GaWC Research Network: ''The World According to GAWC 2010''], Portal des GaWC-Forschungsnetzwerks, abgerufen am 27. Oktober 2011</ref> Der bedeutendsten unter ihnen, London, folgen Mailand, Frankfurt, Amsterdam, Brüssel, Zürich, München, Düsseldorf, Luxemburg, Manchester, Birmingham, Genf, Stuttgart, Köln, Bristol, Antwerpen, Leeds, Rotterdam, Turin und Southampton. Im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl ist die Blaue Banane damit ein überproportional bedeutender Raum in der [[Globalisierung|globalisierten]] Welt.<br />
<br />
== Entwicklung ==<br />
Ein wesentlicher Grund für Lage und Form der ''Blauen Banane'' liegt in der Veränderung der Verkehrsbeziehungen und Wirtschaftsströme während der [[Kalter Krieg|Teilung Europas]] nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]], die zum Ausbau Europas entlang seiner historischen Nord-Süd-Achse führte. Besonders der heute infrastrukturell gut ausgebaute und verkehrlich entwickelte „Korridor“ entlang des [[Rhein]]s profitierte von diesem politisch-historischen Umstand. Die schon in der Zeit der [[Industrialisierung]] vorhandenen Zentren, etwa an den Mündungen von Schelde und Rhein sowie im Bereich von Rhein und Ruhr, Rhein und Main oder Rhein und Neckar, konnten sich unter diesem Einfluss entlang der Entwicklungsachse „Rhein“ weiter verstärken, während Ost-West-Verbindungen sich tendenziell weniger gut entwickelten oder gar verkümmerten.<br />
<br />
Roger Brunet kritisierte mit dem Verweis auf die Bedeutung der ''Blauen Banane'' einst das Wesen der französischen Raumordnung, heutzutage sieht man jedoch, dass das Modell der ''Blauen Banane'', zumindest ökonomisch, die gegenwärtig ablaufenden Entwicklungen nicht vollständig darstellt, da der Großraum mehrere Ausläufer besitzt, die sich z.&nbsp;B. über Paris bis nach Südspanien ziehen. Besonders in Ost-West-Richtung expandierte die ''Blaue Banane'' – auch bedingt durch das Wachstums der Personen- und Güterströme im Zuge einer [[Europäische Integration|Öffnung und eines Zusammenwachsens Europas]] – so stark, dass sich heutzutage ein '''Blauer Stern''' abzeichnet, dessen Zentrum die [[Metropolregion Rhein-Ruhr]] und die Agglomerationen der Niederlande und Belgiens bilden. Das Gebiet der klassischen ''Blauen Banane'' stellt dabei gleichwohl den Kern und die Hauptachse europäischer Verdichtung dar. Die Dominanz der ''Blauen Banane'' als Hauptachse drückt sich vor allem in der Verteilung der europäischen Bevölkerungskonzentration aus. Gegenüber dieser Nord-Süd-Achse wirken die Verdichtungsbänder, die in Ost-West-Richtung verlaufen, als schwächere Ausläufer. Weitere Verdichtungsgebiete, die eine Modifikation des Modells der ''Blauen Banane'' nahe legen können, erstrecken sich bandförmig an der Mittelmeerküste zwischen Valencia und Norditalien. Dieses Verdichtungsband wird als '''Goldene Banane''' oder europäischer ''[[Sun Belt]]'' bezeichnet. Der Begriff ''Sunbelt'' will eine Parallelität zu dem gleichnamigen [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] Wirtschaftsraum, der ebenfalls durch sonniges Klima und neue Industrien gekennzeichnet ist, aufzeigen. <br />
<br />
Durch den stetigen Zustrom von qualifizierten Arbeitskräften, darunter vielen [[Immigranten]], die die [[Prosperität|prosperierenden]], [[Urbanisierung|urbanisierten]] und [[Multikulturalismus|multikulturell]] geprägten Verdichtungsgebiete den ländlichen Räumen vorziehen, wächst das Gebiet so stark an, dass es zu einer Polarisierung innerhalb Europas kommt, also zu einer Teilung in „Gewinnerregionen“, z.&nbsp;B. der ''Blauen Banane'', und „Verliererregionen“, den ländlichen und entlegenen Gebieten der „[[Peripherie#Verwendung in der Geographie|Peripherie]]“, besonders in Osteuropa. Dabei verlieren insbesondere jene Randgebiete, die auf Grund ihrer geringen Bedeutung ohnehin schon stagnieren oder zurückfallen. Somit verstärkt sich der Bedeutungsunterschied und die Abhängigkeit der Bewohner ländlicher beziehungsweise peripherer Regionen von den Verdichtungsgebieten. Außerdem sind bestimmte Einrichtungen wie z.&nbsp;B. Systeme des [[Hochgeschwindigkeitsverkehr]]s ([[Intercity-Express|ICE]]) nur in einigen stark besiedelten, wohlhabenden Gebieten rentabel, so dass periphere Räume weiter abgehängt und somit für wichtige Wirtschaftszweige noch uninteressanter werden.<br />
<br />
Festzustellen ist, dass die Prozesse der [[Globalisierung]] die Zentralität der Verdichtungsgebiete zu einem entscheidenden Wachtstumsfaktor werden lassen, unabhängig davon, ob diese Verdichtungsgebiete sich als ''Blaue Banane'', ''Blauer Stern'' oder als Kombination von ''Blauer Banane'' und ''Goldener Banane'' beschreiben lassen. Während der Einfluss des Faktors ''[[Zentralität]]'' steigt und die Menschen so immer abhängiger von zentralen Einrichtungen und Infrastrukturen werden, ist gleichzeitig zu beobachten, dass durch die zunehmende Verdichtung auch Probleme entstehen, so genannte [[Agglomerationseffekt|Agglomerationsnachteile]] wie z.&nbsp;B. [[Verkehrsstau|Verkehrschaos]], [[Überbevölkerung]], hohe [[Bodenpreis]]e, [[Gentrifizierung]], steigende [[Umweltverschmutzung|Umweltbelastung]] und [[Suburbanisierung]]. Die so genannten „Verliererstädte“ oder „Verliererregionen“ außerhalb der durch Zentralität begünstigten Verdichtungsgebiete haben Probleme, die sich unter anderem in [[Arbeitslosigkeit]], [[Emigration|Abwanderung]], sinkenden [[Steuer]]einnahmen und wachsenden [[Armut|sozialen Problemen]] ausdrücken. Nicht außer Betracht bleiben darf hier allerdings, dass auch einige Regionen innerhalb der begünstigten Wirtschaftsräume der „Blauen Banane“, etwa Städte wie [[Duisburg]] und [[Gelsenkirchen]] im [[Ruhrgebiet]] oder [[Liverpool]] oder [[Sheffield]] in Nordengland, unter ähnlichen Problemen leiden. In diesen Fällen sind aber ein Niedergang alter Industrien und eine mangelnde [[Diversifikation (Wirtschaft)|Diversifikation]] der Wirtschaftsstrukturen die Hauptgründe dafür, dass Strukturprobleme entstanden. Die Lage in einem zentral gelegenen Wirtschaftsraum kann den hier erforderlichen Strukturwandel erheblich begünstigen. Die Wirtschaftsflaute und die hohen Arbeitslosenzahlen in den von [[Finanzkrise ab 2007|Finanz-]] und [[Staatsschuldenkrise im Euroraum|Staatsschuldenkrise]] besonders betroffenen peripheren Räumen der [[Eurozone]] führen aktuell zu einer Verstärkung des [[Braindrain]]s qualifizierter junger Menschen in die Zentren der Blauen Banane.<ref>[http://www.fr-online.de/wirtschaft/zuwanderung-flucht-aus-griechenland-und-spanien-,1472780,11347382.html Daniel Baumann: ''Flucht aus Griechenland und Spanien''], Artikel vom 23. Dezember 2011 im Online-Portal der ''Frankfurter Rundschau'', abgerufen am 26. Dezember 2011</ref><br />
<br />
Das Modell des ''Blauen Sterns'', das die Entwicklungsachsen in Ost-West-Richtung stärker in den Blick rückt, erscheint als das Modell, das die sich mit der [[EU-Erweiterung 2004|EU-Osterweiterung]] ergebenden Prozesse besser darstellt. Die überwiegend in Ost-West-Richtung verlaufenden Entwicklungsachsen und Verdichtungsräume, beispielsweise über Hamburg–[[Kopenhagen]], Berlin–[[Warschau]] und [[München]]–[[Wien]] (–[[Bratislava]]–[[Budapest]]), korrelieren mit den hier stark angewachsenen Güter- und Personenströmen. Ein weiterer beachtlicher Korridor verläuft von Paris über [[Toulouse]] bis nach [[Madrid]]. Wirtschaftlich sind diese Korridore gegenüber ihrem Umland stärker entwickelt. Diese Ausläufer erreichen jedoch nicht die Bevölkerungsdichte und den räumlichen Umfang der ''Blauen Banane''.<br />
<br />
Alle bildhaften Modelle haben eine gemeinsame Hauptaussage: Räume, die nicht in einem solchen Korridor liegen beziehungsweise nicht an ihn angeschlossen sind, haben im Wettbewerb der Wirtschaftsräume tendenziell schlechtere Chancen.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Arbeitsmigration]]<br />
* [[Braindrain]]<br />
* [[Standorttheorie]]<br />
* [[Räumliche Mobilitätstheorien]]<br />
* [[Wirtschaftsgeographie]]<br />
* [[Megalopolis (Stadtlandschaft)#Liste der Megalopolen|Liste der Megalopolen]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://squat.net/de/berlin/stadtbau/archplus.html Das europäische Städtesystem]<br />
* [http://info.wlu.ca/~wwwgeog/special/vgt/English/ger_mod1/unit10.htm A reunified Germany in a new Europe] (engl.)<br />
* [http://www.klett.de/sixcms/list.php?page=geo_infothek&node=Europa&article=Infoblatt+Wirtschaftsr%E4ume+in+Europa+-+Die+Blaue+Banane Kartendarstellung]<br />
* [http://www.mgm.fr/PUB/Mappemonde/M202/Brunet.pdf Artikel von Roger BRUNET: ''Les lignes de forces de l’espace européen'', Mappemonde, 2002] (als [[Portable Document Format|PDF-Datei]], franz.; 583 kB)<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Wirtschaft (Europa)]]<br />
[[Kategorie:Geographie (Europa)]]<br />
[[Kategorie:Theorie (Raumordnung)]]<br />
[[Kategorie:Wirtschaftsgeographie]]<br />
<br />
[[ar:الموزة الزرقاء]]<br />
[[be:Блакітны банан]]<br />
[[bs:Plava banana]]<br />
[[ca:Banana Blava]]<br />
[[cs:Modrý banán]]<br />
[[en:Blue Banana]]<br />
[[es:Banana Azul]]<br />
[[fi:Sininen banaani]]<br />
[[fr:Banane bleue]]<br />
[[hr:Plava banana]]<br />
[[hu:Kék banán]]<br />
[[it:Banana blu]]<br />
[[ja:ブルーバナナ]]<br />
[[nl:Blauwe Banaan]]<br />
[[pl:Europejski banan]]<br />
[[ro:Banana albastră]]<br />
[[ru:Голубой банан]]<br />
[[ta:நீல வாழை]]<br />
[[uk:Блакитний банан]]<br />
[[vi:Chuối Xanh]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Name&diff=103423251Name2012-05-19T16:35:47Z<p>Xjs: /* Kunstnamen */ Kommata</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
'''Namen''' sind, nach der aktuellen wissenschaftlichen Forschung, ein [[verbal]]er Zugriffsindex auf eine Informationsmenge über ein [[Individuum]].<ref name="Das Wesen des Namens">Ernst Hansack: ''Das Wesen des Namens''. In: Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung''. Hamburg 2004, S. 51–69.</ref><br />
Sie sind somit einer Person, einem Gegenstand, einer organisatorischen Einheit (z. B. einem Betrieb) oder einem Begriff zugeordnete Informationen, die der [[Identifizierung]] und [[Individualisierung]] dienen sollen (Funktion der Namenklarheit).<br />
<br />
Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Namen beschäftigt sich die [[Onomastik]]. Sie unterteilt sich in die [[Namenkunde]], die [[Geschichte]], Gebrauch und [[Etymologie]] der Namen klärt, und die Theoretische Namenforschung, die sich mit der Frage beschäftigt: Was ist ein Name? Die Namentheorie beschäftigt sich demnach mit der Hauptbedeutung, der [[Denotation]], der Namen, während sich die Namenkunde über die Denotation hinaus, mit der [[Konnotation]] der Namen beschäftigt. Siehe auch Artikel [[Theoretische Namenforschung]] und [[Begriff (Philosophie)|Begriff]].<br />
<br />
== Einführung ==<br />
=== Name und Allgemeinbegriff ===<br />
Die moderne Logik beziehungsweise theoretische Namenforschung sieht im ''Namen'' (''[[Nomen]]'' im [[Logik|logisch]]en Sinne, also wesentlich enger gefasst als im [[Grammatik|grammatisch]]en Sinne) einen Spezialfall der ''[[Bezeichnung]]''. Man unterscheidet drei grundlegende Typen der Nomina:<br />
* Bezeichnet ein Name einen [[Begriff (Philosophie)#Individualbegriff/Allgemeinbegriff|Allgemeinbegriff]] als eine definierte Klasse von Objekten, so nennt man ihn ''[[Appellativ]]um'' oder ''Gattungsname'' <br />
* Ein ''Name'' im engeren Sinne, der ''[[Eigenname]]'', fachlich ''Proprium'', bezeichnet eine Klasse aus nur einem Objekt, einen ''Individualbegriff''<br />
* Andere Nomina bezeichnen eine offene Klassen, den ''Substanzbegriff'', der singulär, aber hinsichtlich der Anzahl der Objekte offen ist. In diesem Fall spricht man von einem ''[[Stoffname]]n'' oder ''Kontinuativum''.<br />
<br />
=== Namen im engeren Sinne und Gattungsnamen ===<br />
Die folgenden Namenkategorien sind einerseits Namen (Individualnamen) im engeren Sinne und andererseits [[Gattungsname]]n.<br />
<br />
Namen im engeren Sinne bezeichnen eine einzelne Person, einen einzelnen Gegenstand, einen einzelnen Ort.<br />
<br />
Gattungsnamen sind dagegen zwischen Namen (Individualbegriff) und [[Appellativ]]en (Allgemeinbegriff) angesiedelt. Sie stellen beispielsweise eine Tier- oder Pflanzenart, eine Baureihe, sogar eine Handelsmarke als Einheit dar, die einen Namen tragen kann, obwohl sie aus mehreren Individuen oder Objekten besteht, was ihren Namen zur Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs macht. Von anderen Bezeichnungen unterscheidet sich ein Gattungsname dadurch, dass er zumeist nicht allgemeinsprachlich ist. <br />
<br />
Anschaulich lässt sich der Unterschied zwischen Individualname und Gattungsname an der [[Seriennummer]] erklären, auch wenn die Bezeichnung Seriennummer nicht eindeutig ist. Die Seriennummer ist der technische, individuelle Name eines Industrieerzeugnisses. Sie besteht aus der Nummer der Baureihe (Serie), also einem Gattungsnamen, und der Nummer dieses Erzeugnisses innerhalb der Serie.<br />
<br />
== Personennamen (Anthroponyme) ==<br />
{{Hauptartikel|Anthroponymie|Vornamen|Familiennamen}}<br />
<br />
Die [[Personenname]]n umfassen die Bezeichnungen für Einzelwesen ([[Vornamen]] und [[Familiennamen]]).<br />
[[Volksbezeichnung]]en und [[Stammesname]]n sind keine [[Eigenname]]n, sondern [[Gattungsname]]n.<br />
<br />
Im deutschen Sprachraum hat sich seit dem 12. Jahrhundert ein zweigliedriges Namensystem mit einem Individualnamen ([[Vorname]], [[Rufname]], Nebenname) und Familiennamen ([[Beiname]], [[Nachname]], [[Zuname]]) entwickelt. In anderen Ländern gibt es verschiedene Namensysteme. So verwendet man beispielsweise in Russland ein dreigliedriges Namensystem mit einem [[Vatersname]]n. Solche mehrgliedrigen Namensysteme sind seit der Antike bekannt. Die [[Römischer Name|römischen Namen]] bestanden aus bis zu drei Elementen und gliederten sich in Vorname ([[Römische Vornamen|Praenomen)]], Sippenname ([[Gentilname|Nomen Gentile]]) und Beiname ([[Agnomen]], bzw.[[Cognomen]]). Letzterer hatte große Bedeutung, weil die antiken Römer nur sehr wenige Vornamen zur Auswahl hatten und Sippennamen ein Privileg der Oberschicht waren.<ref name="dtv-Atlas Namenkunde">Konrad Kunze: ''dtv-Atlas Namenkunde''. 4. Auflage, München 2003, S. 38.</ref> Die verschiedenen Namensysteme und die dazu geltenden [[Namensrecht|gesetzlichen Regelungen]] sind aufgelistet in: <br />
*Erich Mergenthaler und Heinz Reichard: ''Standesamt und Ausländer.'' 30. Auflage, Frankfurt am Main 2006.<br />
*Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch von Abasisch bis Zentralladinisch''. Hamburg 2007.<br />
<br />
Ein auffälliges Merkmal, das speziell bei Familiennamen im deutschen Sprachraum zu beobachten ist, besteht darin, dass es eine Tendenz zur Variation ([[Diversifikationsgesetz|Diversifikation]]) ein und desselben Namens gibt. So existieren als sog. „adjektivische Übernamen“<ref>Wilfried Seibicke: ''Die Personennamen im Deutschen.'' De Gruyter, Berlin und New York 1982, ISBN 3-11-007984-4, S. 174.</ref> neben „Lang“ auch die Formen „Lange“, „Langer“ und „Langen“, ein Phänomen, das bei vielen Namen auftritt.<ref>Hermann Bluhme: ''Bemerkungen zu den Formen des Namens Schmidt.'' In: Peter Grzybek und Reinhard Köhler (Hrsg.): ''Exact Methods in the Study of Language and Text. Dedicated to Gabriel Altmann on the Occasion of his 75th Birthday.'' Mouton de Gruyter, Berlin und New York 2007, ISBN 978-3-11-019354-1, S. 33–38.</ref> Bei Vornamen wiederum ist festzustellen, dass viele von ihnen Benennungsmoden unterliegen, die dafür sorgen, dass ein bestimmter Name häufiger wird, einen Höhepunkt der Beliebtheit erreicht und dann wieder an Häufigkeit verliert.<ref>Gerhard Koß: ''Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik.'' Niemeyer, Tübingen 1990, ISBN 3-484-25134-4, S. 88.</ref><br />
<br />
Siehe hierzu auch unter [[Namensrecht]].<br />
<br />
=== Künstlernamen/Pseudonyme ===<br />
In der Kunst spielen Namen eine wichtige Rolle. Mit dem Eigen- oder [[Künstlername]]n sich einen „Namen“ zu erarbeiten, ist eine der größten Motivationen der meisten Künstler. Mit der Bekanntheit des eigenen „Namens“ steigt häufig auch der Handelswert seiner angebotenen Kunst.<br />
<br />
[[Salvador Dalí]] ging gegen Ende seiner Karriere spielerisch mit seinem Namen um. So signierte er weiße Blätter und verkaufte diese. Den Käufern stand es frei, ein Bild zu malen, das den Namen Dalí trug.<br />
<br />
{{Hauptartikel|Pseudonym}}<br />
<br />
=== Kunstnamen ===<br />
In literarischen und filmischen Werken tragen die handelnden Personen und die Orte, an denen die Handlung stattfindet, zuweilen fiktive [[Sprechender Name|sprechende Namen]]. Hierdurch sollen sie bereits durch ihre äußere Benennung ihrem inneren Wesen nach charakterisiert werden.<br />
<br />
Das Stilmittel der sprechenden Namen ist bereits seit der Antike bekannt und findet sich ebenso in den mündlichen Überlieferungen von Mythen und Sagen in den verschiedensten Kulturkreisen.<br />
<br />
In der klassischen [[Allegorie|allegorischen]] Literatur bedürfen die Namen meist keiner Interpretation seitens des Lesers. So trifft der Pilger in [[John Bunyan]]s ''The Pilgrim’s Progress'' unter anderem den Riesen „Verzweiflung“, der Herr der „Burg des Zweifels“ ist. Ästhetisch reizvollere [[Code|Codierung]]en erfolgen insbesondere durch [[Wortspiel]]e, [[Buchstabendreher]], [[Onomatopoesie|Lautmalerei]] oder [[Akronym]]e.<br />
<br />
== Geographische Namen (Geographica) ==<br />
Geographische Namen im eigentlichen Sinne sind immer Individualnamen. Geographische Klassennamen werden nicht zu den Geographica gezählt.<br />
<br />
=== Großobjektnamen (Makrotoponyme) ===<br />
<br />
* ''Himmelskörper-'' und ''Himmelssphärennamen (Kosmonyme)''<br />
* ''Örtlichkeitsnamen'' (''[[Toponym]]e, Ortsnamen'' im weiteren Sinne) <br />
** ''Raumnamen (Choronyme):'' Erdteile-, Meeres-, Zonen-, Regions-, Wüsten-, Landschaftsnamen, Talnamen<br />
** ''Gebirgs-'' und ''Bergnamen ([[Oronym]]e)''<br />
** ''Insel-'' und ''Halbinsel''namen <br />
** ''[[Gewässername]]n (Hydronyme):'' Meeres-, See-, Fluss-, Bach-, Kanal-, Sumpfnamen <br />
** ''Wald-'' und ''Forstnamen'', ''Reviernamen''<br />
** ''Siedlungsnamen'' (''Oikonyme, [[Ortsnamen]]'' im eigentlichen Sinne): Stadt-, Dorf-, Burg, Stadtteil-, Ortsteilnamen, Wüstungsnamen <br />
* ''Gemeindeverbandsnamen<br />
<br />
Viele dieser Namen können aber auch zu den Mikrotyponymen gerechnet werden, wenn sie kleinere Objekte ansprechen.<br />
<br />
==== Himmelskörper- und Sphärennamen (Kosmonyme) ====<br />
<br />
Die Einteilung der Himmelskörper- und Sphärennamen erfolgt nach [[Planeten]], [[Satellit (Astronomie)|Monden]], [[Planetoid]]en, [[Stern]]en ''([[Astronym]]e)'' und [[Sternbild]]ern. Dabei wurden zunächst für jene Himmelskörper unseres Sternsystems Namen vergeben, die von der [[Erde]] aus sichtbar waren. Sie wurden durchweg nach [[Götter]]n aus [[Mythos|Mythen]] benannt, wobei in der Antike jedes Volk seine eigenen Götternamen vergab. Heutzutage haben sich die Götternamen der Römer als Fachterminologie durchgesetzt. Die dazugehörigen Monde erhielten ebenfalls Bezeichnungen aus den Mythen. Diese wurden passend zu den Götternamen des Planeten, den sie umkreisten, vergeben.<br />
<br />
Ab 1801 begannen sich die astronomischen Forschungen auszuweiten und die ersten Planetoiden wurden gesichtet. Diese erhielten zu Beginn die Namen der Göttinnen. Mit zunehmender Fülle der Kleinplaneten mussten jedoch irdische Frauennamen genutzt werden. Auch die Sternbilder haben in der Mehrzahl einen mythischen Hintergrund.<br />
<br />
Anders hingegen verfuhr man bei Sternen. Bevor Koordinaten zu ihrer Unterscheidung genutzt wurden, erhielten sie meist arabische Namen nach ihren Entdeckern. Die [[Araber]] waren im 18. und 19. Jahrhundert führend in der Astronomie. Sternensysteme oder auch [[Nebel (Astronomie)|Nebel]] besitzen hingegen selten Eigennamen.<br />
<br />
==== Raumnamen (Choronyme) ====<br />
<br />
Nach [[Peter von Polenz]] unterteilen sich die Raumnamen in naturräumliche und politische Gebilde. Erstere umfassen Landschaften und Gebiete, letztere fest umgrenzte Räume (Bezirks- und Ländernamen). Bereits in frühester Zeit wurden Stammesbezeichnungen als Raumnamen verwendet. Beispielsweise ist der Name des [[Bundesland (Deutschland)|Bundeslandes]] [[Sachsen]] aus dem gleichnamigen Stamm entstanden. Gleiches gilt für [[Bayern]], [[Thüringen]], [[Holstein]] und [[Hessen]].<br />
<br />
==== Gewässernamen (Hydronyme) ====<br />
<br />
Die Gewässernamen sind die ältesten Zeugnisse unserer Sprache. Da insbesondere an den größten Flüssen die ersten Besiedlungen zu finden waren, wurden hier die ersten Gewässernamen vergeben. Daraus resultiert die Beobachtung, dass je größer ein Fluss, umso älter sein Name ist. Es wird zwischen stehenden und fließenden [[Gewässer]]n unterschieden, wobei insbesondere die fließenden Gewässer im Mittelpunkt des Interesses der Forschung stehen.<br />
<br />
In der Gewässernamenforschung haben [[Hans Krahe]] und dessen Schüler W. P. Schmidt die bis heute stark umstrittene Theorie der ''Alteuropäischen Hydronymie'' geprägt. Sie besagt, dass es Gewässernamen gibt, die außerhalb ihrer [[Einzelsprache]] in ganz [[Europa]] Entsprechungen besitzen, wodurch die Existenz einer voreinzelsprachlichen, indogermanischen Sprache belegt werden soll. Ein Beispiel hierfür ist die [[Isère (Fluss)|Isère]] in Süd[[frankreich]] – [[Jizera|Iser]]/Jizera in [[Tschechien]] – [[Isar]] in [[Deutschland]] – [[IJssel]] in den [[Niederlande]]n.<br />
<br />
==== Ortsnamen (Toponyme) ====<br />
<br />
Die [[Ortsname]]nforschung beschäftigt sich im Besonderen mit den Strukturen, der Entstehung, dem Wandel und dem Verlust von Siedlungsbenennungen. Sie geht dabei [[diachronisch]] vor, indem sie von der heutigen Ortsnamenform ausgehend Belege sammelt und mit Hilfe derer versucht, den ursprünglichen Namen zu rekonstruieren. Anhand dieser Grundform kann die Etymologie des Namens bestimmt werden. Unterschieden wird dabei nach Bildungsweise der Orte und sprachlicher Zugehörigkeit.<br />
<br />
=== Kleinobjektnamen (Mikrotoponyme) ===<br />
<br />
* Kleinräumige Örtlichkeitsnamen <br />
* [[Flurnamen]]: Gewann- und Parzellenamen, Ackerbau- und Viehwirtschafts-, Weidewirtschaftsnamen <br />
* ''Wegenamen (Hodonyme)'': [[Straßenname|Straßen]]-, Gassennamen, Platznamen<br />
* Haus-, Hof und Gebäudenamen<br />
* Bergbaunamen: Zechen- und Schachtnamen<br />
* und viele andere<br />
<br />
==== Flurnamen ====<br />
<br />
[[Flurnamen]] sind sprachliche Zeichen, die der Orientierung im Raum, zur Identifizierung sowie Individualisierung von Objekten kleinerer landschaftlicher Einheiten dienen.<ref name="Die Flurnamen">Wolfgang Kleiber: ''Die Flurnamen''. In: W. Besch, O. Reichmann und St. Sonderegger (Hrsg.): ''Sprachgeschichte.'' Berlin und New York 1985, S. 2130, Sp. 1.</ref> Dazu gehören: Äcker, Wiesen, Spezialkulturen (Reben, Hanfgärten), Hecken, Wälder, Berge, Täler, Alpen, Felsen, Bäche, Flüsse, Seen, Quellen, Brunnen, Wege, Gassen, Grenzen und Gewerbeanlagen (Köhlereien, Mühlen, Stampfwerke).<ref name="Flurnamen">Erika Waser: ''Flurnamen''. In: Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung''. Hamburg 2004, S. 350.</ref> Flurnamen bezeichnen demnach die unbesiedelten Teile einer Landschaft. Aufgrund ihrer geringen kommunikativen Reichweite werden sie auch als Mikrotoponyme bezeichnet. In der Forschung ist umstritten, ob Objekte innerhalb von Siedlungen den Flurnamen zuzurechnen sind oder nicht. In Bezug auf Bildungsweise und sprachliche Zugehörigkeit sind sie den Ortsnamen vergleichbar.<br />
<br />
==== Wegenamen (Hodonyme) ====<br />
<br />
[[Straßenname]]n (griech. ''hodos'' „Weg“) dienen der Orientierung in einer Stadt. Sie werden unterteilt in längliche Gebilde ''(Prodonyme)'' und Plätze ''(Agoronyme)''. Sie sind im Mittelalter entstanden. Seitdem werden sie oft zu politischen Zwecken genutzt, wobei man sich heute zunehmend um zeitlose Namen bemüht. Hierzu gibt es für die Kommunen Arbeitshilfen, vor allem, um Doppelbenennungen oder gleichklingende Namen zu vermeiden. Im Zuge dieser neuen Benennungssituation sind zunehmend hodonymische Felder entstanden. Das bedeutet, dass zusammenhängende Gebiete nach einheitlichen Gesichtspunkten benannt werden, bspw. nach Komponisten, Blumen oder Planeten.<br />
<br />
Daneben gibt es auch Hodonyme, die zu den Makrotoponymen gezählt werden können, etwa ''[[Via Appia]]'' für die römische Fernverkehrsstraße oder ''[[Brenner Autobahn]]'', sowie für Eisenbahnstrecken wie ''[[Transsib]]''.<br />
<br />
==== Haus- und Hofnamen ====<br />
<br />
Bevor im 18. Jahrhundert nach französischem Vorbild Hausnummern eingeführt wurden, waren die ''[[Hausname|Haus- und Hofnamen]]'' ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal in den Städten. Sie teilten die Städte in Viertel und trennten sie von den Vorstädten und Dörfern. Vor allem die öffentlichen Bauten erhielten Titel, sowie Kaufhäuser und Mietshäuser mit entsprechendem Standard. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Verwendung von Haus- und Hofnamen stark zurück und ist nur noch in sehr ländlichen, wenig dicht besiedelten Gebieten üblich.<br />
<br />
== Ereignisnamen ==<br />
– immer Individualnamen –<br />
* Politische Ereignisnamen: Volksbewegungen, Revolutionsnamen, Kriegsnamen, Konfliktnamen <br />
* Feier- und Festtagsnamen <br />
* Epochennamen <br />
* Naturereignisnamen <br />
<br />
== Institutionsnamen (Ergonym) ==<br />
– immer Individualnamen –<br />
* Verwaltungsbereichsnamen: Staats-, Landes-, Provinz-, Bezirks-, Kreisnamen <br />
* Arbeits- und Bildungsstättennamen <br />
* Erholungsstättennamen <br />
* Gedenk- und Kulturstättennamen<br />
<br />
=== Bildungsstättennamen ===<br />
<br />
Bildungsstätten sind Prestigeobjekte, weswegen sie sich besonders zur Namenvergabe eignen. Meist sind die Namen aus einer Nominalgruppenstruktur gebildet, deren Kern ein appellativisches Nomen ([[Schule]], [[Hochschule]], [[Universität]], [[Institut]]) bildet. Durch Komposition werden diese mit Attribution oder [[Asyndeton|asyndetischen]] Nachstellungen verbunden.<ref name="Namen von Bildungseinrichtungen">Andreas Lötscher: ''Namen von Bildungseinrichtungen''. In: [[Ernst Eichler (Linguist)|Ernst Eichler]]: ''Namenforschung''. München und New York 1996, Band 11.2, S. 1552.</ref><br />
<br />
Die Namen der Bildungseinrichtungen beziehen sich meist auf den Gründer/[[Stifter]], den (finanziellen) Förderer oder auf [[Schirmherr|Patrone]], das heißt Personen, die keine direkte Beziehung zu der Bildungseinrichtung haben, aber trotzdem ein besonderes Prestige besitzen.<ref name="Namen von Bildungseinrichtungen"/> Ziel dieser Namengebung ist, die betreffende Persönlichkeit zu ehren, an sie zu erinnern oder ihre Vorbildfunktion zu betonen.<br />
<br />
Demgegenüber gibt es Namen, die nur einen [[intensional]]en Gehalt besitzen. Sie teilen lediglich sachliche Informationen mit, um entweder die Institution, die fachliche Spezifikation oder die Trägerschaft zu kennzeichnen. Dabei soll absichtlich auf (selbst)bewertende Informationen verzichtet werden.<br />
<br />
In Deutschland muss der potentielle Prestigegehalt in sinnvollem Verhältnis zur Wichtigkeit der Institution stehen. Dementsprechend tragen Bildungseinrichtungen mit hohem Prestige keine Patronatsnamen, dagegen beispielsweise Grund- und Hauptschulen meist Namen mit regionaler Bedeutung.<br />
<br />
== Produktnamen (Ergonyme) ==<br />
<br />
* Verkehrsmittelnamen (können sowohl Individualnamen, z. B. eines Schiffes oder einer Lokomotive sein, als auch Gattungsnamen, z. B. einer ICE-Linie)<br />
* Warenzeichennamen (immer Gattungsnamen)<br />
* Warennamen (Ökonyme) (immer Gattungsnamen)<br />
* Mediennamen (können Individualnamen sein, z. B. Name eines Films, auch wenn es streng genommen mehrere Kopien gibt und zahlreiche Aufführungen, oder Gattungsnamen, z. B. Name einer Fernsehserie)<br />
* Bücher- und Zeitschriftennamen (immer Gattungsnamen)<br />
* Produktionsverfahrensnamen, Technologienamen (immer Gattungsnamen)<br />
<br />
=== Warennamen (Ökonyme) ===<br />
– immer Gattungsnamen, erst die Seriennummer ist der Individualname –<br />
Zu den Warennamen gehören Artikelnamen, [[Marke (Recht)|Markennamen]] und [[Firma|Firmennamen]]. Sie müssen bestimmte Informationen an den Käufer übermitteln, sei es über den Hersteller, den Herstellungsort, den Stoff des Produkts, die Eigenschaften des Produkts, den Verwendungszweck oder die Wirkungsweise.<br />
<br />
Sie sind insofern eine besondere Gruppe, als dass die Namen zu Gattungsbegriffen werden können. Als Beispiel sei hier das Taschentuch von [[Tempo (Marke)|Tempo]] genannt, das ursprünglich die herstellende Firma betitelte und nun im alltäglichen Sprachgebrauch das Papiertaschentuch betitelt.<br />
<br />
Die Warennamen sind markenrechtlich geschützt. Die gesetzlichen Bestimmungen dazu, sind nachzulesen in:<br />
*Volker Ilzhöfer: ''Patent-, Marken- und Urheberrecht''. 5. Auflage, München 2002.<br />
<br />
=== Mediennamen ===<br />
<br />
Die Namen für die verschiedenen Medien sind durch gesetzliche Regeln definiert und geschützt. Mit der Firma wird ein bestimmtes Unternehmen namentlich gekennzeichnet und somit individualisiert.<br />
<br />
Sie sind die Namen, die am stärksten Modeerscheinungen unterworfen sind. Die Marketinganforderungen an einen Mediennamen sind: <br />
*Er muss sich von denen der Wettbewerber unterscheiden.<br />
*Er muss einen Neuigkeitseffekt auslösen. <br />
*Er muss den neuen Wert kommunizieren.<br />
*Er muss unverwechselbar attraktiv sein. <br />
*Er muss schutzfähig ([[Kennzeichenrecht]]) sein. <br />
Entsprechende gesetzliche Bestimmungen finden sich bei:<br />
*Volker Ilzhöfer: ''Patent-, Marken- und Urheberrecht''. 5. Auflage, München 2002.<br />
<br />
== Namen für Handlungen ==<br />
<br />
* Tanz- und Spielnamen<br />
<br />
== Namen für Gedankliches ==<br />
<br />
* Literarische Namen <br />
* Planungen <br />
<br />
== Musikalische Namen ==<br />
<br />
* Instrumentennamen (gehören i. d. R. zu den Warennamen, es gibt aber auch berühmte Musikinstrumente mit Individualnamen)<br />
* Kompositionsnamen (grundsätzlich Individualnamen)<br />
<br />
== Sonstige Namen ==<br />
<br />
* Tier- und Pflanzennamen (Gattungsnamen, daneben Individualnamen einzelner Tier- und Pflanzenindividuen)<br />
* Meteorologische Namen<br />
* Gegenstände (Chrematonyme)<br />
<br />
=== Tier- und Pflanzennamen ===<br />
<br />
Tiere, zu denen Menschen eine besondere Beziehung aufbauen, erhalten sehr oft Namen, die menschlichen Namen entsprechen. In [[Märchen]], aber auch in Erzählungen der Neuzeit, haben Tiere oft Namen.<br />
<br />
Dagegen ist die schon seit der Antike nachweisbare von [[Carl von Linné]] in unserer heutigen Form eingeführte [[Nomenklatur (Biologie)|Nomenklatur]] nicht im engeren Sinn „Name“, sondern bezieht sich meist auf Eigenschaften, die in die [[Gattungsname]]n eingearbeitet werden. Diese Eigenschaften können sowohl Organe, Aussehen als auch Fundorte beschreiben. Des Weiteren werden auch teilweise Personen gewürdigt, die die Art als erste beschrieben haben bzw. geehrt werden sollen. Deutsche Tier- und [[Schreibweise deutscher Pflanzennamen|Pflanzennamen]] werden nach ähnlichen Gesichtspunkten gebildet, beruhen jedoch nicht grundsätzlich auf Binominalität.<br />
<br />
Eine weitere Form der Tier- und Pflanzennamen sind Benennungen von Zuchtformen, also von willentlich erzeugten [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzungen]] bzw. [[Hybride]]n von [[Tierzucht|Tieren]] und [[Pflanzenzucht|Pflanzen]]. Die Namensgebung erfolgt meist durch die Züchter, die ihre Erzeugnisse oft nach sich selbst oder dem Zuchtort benennen. Allerdings werden vor allem Zuchtpflanzen häufig nach berühmten Persönlichkeiten (z. B. Herrschern) benannt.<br />
<br />
=== Meteorologische Namen ===<br />
<br />
Die meteorologischen Namen wurden von [[Clement Lindley Wragge]] geprägt. Er vergab als erster weibliche Vornamen für [[Tropischer Wirbelsturm|tropische Wirbelwinde]] und männliche für außertropische [[Tiefdruckgebiet|Tiefdruckwirbel]] mit [[Sturm]]- und [[Orkan]]feldern. Bekanntermaßen verwendete er mit Vorliebe die Namen ihm missfälliger Politiker.<br />
<br />
Aber erst in den 1950er Jahren setzte sich die Benennung für meteorologische Erscheinungen durch. Dies resultierte daraus, dass für die [[Jagdflugzeug]]e des amerikanischen Militärs eine Umschreibung der Phänomene zu lange dauerte. Zuerst wurden dabei die Unterteilungen von Clement L. Wragge nach männlichen und weiblichen Vornamen beibehalten. Als aber wiederholte Beschwerden an die Öffentlichkeit kamen, beschloss man 1979, beide Geschlechter gleichmäßig mit den Namen der Wirbelstürme zu belasten. Dazu wurde 1979 eine offizielle Liste der IHC herausgegeben.<ref>[http://www.ofcm.gov/homepage/text/spc_proj/ihc.html Interdepartmental Hurricane Conference].</ref> Diese [[Liste der Namen tropischer Wirbelstürme|Namensliste]] ist bis heute Grundlage für die Bezeichnungen tropischer Wirbelstürme. In Deutschland werden seit den 1950er Jahren Hoch- und Tiefdruckgebiete benannt. Diese Liste wurde ursprünglich von [[Richard Scherhag]] geschrieben, heute werden die Namen im Rahmen der Aktion Wetterpate von der Technischen Universität in Berlin versteigert. Diese Namen werden inzwischen bei Starkwindereignissen von den Medien auch außerhalb Deutschlands verwendet. Eine Benennung von Tiefdruckgebieten erfolgt auch bei norwegischen Wetterdienst.<br />
<br />
=== Gegenstände (Chrematonyme) ===<br />
<br />
Auch Gegenstände hatten oder haben Eigennamen; dies ist in verschiedenen [[Kultur]]en [[Brauch|üblich]]. So führten etwa bei den Germanen einzelne [[Schwert]]er (z. B. [[Siegfried der Drachentöter|Siegfrieds]] Schwert „[[Balmung]]“) oder [[Helm]]e Namen, heute noch [[Kraftwagen|Autos]] (z. B. die „[[Grüne Minna]]“), [[Schiff]]e, [[Eisenbahn]]züge, [[Puppe (Spielzeug)|Puppen]] oder Spieltiere.<br />
<br />
== Verschleierung von Namen ==<br />
In vielen Fällen und aus unterschiedlichen Motiven heraus werden die echten Namen unkenntlich gemacht. Dies kann dazu dienen, eine Person anonym zu lassen ([[Kryptonym]], [[Pseudonym]]) – wie im Falle von „Peter Panter“ für „Kurt Tucholsky“ – oder auch eine erwünschte Wirkung, z.&nbsp;B. in der Werbung, zu erzielen, indem eine einprägsame Bezeichnung gebildet wird (z.&nbsp;B. „Haribo“ für „Hans Riegel, Bonn“). [[Kryptonym]]e werden auch genutzt, um [[Aktion]]en oder [[Projekt]]e mit einem „verdeckten“, doch einprägsamen Wort zu benennen.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
<br />
* „Der Name ist nicht alles, aber ohne guten Namen ist alles nichts.“ – (Karl-Heinz W. Smola, Trend- und Zukunftsforscher)<br />
* „Ein guter Name ist mehr wert als Reichtum.“ – ([[Miguel de Cervantes]], spanischer Schriftsteller)<br />
* „Nomen est omen.“ – (lateinisches Sprichwort)<br />
* „Name ist Schall und Rauch.“ – (Goethe, Faust I, Szene Marthens Garten)<br />
* „Mein Name ist [[Victor von Hase|Hase]], ich weiß von nichts.“ – ([[Victor von Hase]], Jurist)<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
*[[Eigenname]]<br />
*[[Begriff]], [[Wort]] <br />
*[[Trivialname]], [[Benennung]], [[Bezeichnung]], [[Buchtitel]], [[Firma]] <br />
*[[Namenszusatz]], [[Paragramm]], [[Titel]], [[Zuordnung]] <br />
*[[Namensrecht]], [[Markenartikel]], [[Wappen]], [[Zirkel (Studentenverbindung)]]<br />
*[[Patronym]]<br />
*[[Top Level Domain]]<br />
*[[Falsche Namensangabe]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* [[Adolf Bach]]: ''Deutsche Namenkunde''. Mehrbändiges Werk, Heidelberg 1953.<br />
* Dieter Berger: ''Geographische Namen in Deutschland. Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern''. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 1993.<br />
* Peter Jordan, Hubert Bergmann, Catherine Cheetham und Isolde Hausner (Hrsg.): ''Geographical Names as a Part of Cultural Heritage.'' Wien 2009 (= Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 18). ISBN 978-3-900830-67-0<br />
* Dietz Bering: ''Grundlegung kulturwissenschaftlicher Studien über Straßennamen: Der Projektentwurf von 1989''. In: Jürgen Eichhoff und Wilfried Seibicke (Hrsg.): ''Name und Gesellschaft: soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung.'' Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2001, S. 270–281<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik''. Hamburg 2004<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenforschung morgen. Ideen, Perspektiven, Visionen''. Hamburg 2005<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch von Abasisch bis Zentralladindisch.'' Hamburg 2007<br />
* [[Ernst Eichler (Linguist)|Ernst Eichler]]: ''Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik.'' mehrbändiges Werk, München und New York<br />
* Dieter Geuenich und Ingo Runde (Hrsg.): ''Name und Gesellschaft im Frühmittelalter. Personennamen als Indikatoren für sprachliche, ethnische, soziale und kulturelle Gruppenzugehörigkeiten ihrer Träger''. (= Deutsche Namenforschung auf sprachgeschichtlicher Grundlage, Band 2), Hildesheim, Zürich und New York 2006<br />
* Karl Gutschmidt: ''Bemerkungen zum Gegenstand und zu den Aufgaben der poetischen (literarischen) Onomastik''. In: ''Germanistische Linguistik. Berichte aus dem Forschungsinstitut für Deutsche Sprache, Marburg, Lahn.'' Band 98–100, 1989, S. 425–430.<br />
* Hartwig Kalverkämper: ''Eigennamen in der Fachkommunikation: Onomastik der Moderne – eine moderne Onomastik?''. Hamburg 2006<br />
* Gerhard Koß: ''Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik''. 3. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2002<br />
* [[Hans Krahe]]: ''Vom Illyrischen zum Alteuropäischen.'' In: ''[[Indogermanische Forschungen]]''. Band 69, 1964, S. 201–212.<br />
* Hans Krahe: ''Die Struktur der alteuropäischen Hydronymie''. Mainz und Wiesbaden 1963. <br />
* [[Konrad Kunze]]: ''dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im gesamten deutschen Sprachgebiet''. 5., durchgesehene und korrigierte Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. ISBN 3-423-03266-9.<br />
* Hartwig Lödige: ''Ketchup, Jeans und Haribo. Die letzten Rätsel unserer Sprache''. München 2001.<br />
* Andreas Lötscher: ''Von Ajax bis Xerox. Ein Lexikon von Produktnamen''. Zürich 1992 <br />
* [[Peter von Polenz]]: ''Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland. Untersuchungen zur sprachlichen Raumerschließung''. Mehrbändiges Werk, Marburg 1961<br />
* Christoph Platen: ''Ökonymie. Zur Produktnamen-Linguistik im Europäischen Binnenmarkt''. Niemeyer, Tübingen 1997. ISBN 3-484-52280-1. Das Buch behandelt speziell linguistische Aspekte der Produktnamen.<br />
* Karl-Otto Sauerbeck: ''Beziehungen zwischen Eigennamen in der Literatur''. In: ''[[Beiträge zur Namenforschung]], Neue Folge'', Band 31, 1996, S. 407–424<br />
* W. P. Schmid: ''Der Begriff Alteuropa und die Gewässernamen in Polen''. In: ''Onomastica.'' Band 27, 1982, S. 55–69.<br />
* Rudolf Schützeichel und Matthias Zender: ''Namenforschung''. Heidelberg 1965<br />
* Wilfried Seibicke: ''Die Personennamen im Deutschen.'' de Gruyter, Berlin/New York 1982. ISBN 3-11-007984-4.<br />
* Konstanze Seutter: ''Eigennamen und Recht.'' Tübingen 1996.<br />
* [[Jürgen Udolph]]: ''Germanische Hydronymie aus kontinentaler Sicht''. In: ''Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge'', Band 24, 1989, S. 269–291.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Wiktionary|Name}}<br />
{{Wikiquote|Name}}<br />
* [http://www.gfds.de/ Gesellschaft für deutsche Sprache]<br />
* [http://www.gfn.name/ Gesellschaft für Namenkunde e. V.]<br />
* [http://www.vornamenberatung.eu/ Vornamenberatungsstelle]<br />
* [http://www.onomastik.com/ Namenforschung – Onomastik.com]<br />
* [http://www.echtenamen.de/ Sammlung ausgefallener Personen- und Ortsnamen]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Name|!]]<br />
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]<br />
[[Kategorie:Allgemeine Linguistik]]<br />
[[Kategorie:Philosophische Logik]]<br />
[[Kategorie:Sprachphilosophie]]<br />
[[Kategorie:Semantik (Philosophie)]]<br />
[[Kategorie:Sprache]]<br />
<br />
[[ar:اسم]]<br />
[[ay:Suti]]<br />
[[az:Ad]]<br />
[[bar:Name]]<br />
[[bg:Име]]<br />
[[bjn:Ngaran]]<br />
[[bn:নাম]]<br />
[[bs:Ime]]<br />
[[cv:Ят]]<br />
[[da:Navn]]<br />
[[el:Όνομα]]<br />
[[en:Name]]<br />
[[eo:Nomo]]<br />
[[es:Nombre]]<br />
[[eu:Izen]]<br />
[[hi:नाम]]<br />
[[hr:Ime]]<br />
[[ht:Non]]<br />
[[ia:Nomine]]<br />
[[id:Nama]]<br />
[[is:Nafn]]<br />
[[ja:名前]]<br />
[[jbo:cmevla]]<br />
[[jv:Jeneng]]<br />
[[km:នាម]]<br />
[[kn:ಹೆಸರು]]<br />
[[ko:이름]]<br />
[[lb:Numm]]<br />
[[lt:Vardas]]<br />
[[mk:Име]]<br />
[[new:नां]]<br />
[[nl:Naam]]<br />
[[nn:Namn]]<br />
[[nrm:Noum]]<br />
[[pt:Nome]]<br />
[[qu:Suti]]<br />
[[ro:Nume]]<br />
[[ru:Имя]]<br />
[[sh:Ime]]<br />
[[simple:Name]]<br />
[[sl:Ime]]<br />
[[sq:Emri]]<br />
[[sr:Име]]<br />
[[su:Ngaran]]<br />
[[sv:Namn]]<br />
[[te:పేరు]]<br />
[[th:ชื่อ]]<br />
[[tl:Pangalan]]<br />
[[uk:Ім'я]]<br />
[[vi:Tên gọi]]<br />
[[yi:נאמען]]<br />
[[yo:Orúkọ]]<br />
[[zh:名称]]<br />
[[zh-yue:名]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Name&diff=103423208Name2012-05-19T16:34:36Z<p>Xjs: /* Personennamen (Anthroponyme) */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
'''Namen''' sind, nach der aktuellen wissenschaftlichen Forschung, ein [[verbal]]er Zugriffsindex auf eine Informationsmenge über ein [[Individuum]].<ref name="Das Wesen des Namens">Ernst Hansack: ''Das Wesen des Namens''. In: Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung''. Hamburg 2004, S. 51–69.</ref><br />
Sie sind somit einer Person, einem Gegenstand, einer organisatorischen Einheit (z. B. einem Betrieb) oder einem Begriff zugeordnete Informationen, die der [[Identifizierung]] und [[Individualisierung]] dienen sollen (Funktion der Namenklarheit).<br />
<br />
Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Namen beschäftigt sich die [[Onomastik]]. Sie unterteilt sich in die [[Namenkunde]], die [[Geschichte]], Gebrauch und [[Etymologie]] der Namen klärt, und die Theoretische Namenforschung, die sich mit der Frage beschäftigt: Was ist ein Name? Die Namentheorie beschäftigt sich demnach mit der Hauptbedeutung, der [[Denotation]], der Namen, während sich die Namenkunde über die Denotation hinaus, mit der [[Konnotation]] der Namen beschäftigt. Siehe auch Artikel [[Theoretische Namenforschung]] und [[Begriff (Philosophie)|Begriff]].<br />
<br />
== Einführung ==<br />
=== Name und Allgemeinbegriff ===<br />
Die moderne Logik beziehungsweise theoretische Namenforschung sieht im ''Namen'' (''[[Nomen]]'' im [[Logik|logisch]]en Sinne, also wesentlich enger gefasst als im [[Grammatik|grammatisch]]en Sinne) einen Spezialfall der ''[[Bezeichnung]]''. Man unterscheidet drei grundlegende Typen der Nomina:<br />
* Bezeichnet ein Name einen [[Begriff (Philosophie)#Individualbegriff/Allgemeinbegriff|Allgemeinbegriff]] als eine definierte Klasse von Objekten, so nennt man ihn ''[[Appellativ]]um'' oder ''Gattungsname'' <br />
* Ein ''Name'' im engeren Sinne, der ''[[Eigenname]]'', fachlich ''Proprium'', bezeichnet eine Klasse aus nur einem Objekt, einen ''Individualbegriff''<br />
* Andere Nomina bezeichnen eine offene Klassen, den ''Substanzbegriff'', der singulär, aber hinsichtlich der Anzahl der Objekte offen ist. In diesem Fall spricht man von einem ''[[Stoffname]]n'' oder ''Kontinuativum''.<br />
<br />
=== Namen im engeren Sinne und Gattungsnamen ===<br />
Die folgenden Namenkategorien sind einerseits Namen (Individualnamen) im engeren Sinne und andererseits [[Gattungsname]]n.<br />
<br />
Namen im engeren Sinne bezeichnen eine einzelne Person, einen einzelnen Gegenstand, einen einzelnen Ort.<br />
<br />
Gattungsnamen sind dagegen zwischen Namen (Individualbegriff) und [[Appellativ]]en (Allgemeinbegriff) angesiedelt. Sie stellen beispielsweise eine Tier- oder Pflanzenart, eine Baureihe, sogar eine Handelsmarke als Einheit dar, die einen Namen tragen kann, obwohl sie aus mehreren Individuen oder Objekten besteht, was ihren Namen zur Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs macht. Von anderen Bezeichnungen unterscheidet sich ein Gattungsname dadurch, dass er zumeist nicht allgemeinsprachlich ist. <br />
<br />
Anschaulich lässt sich der Unterschied zwischen Individualname und Gattungsname an der [[Seriennummer]] erklären, auch wenn die Bezeichnung Seriennummer nicht eindeutig ist. Die Seriennummer ist der technische, individuelle Name eines Industrieerzeugnisses. Sie besteht aus der Nummer der Baureihe (Serie), also einem Gattungsnamen, und der Nummer dieses Erzeugnisses innerhalb der Serie.<br />
<br />
== Personennamen (Anthroponyme) ==<br />
{{Hauptartikel|Anthroponymie|Vornamen|Familiennamen}}<br />
<br />
Die [[Personenname]]n umfassen die Bezeichnungen für Einzelwesen ([[Vornamen]] und [[Familiennamen]]).<br />
[[Volksbezeichnung]]en und [[Stammesname]]n sind keine [[Eigenname]]n, sondern [[Gattungsname]]n.<br />
<br />
Im deutschen Sprachraum hat sich seit dem 12. Jahrhundert ein zweigliedriges Namensystem mit einem Individualnamen ([[Vorname]], [[Rufname]], Nebenname) und Familiennamen ([[Beiname]], [[Nachname]], [[Zuname]]) entwickelt. In anderen Ländern gibt es verschiedene Namensysteme. So verwendet man beispielsweise in Russland ein dreigliedriges Namensystem mit einem [[Vatersname]]n. Solche mehrgliedrigen Namensysteme sind seit der Antike bekannt. Die [[Römischer Name|römischen Namen]] bestanden aus bis zu drei Elementen und gliederten sich in Vorname ([[Römische Vornamen|Praenomen)]], Sippenname ([[Gentilname|Nomen Gentile]]) und Beiname ([[Agnomen]], bzw.[[Cognomen]]). Letzterer hatte große Bedeutung, weil die antiken Römer nur sehr wenige Vornamen zur Auswahl hatten und Sippennamen ein Privileg der Oberschicht waren.<ref name="dtv-Atlas Namenkunde">Konrad Kunze: ''dtv-Atlas Namenkunde''. 4. Auflage, München 2003, S. 38.</ref> Die verschiedenen Namensysteme und die dazu geltenden [[Namensrecht|gesetzlichen Regelungen]] sind aufgelistet in: <br />
*Erich Mergenthaler und Heinz Reichard: ''Standesamt und Ausländer.'' 30. Auflage, Frankfurt am Main 2006.<br />
*Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch von Abasisch bis Zentralladinisch''. Hamburg 2007.<br />
<br />
Ein auffälliges Merkmal, das speziell bei Familiennamen im deutschen Sprachraum zu beobachten ist, besteht darin, dass es eine Tendenz zur Variation ([[Diversifikationsgesetz|Diversifikation]]) ein und desselben Namens gibt. So existieren als sog. „adjektivische Übernamen“<ref>Wilfried Seibicke: ''Die Personennamen im Deutschen.'' De Gruyter, Berlin und New York 1982, ISBN 3-11-007984-4, S. 174.</ref> neben „Lang“ auch die Formen „Lange“, „Langer“ und „Langen“, ein Phänomen, das bei vielen Namen auftritt.<ref>Hermann Bluhme: ''Bemerkungen zu den Formen des Namens Schmidt.'' In: Peter Grzybek und Reinhard Köhler (Hrsg.): ''Exact Methods in the Study of Language and Text. Dedicated to Gabriel Altmann on the Occasion of his 75th Birthday.'' Mouton de Gruyter, Berlin und New York 2007, ISBN 978-3-11-019354-1, S. 33–38.</ref> Bei Vornamen wiederum ist festzustellen, dass viele von ihnen Benennungsmoden unterliegen, die dafür sorgen, dass ein bestimmter Name häufiger wird, einen Höhepunkt der Beliebtheit erreicht und dann wieder an Häufigkeit verliert.<ref>Gerhard Koß: ''Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik.'' Niemeyer, Tübingen 1990, ISBN 3-484-25134-4, S. 88.</ref><br />
<br />
Siehe hierzu auch unter [[Namensrecht]].<br />
<br />
=== Künstlernamen/Pseudonyme ===<br />
In der Kunst spielen Namen eine wichtige Rolle. Mit dem Eigen- oder [[Künstlername]]n sich einen „Namen“ zu erarbeiten, ist eine der größten Motivationen der meisten Künstler. Mit der Bekanntheit des eigenen „Namens“ steigt häufig auch der Handelswert seiner angebotenen Kunst.<br />
<br />
[[Salvador Dalí]] ging gegen Ende seiner Karriere spielerisch mit seinem Namen um. So signierte er weiße Blätter und verkaufte diese. Den Käufern stand es frei, ein Bild zu malen, das den Namen Dalí trug.<br />
<br />
{{Hauptartikel|Pseudonym}}<br />
<br />
=== Kunstnamen ===<br />
In literarischen und filmischen Werken tragen die handelnden Personen und die Orte an denen die Handlung stattfindet zuweilen fiktive [[Sprechender Name|sprechende Namen]]. Hierdurch sollen sie bereits durch ihre äußere Benennung ihrem inneren Wesen nach charakterisiert werden.<br />
<br />
Das Stilmittel der sprechenden Namen ist bereits seit der Antike bekannt und findet sich ebenso in den mündlichen Überlieferungen von Mythen und Sagen in den verschiedensten Kulturkreisen.<br />
<br />
In der klassischen [[Allegorie|allegorischen]] Literatur bedürfen die Namen meist keiner Interpretation seitens des Lesers. So trifft der Pilger in [[John Bunyan]]s ''The Pilgrim’s Progress'' unter anderem den Riesen „Verzweiflung“, der Herr der „Burg des Zweifels“ ist. Ästhetisch reizvollere [[Code|Codierung]]en erfolgen insbesondere durch [[Wortspiel]]e, [[Buchstabendreher]], [[Onomatopoesie|Lautmalerei]] oder [[Akronym]]e.<br />
<br />
== Geographische Namen (Geographica) ==<br />
Geographische Namen im eigentlichen Sinne sind immer Individualnamen. Geographische Klassennamen werden nicht zu den Geographica gezählt.<br />
<br />
=== Großobjektnamen (Makrotoponyme) ===<br />
<br />
* ''Himmelskörper-'' und ''Himmelssphärennamen (Kosmonyme)''<br />
* ''Örtlichkeitsnamen'' (''[[Toponym]]e, Ortsnamen'' im weiteren Sinne) <br />
** ''Raumnamen (Choronyme):'' Erdteile-, Meeres-, Zonen-, Regions-, Wüsten-, Landschaftsnamen, Talnamen<br />
** ''Gebirgs-'' und ''Bergnamen ([[Oronym]]e)''<br />
** ''Insel-'' und ''Halbinsel''namen <br />
** ''[[Gewässername]]n (Hydronyme):'' Meeres-, See-, Fluss-, Bach-, Kanal-, Sumpfnamen <br />
** ''Wald-'' und ''Forstnamen'', ''Reviernamen''<br />
** ''Siedlungsnamen'' (''Oikonyme, [[Ortsnamen]]'' im eigentlichen Sinne): Stadt-, Dorf-, Burg, Stadtteil-, Ortsteilnamen, Wüstungsnamen <br />
* ''Gemeindeverbandsnamen<br />
<br />
Viele dieser Namen können aber auch zu den Mikrotyponymen gerechnet werden, wenn sie kleinere Objekte ansprechen.<br />
<br />
==== Himmelskörper- und Sphärennamen (Kosmonyme) ====<br />
<br />
Die Einteilung der Himmelskörper- und Sphärennamen erfolgt nach [[Planeten]], [[Satellit (Astronomie)|Monden]], [[Planetoid]]en, [[Stern]]en ''([[Astronym]]e)'' und [[Sternbild]]ern. Dabei wurden zunächst für jene Himmelskörper unseres Sternsystems Namen vergeben, die von der [[Erde]] aus sichtbar waren. Sie wurden durchweg nach [[Götter]]n aus [[Mythos|Mythen]] benannt, wobei in der Antike jedes Volk seine eigenen Götternamen vergab. Heutzutage haben sich die Götternamen der Römer als Fachterminologie durchgesetzt. Die dazugehörigen Monde erhielten ebenfalls Bezeichnungen aus den Mythen. Diese wurden passend zu den Götternamen des Planeten, den sie umkreisten, vergeben.<br />
<br />
Ab 1801 begannen sich die astronomischen Forschungen auszuweiten und die ersten Planetoiden wurden gesichtet. Diese erhielten zu Beginn die Namen der Göttinnen. Mit zunehmender Fülle der Kleinplaneten mussten jedoch irdische Frauennamen genutzt werden. Auch die Sternbilder haben in der Mehrzahl einen mythischen Hintergrund.<br />
<br />
Anders hingegen verfuhr man bei Sternen. Bevor Koordinaten zu ihrer Unterscheidung genutzt wurden, erhielten sie meist arabische Namen nach ihren Entdeckern. Die [[Araber]] waren im 18. und 19. Jahrhundert führend in der Astronomie. Sternensysteme oder auch [[Nebel (Astronomie)|Nebel]] besitzen hingegen selten Eigennamen.<br />
<br />
==== Raumnamen (Choronyme) ====<br />
<br />
Nach [[Peter von Polenz]] unterteilen sich die Raumnamen in naturräumliche und politische Gebilde. Erstere umfassen Landschaften und Gebiete, letztere fest umgrenzte Räume (Bezirks- und Ländernamen). Bereits in frühester Zeit wurden Stammesbezeichnungen als Raumnamen verwendet. Beispielsweise ist der Name des [[Bundesland (Deutschland)|Bundeslandes]] [[Sachsen]] aus dem gleichnamigen Stamm entstanden. Gleiches gilt für [[Bayern]], [[Thüringen]], [[Holstein]] und [[Hessen]].<br />
<br />
==== Gewässernamen (Hydronyme) ====<br />
<br />
Die Gewässernamen sind die ältesten Zeugnisse unserer Sprache. Da insbesondere an den größten Flüssen die ersten Besiedlungen zu finden waren, wurden hier die ersten Gewässernamen vergeben. Daraus resultiert die Beobachtung, dass je größer ein Fluss, umso älter sein Name ist. Es wird zwischen stehenden und fließenden [[Gewässer]]n unterschieden, wobei insbesondere die fließenden Gewässer im Mittelpunkt des Interesses der Forschung stehen.<br />
<br />
In der Gewässernamenforschung haben [[Hans Krahe]] und dessen Schüler W. P. Schmidt die bis heute stark umstrittene Theorie der ''Alteuropäischen Hydronymie'' geprägt. Sie besagt, dass es Gewässernamen gibt, die außerhalb ihrer [[Einzelsprache]] in ganz [[Europa]] Entsprechungen besitzen, wodurch die Existenz einer voreinzelsprachlichen, indogermanischen Sprache belegt werden soll. Ein Beispiel hierfür ist die [[Isère (Fluss)|Isère]] in Süd[[frankreich]] – [[Jizera|Iser]]/Jizera in [[Tschechien]] – [[Isar]] in [[Deutschland]] – [[IJssel]] in den [[Niederlande]]n.<br />
<br />
==== Ortsnamen (Toponyme) ====<br />
<br />
Die [[Ortsname]]nforschung beschäftigt sich im Besonderen mit den Strukturen, der Entstehung, dem Wandel und dem Verlust von Siedlungsbenennungen. Sie geht dabei [[diachronisch]] vor, indem sie von der heutigen Ortsnamenform ausgehend Belege sammelt und mit Hilfe derer versucht, den ursprünglichen Namen zu rekonstruieren. Anhand dieser Grundform kann die Etymologie des Namens bestimmt werden. Unterschieden wird dabei nach Bildungsweise der Orte und sprachlicher Zugehörigkeit.<br />
<br />
=== Kleinobjektnamen (Mikrotoponyme) ===<br />
<br />
* Kleinräumige Örtlichkeitsnamen <br />
* [[Flurnamen]]: Gewann- und Parzellenamen, Ackerbau- und Viehwirtschafts-, Weidewirtschaftsnamen <br />
* ''Wegenamen (Hodonyme)'': [[Straßenname|Straßen]]-, Gassennamen, Platznamen<br />
* Haus-, Hof und Gebäudenamen<br />
* Bergbaunamen: Zechen- und Schachtnamen<br />
* und viele andere<br />
<br />
==== Flurnamen ====<br />
<br />
[[Flurnamen]] sind sprachliche Zeichen, die der Orientierung im Raum, zur Identifizierung sowie Individualisierung von Objekten kleinerer landschaftlicher Einheiten dienen.<ref name="Die Flurnamen">Wolfgang Kleiber: ''Die Flurnamen''. In: W. Besch, O. Reichmann und St. Sonderegger (Hrsg.): ''Sprachgeschichte.'' Berlin und New York 1985, S. 2130, Sp. 1.</ref> Dazu gehören: Äcker, Wiesen, Spezialkulturen (Reben, Hanfgärten), Hecken, Wälder, Berge, Täler, Alpen, Felsen, Bäche, Flüsse, Seen, Quellen, Brunnen, Wege, Gassen, Grenzen und Gewerbeanlagen (Köhlereien, Mühlen, Stampfwerke).<ref name="Flurnamen">Erika Waser: ''Flurnamen''. In: Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung''. Hamburg 2004, S. 350.</ref> Flurnamen bezeichnen demnach die unbesiedelten Teile einer Landschaft. Aufgrund ihrer geringen kommunikativen Reichweite werden sie auch als Mikrotoponyme bezeichnet. In der Forschung ist umstritten, ob Objekte innerhalb von Siedlungen den Flurnamen zuzurechnen sind oder nicht. In Bezug auf Bildungsweise und sprachliche Zugehörigkeit sind sie den Ortsnamen vergleichbar.<br />
<br />
==== Wegenamen (Hodonyme) ====<br />
<br />
[[Straßenname]]n (griech. ''hodos'' „Weg“) dienen der Orientierung in einer Stadt. Sie werden unterteilt in längliche Gebilde ''(Prodonyme)'' und Plätze ''(Agoronyme)''. Sie sind im Mittelalter entstanden. Seitdem werden sie oft zu politischen Zwecken genutzt, wobei man sich heute zunehmend um zeitlose Namen bemüht. Hierzu gibt es für die Kommunen Arbeitshilfen, vor allem, um Doppelbenennungen oder gleichklingende Namen zu vermeiden. Im Zuge dieser neuen Benennungssituation sind zunehmend hodonymische Felder entstanden. Das bedeutet, dass zusammenhängende Gebiete nach einheitlichen Gesichtspunkten benannt werden, bspw. nach Komponisten, Blumen oder Planeten.<br />
<br />
Daneben gibt es auch Hodonyme, die zu den Makrotoponymen gezählt werden können, etwa ''[[Via Appia]]'' für die römische Fernverkehrsstraße oder ''[[Brenner Autobahn]]'', sowie für Eisenbahnstrecken wie ''[[Transsib]]''.<br />
<br />
==== Haus- und Hofnamen ====<br />
<br />
Bevor im 18. Jahrhundert nach französischem Vorbild Hausnummern eingeführt wurden, waren die ''[[Hausname|Haus- und Hofnamen]]'' ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal in den Städten. Sie teilten die Städte in Viertel und trennten sie von den Vorstädten und Dörfern. Vor allem die öffentlichen Bauten erhielten Titel, sowie Kaufhäuser und Mietshäuser mit entsprechendem Standard. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Verwendung von Haus- und Hofnamen stark zurück und ist nur noch in sehr ländlichen, wenig dicht besiedelten Gebieten üblich.<br />
<br />
== Ereignisnamen ==<br />
– immer Individualnamen –<br />
* Politische Ereignisnamen: Volksbewegungen, Revolutionsnamen, Kriegsnamen, Konfliktnamen <br />
* Feier- und Festtagsnamen <br />
* Epochennamen <br />
* Naturereignisnamen <br />
<br />
== Institutionsnamen (Ergonym) ==<br />
– immer Individualnamen –<br />
* Verwaltungsbereichsnamen: Staats-, Landes-, Provinz-, Bezirks-, Kreisnamen <br />
* Arbeits- und Bildungsstättennamen <br />
* Erholungsstättennamen <br />
* Gedenk- und Kulturstättennamen<br />
<br />
=== Bildungsstättennamen ===<br />
<br />
Bildungsstätten sind Prestigeobjekte, weswegen sie sich besonders zur Namenvergabe eignen. Meist sind die Namen aus einer Nominalgruppenstruktur gebildet, deren Kern ein appellativisches Nomen ([[Schule]], [[Hochschule]], [[Universität]], [[Institut]]) bildet. Durch Komposition werden diese mit Attribution oder [[Asyndeton|asyndetischen]] Nachstellungen verbunden.<ref name="Namen von Bildungseinrichtungen">Andreas Lötscher: ''Namen von Bildungseinrichtungen''. In: [[Ernst Eichler (Linguist)|Ernst Eichler]]: ''Namenforschung''. München und New York 1996, Band 11.2, S. 1552.</ref><br />
<br />
Die Namen der Bildungseinrichtungen beziehen sich meist auf den Gründer/[[Stifter]], den (finanziellen) Förderer oder auf [[Schirmherr|Patrone]], das heißt Personen, die keine direkte Beziehung zu der Bildungseinrichtung haben, aber trotzdem ein besonderes Prestige besitzen.<ref name="Namen von Bildungseinrichtungen"/> Ziel dieser Namengebung ist, die betreffende Persönlichkeit zu ehren, an sie zu erinnern oder ihre Vorbildfunktion zu betonen.<br />
<br />
Demgegenüber gibt es Namen, die nur einen [[intensional]]en Gehalt besitzen. Sie teilen lediglich sachliche Informationen mit, um entweder die Institution, die fachliche Spezifikation oder die Trägerschaft zu kennzeichnen. Dabei soll absichtlich auf (selbst)bewertende Informationen verzichtet werden.<br />
<br />
In Deutschland muss der potentielle Prestigegehalt in sinnvollem Verhältnis zur Wichtigkeit der Institution stehen. Dementsprechend tragen Bildungseinrichtungen mit hohem Prestige keine Patronatsnamen, dagegen beispielsweise Grund- und Hauptschulen meist Namen mit regionaler Bedeutung.<br />
<br />
== Produktnamen (Ergonyme) ==<br />
<br />
* Verkehrsmittelnamen (können sowohl Individualnamen, z. B. eines Schiffes oder einer Lokomotive sein, als auch Gattungsnamen, z. B. einer ICE-Linie)<br />
* Warenzeichennamen (immer Gattungsnamen)<br />
* Warennamen (Ökonyme) (immer Gattungsnamen)<br />
* Mediennamen (können Individualnamen sein, z. B. Name eines Films, auch wenn es streng genommen mehrere Kopien gibt und zahlreiche Aufführungen, oder Gattungsnamen, z. B. Name einer Fernsehserie)<br />
* Bücher- und Zeitschriftennamen (immer Gattungsnamen)<br />
* Produktionsverfahrensnamen, Technologienamen (immer Gattungsnamen)<br />
<br />
=== Warennamen (Ökonyme) ===<br />
– immer Gattungsnamen, erst die Seriennummer ist der Individualname –<br />
Zu den Warennamen gehören Artikelnamen, [[Marke (Recht)|Markennamen]] und [[Firma|Firmennamen]]. Sie müssen bestimmte Informationen an den Käufer übermitteln, sei es über den Hersteller, den Herstellungsort, den Stoff des Produkts, die Eigenschaften des Produkts, den Verwendungszweck oder die Wirkungsweise.<br />
<br />
Sie sind insofern eine besondere Gruppe, als dass die Namen zu Gattungsbegriffen werden können. Als Beispiel sei hier das Taschentuch von [[Tempo (Marke)|Tempo]] genannt, das ursprünglich die herstellende Firma betitelte und nun im alltäglichen Sprachgebrauch das Papiertaschentuch betitelt.<br />
<br />
Die Warennamen sind markenrechtlich geschützt. Die gesetzlichen Bestimmungen dazu, sind nachzulesen in:<br />
*Volker Ilzhöfer: ''Patent-, Marken- und Urheberrecht''. 5. Auflage, München 2002.<br />
<br />
=== Mediennamen ===<br />
<br />
Die Namen für die verschiedenen Medien sind durch gesetzliche Regeln definiert und geschützt. Mit der Firma wird ein bestimmtes Unternehmen namentlich gekennzeichnet und somit individualisiert.<br />
<br />
Sie sind die Namen, die am stärksten Modeerscheinungen unterworfen sind. Die Marketinganforderungen an einen Mediennamen sind: <br />
*Er muss sich von denen der Wettbewerber unterscheiden.<br />
*Er muss einen Neuigkeitseffekt auslösen. <br />
*Er muss den neuen Wert kommunizieren.<br />
*Er muss unverwechselbar attraktiv sein. <br />
*Er muss schutzfähig ([[Kennzeichenrecht]]) sein. <br />
Entsprechende gesetzliche Bestimmungen finden sich bei:<br />
*Volker Ilzhöfer: ''Patent-, Marken- und Urheberrecht''. 5. Auflage, München 2002.<br />
<br />
== Namen für Handlungen ==<br />
<br />
* Tanz- und Spielnamen<br />
<br />
== Namen für Gedankliches ==<br />
<br />
* Literarische Namen <br />
* Planungen <br />
<br />
== Musikalische Namen ==<br />
<br />
* Instrumentennamen (gehören i. d. R. zu den Warennamen, es gibt aber auch berühmte Musikinstrumente mit Individualnamen)<br />
* Kompositionsnamen (grundsätzlich Individualnamen)<br />
<br />
== Sonstige Namen ==<br />
<br />
* Tier- und Pflanzennamen (Gattungsnamen, daneben Individualnamen einzelner Tier- und Pflanzenindividuen)<br />
* Meteorologische Namen<br />
* Gegenstände (Chrematonyme)<br />
<br />
=== Tier- und Pflanzennamen ===<br />
<br />
Tiere, zu denen Menschen eine besondere Beziehung aufbauen, erhalten sehr oft Namen, die menschlichen Namen entsprechen. In [[Märchen]], aber auch in Erzählungen der Neuzeit, haben Tiere oft Namen.<br />
<br />
Dagegen ist die schon seit der Antike nachweisbare von [[Carl von Linné]] in unserer heutigen Form eingeführte [[Nomenklatur (Biologie)|Nomenklatur]] nicht im engeren Sinn „Name“, sondern bezieht sich meist auf Eigenschaften, die in die [[Gattungsname]]n eingearbeitet werden. Diese Eigenschaften können sowohl Organe, Aussehen als auch Fundorte beschreiben. Des Weiteren werden auch teilweise Personen gewürdigt, die die Art als erste beschrieben haben bzw. geehrt werden sollen. Deutsche Tier- und [[Schreibweise deutscher Pflanzennamen|Pflanzennamen]] werden nach ähnlichen Gesichtspunkten gebildet, beruhen jedoch nicht grundsätzlich auf Binominalität.<br />
<br />
Eine weitere Form der Tier- und Pflanzennamen sind Benennungen von Zuchtformen, also von willentlich erzeugten [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzungen]] bzw. [[Hybride]]n von [[Tierzucht|Tieren]] und [[Pflanzenzucht|Pflanzen]]. Die Namensgebung erfolgt meist durch die Züchter, die ihre Erzeugnisse oft nach sich selbst oder dem Zuchtort benennen. Allerdings werden vor allem Zuchtpflanzen häufig nach berühmten Persönlichkeiten (z. B. Herrschern) benannt.<br />
<br />
=== Meteorologische Namen ===<br />
<br />
Die meteorologischen Namen wurden von [[Clement Lindley Wragge]] geprägt. Er vergab als erster weibliche Vornamen für [[Tropischer Wirbelsturm|tropische Wirbelwinde]] und männliche für außertropische [[Tiefdruckgebiet|Tiefdruckwirbel]] mit [[Sturm]]- und [[Orkan]]feldern. Bekanntermaßen verwendete er mit Vorliebe die Namen ihm missfälliger Politiker.<br />
<br />
Aber erst in den 1950er Jahren setzte sich die Benennung für meteorologische Erscheinungen durch. Dies resultierte daraus, dass für die [[Jagdflugzeug]]e des amerikanischen Militärs eine Umschreibung der Phänomene zu lange dauerte. Zuerst wurden dabei die Unterteilungen von Clement L. Wragge nach männlichen und weiblichen Vornamen beibehalten. Als aber wiederholte Beschwerden an die Öffentlichkeit kamen, beschloss man 1979, beide Geschlechter gleichmäßig mit den Namen der Wirbelstürme zu belasten. Dazu wurde 1979 eine offizielle Liste der IHC herausgegeben.<ref>[http://www.ofcm.gov/homepage/text/spc_proj/ihc.html Interdepartmental Hurricane Conference].</ref> Diese [[Liste der Namen tropischer Wirbelstürme|Namensliste]] ist bis heute Grundlage für die Bezeichnungen tropischer Wirbelstürme. In Deutschland werden seit den 1950er Jahren Hoch- und Tiefdruckgebiete benannt. Diese Liste wurde ursprünglich von [[Richard Scherhag]] geschrieben, heute werden die Namen im Rahmen der Aktion Wetterpate von der Technischen Universität in Berlin versteigert. Diese Namen werden inzwischen bei Starkwindereignissen von den Medien auch außerhalb Deutschlands verwendet. Eine Benennung von Tiefdruckgebieten erfolgt auch bei norwegischen Wetterdienst.<br />
<br />
=== Gegenstände (Chrematonyme) ===<br />
<br />
Auch Gegenstände hatten oder haben Eigennamen; dies ist in verschiedenen [[Kultur]]en [[Brauch|üblich]]. So führten etwa bei den Germanen einzelne [[Schwert]]er (z. B. [[Siegfried der Drachentöter|Siegfrieds]] Schwert „[[Balmung]]“) oder [[Helm]]e Namen, heute noch [[Kraftwagen|Autos]] (z. B. die „[[Grüne Minna]]“), [[Schiff]]e, [[Eisenbahn]]züge, [[Puppe (Spielzeug)|Puppen]] oder Spieltiere.<br />
<br />
== Verschleierung von Namen ==<br />
In vielen Fällen und aus unterschiedlichen Motiven heraus werden die echten Namen unkenntlich gemacht. Dies kann dazu dienen, eine Person anonym zu lassen ([[Kryptonym]], [[Pseudonym]]) – wie im Falle von „Peter Panter“ für „Kurt Tucholsky“ – oder auch eine erwünschte Wirkung, z.&nbsp;B. in der Werbung, zu erzielen, indem eine einprägsame Bezeichnung gebildet wird (z.&nbsp;B. „Haribo“ für „Hans Riegel, Bonn“). [[Kryptonym]]e werden auch genutzt, um [[Aktion]]en oder [[Projekt]]e mit einem „verdeckten“, doch einprägsamen Wort zu benennen.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
<br />
* „Der Name ist nicht alles, aber ohne guten Namen ist alles nichts.“ – (Karl-Heinz W. Smola, Trend- und Zukunftsforscher)<br />
* „Ein guter Name ist mehr wert als Reichtum.“ – ([[Miguel de Cervantes]], spanischer Schriftsteller)<br />
* „Nomen est omen.“ – (lateinisches Sprichwort)<br />
* „Name ist Schall und Rauch.“ – (Goethe, Faust I, Szene Marthens Garten)<br />
* „Mein Name ist [[Victor von Hase|Hase]], ich weiß von nichts.“ – ([[Victor von Hase]], Jurist)<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
*[[Eigenname]]<br />
*[[Begriff]], [[Wort]] <br />
*[[Trivialname]], [[Benennung]], [[Bezeichnung]], [[Buchtitel]], [[Firma]] <br />
*[[Namenszusatz]], [[Paragramm]], [[Titel]], [[Zuordnung]] <br />
*[[Namensrecht]], [[Markenartikel]], [[Wappen]], [[Zirkel (Studentenverbindung)]]<br />
*[[Patronym]]<br />
*[[Top Level Domain]]<br />
*[[Falsche Namensangabe]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* [[Adolf Bach]]: ''Deutsche Namenkunde''. Mehrbändiges Werk, Heidelberg 1953.<br />
* Dieter Berger: ''Geographische Namen in Deutschland. Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern''. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 1993.<br />
* Peter Jordan, Hubert Bergmann, Catherine Cheetham und Isolde Hausner (Hrsg.): ''Geographical Names as a Part of Cultural Heritage.'' Wien 2009 (= Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 18). ISBN 978-3-900830-67-0<br />
* Dietz Bering: ''Grundlegung kulturwissenschaftlicher Studien über Straßennamen: Der Projektentwurf von 1989''. In: Jürgen Eichhoff und Wilfried Seibicke (Hrsg.): ''Name und Gesellschaft: soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung.'' Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2001, S. 270–281<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik''. Hamburg 2004<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Namenforschung morgen. Ideen, Perspektiven, Visionen''. Hamburg 2005<br />
* Andrea und Silvio Brendler (Hrsg.): ''Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch von Abasisch bis Zentralladindisch.'' Hamburg 2007<br />
* [[Ernst Eichler (Linguist)|Ernst Eichler]]: ''Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik.'' mehrbändiges Werk, München und New York<br />
* Dieter Geuenich und Ingo Runde (Hrsg.): ''Name und Gesellschaft im Frühmittelalter. Personennamen als Indikatoren für sprachliche, ethnische, soziale und kulturelle Gruppenzugehörigkeiten ihrer Träger''. (= Deutsche Namenforschung auf sprachgeschichtlicher Grundlage, Band 2), Hildesheim, Zürich und New York 2006<br />
* Karl Gutschmidt: ''Bemerkungen zum Gegenstand und zu den Aufgaben der poetischen (literarischen) Onomastik''. In: ''Germanistische Linguistik. Berichte aus dem Forschungsinstitut für Deutsche Sprache, Marburg, Lahn.'' Band 98–100, 1989, S. 425–430.<br />
* Hartwig Kalverkämper: ''Eigennamen in der Fachkommunikation: Onomastik der Moderne – eine moderne Onomastik?''. Hamburg 2006<br />
* Gerhard Koß: ''Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik''. 3. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2002<br />
* [[Hans Krahe]]: ''Vom Illyrischen zum Alteuropäischen.'' In: ''[[Indogermanische Forschungen]]''. Band 69, 1964, S. 201–212.<br />
* Hans Krahe: ''Die Struktur der alteuropäischen Hydronymie''. Mainz und Wiesbaden 1963. <br />
* [[Konrad Kunze]]: ''dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im gesamten deutschen Sprachgebiet''. 5., durchgesehene und korrigierte Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. ISBN 3-423-03266-9.<br />
* Hartwig Lödige: ''Ketchup, Jeans und Haribo. Die letzten Rätsel unserer Sprache''. München 2001.<br />
* Andreas Lötscher: ''Von Ajax bis Xerox. Ein Lexikon von Produktnamen''. Zürich 1992 <br />
* [[Peter von Polenz]]: ''Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland. Untersuchungen zur sprachlichen Raumerschließung''. Mehrbändiges Werk, Marburg 1961<br />
* Christoph Platen: ''Ökonymie. Zur Produktnamen-Linguistik im Europäischen Binnenmarkt''. Niemeyer, Tübingen 1997. ISBN 3-484-52280-1. Das Buch behandelt speziell linguistische Aspekte der Produktnamen.<br />
* Karl-Otto Sauerbeck: ''Beziehungen zwischen Eigennamen in der Literatur''. In: ''[[Beiträge zur Namenforschung]], Neue Folge'', Band 31, 1996, S. 407–424<br />
* W. P. Schmid: ''Der Begriff Alteuropa und die Gewässernamen in Polen''. In: ''Onomastica.'' Band 27, 1982, S. 55–69.<br />
* Rudolf Schützeichel und Matthias Zender: ''Namenforschung''. Heidelberg 1965<br />
* Wilfried Seibicke: ''Die Personennamen im Deutschen.'' de Gruyter, Berlin/New York 1982. ISBN 3-11-007984-4.<br />
* Konstanze Seutter: ''Eigennamen und Recht.'' Tübingen 1996.<br />
* [[Jürgen Udolph]]: ''Germanische Hydronymie aus kontinentaler Sicht''. In: ''Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge'', Band 24, 1989, S. 269–291.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Wiktionary|Name}}<br />
{{Wikiquote|Name}}<br />
* [http://www.gfds.de/ Gesellschaft für deutsche Sprache]<br />
* [http://www.gfn.name/ Gesellschaft für Namenkunde e. V.]<br />
* [http://www.vornamenberatung.eu/ Vornamenberatungsstelle]<br />
* [http://www.onomastik.com/ Namenforschung – Onomastik.com]<br />
* [http://www.echtenamen.de/ Sammlung ausgefallener Personen- und Ortsnamen]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Name|!]]<br />
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]<br />
[[Kategorie:Allgemeine Linguistik]]<br />
[[Kategorie:Philosophische Logik]]<br />
[[Kategorie:Sprachphilosophie]]<br />
[[Kategorie:Semantik (Philosophie)]]<br />
[[Kategorie:Sprache]]<br />
<br />
[[ar:اسم]]<br />
[[ay:Suti]]<br />
[[az:Ad]]<br />
[[bar:Name]]<br />
[[bg:Име]]<br />
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[[bs:Ime]]<br />
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[[hi:नाम]]<br />
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[[ia:Nomine]]<br />
[[id:Nama]]<br />
[[is:Nafn]]<br />
[[ja:名前]]<br />
[[jbo:cmevla]]<br />
[[jv:Jeneng]]<br />
[[km:នាម]]<br />
[[kn:ಹೆಸರು]]<br />
[[ko:이름]]<br />
[[lb:Numm]]<br />
[[lt:Vardas]]<br />
[[mk:Име]]<br />
[[new:नां]]<br />
[[nl:Naam]]<br />
[[nn:Namn]]<br />
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[[qu:Suti]]<br />
[[ro:Nume]]<br />
[[ru:Имя]]<br />
[[sh:Ime]]<br />
[[simple:Name]]<br />
[[sl:Ime]]<br />
[[sq:Emri]]<br />
[[sr:Име]]<br />
[[su:Ngaran]]<br />
[[sv:Namn]]<br />
[[te:పేరు]]<br />
[[th:ชื่อ]]<br />
[[tl:Pangalan]]<br />
[[uk:Ім'я]]<br />
[[vi:Tên gọi]]<br />
[[yi:נאמען]]<br />
[[yo:Orúkọ]]<br />
[[zh:名称]]<br />
[[zh-yue:名]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=W%C3%BCrde&diff=92690974Würde2011-08-20T23:53:52Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{Überarbeiten}}<br />
{{Dieser Artikel|bezieht sich auf den sittlichen Wert „Würde“, für den gleichnamigen Bach im Saalekreis (Sachsen-Anhalt) siehe [[Würde (Salza)]]}}<br />
Der Begriff '''Würde''' ({{LaS|''dignitas''}}) bezeichnet die Eigenschaft, eine einzigartige Seinsbestimmung zu besitzen. Sie kann einem Lebewesen, einem System von Lebewesen aber auch einer natürlichen oder menschlichen Schöpfung zugesprochen werden. Zumeist wird die Seinsbestimmung von Menschen in einem moralischen Sinne verstanden oder als ein in einer Wertehierarchie hoher Rang bzw. eine Vorrangstellung von Personen. Traditionell wurde der Ausdruck auch auf politische oder soziale Einheiten angewandt, etwa auf den römischen Staat und seine Bürger oder auf gesellschaftliches Ansehen bzw. Stellung, wie sie etwa dem erblichen Adel zukamen. In jüngerer Literatur wird auch von einer Würde der Natur oder sogar jeden Lebewesens gesprochen. Mit dem Begriff der [[Menschenwürde]] wird die besondere Seinsbestimmung bezeichnet, die alle Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet.<ref>Vgl. zum Vorstehenden und zur Ideengeschichte siehe auch A. Grossmann: Art. ''Würde'', in: [[Historisches Wörterbuch der Philosophie|HWPh]], Bd. 12, S. 1088–1093.</ref><br />
<br />
== Begriff ==<br />
=== Etymologie ===<br />
Würde (von [[althochdeutsch]] ''wirdî''; [[mittelhochdeutsch]] ''wirde'') ist sprachgeschichtlich verwandt mit dem Wort „[[Wert]]“ und bezeichnete anfänglich den Rang, die Ehre, das Verdienst oder das Ansehen einer einzelnen [[Person]].<ref>Vgl. zur Etymologie und zur Verwendung in älterer deutschsprachiger Literatur: Jacob Grimm / Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. [in 32 Teilbänden], S. Hirzel, Leipzig 1854-1960, Bd. 30, 2060-2088, [http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?mode=hierarchy&textsize=600&lemid=GW26872 Online].</ref><br />
<br />
=== Umgangssprache ===<br />
Umgangssprachlich ist „Würde“<br />
* das gemessene, besonnene und glaubhaft das Absehen von eigenen Nöten signalisierende Verhalten eines Menschen, das bei anderen [[Ehrfurcht]] zu erwecken geeignet ist.<br />
* Man ist einer Ehre oder eines guten [[Leumund]]s ''würdig'', wenn man ihnen gerecht werden kann, sie verdient hat.<br />
* Von ''Würde'' spricht man im Zusammenhang mit [[Ritual]]en (vgl. „eine würdige Feier“).<br />
* Von ''Würde'' spricht man im Zusammenhang mit hohen [[Öffentliches Amt|Ämtern]] (vgl. die „Würde des Amtes“, etwa des Bundespräsidenten, die „nicht beschädigt werden darf“).<br />
<br />
Was hier als würdig oder nichtswürdig (würdelos, [[Schande|schändlich]]) empfunden wird, ist weder allgemein definierbar noch konstant, sondern unterliegt wie alle [[Wertvorstellung]]en ständigem [[Sozialer Wandel|sozialen Wandel]]. Vgl. dazu immerhin [[Friedrich Schiller]]s Gedicht ''Würde der Frauen''.<br />
<br />
Umgangssprachliche Redewendungen sind etwa:<br />
* ''Das ist unter meiner Würde.''<br />
* ''Da wird die Würde mit Füßen getreten.''<br />
<br />
Der Unterschied zu [[Ehre]] oder [[Ruhm]] ist zu beachten: Während Ehre und Ruhm einen äußeren, etwa durch eine Gesellschaft vermittelten Wert darstellen, liegt der Wert der Würde im Inneren eines jeden Menschen selbst.<br />
<br />
== Ideengeschichte ==<br />
=== Christlich geprägte Anthropologie ===<br />
Das Christentum interpretiert die alttestamentliche Rede vom Menschen als Ebendbild Gottes und von seiner Vorrangstellung unter Gottes Geschöpfen traditionell dahingehend, dass seine Würde gottgegeben und nicht verlierbar ist. Sie komme jedem Menschen als solchem zu und sei mithin unabhängig von Lebensumständen oder Verhalten.<br />
<br />
=== Giovanni Pico della Mirandola ===<br />
Derjenige, der den Begriff der Würde des Menschen (lat. {{lang|la|''dignitas hominis''}}) als erster formuliert, ist der Renaissance-Philosoph [[Giovanni Pico della Mirandola]]. Die Würde des Menschen gründet nach Pico della Mirandola darauf, dass, zugespitzt formuliert, die Natur des Menschen darin liegt, dass er keine (festgelegte) Natur hat, dass, mit anderen Worten, er die Freiheit hat, sein Wesen selbst zu schaffen. Den Schöpfer lässt Pico zu Adam sagen: „Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine bestimmte äußere Erscheinung und auch nicht irgendeine besondere Gabe habe ich dir verliehen, Adam, damit du den Platz, das Aussehen und alle die Gaben, die du dir selber wünschst, nach deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen kannst. Die fest umrissene Natur der übrigen Geschöpfe entfaltet sich nur innerhalb der von mir vorgeschriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen.“ Diese Selbstbestimmung des Menschen macht, nach Pico, seine Würde aus.<br />
<br />
=== Europäische Aufklärung ===<br />
Seit der Aufklärung wurde im Unterschied zur vorherigen konkreten Bedeutung mit „Würde“ verstärkt ein abstrakter sittlicher, moralischer Wert bezeichnet, der letztlich eine Qualität des Handelns (Würde als ''Gestaltungsauftrag'') oder, noch abstrakter, eine den Menschen allgemein immanente Eigenheit (Würde als ''Wesensmerkmal'') bezeichnet. Damit verband sich oft der Gedanke eines Gestaltungsauftrags, der durch das Individuum und die Gesellschaft zu verwirklichen ist.<br />
<br />
An das Individuum gerichtet, findet dies Ausdruck bei Friedrich Schiller in ''[[Über Anmut und Würde]]'' (1793): ''Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung. Auch die Würde hat ihre verschiedenen Abstufungen und wird da, wo sie sich der Anmut und Schönheit nähert, zum Edeln, und wo sie an das Fruchtbare grenzt, zur Hoheit. Der höchste Grad der Anmut ist das Bezaubernde, der höchste Grad der Würde ist Majestät.''<br />
<br />
=== Immanuel Kant ===<br />
[[Immanuel Kant]] begründet die [[Menschenwürde#Menschenw.C3.BCrde_bei_Kant|Menschenwürde]] in mehreren seiner Schriften zur praktischen Philosophie, insb. in der [[Grundlegung zur Metaphysik der Sitten]], der [[Metaphysik der Sitten]] und der [[Kritik der praktischen Vernunft]], mit der Vernunft des Menschen, die sich nur selbst ihr eigenes Gesetz (für die Beurteilung des moralisch Guten) gibt (und darum „[[Autonomie (Philosophie)|autonom]]“ heißt). Handlungsbewertungen bewegen sich nach Kant in einem Strukturganzen, das er „Reich der Zwecke“ nennt und von den Sach- und Kausalzusammenhängen, welche die theoretische Vernunft beschreibt, absetzt. In diesem „Reich der Zwecke“ hat alles einen (je mehr oder weniger hohen) Preis oder aber Würde. Ein „Zweck an sich“ hat keinen relativen Wert wie der Preis, kann also nicht durch andere Zwecke aufgewogen werden. Er hat stattdessen einen inneren Wert, die Würde, die auf der Fähigkeit praktisch-vernünftiger Wesen beruht, Handeln autonom als moralisch gut (oder moralisch böse) zu bewerten (sog. Moralität oder Sittlichkeit). Die Würde kommt damit dem Mensch als solchen (nicht aufgrund irgendwelcher [[Akzidens|akzidenteller]] Eigenschaften) zu, Kant formuliert auch: „der Menschheit“. Eine andere Formulierung für die nicht-verrechnbare Würde des Menschen als solchen ist die Formulierungsvariante des obersten Moralprinzips Kants (sog. [[Kategorischer Imperativ]]), Menschen je (immer auch) als Zweck an sich selbst (also nie nur als Mittel zu einem davon absetzbaren, relativen Zweck) zu behandeln.<ref>Vgl. auch [[Rudolf Eisler]]: Art. [http://www.textlog.de/33270.html „Würde“], in: Ders.: ''Kant-Lexikon'', Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichen Nachlaß, Berlin 9. A. 1930.</ref><br />
<br />
=== Friedrich Schiller ===<br />
[[Friedrich Schiller]] sieht in der Würde den Ausdruck einer [[Das Erhabene|erhabenen]] [[Gesinnung]]. Dabei sieht Schiller im freien [[Wille]]n des Menschen den entscheidenden Unterschied zum Tier. Würde entstehe dann, wenn sich der Wille des Menschen über seinen Naturtrieb erhebe: „Beherrschung der Triebe durch die [[moral]]ische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung.“ (Friedrich Schiller, ''[[Über Anmut und Würde|Über Anmuth und Würde]]'')<br />
<br />
Schiller sah die Würde indes nicht als idealistische Träumerei, sondern aufbauend auf der Befriedigung elementarer Bedürfnisse und der Überwindung materieller Not (vergleiche sein 1797er [[Distichon]] ''Würde des Menschen''):<ref>in: ''Gesammelte Werke'', Bd. 3, Gütersloh 1976, S. 438</ref><br />
::''„Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.<br />Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.“''<br />
<br />
=== Bertolt Brecht ===<br />
Fast synonym zu Schillers [[Epigramm]] über die Würde des Menschen schrieb [[Bertolt Brecht]] in seiner ''[[Dreigroschenoper]]'': „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Er unterbreitet in seinem Text ''Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit'' den Vorschlag, das Wort „Ehre“ durch das Wort „[[Menschenwürde]]“ zu ersetzen, und weist damit auf den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Prinzipien hin: Die Ehre ist etwas Äußeres, die Würde etwas Inneres.<br />
<br />
== Begriffsverwendungen im Recht ==<br />
=== Menschenwürde ===<br />
Rechtlich gibt es mehrere Begriffe der Würde:<br />
* Verfassungsrechtlich ist ''die Würde des Menschen'' („[[Menschenwürde]]“) nach [http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/gg/art_1.html Artikel 1, Absatz 1] des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] ''unantastbar'', sie wird als unveränderliches (vorkonstitutionelles, [[axiom]]atisches) [[Grundrecht]] angesehen und beginnt mit seiner Zeugung (umstritten). Sie ist unmittelbar geltendes Recht, nicht nur eine Absichtserklärung. Die [[Würde des Menschen]] ist oberster Wert des Grundgesetzes.<ref>[http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv054148.html BVerfGE 54, 148]</ref> Darüber hinaus sollen die allgemeinen [[Menschenrechte]] ein würdevolles Dasein sichern. Die Menschenwürde wird somit einerseits zum „tragenden Fundament der Menschenrechte“, andererseits aber auch zu deren höchstem Ziel, wenn auch vielleicht unerreichbaren Ideal. Für [[Franz Josef Wetz]] besteht weltanschauungsneutral (insoweit möglich) „der wahre Gehalt menschlicher Würde in verwirklichten [[Menschenrecht]]en – einem Leben in körperlicher Unversehrtheit, freiheitlicher Selbstbestimmung und Selbstachtung sowie in sozialer Gerechtigkeit“.<ref>[[Franz Josef Wetz]], ''Die Würde des Menschen: antastbar?'', S. 16</ref><br />
* Zu einigen Zeiten war öffentlichrechtlich „eine Würde“ eine hohe Titulatur mit innewohnender Verpflichtung (vgl. „jemanden in Amt und Würden einsetzen“ – historisches Beispiel: ein mittelalterlicher [[Kaiser]] wie [[Otto I. (HRR)|Otto der Große]] hatte dies als ''Würde'' [Titel mit Pflicht] inne, aber er ''amtete'' kraft dessen, dass er zugleich der deutsche [[König]] [grundsätzlich Alleinherrscher] war).<br />
* Der strafrechtlich bewehrte „Schutz der Totenruhe“ in Deutschland geht implizit davon aus, dass der Mensch auch als Toter eine Würde hat (so 2005 in der Strafrechtsprechung anlässlich eines Falles von [[Kannibalismus]]).<br />
<br />
=== Tierwürde ===<br />
Der Begriff der Würde ist auch in rechtlichen Festlegungen keineswegs auf den Menschen beschränkt. Auch Tieren wird eine Würde zugesprochen. So wurde in einer Volksabstimmung am 17. Mai 1992 zur Regelung von Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik der Artikel 24 in der schweizer Bundesverfassung verabschiedet.<ref name="baranzke">{{Literatur | Autor=[[Heike Baranzke]] | Kommentar=[[Dissertation]], [[Universität Bonn]] | Titel=Würde der Kreatur?: Die Idee der Würde im Horizont der Bioethik | Verlag=[[Königshausen & Neumann]] | Ort=[[Bonn]] | Jahr=2002 | Seiten=15 | ISBN=3826023331 | Online={{Google Buch|BuchID=g26hEPeXQeYC|Seite=15}} | Zugriff=16. Juni 2009}}</ref> Im dritten Absatz hat die ''Würde der Kreatur'' mit folgendem Wortlaut Eingang gefunden:<br />
{{Zitat|Abs. 3: Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.|ref=<ref name="baranzke" /><ref name="gesetze.ch">{{internetquelle|hrsg= SR 101 - Edition Optobyte AG|url= http://www.gesetze.ch/sr/101/101_015.htm|titel= Gentechnologie im Ausserhumanbereich Art. 120 Abs. 2|datum= Juni 2009|zugriff=16. Juni 2009}}</ref>}}<br />
Bereits am 25. Juni 1980 wurde der Begriff ''Würde der Kreatur'' in §14 der Verfassung des Kantons [[Aargau]] zur Begrenzung der [[Forschungsfreiheit|Freiheit der Forschung und Lehre]] eingeführt. Dort heißt es:<br />
{{Zitat|Die wissenschaftliche Lehre und Forschung sowie die künstlerische Betätigung sind frei. Lehre und Forschung haben die Würde der Kreatur zu achten.|ref=<ref name="baranzke" />}}<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Begriffsgeschichte ===<br />
;Überblicksdarstellungen<br />
* [[Ernst Bloch]]: ''[[Naturrecht]] und menschliche Würde.'' Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1972. ISBN 3-518-06549-1 (zeitlicher Längsschnitt, dabei berücksichtigend: [[Epikur]], die [[Stoa]], [[Thomas von Aquin]], [[Johannes Althusius]] (Althus), [[Thomas Hobbes]], [[Hugo Grotius]], [[Jean-Jacques Rousseau]], [[Immanuel Kant]], [[Johann Gottlieb Fichte]], [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]], [[Ludwig Andreas Feuerbach]], die [[Französische Revolution]], [[Karl Marx]] und das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]])<br />
* Armin G. Wildfeuer: Art. ''Würde'', in: [[Lexikon für Theologie und Kirche]] Bd. 10, 1324f.<br />
;Antike<br />
* W. Dürig: Art. ''Dignitas'', in: [[Reallexikon für Antike und Christentum]] 3 (1957), 1024–1035.<br />
* V. Pöschl: ''Der Begriff der Würde im antiken Rom und später'', Winter, Heidelberg 1989.<br />
;Mittelalter<br />
* P. Kondylis u.a.: Art. ''Würde'', in: O. Brunner / W. Conzer / R. Koselleck (Hgg.): ''Geschichtliche Grundbegriffe'' 7 (1997), 637-677.<br />
<br />
=== Systematische Literatur ===<br />
;Überblicksdarstellungen<br />
* N. Rainer: Art. ''Würde'', in: [[Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie]] Bd. 4, 784-787.<br />
* M. J. Meyer: Art. ''Dignity'', in: L. C. Becker / C. B. Becker (Hgg.:) Encyclopedia of Ethics, New York: Garland Publishing, Inc. 1992.<br />
;Sammelbände<br />
* R. S. Dillon (Hg.): ''Dignity, Character, and Self-Respect'', New York: Routledge 1995.<br />
* Michael Fischer (Hg.): ''Der Begriff der Menschenwürde'', Frankfurt am Main u.&nbsp;a.: Lang ²2005, ISBN 3-631-54223-2<br />
* Ph. Balzer / K. P. Rippe / P. Schaber: ''Menschenwürde versus Würde der Kreatur'', Freiburg 1998.<br />
* R. Gröschner / S. Kirste / O. Lembcke (Hg.), ''Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance'', Tübingen 2008<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote|Würde}}<br />
{{Wiktionary|Würde}}<br />
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/respect/|Respect|Robin S. Dillon}}<br />
* Herbert Fronhofen: [http://www.theologie-systematisch.de/anthropologie/3gottebenbildlichkeit.htm Aktuelle systematisch-theologische Literatur zur Menschenwürde]<br />
* Franz J. Wetz: [http://www.politische-bildung.de/niedersachsen/wuerde_menschen.pdf Die Würde des Menschen: antastbar?] (Heft der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung; PDF-Datei; 920 kB)<br />
* Armin G. Wildfeuer: [http://www.perennis.de/public/Publikationen/Dokumente/MW-Leerformel.pdf Menschenwürde - Leerformel oder unverzichtbarer Gedanke?] (PDF-Datei; 768 kB)<br />
* Patrick Spät: [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7608/ ''Panpsychismus. Ein Lösungsvorschlag zum Leib-Seele-Problem''], Freiburg: FreiDok der Universität Freiburg 2010 (Doktorarbeit, Seiten 229 bis 243 diskutieren den Würde-Begriff des Lebendigen).<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Wurde}}<br />
[[Kategorie:Ethisches Gut]]<br />
[[Kategorie:Rechtsphilosophie]]<br />
[[Kategorie:Tugend]]<br />
<br />
[[ar:كرامة]]<br />
[[bat-smg:Oroms]]<br />
[[ca:Dignitat]]<br />
[[cs:Důstojnost]]<br />
[[en:Dignity]]<br />
[[eo:Digno]]<br />
[[es:Dignidad]]<br />
[[fi:Ihmisarvo]]<br />
[[fr:Dignité]]<br />
[[he:כבוד האדם]]<br />
[[hr:Dostojanstvo]]<br />
[[hy:Արժանապատվություն]]<br />
[[it:Dignità]]<br />
[[ja:個人の尊厳]]<br />
[[la:Dignitas]]<br />
[[lt:Orumas]]<br />
[[pl:Godność człowieka]]<br />
[[pt:Dignidade]]<br />
[[ro:Demnitate]]<br />
[[ru:Достоинство]]<br />
[[simple:Dignity]]<br />
[[sk:Dôstojnosť]]<br />
[[sv:Värdighet]]<br />
[[th:ศักดิ์ศรี]]<br />
[[uk:Гідність]]<br />
[[zh:人性尊嚴]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Silvana_Koch-Mehrin&diff=90511252Silvana Koch-Mehrin2011-06-26T10:10:54Z<p>Xjs: /* Plagiatsvorwürfe, Rücktritt und Entzug des Doktorgrades */ Kopfschütteln der FDP-Spitze, Quelle FAZ</p>
<hr />
<div>[[Datei:Kochmehrin.jpg|thumb|Silvana Koch-Mehrin in [[Rostock]] (2009)]]<br />
'''Esther Silvana Koch-Mehrin'''<ref>[http://www.europarl.europa.eu/ep-dif/28241_10-01-2011.PDF ''Erklärung der finanziellen Interessen der Mitglieder.''] vom 11. Januar 2011</ref> (* [[17. November]] [[1970]] in [[Wuppertal]]) ist eine [[Deutschland|deutsche]] Politikerin der [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und seit der [[Europawahl 2004]] [[Mitglied des Europäischen Parlaments]]. Nach der [[Europawahl 2009]] wurde sie zu einer von 14 Vizepräsidenten des Parlaments gewählt. Wegen nachgewiesener [[Plagiat]]e in ihrer [[Dissertation]] wurde ihr im Juni 2011 der Doktorgrad aberkannt. Einen Monat zuvor hatte sie nach Plagiatsvorwürfen ihren Rücktritt von allen politischen Ämtern mit Ausnahme des Mandats im Europäischen Parlament erklärt. Das Mandat im Europäischen Parlament übt sie weiterhin aus, was mittlerweile Spott und sogar heftige Reaktionen provoziert. So findet die [[Deutsche Forschungsgemeinschaft]] eine weitere Mitgliedschaft Koch-Mehrins im europäischen Parlament als nicht akzeptabel <ref name=spiegel20110511/><ref>[http://www.nytimes.com/2011/04/25/education/25iht-educside.html The Whiff of Plagiarism Again Hits German Elite], NY Times, 24. April 2011</ref><ref>[http://www.elmundo.es/elmundo/2011/05/10/union_europea/1305041214.html La vicepresidenta de la Eurocámara Koch-Mehrin plagió su tesis doctoral], El Mundo, 13. Mai 2011</ref><ref name=dfg-mitteilung/><br />
<br />
== Leben ==<br />
Koch-Mehrin wuchs zunächst in [[Marokko]] und dem [[Sudan]] auf<ref>[http://www.koch-mehrin.de/person/vita/ Vita] von Silvana Koch-Mehrin auf ihrer Website</ref> und verbrachte ihre Schulzeit dann in [[Köln]]. 1990 legte sie dort ihr [[Abitur]] am Gymnasium [[Köln-Rodenkirchen|Rodenkirchen]] ab. <br />
<br />
Sie studierte mit einem [[Stipendium]] der [[parteinahe Stiftung|FDP-nahen]] [[Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit|Friedrich-Naumann-Stiftung]]<ref>{{cite web |url=http://www.liberalismus-portal.de/silvana-koch-mehrin.htm |title=Dr. Silvana Koch-Mehrin MdEP |work=Liberalismus-Portal |accessdate=2011-04-20}}</ref> [[Volkswirtschaftslehre]] und [[Geschichte]] an den [[Universität Hamburg|Universitäten Hamburg]], [[Universität Straßburg|Straßburg]] und [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]]. 2000 wurde sie in Heidelberg mit der [[Dissertation]] ''Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die [[Lateinische Münzunion]] 1865–1927'' [[Promotion (Doktor)|promoviert]].<ref>[https://portal.d-nb.de/opac.htm?method=showFullRecord&currentResultId=atr%253D123232228%2BOR%2Bnid%253D123232228%2526any&currentPosition=2 ''Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865–1927''] im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek</ref><ref>Rezension z.B. unter: Sascha Rolf Lüder: In: ''Europarecht.'' Band 38, Heft 2, 2003, S. 356–358.</ref> Ihr Doktorvater war [[Volker Sellin]]. Am 15. Juni 2011 wurde ihr aufgrund von [[Plagiat]]en in ihrer Dissertation der Doktorgrad von der Universität Heidelberg entzogen (''[[#Plagiatsvorwürfe, Rücktritt und Entzug des Doktorgrades|siehe unten]]'').<br />
<br />
Direkt nach ihrer Promotion gründete Koch-Mehrin ''Conseillé + Partners sprl'', eine Unternehmensberatung für Strategieplanung und Europaberatung. Anfang 2003 wurde sie mit ihrem Unternehmen Partnerin bei der Unternehmensberatung ''Policy Action Ltd.'', die auf die Analyse der Auswirkungen von Gesetzgebungsentscheidungen für Unternehmen spezialisiert ist und auch [[Lobbyismus|lobbyistisch]] tätig ist.<ref>[http://www.policyaction.com Offizielle Homepage des Unternehmens].</ref> Nach ihrer Wahl ins Europäische Parlament hat sie nach eigenen Angaben ihre Anteile an der Firma verkauft.<ref>[http://www.fdp-bw.de/personen/pernum.php3?num=109 Seite von Silvana Koch-Mehrin auf der Homepage der FDP Baden-Württemberg], abgerufen am 13. April 2011.</ref> Ab 2004 widmete sie sich in einer Kolumne der Zeitschrift [[Praline (Zeitschrift)|Praline]] jede Woche einer Leserfrage zur [[Europäische Union|EU]].<ref>[http://www.tagesspiegel.de/medien/dank-praline-und-fdp-europa-ist-doch-sexy/552786.html, Dank „Praline“ und FDP: Europa ist doch sexy], tagesspiegel.de, 10. Oktober 2004.</ref><br />
<br />
Seit 1997 in Brüssel wohnhaft, lebt Koch-Mehrin dort mit dem [[Irland|irischen]] [[Rechtsanwalt]] [[James Candon]] zusammen und hat drei Töchter. Sie unterhält ein Abgeordnetenbüro in [[Karlsruhe]], in dessen FDP-Kreisverband sie auch Mitglied ist.<br />
<br />
== Politik ==<br />
Koch-Mehrin war stellvertretende Vorsitzende der [[Junge Liberale|Jungen Liberalen]]. Seit 1999 gehört sie dem Bundesvorstand der FDP an.<br />
<br />
Mit Koch-Mehrin als [[Spitzenkandidat]]in kehrte die FDP bei der [[Europawahl 2004]] nach zehnjähriger Abwesenheit in das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] zurück. Im Wahlkampf hatte sie sich für ein [[Referendum]] über den [[EU-Verfassungsvertrag]], die Einhaltung des [[Stabilitäts- und Wachstumspakt]]s und den Abbau von [[Bürokratie]] eingesetzt. Nach dem Einzug in das Europäische Parlament wurde Koch-Mehrin zur Vorsitzenden der FDP-[[Landesgruppe|Delegation]] innerhalb der [[Fraktion im Europäischen Parlament|Fraktion]] [[Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa]] (ALDE) gewählt, womit sie zugleich auch Mitglied im Parteipräsidium der FDP wurde. Außerdem wurde sie zur ersten stellvertretenden ALDE-Fraktionsvorsitzenden gewählt. Sie war unter anderem Mitglied im [[Haushaltsausschuss (Europäisches Parlament)|Haushaltsausschuss]] des Parlaments. <br />
<br />
Bei der [[Europawahl in Deutschland 2009]] war Koch-Mehrin erneut Spitzenkandidatin der FDP, die mit 11 % der Stimmen ihr bestes Ergebnis überhaupt bei einer [[Europawahl]] erzielte. Nach der Wahl wurde Koch-Mehrin erneut zur FDP-Delegationsleiterin gewählt. Außerdem wurde sie eine der 14 [[Europäisches Parlament#Präsidium und Konferenz der Präsidenten|Vizepräsidenten des Europäischen Parlamentes]].<ref>[http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~EA14C6A4DEF154891B9189E44353ED2C6~ATpl~Ecommon~Scontent.html ''Europäisches Parlament: Koch-Mehrin entgeht nur knapp einer Blamage.''] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].'' 14. Juli 2009</ref> Ihre Wahl erfolgte mit 186 von 644 gültigen Stimmen im dritten Wahlgang durch den Stimmenvorsprung von 12 Stimmen gegenüber dem rechtslastigen [[Polen|polnischen]] Kandidaten [[Michał Kamiński]] mit 174 Stimmen. Mit 148 Stimmen im ersten und 141 Stimmen im zweiten Wahlgang hatte Koch-Mehrin zuvor jeweils die wenigsten Stimmen aller 15 Kandidatinnen und Kandidaten erhalten.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/,tt5m1/politik/114/480593/text/ ''Koch-Mehrin schrammt an Schlappe vorbei].'' In: ''[[Süddeutsche Zeitung]].'' 15. Juli 2009; [http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/denkzettel-fuer-koch-mehrin/ ''Knapp ins EU-Parlamentspräsidium gewählt – Denkzettel für Koch-Mehrin.''] In: ''[[Die Tageszeitung]].'' 15. Juli 2009</ref> Im Präsidium war Koch-Mehrin zuständig für die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten sowie Vorsitzende der Arbeitsgruppe ''Gender Equality & Diversity'' und Mitglied der Arbeitsgruppe ''Informations- und Kommunikationspolitik'' des Präsidiums. Außerdem war sie Verantwortliche des Präsidiums für das Organ des Europäischen Parlaments zur Bewertung Wissenschaftlicher und Technologischer Optionen (''STOA – Science Technology Options Assessment'').<ref>[http://www.koch-mehrin.de/2009/09/01/koch-mehrins-arbeitsbereiche-im-prasidium-des-europaischen-parlaments/ Dr. Silvana Koch-Mehrins Arbeitsbereiche im Präsidium des Europäischen Parlaments]</ref> Zudem wurde sie Mitglied im [[Petitionsausschuss (Europäisches Parlament)|Petitionsausschuss]] und stellvertretendes Mitglied im [[Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie]].<br />
<br />
In Folge der gegen sie erhobenen Plagiatsvorwürfe erklärte Koch-Mehrin am 11. Mai 2011 ihren Rücktritt als Leiterin der FDP-Delegation, als Parlamentsvizepräsidentin und als Mitglied des FDP-Parteipräsidiums.<ref name=FTD110511>[[Financial Times Deutschland]], 11. Mai 2011: [http://www.ftd.de/politik/deutschland/:plagiatsverdacht-fdp-politikerin-koch-mehrin-tritt-von-allen-aemtern-zurueck/60050869.html FDP-Spitzenpolitikerin Koch-Mehrin tritt von allen Ämtern zurück]</ref> Ihr Nachfolger als Delegationsleiter wurde [[Alexander Graf Lambsdorff]], als FDP-Präsidiumsmitglied [[Alexander Alvaro]].<ref>[[Financial Times Deutschland]], 24. Mai 2011: [http://www.ftd.de/politik/europa/:nach-plagiatsaffaere-lambsdorff-folgt-koch-mehrin/60056211.html Lambsdorff folgt Koch-Mehrin].</ref> <br />
<br />
Am 22. Juni 2011 wurde Koch-Mehrin auf Antrag der ALDE-Fraktion anstelle von [[Jorgo Chatzimarkakis]] zum Vollmitglied im [[Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie]] benannt.<ref>[http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+PV+20110622+ITEM-004+DOC+XML+V0//DE&language=DE Parlaments-Protokoll]; Spiegel Online, 22. Juni 2011: [http://www.spiegel.de/politik/deutschlan/0,1518,769950,00.html ''Koch-Mehrin wird zur Forschungspolitikerin befördert''].</ref> Auf Grund der kurz vorher bekannt gewordenen Plagiate und des Entzugs ihres Doktortitels forderte die [[Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen]] ihren Rückzug aus diesem Amt. <ref>[http://www.stern.de/politik/deutschland/plagiatsaffaere-um-silvana-koch-mehrin-wissenschaftler-fordern-rueckzug-aus-eu-ausschuss-1699387.html Wissenschaftler fordern Rückzug aus EU-Ausschuss] ([[stern.de]], 25. Juni 2011)</ref> Am 25. Juni 2011 erklärte Koch-Mehrin, sie beabsichtige in einen anderen Ausschuss des EU-Parlamentes zu wechseln.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.stern.de/politik/koch-mehrin-verlaesst-forschungsausschuss-nach-kritik-1699462.html| titel=Koch-Mehrin verlässt Forschungsausschuss nach Kritik| zugriff=25. Juni 2011| hrsg=Der Stern|datum= 25. Juni 2011}}</ref><br />
<br />
Koch-Mehrin ist Mitglied der [[Europa-Union Parlamentariergruppe Europäisches Parlament]]. Weiterhin ist sie Mitglied im Förderverein der [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]] und im Redaktionsbeirat des Magazins [[Politik & Kommunikation]].<br />
<br />
== Politische Positionen ==<br />
=== Burkaverbot ===<br />
2010 erklärte Koch-Mehrin nach dem in [[Belgien]] umgesetzten [[Verschleierungsverbot]],<ref>[http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~E8F99C9A6D0B54DD1907A930D39251180~ATpl~Ecommon~Scontent.html ''Ein Verbot eint Belgien-Flamen und Wallonen begrüßen den Burka-Bann.''] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].'' 2. Mai 2010</ref> sie begrüße diesen Beschluss ganz ausdrücklich und wünsche sich, dass auch in Deutschland – und in ganz Europa – das Tragen aller Formen der [[Burka]] verboten werde.<ref>vgl. z.B. [http://blog.zeit.de/joerglau/2010/05/02/warum-ein-burkaverbot-in-deutschland-falsch-ware_3726 ''Warum ein Burkaverbot in Deutschland falsch wäre.''] zeitonline, 2. Mai 2010</ref> Die Burka sei ein massiver Angriff auf die Rechte der [[Frau]], ein mobiles Gefängnis. „Die vollständige Verhüllung von Frauen ist ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die wir in Europa nicht teilen.“<ref>[http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~EB35D86C9C0184F7E8E72A057679FC90B~ATpl~Ecommon~Scontent.html ''FDP will Burka-Verbot in ganz Europa.''] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].'' 2. Mai 2010</ref> In ihrem Schreiben führte sie weiterhin aus, dass niemand in seiner persönlichen Freiheit und in seiner Religionsausübung eingeschränkt werden solle.<ref>[http://www.welt.de/politik/ausland/article7419075/Koch-Mehrin-will-europaweites-Burka-Verbot.html ''„Mobiles Gefängnis“ Koch-Mehrin will europaweites Burka-Verbot.''] In: ''[[Die Welt]] Online.'' 1. Mai 2010</ref> Koch-Mehrin erklärte weiterhin, dass verschleierte Frauen auf der Straße bei ihr Befremdung auslösen: „Ich gebe offen zu: Wenn mir auf der Straße vollverschleierte Menschen begegnen, bin ich irritiert. Ich kann nicht einschätzen, wer da mit welcher Absicht auf mich zukommt. Ich habe keine Angst, aber ich bin verunsichert.“<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,692396,00.html ''Silvana Koch-Mehrin-FDP-Politikerin verlangt Burka-Bann für Europa.''] In: ''[[Spiegel Online]].'' 1. Mai 2010</ref><br />
<br />
=== Abschaffung des Familienministeriums ===<br />
In einem Interview mit der [[Bild (Zeitung)|Bild]] forderte Koch-Mehrin 2007 die Abschaffung des deutschen [[Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend|Familienministeriums]].<ref>vgl. [http://www.fdp-bundespartei.de/webcom/show_article.php/_c-1093/_nr-12/i.html ''Koch-Mehrin: Politik ist kinderfeindlich.''] fdp-bundespartei.de</ref> Der Bereich Familie, Jugend, Senioren gehöre ins [[Bundesministerium für Arbeit und Soziales|Sozialministerium]].<ref>[http://www.bild.de/news/2007/news/politik-kinderfeindlich-2476268.bild.html ''„Politik ist kinderfeindlich“.''] bild.de, 17. Juli 2009</ref> Zur Förderung von Familien forderte sie, dass Eltern Betreuung und Ausbildung von Kindern komplett von der Steuer absetzen können und die Kinderfreibeträge steigen sollten.<ref>[http://www.stern.de/politik/deutschland/glosse-die-selbstabschaffung-der-silvana-koch-mehrin-597592.html ''Die Selbstabschaffung der Silvana Koch-Mehrin.''] In: ''Stern.de'', 12. September 2007</ref><br />
<br />
=== Vergabe von EU-Geldern an NGOs ===<br />
Koch-Mehrin forderte 2005, dass solche Organisationen, die den Grundprinzipien der EU entgegenstehen, keine EU-Gelder mehr erhalten sollten. Koch-Mehrin begründete die Forderung wie folgt: „Die EU hat sich auf klare wirtschaftspolitische Grundprinzipien geeinigt, prioritär die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt. Einige Nichtregierungsorganisationen stehen der Ausgestaltung dieser Grundprinzipien feindlich gegenüber.“ Gemeint waren französische [[Gewerkschaft]]en, die sich gegen den [[EU-Verfassungsvertrag]] eingesetzt hatten, und gewisse [[Globalisierungskritik|globalisierungskritische]] [[Nichtregierungsorganisation|NGO]]s wie [[Attac]] oder [[World Economy, Ecology & Development|WEED]].<ref>[[EurActiv]], 21. Oktober 2005: [http://www.euractiv.com/en/pa/ngos-fend-attacks-eu-subsidies/article-145962 NGOs fend off attacks over EU subsidies] (englisch).</ref><br />
<br />
[[Markus Krajewski]], Vorsitzender der WEED und seit 2010 auch Professor für Öffentliches und Europäisches Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsvölkerrecht in Erlangen, warf Koch-Mehrin 2005 ein „vordemokratisches und antiliberales Verständnis über die Verwendung öffentlicher Gelder“ vor. Für Reinhard Hermle, den Vorsitzenden des [[Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen|Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen]], war der Vorstoß Bestandteil einer „ideologischen Schlacht“.<ref>Gerhard Klas, Telepolis, 9. Dezember 2005: [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21524/1.html Kein Geld mehr für kritische NGOs?]</ref><br />
<br />
== Kontroversen und Kritik ==<br />
=== Debatte um Anwesenheitsquote ===<br />
Im Vorfeld der Europawahl 2009 wurde Koch-Mehrin von EU-Parlamentariern anderer Fraktionen und von verschiedenen Medien kritisiert, da sie bei Ausschuss- und Plenarsitzungen im Europäischen Parlament nur selten anwesend gewesen sei.<ref>{{Literatur|Online=[http://www.faz.net/s/Rub4D092B53EEAA4A45A7708962A9AD06AF/Doc~EAF23FE848FB342629F84718A76687EEC~ATpl~Ecommon~Scontent.html faz.net]|Autor=Michael Stabenow|Datum=4. Juni 2009|Sammelwerk=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]|Titel=Europaparlament: Wie fleißig ist Silvana Koch-Mehrin?}}{{Literatur|Online=[http://www.tagesspiegel.de/zeitung/der-ton-wird-schaerfer/1529190.html tagesspiegel.de]|Autor=Albrecht Meier und Christian Tretbar|Datum=6. Juni 2009|Sammelwerk=[[Der Tagesspiegel]]|Titel=Europaparlament: Der Ton wird schärfer}}</ref> Als Reaktion erklärte Koch-Mehrin, die Medien hätten ihre Schwangerschaftszeit bei der Berechnung nicht berücksichtigt<ref>{{Literatur|Autor=Von H.-J. Jakobs und Th. Denkler |Sammelwerk=[[Süddeutsche Zeitung]]|Online=[http://www.sueddeutsche.de/politik/255/470799/text/ sueddeutsche.de]|Titel=Die Schöne und das Biest von der ARD|Datum=3. Juni 2009}}</ref> und gab eine [[Versicherung an Eides statt|eidesstattliche Erklärung]] ab, nach der ihre Anwesenheitsquote in der „oberen Hälfte“ der Abgeordneten liege. Damit bewirkte sie eine [[einstweilige Verfügung]] gegen die [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]].<ref name="zeit200924">{{internetquelle|autor=Katharina Schuler|werk=[[Zeit online]]|datum= 4. Juni 2009 |url=http://www.zeit.de/online/2009/24/koch-mehrin-europawahl?page=all|titel=Abgeordneten-Präsenz: Spitzenkandidatin im Zwielicht|zugriff=2011-04-13}}</ref> Diese wurde allerdings später wieder aufgehoben, was Fragen über die Richtigkeit der eidesstattlichen Erklärung aufwarf.<ref name="zeit200924"/><ref>[[Zapp (Magazin)|Zapp]], 3. Juni 2009: [http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/medien_politik/fdp132.html Kampf um Wähler – FDP-Spitzenkandidatin wehrt sich gegen Journalisten].</ref><br />
<br />
=== Äußerungen zu Parlamentariern und Prostituierten ===<br />
Im November 2008 erklärte Koch-Mehrin in einem Interview gegenüber der [[Bunte]]n, „Wer im Parlament etwa Zwangsprostitution verurteilt, muss sich vor dem Ausgang auch entsprechend verhalten, sonst leidet die Glaubwürdigkeit und die Würde des ganzen Hauses.“<ref>[[Bunte]] 46/2008, 4. November 2008: ''Silvana Koch-Mehrin: „Wie Ausflüge ins Landschulheim“''; Bunte, 4. November 2008: [http://www.bunte.de/home/silvana-koch-mehrin-kein-spass-mehr-in-strassburg_aid_7141.html ''Die Neulinge erkunden das Parlament].</ref> Die Aussagen wurden vielfach so verstanden, dass Koch-Mehrin den männlichen Abgeordneten pauschal vorwerfe, sie seien Kunden von Prostituierten, die zur [[Prostitution]] gezwungen würden. Damit trugen die Aussagen erheblich dazu bei, das Verhältnis Koch-Mehrins zu anderen Parlamentariern zu belasten, und gelten, neben der Diskussion um ihre Anwesenheitszeiten, mit als Ursache für die knappe Wahl zur Vizepräsidentin im Juli 2009.<ref>Brian Johnson, theparliament.com, 15. Juli 2009: [http://www.theparliament.com/no_cache/latestnews/news-article/newsarticle/eu-parliament-elects-vice-presidents-after-marathon-vote/ EU parliament elects vice-presidents after marathon vote] (englisch); Heide Oestreich, [[Die Tageszeitung]], 15. Juli 2009: [http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/zu-faul-zu-blond-zu-frau/ Koch-Mehrins EU-Wahlschlappe – Zu faul, zu blond, zu Frau]; S. Bolzen und C. B. Schiltz, [[Die Welt]] online, 15. Juli 2009: [http://www.welt.de/politik/deutschland/article4127389/Warum-Silvana-Koch-Mehrin-so-unbeliebt-ist.html ''Europaparlament – Warum Silvana Koch-Mehrin so unbeliebt ist].</ref><br />
<br />
=== Steuersenkung und Staatsverschuldung ===<br />
Am 5. Mai 2010 nahm Koch-Mehrin an der politischen [[Talkshow]] ''[[Hart aber fair]]'' teil. Thema der Debatte waren die [[griechische Finanzkrise]] und die Hilfsmaßnahmen der EU.<ref>vgl. z.B. [[DerWesten|Der Westen]], 6. Mai 2010: [http://www.derwesten.de/kultur/fernsehen/Bei-Plasbergs-TV-Talk-mehr-Fuer-als-Wider-zur-Griechen-Hilfe-id2948058.html Bei Plasbergs TV-Talk mehr Für als Wider zur Griechen-Hilfe.]</ref> Auf die Frage, wieso sie trotz der [[Staatsverschuldung Deutschlands|deutschen Staatsverschuldung]] die Steuern senken wolle, antwortete sie, dass Steuersenkung für Wirtschaftswachstum sorge, wodurch neue Arbeitsplätze entständen und so die Sozialausgaben sinken könnten.<ref name="welt201005">[[Die Welt]], 6. Mai 2010: [http://www.welt.de/fernsehen/article7496310/Mit-Solidaritaets-Ouzo-gegen-die-griechische-Krise.html Mit Solidaritäts-Ouzo gegen die griechische Krise].</ref> Als am Ende der Sendung die Studiogäste gebeten wurden zu schätzen, um wie viel die bundesdeutsche Staatsverschuldung während der 75-minütigen Sendung gestiegen sei, antwortete Koch-Mehrin mit „6000 Euro“, während der richtige Wert bei etwa 20 Millionen Euro lag. In einigen Zeitungen wurde dies als Ausdruck [[Finanzpolitik|finanzpolitischer]] Inkompetenz Koch-Mehrins kommentiert.<ref name="welt201005"/><ref>[[Süddeutsche Zeitung]], 6. Mai 2010: [http://www.sueddeutsche.de/medien/tv-kritik-hart-aber-fair-silvanas-torten-quatsch-mit-sahne-1.944555 Silvanas Torten – Quatsch mit Sahne]</ref><ref>[[Frankfurter Rundschau]], 6. Mai 2010: [http://www.fr-online.de/top_news/2617645_Keine-Ahnung-von-der-Schuldenuhr.html TV-Kritik „Hart aber fair“ – Keine Ahnung von der Schuldenuhr]</ref><ref>[[Focus]], 6. Mai 2010:[http://www.focus.de/kultur/kino_tv/focus-fernsehclub/hart-aber-fair-peter-zwegat-uebernehmen-sie_aid_503581.html „Hart aber fair“: Peter Zwegat, übernehmen Sie!]</ref><br />
<br />
== Plagiatsvorwürfe, Rücktritt und Entzug des Doktorgrades ==<br />
Nachdem Anfang April 2011 Internetnutzer im [[Vroniplag-Wiki]] plagiatsverdächtige Stellen der mit ''[[cum laude]]'' bewerteten<ref>{{Internetquelle | url= http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-06/koch-mehrin-reaktion-entzug| titel= Koch-Mehrin will Doktor-Entzug auf Rechtswidrigkeit prüfen|hrsg= [[Die Zeit#Zeit Online|Zeit Online]]| datum=2011-06-16| zugriff=2011-06-17}}</ref> Doktorarbeit Koch-Mehrins zusammengetragen hatten,<ref>Jasmin Lörchner: [http://www.ftd.de/politik/deutschland/:fdp-hoffnung-plagiatsjaeger-nehmen-koch-mehrin-ins-visier/60038062.html ''Plagiatsjäger nehmen Koch-Mehrin ins Visier.''] In: ''[[Financial Times Deutschland]]'' vom 12. April 2011</ref> kündigte die [[Universität Heidelberg]] eine Überprüfung der Vorwürfe bis spätestens Ende Mai 2011 an.<ref>[http://www.morgenweb.de/region/rhein_neckar_ticker/Mannheimer_Morgen/21703_Heidelberg:_Uni_pr%C3%BCft_Doktorarbeit_von_Koch-Mehrin_auf_Plagiate.html ''Heidelberg: Uni prüft Doktorarbeit von Koch-Mehrin auf Plagiate.''] In: ''morgenweb.de'' vom 11. April 2011</ref> Auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg prüfte, ob Ermittlungen aufgenommen werden sollen, teilte aber am 21. April 2011 mit, dass wegen Verjährung möglicher [[Urheberrechtsverletzung]]en kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde.<ref>[http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-04/plagiat-koch-mehrin-ermittlungsverfahren Keine Ermittlungen gegen Koch-Mehrin] ([[zeit.de]], 21. April 2011)</ref><br />
<br />
Am 11. Mai 2011 erklärte Koch-Mehrin in einer schriftlichen Mitteilung ihren Rücktritt als Leiterin der FDP-[[Landesgruppe|Delegation]] im Europäischen Parlament, als Parlamentsvizepräsidentin und als FDP-Präsidiumsmitglied. Sie wolle, dass die Prüfung der Universität Heidelberg „nun vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt und nicht dadurch belastet wird, dass [sie] herausgehobene Ämter innehabe“. Ihr Mandat im Europäischen Parlament wolle Koch-Mehrin behalten.<ref name="FTD110511" /><ref name="spiegel20110511">[[Spiegel Online]], 11. Mai 2011: [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,762028,00.html Koch-Mehrin tritt von allen Ämtern zurück].</ref><br />
<br />
Am 15. Juni 2011 teilte der Promotionsausschuss der Universität Heidelberg mit, dass ihr [[Aberkennung eines akademischen Grades|der Doktorgrad entzogen]] werde. Koch-Mehrins Dissertation bestehe zu substanziellen Teilen aus Plagiaten und daher sei unzweifelhaft, dass sich Frau Koch-Mehrin in ihrer Dissertation fremdes geistiges Eigentum angeeignet und als das eigene ausgegeben habe.<ref>[http://www.uni-heidelberg.de/presse/news2011/pm20110615_koch_mehrin.html Silvana Koch-Mehrin – Universität Heidelberg beschließt die Entziehung des Doktorgrades]; Pressemitteilung der Universität Heidelberg, 15. Juni 2011 </ref> Nach Angaben der Universität fanden sich auf rund 80 Textseiten der Dissertation über 120 Stellen, die als Plagiate zu klassifizieren seien. Diese Plagiate stammten aus über 30 verschiedenen Publikationen, von denen zwei Drittel nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt worden seien.<br />
<br />
Koch-Mehrin veröffentlichte daraufhin eine „Stellungnahme zur Entziehung des Doktorgrades“. Sie bestritt die Vorwürfe nicht und umschrieb ihre Dissertation zudem als „kein Meisterstück“. Sie sei „nicht frei von Schwächen, nicht selten ungenau, oberflächlich und manchmal geradezu fehlerhaft“. Außerdem habe sie Belege nicht angegeben.<ref>Silvana Koch-Mehrin: [http://www.koch-mehrin.de/2011/06/18/in-eigener-sache-2/ Stellungnahme zur Entziehung des Doktorgrades], 18. Juni 2011</ref> Da die Universität Heidelberg davon nach Koch-Mehrins Angaben jedoch schon seit 11 Jahren wisse, lässt Koch-Mehrin rechtliche Schritte wegen der Aberkennung des Doktorgrades prüfen.<ref>[http://www.abendblatt.de/politik/article1924727/Den-Doktor-ist-sie-los-Koch-Mehrin-prueft-rechtliche-Schritte.html Den „Doktor" ist sie los - Koch-Mehrin prüft rechtliche Schritte], Abendblatt, 2011-06-15.</ref> <br />
<br />
Der Dekan der [[Universität Heidelberg]], [[Manfred Berg]], nannte dies eine "Unterstellung", die Gutachter hätten zwar "inhaltliche und formale Schwächen erkannt", jedoch nie den Verdacht eines Plagiates gehabt. Zudem war die Software damals "noch nicht so weit". <ref>[http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,768933,00.html Uni-Dekan widerspricht Koch-Mehrin] ([[Spiegel Online]], 17. Juni 2011)</ref> Die Wochenzeitung [[Die Zeit]] kritisierte in einem Kommentar, Koch-Mehrin habe versucht, den begutachtenden Professoren die Schuld zuzuweisen, da sie gesagt hatte: „Der Promotionsausschuss hat mir im Jahr 2000 in voller Kenntnis aller eklatanten Schwächen meiner Arbeit den Doktortitel verliehen.“<ref>[http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-06/koch-mehrin-doktortitel-aberkennung ''Die Uni ist’s gewesen''].</ref> Die Universität klassifizierte diese Äußerung als „eine [[Invektive]] gegen die Reputation der Gutachter und der gesamten Fakultät“, Frau Koch-Mehrin tue so, „als sei das, was sie Schwächen und Fehler nennt, wir aber ‚Plagiate‘, bekannt gewesen“ und unterstelle, „dass man an der Universität Heidelberg mit Plagiaten promoviert werden könne“.<ref>Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 2001, S. 4.</ref><br />
<br />
Kurz darauf kritisierten Medien und Politiker mehrerer Parteien, dass Koch-Mehrin nur vier Tage später als Vollmitglied in den Forschungsausschuss des Europäischen Parlaments berufen wurde.<ref>[[Süddeutsche Zeitung]], 24. Juni 2011: [http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/plagiatsaffaere-der-fdp-abgeordneten-die-vorsaetzliche-waehlerbeleidigung-der-silvana-koch-mehrin-1.1111992 Plagiatsaffäre der FDP-Abgeordneten: Die vorsätzliche Wählerbeleidigung der Silvana Koch-Mehrin]</ref><ref>[[RP Online]], 23. Juni 2011: [http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Selbst-die-FDP-kann-es-nicht-nachvollziehen_aid_1011218.html Koch-Mehrin wird befördert: Selbst die FDP kann es nicht nachvollziehen]</ref><ref>[[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 23. Juni 2011: [http://www.stern.de/politik/deutschland/silvana-koch-mehrin-die-forschende-plagiatorin-1698665.html Silvana Koch-Mehrin: Die forschende Plagiatorin]</ref> Auch aus der FDP-Spitze wurde die Berufung „mit Kopfschütteln“ aufgenommen.<ref>[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 24. Juni 2011: [http://www.faz.net/artikel/C30923/europaparlament-neue-aufgabe-fuer-koch-mehrin-30446807.html Neue Aufgabe für Koch-Mehrin]</ref> Der Kritik schloss sich am 24. Juni 2011 ebenfalls [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]]-Präsident Professor [[Matthias Kleiner]] an: „Frau Koch-Mehrin beweist mit diesem Schritt wenig Achtung vor dem Europäischen Parlament und der Wissenschaftsgemeinschaft in Europa, nachdem sie in Deutschland alle politischen Ämter niedergelegt hat. Eine doppelte Moral aus Deutschland wäre Gift für Europa.“<ref name=dfg-mitteilung>[http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2011/110624_statement_kleiner_koch-mehrin.pdf Weitere Mitgliedschaft im Europäischen Parlament nicht akzeptabel], DFG-Mitteilung, 2011-06-24</ref> Heftige Kritik kam von der [[Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen]]: „Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten sind alles andere als ein Kavaliersdelikt. Deshalb hält die Allianz es für nicht akzeptabel, wenn Frau Koch-Mehrin im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments Deutschland vertritt.“<ref>http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/27/0,3672,8247835,00.html</ref> Am 25. Juni 2011 reagierte Koch-Mehrin auf die massive Kritik mit der Ankündigung, in einen anderen Ausschuss zu wechseln.<ref>{{Internetquelle | url= http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,770584,00.html| titel= Koch-Mehrin verlässt EU-Forschungsausschuss|hrsg= [[Spiegel Online]]| datum=2011-06-25| zugriff=2011-06-26}}</ref><br />
<br />
== Veröffentlichungen ==<br />
* ''Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik. Die Lateinische Münzunion 1865–1927''. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2001, ISBN 978-3-7890-7631-2 (Überarbeitete Fassung ihrer [[Dissertation]], Heidelberg 2000).<br />
* ''Schwestern. Streitschrift für einen neuen Feminismus''. Econ-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-430-30028-5.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Commonscat}}<br />
* {{DNB-Portal|123232228}}<br />
* [http://www.koch-mehrin.de/ Offizielle Website] von Silvana Koch-Mehrin<br />
* [http://www.europarl.europa.eu/members/expert/groupAndCountry/view.do?partNumber=1&group=1550&country=DE&language=DE&id=28241 Abgeordneten-Profil auf der Homepage des Europäischen Parlaments]<br />
* [http://votewatch.eu/cx_mep_details.php?euro_parlamentar_id=350&eps=0&lang=de VoteWatch.eu: Abstimmungsverhalten von Silvana Koch-Mehrin im Europäischen Parlament]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|PND=123232228|VIAF=42740582|LCCN=nb/2003/070665}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Koch-Mehrin, Silvana}}<br />
[[Kategorie:MdEP für Deutschland]]<br />
[[Kategorie:FDP-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Politiker (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1970]]<br />
[[Kategorie:Frau]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Koch-Mehrin, Silvana<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Koch-Mehrin, Esther Silvana (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutsche Politikerin (FDP)<br />
|GEBURTSDATUM=17. November 1970<br />
|GEBURTSORT=[[Wuppertal]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}<br />
<br />
[[cs:Silvana Kochová-Mehrinová]]<br />
[[en:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[es:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[fi:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[fr:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[pl:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[pt:Silvana Koch-Mehrin]]<br />
[[ro:Silvana Koch-Mehrin]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Markt&diff=87590439Markt2011-04-11T19:13:49Z<p>Xjs: /* Geld- und Kapitalmärkte */ Typo</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
[[Datei:Wochenmarkt in Winnenden.jpg|thumb|Historische Abbildung eines Marktes]]<br />
Der Begriff '''Markt''' (von [[Latein|lat.]]: ''mercatus'' Handel, zu ''merx'' Ware) bezeichnet im engeren Sinne den Ort, an dem Waren regelmäßig [[Handel|gehandelt]] oder [[Tausch|getauscht]] werden (Handelsplatz). Im weiteren Sinne bezeichnet der Begriff heute das geregelte Zusammenführen von Angebot und Nachfrage von Waren, Dienstleistungen und Rechten. Das traditionelle Zeichen eigener [[Marktrecht|Markthoheit]] einer Stadt war früher in Teilen Europas der [[Roland (Statue)|Roland]].<br />
<br />
== Marktrecht und Marktplatz ==<br />
''Hauptartikel:'' [[Marktrecht]]<br />
<br />
[[Datei:Spices1.jpg|thumb|[[Gewürze]] auf dem Markt in [[Agadir]], [[Marokko]]]]<br />
Ein Marktplatz ist ein städtischer [[Platz (Städtebau)|Platz]] (z.&nbsp;B. [[Gendarmenmarkt]] in [[Berlin]]), auf dem regelmäßig Verkaufsveranstaltungen (Märkte) abgehalten werden oder wurden. Dieser so genannte [[Marktplatz]] ist in der Regel der zentrale Platz in einer [[Stadt]], an dem auch das [[Rathaus]] errichtet wurde. In größeren Städten existierten oft mehrere Marktplätze, auf denen früher spezifische Waren angeboten wurden. Um Märkte nicht unter freiem Himmel abhalten zu müssen, wurden in vielen Städten [[Markthalle]]n errichtet. Das Recht, einen Markt abzuhalten ([[Marktrecht]]) war im Mittelalter für die städtische Entwicklung entscheidend, und galt als erste Stufe zum [[Stadtrecht]]. Der [[Roland (Statue)|Roland]] als traditionelles Symbol der [[Marktrecht|Markthoheit]] findet sich heute noch als Standbild in etlichen deutschen Städten, z.&nbsp;B. in [[Brandenburg an der Havel]], [[Halberstadt]], [[Stendal]], [[Wedel]] und [[Zerbst/Anhalt|Zerbst]]. <br />
<br />
„Markt“ ist auch in einigen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern die offizielle Bezeichnung für eine Gemeinde, die einen Status zwischen Dorf und Stadt einnimmt. Dieser Status war früher mit der Verleihung des Marktrechts verbunden. In anderen Bundesländern gibt es dafür andere Bezeichnungen.<br />
In Bayern und Österreich ist der Begriff Markt bis heute teilweise offizieller Bestandteil des [[Ortsname]]ns. So weisen Ortsnamen wie [[Sobótka]], [[Szombathely]] oder [[Samstagsberg]]<br />
auf das samstägliche Marktrecht hin.<br />
<br />
''Siehe auch:'' [[Minderstadt]], [[Flecken (Ort)]], [[Liste der Märkte in Bayern]]<br />
<br />
== Entwicklung von Märkten ==<br />
<br />
=== Externe Märkte ===<br />
Handel reicht bis weit in die Menschheitsgeschichte zurück, wobei in den frühen Formen Ware gegen Ware getauscht wurde.<ref>Simmel [1907] 1978: 94-97; Benet [1957] 1971</ref> Gemeinschaften betrieben Handel mit nahestehenden Gruppen. Dieser Handel in externen Märkten war primär eine Angelegenheit zwischen verschiedenen ethnischen Gruppierungen und geschah weniger innerhalb der Mitglieder eines Stammes.<ref>Weber [1923], 1981:195</ref><br />
<br />
=== Händlermarkt ===<br />
Während interne Märkte typischerweise lokale Märkte waren, an denen sich die Menschen mit den unmittelbar benötigten Gütern versorgten, tauchten sehr früh auch zwischenstaatliche Märkte auf. Dieser Handel über lange Distanzen war zwar mit größeren Schwierigkeiten verbunden als der lokale Handel, er konnte aber auch sehr profitabel sein.<br />
Eine ursprüngliche Form des Austausches von Gütern zwischen Händlern war die Messe.<ref>(engl. Fair, ital feria (Weber (1923) 1981:220)</ref> Diese fanden periodisch statt. Die meisten europäischen Händlermärkte fanden im Raum zwischen Italien und Flandern statt. Auf diesen Messen wurden wesentlich Güter des Südens, inklusive Gewürze aus Asien, mit Gütern aus dem Norden, vor allem Wolle aus England und Flandern ausgetauscht. Diese Messen hatten ihre Hochblüten zwischen dem 11. und dem 14. Jh.<ref>Huvelin 1897, Verlinden 1963, Lopez 1976</ref> Die Messen waren nicht nur Ort des Handels. Auf ihnen fanden eine Reihe von festlichen und andern Aktivitäten statt, welche den eigentlichen Austausch von Gütern einrahmte. Sie waren offen für gewöhnliche Leute. Messe bedeutete Lärm, Unruhe, Musik, fröhliche Menschen, Unordnung. Auch deshalb hatten diese Messen sogar eigene Richter, die für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatten und für Rechtsprechung im Streitfall sorgten.<ref>Braudel (1979) 1985b:85 </ref><br />
<br />
=== Nationale Märkte ===<br />
Unter einem nationalen Markt versteht man einen einheitlichen und nicht beschränkten Handelsraum innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates. Während im Mittelalter Märkte regional stark beschränkt und durch Zölle geschützt waren, wurden während des Merkantilismus Handelsbarrieren gelockert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb von Nationalstaaten vollständig aufgelöst. Treiber dieser Entwicklung war nicht die ökonomische Macht, sondern politische Entscheidungen wie z. B. die Niederlassungsfreiheit und die technologische Entwicklung von Kommunikationsmöglichkeiten.<br />
<br />
=== Internationale Märkte ===<br />
Der Anfang des internationalen Handels war in Mesopotamien, 3500 v. Chr., als Einzelne mit dem Handel über große Distanzen begannen.<ref>Curtin 1984:1-3</ref> Ab 200 v. Chr gab es die ersten Handelsrouten zwischen dem Mittelmeerraum und China, hierauf wurden sowohl auf Landweg als auch auf Seeweg vor allem Luxusgüter transportiert. Durch Entwicklungen in der Seefahrt konnten ab dem 13. Jahrhundert auch Güter des täglichen Gebrauchs gewinnbringend transportiert werden.<br />
Die industrielle Revolution in Europa führte zu einer Explosion des internationalen Handelsvolumen. Auf Grund seiner Vormachtstellung nahm Europa hierbei eine führende Position ein.<ref>Marx und Engels [1848]1978:475; Kuznets 1966:306-307</ref><br />
Sowohl die beidem Weltkriege als auch die Depression der 1920er Jahre verlangsamten den Entwicklungsprozess des Welthandels. Danach bauten die USA den internationalen Handel wieder auf und unterstützt durch einen europäischen Aufschwung entwickelt sich eine Global Economy.<ref>Block 1977; Shoup und Minter 1977; Braudel[1979] 1985:21-22 </ref><br />
<br />
=== Geld- und Kapitalmärkte ===<br />
Ursprünglich wurden Geld und Kapital weitgehend als neutrales Gut betrachtet. Die Entwicklung des eigentlichen Bankenwesens in Europa setzte mit der Lockerung des kirchlichen Zinsverbotes in der Renaissance ein. Damals war das Zielpublikum dieser Dienstleistung eher eine vermögende, politische und unternehmerisch einflussreiche Elite. Mit der Industrialisierung wuchs die Anzahl Lohnarbeiter sprunghaft an, welche die Möglichkeit und das Bedürfnis hatten, Geld zu sparen. Zu dieser Zeit nahm die Wichtigkeit der Zentralbanken und organisierten Börsen zu, dies auch auf Grund der Internationalisierung. Man erreichte einen ersten Höhepunkt vor Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]]. Diese Zeit, auch die Zeit der Robber Barrons in den Vereinigten Staaten, zeichnet sich durch eine kaum existente Regulierung des Kapitalmarkes aus. Nach einer Regulierungswelle der 1930er Jahre und nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] sind diese Märkte heute sehr dynamisch und liberal organisiert. Das richtige Ausmaß der Regulierung ist Teil der zeitgenössischen Diskussion.<br />
<br />
== Arten von Märkten ==<br />
[[Datei:Funchal_Mercado.jpg|thumb|Mercado dos Lavradores, [[Funchal]] ([[Madeira]])]]<br />
[[Datei:Market.jpg|thumb|Kambodscha, eine Marktfrau bereitet frisch gegrillten Fisch und Hähnchen zu]]<br />
[[Datei:Marche_berlin002.jpg|thumb|Berlin, Karl-August-Platz in Charlottenburg (Wochenmarkt)]]<br />
<br />
Aus dem ortsbezogenen Marktbegriff hat sich im Laufe der Zeit ein auf die Verkaufsform bezogener Marktbegriff abgeleitet. Heute unterscheidet man eine ganze Reihe unterschiedlicher Märkte.<br />
<br />
=== Markt als offene Verkaufsveranstaltung ===<br />
Markt ist ebenfalls die Bezeichnung der Verkaufsveranstaltung an sich, zu der in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen an einem bestimmten Ort - meist dem Marktplatz in der Stadtmitte - [[Händler]] zusammenkommen, um [[Ware]]n des täglichen [[Bedarf]]s an Ständen zu verkaufen (so genannte [[Krämermarkt|Krämer- oder Krammärkte]]), oft in Form eines [[Wochenmarkt|Wochen-]] oder [[Jahrmarkt]]es. Werden auf einem Markt gebrauchte Waren wie beispielsweise benutzte Haushaltsgegenstände oder Kleidung aus zweiter Hand angeboten, spricht man von [[Flohmarkt]] oder Trödelmarkt. <br />
<br />
Neben solchen allgemeinen Marktveranstaltungen hat sich im Lauf der Geschichte eine ganze Reihe spezieller Veranstaltungen in Marktform entwickelt; hierzu zählen beispielsweise Obst- und Fischmärkte (wie zum Beispiel der [[Viktualienmarkt (München)|Viktualienmarkt]] oder der [[Hamburger Fischmarkt]]), [[Bauernmarkt|Bauernmärkte]], aber auch [[Weihnachtsmarkt|Weihnachtsmärkte]] und [[Messe (Handelsmesse)|Messen]].<br />
<br />
=== Großmarkt ===<br />
Ein [[Großmarkt]] ist ein Ort (oft eine [[Großmarkthalle]]), an dem zum Beispiel [[Lebensmittel]] und [[Blume]]n an Wiederverkäufer (z.&nbsp;B. [[Einzelhandel]]sgeschäfte, [[Gastronomie]]) verkauft werden ([[Großhandel]]).<br />
<br />
=== Supermarkt ===<br />
Ein [[Supermarkt]] ist ein Laden, der verschiedene Waren des täglichen Bedarfs anbietet. Die moderne [[Markthalle]] nimmt mit ihren meist festen Ständen eine Zwischenstellung zwischen Markt und Supermarkt ein.<br />
<br />
=== Börse ===<br />
[[Börse]]n sind Spezialmärkte für [[Aktie]]n, [[Kux]]e, [[Obligation]]en, [[Versicherung (Kollektiv)|Versicherungen]], Öl, Immobilien u.&nbsp;a.&nbsp;m. Nach der Art des Handels lassen sie sich unterteilen in [[Börsensegment]]e genannte Teilmärkte wie [[geregelter Markt]], [[amtlicher Markt]] und [[Freiverkehr]].<br />
<br />
== Marktbegriff in der Wirtschaft ==<br />
:''Hauptartikel'' [[Markt (Wirtschaftswissenschaft)]], [[Marketing]]<br />
<br />
Der Begriff Markt bezeichnet in der [[Wirtschaft]] ganz allgemein den (realen oder virtuellen) Ort des Zusammentreffens von [[Angebot (Volkswirtschaftslehre)|Angebot]] und [[Nachfrage (Mikroökonomie)|Nachfrage]] von und nach einem [[Ökonomisches Gut|Gut]]. Ist das Angebot größer als die Nachfrage, spricht man von einem [[Käufermarkt]]. Wenn das Angebot kleiner ist als die Nachfrage, handelt es sich um einen [[Verkäufermarkt]]. Stimmen Angebot und Nachfrage bei einem Gut überein, so spricht man vom [[Marktgleichgewicht]]. Es ist gekennzeichnet durch den Gleichgewichtspreis (vulgo auch [[Marktpreis]]) und die durch ihn bestimmte gleichgewichtige Menge. Unter bestimmten Bedingungen erreicht eine Ökonomie, in der alle Güter auf Märkten frei getauscht werden, eine pareto-effiziente Ressourcenallokation (Erster Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik). Diese Aussage bildet das theoretische Fundament für das in vielen Ländern vorherrschende [[Wirtschaftssystem]] der [[Marktwirtschaft]]. Sind die Annahmen des Ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtsökonomik verletzt, so ist die Güterallokation über Märkte im Allgemeinen ineffizient (sog. [[Marktversagen]]). <br />
<br />
Andreas Scharf und Bernd Schubert definieren den Markt folgendermaßen: ''Ein Markt besteht aus allen tatsächlichen und potenziellen Abnehmern mit einem spezifischen Bedürfnis, welches die Unternehmung mit ihrem Produkt zu befriedigen versucht.''<br />
<br />
[[Paul Samuelson]] und William Nordhaus definieren den Markt wie folgt: ''Ein Markt ist ein Mechanismus, mit dessen Hilfe Käufer und Verkäufer miteinander in Beziehung treten, um Preis und Menge einer Ware oder Dienstleistung zu ermitteln.''<br />
<br />
Die [[Volkswirtschaftslehre]] unterscheidet zwei Marktarten, die Faktormärkte und die Gütermärkte:<br />
<br />
{| class="prettytable" <br />
!colspan="4" align="center" bgcolor="#FEDBCA"|Faktormärkte<br />
|-<br />
! width="180px" bgcolor="#ffffff"| '''Marktart'''<br />
! width="400px" bgcolor="#ffffff"| '''Merkmale'''<br />
|-<br />
|Arbeitsmarkt<br />
|Handel von Arbeitsleistungen gegen Arbeitsentgelte.<br />
|-<br />
|Immobilienmarkt<br />
|Handel mit Grundstücken und Gebäuden.<br />
|-<br />
|Kapital- und Geldmarkt<br />
|Handel, bzw. Vermittlung von lang- und kurzfristigen Krediten.<br />
|}<br />
<br />
{| class="prettytable" <br />
!colspan="4" align="center" bgcolor="#FEDBCA"|Gütermärkte<br />
|-<br />
! width="180px" bgcolor="#ffffff"| Marktart<br />
! width="400px" bgcolor="#ffffff"| Merkmale<br />
|-<br />
|Konsumgütermärkte<br />
|Handel mit Konsumgütern.<br />
Beispiele: Mobilfunkmarkt, Automobilmarkt, Heim-PC-Markt<br />
|-<br />
|Investitionsgütermärkte<br />
|Handel mit Investitionsgütern.<br />
Beispiele: Maschinenmarkt, Werkzeugmarkt<br />
|}<br />
<br />
Dabei erfüllt ein Markt folgende Funktionen:<br />
* Versorgungsfunktion, <br />
* Koordinationsfunktion, <br />
* Preisbildungsfunktion und <br />
* Verteilungsfunktion.<br />
<br />
Aus unternehmerischer Sicht bezeichnet man als Markt ein Absatzgebiet. Der Terminus ''neue Märkte erschließen'' bezeichnet heute eine Grundanforderung für jedes [[Wachstum|wachstumsorientierte]] Unternehmen. Der relevante Gesamtmarkt lässt sich dabei in [[Marktsegment]]e unterteilen. Aus der großen Bedeutung des Absatzgebietes für ein Unternehmen hat sich in der [[Betriebswirtschaftslehre]] das Fachgebiet [[Marketing]] entwickelt.<br />
<br />
„Markt“ im Sinne des Marketing bezeichnet Kundengruppen, die einem spezifischen Bedürfnis bzw. Bedürfniscluster zugeordnet werden können und kombiniert dieses mit Produkten und Serviceleistungen der Anbieter. Auf dem Markt treffen also Bedürfnisse und Lösungen zusammen. Bedürfnisse/ Kundengruppen oder Lösungen jeweils allein bilden keinen Markt. Erst wenn Bedürfnisse und Lösungen kombiniert werden, ergibt sich ein Markt (vgl. auch Begriff [[relevanter Markt]]). <br />
<br />
Märkte haben im Zusammenhang mit Marketing allgemein eine doppelte Funktion, denn sie sind Bezugsobjekte und Zielobjekte des Marketing zugleich. In der Tat stellen Märkte als Bezugsobjekte des Marketing die Rahmenbedingungen für das Marketing eines Unternehmens, da das Marketing auf den Märkten stattfindet und dementsprechend stark von den Marktakteuren geprägt wird. Gleichzeitig streben Unternehmen mit ihren Marketingaktivitäten jedoch auch eine Gestaltung bzw. Beeinflussung der Märkte und Marktakteure an, wodurch die Märkte zu Zielobjekten des Marketing werden. Dabei sollte die Marktgestaltung bzw. -beeinflussung sich so darstellen, als dass das (potenzielle) Kundenverhalten möglichst zum Vorteil des Unternehmens ist.<br />
<br />
Die [[Handelsbetriebslehre|Betriebswirtschaftslehre des Handels]] hat ein eigenständiges ''Märktegenerierungskonzept'' entwickelt. Danach generieren und organisieren Handelsunternehmen, und zwar schon jedes einzelne Unternehmen, komplette Märkte als spezifische (tertiäre) Güter: ''Absatzmärkte'' für Lieferanten und gleichzeitig ''Beschaffungsmärkte'' für Kunden.<ref>Hans-Otto Schenk: ''Marktwirtschaftslehre des Handels'', Wiesbaden 1991, S. 550 f., ISBN 3-409-13379-8</ref> In dieser permanenten und gleichzeitigen Organisation von Warenmärkten für verschiedene Marktteilnehmer liegt die fundamentale Bedeutung des [[Handel]]s für die [[Marktwirtschaft]].<br />
<br />
Nach der Zahl der Anbieter und Nachfrage werden Märkte in Marktformen eingeteilt. Diese Einteilung wird vor allem zur Erklärung der Marktpreisbildung genutzt. Man unterscheidet<br />
* [[Polypol]] (viele Anbieter)<br />
* [[Oligopol]] (wenige Anbieter; Bsp.: Mineralölmarkt) und<br />
* [[Monopol]] (ein Anbieter).<br />
<br />
<!-- Es gibt keine Mischformen.--><br />
<br />
== Marktbegriff in der Soziologie ==<br />
''Hauptartikel'' [[Marktsoziologie]]<br />
<br />
In der Soziologie wird der Markt als ''allgemeines Muster gesellschaftlichen Handelns'' seit [[Ferdinand Tönnies]] (für „[[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]]“ gegenüber „[[Gemeinschaft]]“) und [[Max Weber]] genutzt, er umfasst in seiner weitest greifenden Ausprägung ''jeden [[Tausch (Soziologie)|Tausch]]'' [[Soziale Sanktion|sozialer Sanktionen]] (also auch negativer Sanktionen bis hin zum [[Krieg]]). Der Ethnosoziologe [[Georg Elwert]] hat diesen Ansatz benutzt, um die „Gewaltmärkte“ von [[Warlord]]s zu analysieren.<ref>Vgl. Julia M. Eckert (Hrsg.), ''Anthropologie der Konflikte. Georg Elwerts [[Konflikttheorie|konflikttheoretische]] Thesen in der Diskussion'', Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-271-6.</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Marktbrunnen]]<br />
* [[Marktkreuz]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.grossmaerkte.org Gemeinschaft der deutschen Großmärkte (GFI)]<br />
* [http://www.wuwm.org Weltunion der Großmärkte (englisch)]<br />
{{Commonscat|Markets}}<br />
{{Wikiquote|Markt}}<br />
{{Wiktionary|Markt}}<br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Ökonomischer Markt| Markt]]<br />
[[Kategorie:Handel und Dienstleistung]]<br />
<br />
[[af:Mark (ekonomie)]]<br />
[[ar:سوق]]<br />
[[arc:ܫܘܩܐ (ܬܐܓܪܘܬܐ)]]<br />
[[ay:Rikuwa]]<br />
[[be:Рынак]]<br />
[[bg:Пазар]]<br />
[[bn:বাজার]]<br />
[[bs:Tržište]]<br />
[[ca:Mercat]]<br />
[[cs:Trh (ekonomie)]]<br />
[[cv:Пасар]]<br />
[[cy:Marchnad]]<br />
[[da:Marked]]<br />
[[en:Market]]<br />
[[eo:Merkato]]<br />
[[es:Mercado]]<br />
[[et:Turg]]<br />
[[fa:بازار (اقتصاد)]]<br />
[[fi:Markkinat (taloustiede)]]<br />
[[fr:Marché]]<br />
[[ga:Margadh]]<br />
[[gl:Mercado]]<br />
[[he:שוק (כלכלה)]]<br />
[[hi:बाज़ार]]<br />
[[hr:Tržište]]<br />
[[ht:Mache]]<br />
[[hu:Piac]]<br />
[[id:Pasar]]<br />
[[io:Merkato]]<br />
[[it:Mercato]]<br />
[[ja:市場]]<br />
[[ka:ბაზარი]]<br />
[[kg:Zandu]]<br />
[[kk:Нарық]]<br />
[[ko:시장]]<br />
[[la:Mercatus (oeconomia)]]<br />
[[lb:Maart]]<br />
[[lt:Rinka]]<br />
[[lv:Tirgus]]<br />
[[mk:Пазар]]<br />
[[ms:Pasaran]]<br />
[[nds-nl:Mart]]<br />
[[ne:बजार]]<br />
[[new:बजार]]<br />
[[nl:Markt (economie)]]<br />
[[nn:Marknad]]<br />
[[no:Marked]]<br />
[[nrm:Marchi]]<br />
[[pl:Rynek (ekonomia)]]<br />
[[pt:Mercado]]<br />
[[qu:Qhatu]]<br />
[[ro:Piață]]<br />
[[ru:Рынок]]<br />
[[sah:Баhаар]]<br />
[[simple:Market]]<br />
[[sk:Trh]]<br />
[[sr:Тржиште]]<br />
[[sv:Marknad (ekonomi)]]<br />
[[th:ตลาด]]<br />
[[tl:Pamilihan]]<br />
[[tpi:Maket]]<br />
[[uk:Ринок]]<br />
[[uz:Bozor]]<br />
[[vi:Chợ]]<br />
[[war:Merkado]]<br />
[[yi:מארק]]<br />
[[zh:市场]]<br />
[[zh-classical:市場]]<br />
[[zh-min-nan:Chhī-tiûⁿ]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Typen_von_Argumenten&diff=86581783Typen von Argumenten2011-03-17T19:04:27Z<p>Xjs: /* Erfahrungsbeweis */ hihi</p>
<hr />
<div>Dieser Artikel enthält eine Zusammenstellung der verschiedenen '''Typen von [[Argument]]en'''.<br />
<br />
== Deduktive Argumente ==<br />
Als Argumentum ad veritatem (Wahrheitsbeweis) werden [[Deduktion|deduktive]] (oder deduktiv gültige) Argumente bezeichnet, bei denen die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt, die Konklusion also wahr ist, falls die Prämissen wahr sind.<br />
<br />
=== Logisches Nutzwertargument ===<br />
Das logische [[Nutzwert]]argument besteht aus zwei oder mehr Prämissen sowie der logischen Konklusion. Beispiel: „Dieses neue Auto verbraucht nur fünf Liter pro 100 Kilometer, und sein Tankinhalt beträgt 50 Liter. Das bedeutet, Sie können mit einer Tankfüllung 1.000 Kilometer reisen, ohne unterwegs tanken zu müssen.“<br />
<br />
=== Vergrößerung ===<br />
Sie stellt zwei Sätze [[Mathematik|mathematisch]] miteinander in Bezug. Aus dem rechnerischen Ergebnis wird die Plausibilität einer Ersparnis oder eines Gewinnes dargestellt. Beispiel: „Bei Einsparungen von nur 1,7 Cent pro Druckseite sparen Sie bei Ihrer Auflage bereits 20.000 x 0,017 = 340,- Euro im Monat.“<br />
<br />
=== Verkleinerung ===<br />
Sie dient der Relativierung möglicher Gegenargumente, z.&nbsp;B. Anschaffungskosten oder laufenden Belastungen. Beispiel: „Der Solarkollektor kostet zwar 24.000,- Euro, bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren sind das allerdings nur 100 Euro pro Monat.“<br />
Allerdings berücksichtigt obige Rechnung nicht den Zins und Zinsezinseffekt. Daher ist die Wirtschaftlichkeits-Rechnung günstiger.<br />
<br />
=== Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere ===<br />
Das ''Argumentum a posteriori'' (von ''[[a posteriori]]'', ‚im nachhinein‘, ‚aus den Folgendem‘) arbeitet mit einem auf die Erfahrung gestützten Beweis. Diese Schlussfolgerung dient dazu, spezielle Erkenntnisse aus allgemeinen Theorien zu gewinnen. Beispiel: „Seit 6.000 Jahren ist Krieg eine der immer wiederkehrenden Strategien zur Sicherstellung knapper Ressourcen. Auch heute beobachten wir knapper werdende Ressourcen. Es wird folglich wieder Krieg geben.“ Oder: „Alle Menschen, die ich kannte, sind gestorben. Also werde auch ich sterben müssen.“<br />
<br />
=== Bilanzierung ===<br />
Die Bilanzierung oder [[Nutzwertanalyse]] stellt die Pro-und-Contra-Argumente gegenüber und versieht sie mit einem Gewichtungsfaktor. Die Summation ergibt ein mathematisch eindeutiges Ergebnis.<br />
<br />
== Induktive Argumente ==<br />
Induktive Argumente stützen sich auf [[Empirik|empirische]] Beobachtungen und Erfahrungen. Dabei wird von Einzelfällen auf das Allgemeine geschlossen. Es ist zwar rational, die Konklusion für wahr zu halten, wenn alle Prämissen wahr sind, die Konklusion folgt jedoch nicht logisch zwingend, sondern ist nur in gewissem Grade [[Wahrscheinlichkeit|wahrscheinlich]] (vgl. [[Induktionsschluss]]).<br />
<br />
Beispiel: „Bei allen bisherigen Versuchen, die Rechtschreibung zu reformieren, zeigte sich, dass die Leistungen der Schüler nachließen. Also werden die Leistungen der Schüler bei Einführung der aktuellen Rechtschreibreform wieder nachlassen.“<br />
<br />
Auch wenn die Aussage „Alle bisherigen Reformen führten zu schlechteren Leistungen“ durch empirische Studien ausnahmslos bestätigt sein sollte, gilt das Argument nur in einem statistisch abgesicherten Rahmen, da ein einziges Gegenbeispiel die Allgemeingültigkeit widerlegen würde.<br />
<br />
Die Gültigkeit induktiver Argumente ist stark umstritten.<ref><br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: A proof of the impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''302''' (1983), 687–688<br />
* R. C. Jeffrey: Letter concerning Popper and Miller. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* I. Levi: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* I. J. Good: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* G. Blandino: Critical Remarks on an Argumentation by K. Popper and D. Miller. Discussion about Induction. ''Epistemologia'' '''7''' (1984), S. 183–206.<br />
* I. Levi: Probabilistic Pettifoggery. ''Erkenntnis'' '''25''' (1986), S. 133–140.<br />
* J. Wise, P. T. Landsberg: Has inductive probability been proved impossible? ''Nature'' '''315''' (1985), S. 461.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: Has inductive probability been proved impossible? ''Nature'' '''315''' (1985), S. 461. <br />
* J. Wise, P. T. Landsberg: On the possibility of inductive probability. ''Nature'' '''316''' (1985), S. 22.<br />
* M. L. G. Redhead: On the Impossibility of Inductive Probability. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''36''' (1985), S. 185–191.<br />
* I. J. Good: Probabilistic Induction Is Inevitable. ''Journal of Statistical Computation and Simulation'' '''20''' (1985), 323–324, C216.<br />
* H. Gaifman: On Inductive Support and Some Recent Tricks. ''Erkenntnis'' '''22''' (1985), S. 5–21.<br />
* D. Gillies: In Defense of the Popper-Miller Argument. ''Philosophy of Science'' '''53''' (1986), S. 110–113.<br />
* J. M. Dunn, G. Hellman: Dualling: A Critique of an Argument of Popper and Miller. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''37''' (1986), 220–223.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: Why probabilistic support is not inductive. ''Philosophical Transactions of the Royal Society'' '''321A''' (1987), S. 569–591.<br />
* A. Rivadulla: On Popper-Miller's Proof of the Impossibility of Inductive Probability. ''Erkenntnis'' '''27''' (1987), 353–357.<br />
* I. J. Good: A Restatement, in Response to Gillies, of Redhead's Argument in Support of Induction. ''Philosophy of Science'' '''54''' (1987), S. 470–472.<br />
* E. Eells: On the alleged impossibility of inductive probability. ''British Journal for the Philosophy of Science'' '''39''' (1988), S. 111–116.<br />
* N. C. A. da Costa, S. French: Pragmatic Probability, Logical Omniscience and the Popper-Miller Argument. ''Fundamenta Scientiae'' '''9''' (1988), 43–53.<br />
* C. S. Chihara, D. A. Gillies: An Interchange on the Popper-Miller Argument. ''Philosophical Studies'' '''54''' (1988), 1–8.<br />
* C. Howson: On a Recent Objection to Popper and Miller’s 'Disproof' of Probabilistic Induction. ''Philosophy of Science'' '''56''' (1989), 675-680.<br />
* D. Zwirn, H. Zwirn: L'argument de Popper et Miller contre la justification probabiliste de l'induction, ''L'âge de la science'' 2 (Paris: Éditions Odile Jacob, 1989), S. 59–81.<br />
* C. Howson: Some Further Relections on the Popper-Miller Disproof of Probabilistic Induction. ''Australasian Journal of Philosophy'' '''68''' (1990), 221-28.<br />
* I. J. Good: Discussion: A Suspicious Feature of the Popper/Miller Argument. ''Philosophy of Science'' '''57''' (1990): 535–536.<br />
* David W. Miller: Reply to Zwirn &amp; Zwirn. ''Cahiers du CREA'' 14 (1990), S. 149–153.<br />
* A. Mura: When Probabilistic Support is Inductive. ''Philosophy of Science'' '''57''' (1990), S. 278–289.<br />
* A. Boyer: Une logique inductive probabiliste est-elle seulement possible? ''Cahiers du CREA'' 14 (1990): 123–145.<br />
* G. Dorn: Popper's Laws of the Excess of the Probability of the Conditional over the Conditional Probability. ''Conceptus'' '''26''' (1992/1993): S. 3-61.<br />
* Andrew Elby: Contentious contents: For inductive probablitiy. ''Brit. J. Phil. Sci'' '''45''' (1994), 193–200.<br />
* Karl R. Popper, David Miller: On Excess Content: A Reply to Elby. Hoover Institution Archives Box 583:23 (August 26, 1994).<br />
* G. Dorn: Inductive Countersupport. ''Journal for General Philosophy of Science'' '''26''' (1995), 187–189.<br />
* J. Cussens: Deduction, Induction and Probalistic Support. ''Synthese'' '''108''' (1996): S. 1–10.<br />
* E. Eells: Popper and Miller, and Induction and Deduction. ''Proceedings of the Seventh Asian Logic Conference'' (1999)</ref><br />
<br />
== Indirekte Argumente ==<br />
Ein ''[[Umkehrschluss]]'' (''Argumentum e contrario'', „Beweis durch Widerspruch“) untermauert die eigene These mit der [[Falsifizierung]] des Gegenteils ([[indirekter Beweis]]). Beispiel: [[Euklids Beweis für Irrationalität von Wurzel 2]] oder: „Die Gegner der Rechtschreibreform behaupten, dass die Schüler mit den neuen Regeln mehr Fehler machen würden. Neueste Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Fehlerquote seit Einführung um 20 Prozent gesunken ist.“<br />
<br />
== Sophismen ==<br />
Bei [[Sophismus (Rhetorik)|Sophismen]] ([[Latein|lat.]] ''fallacia'', auch ''Trugschluss'' genannt) handelt es sich um Argumentationen, die bei korrekter Handhabung logisch einwandfrei sind, jedoch auch zu (absichtlichen) [[Fehlschluss|Fehlschlüssen]] verwendet werden können. Während deduktive sowie (bedingt) induktive und analogisierende Argumente tatsächlich zum [[Beweis (Logik)|Beweis]] einer [[These]] dienen, handelt es sich bei den sogenannten Fehlschlüsse um keine gültigen Argumente. Es wird zwar aus den [[Prämisse]]n eine [[Schlussfolgerung]] gezogen, diese erfolgt aber nicht nach den Gesetzen der [[Logik]].<br />
<br />
Ein logischer Irrtum, dem der Argumentierende erliegt, kann z.&nbsp;B. der falsche Gebrauch der beteiligten Begriffe durch einen [[Paralogismus]] oder eine nicht berücksichtigte [[Antinomie]], die auch auf einem [[Falsches Dilemma|falschem Dilemma]] beruhen kann. Ein mit der Absicht, andere zu täuschen, herbeigeführtes ''Argumentum ad populum'' wird als [[Sophismus (Rhetorik)|Sophismus]] bezeichnet. Unter einem ''Argumentum ad rem'' versteht man allgemein eine Beweisführung, die sich nur auf die zu diskutierende Sache selbst stützt und unabhängig von Gefühlen und Meinungen ist.<br />
<br />
Ein besonders krasser Fall von ''[[argumentum ad populum|ad populum]]'' und hier von Argumenten ''[[argumentum ad hominem|ad hominem]]'' sind [[Totschlagargument]]e.<br />
<br />
=== Autoritätsverweis oder Referenzargument ===<br />
Das [[Argumentum ad verecundiam]] will unter Berufung auf eine Autorität überzeugen.<br />
<br />
Da es unmöglich ist, alles selbst nachzuweisen, muss man sich auf Quellen anderer verlassen können. Also ist es notwendig, bekannte Fachleute auf dem Gebiet zu Rate zu ziehen und tatsächlich gesteht man einer Autorität auf dem Gebiet eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf Richtigkeit zu. Beispiel: „Hans H., der bekannte konservative Journalist, meint zu Recht, dass eine Reform der Groß- und Kleinschreibung letztlich den Analphabetismus fördere.“ Oder: „Prof. Dr. Fischer schreibt in seinem Buch, dass Fernsehen Gewalttätigkeit auslöst.“<br />
<br />
Allerdings können auch Experten irren, ihre Ansichten können revidiert werden, und in einem Gebiet können mehrere unterschiedliche „Lager“ mit jeweils guten Gründen für ihre Positionen existieren. Oft arbeiten genannte Fachleute auch auf einem ganz anderen Fachgebiet, was die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit erheblich herabsetzt.<br />
<br />
Dazu gehört auch das Argument, das sich auf die Negation der Autorität beruft, auf „Menschen wie du und ich“, die gerade als Nicht-Autoritäten besonders kompetent oder glaubwürdig sein sollen. Beispiel: „Der Taxifahrer / Die alte Bäuerin in unserem Dorf meint: Früher hatten wir auch keine Rechtschreibreform, und wir haben trotzdem alles richtig verstanden.“<br />
<br />
=== Mitleidargument ===<br />
Mit Hilfe des ''Argumentum ad misericordiam'' wird Mitleid genutzt, um weiteres Nachhaken zu unterbinden. Beispiel: „Niemand hat deinen Geldbeutel gestohlen, du hast ihn verloren. Warum verdächtigst du einen armen und missbrauchten Menschen?“<br />
<br />
=== Gesellschaftliche Argumentation ===<br />
Das ''[[Argumentum ad populum]]'' ist ein ähnlicher Versuch, durch den Verweis auf die wirkliche oder behauptete ''allgemeine'' Meinung zu überzeugen, und schließt aus der Anzahl der Anhänger einer Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt. Beispiel: „Im Mittelalter glaubten praktisch 100 Prozent der Leute daran, dass die Sonne und die Planeten um die Erde kreisen und die Erde unbeweglich im Raum hängt. Also kann das nicht ganz falsch gewesen sein.“<br />
<br />
Wahrheit ist nicht demokratisch, aber wegen des Gruppendrucks und der damit verbundenen Angst vor einem Gesichtsverlust wird dieser Fehlschluss oft verwendet, um ungeliebte Meinungen zu unterdrücken.<br />
<br />
Das ''Argumentum ad populum'' gilt jedoch zweiseitig: Oft neigen intellektuelle und wissenschaftliche Kritiker (die sich kritisch mit der Leichtgläubigkeit der Masse auseinandersetzen) dazu, bei von ihnen abgelehnten Theorien einen wirklichen oder behaupteten Konsens von Wissenschaftlern und Organisationen bezüglich der Falschheit der Theorie ''ohne weitere Erläuterung für diese Haltung'' ins Feld zu führen. Dies ist ebenfalls ein Fehlschluss.<br />
<br />
=== Moralisches Argument ===<br />
Das ''moralische Argument'' (auch ''ethisches'' oder ''normatives Argument'') bezieht sich noch weiter verengend explizit auf allgemein anerkannte [[Ethik|ethische]] oder gesellschaftliche Werte und versucht, eine Aussage in Übereinstimmung oder im Gegensatz befindlich darzustellen. Beispiel: „Wir sollten die geltende Groß- und Kleinschreibung nicht aufgeben, da sie einzigartig ist.“<br />
<br />
=== Ideologisches Argument ===<br />
Einzelinteressen werden hier unter Berufung auf Allgemeines (z.&nbsp;B. die Natur [siehe [[Naturalistischer Fehlschluss]]], gesellschaftliche Zwänge, das Allgemeinwohl) vollkommen verschleiert. Das ideologische Argument steht beinahe schon außerhalb der Fehlschlüsse, da es sich im Grunde um ein Postulat, eine Aussage handelt. Beispiel: „Es ist doch nur natürlich, wenn man möchte, dass alles beim alten Zustand bleibt.“<br />
<br />
=== Hypothetisches Argument ===<br />
Dieses Argument konkludiert angenommene Prämissen mit tatsächlichen. Die Konklusion ergibt kein (notwendig) wahres Urteil, da hierzu die Wahrheit der Prämissen erwiesen sein muss. Beispiel: „Wenn das jetzt Ihr Kind auf der Intensivstation wäre, Herr Doktor, was würden Sie alles unternehmen, um sein Leben zu retten? Sie würden alles versuchen!“<br />
<br />
=== Argument aus Nichtwissen ===<br />
Das ''[[Argumentum ad ignorantiam]]'' nutzt Nichtwissen als Beweis beziehungsweise in Form des ''Argumentum e silentio'' das Schweigen. Der Fehlschluss, dass das Fehlen oder die Unkenntnis von Tatsachen, die eine Aussage unterstützen, die Aussage widerlegen bzw. der Fehlschluss, dass eine Aussage wahr ist, weil ihre Unwahrheit nicht bewiesen ist (oder ''vice versa'') ist oft mit dem Glauben verbunden, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ''immer'' umgekehrt proportional zu der Anzahl der Möglichkeiten ist. Beispiel: „Niemand hat gezeigt, dass es keinen Gott gibt; also muss Gott existieren.“ Oder: „Niemand hat je ein UFO gesehen, also gibt es keine UFOs.“<br />
<br />
Im Falle des Fehlens von Tatsachen: Es ist umso schwieriger, etwas nachzuweisen, je seltener es vorkommt ([[Quastenflosser]]), je schwieriger deren Untersuchung ist (extraterrestrische Planeten, Tiefsee) und wenn deren Existenz geheimgehalten werden soll (militärische Forschungslabore). Noch problematischer sieht es bei der Nicht-Existenz von etwas aus: Zum Nachweis, insbesondere zur Falsifizierung strittiger, grundsätzlicher Aussagen müsste man das gesamte Universum absuchen. Für eine Aussage muss man sich also daran halten, was bekannt ist (oder falls die Aussage unbekannt ist, was man vernünftigerweise erwarten würde, wenn sie wahr wäre. Niemand glaubt an einen Atombombenanschlag in London, wenn dies nicht in den Nachrichten käme). Ein Argumentum ad ignorantiam bringt letztlich nur den Glauben an etwas als eigene irrelevante Unkenntnis in die Argumentation.<br />
<br />
=== Scheinkausalität ===<br />
Hierbei fungieren zwei Ereignisse als Prämissen, aus deren Gleichzeitigkeit ([[Cum hoc ergo propter hoc]]: gleichzeitig, also deswegen) bzw. zeitlichen Abfolge (Post hoc ergo propter hoc: danach, also deswegen) ein unbewiesener Kausalzusammenhang konkludiert wird. Zum Beispiel:<br />
''Eisverkäufe korrelieren stark (und robust) mit Verbrechensraten. Daher verursacht Speiseeis Verbrechen.'' Dieses Argument ist fehlerhaft, weil es die tatsächliche Erklärung außer Acht lässt, dass es eben die hohen Temperaturen sind, die sowohl die Verbrechensraten als auch die Speiseeisverkäufe unabhängig voneinander erhöhen. <br />
<br />
=== Grundannahme ===<br />
Mit dem ''Argumentum [[a priori]]'' wird ein Beweis mittels rein logischer Schlussfolgerungen geführt, der ohne Erfahrungswissen auskommt. Diese Annahme ist jedoch nicht falsifizierbar. Beispiel: „Wenn man annimmt, dass alle Menschen sterblich sind, und Sokrates ein Mensch ist, so folgt daraus, dass Sokrates sterblich sein muss.“<br />
<br />
=== Argument der goldenen Mitte ===<br />
Das ''Argumentum ad temperantiam'' ist ein Fehlschluss, der die Mitte zweier Positionen unabhängig von der argumentativen Untermauerung der einzelnen Positionen bevorzugt. Beispiel: „Da die Gewerkschaften 10 % mehr Lohn verlangen und die Arbeitgeber 2 % zugestehen, sollten wir uns auf 6 Prozent einigen.“<br />
<br />
Auch wenn die Erfahrung zeigt, dass Extrempositionen oft Nachteile nach sich ziehen und Kompromisse leichter durchzusetzen sind, ist das Argumentum ad temperantiam als Maßstab der Richtigkeit generell zu verwerfen. Einmal ist es kulturell sehr abhängig, was eine Gesellschaft noch als akzeptable Extremposition zulässt (man vergleiche die Extrempositionen bezüglich der Homosexualität heute in der westlichen Gesellschaft und zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen). Dann ist es verlockend (z.&nbsp;B. beim Feilschen), die eigene Position zum Extremen hin zu steigern, damit man sich auf eine „faire“ Position einigt, die einen dann selbst bevorzugt. Dann gibt es Situationen, in denen Extremmaßnahmen gemäß vorherrschender Meinung nahezu unumgänglich sind (Massenschlachtungen bei einer extrem ansteckenden Seuche).<br />
<br />
=== Zirkelschluss ===<br />
Das ''Argumentum in circulo'' (''Circulus vitiosus'' bzw. [[Zirkelschluss]], [[Petitio principii]]) begründet eine These mit sich selbst und verstößt damit gegen einen Hauptsatz der klassischen Logik, wonach jede These durch Prämissen begründet sein muss, deren Wahrheit bereits bewiesen ist. Die zu folgernde Aussage steckt implizit in den Bedingungen. Beispiel: „Der Apfel fällt vom Baum, weil die Schwerkraft wirkt. Somit erkennt man leicht die Existenz der Schwerkraft, sobald ein Apfel vom Baum gefallen ist.“ Auch: „Die Gerechtigkeit erfordert höhere Löhne für alle, weil es nur gerecht ist, wenn jeder mehr verdient.“ Oder: „Sie sagen, Sie hätten jetzt keine Zeit. Genau deshalb rufe ich ja an: Es geht darum, in Zukunft so zu rationalisieren, dass Sie wieder Zeit für das Wesentliche haben.“<br />
<br />
''Siehe hierzu auch: [[Pleonasmus]] und [[Tautologie (Sprache)|Tautologie]]''<br />
<br />
=== Doppeldeutigkeit ===<br />
Ein ''Argumentum ambiguum'', d.&nbsp;h. zweischneidiges Argument, bei dem die genaue Bedeutung unklar bleibt und damit eine Rückzugsmöglichkeit auf eine andere Interpretation offen lässt. [[Bill Clinton]] über [[Monica Lewinsky]]: „''I did not have sexual relations with that woman''“ („Ich hatte keine sexuelle Beziehung mit dieser Frau“). Im Sinne des Wortes „sexuell“ mit der Konnotation zum Geschlechtsverkehr ist Clintons Aussage korrekt, im umgangssprachlichen und juristischen Sinne jedoch nicht.<br />
<br />
=== Erfahrungsbeweis ===<br />
Das ''Argumentum ad lapidem'' (lat. ''lapidem'' ,Stein‘) ist ein Gegenargument, mit dessen Hilfe eine ausgeklügelte und spitzfindige These durch einen scheinbar einfachen Widerspruch zur Erfahrung widerlegt werden soll. Benannt durch Dr. [[Samuel Johnson]], der Bischof [[George Berkeley]]s Behauptung, dass Materie nicht separat von ihrer Wahrnehmung existieren kann, damit „widerlegte“, dass er einen Stein mit der lapidaren Bemerkung „I refute it thus.“ (,Damit widerlege ich es.‘) wegtrat.<br />
<br />
Befürworter dieses Argumentes glauben oft, dass sich theoretische geistige Konstrukte durch eine eklatante Realitätsferne auszeichnen, und verweisen oft spöttisch auf die völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen, die man daraus besonders in der Philosophie ableiten kann. Kritiker des Arguments weisen darauf hin, dass das weniger eine Widerlegung als eine bequeme Ignorierung der Position ist (Der Stein wird auch durch noch so beiläufiges Wegtreten durch Tastsinn, Gehör und Sehen wahrgenommen).<br />
<br />
=== Traditionsverweis === <br />
Das ''Argumentum ad antiquitatem'' arbeitet mit dem Beharren darauf, dass eine Aussage durch ihr Alter oder ihre Bewährtheit wahr sein müsse. Beispiel: „Siderische Astrologie ist wahr. Wenn Sie falsch wäre, hätte sie nicht mehrere tausend Jahre überdauert.“<br />
<br />
Schon bei Glaubenssätzen trifft man sehr alte Systeme an ([[Hinduismus]], [[Judentum]]), die noch heute praktiziert werden und einander ausschließen. Aber auch in den Wissenschaften kann man aus vorher gemachten Beobachtungen nicht letztendlich schließen, dass eine bewährte Regel allgemeingültig bleibt ([[Induktionsproblem]]). Beispiele für Widerlegungen von lange Zeit für wahr gehaltenen Auffassungen sind [[Paradigmenwechsel]] wie das Vorkommen schwarzer Schwäne („Alle Schwäne sind weiß“) oder der Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischem Weltbild.<br />
<br />
=== Beweis durch Augenschein ===<br />
Das ''Argumentum ad oculos'' will durch schlagenden Widerspruch zur Wahrnehmung oder Aufdeckung eines kritischen Widerspruches überzeugen. Die eine Sache hat jedoch mit der anderen kausal nichts zu tun.<br />
„Ich habe nie behauptet, dass mein politischer Gegner Schmiergelder annimmt.“ (Im Hintergrund läuft ein Video, das genau das Gegenteil zeigt). Beispiel: „Angeklagter, Sie haben unter Eid geschworen, dass Sie sich zum Tatzeitpunkt am Orte X aufgehalten haben. Hier habe ich nun eine zweite eidesstattliche Erklärung Ihrer Versicherung, in der Sie behaupten, Sie hätten sich am Tatzeitpunkt am Orte Y, 1.000 km vom Ort X entfernt, aufgehalten. Wie erklären Sie sich das?“<br />
<br />
=== Überhöhung ===<br />
Das ''Argumentum a fortiori'' zeigt auf, dass die bestehende Behauptung noch sicherer ist als eine bereits mit hinlänglicher Sicherheit bewiesene. „Es ist mittels Untersuchungsreihen zweifelsfrei erwiesen, dass eine Konzentration von 10 mg/kg des fraglichen Mittels gesundheitsschädlich wirkt. Mein Mandant wurde jedoch einer wesentlich höheren Konzentration erheblich länger ausgesetzt, so dass der gesundheitliche Schaden meines Mandanten außer Frage steht.“<br />
<br />
=== Der Erfolg gibt recht ===<br />
Das ''Argumentum ad crumenam'' versucht, glauben zu machen, dass aus Reichtum oder Erfolg die Wahrheit der zugrunde liegenden Ansichten folgt. Beispiel: „Wer heilt, hat recht.“ Oder: „Ein Schneeballsystem gibt jedem gleiche Chancen. Schließlich ist Herr Marschmüller damit auch reich geworden.“<br />
<br />
Dies ist ein Schema, das oftmals hemmungslos von Betrügern ausgenutzt wird, indem sie ihre Ansicht durch den scheinbaren oder tatsächlichen (auf Kosten vorheriger Opfer) Erfolg untermauern wollen. Selbst bei Aussagen über das Geldverdienen und wirtschaftlichen Erfolg oder Spontanheilungen ist es oft unklar, inwieweit der Erfolg von investierter Arbeit, unbekannten Randbedingungen oder scheinbaren Zufällen abhing.<br />
<br />
=== Argument des weisen Asketen ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad lazarum'' wird, im Gegensatz zum ''ad crumenam'' mit dem Glauben argumentiert, dass aus Armut und Schlichtheit die Wahrheit der vertretenen Ansicht folgt. Beispiel: „Mein geistiger Lehrer lebt seit über 20 Jahren praktisch nur von Wasser und Brot. Nur ein von der Wahrheit Erleuchteter ist dazu imstande.“ Auch Asketen und einfache Leute sind Menschen und können trotz ihrer oft großen Lebenserfahrung irren.<br />
<br />
=== Beschwichtigung ===<br />
Das ''Argumentum a tuto'' nutzt die Ansicht, dass eine Position auf jeden Fall ungefährlich und unschädlich ist. Beispiel: „Ein Atomstromfilter hält Radioaktivität aus Atomkraftwerken fern. Es kann auf jeden Fall nicht schaden, wenn Sie den Atomstromfilter installieren, ich gebe ihn Ihnen sogar verbilligt.“<br />
<br />
Während die Anwendung dieses Scheinargumentes in aussichtslos erscheinenden Situationen tröstend und Hoffnung spendend sein mag, gibt es jedoch oft versteckte Kosten und Nachteile an Zeit, Geld, Aufwand, Gesundheit und dem eigenen Ruf.<br />
<br />
=== Explizite Weiterführung ===<br />
Das ''Argumentum ex consesso'' beruht auf einer bereits als wahr zugestandenen Aussage. „Sie haben zugegeben, zur fraglichen Zeit am Tatort gewesen zu sein. Da es nun wegen des Aufbaus des Tatortes unumgänglich ist, den Blutfleck zu sehen, wenn man die Wohnung betritt, stellt sich die Frage, warum Sie behaupten, nichts gesehen zu haben.“<br />
<br />
=== Angstargument ===<br />
Das ''Argumentum ad metum'' arbeitet mit dem Erwecken von Ängsten und Befürchtungen, die mit einer Position verbunden werden (sollen). Beispiel: „Nur eigene Bewaffnung senkt die Kriminalitätsrate. Oder willst Du, dass Du und Deine Familie von Mördern, Räubern und Vergewaltigern ermordet und missbraucht werden?“<br />
<br />
=== Neidargument ===<br />
Das ''Argumentum ad invidiam'' appelliert an Neid, Bosheit und Rache. Beispiel: „Dein Kollege behauptet, wir bräuchten zur besseren Effizienz eine neue Datenbank. Schau mal, der bekommt viel mehr Gehalt als du, obwohl du genauso viel arbeitest. Willst du wirklich dessen Position unterstützen?“<br />
<br />
=== Hassargument ===<br />
''Argumentum ad odium'': „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Sie sind an allem schuld, was in diesem Staat schiefläuft, lasst euch das nicht länger gefallen.“<br />
<br />
=== Nazi-Vergleich ===<br />
Der ''[[Nazi-Vergleich]]'' lehnt eine Position mit dem Hinweis ab, dass sie von ethisch fragwürdigen Personen (insbesondere Hitler) geteilt wurde. Beispiel: „Jeder Todkranke, der sterben will, ist nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Jeder, der anderweitiges behauptet und damit Selbstmord oder sogenannte aktive Sterbehilfe unterstützt, hätte von Hitler Beifall bekommen.“ (Siehe auch: [[Godwins Gesetz]]).<br />
<br />
=== Wiederholung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad nauseam'' ([[Latein|lat.]] ,zur Übelkeit, Brechreiz‘) wird ein Fehlschluss bezeichnet, nach dem eine Aussage durch ständiges Wiederholen scheinbar richtiger wird. <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Man hat Sie zum Tatzeitpunkt am Ort gesehen.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Sie hatten eine Pistole in der Hand.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Sie haben gestern Abend dem Opfer gedroht.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
usw. <br /><br />
<br />
Abgesehen davon, dass man den anderen Diskutanten zum Aufgeben bewegt oder, trickreicher, so tut, als hätte man die Einwände durch Abwandlung der Wiederholung widerlegt, verlässt man damit den Rahmen rationaler Diskussion, da es nur noch auf das Beharren der eigenen Meinung ankommt. Eine Abwandlung davon: Es kommt oft vor, dass Proponenten einer Meinung unredlicherweise längst widerlegte Argumente gegenüber Leuten wiederholen, von denen sie glauben, dass diese die Widerlegung noch nicht kennen.<br />
<br />
=== Innovationsargument ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad novitam'' wird der Glaube genutzt, dass einer neueren Ansicht oder Innovation automatisch ein höherer Wahrheitsgehalt zukommt. Beispiel: „Die neu entdeckte XYZ-Diät reduziert das Gewicht ohne Hungern. Sie ist besser als vorherige Diäten, ''weil'' sie neu ist.“<br />
<br />
In der wissenschaftlichen Praxis ist es jedoch meistens der Fall, dass aufgrund der Entwicklung des Fachgebietes Zugriff auf neuere Literatur zur Wahrheitsfindung erforderlich ist. Dennoch gibt es auch in der Wissenschaft immer wieder Nichtbestätigungen oder Widerlegungen vorher geäußerter Ansichten.<br />
<br />
=== Argument aus Eitelkeit ===<br />
Das ''Argumentum ad superbium'' arbeitet mit der Ablehnung gegnerischer Positionen aus Stolz und Überlegenheit. Beispiel: „Universität XYZ behauptet, ein Mittel gegen Krebs gefunden zu haben? Das ist unmöglich; wir haben viel mehr Mittel, und alles, was die bisher herausgefunden haben, wussten wir schon längst.“<br />
<br />
== Scheinargumente ==<br />
Während bei [[#Fehlschlüsse|Fehlschlüssen]] noch versucht wird, sachbezogen (''ad rem'') und [[Rationalität|rational]] zu [[Argument|argumentieren]], benötigt ein '''Scheinargument''' keinen [[Logik|logischen]] Aufbau. Dennoch können Scheinargumentationen oft sehr wirkungsvoll sein. <br />
<br />
=== Persönlicher Angriff ===<br />
Mit dem ''[[Argumentum ad personam]]'' unterstellt man dem Gegner allgemein, dass ihm die Fähigkeit zum korrekten Argumentieren bzw. das Fachwissen fehlt und dass damit seine Schlüsse allgemein ungültig sind, und versucht die Zuhörer zu dem Fehlschluss zu verleiten, dass irrelevante, aber allgemein negativ besetzte Eigenschaften der Person (Geschlecht, Profession, politische Orientierung etc.) etwas mit dem Wahrheitsgehalt der Argumentation zu tun haben („kriminell“, „Sozialist/Nazi“ usw.).<br />
<br />
Dies nimmt oft die Form von Beleidigungen („Idiot“, „Dummkopf“, „Amateur“) und Werturteilen über die Argumentation an („Schwachsinn“, „Geschwätz“, „naiv“, „Ausrede“). Da die Wahrheit einer Aussage jedoch ''nur'' von der Wahrheit der Prämissen abhängt, kann die Validität einer Aussage unabhängig von der Person getroffen werden. Die Fähigkeit einer Person zum logischen Schließen ist ohne Belang und die Anwendung ein logischer Fehlschluss.<br />
<br />
Davon zu unterscheiden ist ein ''[[Argumentum ad hominem]]'', bei dem die Behauptungen des Gegners mit der öffentlichen Meinung konfrontiert werden (und nicht mit einem Gegengrund, der die Sache betrifft).<br />
<br />
Ein weiteres Argument, welches sich gegen die Person des Argumentationsgegener richtet, ist das [[Tu quoque|Tu-quoque]]-Argument, mit welchem versucht wird, das eigene Verhalten mit einem ähnlichen Verhalten des Gegners zu rechtfertigen.<br />
<br />
=== Totschlagargument ===<br />
Als [[Totschlagargument]]e (auch ''Killerphrasen'') werden Argumente bezeichnet, die nach [[Charles Clark (Philosoph)|Charles Clark]] nahezu inhaltslose Aussagen sind, von denen der [[Disput]]ant annimmt, dass die meisten Diskussionsteilnehmer mit ihnen in der Bewertung übereinstimmen und die vor allem der Ablehnung oder Herabsetzung des Gegenübers dienen. Beispiel: „Das haben wir gerne; frisch von der Schule und dann hier den großen Max markieren. Da könnte ja jeder kommen!“<br />
<br />
=== Drohung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad baculum'' wird das Ende rationaler Diskussion mittels Überreden und Einschüchtern durch Macht und Stärke eingeleitet. „Herr Dorn hat Hochverrat begangen, aber natürlich können Sie weiterhin versuchen, eine anderslautende Meinung an die Öffentlichkeit zu bringen. Machen Sie sich um Ihre Familie keine Sorgen? In der heutigen Zeit kann soviel Schlimmes passieren.“ <br />
<br />
Dies kann vielfältige Formen annehmen: Gewalt, Erpressung, das Überschreien oder Ächten der gegnerischen Position.<br />
<br />
=== Ethisches Argument ===<br />
Das ''Argumentum e consentu'' bzw. ''Argumentum consensu gentium'' zielt gerade bei ethischen Debatten die Aufmerksamkeit auf Prinzipien, die praktisch von allen Menschen geteilt werden und hier von der Zuhörerschaft übernommen werden sollen. Beispiel: „Bei allen Kulturen dieser Welt gilt der Mord an einem gleichberechtigten Menschen als schweres Verbrechen. Auch hier unter uns ist Mord immer ethisch verwerflich.“ <br />
<br />
Auch manipulierend als das Herausstellen einer Position als eine so allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Widerspruch absolute Unwissenheit und Weltfremdheit suggeriert. <br /><br />
„Jeder (Schuljunge) weiß doch, dass jede Verbrennung Flammen erzeugt.“ (Welches ebenfalls ein „[[Typen von Argumenten#Gesellschaftliche Argumentation|argumentum at populum]]“ darstellt.)<br /><br />
Mittels dieser typischen Einleitung versucht der Argumentierende kritisches Nachfragen seiner Position zu verhindern, indem er Angst und Scham vor der eigenen Unwissenheit erzeugt.<br />
<br />
=== Scheinrationalität ===<br />
Das ''Argumentum ad judicium'' beruft sich auf den gesunden Menschenverstand im Allgemeinen bzw. den der Zuhörerschaft. Beispiel: „Die Relativitätstheorie stimmt nicht, das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Wenn eine Zeitverschiebung nur von der Relativgeschwindigkeit abhängt, dann müssten Zwillinge, einer auf einem schnellen Raumschiff, einer auf der Erde, immer gleich alt bleiben. Schließlich kann jeder behaupten, der andere bewegt sich von ihm fort.“ ([[Zwillingsparadoxon]]) <br />
<br />
Als Widerlegung kann man darauf hinweisen, dass sich Diskutanten oft darüber uneinig sind, was für sie eine überzeugende Demonstration des gesunden Menschenverstandes ist. Aber auch bei Einigkeit der Diskutanten untereinander versagt der gesunde Menschenverstand oft bei abstrakten oder nur extrem genau zu definierenden Problemen (Wahrscheinlichkeitsrechnung, [[Ziegenproblem]]) und setzt oft unterbewusst kulturell abhängige Bedingungen voraus, die falsch sein können.<br />
<br />
=== Schweigen als Argument ===<br />
Mit dem ''Argumentum ex silentio'' wird das Weglassen von Informationen für einen gewünschten, aber irreführenden Eindruck genutzt. Beispiel: „Nachdem ich nun nacheinander mehrere Argumente des Herrn X vernommen und widerlegt habe, dürfte klar sein, dass von seiner These nicht viel zu halten ist. Ich sage dazu nichts mehr.“ <br />
<br />
Der Eindruck der Zuhörerschaft würde jedoch ein ganz anderer sein, wenn man hinzufügen würde: <br /><br />
„Die These umfasst mehrere hundert Seiten an Material und Dutzende von Argumenten, die ich trotz mehrwöchiger Recherche nicht widerlegen konnte. Das einzige, was ich finden konnte, befand sich in einer sehr alten Ausgabe; nur dort waren noch die fehlerhaften Argumente zu finden.“<br />
<br />
=== Übertreibung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad consequentiam'' wird aus einer richtigen Schlussfolgerung, aus deren Wahrheit der Aussage unangenehme oder scheinbar unerträgliche Konsequenzen folgen würden, die Falschheit, Unwichtigkeit oder Belanglosigkeit der Aussage durch Übertreibung unterstellt, um den Gegner lächerlich zu machen. Beispiel: „Wenn die Erde sich tatsächlich durch den von uns verursachten Kohlendioxid-Ausstoß erwärmen würde und dies unabsehbare Folgen hätte, dann müssten wir den Energieverbrauch durch fossile Brennstoffe in der Tat drastisch einschränken. Da dies aber unsere Industrie, unsere Autos und Haushalte sowie das ganze wirtschaftliche Leben aller hier Anwesenden vollkommen ruinieren würde, brauchen wir nicht weiter darüber zu diskutieren.“<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* Webseite der [[Universität Koblenz-Landau]]: Michael Christian Nikelsky: [http://www.uni-koblenz.de/~beckert/Lehre/Seminar-LogikaufAbwegen/nikelsky_ausarbeitung.pdf ''Induktive Logik: Confirmation and Confirmability''] (deutsch), Erläuterung über Probleme bei der Konstruktion oder Rechtfertigung eines wissenschaftlichen, induktiven Logik-Systems<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Logik]]<br />
[[Kategorie:Rhetorik]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Der_Process&diff=85027759Der Process2011-02-08T17:40:55Z<p>Xjs: /* Verhaftung */ Übersehen: Zahlwort "drei" ausgeschrieben.</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Weitere Bedeutungen sind unter [[Prozess (Begriffsklärung)]] aufgeführt.}}<br />
<br />
<!-- Der Titel des Romans lautet nach der Faksimile-Edition (http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm) "Der Process" und zwar genau so. Teile der handschriftlichen Manuskripte Kafkas sind im Internet einsehbar. (http://www.kafka.org/index.php?manuscripts) Hier ist deutlich zu erkennen, dass Kafka "Process" schrieb. Bitte den Titel nicht mehr ändern oder den Artikel verschieben sondern vorher einen Blick auf die Diskussionsseite werfen. --> <br />
[[Datei:Kafka Der Prozess 1925.jpg|thumb|Verlagseinband der Erstausgabe 1925]]<br />
<br />
'''Der Process''' (auch ''Der Prozeß'', ''Der Prozess'' und ''Der Proceß'') ist neben ''[[Der Verschollene]]'' (auch unter ''[[Amerika (Roman)|Amerika]]'' bekannt) und ''[[Das Schloss]]'' einer von drei unvollendeten und [[postum]] erschienenen Romanen von [[Franz Kafka]].<br />
<br />
== Entstehungsgeschichte ==<br />
<br />
Die Entstehung dieses nicht vollendeten Werkes – vom Sommer 1914 bis Januar 1915 <ref> Alt S. 388</ref> – war von besonders prägnanten Phasen im Leben Kafkas gekennzeichnet. Im Juli 1914 fand die Auflösung der Verlobung mit [[Felice Bauer]] statt. Sowohl die [[Verlöbnis|Verlobung]] als auch die Entlobung waren für Kafka mit starken [[Schuldgefühl]]en verbunden. Eine abschließende Aussprache hierzu im Berliner Hotel „Askanischer Hof“ in Anwesenheit von Freunden hatte Kafka als „[[Gerichtshof]]“ empfunden.<ref> Königs Erläuterungen Franz Kafka Der Proceß Volker Krischel S. 31</ref> Unmittelbar danach begann er mit der Arbeit zum ''Process''. Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brach aus. Ab dem Herbst 1914 wohnte Kafka erstmals unabhängig von seinen Eltern in einem eigenen Zimmer. <br />
<br />
Seine Arbeit schritt zunächst gut voran, in zwei Monaten entstanden rund 200 Manuskriptseiten, kam aber – wie bei ihm häufig – bald zum Erliegen. Er beschäftigte sich nun u. a. mit der Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]''. Der Process entstand nicht in linearer Abfolge. Es lässt sich nachweisen, dass Kafka zuerst das Eingangs- und das Schlusskapitel niederschrieb, danach schrieb er an einzelnen Kapiteln parallel weiter. Kafka schrieb den ''Process'' in Hefte, die er auch für die Niederschrift anderer Texte verwendete. Diese Blätter hat er später herausgetrennt und sie nach Kapiteln und Fragmenten neu sortiert, ohne dabei eine bestimmte Reihenfolge der Teile festzulegen.<br />
<br />
Anfang 1915 wurde der Roman dann beiseitegelegt und (nach kurzem nochmaligen Versuch im Jahr 1916) nie vollendet. Schon im November 1914 schrieb Kafka: "''Ich kann nicht mehr weiter schreiben. Ich bin an einer endgültigen Grenze, vor der ich vielleicht wieder jahrelang sitzen soll, um dann vielleicht wieder eine neue, wieder unfertig bleibende Geschichte anzufangen''"<ref> Königs Erläuterungen/ Krischel S. 34 </ref>.<br />
<br />
== Personen ==<br />
<br />
; Josef K.<br />
: Josef K. ist [[Prokurist]] einer [[Bank]]. Er lebt allein, sein Bedürfnis nach Kontakten befriedigt er mit seiner Geliebten Elsa sowie einer regelmäßigen [[Stammtisch]]runde. K.s Vater ist bereits gestorben, seine Mutter taucht nur in einem Fragment auf. Eine Gefühlsbindung zu ihr besteht nicht.<br />
; Die Personen der Verhaftung<br />
: Die Wächter, genannt Franz und Willem, teilen Josef K. seine Verhaftung mit und halten ihn zunächst im Zimmer fest. Ein namenloser Aufseher weist K. s auflehnende Überlegungen schroff zurück. Drei Herren, untergeordnete Kollegen aus der Bank, in der K. arbeitet, namens Rabensteiner, Kaminer und Kullych, sind auch anwesend. Sie sind dazu bestimmt K. nach der Verhaftung zur Arbeit zu begleiten.<br />
; Fräulein Elsa <br />
: Fräulein Elsa arbeitet als [[Kellner]]in. Tagsüber empfängt sie Männerbesuch, K. geht einmal die Woche zu ihr. Sie wird später in dem ersten Gespräch mit Leni als K.s Geliebte bezeichnet. (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Josef K. erwähnt)<br />
; Frau Grubach<br />
: Frau Grubach ist K.s und Fräulein Bürstners Vermieterin. Sie bevorzugt K. vor den anderen Mietern, da er sie gut bezahlt.<br />
; Fräulein Bürstner<br />
: Fräulein Bürstner ist erst seit kurzem Mieterin bei ''Frau Grubach'' und hat wenig Kontakt zu K.. Er lauert ihr aber in der Nacht nach seiner Verhaftung vor ihrem Zimmer auf und drückt ihr nach einem gemeinsamen Gespräch fast tierhaft einen Kuss auf. Sie interessiert sich selbst für Machenschaften des Gerichts, da sie in einigen Wochen eine Stelle als [[Sekretär]]in in einer Kanzlei antreten wird.<br />
; Die Frau des Gerichtsdieners<br />
: Sie besitzt eine besondere erotische Ausstrahlung, so dass sowohl ein Jurastudent als auch der Untersuchungsrichter sie für Liebesdienste in Anspruch nehmen. Sie bietet sich auch Josef K. an und erzählt ihm einiges aus der skurilen Welt des Gerichtes, das seltsamerweise in einem ärmlichen Mietshaus tagt.<br />
; Advokat Huld<br />
: Der [[Advokat]] Huld ist ein Bekannter von K.s Onkel. Der Verteidiger ist jedoch durch eine Krankheit körperlich geschwächt und bettlägerig. Seine Verteidigung betreibt er aus seinem Krankenbett. Seine Einlassungen sind quälend langwierig. K. entzieht ihm seine Verteidigung bald wieder.<br />
; Leni<br />
: Leni ist die Bedienstete des Advokaten und kümmert sich während seiner Krankheit sehr hingebungsvoll um diesen. Sie erscheint sehr verspielt und gesellig. Leni lockt K. während seines ersten Besuches in ein Nachbarzimmer, um sich ihm zu nähern. Sie hat ebenfalls wichtige Informationen zum System des Gerichtes.<br />
; Onkel Albert K./Karl K.<br />
: K.s Onkel lebt auf dem Lande. Als er von Josef K.s Prozess erfährt, reist er in die Stadt, um Josef K. zu helfen. Er stellt K. Advokat Huld vor. Es ist nicht ganz klar, wie der Onkel heißt, am Anfang des Kapitels ''Der Onkel/Leni'' wird er Karl genannt, doch später wird er vom Advokaten Huld Albert genannt.<br />
; Erna <br />
: Erna ist die Cousine K.s. Sie schreibt dem Onkel (ihrem Vater) einen Brief, in dem sie von K.s Prozess berichtet (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Onkel erwähnt)<br />
; Titorelli<br />
: Titorelli ist als Gerichtsmaler in bestimmte Vorgänge des Gerichts eingeweiht. Durch seinen persönlichen Kontakt zu den Richtern könnte er zwischen K. und dem Gericht vermitteln. Doch Titorelli ist fest davon überzeugt, dass niemand – und somit auch nicht er selbst – das Gericht von der Unschuld eines Angeklagten überzeugen könne.<br />
; Kaufmann Block<br />
: Der Kaufmann Block ist ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, dem ebenfalls ein Prozess gemacht wird. Block übernachtet im Hause des Advokaten Huld, um jeder Zeit für ein Gespräch mit dem Advokat bereitzustehen und demütigt sich vor dem Advokaten.<br />
; Gefängniskaplan<br />
: Der Gefängniskaplan erzählt K. die [[Parabel (Sprache)|Parabel]] ''[[Vor dem Gesetz]]''. Er versucht, K. klar zu machen, dass es zwar verschiedene Auslegungen der Parabel gibt, jedoch ist es weder seine Meinung, noch gibt sich K. mit den wenig eindeutigen Lösungsvorschlägen zufrieden. Auch nach mehrmaligem Betonen, dass keine der Auslegungen wahr sein muss, sondern es sich lediglich um unterschiedliche Interpretationen handelt, versucht K. nicht, selbst eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Der Kaplan weiß, dass es um K.s Prozess nicht gut steht und dieser sehr schlecht enden wird.<br />
; Direktor-Stellvertreter<br />
: Der Direktor-Stellvertreter hat als Vorgesetzter die Aufsicht über die Tätigkeit von K. an seinem Arbeitsplatz, der Bank, und arbeitet eng mit ihm zusammen. Das Verhältnis zum stets überaus korrekt auftretenden Direktor-Stellvertreter wird für K. zum Anlass für einige Besorgnis, als ihn der Prozess stark belastet und er immer weniger Sorgfalt für seine tägliche Arbeit aufwenden kann.<br />
; Direktor<br />
: Der Direktor ist ein gütiger Mensch mit Überblick und Urteilsvermögen, der K. wohlwollend gegenübertritt und väterliche Ratschläge gibt.<br />
; Staatsanwalt Hasterer<br />
: Obwohl deutlich älter und resoluter als K., entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden. K. begleitet den Staatsanwalt regelmäßig nach dem Juristen-Stammtisch auf eine Stunde bei Schnaps und Zigarren nach Hause und wird von diesem protegiert.<br />
; Die Vollstrecker<br />
: Zwei namenlose Herren bleich, fett, mit „Cylinderhüten“ führen Josef K. zu einem Steinbruch und bringen ihn mit einem Stich ins Herz um.<br />
<br />
== Handlung ==<br />
<br />
=== Überblick ===<br />
<br />
Josef K., der [[Protagonist]] des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Verhaftung darf sich der Bankprokurist Josef K. noch frei bewegen und auch weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein ebenso wenig greifbares Gericht. Die Gerichtskanzleien befinden sich zum Beispiel auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf K. aus. <br />
<br />
Josef K. versucht verzweifelt Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer mehr mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Josef K. gerät immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer weiter dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer weiter in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich vorangeschritten war, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen. Gleiches gilt für das Urteil. K. erfährt es nicht, aber er empfindet selbst, dass seine Zeit abgelaufen ist. Josef K. fügt sich einem nicht greifbaren, mysteriösen Urteilsspruch ohne jemals zu erfahren, weshalb er angeklagt war und ob es tatsächlich dazu das Urteil eines Gerichtes gibt. Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch „wie ein Hund“ erstochen.<br />
<br />
=== Nach Kapiteln ===<br />
Entsprechend der Reclam-Ausgabe.<br />
<br />
==== Verhaftung ====<br />
<br />
Als Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstags in seinem Zimmer aufwacht, bringt ihm die Köchin seiner Zimmervermieterin nicht, wie üblich, sein Frühstück. K. wird stattdessen von zwei Männern überrascht und festgehalten. Die beiden wenig auskunftsfreudigen Zeitgenossen teilen ihm mit, dass er von nun an verhaftet sei. Die beiden Männer (Franz und Willem, „Wächter“ genannt) geben an, von einer Behörde zu kommen. Sie behaupten, sie könnten und dürften ihm nicht sagen, warum er verhaftet sei. <br />
<br />
K. nimmt zunächst einen üblen Scherz seiner Kollegen an. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Nähere Erklärung oder Verständnis erhofft er sich vom Aufseher als einem gebildeten Mann. Aber der weist K. brüsk zurück und verweist ihn auf die Rolle des Verhafteten.<br />
Der Aufseher gibt K. aber zu verstehen, dass diese Verhaftung seine gewöhnliche Lebensweise und seine Berufsausübung nicht beeinträchtige. So ist K. zunächst sehr wütend über den Aufseher, aber das Verhaftetsein erscheint ihm als nicht weiter ''"schlimm"''. Schauplatz dieser Unterredung mit dem Aufseher war nicht K.s Zimmer, sondern das Zimmer der abwesenden jungen Nachbarin, dem Fräulein Bürstner.<br />
<br />
Ebenfalls hier zugegen sind drei untergeordnete Mitarbeiter aus der Bank, in der K. arbeitet. Sie stöbern zunächst im Zimmer herum und begleiten K. schließlich in die Bank.<br />
<br />
==== Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner ====<br />
<br />
Josef K. geht nach der Arbeit wieder zurück in seine Pension, um sich bei seiner Vermieterin Frau Grubach und bei der Nachbarin Fräulein Bürstner für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen (die drei Mitarbeiter hatten Bilder durcheinandergebracht), die durch seine Verhaftung entstanden sind. Fräulein Bürstner kommt erst sehr spät abends nach Hause. K. lauert ihr auf und überrascht sie im Flur. <br />
<br />
In ihrem Zimmer unterrichtet er sie dann über die Vorfälle. Zur Demonstration spielt K. das Geschehen des Vormittags nach und ruft dabei laut und theatralisch seinen Namen. Dadurch erwacht ein im Nebenzimmer schlafender Verwandter der Frau Grubach, ein Hauptmann, und klopft an eine Tür. Josef K. und das Fräulein erschrecken entsprechend.<br />
<br />
Das Fräulein bittet mehrfach um Beendigung des Gespräches, da sie sehr müde von einem langen Arbeitstag ist. K. verabschiedet sich von ihr. Doch plötzlich küsst er Fräulein Bürstner unerwartet, zudringlich und gierig auf den Hals, über Gesicht und Mund.<br />
<br />
==== Erste Untersuchung ====<br />
<br />
Für den Sonntag nach seiner Verhaftung wird Josef K. telefonisch zu einer Untersuchung vorgeladen aber ohne Nennung des Zeitpunktes. Man teilt ihm dabei auch noch näheres über die künftig zu erwartenden Untersuchungen mit. Wer sich genau an ihn wendet, fragt K. nicht nach. <br />
<br />
So begibt er sich am Sonntagmorgen zu der Adresse, wo die Untersuchung stattfinden soll, einem alten Mietshaus in einem heruntergekommenen Viertel. Dort angekommen, muß K. den Gerichtssaal langwierig suchen. Er erweist sich als kleines Zimmer in der Wohnung eines Gerichtsdieners. Viele ähnlich gekleidete Personen haben sich bereits versammelt, Josef K. kommt zu spät. Der Untersuchungsrichter begrüßt K. fälschlicherweise als "Zimmermaler". Seine einzige Gerichtsunterlage ist ein kleines zerfleddertes Heftchen, das ihm K. später kurz entringt. K. versucht nun die anwesenden Beamten des Gerichts mit einer Rede über die Absurdität des Gerichtes, die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung und über die Bestechlichkeit der Wächter für sich zu gewinnen. Allerdings verliert er sich dabei auch in langatmigen Schilderungen. So gleitet die Aufmerksamkeit des Publikums ab und wendet sich einem in einer Ecke lüstern kreischenden Pärchen zu.<br />
<br />
Die Zuschauermenge ist scheinbar in zwei unterschiedliche Parteien (die linken und die rechten) geteilt. K. entdeckt während seiner Rede zunächst, dass der Richter dem Publikum ein Zeichen gibt. Dann registriert er, dass beide Parteien, ebenso wie der Untersuchungsrichter, alle ausnahmslos das gleiche Abzeichen am Rockkragen tragen. Er ist erregt, sieht sich umstellt, wird selbst rabiat und sieht das Gericht als korrupte Bande.<br />
Der Untersuchungsrichter, weist ihn abschließend darauf hin, dass er sich eines Vorteils beraubt hätte, den ein Verhör für den Verhafteten bedeutet. K. bezeichnet alle als Lumpen und gibt zu verstehen, dass er auf weitere Verhöre verzichtet.<br />
<br />
==== Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien ====<br />
<br />
Josef K. geht unaufgefordert am darauf folgenden Sonntag erneut in das Gebäude, da er annimmt, dass die Verhandlung fortgesetzt werden würde. In der Wohnung, zu der der Gerichtssaal gehört, trifft er die Frau des dort wohnenden Gerichtsdieners. Diese flirtet mit K. und bietet ihm an, sich für ihn einzusetzen. Seine Rede habe ihr gefallen; sie hoffe, dass er Verbesserungen im Gerichtssystem einbringen könnte. Nach anfänglichem Sträuben zeigt sie ihm auch die Bücher des Untersuchungsrichters; es erweist sich, dass diese voller pornografischer Zeichnungen sind.<br />
Die Frau hat offensichtlich ein Verhältnis mit dem Untersuchungsrichter, dessen Arbeitseifer sie lobt, weil er nach den Verhandlungen bis weit in die Nacht noch lange Berichte anfertigt. Außerdem ist da der Jurastudent Berthold, der sie heftig begehrt. Schließlich erscheint dieser Student. Er erfasst die Frau und trägt sie gegen K.s Widerstand fort zum Untersuchungsrichter. Die Frau, die zunächst K. geneigt war und sogar mit ihm fliehen wollte, lässt es willig geschehen.<br />
<br />
Kurz darauf taucht der Mann der besagten Frau, der Gerichtsdiener, auf, beklagt sich bitter über die Untreue seiner Frau und lädt Josef K. auf eine Führung durch die Kanzleien ein. Diese sind anscheinend immer auf den Dachböden verschiedener Mietshäuser gelegen. Josef K. ist erstaunt über die ärmlichen Verhältnisse in den Kanzleien. Auf langen Holzbänken sitzen einige sichtlich gedemütigte Angeklagte, die darauf warten, von den Beamten in den Abteilungen empfangen zu werden. Ein sehr verunsicherter Angeklagter, den K. anspricht, wartet darauf, dass seinen Beweisanträgen stattgegeben wird. Josef K. hält so etwas in seinem Fall für unnötig.<br />
<br />
Plötzlich wird K. schlecht, und er verliert all seine Kraft, was mit der schlechten Luft in der Kanzlei begründet wird. Er bricht zusammen und wird anschließend von einem Mädchen und einem elegant gekleideten Mann (der Auskunftgeber) aus der Kanzlei gebracht. Nach dem Verlassen der Kanzlei ist K.s körperliches Wohlbefinden urplötzlich wiederhergestellt.<br />
<br />
==== Der Prügler ====<br />
<br />
Josef K. wird in einer Rumpelkammer seiner Bank Zeuge davon, wie die beiden Wächter, die ihn verhaftet hatten und denen er in seiner Rede in dem Gerichtssaal unter anderem Korruption vorgeworfen hat, ausgepeitscht werden. Da er sich für die Leiden der beiden schuldig fühlt, versucht K. den Prügler, einen halb nackten und in Leder gekleideten Mann, zu bestechen. Der schlägt das Angebot jedoch aus. Die beiden Wächter jammern kläglich; als einer von beiden unter den Schlägen aufschreit, entzieht sich K. der Situation. Vor sich selbst rechtfertigt er seine Flucht, indem er Befürchtungen äußert, die Bankbeamten könnten durch den Schrei des Wächters Franz aufmerksam geworden sein und ihn in der Rumpelkammer überraschen.<br />
<br />
Als Josef K. am nächsten Tag abermals die Tür zur Rumpelkammer öffnet, in der die Bestrafung vollzogen wurde, findet er genau die gleiche Szene vor, als wäre in der Kammer die Zeit stehen geblieben. Er entzieht sich abermals der Verantwortung und gibt zwei Bankdienern Anweisung, die Kammer zu entrümpeln.<br />
<br />
==== Der Onkel / Leni ====<br />
<br />
Josef K.s Onkel und ehemaliger Vormund Karl/Albert vom Lande besucht K. in der Bank. Er hatte von seiner halbwüchsigen Tochter Erna, einer Pensionatsschülerin, brieflich erfahren, dass K. angeklagt wurde. Der Onkel ist sehr aufgeregt wegen des Prozesses und geht mit K. zu dem Anwalt (und seinen Freund) Huld, der gute Beziehungen zu einigen Richtern hat. <br />
<br />
Bei dem ersten Besuch bei Huld liegt dieser krank zu Bett, ist aber bereit, K.s Sache, von der er im Übrigen bereits durch seine einschlägigen beruflichen Kontakte gehört hatte, zu vertreten. Ebenfalls bei Huld anwesend ist der Kanzleidirektor (offensichtlich der Direktor der ominösen Gerichtskanzleien) sowie das Hausmädchen des Herrn Huld, die junge Leni. K. ist gedanklich abwesend. Die Überlegungen der drei älteren Herren zu seiner Sache scheinen ihn kaum zu berühren. <br />
<br />
Leni lockt K. aus dem Besprechungszimmer und nähert sich ihm unvermittelt und erotisch fordernd.<br />
Am Ende des Besuchs, wieder in Gesellschaft seines Onkels, macht der K. arge Vorwürfe, dass er eine so wichtige Besprechung wegen "'' eines kleinen, schmutzigen Dinges''" versäumt hätte.<br />
<br />
==== Advokat / Fabrikant / Maler ====<br />
<br />
Josef K., den der „Gedanke an den Prozess nicht mehr verließ“, fasst den Entschluss, selbst eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten, da er zunehmend unzufrieden ist mit der Arbeit und den quälend langwierigen Schilderungen des Advokaten Huld in seiner Sache. Diese Schilderungen beherrschen auch die Vorbereitungen der beiden auf die nächste Anhörung. <br />
<br />
Danach in seinem Büro in der Bank empfängt Josef K. einen Fabrikanten, der von seinem Prozess weiß und K. an den Gerichtsmaler Titorelli verweist, der ihn vielleicht befreien könnte. Dieser verfüge über Informationen und Einfluss auf Richter und Beamte.<br />
<br />
Daraufhin begibt sich K. zum besagten Maler Titorelli, den er in einem kleinen Zimmer (seinem vom Gericht umsonst zur Verfügung gestellten Atelier) auf einem Dachboden eines Hauses in einem weiteren heruntergekommenen Stadtviertel vorfindet. Dieser erklärt ihm, dass es drei Möglichkeiten gäbe, dem Gericht zu entkommen. K. habe aber keine reale Chance auf einen "echten/wirklichen Freispruch", selbst falls er tatsächlich unschuldig sei. So etwas sei noch nie vorgekommen (nur in Legenden). Dann gäbe es aber noch die "scheinbare Freisprechung" und die "Verschleppung". Für die scheinbare Freisprechung muss man eine Mehrheit der Richter von der Unschuld des Angeklagten überzeugen und deren bestätigende Unterschriften dem Gericht einreichen. So kann ein Angeklagter zeitweilig freigesprochen werden. Nach einer unbestimmten Zeit aber kann es sein, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird und man erneut einen scheinbaren Freispruch erreichen muss, denn die untersten Richter können nicht endgültig freisprechen sondern nur das "oberste Gericht", welches aber vollständig unerreichbar sei. Bei der "Verschleppung" soll der Prozess dauernd im niedrigsten Stadium erhalten werden. Dazu müssten dauernd Richter beeinflusst werden und der Prozess genau beobachtet werden. Der Maler verspricht mit einigen Richtern zu reden, um diese so für Josef K. zu gewinnen, K. kann sich aber nicht für eine Befreiungsart entscheiden, er müsse noch überlegen. Als Gegenleistung kauft Josef K. einige Bilder des Malers und verschwindet durch eine Hintertür, die in eine weitere Kanzlei in einem Dachboden führt, aus dem Haus.<br />
<br />
==== Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten ====<br />
<br />
K. begibt sich erneut und nach monatelanger Vernachlässigung desselben zu seinem Anwalt Huld, um ihn zu kündigen, da er keinen spürbaren Fortschritt in seinem Prozess sieht. Er äußert, dass er niemals so große Sorge wegen des Prozesses gehabt hätte, wie seit der Zeit, als Huld ihn vertreten hätte (allerdings fürchtet er auch, noch mehr durch den Prozess eingenommen zu werden, wenn er alles selbst tun muss). Beim Anwalt trifft er auf einen anderen Klienten, Kaufmann Block, gegen den ebenfalls ein Prozess geführt wird, der aber schon länger als 5½ Jahre andauert. Er hatte heimlich noch 5 weitere Anwälte (Winkeladvokaten) angeheuert.<br />
<br />
Der Advokat Huld versucht K. zum Umdenken zu bewegen. Er erniedrigt den anderen Klienten Block in widerlicher Weise, um zu beweisen, wie abhängig seine Klienten von ihm - bzw. von seinen Kontakten und der Möglichkeit der Beeinflussung von Richtern und Beamten - seien. Das Kapitel schliesst unvollendet mitten im Gespräch des Advokaten und seiner Angestellten Leni mit Block.<br />
<br />
==== Im Dom ====<br />
<br />
Von seinem Vorgesetzten bekommt Josef K. den Auftrag, einem italienischen Kunden der Bank die Stadt zu zeigen. Kurz bevor er sich auf den Weg macht, erhält er einen Anruf von Leni. Sie sagt:"''Sie hetzen dich"''. Er empfindet es auch so. Josef K. verläßt dann die Bank; er soll sich mit dem Kunden vor dem Dom der Stadt treffen, aber dieser kommt nicht. K. betritt allein den Dom. Es gibt Irritationen, ob K. rechtzeitig gekommen war oder nicht<br />
und welche Uhrzeit, 10 oder 11 Uhr tatsächlich gilt <ref> K. ist, ohne dass es weiter beschrieben würde, nach dem Läuten der Kirchturmuhr zu schließen, eine Stunde zu spät, aber der Erzähler behauptet, er sei pünktlich (Reclam, S. 188, Z. 13–15). Später ist, nach K.s Uhr, noch immer dieselbe Uhrzeit (11:00 Uhr) und die Rede davon, dass er längst nicht mehr verpflichtet sei zu warten (S. 192). Nach der Ausgabe von Schöningh, ''Einfach Deutsch „Der Prozess“'' ist K. allerdings pünktlich. „…,etwa um zehn Uhr, sich im Dom einzufinden“ (S. 198, Z. 10). „K. war pünktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier.“ (S. 200, Z. 14f) </ref>.<br />
In der Original-Handschrift schreibt Kafka: „gerade bei seinem Eintritt hatte es 11 geschlagen.“<ref>http://www.kafka.org/picture/roland/9.jpg Original Handschrift Kafkas der Dom-Szene, beim Zuspätkommen</ref><br />
<br />
Er begegnet einem Priester, der sich als Gefängnis[[kaplan]] vorstellt und der um K.s Prozess weiß. Der Priester erzählt K. die Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' (die als einziger Teil des Romans von Kafka selbst veröffentlicht wurde) <ref> Es gibt ein weiteres Prosastück aus dem Umfeld des Prozess-Romans, nämlich ''[[Ein Traum]]'', das im ''Landarztband'' veröffentlicht wurde, in dem ein Josef K. auftaucht. dieses Prosastück wurde allerdings nicht in den Roman aufgenommen(Alt.S.625) </ref>. und diskutiert schließlich mit K. über deren Auslegungen, um ihm seine eigene Situation vor Augen zu führen. K. jedoch erkennt keine Parallelen zu seiner Situation, vor allem sieht er in den Auslegungen keinerlei Hilfe und Sinn. Nähere Ausführungen hierzu siehe ''[[Vor dem Gesetz]]''.<br />
<br />
==== Ende ====<br />
<br />
Josef K. wird am Vorabend seines 31. Geburtstages aus seiner Wohnung von zwei Beamten abgeführt, die ihn in ihrer Kleidung und Gestik an alte Schauspieler erinnern. K. überlegt kurz, Widerstand zu leisten, lässt sich dann aber nicht nur mitnehmen, sondern geht sogar anscheinend freiwillig voraus. Auch überlegt er, selbst sein Leben zu beenden. Er wird zu einem Steinbruch gebracht und mit einem Fleischermesser erstochen. Die beiden Beamten sehen zu, wie K. „wie ein Hund“ stirbt.<br />
<br />
=== Fragmentarische Kapitel===<br />
<br />
'''-B´s Freundin''' <br />
K. schreibt zwei Briefe an Fräulein Bürstner. Eine Freundin der Bürstner, die auch in der Pension wohnt, siedelt über zu ihr, so dass die Frauen dann gemeinsam das Zimmer bewohnen werden. Die Freundin gibt K. zu verstehen, dass das Fräulein keinen Kontakt zu K. wünscht.<br />
<br />
'''-Staatsanwalt''' <br />
K. ist regelmäßig Teilnehmer an einem Stammtisch mit verschiedenen Juristen. Staatsanwalt Hasterer ist sein Freund, der ihn auch öfter zu sich einlädt. Auch der Direktor von K.s Bank registriert diese Freundschaft.<br />
<br />
'''-Zu Elsa'''<br />
K. beabsichtigt zu Elsa zu gehen. Er erhält aber gleichzeitig eine Vorladung vom Gericht. Man warnt ihn vor den Folgen, falls er der Vorladung nicht Folge leistet. K. schlägt die Warnung in den Wind und geht zu Elsa.<br />
<br />
'''-Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter'''<br />
K. ist in der Bank. Zum Direktor-Stellvertreter hat er ein gespanntes Verhältnis. Dieser kommt in K.s Büro. K. versucht, ihm einen Bericht vorzutragen. Der Vorgesetzte hört kaum zu sondern hantiert ständig an einer zum Raum gehörigen Balustrade, die er schließlich leicht beschädigt.<br />
<br />
'''-Das Haus'''<br />
Zunächst geht es um das Haus, in dem das Amt seinen Sitz hat, von dem die Anzeige gegen K. ausgeht. Dann tauchen K.s ziellose Tagträume und seine Müdigkeit auf.<br />
<br />
'''-Fahrt zur Mutter'''<br />
Nach längerem Überlegen macht sich K. von seiner Bank aus auf den Weg zu seiner halb blinden alten Mutter, die er schon drei Jahre nicht gesehen hat. Sein Mitarbeiter Kullych verfolgt K. noch beim Weggehen mit einen Brief, den K. zerreißt.<br />
== Form und Sprache ==<br />
Der Erzähler bewahrt in typisch Kafkascher Manier auch in brutalen Situationen seine sachlich ruhige und distanzierte Sprache.<br />
<br />
Der Roman wird in der dritten Person erzählt; dennoch erfahren wir nur wenig, was über den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten hinausreicht ([[personales Erzählen]]). Dies gilt aber z.B. nicht für den Eingangssatz, der Tatsache und Bewertung der stattgefundenen Verhaftung benennt, also von höherer Warte spricht. K. selbst erlebt erst danach die Abfolge seiner Verhaftung.<br />
<br />
Über Joseph K.s Gedanken und Gefühle bekommen wir Einblick ([[Innensicht]]); zugleich erkennen wir aber schnell, dass K.s Deutung und Bewertung von Situationen und Personen sich häufig als falsch erweisen, also unzuverlässig sind. Daher können wir uns des Wahrheitsgehalts des Erzählten nie ganz sicher sein - was natürlich vor allem die rätselhafte Welt des Gerichts betrifft. <br />
<br />
Auffällig ist die Verdoppelung von Ereignissen. Zwei verschiedene Frauen aus dem Umfeld des Gerichts greifen erotisch fordernd auf ihn zu. Zweimal wird es K. übel von der Luft in den Gerichtsräumen. Zweimal wird das Wort "Gurgel" erwähnt mit seiner starken körperlichen Assoziation, zunächst bei K.s Überfall auf Fräulein Bürstner, dann bei K.s Hinrichtung. Zweimal gibt es Irritationen mit der Uhrzeit, bei der ersten Untersuchung und beim Besuch im Dom. Zwei Wächter melden die Verhaftung zu Beginn und zwei Henker vollziehen ein tödliches Urteil am Ende.<br />
<br />
Aussagen über den Aufbau des Romans sind einem eigenen Abschnitt -Philologische Forschung- vorenthalten, da dieser Punkt umstritten ist und intensivst diskutiert wird.<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
<br />
Eine eindeutige Interpretation des ''Process'' ist schwierig. Eine Möglichkeit ist es, sich folgender unterschiedlicher Interpretationsansätze zu bedienen, die sich in fünf Hauptrichtungen kategorisieren lassen <ref> Beispiele hierzu siehe z.B. bei Krieschel S.108-110 </ref>:<br />
<br />
* [[Biographie|biographisch]]: siehe [[Der Process#Entstehungsgeschichte|Entstehungsgeschichte]] <br />
* [[Geschichtlich#Erster Weltkrieg|historisch-kritisch]]: vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozialen Spannungen in [[Österreich-Ungarn]] und dem Beginn des [[Erster Weltkrieg#.C3.96sterreich-Ungarn|Ersten Weltkrieges]]<br />
* [[Religion|religiös]]: vor allem in Bezug auf Kafkas [[jüdisch]]e Herkunft<br />
* [[psychoanalytisch]]: der ''Process'' wird als Darstellung und Bewusstwerdung eines inneren Prozesses gesehen<br />
* [[politisch]] und [[soziologisch]]: als Kritik an einer verselbstständigten und unmenschlichen [[Bürokratie]] und am Fehlen bürgerlicher [[Freiheitsrechte]]<br />
<br />
Bei der Einordnung in die v.g. Interpretationsansätze ist jedoch folgendes zu beachten:<br />
Ähnlich wie beim Roman ''[[Das Schloss]]'' sind dabei "vielfältige Studien entstanden, die wertvolle Einsichten bieten. Sie leiden aber daran, dass die Autoren bestrebt sind, ihre Einsichten in einen interpretatorischen Rahmen zu zwingen, der letztendlich außerhalb des Romantextes liegt" <ref> M.Müller /von Jagow S.528 </ref>.<br />
Zunehmend forderten spätere Interpreten wie [[Martin Walser]] die Rückbesinnung auf die [[textimmanente]] Sicht <ref> Krieschel S. 111 </ref>. Die aktuellen Arbeiten von [[Peter-André Alt]] oder Oliver Jahrhaus/Bettina von Jagow gehen in entsprechende Richtung.<br />
<br />
=== Im Zusammenhang des Kafka'schen Schaffens ===<br />
Der Roman verarbeitet den Mythos von Schuld und Gericht, dessen traditionelle Wurzeln in der [[chassidisch]]en Überlieferung liegen. Das [[Ostjudentum]] kennt zahlreiche Geschichten von Klägern und Beklagten, von himmlischem Gericht und Strafe, undurchsichtigen Behörden und unverständlichen Anklagen. Dies sind Motive, wie sie in polnischen Sagen auftauchen und bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen <ref> Peter-André Alt S. 389 </ref> .<br />
<br />
Zunächst sind viele Parallelen zu Kafkas anderen großen Roman ''[[Das Schloss]]'' zu erkennen. Die beiden Protagonisten irren durch ein Labyrinth, das dazu da ist, sie scheitern zu lassen oder auch überhaupt keinen Bezug zu ihnen zu haben scheint <ref> Louis Begley S. 297 </ref>. Kranke bettlägerige Männer erklären langatmig das System. Erotisch befrachtete Frauengestalten wenden sich fordernd dem Protagonisten zu. <br />
<br />
In engem Zusammenhang mit dem ''Process ''ist die Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]'' zu sehen, die zeitlich parallel zum Roman im Oktober 1914 innerhalb weniger Tage entstand. Auch hier kennt der [[Delinquent]] nicht das Gebot, das er übertreten hat. Eine einzige Person - ein Offizier mit einer schauerlichen Maschine - scheint Ankläger, Richter und Vollstrecker in einem zu sein. Genau das ist aber auch die beängstigende Ahnung des Josef K., dass ein einziger Henker genüge, das gesamte Gericht willkürlich zu ersetzen<br />
<ref> Cerstin Urban S. 43.</ref>.<br />
<br />
Drei Jahre später schreibt Kafka die Parabel ''[[Der Schlag ans Hoftor]]''. Sie mutet an wie eine Kurzfassung des ''Process-Romans''. Aus nichtigem oder gar keinem Anlass wird eine Klage erhoben, die in eine unheilvolle Verstrickung und unentrinnbar in eine Strafe mündet. Das Verhängnis überfällt den Erzähler beiläufig mitten im Alltag. Ralf Sudau formuliert es so: "Ein Vorgefühl von Strafe oder vielleicht ein unbewußtes Strafverlangen... und ein tragischer oder absurder Untergang werden dabei signalisiert" <ref> Ralf Sudau S.103 </ref>.<br />
<br />
=== Einzelne Aspekte ===<br />
====Kurze Textanalyse ====<br />
Das Gericht steht Josef K. als eine unbekannte, [[anonym]]e Macht gegenüber. Kennzeichnend für dieses Gericht, das sich von ''„dem Gericht im Justizpalast“'' unterscheidet, sind weit verzweigte, undurchdringbare Hierarchien. Es scheint unendlich viele Instanzen zu geben, von denen K. nur Kontakt mit den allerniedrigsten hat. Darum ist das Gericht für K. unfassbar, und er kann dessen Wesen trotz all seiner Bemühungen nicht ergründen. Die Aussage des Geistlichen im Dom<br />
''„das Gericht will nichts von Dir. Es nimmt Dich auf, wenn du kommst, und es entläßt Dich, wenn Du gehst.“'' hilft hier nicht. Könnte K. sich somit einfach dem Gericht entziehen? Seine Realität sieht anders aus. Das Gericht bleibt K. rätselhaft und nicht eindeutig erklärbar. <br />
<br />
Josef K. wird mit einer abweisenden, vertröstenden Welt konfrontiert. Wie in Kafkas Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' der Mann vom Lande die Hilfe von Flöhen erbittet, sucht Josef K. die Hilfe von Frauen, einem Maler und Rechtsanwälten, die ihren Einfluss nur vortäuschen und ihn vertrösten. Die von K. um Hilfe gebetenen Menschen handeln wie der Türhüter in der schon erwähnten Parabel, denn der Türhüter akzeptiert die Geschenke des Mannes vom Lande, aber nur, um ihn zu vertrösten und ihn in der Illusion zu lassen, dass seine Taten ihm förderlich seien.<br />
<br />
==== Deutungsvielfalt ====<br />
Die Vielzahl der Deutungen kann ähnlich wie im Fall von ''[[Das Schloss]]'' aufgrund der Fülle nicht abschließend sondern nur punktuell berücksichtigt werden.<br />
Der Roman kann zunächst autobiografisch gesehen werden. Siehe Eingangsabschnitt Entstehungsgeschichte. Man bedenke die Ähnlichkeit der Initialen von Fräulein Bürstner und [[Felice Bauer]]. Die intensive Beschreibung des Gerichtswesens weist offensichtlich auf Kafkas Arbeitswelt als Versicherungsjurist hin. Diese Interpretation sieht [[Elias Canetti]] <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Canetti: "Der andere Prozess" S.458</ref>. <br />
<br />
Die gegenteilige Auffassung, nämlich, dass ''Der Prozess'' kein privates Schicksal darstellt, sondern weitreichende politisch-visionäre Aspekte beinhaltet, nämlich die vorweggenommene Sicht auf den Nazi-Terror, legt [[Theodor W. Adorno]] dar <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Adorno: "Aufzeichnungen zu Kafka" S.459 </ref>.<br />
<br />
==== Einige Teilaspekte von Interpretationen ==== <br />
Im Laufe des Romans zeigt sich, dass K. und das Gericht sich nicht als zwei Wesenheiten gegenüberstehen, sondern dass die inneren Verflechtungen zwischen K. und der Gerichtswelt zunehmend stärker werden. Zum Ende des Prozesses "begreift Josef K. dass alles, was geschieht seinem Ich entspringt" (Peter-Andre Alt) <ref> Alt . S. 417</ref>, das alles das Ergebnis von Schuldgefühlen und Straffantasien ist.<br />
<br />
Wichtig ist auch die traumhafte Komponente der Geschehnisse. Wie im Traum vermischen sich Inneres und Äußeres <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel S.462</ref>. Da ist der Übergang von der fantastisch-realistischen zur [[allegorisch]]-psychologischen Ebene. Auch K.s Arbeitswelt wird zunehmend von der phantastischen, traumhaften Welt untergraben (Ein Arbeitsauftrag führt zum Treffen mit dem Geistlichen).<br />
<br />
'''Die sexuellen Bezüge der Handlung'''<br />
<br />
Die Schuldgefühle des Protagonisten dürften zum Großteil ihren Grund in der Sicht auf die Sexualität haben, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte und wie sie sich in den Arbeiten von [[Sigmund Freud]] wiederspiegeln. "Die Sexualität verbindet sich auf bemerkenswerte Weise mit K.s Prozess" (Alt) <ref> Alt S. 401f. </ref>. Die Frauen sind [[sirene]]nhaft, die Vertreter des Gerichts voller lüsterner Gier. Aber genauso ist auch K. voller unbeherrschter Gier Fräulein Bürstner gegenüber und er erliegt ohne Gegenwehr den angebotenen Verlockungen.<br />
<br />
Des weitereren können auch homoerotischen Elemente im Text erkannt werden <ref> Krischel S. 113 </ref>. Da ist die fast liebvolle, ironische Sicht K.s auf seinen Direktor. Mehrfach wird die elegante oder enganliegende Kleidung speziell von Männern erwähnt. Es tritt ein halbnackter Prügler auf, der an eine [[Sadomaso]]-Gestalt erinnert und er prügelt die nackten Wächter.<br />
<br />
'''Der Process als humoristische Geschichte'''<br />
<br />
Die Freunde Kafkas erzählten, dass er beim Vorlesen aus seinem Werk vielfach laut herauslachen musste.<ref>Max Brods Biographie ''Franz Kafka. Eine Biographie'' (Neuausgabe 1974 mit dem Titel: ''Über Franz Kafka'')</ref> Deshalb liegt es nahe, im ''Process'' – mag sein Kern so ernst und düster sein wie nur möglich – auch eine [[Humor|humoristische]] Seite zu suchen. <br />
<br />
"Denn furchtbar ist das Ganze, aber komisch sind die Details" bewertet Rainer Stach dieses Phänomen <ref> Rainer Stach/Entscheidungen S. 554</ref>. Die Richter studieren Pornohefte statt Gesetzesbücher, sie lassen sich Frauen herbeitragen wie eine prächtige Speise auf einem Tablett. Die Henker sehen aus wie alternde Tenöre. Ein Gerichtsraum hat ein Loch im Boden, so dass ab und zu das Bein eines Verteidigers in den darunter liegenden Raum ragt<br />
<br />
== Philologische Forschung/Diskussion ==<br />
=== Anordnung der Romankapitel ===<br />
<br />
Die Anordnung der Romankapitel wird seit der Erstveröffentlichung diskutiert und immer wieder in Frage gestellt. Kafka, der zwischen August 1914 und Januar 1915 am ''Process'' arbeitete, hat sein Werk zu Lebzeiten nicht abgeschlossen und somit auch nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. In einer an seinen Freund [[Max Brod]] gerichteten Verfügung fordert er diesen sogar auf, nach seinem Tod seine Schriften zu vernichten (→ [[Franz Kafka#Rezeption|Kafkas Verfügung]]).<br />
<br />
Der einzige Textbeleg ist die von Kafka niedergelegte Handschrift, in der sich zahlreiche Korrekturen Kafkas finden. Nach Abbruch der Arbeiten an dem Werk, aus dem er nur die Erzählung ''Vor dem Gesetz'' veröffentlichte, löste er vermutlich die Hefte auf, in die er den Text geschrieben hatte. Dadurch wurde der Gesamttext in 16 Abschnitte zerteilt, teilweise zerstückelt in Einzelkapitel, teilweise in Kapitelfolgen oder auch nur Fragmente von Kapiteln.<br />
Zwischen diese Abschnitte legte er jeweils einzelne Blätter, auf denen er den Inhalt der dahinter liegenden Blattfolge vermerkte. Diese sechzehn derart abgetrennten Bündel werden meist als „[[Schriftstück|Konvolute]]“ bezeichnet. Die Bezeichnung „[[Gliederung|Kapitel]]“ dagegen impliziert eine vom Autor bewusst festgelegte Text- und Sinneinheit innerhalb eines Werkes, daher gibt dieser Begriff den Sachverhalt nicht richtig wieder.<br />
<br />
Aufgrund des [[Fragment (Literatur)|fragmentarischen]] Charakters des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben, die zum Teil große Unterschiede aufweisen. Die Kritische Ausgabe und die von Brod herausgegebene Edition weisen dem Fragment den Charakter eines abgeschlossenen Werkes zu, indem sie eine Reihenfolge der Manuskriptseiten festlegen.<br />
<br />
[[Max Brod]] hatte für die Erstausgabe des Werks die Konvolute in Kapitel geordnet. Als Grundlage dienten ihm die vermachten Originale, welche sich in drei Umschlägen mit einem [[Kryptographie|kryptischen]] System verschlüsselt aufbewahrt befanden, das nur von seinem Urheber entschlüsselt werden konnte und das Brod auf seine eigene Art und Weise interpretierte.<br />
<br />
Die Anordnung der Kapitel in ''Der Process'' steht somit auch immer unter der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung des Schriftstellers Kafka, und somit ist jede Anordnung für eine Textausgabe des Werks bereits Interpretation.<br />
<br />
==== Guillermo Sánchez Trujillo ====<br />
Guillermo Sánchez Trujillo stellt in ''Crimen y castigo de Franz Kafka, anatomía de El Proceso'' („Franz Kafkas Schuld und Sühne, Anatomie von Der Process“) die Hypothese auf, dass, ausgehend von einer Feststellung von Ähnlichkeiten zwischen Kafkas Process und [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskis]] ''[[Schuld und Sühne]]'', Kafka den Roman des russischen Schriftstellers [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski]] und andere seiner Erzählungen in der Art eines [[Palimpsest]]s benutzt hatte, um ''Der Process'' und andere seiner Erzählungswerke zu schreiben. Er behauptet, die Anordnung der Kapitel lasse sich aufgrund der Ähnlichkeiten auch an Dostojewskis Roman objektiv feststellen. Die [[Autonome Lateinamerikanische Universität]] (UNAULA) in Medellín (Kolumbien) veröffentlichte im Jahre 2005 eine kritische Ausgabe des Romans mit dieser neuen Anordnung. So kommt Trujillo zu folgender Anordnung.<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# B.s Freundin<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Zu Elsa<br />
# Staatsanwalt<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advocat/Fabrikant/Maler<br />
# Im Dom<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advocaten<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Ein Traum<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
# Ende<br />
<br />
==== Gliederung nach Reclam (2006) ====<br />
=====Inhalt=====<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advokat / Fabrikant / Maler<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Fragmente=====<br />
<br />
# B.’s Freundin<br />
# Staatsanwalt<br />
# Zu Elsa<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
<br />
==== Gliederung nach Suhrkamp (2000) ====<br />
=====Der Prozeß=====<br />
<br />
# Verhaftung · Gespräch mit Frau Grubach · Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal · Der Student · Die Kanzleien<br />
# Die Freundin des Fräulein Bürstner <br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel · Leni<br />
# Advokat · Fabrikant · Maler<br />
# Kaufmann Block · Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Anhang=====<br />
<br />
======Die unvollendeten Kapitel======<br />
* Zu Elsa<br />
* Fahrt zur Mutter (Ende gestrichen)<br />
* Staatsanwalt (Als direkter Anhang an Kap. 7)<br />
* Das Haus (Ende gestrichen)<br />
* Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter (Großteil gestrichen)<br />
* Ein Fragment ("Als sie aus dem Theater traten...")<br />
<br />
== Editionen ==<br />
=== Ausgabe von Brod ===<br />
<br />
Die erste Ausgabe trägt den Titel ''Der Prozess'' (so auf dem Titelblatt) und erschien 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Werk wurde von Kafkas Freund [[Max Brod|Max Brod]] herausgegeben. Brod sah die Konvolute als abgeschlossene Texteinheiten an und stufte sie daher als Kapitel ein. Außerdem legte er eine Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief Brod sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen. <br />
<br />
In den Jahren 1935 und 1946 gab Brod erweiterte Ausgaben heraus. Zusätzlich enthalten sie im Anhang <br />
Teile des Werks, die Brod unvollendet erschienen, als so genannte ''unvollendete Kapitel''. Außerdem enthält der Anhang von Kafka gestrichene Stellen.<br />
<br />
Die Ausgaben nach 1945 wurden mit der veränderten Schreibung ''Der Prozeß'' herausgegeben.<br />
<br />
=== Kritische Kafka-Ausgabe ===<br />
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel ''Der Proceß'',<!--sic--> die im Rahmen der [[Kritische Ausgabe|Kritischen]] Kafka-Ausgabe (''KKA'') der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien beim Fischer Verlag.<br />
<br />
=== Historisch-kritische Ausgabe ===<br />
Als Beginn der [[Historisch-kritische Ausgabe|Historisch-kritischen]] Franz-Kafka-Ausgabe (''FKA'') durch [[Roland Reuß]] in Zusammenarbeit mit [[Peter Staengle]] ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel ''Der Process'' erschienen. Die 1997 vorgelegte Ausgabe beruht auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Handschrift ''nicht'' um ein abgeschlossenes Werk handelt. Das Ziel, die originale Gestalt des Textes und Form der Handschrift zu wahren, schlägt sich nieder in der Weise, wie die Edition den Text darbietet. Zum einen wird keine Reihenfolge der Konvolute hergestellt, und zum anderen werden die Konvolute nicht in Buchform veröffentlicht. Stattdessen wird jedes der 16 Konvolute in einem Heft wiedergegeben. Auf jeder Doppelseite der Hefte sind jeweils das [[Faksimile]] einer Manuskriptseite sowie dessen [[Umschrift]] gegenübergestellt. Anhand des Faksimiles kann jeder Leser selbst die zum Teil nicht eindeutigen Streichungen Kafkas beurteilen, da es hier keine Eingriffe durch den Herausgeber gibt, wie sie bei der Kritischen Edition und der von Brod besorgten Ausgabe vorgenommen wurden.<br />
<br />
=== Ausgabe von Christian Eschweiler ===<br />
Eschweiler veränderte die Kapitelfolge und betrachtet das Traum-Kapitel Josef K.s, als Höhepunkt des Entwicklungsgeschehens.<br />
Eschweiler ist der Ansicht das Domkapitel gliedere den Roman in zwei Teile, von denen der erste durch Fremdbestimmung, der zweite durch fortschreitende Selbstbestimmung gekennzeichnet ist.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
* „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“<br />
* „Josef K.: Ich sage nicht, dass es ein liederliches Verfahren ist, aber ich möchte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.“<br />
* „Der Prügler: Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich.“<br />
* „So bewirkte also die Methode des Advokaten, welcher K. glücklicherweise nicht lange ausgesetzt war, dass der Klient schließlich die ganze Welt vergaß und nur auf diesem Irrweg zum Ende des Prozesses sich fortzuschleppen hoffte. Das war kein Klient mehr, das war der Hund des Advokaten."<br />
* „Der Geistliche im Dom: Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber."<br />
* „Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt die Entscheidung beobachteten, ‚Wie ein Hund‘ sagte er, es war als solle die Scham ihn überleben.“<br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* Max Brod schreibt im Nachwort der ersten Ausgabe von 1925 in Bezug auf den ''Process'', dass „kaum [ein Leser] seine Lücke fühlen“ wird, wenn er nicht weiß, dass Kafka sein Werk unvollendet ließ. Der Herausgeber schreibt weiter, die nach seiner Ansicht vollendeten Kapitel ließen „sowohl den Sinn wie die Gestalt des Werkes mit einleuchtendster ''[sic!]''<!--sic--> Klarheit hervortreten“. Außerdem spricht Brod im Nachwort zu Kafkas Werk stets von „Roman“ und nicht von Fragment. Daran wird deutlich, dass er die Auffassung vertritt, dem Werk fehle nichts Wesentliches. Diesen Eindruck vermittelt seine Ausgabe auch den Lesern. Das Bild eines nahezu abgeschlossenen Werkes, das sich der damaligen Leserschaft bot und das auch heute noch bei vielen Lesern vorherrscht, begründete und begründet zum Teil den Erfolg und die Bewunderung für den ''Process''.<br />
<br />
* Am 17. November 1988 wurde das Originalmanuskript des Werkes in London für eine Million Pfund vom [[Deutsches Literaturarchiv|Deutschen Literaturarchiv]] in Marbach ersteigert. Dies war der bis dahin höchste Preis, der jemals auf einer Auktion für ein einzelnes Manuskript bezahlt wurde. Das Geld stammte von Bund und Land Baden-Württemberg. Das Manuskript ist im [[Literaturmuseum der Moderne]] ausgestellt.<br />
<br />
* [[Peter-André Alt]] (S.391/419): K.s Geschichte ist der Traum von der Schuld - ein Angsttraum, der sich in den imaginären Räumen einer befremdlichen juristischen Ordnung als Widerschein psychischer Zustände abspielt. Stirbt K. auch ´wie ein Hund´, so bleibt doch die Scham zurück, die allein Menschen empfinden können. Sie aber ist bekanntlich - als Folge der Vertreibung aus dem Paradies - das Resultat des Wissens über die Differenz von Gut und Böse. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, bildet zugleich das Stigma seiner Schuld.<br />
* [[Reiner Stach]] (S.537): Kafkas Process ist ein Monstrum. Nichts ist hier normal, nichts ist einfach. Ob man sich mit der Entstehungsgeschichte, dem Manuskript, der Form, dem stofflichen Gehalt oder mit der Deutung des Romans beschäftigt: Der Befund bleibt stets derselbe: Finsternis wohin man blickt.<br />
<br />
== Adaptionen ==<br />
<br />
=== Theateradaptation ===<br />
* Der Schriftsteller und Regisseur [[Steven Berkhoff]] adaptierte einige von Kafkas Geschichten in Theaterstücke. Seine Version des Processes wurde 1970 in London uraufgeführt und 1981 als Buch veröffentlicht. Die erste Aufführung in Deutschland fand 1976 am [[Düsseldorfer Schauspielhaus]] statt.<ref>Berkoff, Steven. "The trial, Metamorphosis, In the penal colony. Three theatre adaptions from Franz Kafka." Oxford: Amber Lane Press, 1981.</ref><br />
* [[Andreas Kriegenburg]] inszenierte eine viel beachtete [http://www.muenchner-kammerspiele.de/stueck.php?ID=968&menu1=&menu2=&zurueck=ZUR%DCCK%20ZUM%20ENSEMBLE Theaterfassung] an den [[Münchner Kammerspiele]]n. Premiere war am 25. September 2008.<br />
<br />
=== Musikalische Adaptionen ===<br />
<br />
* [[Gottfried von Einem]]s Oper ''[[Der Prozess (Oper)|Der Prozess]]'' (1953) basiert auf Kafkas Romanfragment. <br />
* Eine freie Adaption des Stoffes ist [[Gunther Schuller]]s Jazz-Oper ''The Visitation'' (1966).<br />
* Die [[Schottland|schottische]] [[Post-Punk]]-Band [[Josef K]] benannte sich nach dem Romanhelden<br />
* Die [[Polen|polnische]] [[Punk (Musik)|Punk]]band [[Pidżama Porno]] veröffentlichte [[2004]] auf ihrem Album ''Bułgarskie Centrum'' den Song ''Józef K.'', in dem Sie sich auf den Inhalt von Kafkas Stück bezieht.<br />
* Auf dem Cover des Albums ''If You're Feeling Sinister'' der britischen Indie-Pop-Band [[Belle and Sebastian|Belle and Sebastian]] ist das Buch (mit englischem Titel) zu sehen.<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
<br />
* [[Der Prozeß (Film)|''Der Prozeß'']]<!--sic--> (1962) von [[Orson Welles]] <br />
* [[Kafka (Film)|''Kafka'']] (1991) von [[Steven Soderbergh]] (Spielfilm, der Teile von Kafkas Leben mit Elementen aus ''Der Process'', ''[[Das Schloss]]'' und anderen Texten verbindet)<br />
* ''Der Prozess''<!--sic--> (1993) von [[David Hugh Jones]]<br />
* ''Am Ende des Ganges'' (1999) von Michael Muschner (Kurzfilm)<br />
<br />
=== Comicadaption ===<br />
<br />
* [[Guido Crepax]]: Il processo di Franz Kafka, Piemme 1999<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
=== Ausgaben ===<br />
Wie im Abschnitt ''Editionen'' nachzulesen ist, ist es bedeutsam, welche Ausgabe man wählt. Daher erfolgt die Auflistung nach den verschiedenen Editionen. <br />
<br />
* Historisch-kritische Ausgabe der Handschrift:<br />Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz-Kafka-Heft 1 und CD-ROM, mit 300 Handschriften-Faksimiles: ''Der Process''. Hg. von Roland Reuß. Stroemfeld, Frankfurt/Main, Basel 1997, ISBN 3-87877-494-X<br />
* Reprint der Erstausgabe (1925):<br />Stroemfeld Verlag, gebunden. ISBN 978-3-87877-500-3<br />
* Kritische Ausgabe:<br /> ''Der Proceß''. Herausgegeben von Malcolm Pasley. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2002, gebunden ISBN 3-596-15700-5<br />
* Ausgabe von Eschweiler:<br />Franz Kafka: ''„Der Prozess“<!--sic-->''. Neu geordnet, ergänzt und erläutert von Christian Eschweiler. Landpresse, Weilerswist 2009. ISBN 978-3-941037-40-3<br />
* Weitere Ausgaben: <br />
** Aufbau, Taschenbuch ISBN 3-7466-1615-8<br />
** dtv, Taschenbuch ISBN 3-423-02644-8<br />
** Langenscheidt, broschiert ISBN 3-580-63335-X<br />
** Probst, gebunden ISBN 3-935718-94-2<br />
** Saur, gebunden ISBN 3-598-80009-6<br />
** Schöningh, broschiert ISBN 3-14-022362-5<br />
** Suhrkamp: broschiert — ISBN 3-518-39337-5, BasisBibliothek — ISBN 3-518-18818-6<br />
** Vitalis, gebunden ISBN 3-89919-052-1<br />
** Volker Krischel Königs Erläuterungen ISBN 3-8044-1796-5<br />
** Anaconda, gebunden ISBN 3-938484-77-2<br />
** Hamburger Lesehefte Verlag, 201. Heft ISBN 978-3-87291-200-8<br />
<br />
=== Sekundärliteratur ===<br />
* [[Peter-André Alt]]: ''Der ewige Sohn.'' C.H. Beck, München, 2005, ISBN 3-406-53441-4<br />
* Manfred Engel: ''Franz Kafka: Der Process (1925) – Gerichtstag über die Moderne.'' In: Matthias Luserke-Jaqui/Monika Lippke (Hg.): ''Deutschsprachige Romane der Klassischen Moderne.'' Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 211-237. ISBN 978-3-11-018960-5. <br />
* Manfred Engel: ''Der Process.'' In: Manfred Engel, Bernd Auerochs (Hrsg.): ''Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung.'' Metzler, Stuttgart, Weimar 2010, S. 192-207. ISBN 978-3-476-02167-0.<br />
* [[Janko Ferk]]: ''Recht ist ein „Prozeß“. Über Kafkas Rechtsphilosophie''. Wien, Edition Atelier, 2006 (2. Auflage), und Ljubljana, Gospodarski vestnik, 2007 (Übersetzung in das Slowenische).<br />
* Volker Krischel: ''Franz Kafka: Der Proceß.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 417). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1796-0<br />
* [[Ekkehart Mittelberg]]: ''Franz Kafka: Der Prozeß.'' Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen (Reihe LiteraMedia). Cornelsen, Berlin 2003. ISBN 978-3-464-61425-9<br />
* Manfred Mitter: ''Franz Kafka: Der Proceß, Interpretationsimpulse''. Merkur-Verlag, Rinteln, Textheft: ISBN 978-3-8120-0853-2, CD-ROM: ISBN 978-3-8120-2853-0<br />
* [[Reiner Stach]]: ''Kafka Die Jahre der Entscheidungen.'' Fischer, Frankfurt/Main 2004. ISBN 3-596-16187-8<br />
* Ralf Sudau Franz Kafka: Kurze Prosa/Erzählungen 2007, ISBN 978-3-12-922637-7<br />
* Cerstin Urban: ''Franz Kafka: Erzählungen II.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 344). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1756-4<br />
* Louis Begley: ''Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. Über Franz Kafka'' Deutsche Verlagsanstalten <br />
* Bettina von Jagow und Oliver Jahrhaus ''Kafka-Handbuch Leben-Werk-Wirkung'' hrsg. 2008 Vandenhoeck& Ruprecht ISBN 978-3-525-20852-6<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Textkritik]]<br />
* [[Recht ist ein 'Prozeß'. Über Kafkas Rechtsphilosophie]] von [[Janko Ferk]]<br />
* [[Die 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
=== Text des Romanfragments ===<br />
* {{Wikisource|Der Process}}<br />
* [http://gutenberg.spiegel.de/kafka/prozess/prozess.htm Projekt Gutenberg: „Der Prozeß“ <!--sic-->] ''Text folgt der Brod-Ausgabe''<br />
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Kafka,+Franz/Romane/Der+Proze%C3%9F}}<br />
<br />
=== Interpretationen ===<br />
* [http://home.bn-ulm.de/~ulschrey/literatur/kafka/kafka_prozess.html „Franz Kafka, ‚Der Prozess‘ – Die Selbstinszenierung der Geburt als Tod“]<br />
* [http://tuerhueter.blogspot.com/ Blog – Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis]<br />
* [http://www.christian-eschweiler.com Kafkas „Der Prozess“ in neuem Licht]<br />
* [http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0713/pdf/dkl.pdf Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceß’ und ‚Das Schloß’] von Karin Leich, Uni Marburg, 2003 (PDF-Datei; 1,58 MB)<br />
'''Editionen des Werks'''<br />
* [http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm Institut für Textkritik] Ausgabe im Rahmen der Historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe<br />
'''Bibliographie'''<br />
* [http://www.wegmaier.de/docs/NdL-Prozess.pdf Vollständige Bibliographie zu Roman und Sekundärliteratur] (PDF-Datei; 435 kB)<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
* {{IMDb Titel|tt0057427|Der Prozess (1963)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0102181|Kafka}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0108388|Der Prozess (1993)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0228008|Am Ende des Ganges}}<br />
<br />
=== Unterricht ===<br />
* [http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/projekte/epik/process/index.html Lehrerfortbildung-BW] Unterrichtsprojekte Deutsch: Der Proceß<br />
<br />
=== Hörbuch ===<br />
* [http://www.theateraufcd.de/Der_Prozess.aspx Der Prozess als Hörbuch im MP3-Format]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Franz Kafkas Werk}}<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Process, Der}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Franz Kafka]]<br />
[[Kategorie:Roman, Epik]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
<br />
[[ar:المحاكمة (رواية)]]<br />
[[az:Məhkəmə prosesi (roman)]]<br />
[[br:Ar Prosez]]<br />
[[ca:El procés]]<br />
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[[en:The Trial]]<br />
[[es:El proceso]]<br />
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[[eu:Prozesua (liburua)]]<br />
[[fa:محاکمه (رمان)]]<br />
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[[fr:Le Procès]]<br />
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[[hr:Proces (Kafka)]]<br />
[[it:Il processo (romanzo)]]<br />
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[[ko:심판 (소설)]]<br />
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[[nl:Het Proces]]<br />
[[nn:Der Process]]<br />
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[[pt:O Processo]]<br />
[[ro:Procesul]]<br />
[[ru:Процесс (роман)]]<br />
[[sk:Proces (román)]]<br />
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[[sv:Processen]]<br />
[[yo:The Trial]]<br />
[[zh:审判 (长篇小说)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Der_Process&diff=85027747Der Process2011-02-08T17:40:35Z<p>Xjs: /* Verhaftung */ Kafkaeske Zeichensetzung korrigiert.</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Weitere Bedeutungen sind unter [[Prozess (Begriffsklärung)]] aufgeführt.}}<br />
<br />
<!-- Der Titel des Romans lautet nach der Faksimile-Edition (http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm) "Der Process" und zwar genau so. Teile der handschriftlichen Manuskripte Kafkas sind im Internet einsehbar. (http://www.kafka.org/index.php?manuscripts) Hier ist deutlich zu erkennen, dass Kafka "Process" schrieb. Bitte den Titel nicht mehr ändern oder den Artikel verschieben sondern vorher einen Blick auf die Diskussionsseite werfen. --> <br />
[[Datei:Kafka Der Prozess 1925.jpg|thumb|Verlagseinband der Erstausgabe 1925]]<br />
<br />
'''Der Process''' (auch ''Der Prozeß'', ''Der Prozess'' und ''Der Proceß'') ist neben ''[[Der Verschollene]]'' (auch unter ''[[Amerika (Roman)|Amerika]]'' bekannt) und ''[[Das Schloss]]'' einer von drei unvollendeten und [[postum]] erschienenen Romanen von [[Franz Kafka]].<br />
<br />
== Entstehungsgeschichte ==<br />
<br />
Die Entstehung dieses nicht vollendeten Werkes – vom Sommer 1914 bis Januar 1915 <ref> Alt S. 388</ref> – war von besonders prägnanten Phasen im Leben Kafkas gekennzeichnet. Im Juli 1914 fand die Auflösung der Verlobung mit [[Felice Bauer]] statt. Sowohl die [[Verlöbnis|Verlobung]] als auch die Entlobung waren für Kafka mit starken [[Schuldgefühl]]en verbunden. Eine abschließende Aussprache hierzu im Berliner Hotel „Askanischer Hof“ in Anwesenheit von Freunden hatte Kafka als „[[Gerichtshof]]“ empfunden.<ref> Königs Erläuterungen Franz Kafka Der Proceß Volker Krischel S. 31</ref> Unmittelbar danach begann er mit der Arbeit zum ''Process''. Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brach aus. Ab dem Herbst 1914 wohnte Kafka erstmals unabhängig von seinen Eltern in einem eigenen Zimmer. <br />
<br />
Seine Arbeit schritt zunächst gut voran, in zwei Monaten entstanden rund 200 Manuskriptseiten, kam aber – wie bei ihm häufig – bald zum Erliegen. Er beschäftigte sich nun u. a. mit der Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]''. Der Process entstand nicht in linearer Abfolge. Es lässt sich nachweisen, dass Kafka zuerst das Eingangs- und das Schlusskapitel niederschrieb, danach schrieb er an einzelnen Kapiteln parallel weiter. Kafka schrieb den ''Process'' in Hefte, die er auch für die Niederschrift anderer Texte verwendete. Diese Blätter hat er später herausgetrennt und sie nach Kapiteln und Fragmenten neu sortiert, ohne dabei eine bestimmte Reihenfolge der Teile festzulegen.<br />
<br />
Anfang 1915 wurde der Roman dann beiseitegelegt und (nach kurzem nochmaligen Versuch im Jahr 1916) nie vollendet. Schon im November 1914 schrieb Kafka: "''Ich kann nicht mehr weiter schreiben. Ich bin an einer endgültigen Grenze, vor der ich vielleicht wieder jahrelang sitzen soll, um dann vielleicht wieder eine neue, wieder unfertig bleibende Geschichte anzufangen''"<ref> Königs Erläuterungen/ Krischel S. 34 </ref>.<br />
<br />
== Personen ==<br />
<br />
; Josef K.<br />
: Josef K. ist [[Prokurist]] einer [[Bank]]. Er lebt allein, sein Bedürfnis nach Kontakten befriedigt er mit seiner Geliebten Elsa sowie einer regelmäßigen [[Stammtisch]]runde. K.s Vater ist bereits gestorben, seine Mutter taucht nur in einem Fragment auf. Eine Gefühlsbindung zu ihr besteht nicht.<br />
; Die Personen der Verhaftung<br />
: Die Wächter, genannt Franz und Willem, teilen Josef K. seine Verhaftung mit und halten ihn zunächst im Zimmer fest. Ein namenloser Aufseher weist K. s auflehnende Überlegungen schroff zurück. Drei Herren, untergeordnete Kollegen aus der Bank, in der K. arbeitet, namens Rabensteiner, Kaminer und Kullych, sind auch anwesend. Sie sind dazu bestimmt K. nach der Verhaftung zur Arbeit zu begleiten.<br />
; Fräulein Elsa <br />
: Fräulein Elsa arbeitet als [[Kellner]]in. Tagsüber empfängt sie Männerbesuch, K. geht einmal die Woche zu ihr. Sie wird später in dem ersten Gespräch mit Leni als K.s Geliebte bezeichnet. (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Josef K. erwähnt)<br />
; Frau Grubach<br />
: Frau Grubach ist K.s und Fräulein Bürstners Vermieterin. Sie bevorzugt K. vor den anderen Mietern, da er sie gut bezahlt.<br />
; Fräulein Bürstner<br />
: Fräulein Bürstner ist erst seit kurzem Mieterin bei ''Frau Grubach'' und hat wenig Kontakt zu K.. Er lauert ihr aber in der Nacht nach seiner Verhaftung vor ihrem Zimmer auf und drückt ihr nach einem gemeinsamen Gespräch fast tierhaft einen Kuss auf. Sie interessiert sich selbst für Machenschaften des Gerichts, da sie in einigen Wochen eine Stelle als [[Sekretär]]in in einer Kanzlei antreten wird.<br />
; Die Frau des Gerichtsdieners<br />
: Sie besitzt eine besondere erotische Ausstrahlung, so dass sowohl ein Jurastudent als auch der Untersuchungsrichter sie für Liebesdienste in Anspruch nehmen. Sie bietet sich auch Josef K. an und erzählt ihm einiges aus der skurilen Welt des Gerichtes, das seltsamerweise in einem ärmlichen Mietshaus tagt.<br />
; Advokat Huld<br />
: Der [[Advokat]] Huld ist ein Bekannter von K.s Onkel. Der Verteidiger ist jedoch durch eine Krankheit körperlich geschwächt und bettlägerig. Seine Verteidigung betreibt er aus seinem Krankenbett. Seine Einlassungen sind quälend langwierig. K. entzieht ihm seine Verteidigung bald wieder.<br />
; Leni<br />
: Leni ist die Bedienstete des Advokaten und kümmert sich während seiner Krankheit sehr hingebungsvoll um diesen. Sie erscheint sehr verspielt und gesellig. Leni lockt K. während seines ersten Besuches in ein Nachbarzimmer, um sich ihm zu nähern. Sie hat ebenfalls wichtige Informationen zum System des Gerichtes.<br />
; Onkel Albert K./Karl K.<br />
: K.s Onkel lebt auf dem Lande. Als er von Josef K.s Prozess erfährt, reist er in die Stadt, um Josef K. zu helfen. Er stellt K. Advokat Huld vor. Es ist nicht ganz klar, wie der Onkel heißt, am Anfang des Kapitels ''Der Onkel/Leni'' wird er Karl genannt, doch später wird er vom Advokaten Huld Albert genannt.<br />
; Erna <br />
: Erna ist die Cousine K.s. Sie schreibt dem Onkel (ihrem Vater) einen Brief, in dem sie von K.s Prozess berichtet (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Onkel erwähnt)<br />
; Titorelli<br />
: Titorelli ist als Gerichtsmaler in bestimmte Vorgänge des Gerichts eingeweiht. Durch seinen persönlichen Kontakt zu den Richtern könnte er zwischen K. und dem Gericht vermitteln. Doch Titorelli ist fest davon überzeugt, dass niemand – und somit auch nicht er selbst – das Gericht von der Unschuld eines Angeklagten überzeugen könne.<br />
; Kaufmann Block<br />
: Der Kaufmann Block ist ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, dem ebenfalls ein Prozess gemacht wird. Block übernachtet im Hause des Advokaten Huld, um jeder Zeit für ein Gespräch mit dem Advokat bereitzustehen und demütigt sich vor dem Advokaten.<br />
; Gefängniskaplan<br />
: Der Gefängniskaplan erzählt K. die [[Parabel (Sprache)|Parabel]] ''[[Vor dem Gesetz]]''. Er versucht, K. klar zu machen, dass es zwar verschiedene Auslegungen der Parabel gibt, jedoch ist es weder seine Meinung, noch gibt sich K. mit den wenig eindeutigen Lösungsvorschlägen zufrieden. Auch nach mehrmaligem Betonen, dass keine der Auslegungen wahr sein muss, sondern es sich lediglich um unterschiedliche Interpretationen handelt, versucht K. nicht, selbst eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Der Kaplan weiß, dass es um K.s Prozess nicht gut steht und dieser sehr schlecht enden wird.<br />
; Direktor-Stellvertreter<br />
: Der Direktor-Stellvertreter hat als Vorgesetzter die Aufsicht über die Tätigkeit von K. an seinem Arbeitsplatz, der Bank, und arbeitet eng mit ihm zusammen. Das Verhältnis zum stets überaus korrekt auftretenden Direktor-Stellvertreter wird für K. zum Anlass für einige Besorgnis, als ihn der Prozess stark belastet und er immer weniger Sorgfalt für seine tägliche Arbeit aufwenden kann.<br />
; Direktor<br />
: Der Direktor ist ein gütiger Mensch mit Überblick und Urteilsvermögen, der K. wohlwollend gegenübertritt und väterliche Ratschläge gibt.<br />
; Staatsanwalt Hasterer<br />
: Obwohl deutlich älter und resoluter als K., entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden. K. begleitet den Staatsanwalt regelmäßig nach dem Juristen-Stammtisch auf eine Stunde bei Schnaps und Zigarren nach Hause und wird von diesem protegiert.<br />
; Die Vollstrecker<br />
: Zwei namenlose Herren bleich, fett, mit „Cylinderhüten“ führen Josef K. zu einem Steinbruch und bringen ihn mit einem Stich ins Herz um.<br />
<br />
== Handlung ==<br />
<br />
=== Überblick ===<br />
<br />
Josef K., der [[Protagonist]] des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Verhaftung darf sich der Bankprokurist Josef K. noch frei bewegen und auch weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein ebenso wenig greifbares Gericht. Die Gerichtskanzleien befinden sich zum Beispiel auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf K. aus. <br />
<br />
Josef K. versucht verzweifelt Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer mehr mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Josef K. gerät immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer weiter dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer weiter in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich vorangeschritten war, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen. Gleiches gilt für das Urteil. K. erfährt es nicht, aber er empfindet selbst, dass seine Zeit abgelaufen ist. Josef K. fügt sich einem nicht greifbaren, mysteriösen Urteilsspruch ohne jemals zu erfahren, weshalb er angeklagt war und ob es tatsächlich dazu das Urteil eines Gerichtes gibt. Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch „wie ein Hund“ erstochen.<br />
<br />
=== Nach Kapiteln ===<br />
Entsprechend der Reclam-Ausgabe.<br />
<br />
==== Verhaftung ====<br />
<br />
Als Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstags in seinem Zimmer aufwacht, bringt ihm die Köchin seiner Zimmervermieterin nicht, wie üblich, sein Frühstück. K. wird stattdessen von zwei Männern überrascht und festgehalten. Die beiden wenig auskunftsfreudigen Zeitgenossen teilen ihm mit, dass er von nun an verhaftet sei. Die beiden Männer (Franz und Willem, „Wächter“ genannt) geben an, von einer Behörde zu kommen. Sie behaupten, sie könnten und dürften ihm nicht sagen, warum er verhaftet sei. <br />
<br />
K. nimmt zunächst einen üblen Scherz seiner Kollegen an. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Nähere Erklärung oder Verständnis erhofft er sich vom Aufseher als einem gebildeten Mann. Aber der weist K. brüsk zurück und verweist ihn auf die Rolle des Verhafteten.<br />
Der Aufseher gibt K. aber zu verstehen, dass diese Verhaftung seine gewöhnliche Lebensweise und seine Berufsausübung nicht beeinträchtige. So ist K. zunächst sehr wütend über den Aufseher, aber das Verhaftetsein erscheint ihm als nicht weiter ''"schlimm"''. Schauplatz dieser Unterredung mit dem Aufseher war nicht K.s Zimmer, sondern das Zimmer der abwesenden jungen Nachbarin, dem Fräulein Bürstner.<br />
<br />
Ebenfalls hier zugegen sind 3 untergeordnete Mitarbeiter aus der Bank, in der K. arbeitet. Sie stöbern zunächst im Zimmer herum und begleiten K. schließlich in die Bank.<br />
<br />
==== Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner ====<br />
<br />
Josef K. geht nach der Arbeit wieder zurück in seine Pension, um sich bei seiner Vermieterin Frau Grubach und bei der Nachbarin Fräulein Bürstner für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen (die drei Mitarbeiter hatten Bilder durcheinandergebracht), die durch seine Verhaftung entstanden sind. Fräulein Bürstner kommt erst sehr spät abends nach Hause. K. lauert ihr auf und überrascht sie im Flur. <br />
<br />
In ihrem Zimmer unterrichtet er sie dann über die Vorfälle. Zur Demonstration spielt K. das Geschehen des Vormittags nach und ruft dabei laut und theatralisch seinen Namen. Dadurch erwacht ein im Nebenzimmer schlafender Verwandter der Frau Grubach, ein Hauptmann, und klopft an eine Tür. Josef K. und das Fräulein erschrecken entsprechend.<br />
<br />
Das Fräulein bittet mehrfach um Beendigung des Gespräches, da sie sehr müde von einem langen Arbeitstag ist. K. verabschiedet sich von ihr. Doch plötzlich küsst er Fräulein Bürstner unerwartet, zudringlich und gierig auf den Hals, über Gesicht und Mund.<br />
<br />
==== Erste Untersuchung ====<br />
<br />
Für den Sonntag nach seiner Verhaftung wird Josef K. telefonisch zu einer Untersuchung vorgeladen aber ohne Nennung des Zeitpunktes. Man teilt ihm dabei auch noch näheres über die künftig zu erwartenden Untersuchungen mit. Wer sich genau an ihn wendet, fragt K. nicht nach. <br />
<br />
So begibt er sich am Sonntagmorgen zu der Adresse, wo die Untersuchung stattfinden soll, einem alten Mietshaus in einem heruntergekommenen Viertel. Dort angekommen, muß K. den Gerichtssaal langwierig suchen. Er erweist sich als kleines Zimmer in der Wohnung eines Gerichtsdieners. Viele ähnlich gekleidete Personen haben sich bereits versammelt, Josef K. kommt zu spät. Der Untersuchungsrichter begrüßt K. fälschlicherweise als "Zimmermaler". Seine einzige Gerichtsunterlage ist ein kleines zerfleddertes Heftchen, das ihm K. später kurz entringt. K. versucht nun die anwesenden Beamten des Gerichts mit einer Rede über die Absurdität des Gerichtes, die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung und über die Bestechlichkeit der Wächter für sich zu gewinnen. Allerdings verliert er sich dabei auch in langatmigen Schilderungen. So gleitet die Aufmerksamkeit des Publikums ab und wendet sich einem in einer Ecke lüstern kreischenden Pärchen zu.<br />
<br />
Die Zuschauermenge ist scheinbar in zwei unterschiedliche Parteien (die linken und die rechten) geteilt. K. entdeckt während seiner Rede zunächst, dass der Richter dem Publikum ein Zeichen gibt. Dann registriert er, dass beide Parteien, ebenso wie der Untersuchungsrichter, alle ausnahmslos das gleiche Abzeichen am Rockkragen tragen. Er ist erregt, sieht sich umstellt, wird selbst rabiat und sieht das Gericht als korrupte Bande.<br />
Der Untersuchungsrichter, weist ihn abschließend darauf hin, dass er sich eines Vorteils beraubt hätte, den ein Verhör für den Verhafteten bedeutet. K. bezeichnet alle als Lumpen und gibt zu verstehen, dass er auf weitere Verhöre verzichtet.<br />
<br />
==== Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien ====<br />
<br />
Josef K. geht unaufgefordert am darauf folgenden Sonntag erneut in das Gebäude, da er annimmt, dass die Verhandlung fortgesetzt werden würde. In der Wohnung, zu der der Gerichtssaal gehört, trifft er die Frau des dort wohnenden Gerichtsdieners. Diese flirtet mit K. und bietet ihm an, sich für ihn einzusetzen. Seine Rede habe ihr gefallen; sie hoffe, dass er Verbesserungen im Gerichtssystem einbringen könnte. Nach anfänglichem Sträuben zeigt sie ihm auch die Bücher des Untersuchungsrichters; es erweist sich, dass diese voller pornografischer Zeichnungen sind.<br />
Die Frau hat offensichtlich ein Verhältnis mit dem Untersuchungsrichter, dessen Arbeitseifer sie lobt, weil er nach den Verhandlungen bis weit in die Nacht noch lange Berichte anfertigt. Außerdem ist da der Jurastudent Berthold, der sie heftig begehrt. Schließlich erscheint dieser Student. Er erfasst die Frau und trägt sie gegen K.s Widerstand fort zum Untersuchungsrichter. Die Frau, die zunächst K. geneigt war und sogar mit ihm fliehen wollte, lässt es willig geschehen.<br />
<br />
Kurz darauf taucht der Mann der besagten Frau, der Gerichtsdiener, auf, beklagt sich bitter über die Untreue seiner Frau und lädt Josef K. auf eine Führung durch die Kanzleien ein. Diese sind anscheinend immer auf den Dachböden verschiedener Mietshäuser gelegen. Josef K. ist erstaunt über die ärmlichen Verhältnisse in den Kanzleien. Auf langen Holzbänken sitzen einige sichtlich gedemütigte Angeklagte, die darauf warten, von den Beamten in den Abteilungen empfangen zu werden. Ein sehr verunsicherter Angeklagter, den K. anspricht, wartet darauf, dass seinen Beweisanträgen stattgegeben wird. Josef K. hält so etwas in seinem Fall für unnötig.<br />
<br />
Plötzlich wird K. schlecht, und er verliert all seine Kraft, was mit der schlechten Luft in der Kanzlei begründet wird. Er bricht zusammen und wird anschließend von einem Mädchen und einem elegant gekleideten Mann (der Auskunftgeber) aus der Kanzlei gebracht. Nach dem Verlassen der Kanzlei ist K.s körperliches Wohlbefinden urplötzlich wiederhergestellt.<br />
<br />
==== Der Prügler ====<br />
<br />
Josef K. wird in einer Rumpelkammer seiner Bank Zeuge davon, wie die beiden Wächter, die ihn verhaftet hatten und denen er in seiner Rede in dem Gerichtssaal unter anderem Korruption vorgeworfen hat, ausgepeitscht werden. Da er sich für die Leiden der beiden schuldig fühlt, versucht K. den Prügler, einen halb nackten und in Leder gekleideten Mann, zu bestechen. Der schlägt das Angebot jedoch aus. Die beiden Wächter jammern kläglich; als einer von beiden unter den Schlägen aufschreit, entzieht sich K. der Situation. Vor sich selbst rechtfertigt er seine Flucht, indem er Befürchtungen äußert, die Bankbeamten könnten durch den Schrei des Wächters Franz aufmerksam geworden sein und ihn in der Rumpelkammer überraschen.<br />
<br />
Als Josef K. am nächsten Tag abermals die Tür zur Rumpelkammer öffnet, in der die Bestrafung vollzogen wurde, findet er genau die gleiche Szene vor, als wäre in der Kammer die Zeit stehen geblieben. Er entzieht sich abermals der Verantwortung und gibt zwei Bankdienern Anweisung, die Kammer zu entrümpeln.<br />
<br />
==== Der Onkel / Leni ====<br />
<br />
Josef K.s Onkel und ehemaliger Vormund Karl/Albert vom Lande besucht K. in der Bank. Er hatte von seiner halbwüchsigen Tochter Erna, einer Pensionatsschülerin, brieflich erfahren, dass K. angeklagt wurde. Der Onkel ist sehr aufgeregt wegen des Prozesses und geht mit K. zu dem Anwalt (und seinen Freund) Huld, der gute Beziehungen zu einigen Richtern hat. <br />
<br />
Bei dem ersten Besuch bei Huld liegt dieser krank zu Bett, ist aber bereit, K.s Sache, von der er im Übrigen bereits durch seine einschlägigen beruflichen Kontakte gehört hatte, zu vertreten. Ebenfalls bei Huld anwesend ist der Kanzleidirektor (offensichtlich der Direktor der ominösen Gerichtskanzleien) sowie das Hausmädchen des Herrn Huld, die junge Leni. K. ist gedanklich abwesend. Die Überlegungen der drei älteren Herren zu seiner Sache scheinen ihn kaum zu berühren. <br />
<br />
Leni lockt K. aus dem Besprechungszimmer und nähert sich ihm unvermittelt und erotisch fordernd.<br />
Am Ende des Besuchs, wieder in Gesellschaft seines Onkels, macht der K. arge Vorwürfe, dass er eine so wichtige Besprechung wegen "'' eines kleinen, schmutzigen Dinges''" versäumt hätte.<br />
<br />
==== Advokat / Fabrikant / Maler ====<br />
<br />
Josef K., den der „Gedanke an den Prozess nicht mehr verließ“, fasst den Entschluss, selbst eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten, da er zunehmend unzufrieden ist mit der Arbeit und den quälend langwierigen Schilderungen des Advokaten Huld in seiner Sache. Diese Schilderungen beherrschen auch die Vorbereitungen der beiden auf die nächste Anhörung. <br />
<br />
Danach in seinem Büro in der Bank empfängt Josef K. einen Fabrikanten, der von seinem Prozess weiß und K. an den Gerichtsmaler Titorelli verweist, der ihn vielleicht befreien könnte. Dieser verfüge über Informationen und Einfluss auf Richter und Beamte.<br />
<br />
Daraufhin begibt sich K. zum besagten Maler Titorelli, den er in einem kleinen Zimmer (seinem vom Gericht umsonst zur Verfügung gestellten Atelier) auf einem Dachboden eines Hauses in einem weiteren heruntergekommenen Stadtviertel vorfindet. Dieser erklärt ihm, dass es drei Möglichkeiten gäbe, dem Gericht zu entkommen. K. habe aber keine reale Chance auf einen "echten/wirklichen Freispruch", selbst falls er tatsächlich unschuldig sei. So etwas sei noch nie vorgekommen (nur in Legenden). Dann gäbe es aber noch die "scheinbare Freisprechung" und die "Verschleppung". Für die scheinbare Freisprechung muss man eine Mehrheit der Richter von der Unschuld des Angeklagten überzeugen und deren bestätigende Unterschriften dem Gericht einreichen. So kann ein Angeklagter zeitweilig freigesprochen werden. Nach einer unbestimmten Zeit aber kann es sein, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird und man erneut einen scheinbaren Freispruch erreichen muss, denn die untersten Richter können nicht endgültig freisprechen sondern nur das "oberste Gericht", welches aber vollständig unerreichbar sei. Bei der "Verschleppung" soll der Prozess dauernd im niedrigsten Stadium erhalten werden. Dazu müssten dauernd Richter beeinflusst werden und der Prozess genau beobachtet werden. Der Maler verspricht mit einigen Richtern zu reden, um diese so für Josef K. zu gewinnen, K. kann sich aber nicht für eine Befreiungsart entscheiden, er müsse noch überlegen. Als Gegenleistung kauft Josef K. einige Bilder des Malers und verschwindet durch eine Hintertür, die in eine weitere Kanzlei in einem Dachboden führt, aus dem Haus.<br />
<br />
==== Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten ====<br />
<br />
K. begibt sich erneut und nach monatelanger Vernachlässigung desselben zu seinem Anwalt Huld, um ihn zu kündigen, da er keinen spürbaren Fortschritt in seinem Prozess sieht. Er äußert, dass er niemals so große Sorge wegen des Prozesses gehabt hätte, wie seit der Zeit, als Huld ihn vertreten hätte (allerdings fürchtet er auch, noch mehr durch den Prozess eingenommen zu werden, wenn er alles selbst tun muss). Beim Anwalt trifft er auf einen anderen Klienten, Kaufmann Block, gegen den ebenfalls ein Prozess geführt wird, der aber schon länger als 5½ Jahre andauert. Er hatte heimlich noch 5 weitere Anwälte (Winkeladvokaten) angeheuert.<br />
<br />
Der Advokat Huld versucht K. zum Umdenken zu bewegen. Er erniedrigt den anderen Klienten Block in widerlicher Weise, um zu beweisen, wie abhängig seine Klienten von ihm - bzw. von seinen Kontakten und der Möglichkeit der Beeinflussung von Richtern und Beamten - seien. Das Kapitel schliesst unvollendet mitten im Gespräch des Advokaten und seiner Angestellten Leni mit Block.<br />
<br />
==== Im Dom ====<br />
<br />
Von seinem Vorgesetzten bekommt Josef K. den Auftrag, einem italienischen Kunden der Bank die Stadt zu zeigen. Kurz bevor er sich auf den Weg macht, erhält er einen Anruf von Leni. Sie sagt:"''Sie hetzen dich"''. Er empfindet es auch so. Josef K. verläßt dann die Bank; er soll sich mit dem Kunden vor dem Dom der Stadt treffen, aber dieser kommt nicht. K. betritt allein den Dom. Es gibt Irritationen, ob K. rechtzeitig gekommen war oder nicht<br />
und welche Uhrzeit, 10 oder 11 Uhr tatsächlich gilt <ref> K. ist, ohne dass es weiter beschrieben würde, nach dem Läuten der Kirchturmuhr zu schließen, eine Stunde zu spät, aber der Erzähler behauptet, er sei pünktlich (Reclam, S. 188, Z. 13–15). Später ist, nach K.s Uhr, noch immer dieselbe Uhrzeit (11:00 Uhr) und die Rede davon, dass er längst nicht mehr verpflichtet sei zu warten (S. 192). Nach der Ausgabe von Schöningh, ''Einfach Deutsch „Der Prozess“'' ist K. allerdings pünktlich. „…,etwa um zehn Uhr, sich im Dom einzufinden“ (S. 198, Z. 10). „K. war pünktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier.“ (S. 200, Z. 14f) </ref>.<br />
In der Original-Handschrift schreibt Kafka: „gerade bei seinem Eintritt hatte es 11 geschlagen.“<ref>http://www.kafka.org/picture/roland/9.jpg Original Handschrift Kafkas der Dom-Szene, beim Zuspätkommen</ref><br />
<br />
Er begegnet einem Priester, der sich als Gefängnis[[kaplan]] vorstellt und der um K.s Prozess weiß. Der Priester erzählt K. die Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' (die als einziger Teil des Romans von Kafka selbst veröffentlicht wurde) <ref> Es gibt ein weiteres Prosastück aus dem Umfeld des Prozess-Romans, nämlich ''[[Ein Traum]]'', das im ''Landarztband'' veröffentlicht wurde, in dem ein Josef K. auftaucht. dieses Prosastück wurde allerdings nicht in den Roman aufgenommen(Alt.S.625) </ref>. und diskutiert schließlich mit K. über deren Auslegungen, um ihm seine eigene Situation vor Augen zu führen. K. jedoch erkennt keine Parallelen zu seiner Situation, vor allem sieht er in den Auslegungen keinerlei Hilfe und Sinn. Nähere Ausführungen hierzu siehe ''[[Vor dem Gesetz]]''.<br />
<br />
==== Ende ====<br />
<br />
Josef K. wird am Vorabend seines 31. Geburtstages aus seiner Wohnung von zwei Beamten abgeführt, die ihn in ihrer Kleidung und Gestik an alte Schauspieler erinnern. K. überlegt kurz, Widerstand zu leisten, lässt sich dann aber nicht nur mitnehmen, sondern geht sogar anscheinend freiwillig voraus. Auch überlegt er, selbst sein Leben zu beenden. Er wird zu einem Steinbruch gebracht und mit einem Fleischermesser erstochen. Die beiden Beamten sehen zu, wie K. „wie ein Hund“ stirbt.<br />
<br />
=== Fragmentarische Kapitel===<br />
<br />
'''-B´s Freundin''' <br />
K. schreibt zwei Briefe an Fräulein Bürstner. Eine Freundin der Bürstner, die auch in der Pension wohnt, siedelt über zu ihr, so dass die Frauen dann gemeinsam das Zimmer bewohnen werden. Die Freundin gibt K. zu verstehen, dass das Fräulein keinen Kontakt zu K. wünscht.<br />
<br />
'''-Staatsanwalt''' <br />
K. ist regelmäßig Teilnehmer an einem Stammtisch mit verschiedenen Juristen. Staatsanwalt Hasterer ist sein Freund, der ihn auch öfter zu sich einlädt. Auch der Direktor von K.s Bank registriert diese Freundschaft.<br />
<br />
'''-Zu Elsa'''<br />
K. beabsichtigt zu Elsa zu gehen. Er erhält aber gleichzeitig eine Vorladung vom Gericht. Man warnt ihn vor den Folgen, falls er der Vorladung nicht Folge leistet. K. schlägt die Warnung in den Wind und geht zu Elsa.<br />
<br />
'''-Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter'''<br />
K. ist in der Bank. Zum Direktor-Stellvertreter hat er ein gespanntes Verhältnis. Dieser kommt in K.s Büro. K. versucht, ihm einen Bericht vorzutragen. Der Vorgesetzte hört kaum zu sondern hantiert ständig an einer zum Raum gehörigen Balustrade, die er schließlich leicht beschädigt.<br />
<br />
'''-Das Haus'''<br />
Zunächst geht es um das Haus, in dem das Amt seinen Sitz hat, von dem die Anzeige gegen K. ausgeht. Dann tauchen K.s ziellose Tagträume und seine Müdigkeit auf.<br />
<br />
'''-Fahrt zur Mutter'''<br />
Nach längerem Überlegen macht sich K. von seiner Bank aus auf den Weg zu seiner halb blinden alten Mutter, die er schon drei Jahre nicht gesehen hat. Sein Mitarbeiter Kullych verfolgt K. noch beim Weggehen mit einen Brief, den K. zerreißt.<br />
== Form und Sprache ==<br />
Der Erzähler bewahrt in typisch Kafkascher Manier auch in brutalen Situationen seine sachlich ruhige und distanzierte Sprache.<br />
<br />
Der Roman wird in der dritten Person erzählt; dennoch erfahren wir nur wenig, was über den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten hinausreicht ([[personales Erzählen]]). Dies gilt aber z.B. nicht für den Eingangssatz, der Tatsache und Bewertung der stattgefundenen Verhaftung benennt, also von höherer Warte spricht. K. selbst erlebt erst danach die Abfolge seiner Verhaftung.<br />
<br />
Über Joseph K.s Gedanken und Gefühle bekommen wir Einblick ([[Innensicht]]); zugleich erkennen wir aber schnell, dass K.s Deutung und Bewertung von Situationen und Personen sich häufig als falsch erweisen, also unzuverlässig sind. Daher können wir uns des Wahrheitsgehalts des Erzählten nie ganz sicher sein - was natürlich vor allem die rätselhafte Welt des Gerichts betrifft. <br />
<br />
Auffällig ist die Verdoppelung von Ereignissen. Zwei verschiedene Frauen aus dem Umfeld des Gerichts greifen erotisch fordernd auf ihn zu. Zweimal wird es K. übel von der Luft in den Gerichtsräumen. Zweimal wird das Wort "Gurgel" erwähnt mit seiner starken körperlichen Assoziation, zunächst bei K.s Überfall auf Fräulein Bürstner, dann bei K.s Hinrichtung. Zweimal gibt es Irritationen mit der Uhrzeit, bei der ersten Untersuchung und beim Besuch im Dom. Zwei Wächter melden die Verhaftung zu Beginn und zwei Henker vollziehen ein tödliches Urteil am Ende.<br />
<br />
Aussagen über den Aufbau des Romans sind einem eigenen Abschnitt -Philologische Forschung- vorenthalten, da dieser Punkt umstritten ist und intensivst diskutiert wird.<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
<br />
Eine eindeutige Interpretation des ''Process'' ist schwierig. Eine Möglichkeit ist es, sich folgender unterschiedlicher Interpretationsansätze zu bedienen, die sich in fünf Hauptrichtungen kategorisieren lassen <ref> Beispiele hierzu siehe z.B. bei Krieschel S.108-110 </ref>:<br />
<br />
* [[Biographie|biographisch]]: siehe [[Der Process#Entstehungsgeschichte|Entstehungsgeschichte]] <br />
* [[Geschichtlich#Erster Weltkrieg|historisch-kritisch]]: vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozialen Spannungen in [[Österreich-Ungarn]] und dem Beginn des [[Erster Weltkrieg#.C3.96sterreich-Ungarn|Ersten Weltkrieges]]<br />
* [[Religion|religiös]]: vor allem in Bezug auf Kafkas [[jüdisch]]e Herkunft<br />
* [[psychoanalytisch]]: der ''Process'' wird als Darstellung und Bewusstwerdung eines inneren Prozesses gesehen<br />
* [[politisch]] und [[soziologisch]]: als Kritik an einer verselbstständigten und unmenschlichen [[Bürokratie]] und am Fehlen bürgerlicher [[Freiheitsrechte]]<br />
<br />
Bei der Einordnung in die v.g. Interpretationsansätze ist jedoch folgendes zu beachten:<br />
Ähnlich wie beim Roman ''[[Das Schloss]]'' sind dabei "vielfältige Studien entstanden, die wertvolle Einsichten bieten. Sie leiden aber daran, dass die Autoren bestrebt sind, ihre Einsichten in einen interpretatorischen Rahmen zu zwingen, der letztendlich außerhalb des Romantextes liegt" <ref> M.Müller /von Jagow S.528 </ref>.<br />
Zunehmend forderten spätere Interpreten wie [[Martin Walser]] die Rückbesinnung auf die [[textimmanente]] Sicht <ref> Krieschel S. 111 </ref>. Die aktuellen Arbeiten von [[Peter-André Alt]] oder Oliver Jahrhaus/Bettina von Jagow gehen in entsprechende Richtung.<br />
<br />
=== Im Zusammenhang des Kafka'schen Schaffens ===<br />
Der Roman verarbeitet den Mythos von Schuld und Gericht, dessen traditionelle Wurzeln in der [[chassidisch]]en Überlieferung liegen. Das [[Ostjudentum]] kennt zahlreiche Geschichten von Klägern und Beklagten, von himmlischem Gericht und Strafe, undurchsichtigen Behörden und unverständlichen Anklagen. Dies sind Motive, wie sie in polnischen Sagen auftauchen und bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen <ref> Peter-André Alt S. 389 </ref> .<br />
<br />
Zunächst sind viele Parallelen zu Kafkas anderen großen Roman ''[[Das Schloss]]'' zu erkennen. Die beiden Protagonisten irren durch ein Labyrinth, das dazu da ist, sie scheitern zu lassen oder auch überhaupt keinen Bezug zu ihnen zu haben scheint <ref> Louis Begley S. 297 </ref>. Kranke bettlägerige Männer erklären langatmig das System. Erotisch befrachtete Frauengestalten wenden sich fordernd dem Protagonisten zu. <br />
<br />
In engem Zusammenhang mit dem ''Process ''ist die Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]'' zu sehen, die zeitlich parallel zum Roman im Oktober 1914 innerhalb weniger Tage entstand. Auch hier kennt der [[Delinquent]] nicht das Gebot, das er übertreten hat. Eine einzige Person - ein Offizier mit einer schauerlichen Maschine - scheint Ankläger, Richter und Vollstrecker in einem zu sein. Genau das ist aber auch die beängstigende Ahnung des Josef K., dass ein einziger Henker genüge, das gesamte Gericht willkürlich zu ersetzen<br />
<ref> Cerstin Urban S. 43.</ref>.<br />
<br />
Drei Jahre später schreibt Kafka die Parabel ''[[Der Schlag ans Hoftor]]''. Sie mutet an wie eine Kurzfassung des ''Process-Romans''. Aus nichtigem oder gar keinem Anlass wird eine Klage erhoben, die in eine unheilvolle Verstrickung und unentrinnbar in eine Strafe mündet. Das Verhängnis überfällt den Erzähler beiläufig mitten im Alltag. Ralf Sudau formuliert es so: "Ein Vorgefühl von Strafe oder vielleicht ein unbewußtes Strafverlangen... und ein tragischer oder absurder Untergang werden dabei signalisiert" <ref> Ralf Sudau S.103 </ref>.<br />
<br />
=== Einzelne Aspekte ===<br />
====Kurze Textanalyse ====<br />
Das Gericht steht Josef K. als eine unbekannte, [[anonym]]e Macht gegenüber. Kennzeichnend für dieses Gericht, das sich von ''„dem Gericht im Justizpalast“'' unterscheidet, sind weit verzweigte, undurchdringbare Hierarchien. Es scheint unendlich viele Instanzen zu geben, von denen K. nur Kontakt mit den allerniedrigsten hat. Darum ist das Gericht für K. unfassbar, und er kann dessen Wesen trotz all seiner Bemühungen nicht ergründen. Die Aussage des Geistlichen im Dom<br />
''„das Gericht will nichts von Dir. Es nimmt Dich auf, wenn du kommst, und es entläßt Dich, wenn Du gehst.“'' hilft hier nicht. Könnte K. sich somit einfach dem Gericht entziehen? Seine Realität sieht anders aus. Das Gericht bleibt K. rätselhaft und nicht eindeutig erklärbar. <br />
<br />
Josef K. wird mit einer abweisenden, vertröstenden Welt konfrontiert. Wie in Kafkas Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' der Mann vom Lande die Hilfe von Flöhen erbittet, sucht Josef K. die Hilfe von Frauen, einem Maler und Rechtsanwälten, die ihren Einfluss nur vortäuschen und ihn vertrösten. Die von K. um Hilfe gebetenen Menschen handeln wie der Türhüter in der schon erwähnten Parabel, denn der Türhüter akzeptiert die Geschenke des Mannes vom Lande, aber nur, um ihn zu vertrösten und ihn in der Illusion zu lassen, dass seine Taten ihm förderlich seien.<br />
<br />
==== Deutungsvielfalt ====<br />
Die Vielzahl der Deutungen kann ähnlich wie im Fall von ''[[Das Schloss]]'' aufgrund der Fülle nicht abschließend sondern nur punktuell berücksichtigt werden.<br />
Der Roman kann zunächst autobiografisch gesehen werden. Siehe Eingangsabschnitt Entstehungsgeschichte. Man bedenke die Ähnlichkeit der Initialen von Fräulein Bürstner und [[Felice Bauer]]. Die intensive Beschreibung des Gerichtswesens weist offensichtlich auf Kafkas Arbeitswelt als Versicherungsjurist hin. Diese Interpretation sieht [[Elias Canetti]] <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Canetti: "Der andere Prozess" S.458</ref>. <br />
<br />
Die gegenteilige Auffassung, nämlich, dass ''Der Prozess'' kein privates Schicksal darstellt, sondern weitreichende politisch-visionäre Aspekte beinhaltet, nämlich die vorweggenommene Sicht auf den Nazi-Terror, legt [[Theodor W. Adorno]] dar <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Adorno: "Aufzeichnungen zu Kafka" S.459 </ref>.<br />
<br />
==== Einige Teilaspekte von Interpretationen ==== <br />
Im Laufe des Romans zeigt sich, dass K. und das Gericht sich nicht als zwei Wesenheiten gegenüberstehen, sondern dass die inneren Verflechtungen zwischen K. und der Gerichtswelt zunehmend stärker werden. Zum Ende des Prozesses "begreift Josef K. dass alles, was geschieht seinem Ich entspringt" (Peter-Andre Alt) <ref> Alt . S. 417</ref>, das alles das Ergebnis von Schuldgefühlen und Straffantasien ist.<br />
<br />
Wichtig ist auch die traumhafte Komponente der Geschehnisse. Wie im Traum vermischen sich Inneres und Äußeres <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel S.462</ref>. Da ist der Übergang von der fantastisch-realistischen zur [[allegorisch]]-psychologischen Ebene. Auch K.s Arbeitswelt wird zunehmend von der phantastischen, traumhaften Welt untergraben (Ein Arbeitsauftrag führt zum Treffen mit dem Geistlichen).<br />
<br />
'''Die sexuellen Bezüge der Handlung'''<br />
<br />
Die Schuldgefühle des Protagonisten dürften zum Großteil ihren Grund in der Sicht auf die Sexualität haben, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte und wie sie sich in den Arbeiten von [[Sigmund Freud]] wiederspiegeln. "Die Sexualität verbindet sich auf bemerkenswerte Weise mit K.s Prozess" (Alt) <ref> Alt S. 401f. </ref>. Die Frauen sind [[sirene]]nhaft, die Vertreter des Gerichts voller lüsterner Gier. Aber genauso ist auch K. voller unbeherrschter Gier Fräulein Bürstner gegenüber und er erliegt ohne Gegenwehr den angebotenen Verlockungen.<br />
<br />
Des weitereren können auch homoerotischen Elemente im Text erkannt werden <ref> Krischel S. 113 </ref>. Da ist die fast liebvolle, ironische Sicht K.s auf seinen Direktor. Mehrfach wird die elegante oder enganliegende Kleidung speziell von Männern erwähnt. Es tritt ein halbnackter Prügler auf, der an eine [[Sadomaso]]-Gestalt erinnert und er prügelt die nackten Wächter.<br />
<br />
'''Der Process als humoristische Geschichte'''<br />
<br />
Die Freunde Kafkas erzählten, dass er beim Vorlesen aus seinem Werk vielfach laut herauslachen musste.<ref>Max Brods Biographie ''Franz Kafka. Eine Biographie'' (Neuausgabe 1974 mit dem Titel: ''Über Franz Kafka'')</ref> Deshalb liegt es nahe, im ''Process'' – mag sein Kern so ernst und düster sein wie nur möglich – auch eine [[Humor|humoristische]] Seite zu suchen. <br />
<br />
"Denn furchtbar ist das Ganze, aber komisch sind die Details" bewertet Rainer Stach dieses Phänomen <ref> Rainer Stach/Entscheidungen S. 554</ref>. Die Richter studieren Pornohefte statt Gesetzesbücher, sie lassen sich Frauen herbeitragen wie eine prächtige Speise auf einem Tablett. Die Henker sehen aus wie alternde Tenöre. Ein Gerichtsraum hat ein Loch im Boden, so dass ab und zu das Bein eines Verteidigers in den darunter liegenden Raum ragt<br />
<br />
== Philologische Forschung/Diskussion ==<br />
=== Anordnung der Romankapitel ===<br />
<br />
Die Anordnung der Romankapitel wird seit der Erstveröffentlichung diskutiert und immer wieder in Frage gestellt. Kafka, der zwischen August 1914 und Januar 1915 am ''Process'' arbeitete, hat sein Werk zu Lebzeiten nicht abgeschlossen und somit auch nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. In einer an seinen Freund [[Max Brod]] gerichteten Verfügung fordert er diesen sogar auf, nach seinem Tod seine Schriften zu vernichten (→ [[Franz Kafka#Rezeption|Kafkas Verfügung]]).<br />
<br />
Der einzige Textbeleg ist die von Kafka niedergelegte Handschrift, in der sich zahlreiche Korrekturen Kafkas finden. Nach Abbruch der Arbeiten an dem Werk, aus dem er nur die Erzählung ''Vor dem Gesetz'' veröffentlichte, löste er vermutlich die Hefte auf, in die er den Text geschrieben hatte. Dadurch wurde der Gesamttext in 16 Abschnitte zerteilt, teilweise zerstückelt in Einzelkapitel, teilweise in Kapitelfolgen oder auch nur Fragmente von Kapiteln.<br />
Zwischen diese Abschnitte legte er jeweils einzelne Blätter, auf denen er den Inhalt der dahinter liegenden Blattfolge vermerkte. Diese sechzehn derart abgetrennten Bündel werden meist als „[[Schriftstück|Konvolute]]“ bezeichnet. Die Bezeichnung „[[Gliederung|Kapitel]]“ dagegen impliziert eine vom Autor bewusst festgelegte Text- und Sinneinheit innerhalb eines Werkes, daher gibt dieser Begriff den Sachverhalt nicht richtig wieder.<br />
<br />
Aufgrund des [[Fragment (Literatur)|fragmentarischen]] Charakters des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben, die zum Teil große Unterschiede aufweisen. Die Kritische Ausgabe und die von Brod herausgegebene Edition weisen dem Fragment den Charakter eines abgeschlossenen Werkes zu, indem sie eine Reihenfolge der Manuskriptseiten festlegen.<br />
<br />
[[Max Brod]] hatte für die Erstausgabe des Werks die Konvolute in Kapitel geordnet. Als Grundlage dienten ihm die vermachten Originale, welche sich in drei Umschlägen mit einem [[Kryptographie|kryptischen]] System verschlüsselt aufbewahrt befanden, das nur von seinem Urheber entschlüsselt werden konnte und das Brod auf seine eigene Art und Weise interpretierte.<br />
<br />
Die Anordnung der Kapitel in ''Der Process'' steht somit auch immer unter der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung des Schriftstellers Kafka, und somit ist jede Anordnung für eine Textausgabe des Werks bereits Interpretation.<br />
<br />
==== Guillermo Sánchez Trujillo ====<br />
Guillermo Sánchez Trujillo stellt in ''Crimen y castigo de Franz Kafka, anatomía de El Proceso'' („Franz Kafkas Schuld und Sühne, Anatomie von Der Process“) die Hypothese auf, dass, ausgehend von einer Feststellung von Ähnlichkeiten zwischen Kafkas Process und [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskis]] ''[[Schuld und Sühne]]'', Kafka den Roman des russischen Schriftstellers [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski]] und andere seiner Erzählungen in der Art eines [[Palimpsest]]s benutzt hatte, um ''Der Process'' und andere seiner Erzählungswerke zu schreiben. Er behauptet, die Anordnung der Kapitel lasse sich aufgrund der Ähnlichkeiten auch an Dostojewskis Roman objektiv feststellen. Die [[Autonome Lateinamerikanische Universität]] (UNAULA) in Medellín (Kolumbien) veröffentlichte im Jahre 2005 eine kritische Ausgabe des Romans mit dieser neuen Anordnung. So kommt Trujillo zu folgender Anordnung.<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# B.s Freundin<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Zu Elsa<br />
# Staatsanwalt<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advocat/Fabrikant/Maler<br />
# Im Dom<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advocaten<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Ein Traum<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
# Ende<br />
<br />
==== Gliederung nach Reclam (2006) ====<br />
=====Inhalt=====<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advokat / Fabrikant / Maler<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Fragmente=====<br />
<br />
# B.’s Freundin<br />
# Staatsanwalt<br />
# Zu Elsa<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
<br />
==== Gliederung nach Suhrkamp (2000) ====<br />
=====Der Prozeß=====<br />
<br />
# Verhaftung · Gespräch mit Frau Grubach · Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal · Der Student · Die Kanzleien<br />
# Die Freundin des Fräulein Bürstner <br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel · Leni<br />
# Advokat · Fabrikant · Maler<br />
# Kaufmann Block · Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Anhang=====<br />
<br />
======Die unvollendeten Kapitel======<br />
* Zu Elsa<br />
* Fahrt zur Mutter (Ende gestrichen)<br />
* Staatsanwalt (Als direkter Anhang an Kap. 7)<br />
* Das Haus (Ende gestrichen)<br />
* Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter (Großteil gestrichen)<br />
* Ein Fragment ("Als sie aus dem Theater traten...")<br />
<br />
== Editionen ==<br />
=== Ausgabe von Brod ===<br />
<br />
Die erste Ausgabe trägt den Titel ''Der Prozess'' (so auf dem Titelblatt) und erschien 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Werk wurde von Kafkas Freund [[Max Brod|Max Brod]] herausgegeben. Brod sah die Konvolute als abgeschlossene Texteinheiten an und stufte sie daher als Kapitel ein. Außerdem legte er eine Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief Brod sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen. <br />
<br />
In den Jahren 1935 und 1946 gab Brod erweiterte Ausgaben heraus. Zusätzlich enthalten sie im Anhang <br />
Teile des Werks, die Brod unvollendet erschienen, als so genannte ''unvollendete Kapitel''. Außerdem enthält der Anhang von Kafka gestrichene Stellen.<br />
<br />
Die Ausgaben nach 1945 wurden mit der veränderten Schreibung ''Der Prozeß'' herausgegeben.<br />
<br />
=== Kritische Kafka-Ausgabe ===<br />
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel ''Der Proceß'',<!--sic--> die im Rahmen der [[Kritische Ausgabe|Kritischen]] Kafka-Ausgabe (''KKA'') der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien beim Fischer Verlag.<br />
<br />
=== Historisch-kritische Ausgabe ===<br />
Als Beginn der [[Historisch-kritische Ausgabe|Historisch-kritischen]] Franz-Kafka-Ausgabe (''FKA'') durch [[Roland Reuß]] in Zusammenarbeit mit [[Peter Staengle]] ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel ''Der Process'' erschienen. Die 1997 vorgelegte Ausgabe beruht auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Handschrift ''nicht'' um ein abgeschlossenes Werk handelt. Das Ziel, die originale Gestalt des Textes und Form der Handschrift zu wahren, schlägt sich nieder in der Weise, wie die Edition den Text darbietet. Zum einen wird keine Reihenfolge der Konvolute hergestellt, und zum anderen werden die Konvolute nicht in Buchform veröffentlicht. Stattdessen wird jedes der 16 Konvolute in einem Heft wiedergegeben. Auf jeder Doppelseite der Hefte sind jeweils das [[Faksimile]] einer Manuskriptseite sowie dessen [[Umschrift]] gegenübergestellt. Anhand des Faksimiles kann jeder Leser selbst die zum Teil nicht eindeutigen Streichungen Kafkas beurteilen, da es hier keine Eingriffe durch den Herausgeber gibt, wie sie bei der Kritischen Edition und der von Brod besorgten Ausgabe vorgenommen wurden.<br />
<br />
=== Ausgabe von Christian Eschweiler ===<br />
Eschweiler veränderte die Kapitelfolge und betrachtet das Traum-Kapitel Josef K.s, als Höhepunkt des Entwicklungsgeschehens.<br />
Eschweiler ist der Ansicht das Domkapitel gliedere den Roman in zwei Teile, von denen der erste durch Fremdbestimmung, der zweite durch fortschreitende Selbstbestimmung gekennzeichnet ist.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
* „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“<br />
* „Josef K.: Ich sage nicht, dass es ein liederliches Verfahren ist, aber ich möchte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.“<br />
* „Der Prügler: Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich.“<br />
* „So bewirkte also die Methode des Advokaten, welcher K. glücklicherweise nicht lange ausgesetzt war, dass der Klient schließlich die ganze Welt vergaß und nur auf diesem Irrweg zum Ende des Prozesses sich fortzuschleppen hoffte. Das war kein Klient mehr, das war der Hund des Advokaten."<br />
* „Der Geistliche im Dom: Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber."<br />
* „Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt die Entscheidung beobachteten, ‚Wie ein Hund‘ sagte er, es war als solle die Scham ihn überleben.“<br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* Max Brod schreibt im Nachwort der ersten Ausgabe von 1925 in Bezug auf den ''Process'', dass „kaum [ein Leser] seine Lücke fühlen“ wird, wenn er nicht weiß, dass Kafka sein Werk unvollendet ließ. Der Herausgeber schreibt weiter, die nach seiner Ansicht vollendeten Kapitel ließen „sowohl den Sinn wie die Gestalt des Werkes mit einleuchtendster ''[sic!]''<!--sic--> Klarheit hervortreten“. Außerdem spricht Brod im Nachwort zu Kafkas Werk stets von „Roman“ und nicht von Fragment. Daran wird deutlich, dass er die Auffassung vertritt, dem Werk fehle nichts Wesentliches. Diesen Eindruck vermittelt seine Ausgabe auch den Lesern. Das Bild eines nahezu abgeschlossenen Werkes, das sich der damaligen Leserschaft bot und das auch heute noch bei vielen Lesern vorherrscht, begründete und begründet zum Teil den Erfolg und die Bewunderung für den ''Process''.<br />
<br />
* Am 17. November 1988 wurde das Originalmanuskript des Werkes in London für eine Million Pfund vom [[Deutsches Literaturarchiv|Deutschen Literaturarchiv]] in Marbach ersteigert. Dies war der bis dahin höchste Preis, der jemals auf einer Auktion für ein einzelnes Manuskript bezahlt wurde. Das Geld stammte von Bund und Land Baden-Württemberg. Das Manuskript ist im [[Literaturmuseum der Moderne]] ausgestellt.<br />
<br />
* [[Peter-André Alt]] (S.391/419): K.s Geschichte ist der Traum von der Schuld - ein Angsttraum, der sich in den imaginären Räumen einer befremdlichen juristischen Ordnung als Widerschein psychischer Zustände abspielt. Stirbt K. auch ´wie ein Hund´, so bleibt doch die Scham zurück, die allein Menschen empfinden können. Sie aber ist bekanntlich - als Folge der Vertreibung aus dem Paradies - das Resultat des Wissens über die Differenz von Gut und Böse. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, bildet zugleich das Stigma seiner Schuld.<br />
* [[Reiner Stach]] (S.537): Kafkas Process ist ein Monstrum. Nichts ist hier normal, nichts ist einfach. Ob man sich mit der Entstehungsgeschichte, dem Manuskript, der Form, dem stofflichen Gehalt oder mit der Deutung des Romans beschäftigt: Der Befund bleibt stets derselbe: Finsternis wohin man blickt.<br />
<br />
== Adaptionen ==<br />
<br />
=== Theateradaptation ===<br />
* Der Schriftsteller und Regisseur [[Steven Berkhoff]] adaptierte einige von Kafkas Geschichten in Theaterstücke. Seine Version des Processes wurde 1970 in London uraufgeführt und 1981 als Buch veröffentlicht. Die erste Aufführung in Deutschland fand 1976 am [[Düsseldorfer Schauspielhaus]] statt.<ref>Berkoff, Steven. "The trial, Metamorphosis, In the penal colony. Three theatre adaptions from Franz Kafka." Oxford: Amber Lane Press, 1981.</ref><br />
* [[Andreas Kriegenburg]] inszenierte eine viel beachtete [http://www.muenchner-kammerspiele.de/stueck.php?ID=968&menu1=&menu2=&zurueck=ZUR%DCCK%20ZUM%20ENSEMBLE Theaterfassung] an den [[Münchner Kammerspiele]]n. Premiere war am 25. September 2008.<br />
<br />
=== Musikalische Adaptionen ===<br />
<br />
* [[Gottfried von Einem]]s Oper ''[[Der Prozess (Oper)|Der Prozess]]'' (1953) basiert auf Kafkas Romanfragment. <br />
* Eine freie Adaption des Stoffes ist [[Gunther Schuller]]s Jazz-Oper ''The Visitation'' (1966).<br />
* Die [[Schottland|schottische]] [[Post-Punk]]-Band [[Josef K]] benannte sich nach dem Romanhelden<br />
* Die [[Polen|polnische]] [[Punk (Musik)|Punk]]band [[Pidżama Porno]] veröffentlichte [[2004]] auf ihrem Album ''Bułgarskie Centrum'' den Song ''Józef K.'', in dem Sie sich auf den Inhalt von Kafkas Stück bezieht.<br />
* Auf dem Cover des Albums ''If You're Feeling Sinister'' der britischen Indie-Pop-Band [[Belle and Sebastian|Belle and Sebastian]] ist das Buch (mit englischem Titel) zu sehen.<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
<br />
* [[Der Prozeß (Film)|''Der Prozeß'']]<!--sic--> (1962) von [[Orson Welles]] <br />
* [[Kafka (Film)|''Kafka'']] (1991) von [[Steven Soderbergh]] (Spielfilm, der Teile von Kafkas Leben mit Elementen aus ''Der Process'', ''[[Das Schloss]]'' und anderen Texten verbindet)<br />
* ''Der Prozess''<!--sic--> (1993) von [[David Hugh Jones]]<br />
* ''Am Ende des Ganges'' (1999) von Michael Muschner (Kurzfilm)<br />
<br />
=== Comicadaption ===<br />
<br />
* [[Guido Crepax]]: Il processo di Franz Kafka, Piemme 1999<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
=== Ausgaben ===<br />
Wie im Abschnitt ''Editionen'' nachzulesen ist, ist es bedeutsam, welche Ausgabe man wählt. Daher erfolgt die Auflistung nach den verschiedenen Editionen. <br />
<br />
* Historisch-kritische Ausgabe der Handschrift:<br />Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz-Kafka-Heft 1 und CD-ROM, mit 300 Handschriften-Faksimiles: ''Der Process''. Hg. von Roland Reuß. Stroemfeld, Frankfurt/Main, Basel 1997, ISBN 3-87877-494-X<br />
* Reprint der Erstausgabe (1925):<br />Stroemfeld Verlag, gebunden. ISBN 978-3-87877-500-3<br />
* Kritische Ausgabe:<br /> ''Der Proceß''. Herausgegeben von Malcolm Pasley. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2002, gebunden ISBN 3-596-15700-5<br />
* Ausgabe von Eschweiler:<br />Franz Kafka: ''„Der Prozess“<!--sic-->''. Neu geordnet, ergänzt und erläutert von Christian Eschweiler. Landpresse, Weilerswist 2009. ISBN 978-3-941037-40-3<br />
* Weitere Ausgaben: <br />
** Aufbau, Taschenbuch ISBN 3-7466-1615-8<br />
** dtv, Taschenbuch ISBN 3-423-02644-8<br />
** Langenscheidt, broschiert ISBN 3-580-63335-X<br />
** Probst, gebunden ISBN 3-935718-94-2<br />
** Saur, gebunden ISBN 3-598-80009-6<br />
** Schöningh, broschiert ISBN 3-14-022362-5<br />
** Suhrkamp: broschiert — ISBN 3-518-39337-5, BasisBibliothek — ISBN 3-518-18818-6<br />
** Vitalis, gebunden ISBN 3-89919-052-1<br />
** Volker Krischel Königs Erläuterungen ISBN 3-8044-1796-5<br />
** Anaconda, gebunden ISBN 3-938484-77-2<br />
** Hamburger Lesehefte Verlag, 201. Heft ISBN 978-3-87291-200-8<br />
<br />
=== Sekundärliteratur ===<br />
* [[Peter-André Alt]]: ''Der ewige Sohn.'' C.H. Beck, München, 2005, ISBN 3-406-53441-4<br />
* Manfred Engel: ''Franz Kafka: Der Process (1925) – Gerichtstag über die Moderne.'' In: Matthias Luserke-Jaqui/Monika Lippke (Hg.): ''Deutschsprachige Romane der Klassischen Moderne.'' Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 211-237. ISBN 978-3-11-018960-5. <br />
* Manfred Engel: ''Der Process.'' In: Manfred Engel, Bernd Auerochs (Hrsg.): ''Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung.'' Metzler, Stuttgart, Weimar 2010, S. 192-207. ISBN 978-3-476-02167-0.<br />
* [[Janko Ferk]]: ''Recht ist ein „Prozeß“. Über Kafkas Rechtsphilosophie''. Wien, Edition Atelier, 2006 (2. Auflage), und Ljubljana, Gospodarski vestnik, 2007 (Übersetzung in das Slowenische).<br />
* Volker Krischel: ''Franz Kafka: Der Proceß.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 417). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1796-0<br />
* [[Ekkehart Mittelberg]]: ''Franz Kafka: Der Prozeß.'' Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen (Reihe LiteraMedia). Cornelsen, Berlin 2003. ISBN 978-3-464-61425-9<br />
* Manfred Mitter: ''Franz Kafka: Der Proceß, Interpretationsimpulse''. Merkur-Verlag, Rinteln, Textheft: ISBN 978-3-8120-0853-2, CD-ROM: ISBN 978-3-8120-2853-0<br />
* [[Reiner Stach]]: ''Kafka Die Jahre der Entscheidungen.'' Fischer, Frankfurt/Main 2004. ISBN 3-596-16187-8<br />
* Ralf Sudau Franz Kafka: Kurze Prosa/Erzählungen 2007, ISBN 978-3-12-922637-7<br />
* Cerstin Urban: ''Franz Kafka: Erzählungen II.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 344). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1756-4<br />
* Louis Begley: ''Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. Über Franz Kafka'' Deutsche Verlagsanstalten <br />
* Bettina von Jagow und Oliver Jahrhaus ''Kafka-Handbuch Leben-Werk-Wirkung'' hrsg. 2008 Vandenhoeck& Ruprecht ISBN 978-3-525-20852-6<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Textkritik]]<br />
* [[Recht ist ein 'Prozeß'. Über Kafkas Rechtsphilosophie]] von [[Janko Ferk]]<br />
* [[Die 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
=== Text des Romanfragments ===<br />
* {{Wikisource|Der Process}}<br />
* [http://gutenberg.spiegel.de/kafka/prozess/prozess.htm Projekt Gutenberg: „Der Prozeß“ <!--sic-->] ''Text folgt der Brod-Ausgabe''<br />
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Kafka,+Franz/Romane/Der+Proze%C3%9F}}<br />
<br />
=== Interpretationen ===<br />
* [http://home.bn-ulm.de/~ulschrey/literatur/kafka/kafka_prozess.html „Franz Kafka, ‚Der Prozess‘ – Die Selbstinszenierung der Geburt als Tod“]<br />
* [http://tuerhueter.blogspot.com/ Blog – Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis]<br />
* [http://www.christian-eschweiler.com Kafkas „Der Prozess“ in neuem Licht]<br />
* [http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0713/pdf/dkl.pdf Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceß’ und ‚Das Schloß’] von Karin Leich, Uni Marburg, 2003 (PDF-Datei; 1,58 MB)<br />
'''Editionen des Werks'''<br />
* [http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm Institut für Textkritik] Ausgabe im Rahmen der Historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe<br />
'''Bibliographie'''<br />
* [http://www.wegmaier.de/docs/NdL-Prozess.pdf Vollständige Bibliographie zu Roman und Sekundärliteratur] (PDF-Datei; 435 kB)<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
* {{IMDb Titel|tt0057427|Der Prozess (1963)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0102181|Kafka}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0108388|Der Prozess (1993)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0228008|Am Ende des Ganges}}<br />
<br />
=== Unterricht ===<br />
* [http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/projekte/epik/process/index.html Lehrerfortbildung-BW] Unterrichtsprojekte Deutsch: Der Proceß<br />
<br />
=== Hörbuch ===<br />
* [http://www.theateraufcd.de/Der_Prozess.aspx Der Prozess als Hörbuch im MP3-Format]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Franz Kafkas Werk}}<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Process, Der}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Franz Kafka]]<br />
[[Kategorie:Roman, Epik]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
<br />
[[ar:المحاكمة (رواية)]]<br />
[[az:Məhkəmə prosesi (roman)]]<br />
[[br:Ar Prosez]]<br />
[[ca:El procés]]<br />
[[cs:Proces (román)]]<br />
[[da:Processen (roman)]]<br />
[[el:Η δίκη (Φραντς Κάφκα)]]<br />
[[en:The Trial]]<br />
[[es:El proceso]]<br />
[[et:Protsess (Kafka)]]<br />
[[eu:Prozesua (liburua)]]<br />
[[fa:محاکمه (رمان)]]<br />
[[fi:Oikeusjuttu (romaani)]]<br />
[[fr:Le Procès]]<br />
[[he:המשפט]]<br />
[[hr:Proces (Kafka)]]<br />
[[it:Il processo (romanzo)]]<br />
[[ja:審判 (小説)]]<br />
[[ko:심판 (소설)]]<br />
[[mk:Процес (роман)]]<br />
[[nl:Het Proces]]<br />
[[nn:Der Process]]<br />
[[no:Prosessen]]<br />
[[pl:Proces (powieść)]]<br />
[[pt:O Processo]]<br />
[[ro:Procesul]]<br />
[[ru:Процесс (роман)]]<br />
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[[sr:Процес (роман)]]<br />
[[sv:Processen]]<br />
[[yo:The Trial]]<br />
[[zh:审判 (长篇小说)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Revolution_in_%C3%84gypten_2011&diff=84777267Revolution in Ägypten 20112011-02-02T21:08:33Z<p>Xjs: Typos.</p>
<hr />
<div>[[Bild:Egyptian protests at Giza Jan 25.jpg|miniatur|hochkant=2|Demonstrationen in Ägypten]]<br />
<br />
Die '''Proteste in Ägypten 2011''' ({{ArS|انتفاضة الغضب|d=Intifāḍat al-ġaḍab}}) sind ein durch die [[Revolution in Tunesien 2010/2011]] inspiriertes Aufbegehren weiter Teile der Bevölkerung [[Ägypten]]s. Die Massenproteste richten sich vor allem gegen das seit Oktober 1981 bestehende Regime des Präsidenten [[Muhammad Husni Mubarak]] und auf die Forderung nach Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Sie begannen am 25. Januar 2011, dem „Tag des Zorns“ ({{arS|يوم الغضب|w=Yaum al-Ghadab|d=yaum al-ġaḍab}}), und dauern an.<br />
<br />
== Hintergrund ==<br />
{{Hauptartikel|Politisches System Ägyptens}}<br />
Mubarak erließ 1982 bis heute andauernde [[Notstandsgesetz]]e, die ihn zum autoritären Herrscher machten. Grund war der Anschlag fundamentalistischer Angehöriger der ägyptischen Streitkräfte auf seinen Vorgänger [[Anwar as-Sadat]]. 2005 versprach Mubarak eine politische Öffnung des Landes und die Zulassung von unabhängigen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen. Nachdem die islamistische [[Muslimbruderschaft]] bei den Wahlen an Einfluss gewann, wurde der Liberalisierungskurs wieder gestoppt.<br />
<br />
Ende 2010 fanden die von Wahlbetrug geprägten letzten [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|Parlamentswahlen]] statt. Dabei errang die [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratische Partei]] von Husni Mubarak 420 der 508 Sitze.<ref>[http://www.europeanforum.net/news/1020/egyptian_parliamentary_elections_render_opposition_powerless europeanforum.net, entnommen am 31.12.2010]</ref><ref name="lässt">{{Internetquelle | autor= Karim El-Gawhary | url=http://taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/mubarak-laesst-abstimmen/ | titel=Mubarak lässt abstimmen |werk=[[die tageszeitung]] |datum=2010-11-22|sprache=de|zugriff=2010-11-24}}</ref> Die Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die [[Muslimbruderschaft]] verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis; sie halte sich bei den Protesten auffällig abseits.<ref name="ts"></ref><br />
<br />
Ursache für die erhöhte Protestbereitschaft ist, wie in vielen anderen arabischen Staaten, der Unmut über das autoritäre Regime mit einem aufgeprägten Sicherheitsapparat, fehlende Mitsprachemöglichkeiten der Bürger, [[Korruption]] in Staat, Wirtschaft und Verwaltung, eine hohe [[Arbeitslosigkeit]] insbesondere der jüngeren Bevölkerung und eine wachsende [[Armut]] unter anderem durch [[Überbevölkerung]]. Die [[OECD]] mahnte im November 2010 gegen die Korruption vorzugehen, die [[Inflation]]srate lag zuletzt bei elf Prozent. Zwar habe Mubarak Wirtschaftsreformen angestoßen, doch profitierte nur die wirtschaftliche Elite, die vermehrt Einfluss gewann und die Präsidentenfamilie stützte. Muriel Asseburg, Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der [[Stiftung Wissenschaft und Politik]] in Berlin erklärte, der Regierung sei es nicht gelungen „ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für die schnell wachsende Bevölkerung zu schaffen“. Der Aufstand der zunächst meist jungen Demonstranten ist von Forderungen nach politischen Reformen, [[Pluralismus (Politik)|Pluralität]] und [[Meinungsfreiheit]] geprägt, weiter werden garantierte [[Grundrechte]] und demokratische Wahlen eingefordert. Im Laufe der Proteste beteiligen sich zunehmend weitere gesellschaftliche Schichten. <ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742775,00.html ''Wurzeln der Wut''] Katharina Peters in: [[Spiegel Online]] vom 1. Februar 2011</ref><ref name="ts">[http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-01/aegypten-demonstrationen-mubarak ''Arabiens Zentrum will den Wandel''], [[Zeit Online]] vom 27. Januar 2011</ref><br />
<br />
Der Professor für Ökonomie [[:en:Tarik Yousef|Tarik Yousef]], Mitbegründer des arabisch-amerikanischen Forschungsprojektes ''Middle East Youth Initiative'' und Herausgeber des Buches ''A Generation in Waiting – The Unfulfilled Promise of Young People in the Middle East'' sagte in einem Gespräch mit ''[[Zenith – Zeitschrift für den Orient]]'' zu den Aufständen in Tunesien und Ägypten: „Die arabischen Führer haben auf Zeit gespielt, sie haben geglaubt, dass sie die Jugend lange genug durch Repressionen im Zaum halten können würden und sich während ihrer Amtszeit nicht mehr mit dem Problem auseinandersetzen müssten, [...] Der Jugendüberschuss hätte, richtig genutzt, gar nicht zum Problem werden müssen, sondern hätte den arabischen Volkswirtschaften fantastische Vorteile verschaffen können. Millionen von jungen, leistungsfähigen Menschen, deren Arbeits- und Kaufkraft alleine schon durch ihre schiere Masse das Wirtschaftswachstum in ihren Heimatländer enorm hätte ankurbeln können. Die Regierungen haben es schlichtweg versäumt, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen und damit ihr größtes Kapital verschwendet.“ Jahrzehntelang hätten die arabischen Machthaber die Augen vor der [[Demographie|demografischen Wirklichkeit]] verschlossen, die die Sozialwissenschaft als „muslim youth bulge“ (muslimischer Jugendüberschuss) bezeichnet. Vom Washingtoner [[Pew Research Center]] veröffentlichte aktuelle Zahlen würden zeigen, dass etwa sechzig Prozent der Bevölkerung in der arabischen Welt unter 30 Jahre alt sind. Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben damit den weltweit höchsten Anteil junger Leute an der Gesamtbevölkerung. Gepaart mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in den arabischen Ländern, ergäbe der „[[Youth Bulge|youth bulge]]“ eine gefährliche Mischung. Eine ganze Generation fühle sich – so Yousef – gedemütigt, da durch Arbeitslosigkeit ihnen der Zugang zu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens versperrt würde: „Wer kein Geld verdient, kann sich keine eigene Wohnung leisten, kann nicht heiraten oder eine Familie gründen, sondern bleibt von seinen Eltern abhängig.“<ref>[http://www.zenithonline.de/844.html ''Aufstand einer betrogenen Generation''], Yasemin Ergin in [[Zenith – Zeitschrift für den Orient]]</ref><br />
<br />
Die zunächst größte Protestbewegung des Landes ist die „[[Jugendbewegung des 6. April]]“. Sie besteht vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Ägyptern, von denen viele bislang nichts mit Politik zu tun hatten. Die Bewegung ist ihrer Eigendarstellung zufolge „unabhängig von politischen Richtungen oder politischen Trends“. Ihre Mitglieder eine nur „die Liebe zu unserem Land und das Verlangen, es zu reformieren“. Sie rief gemeinsam mit der Gruppe „We are all [[Chalid Muhammad Saʿid| Khaled Said]]“ zum „''Tag des Zorns''“ aus und organisierte die ersten Proteste hauptsächlich im Internet über [[Facebook]].<ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/krise-in-aegypten-die-kinder-des-april-rufen-zum-protest-1.1053426 ''Die Kinder des 6. April und der Tag der Entscheidung''],[[sueddeutsche.de]] vom 31. Januar 2010</ref><br />
<br />
== Chronologie ==<br />
[[Datei:Central Security Forces in 2011 Egyptian Protests.jpg|thumb|Spezialeinheiten der ägyptischen Polizei]]<br />
[[Datei:Day of Anger marchers with out signs.jpg|thumb|Demonstranten mit ihren Forderungen in Kairo]]<br />
[[Datei:Day of Anger riot police close.jpg|thumb|Paramilitärische Polizei am 25. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Al jazeera 2011 egypt protests.ogv|thumb|Bericht von [[Al Jazeera]]]]<br />
[[Datei:Day of Anger marchers in street.jpg|thumb|Demonstrationen am 25. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Day of Anger women with flag.jpg|thumb|Demonstrierende Frauen am sogenannten „Tag des Zorns“ (25. Januar 2011)]]<br />
[[Datei:Demonstration in Imaba, Cario.jpg|thumb|Demonstrationen in [[Kairo]] am 28. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Demonstrators on Army Truck in Tahrir Square, Cairo.jpg|thumb|Demonstranten, die am 29. Januar 2011 auf einem Panzer in der Innenstadt von Kairo stehen]]<br />
[[Datei:Army Truck and Soldiers in Tahrir Square, Cairo.jpg|thumb|Soldaten, die am 29. Januar 2011 den Protest beobachten]]<br />
[[Datei:2011 Egypt protests - graffiti on military vehicle.jpg|thumb|Ein Armeefahrzeug am 30. Januar 2011 mit Graffiti-Tags: "Nieder mit Mubarak", "Nein zu Mubarak", "der Diktator Mubarak ist gefallen" und "Hau ab, du Dieb!"]]<br />
[[Datei:2011 Egypt protests - sitting line of men.jpg|thumb|Demonstranten am 30. Januar am At-[[Tahrir]]-Platz.]]<br />
=== Dienstag, 25. Januar ===<br />
<br />
Die [[Demonstration|Massenproteste]] begannen in der Hauptstadt [[Kairo]] in der Nähe des Obersten Gerichts und setzten sich am Parlament fort. Die Polizei- und Sicherheitskräfte mit bis zu 30.000 Mann setzten [[Wasserwerfer]] und Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. <ref>[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741584,00.html Krawalle in Kairo - Tausende Ägypter marschieren gegen Mubarak] vom 25. Januar 2011 </ref> Es gab etwa 500 Festnahmen in Kairo und etwa 350 weitere Festnahmen im übrigen Land. <ref>[[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]] - [http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten210.html Proteste und Zusammenstöße in Ägypten - Tausende trotzen dem Demonstrationsverbot] vom 25. Januar 2011 </ref> Auch in den Städten [[Alexandria]], [[Mansura]] und [[Al-Ismaʿiliyya|Ismailiyya]] sowie in [[Assuan]], [[Asyut]] und [[al-Mahdiyya]] gab es Demonstrationen.<br />
<br />
Nach Angaben aus Kreisen des Innenministeriums soll es 500 Festnahmen gegeben haben. Aus Sicherheitskreisen verlautete, innerhalb von zwei Tagen seien landesweit sogar 860 Demonstranten festgenommen worden.<br />
<br />
Bei Massenprotesten in der ägyptischen Hafenstadt [[Sues]] eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten. Dabei wurden zwei Demonstranten getötet. Ein weiterer 45-jähriger Demonstrant wurde mit Gummigeschossen am Bauch getroffen und starb an inneren Blutungen in einer Klinik. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen. <ref>[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741712,00.html Ägyptens Regierung will Proteste ersticken ] vom 26.Januar 2011 </ref><br />
<br />
=== Mittwoch, 26. Januar ===<br />
Nachdem sich tausende junger Demonstranten offenbar über das [[Soziales Netzwerk (Internet)|soziale Netzwerk]] [[Facebook]] und das [[Mikroblogging]]-Netzwerk [[Twitter]] verabredet hatten, wurden beide Dienste in Ägypten gesperrt. <ref>AFP - [http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jbYbU9qKFkpoY5s8JGn2M-PC2UjA?docId=TX-PAR-OOT59 Erneut Proteste und gewaltsame Zusammenstöße in Ägypten] vom 26. Januar 2011 </ref> Bei Massenprotesten in der Hafenstadt Suez wurden 55 Demonstranten und 15 Polizisten durch Steinwürfe verletzt. Die wütende Menge zündete auch eine Polizeistation und weitere staatliche Gebäude an. <ref name="Bild1">[[Bild (Zeitung)|bild.de]] - [http://www.bild.de/BILD/politik/2011/01/27/aegypten-neue-proteste-gegen-mubarak-chaos-in/kairo-geht-weiter.html Ägypten neue Proteste gegen Mubarak - Chaos in Kairo geht weiter] vom 27. Januar 2011 </ref><ref name="spiegel2">[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741873,00.html Unruhen in Ägypten - Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht] vom 27. Januar 2011</ref> Auch ein Gebäude der Regierungspartei [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratische Partei]] (NDP) in Suez wurde angezündet. <ref name="spiegel2" /> Später wurde vermutet, dass es sich dabei um Aufträge seitens der Regierung gehandelt habe<ref>http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742498,00.html</ref>.<br />
<br />
In einem in der [[Newsweek]] erschienen Artikel machte der ehemalige Generaldirektor der [[Internationale Atomenergieorganisation|Internationalen Atomenergieorganisation]] (IAEO) und Träger des [[Friedensnobelpreis]]es [[Mohammed el-Baradei]] US-Außenministerin [[Hillary Clinton]] schwere Vorwürfe wegen deren zu zurückhaltender Kritik am Verlauf der [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|ägyptischen Parlamentswahlen Ende 2010]]<ref>[http://www.newsweek.com/2011/01/27/mohamed-elbaradei-the-return-of-the-challenger.html Mohamed ElBaradei: The Return of the Challenger]</ref>.<br />
<br />
=== Donnerstag, 27. Januar ===<br />
Nachdem die Aktienkurse an der [[Egyptian Exchange|Ägyptischen Börse]] innerhalb von 15 Minuten um 6,25 Prozent gefallen waren, wurde der Handel ausgesetzt. <ref name="Bild1" /> Der Börsenindex fiel mit 5.916,74 Punkten auf ein 6-Monats-Tief. Seit Jahresanfang hatte er über 17 Prozent verloren. <ref name="spiegel1">[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,741932,00.html Aufstand gegen Mubarak-Diktatur - Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen] vom 27. Januar 2011 </ref><br />
<br />
Die Regierung ließ über die staatliche Rundfunkgesellschaft [[Egyptian Radio and Television Union]] (ERTU) verbreiten, dass sich die [[Ägyptische Volksversammlung]] am Sonntag mit der Armutsbekämpfung, dem Gesundheitssystem und einer Anhebung des staatlichen Mindestlohns beschäftigen wolle. <ref name="spiegel1" /><br />
<br />
Das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] gab einen [[Reisehinweis]] heraus, nach der Reisende ''Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig meiden [...] und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen'' sollten. <ref>[[Auswärtiges Amt]] - [http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AegyptenSicherheit.html?nn=363090#doc363010bodyText1 Sicherheitshinweise zu Ägypten] vom 27. Januar 2011</ref><br />
<br />
Am Abend traf [[Mohammed el-Baradei]] in Kairo ein, dessen Kandidatur für das Amt des ägyptischen Präsidenten durch die von Mubarak geänderte Verfassung faktisch aussichtslos geworden war. El-Baradei bot sich als Anführer eines friedlichen Wechsels an.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubaraks Widersacher mischt sich ein<br />
| autor=Yassin Musharbash<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742088,00.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-27<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Eine halbe Stunde vor Mitternacht wurde auf Anweisung der Regierung Ägypten nahezu komplett vom Internet getrennt. Das geschah durch Löschung der Routen-Einträge des [[Border Gateway Protocol]]s bei fast sämtlichen ägyptischen [[Internet Service Provider]]n. Ausgenommen von der Abschaltung des Internets war lediglich [[Noor Data Networks]], ein relativ kleiner [[Internetdienstanbieter|ISP]], zu dessen Kunden unter anderem die ägyptische Börse zählt.<br />
Die [[SMS]]- und [[BlackBerry]]-Kommunikation wurde unterbunden. Im Laufe des Freitags wurden außerdem in bestimmten Regionen die Mobilfunknetze abgeschaltet.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-und-ohne-Mobilfunk-4-Update-1179102.html | titel=Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk | zugriff=2011-01-29}}</ref> Funkamateure nutzen daraufhin u.a. [[Morsecode]] um Nachrichten aus dem Land zu senden.<ref>http://news.cnet.com/8301-27080_3-20029927-245.html</ref> Außerdem wurden über Twitter Nummern ausgetauscht, um sich über veraltete Modemverbindungen mit dem noch bestehenden Telefonnetz ins Internet einzuwählen.<ref>https://twitter.com/ioerror/statuses/31030346854170624</ref><br />
<br />
=== Freitag, 28. Januar ===<br />
Am 28. Januar 2011 fanden die heftigsten Proteste seit dem Beginn des Aufstands am 25. Januar 2011 statt.<br />
<br />
Die ägyptische Regierung hat an diversen Stellen die [[Freitagsgebet]]e verboten, um so die Organisation weiterer Proteste zu erschweren.<ref>http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-1179102.html</ref> Es gab Berichte, wonach der Friedensnobelpreisträger [[Mohammed el-Baradei]] unter [[Hausarrest]] gestellt worden sei.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Friedensnobelpreisträger El Baradei unter Hausarrest gesetzt<br />
| hrsg=[[Focus]]<br />
| url=http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/aegypten-friedensnobelpreistraeger-el-baradei-unter-hausarrest-gesetzt_aid_594667.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-28<br />
}}<br />
</ref> Nach gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten verhängte die ägyptische Regierung eine nächtliche [[Ausgangssperre]], die aber von den Protestierenden weitgehend ignoriert wurde. Am frühen Abend wurde die Parteizentrale der [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratischen Partei]] (NDP) in Kairo in Brand gesetzt.<ref>[[Der Standard]]: [http://derstandard.at/1295571070488/Proteste-eskalieren-Ausgangssperre-verhaengt ''Proteste eskalieren, Ausgangssperre verhängt''], 28. Januar 2011</ref> Abends rückten Armeeeinheiten in gepanzerten Fahrzeugen in Kairo ein und sicherten laut dem Staatsfernsehen unter anderem das der brennenden Parteizentrale unmittelbar gegenüber liegende [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptische Museum]]. Bereits zuvor hatten Demonstranten das Museum vor dem Feuer und vor Plünderungen geschützt.<ref> [http://www.ftd.de/politik/international/:ticker-aufruhr-in-nordafrika-armee-sichert-aegyptisches-museum/60004405.html Financial Times Deutschland] </ref><br />
<br />
Der Parteichef der [[Wafd-Partei]], [[Sayyid al-Badawi]], forderte eine Übergangsregierung und sprach sich für Neuwahlen und eine Verfassungsänderung aus.<ref>[http://derstandard.at/1295571134675/Oppositionelle-Wafd-Partei-fordert-Uebergangsregierung Oppositionelle Wafd-Partei fordert Übergangsregierung]</ref><br />
<br />
In einer Fernsehansprache am späten Abend rechtfertigte Präsident Mubarak das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er kündigte für den nächsten Tag eine Regierungsumbildung an und sagte demokratische und wirtschaftliche Reformen zu. Seinen eigenen Rücktritt schloss er jedoch aus. Nach der Rede gingen in der Nacht die Proteste weiter; und die Demonstranten forderten erneut den Rücktritt des Staatschefs. Insgesamt kamen nach offiziellen Angaben an diesem Freitag und der darauf folgenden Nacht zum Samstag bei den bisher schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften 35 Menschen ums Leben. Nach Medienangaben gab es fast hundert Tote und tausende Verletzte. Der US-amerikanische Präsident [[Barack Obama]], die deutsche Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]] sowie der UN-Generalsekretär [[Ban Ki-moon]] forderten ein Ende der Gewalt und mahnten die Einhaltung der [[Bürgerrecht]]e an – insbesondere das Recht auf [[Meinungsfreiheit|freie Meinungsäußerung]] sowie die [[Informationsfreiheit|Informations-]] und [[Versammlungsfreiheit]].<br />
<ref>{{internetquelle<br />
| titel=Mubarak will Regierung umbilden - Proteste gehen weiter<br />
| hrsg=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]<br />
| url=http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~EE77B37991FC04E189F76BF164EAA29CA~ATpl~Ecommon~Sspezial.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-29<br />
}}</ref><br />
<br />
=== Samstag, 29. Januar ===<br />
Während des gesamten Samstags gingen die Menschen unvermindert zum Protestieren auf die Straße.<br />
<br />
In einem mit [[Al Jazeera|al-Jazeera]] geführten Interview sagte Mohammed el-Baradei, er wisse nichts von einem Hausarrest. Die Proteste würden so lange andauern, bis der Präsident zurückgetreten sei. Das politische System müsse sich ändern, bevor Ägypten voran kommen könne. Mubaraks Fernsehansprache am Tag zuvor bezeichnete er als enttäuschend.<ref>[http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/01/201112974149942894.html Protesters back on Egypt streets]</ref><br />
<br />
Die Regierung um [[Liste_der_Premierminister_von_Ägypten#Die_Premierminister_der_bis_1971_weiterhin_als_VAR_bezeichneten_Arabischen_Republik_.C3.84gypten|Premierminister]] [[Ahmad Nazif]] trat, wie Mubarak in seiner Ansprache angekündigt hatte, zurück.<ref>[[n-tv|n-tv.de]] - [http://www.n-tv.de/politik/Strassenschlachten-in-Kairo-article2471641.html Regierung in Kairo zurückgetreten] vom 29.Januar 2011</ref> [[Ahmed Ezz]], Gründer des Stahlunternehmens ''Al Ezz Industries'' hat sich aus der [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratischen Partei]] zurückgezogen. Ezz gilt als enger Vertrauter von [[Gamal Mubarak]].<br />
<br />
Husni Mubarak hat erstmals während seiner Amtszeit einen Vizepräsidenten ernannt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena soll dieses Amt der bisherige Chef des Nachrichtendienstes ''[[Dschihaz al-Muchabarat al-Amma]]'', Generalleutnant [[Omar Suleiman]], übernehmen. Das Amt des neuen Ministerpräsidenten nimmt demnach der frühere Luftfahrtminister [[Ahmad Schafiq]] ein.<ref>http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/schlaglichter_nt/article12383796/Mubarak-ernennt-neue-aegyptische-Fuehrung.html</ref> Unterdessen forderten die Demonstranten weiterhin den Sturz Mubaraks.<br />
<br />
Zunehmend nutzten - wie schon in geringerem Umfang in den Tagen zuvor - Plünderer die chaotischen Zustände für Beutezüge. Sogar humanitäre Einrichtungen wie z.B. Krankenhäuser wurden nicht verschont. Es entstand zum Teil erheblicher Sachschaden. Im [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptischen Museum]] wurden Mumien und andere Relikte altägyptischer Geschichte zerstört. Unter anderem wurden Exponate des Pharaos [[Tutanchamun]] vernichtet. Wafaa el-Saddik, die bis Ende 2010 leitende Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo war, machte das Wachpersonal und Polizisten für die Plünderungen in der Kunstsammlung verantwortlich. „Das waren die Wächter des Museums, unsere eigenen Leute“, so el-Saddik. Ein weiteres Museum in [[Memphis (Ägypten)|Memphis]] wurde Samstag früh komplett ausgeraubt.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Plünderer zerstören Tutanchamun-Schätze<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,742521,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Zum Schutz vor marodierenden Banden schlossen sich Einwohner in mehreren Städten zu bewaffneten Bürgerwehren zusammen. Viele Demonstranten vermuten, dass das Chaos von der Regierung gewollt sei, um den Widerstand zu diskreditieren. Auf Anordnung ließ die Polizei mindestens 4000 Verbrecher frei. Die Armee versuchte das Problem in den Griff zu bekommen, wirkte jedoch zeitweise überfordert. Sie versuchte, an einigen strategischen Punkten in Kairo Straßen und Zufahrten abzuriegeln. Am Samstag wandte sich einer ihrer Sprecher in einer TV-Ansprache an die Ägypter und warnte davor „zu stehlen, zu plündern, zu rauben oder Angst zu verbreiten“.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Bürgerwehren rüsten sich gegen Plünderer<br />
| autor=Matthias Gebauer und Yassin Musharbash<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742464,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Plünderer zerstören Kulturschätze<br />
| hrsg=[[Focus]]<br />
| url=http://www.focus.de/politik/ausland/kairo-pluenderer-zerstoeren-kulturschaetze_aid_594957.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Das waren unsere eigenen Leute<br />
| hrsg=[[Zeit Online]]<br />
| url=http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-01/interview-el-saddik<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel="Mubarak will Ägypten brennen sehen"<br />
| autor=Daniel Steinvorth und Volkhard Windfuhr<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742498,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
In der mittelägyptischen Stadt [[Beni Suef]] versuchten Personen, an zwei verschiedenen Stellen der Stadt Polizeiwachen zu stürmen. Daraufhin eröffneten dort die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition das Feuer. Bei den Vorfällen starben siebzehn Menschen. <ref>Shaimaa Fayed: [http://www.reuters.com/article/2011/01/29/us-egypt-benisuef-idUSTRE70S3T420110129 ''Police shoot dead 17, attacking Egypt police stations''] Reuters, 29. Januar 2011 (in englischer Sprache)</ref><br />
<br />
In einer von al-Jazeera ausgestrahlten Fernsehansprache rief [[Yusuf al-Qaradawi]], einer der Führer der [[Muslimbruderschaft]], Mubarak auf, das Land zu verlassen.<ref>[http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4020733,00.html Top cleric: Mubarak, go away!]</ref><br />
<br />
=== Sonntag, 30. Januar ===<br />
Am Morgen begannen die Proteste auf dem [[Tahrir|Tahrir-Platz]] in Kairo von Neuem. Die meisten Ausländer, die sich bisher noch im Lande aufgehalten hatten, ließen sich nun ausfliegen, unter ihnen der US-Botschafter.<br />
Am Sonntag rückten Armeeeinheiten in das von den Unruhen bisher nicht direkt betroffene Urlauberziel [[Sharm El-Sheikh]] und in die Stadt [[Al-Arisch]] ein.<ref>http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/629600/Armee-rueckt-in-Urlaubsparadies-Sharm-elSheikh-ein?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/628162/index.do&direct=628162</ref><br />
<br />
Der Fernsehsender [[Al Jazeera]], der bisher eine Hauptinformationsquelle der Proteste darstellte, war nun zunehmenden Repressalien von Seiten des Staates ausgesetzt, was in Verbot und Entziehung seiner [[Lizenz]], Schließung des Kairoer Büros im Laufe des Tages und Abschaltung der [[Sendefrequenz]] resultierte, die aber weiterhin von vielen Ägyptern umgangen werden konnte. Proteste vonseiten des Senders und Vorwürfe der [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] hatten aber keine Auswirkungen auf die Repressalien.<br />
China verschärfte seinerseits die innerstaatliche Internetzensur, um ein mögliches Übergreifen der Proteste zu verhindern.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Liveticker zum Aufstand<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742483,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Das ägyptische Militär setzte am [[Tahrir]]-Platz unterdessen Militärtransporthubschrauber vom Typ [[Mil Mi-8]] ein, die die Proteste aus der Luft überwachen sollen. Zwei Kampfflugzeuge vom Typ [[General Dynamics F-16|F-16]] flogen mehrmals im Tiefflug in der Innenstadt über die Demonstranten.<ref>http://www.fr-online.de/politik/kampfjets-donnern-ueber-kairo/-/1472596/7136848/-/index.html</ref> Mit rund 40 bis 50 Kampf[[panzer]]n vom Typ [[M1 Abrams]] wurde die militärische Präsenz vor der Innenstadt erhöht.<ref>http://www.bild.de/BILD/politik/2011/01/30/aegypten-kampfflugzeuge-ueber-kairo/kampfpanzer-vor-den-toren-der-hauptstadt.html</ref> Später am Abend wurden Teile des veralteten [[FidoNet]]s, einem Vorgänger des Internets über [[Mailbox_(Computer)|Mailboxen]] („BBS“), reaktiviert um die Internetsperren zu umgehen. <br />
<br />
Beobachter berichteten über ausgebrannte Polizeiwachen und gestürmte Gerichtsgebäude; Krankenhäuser könnten lediglich eine Notversorgung aufrechterhalten. Reiche Ägypter verließen nach diesen Mitteilungen das Land über die Flughäfen.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Die Reichen fliehen, die Armen leiden <br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742532,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Derweil kam es erneut zu Plünderungen. Es bestätigten sich Berichte über die Schändung des Ägyptischen Museums in Kairo. Die nahegelegene und ausgebrannte Ruine der Zentrale der Regierungspartei droht inzwischen einzustürzen und auf das Museumsgebäude zu fallen. Das Oberhaupt der [[Koptische Kirche|Koptisch-Orthodoxen Kirche]], [[Shenouda III.|Papst Shenouda III.]], rief dazu auf, an den Protesten gegen die Regierung Mubarak nicht teilzunehmen.<ref>[http://www.jesus.de/blickpunkt/detailansicht/ansicht/-/174965kopten-papst-shenouda-iii.-unterstuetzt-regierung-mubarak.html Menschenrechtler enttäuscht: Kopten-Papst Shenouda III. unterstützt Regierung Mubarak]</ref><br />
<br />
=== Montag, 31. Januar ===<br />
Korrespondenten berichteten, dass der [[Tahrir|Tahrir-Platz]] mit Stacheldraht umzogen und für die Öffentlichkeit gesperrt worden sei. Polizeikräfte seien wieder im regulären Einsatz, beispielsweise zur Verkehrsregelung.<br />
<br />
Mubarak ernannte derweil Mahmoud Wagdy, den bisherigen Oberinspektor aller nationalen Justizvollzugsanstalten, zum neuen Innenminister.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Live blog 31/1 Egypt protests<br />
| hrsg=[[Al Jazeera]]<br />
| url=http://blogs.aljazeera.net/middle-east/2011/01/30/live-blog-311-egypt-protests<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Gegen Nachmittag bezeichnete ein Sprecher der ägyptischen Armee im Staatsfernsehen die Forderungen der Demonstranten als „legitim“ und kündigte an, „keine Gewalt gegen das ägyptische Volk einzusetzen“. „Die Meinungsfreiheit in friedlicher Form ist für alle garantiert“, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Mena.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Ägyptens Armee will nicht auf Bürger schießen<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742771,00.html<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}</ref><br />
<br />
In Alexandria gab es ebenfalls eine größere Demonstration und der bedeutende Handelshafen blieb weiterhin geschlossen. Die Armee wird verstärkt gegen die zahlreichen Plünderer eingesetzt. Rund 450 Personen wurden danach verhaftet und sollen vor ein Militärgericht gestellt werden.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Armee will keine Gewalt einsetzen<br />
| hrsg=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]<br />
| url=http://www.faz.net/-01nx54<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
=== Dienstag, 1. Februar ===<br />
Allein in der Hauptstadt Kairo demonstrierten nach Informationen des Fernsehsenders Al Jazeera bis zu zwei Millionen Menschen. Proteste dieses Umfangs gab es seit des Amtsantritts von Mubarak nicht.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Das Volk feiert seine Zukunft<br />
| titelerg=Mega-Protest in Kairo<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743007,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
An den Zugängen zum Tahrir-Platz fanden Personenkontrollen statt, bei denen Inhabern eines Personalausweises des Innenministeriums der Zutritt verweigert wurde. Einige Personen wurden vom Militär festgenommen, da sie versucht hatten, Waffen auf den Platz zu bringen. Durch diese Kontrollen konnte sichergestellt werden, dass die Demonstrationen friedlich verliefen und Volksfestcharakter hatten.<br />
Die Armee sicherte den [[Palast]] des Staatspräsidenten mit Stacheldraht, um Eindringlinge abzuhalten. Die Armee hat versprochen, keine Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742809,00.html Armee schützt Mubaraks Palast mit Stacheldraht] Spiegel Online, 1. Februar 2011</ref><br />
<br />
Am Abend verkündete Mubarak in einer Fernsehansprache, er wolle nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren und er werde das Gespräch mit politischen Gruppen suchen.<ref>[http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/mubarak-proteste-ansprache Mubarak verzichtet auf weitere Amtszeit] Artikel auf Zeit-Online vom 1. Februar 2011</ref> Von den Teilnehmern des Volksaufstands gegen Mubarak wird dies für Heuchelei aus taktischen Gründen gehalten. Besonderen Ärger löste Mubarak mit diesem Satz aus: „Dieses Land ist auch meine Heimat, und in diesem werde ich sterben“.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubarak verspricht Rückzug auf Raten<br />
| titelerg=Rede des Präsidenten<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743036,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
Die Menschenmenge reagierte mit wütenden Rufen. "Hau ab, Hau ab!". Oder: "Das ist nicht genug, das ist nicht genug!" Aus den Reihen der Opposition zeigte sich unter anderem Mohammed El-Baradei nach der Rede enttäuscht.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubaraks Rückzugsplan provoziert Regimegegner<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743044,00.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Liveticker zum Aufstand in Ägypten<br />
| titelerg=22.20 Uhr - Demonstranten reagieren enttäuscht<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742809,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
An einer großen Kreuzung nahe den Pyramiden (Midan el-Rimaya), die wie jeden Tag zur Zeit der Ausgangssperre vom Militär besetzt war, kam es weit nach Mitternacht erstmals zu einer Demonstration von etwa 200 Menschen, die "Hosni, Hosni" riefen und regierungsfreundliche Plakate und Transparente hoch hielten. An einer Panzersperre machten sie kehrt und verliefen sich Richtung Kafr el-Nasr bzw. Faisalstraße.<br />
<br />
=== Mittwoch, 2. Februar ===<br />
Am Tag nach der Rücktrittsankündigung von Husni Mubarak drängte die Armee erstmals auf ein Ende der Proteste.<ref name="protestende">[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743088,00.html Ägyptens Armee fordert Stopp der Proteste] Spiegel Online, 2. Februar 2011.</ref> Die Botschaft der Menschen sei angekommen, ihre Forderungen seien bekannt, erklärte ein Armeesprecher.<ref name="protestende"/> Staatliche Medien berichteten über eine Suspendierung des ägyptischen Parlaments bis zur Überprüfung des Ergebnisses der [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|Wahl vom Dezember des Vorjahres]]. Hintergrund sind die Betrugsvorwürfe der Opposition bei dieser Wahl.<ref>[http://www.abendblatt.de/politik/article1775547/Parlament-beendet-die-Arbeit-Militaer-will-Proteste-stoppen.html Ägypten: Parlament beendet die Arbeit – Militär will Proteste stoppen]</ref><br />
<br />
Seit den Mittagsstunden wurde der Internetzugang wieder geöffnet. Die Ausgangssperre - an die sich sowieso niemand hält - wurde um zwei Stunden auf 17 Uhr verschoben.<br />
<br />
Am Nachmittag kam es auf dem Tahrir zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und Unterstützern des Präsidenten. Männer in Zivilkleidung auf Pferden, Kamelen und Eseln griffen auf Seiten der Unterstützer ein.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Clashes Break Out in Tahrir Square<br />
| hrsg=[[Al Jazeera]]<br />
| url=http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/02/201122124446797789.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Im Gegensatz zum Vortag gab es heute keine Personenkontrollen des Militärs an den Zugängen zum Tahrir, so dass es tausenden <br />
Anhängern des Präsidenten und der Regierungspartei gelang, oppositionelle Demonstranten mit Steinen und Flaschen anzugreifen. Dachziegel und Steine wurden von Dächern umliegender Gebäude auf die Demonstranten geworfen. Präsidenten Anhänger griffen Demonstranten von Pferden und Kamelen aus an. Dabei soll es laut Al-Jazeera zu über 400 Verletzten und einem Toten gekommen sein.<ref> Meldung von 21.30 Uhr Ortszeit unter Berufung auf Regierungsquellen.</ref> Die Armee gab Warnschüsse in die Luft ab und versucht Präsidenten-Anhänger und Oppositionelle zu trennen. <ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Lage in Kairo eskaliert - Mubaraks Kavallerie schlägt zu<br />
| hrsg=[[Tagesschau]]<br />
| url=http://www.tagesschau.de/ausland/mubarak128.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
Nach Berichten des Fernsehsenders Al-Jazeera International allerdings griff die Armee nicht ein um die Kontrahenten zu trennen, sondern verhielt sich völlig passiv.<br />
[[Mohammed el-Baradei]] hat die Armee aufgerufen, die blutigen Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz zu beenden. <ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Ägypten-Liveticker - Hunderte Regierungsgegner bei Protesten verletzt<br />
| hrsg=[[Der Spiegel|Spiegel-Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743133,00.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
==Internationale Reaktionen==<br />
Die deutsche Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]], Frankreichs Staatspräsident [[Nicolas Sarkozy]] und der britische Premierminister [[David Cameron]] haben den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, einen Wandel in seinem Land einzuleiten. Ein „Transformationsprozess“ müsse sich in einer Regierung widerspiegeln, die sich auf eine breite Basis stütze, sowie in freien und fairen Wahlen.<ref>http://www.focus.de/politik/ausland/aegypten-staatschefs-appellieren-an-mubarak_aid_594971.html</ref> Der [[Präsident des Europäischen Rates]] [[Herman Van Rompuy]] verlangte ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten und die Freilassung aller politischen Gefangenen.<ref>http://www.dw-world.de/dw/function/0,,83389_cid_14804181,00.html</ref><br />
<br />
Der russische Außenminister [[Sergej Lawrow]] äußerte die Hoffnung, dass „die ägyptische Führung und die gesamte Gesellschaft ein hohes nationales Verantwortungsbewusstsein zeigen und alles Notwendige tun werden, um die Situation zu stabilisieren und den Bürgerfrieden zu sichern, der für den Fortschritt und die Erfüllung der Erwartungen des Volkes notwendig ist“.<ref>http://de.rian.ru/politics/20110129/258211002.html</ref><br />
<br />
Die Reaktionen aus [[Israel]] fielen zurückhaltend aus. Der israelische [[Politiker]] und [[Brigadegeneral]] [[Benjamin Ben Eliezer]], bekannt als Experte für israelisch-arabische Beziehungen und als Freund [[Omar Suleiman]]s, der von Husni Mubarak zum ägyptischen Vize-Präsidenten ernannt wurde, sagte: „Ich halte eine Revolution in Ägypten für unmöglich, die Lage dort wird sich beruhigen“. Das israelische Außenministerium erklärte, es handle sich um innere Angelegenheiten eines Nachbarstaates. <br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Israel hält Ägyptens Diktator die Treue<br />
| autor=Gil Yaron, Jerusalem<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741986,00.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-27<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Unruhen in Algerien 2011]]<br />
* [[Revolution in Tunesien 2010/2011]]<br />
* [[Proteste im Jemen 2011]]<br />
* [[Proteste in Jordanien 2011]]<br />
* [[Chalid Muhammad Saʿid]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|2011 Egyptian protests|Tag des Zorns}}<br />
{{Wikinews|Ägypten: Massiver Polizeieinsatz und Internetzensur gegen Demokratiebewegung}}<br />
* [http://english.aljazeera.net/indepth/spotlight/anger-in-egypt/ Nachrichtenbrennpunkt] und [http://english.aljazeera.net/watch_now/ Live Stream] auf [[Al Jazeera]]<br />
* [http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-1488/i.html Aufstände in Ägypten: Tage des Zorns] Qantara.de<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Geschichte (Ägypten)]]<br />
[[Kategorie:Politik (Ägypten)]]<br />
[[Kategorie:Konflikt 2011|Ägypten]]<br />
[[Kategorie:Demonstration]]<br />
[[Kategorie:Aufruhr]]<br />
<br />
[[ar:الاحتجاجات في مصر 2011]]<br />
[[arz:ثورة الغضب المصرية]]<br />
[[az:2011-ci il Misir iğtişaşları]]<br />
[[bg:Египетски протести (2011)]]<br />
[[ca:Protestes d'Egipte de 2011]]<br />
[[cs:Demonstrace v Egyptě 2011]]<br />
[[cy:Chwyldro'r Aifft, 2011]]<br />
[[da:Optøjerne i Egypten i 2011]]<br />
[[el:Ταραχές στην Αίγυπτο το 2011]]<br />
[[en:2011 Egyptian protests]]<br />
[[eo:Protestoj en Egiptio en 2011]]<br />
[[es:Protestas en Egipto de 2011]]<br />
[[fa:اعتراضات سراسری در مصر (۲۰۱۱)]]<br />
[[fi:Egyptin mielenosoitukset 2011]]<br />
[[fr:Protestations égyptiennes de 2011]]<br />
[[he:ההפגנות במצרים (2011)]]<br />
[[hu:2011-es egyiptomi tüntetések]]<br />
[[hy:Ցույցեր Եգիպտոսում (2011)]]<br />
[[id:Demonstrasi Mesir 2011]]<br />
[[it:Sommosse popolari in Egitto del 2011]]<br />
[[ja:2011年エジプト騒乱]]<br />
[[ko:2011년 이집트 정권 퇴진 시위]]<br />
[[la:Manifestationes Aegyptiae anni 2011]]<br />
[[lv:2011. gada nemieri Ēģiptē]]<br />
[[ml:2011-ലെ ഈജിപ്ഷ്യൻ പ്രക്ഷോഭം]]<br />
[[ms:Bantahan Mesir 2011]]<br />
[[nl:Protesten in Egypte (2011)]]<br />
[[no:Opprøret i Egypt i 2011]]<br />
[[pl:Protesty w Egipcie (2011)]]<br />
[[pt:Protestos no Egito em 2011]]<br />
[[ro:Protestele din Egipt 2011]]<br />
[[ru:Волнения в Египте (2011)]]<br />
[[simple:2011 Egyptian protests]]<br />
[[sv:Protesterna i Egypten 2011]]<br />
[[ta:2011 எகிப்திய போராட்டம்]]<br />
[[th:การประท้วงในอียิปต์ พ.ศ. 2554]]<br />
[[tr:2011 Mısır protestoları]]<br />
[[uk:Протести в Єгипті (2011)]]<br />
[[vi:Biểu tình Ai Cập, 2011]]<br />
[[wa:Revintreye edjipsyinne]]<br />
[[zh:2011年埃及反政府示威]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Revolution_in_%C3%84gypten_2011&diff=84776673Revolution in Ägypten 20112011-02-02T21:01:32Z<p>Xjs: Komma</p>
<hr />
<div>[[Bild:Egyptian protests at Giza Jan 25.jpg|miniatur|hochkant=2|Demonstrationen in Ägypten]]<br />
<br />
Die '''Proteste in Ägypten 2011''' ({{ArS|انتفاضة الغضب|d=Intifāḍat al-ġaḍab}}) sind ein durch die [[Revolution in Tunesien 2010/2011]] inspiriertes Aufbegehren weiter Teile der Bevölkerung [[Ägypten]]s. Die Massenproteste richten sich vor allem gegen das seit Oktober 1981 bestehende Regime des Präsidenten [[Muhammad Husni Mubarak]] und auf die Forderung nach Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Sie begannen am 25. Januar 2011, dem „Tag des Zorns“ ({{arS|يوم الغضب|w=Yaum al-Ghadab|d=yaum al-ġaḍab}}), und dauern an.<br />
<br />
== Hintergrund ==<br />
{{Hauptartikel|Politisches System Ägyptens}}<br />
Mubarak erließ 1982 bis heute andauernde [[Notstandsgesetz]]e, die ihn zum autoritären Herrscher machten. Grund war der Anschlag fundamentalistischer Angehöriger der ägyptischen Streitkräfte auf seinen Vorgänger [[Anwar as-Sadat]]. 2005 versprach Mubarak eine politische Öffnung des Landes und die Zulassung von unabhängigen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen. Nachdem die islamistische [[Muslimbruderschaft]] bei den Wahlen an Einfluss gewann, wurde der Liberalisierungskurs wieder gestoppt.<br />
<br />
Ende 2010 fanden die von Wahlbetrug geprägten letzten [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|Parlamentswahlen]] statt. Dabei errang die [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratische Partei]] von Husni Mubarak 420 der 508 Sitze.<ref>[http://www.europeanforum.net/news/1020/egyptian_parliamentary_elections_render_opposition_powerless europeanforum.net, entnommen am 31.12.2010]</ref><ref name="lässt">{{Internetquelle | autor= Karim El-Gawhary | url=http://taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/mubarak-laesst-abstimmen/ | titel=Mubarak lässt abstimmen |werk=[[die tageszeitung]] |datum=2010-11-22|sprache=de|zugriff=2010-11-24}}</ref> Die Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die [[Muslimbruderschaft]] verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis; sie halte sich bei den Protesten auffällig abseits.<ref name="ts"></ref><br />
<br />
Ursache für die erhöhte Protestbereitschaft ist, wie in vielen anderen arabischen Staaten, der Unmut über das autoritäre Regime mit einem aufgeprägten Sicherheitsapparat, fehlende Mitsprachemöglichkeiten der Bürger, [[Korruption]] in Staat, Wirtschaft und Verwaltung, eine hohe [[Arbeitslosigkeit]] insbesondere der jüngeren Bevölkerung und eine wachsende [[Armut]] unter anderem durch [[Überbevölkerung]]. Die [[OECD]] mahnte im November 2010 gegen die Korruption vorzugehen, die [[Inflation]]srate lag zuletzt bei elf Prozent. Zwar habe Mubarak Wirtschaftsreformen angestoßen, doch profitierte nur die wirtschaftliche Elite, die vermehrt Einfluss gewann und die Präsidentenfamilie stützte. Muriel Asseburg, Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der [[Stiftung Wissenschaft und Politik]] in Berlin erklärte, der Regierung sei es nicht gelungen „ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für die schnell wachsende Bevölkerung zu schaffen“. Der Aufstand der zunächst meist jungen Demonstranten ist von Forderungen nach politischen Reformen, [[Pluralismus (Politik)|Pluralität]] und [[Meinungsfreiheit]] geprägt, weiter werden garantierte [[Grundrechte]] und demokratische Wahlen eingefordert. Im Laufe der Proteste beteiligen sich zunehmend weitere gesellschaftliche Schichten. <ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742775,00.html ''Wurzeln der Wut''] Katharina Peters in: [[Spiegel Online]] vom 1. Februar 2011</ref><ref name="ts">[http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-01/aegypten-demonstrationen-mubarak ''Arabiens Zentrum will den Wandel''], [[Zeit Online]] vom 27. Januar 2011</ref><br />
<br />
Der Professor für Ökonomie [[:en:Tarik Yousef|Tarik Yousef]], Mitbegründer des arabisch-amerikanischen Forschungsprojektes ''Middle East Youth Initiative'' und Herausgeber des Buches ''A Generation in Waiting – The Unfulfilled Promise of Young People in the Middle East'' sagte in einem Gespräch mit ''[[Zenith – Zeitschrift für den Orient]]'' zu den Aufständen in Tunesien und Ägypten: „Die arabischen Führer haben auf Zeit gespielt, sie haben geglaubt, dass sie die Jugend lange genug durch Repressionen im Zaum halten können würden und sich während ihrer Amtszeit nicht mehr mit dem Problem auseinandersetzen müssten, [...] Der Jugendüberschuss hätte, richtig genutzt, gar nicht zum Problem werden müssen, sondern hätte den arabischen Volkswirtschaften fantastische Vorteile verschaffen können. Millionen von jungen, leistungsfähigen Menschen, deren Arbeits- und Kaufkraft alleine schon durch ihre schiere Masse das Wirtschaftswachstum in ihren Heimatländer enorm hätte ankurbeln können. Die Regierungen haben es schlichtweg versäumt, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen und damit ihr größtes Kapital verschwendet.“ Jahrzehntelang hätten die arabischen Machthaber die Augen vor der [[Demographie|demografischen Wirklichkeit]] verschlossen, die die Sozialwissenschaft als „muslim youth bulge“ (muslimischer Jugendüberschuss) bezeichnet. Vom Washingtoner [[Pew Research Center]] veröffentlichte aktuelle Zahlen würden zeigen, dass etwa sechzig Prozent der Bevölkerung in der arabischen Welt unter 30 Jahre alt sind. Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben damit den weltweit höchsten Anteil junger Leute an der Gesamtbevölkerung. Gepaart mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in den arabischen Ländern, ergäbe der „[[Youth Bulge|youth bulge]]“ eine gefährliche Mischung. Eine ganze Generation fühle sich – so Yousef – gedemütigt, da durch Arbeitslosigkeit ihnen der Zugang zu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens versperrt würde: „Wer kein Geld verdient, kann sich keine eigene Wohnung leisten, kann nicht heiraten oder eine Familie gründen, sondern bleibt von seinen Eltern abhängig.“<ref>[http://www.zenithonline.de/844.html ''Aufstand einer betrogenen Generation''], Yasemin Ergin in [[Zenith – Zeitschrift für den Orient]]</ref><br />
<br />
Die zunächst größte Protestbewegung des Landes ist die „[[Jugendbewegung des 6. April]]“. Sie besteht vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Ägyptern, von denen viele bislang nichts mit Politik zu tun hatten. Die Bewegung ist ihrer Eigendarstellung zufolge „unabhängig von politischen Richtungen oder politischen Trends“. Ihre Mitglieder eine nur „die Liebe zu unserem Land und das Verlangen, es zu reformieren“. Sie rief gemeinsam mit der Gruppe „We are all [[Chalid Muhammad Saʿid| Khaled Said]]“ zum „''Tag des Zorns''“ aus und organisierte die ersten Proteste hauptsächlich im Internet über [[Facebook]].<ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/krise-in-aegypten-die-kinder-des-april-rufen-zum-protest-1.1053426 ''Die Kinder des 6. April und der Tag der Entscheidung''],[[sueddeutsche.de]] vom 31. Januar 2010</ref><br />
<br />
== Chronologie ==<br />
[[Datei:Central Security Forces in 2011 Egyptian Protests.jpg|thumb|Spezialeinheiten der ägyptischen Polizei]]<br />
[[Datei:Day of Anger marchers with out signs.jpg|thumb|Demonstranten mit ihren Forderungen in Kairo]]<br />
[[Datei:Day of Anger riot police close.jpg|thumb|Paramilitärische Polizei am 25. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Al jazeera 2011 egypt protests.ogv|thumb|Bericht von [[Al Jazeera]]]]<br />
[[Datei:Day of Anger marchers in street.jpg|thumb|Demonstrationen am 25. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Day of Anger women with flag.jpg|thumb|Demonstrierende Frauen am sogenannten „Tag des Zorns“ (25. Januar 2011)]]<br />
[[Datei:Demonstration in Imaba, Cario.jpg|thumb|Demonstrationen in [[Kairo]] am 28. Januar 2011]]<br />
[[Datei:Demonstrators on Army Truck in Tahrir Square, Cairo.jpg|thumb|Demonstranten, die am 29. Januar 2011 auf einem Panzer in der Innenstadt von Kairo stehen]]<br />
[[Datei:Army Truck and Soldiers in Tahrir Square, Cairo.jpg|thumb|Soldaten, die am 29. Januar 2011 den Protest beobachten]]<br />
[[Datei:2011 Egypt protests - graffiti on military vehicle.jpg|thumb|Ein Armeefahrzeug am 30. Januar 2011 mit Graffiti-Tags: "Nieder mit Mubarak", "Nein zu Mubarak", "der Diktator Mubarak ist gefallen" und "Hau ab, du Dieb!"]]<br />
[[Datei:2011 Egypt protests - sitting line of men.jpg|thumb|Demonstranten am 30. Januar am At-[[Tahrir]]-Platz.]]<br />
=== Dienstag, 25. Januar ===<br />
<br />
Die [[Demonstration|Massenproteste]] begannen in der Hauptstadt [[Kairo]] in der Nähe des Obersten Gerichts und setzten sich am Parlament fort. Die Polizei- und Sicherheitskräfte mit bis zu 30.000 Mann setzten [[Wasserwerfer]] und Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. <ref>[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741584,00.html Krawalle in Kairo - Tausende Ägypter marschieren gegen Mubarak] vom 25. Januar 2011 </ref> Es gab etwa 500 Festnahmen in Kairo und etwa 350 weitere Festnahmen im übrigen Land. <ref>[[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]] - [http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten210.html Proteste und Zusammenstöße in Ägypten - Tausende trotzen dem Demonstrationsverbot] vom 25. Januar 2011 </ref> Auch in den Städten [[Alexandria]], [[Mansura]] und [[Al-Ismaʿiliyya|Ismailiyya]] sowie in [[Assuan]], [[Asyut]] und [[al-Mahdiyya]] gab es Demonstrationen.<br />
<br />
Nach Angaben aus Kreisen des Innenministeriums soll es 500 Festnahmen gegeben haben. Aus Sicherheitskreisen verlautete, innerhalb von zwei Tagen seien landesweit sogar 860 Demonstranten festgenommen worden.<br />
<br />
Bei Massenprotesten in der ägyptischen Hafenstadt [[Sues]] eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten. Dabei wurden zwei Demonstranten getötet. Ein weiterer 45-jähriger Demonstrant wurde mit Gummigeschossen am Bauch getroffen und starb an inneren Blutungen in einer Klinik. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen. <ref>[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741712,00.html Ägyptens Regierung will Proteste ersticken ] vom 26.Januar 2011 </ref><br />
<br />
=== Mittwoch, 26. Januar ===<br />
Nachdem sich tausende junger Demonstranten offenbar über das [[Soziales Netzwerk (Internet)|soziale Netzwerk]] [[Facebook]] und das [[Mikroblogging]]-Netzwerk [[Twitter]] verabredet hatten, wurden beide Dienste in Ägypten gesperrt. <ref>AFP - [http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jbYbU9qKFkpoY5s8JGn2M-PC2UjA?docId=TX-PAR-OOT59 Erneut Proteste und gewaltsame Zusammenstöße in Ägypten] vom 26. Januar 2011 </ref> Bei Massenprotesten in der Hafenstadt Suez wurden 55 Demonstranten und 15 Polizisten durch Steinwürfe verletzt. Die wütende Menge zündete auch eine Polizeistation und weitere staatliche Gebäude an. <ref name="Bild1">[[Bild (Zeitung)|bild.de]] - [http://www.bild.de/BILD/politik/2011/01/27/aegypten-neue-proteste-gegen-mubarak-chaos-in/kairo-geht-weiter.html Ägypten neue Proteste gegen Mubarak - Chaos in Kairo geht weiter] vom 27. Januar 2011 </ref><ref name="spiegel2">[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741873,00.html Unruhen in Ägypten - Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht] vom 27. Januar 2011</ref> Auch ein Gebäude der Regierungspartei [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratische Partei]] (NDP) in Suez wurde angezündet. <ref name="spiegel2" /> Später wurde vermutet, dass es sich dabei um Aufträge seitens der Regierung gehandelt habe<ref>http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742498,00.html</ref>.<br />
<br />
In einem in der [[Newsweek]] erschienen Artikel machte der ehemalige Generaldirektor der [[Internationale Atomenergieorganisation|Internationalen Atomenergieorganisation]] (IAEO) und Träger des [[Friedensnobelpreis]]es [[Mohammed el-Baradei]] US-Außenministerin [[Hillary Clinton]] schwere Vorwürfe wegen deren zu zurückhaltender Kritik am Verlauf der [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|ägyptischen Parlamentswahlen Ende 2010]]<ref>[http://www.newsweek.com/2011/01/27/mohamed-elbaradei-the-return-of-the-challenger.html Mohamed ElBaradei: The Return of the Challenger]</ref>.<br />
<br />
=== Donnerstag, 27. Januar ===<br />
Nachdem die Aktienkurse an der [[Egyptian Exchange|Ägyptischen Börse]] innerhalb von 15 Minuten um 6,25 Prozent gefallen waren, wurde der Handel ausgesetzt. <ref name="Bild1" /> Der Börsenindex fiel mit 5.916,74 Punkten auf ein 6-Monats-Tief. Seit Jahresanfang hatte er über 17 Prozent verloren. <ref name="spiegel1">[[Der Spiegel|spiegel.de]] - [http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,741932,00.html Aufstand gegen Mubarak-Diktatur - Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen] vom 27. Januar 2011 </ref><br />
<br />
Die Regierung ließ über die staatliche Rundfunkgesellschaft [[Egyptian Radio and Television Union]] (ERTU) verbreiten, dass sich die [[Ägyptische Volksversammlung]] am Sonntag mit der Armutsbekämpfung, dem Gesundheitssystem und einer Anhebung des staatlichen Mindestlohns beschäftigen wolle. <ref name="spiegel1" /><br />
<br />
Das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] gab einen [[Reisehinweis]] heraus, nach der Reisende ''Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig meiden [...] und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen'' sollten. <ref>[[Auswärtiges Amt]] - [http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AegyptenSicherheit.html?nn=363090#doc363010bodyText1 Sicherheitshinweise zu Ägypten] vom 27. Januar 2011</ref><br />
<br />
Am Abend traf [[Mohammed el-Baradei]] in Kairo ein, dessen Kandidatur für das Amt des ägyptischen Präsidenten durch die von Mubarak geänderte Verfassung faktisch aussichtslos geworden war. El-Baradei bot sich als Anführer eines friedlichen Wechsels an.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubaraks Widersacher mischt sich ein<br />
| autor=Yassin Musharbash<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742088,00.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-27<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Eine halbe Stunde vor Mitternacht wurde auf Anweisung der Regierung Ägypten nahezu komplett vom Internet getrennt. Das geschah durch Löschung der Routen-Einträge des [[Border Gateway Protocol]]s bei fast sämtlichen ägyptischen [[Internet Service Provider]]n. Ausgenommen von der Abschaltung des Internets war lediglich [[Noor Data Networks]], ein relativ kleiner [[Internetdienstanbieter|ISP]], zu dessen Kunden unter anderem die ägyptische Börse zählt.<br />
Die [[SMS]]- und [[BlackBerry]]-Kommunikation wurde unterbunden. Im Laufe des Freitags wurden außerdem in bestimmten Regionen die Mobilfunknetze abgeschaltet.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-und-ohne-Mobilfunk-4-Update-1179102.html | titel=Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk | zugriff=2011-01-29}}</ref> Funkamateure nutzen daraufhin u.a. [[Morsecode]] um Nachrichten aus dem Land zu senden.<ref>http://news.cnet.com/8301-27080_3-20029927-245.html</ref> Außerdem wurden über Twitter Nummern ausgetauscht, um sich über veraltete Modemverbindungen mit dem noch bestehenden Telefonnetz ins Internet einzuwählen.<ref>https://twitter.com/ioerror/statuses/31030346854170624</ref><br />
<br />
=== Freitag, 28. Januar ===<br />
Am 28. Januar 2011 fanden die heftigsten Proteste seit dem Beginn des Aufstands am 25. Januar 2011 statt.<br />
<br />
Die ägyptische Regierung hat an diversen Stellen die [[Freitagsgebet]]e verboten, um so die Organisation weiterer Proteste zu erschweren.<ref>http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-1179102.html</ref> Es gab Berichte, wonach der Friedensnobelpreisträger [[Mohammed el-Baradei]] unter [[Hausarrest]] gestellt worden sei.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Friedensnobelpreisträger El Baradei unter Hausarrest gesetzt<br />
| hrsg=[[Focus]]<br />
| url=http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/aegypten-friedensnobelpreistraeger-el-baradei-unter-hausarrest-gesetzt_aid_594667.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-28<br />
}}<br />
</ref> Nach gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten verhängte die ägyptische Regierung eine nächtliche [[Ausgangssperre]], die aber von den Protestierenden weitgehend ignoriert wurde. Am frühen Abend wurde die Parteizentrale der [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratischen Partei]] (NDP) in Kairo in Brand gesetzt.<ref>[[Der Standard]]: [http://derstandard.at/1295571070488/Proteste-eskalieren-Ausgangssperre-verhaengt ''Proteste eskalieren, Ausgangssperre verhängt''], 28. Januar 2011</ref> Abends rückten Armeeeinheiten in gepanzerten Fahrzeugen in Kairo ein und sicherten laut dem Staatsfernsehen unter anderem das der brennenden Parteizentrale unmittelbar gegenüber liegende [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptische Museum]]. Bereits zuvor hatten Demonstranten das Museum vor dem Feuer und vor Plünderungen geschützt.<ref> [http://www.ftd.de/politik/international/:ticker-aufruhr-in-nordafrika-armee-sichert-aegyptisches-museum/60004405.html Financial Times Deutschland] </ref><br />
<br />
Der Parteichef der [[Wafd-Partei]], [[Sayyid al-Badawi]], forderte eine Übergangsregierung und sprach sich für Neuwahlen und eine Verfassungsänderung aus.<ref>[http://derstandard.at/1295571134675/Oppositionelle-Wafd-Partei-fordert-Uebergangsregierung Oppositionelle Wafd-Partei fordert Übergangsregierung]</ref><br />
<br />
In einer Fernsehansprache am späten Abend rechtfertigte Präsident Mubarak das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er kündigte für den nächsten Tag eine Regierungsumbildung an und sagte demokratische und wirtschaftliche Reformen zu. Seinen eigenen Rücktritt schloss er jedoch aus. Nach der Rede gingen in der Nacht die Proteste weiter; und die Demonstranten forderten erneut den Rücktritt des Staatschefs. Insgesamt kamen nach offiziellen Angaben an diesem Freitag und der darauf folgenden Nacht zum Samstag bei den bisher schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften 35 Menschen ums Leben. Nach Medienangaben gab es fast hundert Tote und tausende Verletzte. Der US-amerikanische Präsident [[Barack Obama]], die deutsche Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]] sowie der UN-Generalsekretär [[Ban Ki-moon]] forderten ein Ende der Gewalt und mahnten die Einhaltung der [[Bürgerrecht]]e an – insbesondere das Recht auf [[Meinungsfreiheit|freie Meinungsäußerung]] sowie die [[Informationsfreiheit|Informations-]] und [[Versammlungsfreiheit]].<br />
<ref>{{internetquelle<br />
| titel=Mubarak will Regierung umbilden - Proteste gehen weiter<br />
| hrsg=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]<br />
| url=http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~EE77B37991FC04E189F76BF164EAA29CA~ATpl~Ecommon~Sspezial.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-29<br />
}}</ref><br />
<br />
=== Samstag, 29. Januar ===<br />
Während des gesamten Samstags gingen die Menschen unvermindert zum Protestieren auf die Straße.<br />
<br />
In einem mit [[Al Jazeera|al-Jazeera]] geführten Interview sagte Mohammed el-Baradei, er wisse nichts von einem Hausarrest. Die Proteste würden so lange andauern, bis der Präsident zurückgetreten sei. Das politische System müsse sich ändern, bevor Ägypten voran kommen könne. Mubaraks Fernsehansprache am Tag zuvor bezeichnete er als enttäuschend.<ref>[http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/01/201112974149942894.html Protesters back on Egypt streets]</ref><br />
<br />
Die Regierung um [[Liste_der_Premierminister_von_Ägypten#Die_Premierminister_der_bis_1971_weiterhin_als_VAR_bezeichneten_Arabischen_Republik_.C3.84gypten|Premierminister]] [[Ahmad Nazif]] trat, wie Mubarak in seiner Ansprache angekündigt hatte, zurück.<ref>[[n-tv|n-tv.de]] - [http://www.n-tv.de/politik/Strassenschlachten-in-Kairo-article2471641.html Regierung in Kairo zurückgetreten] vom 29.Januar 2011</ref> [[Ahmed Ezz]], Gründer des Stahlunternehmens ''Al Ezz Industries'' hat sich aus der [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratischen Partei]] zurückgezogen. Ezz gilt als enger Vertrauter von [[Gamal Mubarak]].<br />
<br />
Husni Mubarak hat erstmals während seiner Amtszeit einen Vizepräsidenten ernannt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena soll dieses Amt der bisherige Chef des Nachrichtendienstes ''[[Dschihaz al-Muchabarat al-Amma]]'', Generalleutnant [[Omar Suleiman]], übernehmen. Das Amt des neuen Ministerpräsidenten nimmt demnach der frühere Luftfahrtminister [[Ahmad Schafiq]] ein.<ref>http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/schlaglichter_nt/article12383796/Mubarak-ernennt-neue-aegyptische-Fuehrung.html</ref> Unterdessen forderten die Demonstranten weiterhin den Sturz Mubaraks.<br />
<br />
Zunehmend nutzten - wie schon in geringerem Umfang in den Tagen zuvor - Plünderer die chaotischen Zustände für Beutezüge. Sogar humanitäre Einrichtungen wie z.B. Krankenhäuser wurden nicht verschont. Es entstand zum Teil erheblicher Sachschaden. Im [[Ägyptisches Museum (Kairo)|Ägyptischen Museum]] wurden Mumien und andere Relikte altägyptischer Geschichte zerstört. Unter anderem wurden Exponate des Pharaos [[Tutanchamun]] vernichtet. Wafaa el-Saddik, die bis Ende 2010 leitende Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo war, machte das Wachpersonal und Polizisten für die Plünderungen in der Kunstsammlung verantwortlich. „Das waren die Wächter des Museums, unsere eigenen Leute“, so el-Saddik. Ein weiteres Museum in [[Memphis (Ägypten)|Memphis]] wurde Samstag früh komplett ausgeraubt.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Plünderer zerstören Tutanchamun-Schätze<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,742521,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Zum Schutz vor marodierenden Banden schlossen sich Einwohner in mehreren Städten zu bewaffneten Bürgerwehren zusammen. Viele Demonstranten vermuten, dass das Chaos von der Regierung gewollt sei, um den Widerstand zu diskreditieren. Auf Anordnung ließ die Polizei mindestens 4000 Verbrecher frei. Die Armee versuchte das Problem in den Griff zu bekommen, wirkte jedoch zeitweise überfordert. Sie versuchte, an einigen strategischen Punkten in Kairo Straßen und Zufahrten abzuriegeln. Am Samstag wandte sich einer ihrer Sprecher in einer TV-Ansprache an die Ägypter und warnte davor „zu stehlen, zu plündern, zu rauben oder Angst zu verbreiten“.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Bürgerwehren rüsten sich gegen Plünderer<br />
| autor=Matthias Gebauer und Yassin Musharbash<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742464,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Plünderer zerstören Kulturschätze<br />
| hrsg=[[Focus]]<br />
| url=http://www.focus.de/politik/ausland/kairo-pluenderer-zerstoeren-kulturschaetze_aid_594957.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Das waren unsere eigenen Leute<br />
| hrsg=[[Zeit Online]]<br />
| url=http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-01/interview-el-saddik<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel="Mubarak will Ägypten brennen sehen"<br />
| autor=Daniel Steinvorth und Volkhard Windfuhr<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742498,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
In der mittelägyptischen Stadt [[Beni Suef]] versuchten Personen, an zwei verschiedenen Stellen der Stadt Polizeiwachen zu stürmen. Daraufhin eröffneten dort die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition das Feuer. Bei den Vorfällen starben siebzehn Menschen. <ref>Shaimaa Fayed: [http://www.reuters.com/article/2011/01/29/us-egypt-benisuef-idUSTRE70S3T420110129 ''Police shoot dead 17, attacking Egypt police stations''] Reuters, 29. Januar 2011 (in englischer Sprache)</ref><br />
<br />
In einer von al-Jazeera ausgestrahlten Fernsehansprache rief [[Yusuf al-Qaradawi]], einer der Führer der [[Muslimbruderschaft]], Mubarak auf, das Land zu verlassen.<ref>[http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4020733,00.html Top cleric: Mubarak, go away!]</ref><br />
<br />
=== Sonntag, 30. Januar ===<br />
Am Morgen begannen die Proteste auf dem [[Tahrir|Tahrir-Platz]] in Kairo von Neuem. Die meisten Ausländer, die sich bisher noch im Lande aufgehalten hatten, ließen sich nun ausfliegen, unter ihnen der US-Botschafter.<br />
Am Sonntag rückten Armeeeinheiten in das von den Unruhen bisher nicht direkt betroffene Urlauberziel [[Sharm El-Sheikh]] und in die Stadt [[Al-Arisch]] ein.<ref>http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/629600/Armee-rueckt-in-Urlaubsparadies-Sharm-elSheikh-ein?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/628162/index.do&direct=628162</ref><br />
<br />
Der Fernsehsender [[Al Jazeera]], der bisher eine Hauptinformationsquelle der Proteste darstellte, war nun zunehmenden Repressalien von Seiten des Staates ausgesetzt, was in Verbot und Entziehung seiner [[Lizenz]], Schließung des Kairoer Büros im Laufe des Tages und Abschaltung der [[Sendefrequenz]] resultierte, die aber weiterhin von vielen Ägyptern umgangen werden konnte. Proteste vonseiten des Senders und Vorwürfe der [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] hatten aber keine Auswirkungen auf die Repressalien.<br />
China verschärfte seinerseits die innerstaatliche Internetzensur, um ein mögliches Übergreifen der Proteste zu verhindern.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Liveticker zum Aufstand<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742483,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Das ägyptische Militär setzte am [[Tahrir]]-Platz unterdessen Militärtransporthubschrauber vom Typ [[Mil Mi-8]] ein, die die Proteste aus der Luft überwachen sollen. Zwei Kampfflugzeuge vom Typ [[General Dynamics F-16|F-16]] flogen mehrmals im Tiefflug in der Innenstadt über die Demonstranten.<ref>http://www.fr-online.de/politik/kampfjets-donnern-ueber-kairo/-/1472596/7136848/-/index.html</ref> Mit rund 40 bis 50 Kampf[[panzer]]n vom Typ [[M1 Abrams]] wurde die militärische Präsenz vor der Innenstadt erhöht.<ref>http://www.bild.de/BILD/politik/2011/01/30/aegypten-kampfflugzeuge-ueber-kairo/kampfpanzer-vor-den-toren-der-hauptstadt.html</ref> Später am Abend wurden Teile des veralteten [[FidoNet]]s, einem Vorgänger des Internets über [[Mailbox_(Computer)|Mailboxen]](„BBS“), reaktiviert um die Internetsperren zu umgehen. <br />
<br />
Beobachter berichteten über ausgebrannte Polizeiwachen und gestürmte Gerichtsgebäude; Krankenhäuser könnten lediglich eine Notversorgung aufrechterhalten. Reiche Ägypter verließen nach diesen Mitteilungen das Land über die Flughäfen.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Die Reichen fliehen, die Armen leiden <br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742532,00.html<br />
| zugriff=2011-01-30<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Derweil kam es erneut zu Plünderungen. Es bestätigten sich Berichte über die Schändung des Ägyptischen Museums in Kairo. Die nahegelegene und ausgebrannte Ruine der Zentrale der Regierungspartei droht inzwischen einzustürzen und auf das Museumsgebäude zu fallen. Das Oberhaupt der [[Koptische Kirche|Koptisch-Orthodoxen Kirche]], [[Shenouda III.|Papst Shenouda III.]], rief dazu auf, an den Protesten gegen die Regierung Mubarak nicht teilzunehmen.<ref>[http://www.jesus.de/blickpunkt/detailansicht/ansicht/-/174965kopten-papst-shenouda-iii.-unterstuetzt-regierung-mubarak.html Menschenrechtler enttäuscht: Kopten-Papst Shenouda III. unterstützt Regierung Mubarak]</ref><br />
<br />
=== Montag, 31. Januar ===<br />
Korrespondenten berichteten, dass der [[Tahrir|Tahrir-Platz]] mit Stacheldraht umzogen und für die Öffentlichkeit gesperrt worden sei. Polizeikräfte seien wieder im regulären Einsatz, beispielsweise zur Verkehrsregelung.<br />
<br />
Mubarak ernannte derweil Mahmoud Wagdy, den bisherigen Oberinspektor aller nationalen Justizvollzugsanstalten, zum neuen Innenminister.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Live blog 31/1 Egypt protests<br />
| hrsg=[[Al Jazeera]]<br />
| url=http://blogs.aljazeera.net/middle-east/2011/01/30/live-blog-311-egypt-protests<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Gegen Nachmittag bezeichnete ein Sprecher der ägyptischen Armee im Staatsfernsehen die Forderungen der Demonstranten als „legitim“ und kündigte an, „keine Gewalt gegen das ägyptische Volk einzusetzen“. „Die Meinungsfreiheit in friedlicher Form ist für alle garantiert“, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Mena.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Ägyptens Armee will nicht auf Bürger schießen<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742771,00.html<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}</ref><br />
<br />
In Alexandria gab es ebenfalls eine größere Demonstration und der bedeutende Handelshafen blieb weiterhin geschlossen. Die Armee wird verstärkt gegen die zahlreichen Plünderer eingesetzt. Rund 450 Personen wurden danach verhaftet und sollen vor ein Militärgericht gestellt werden.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Armee will keine Gewalt einsetzen<br />
| hrsg=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]<br />
| url=http://www.faz.net/-01nx54<br />
| zugriff=2011-01-31<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
=== Dienstag, 1. Februar ===<br />
Allein in der Hauptstadt Kairo demonstrierten nach Informationen des Fernsehsenders Al Jazeera bis zu zwei Millionen Menschen. Proteste dieses Umfangs gab es seit des Amtsantritts von Mubarak nicht.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Das Volk feiert seine Zukunft<br />
| titelerg=Mega-Protest in Kairo<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743007,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
An den Zugängen zum Tahrir-Platz fanden Personenkontrollen statt, bei denen Inhabern eines Personalausweises des Innenministeriums der Zutritt verweigert wurde. Einige Personen wurden vom Militär festgenommen, da sie versucht hatten, Waffen auf den Platz zu bringen. Durch diese Kontrollen konnte sichergestellt werden, dass die Demonstrationen friedlich verliefen und Volksfestcharakter hatten.<br />
Die Armee sicherte den [[Palast]] des Staatspräsidenten mit Stacheldraht, um Eindringlinge abzuhalten. Die Armee hat versprochen, keine Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742809,00.html Armee schützt Mubaraks Palast mit Stacheldraht] Spiegel Online, 1. Februar 2011</ref><br />
<br />
Am Abend verkündete Mubarak in einer Fernsehansprache, er wolle nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren und er werde das Gespräch mit politischen Gruppen suchen.<ref>[http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/mubarak-proteste-ansprache Mubarak verzichtet auf weitere Amtszeit] Artikel auf Zeit-Online vom 1. Februar 2011</ref> Von den Teilnehmern des Volksaufstands gegen Mubarak wird dies für Heuchelei aus taktischen Gründen gehalten. Besonderen Ärger löste Mubarak mit diesem Satz aus: „Dieses Land ist auch meine Heimat, und in diesem werde ich sterben“.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubarak verspricht Rückzug auf Raten<br />
| titelerg=Rede des Präsidenten<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743036,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
Die Menschenmenge reagierte mit wütenden Rufen. "Hau ab, Hau ab!". Oder: "Das ist nicht genug, das ist nicht genug!" Aus den Reihen der Opposition zeigte sich unter anderem Mohammed El-Baradei nach der Rede enttäuscht.<br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Mubaraks Rückzugsplan provoziert Regimegegner<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743044,00.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Liveticker zum Aufstand in Ägypten<br />
| titelerg=22.20 Uhr - Demonstranten reagieren enttäuscht<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,742809,00.html<br />
| zugriff=2011-02-01<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
An einer großen Kreuzung nahe den Pyrmiden (Midan el-Rimaya), die wie jeden Tag zur Zeit der Ausgangssperre vom Militär besetzt war, kam es weit nach Mitternacht erstmals zu einer Demonstration von etwa 200 Menschen, die "Hosni, Hosni" riefen und regierungsfreundliche Plakate und Transparente hoch hielten. An einer Panzersperre machten sie kehrt und verliefen sich Richtung Kafr el-Nasr bzw. Faisalstraße.<br />
<br />
=== Mittwoch, 2. Februar ===<br />
Am Tag nach der Rücktrittsankündigung von Husni Mubarak drängte die Armee erstmals auf ein Ende der Proteste.<ref name="protestende">[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743088,00.html Ägyptens Armee fordert Stopp der Proteste] Spiegel Online, 2. Februar 2011.</ref> Die Botschaft der Menschen sei angekommen, ihre Forderungen seien bekannt, erklärte ein Armeesprecher.<ref name="protestende"/> Staatliche Medien berichteten über eine Suspendierung des ägyptischen Parlaments bis zur Überprüfung des Ergebnisses der [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|Wahl vom Dezember des Vorjahres]]. Hintergrund sind die Betrugsvorwürfe der Opposition bei dieser Wahl.<ref>[http://www.abendblatt.de/politik/article1775547/Parlament-beendet-die-Arbeit-Militaer-will-Proteste-stoppen.html Ägypten: Parlament beendet die Arbeit – Militär will Proteste stoppen]</ref><br />
<br />
Seit den Mittagsstunden wurde der Internetzugang wieder geöffnet. Die Ausgangssperre - an die sich sowieso niemand hält - wurde um zwei Stunden auf 17 Uhr verschoben.<br />
<br />
Am Nachmittag kam es auf dem Tahrir zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und Unterstützern des Präsidenten. Männer in Zivilkleidung auf Pferden, Kamelen und Eseln griffen auf Seiten der Unterstützer ein.<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Clashes Break Out in Tahrir Square<br />
| hrsg=[[Al Jazeera]]<br />
| url=http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/02/201122124446797789.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
Im Gegensatz zum Vortag gab es heute keine Personenkontrollen des Militärs an den Zugängen zum Tahrir, so dass es tausenden <br />
Anhängern des Präsidenten und der Regierungspartei gelang, oppositionelle Demonstranten mit Steinen und Flaschen anzugreifen. Dachziegel und Steine wurden von Dächern umliegender Gebäude auf die Demonstranten geworfen. Präsidenten Anhänger griffen Demonstranten von Pferden und Kamelen aus an. Dabei soll es laut Al-Jazeera zu über 400 Verletzten und einem Toten gekommen sein.<ref> Meldung von 21.30 Uhr Ortszeit unter Berufung auf Regierungsquellen.</ref> Die Armee gab Warnschüsse in die Luft ab und versucht Präsidenten-Anhänger und Oppositionelle zu trennen. <ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Lage in Kairo eskaliert - Mubaraks Kavallerie schlägt zu<br />
| hrsg=[[Tagesschau]]<br />
| url=http://www.tagesschau.de/ausland/mubarak128.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
Nach Berichten des Fernsehsenders Al-Jazeera International allerdings griff die Armee nicht ein um die Kontrahenten zu trennen, sondern verhielt sich völlig passiv.<br />
[[Mohammed el-Baradei]] hat die Armee aufgerufen, die blutigen Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz zu beenden. <ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Ägypten-Liveticker - Hunderte Regierungsgegner bei Protesten verletzt<br />
| hrsg=[[Der Spiegel|Spiegel-Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743133,00.html<br />
| zugriff=2011-02-02<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
==Internationale Reaktionen==<br />
Die deutsche Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]], Frankreichs Staatspräsident [[Nicolas Sarkozy]] und der britische Premierminister [[David Cameron]] haben den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, einen Wandel in seinem Land einzuleiten. Ein „Transformationsprozess“ müsse sich in einer Regierung widerspiegeln, die sich auf eine breite Basis stütze, sowie in freien und fairen Wahlen.<ref>http://www.focus.de/politik/ausland/aegypten-staatschefs-appellieren-an-mubarak_aid_594971.html</ref> Der [[Präsident des Europäischen Rates]] [[Herman Van Rompuy]] verlangte ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten und die Freilassung aller politischen Gefangenen.<ref>http://www.dw-world.de/dw/function/0,,83389_cid_14804181,00.html</ref><br />
<br />
Der russische Außenminister [[Sergej Lawrow]] äußerte die Hoffnung, dass „die ägyptische Führung und die gesamte Gesellschaft ein hohes nationales Verantwortungsbewusstsein zeigen und alles Notwendige tun werden, um die Situation zu stabilisieren und den Bürgerfrieden zu sichern, der für den Fortschritt und die Erfüllung der Erwartungen des Volkes notwendig ist“.<ref>http://de.rian.ru/politics/20110129/258211002.html</ref><br />
<br />
Die Reaktionen aus [[Israel]] fielen zurückhaltend aus. Der israelische [[Politiker]] und [[Brigadegeneral]] [[Benjamin Ben Eliezer]], bekannt als Experte für israelisch-arabische Beziehungen und als Freund [[Omar Suleiman]]s, der von Husni Mubarak zum ägyptischen Vize-Präsidenten ernannt wurde, sagte: „Ich halte eine Revolution in Ägypten für unmöglich, die Lage dort wird sich beruhigen“. Das israelische Außenministerium erklärte, es handle sich um innere Angelegenheiten eines Nachbarstaates. <br />
<ref><br />
{{internetquelle<br />
| titel=Israel hält Ägyptens Diktator die Treue<br />
| autor=Gil Yaron, Jerusalem<br />
| hrsg=[[Spiegel Online]]<br />
| url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,741986,00.html<br />
| format=HTML<br />
| sprache=Sprache: Deutsch<br />
| zugriff=2011-01-27<br />
}}<br />
</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Unruhen in Algerien 2011]]<br />
* [[Revolution in Tunesien 2010/2011]]<br />
* [[Proteste im Jemen 2011]]<br />
* [[Proteste in Jordanien 2011]]<br />
* [[Chalid Muhammad Saʿid]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|2011 Egyptian protests|Tag des Zorns}}<br />
{{Wikinews|Ägypten: Massiver Polizeieinsatz und Internetzensur gegen Demokratiebewegung}}<br />
* [http://english.aljazeera.net/indepth/spotlight/anger-in-egypt/ Nachrichtenbrennpunkt] und [http://english.aljazeera.net/watch_now/ Live Stream] auf [[Al Jazeera]]<br />
* [http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-1488/i.html Aufstände in Ägypten: Tage des Zorns] Qantara.de<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Geschichte (Ägypten)]]<br />
[[Kategorie:Politik (Ägypten)]]<br />
[[Kategorie:Konflikt 2011|Ägypten]]<br />
[[Kategorie:Demonstration]]<br />
[[Kategorie:Aufruhr]]<br />
<br />
[[ar:الاحتجاجات في مصر 2011]]<br />
[[arz:ثورة الغضب المصرية]]<br />
[[az:2011-ci il Misir iğtişaşları]]<br />
[[bg:Египетски протести (2011)]]<br />
[[ca:Protestes d'Egipte de 2011]]<br />
[[cs:Demonstrace v Egyptě 2011]]<br />
[[cy:Chwyldro'r Aifft, 2011]]<br />
[[da:Optøjerne i Egypten i 2011]]<br />
[[el:Ταραχές στην Αίγυπτο το 2011]]<br />
[[en:2011 Egyptian protests]]<br />
[[eo:Protestoj en Egiptio en 2011]]<br />
[[es:Protestas en Egipto de 2011]]<br />
[[fa:اعتراضات سراسری در مصر (۲۰۱۱)]]<br />
[[fi:Egyptin mielenosoitukset 2011]]<br />
[[fr:Protestations égyptiennes de 2011]]<br />
[[he:ההפגנות במצרים (2011)]]<br />
[[hu:2011-es egyiptomi tüntetések]]<br />
[[hy:Ցույցեր Եգիպտոսում (2011)]]<br />
[[id:Demonstrasi Mesir 2011]]<br />
[[it:Sommosse popolari in Egitto del 2011]]<br />
[[ja:2011年エジプト騒乱]]<br />
[[ko:2011년 이집트 정권 퇴진 시위]]<br />
[[la:Manifestationes Aegyptiae anni 2011]]<br />
[[lv:2011. gada nemieri Ēģiptē]]<br />
[[ml:2011-ലെ ഈജിപ്ഷ്യൻ പ്രക്ഷോഭം]]<br />
[[ms:Bantahan Mesir 2011]]<br />
[[nl:Protesten in Egypte (2011)]]<br />
[[no:Opprøret i Egypt i 2011]]<br />
[[pl:Protesty w Egipcie (2011)]]<br />
[[pt:Protestos no Egito em 2011]]<br />
[[ro:Protestele din Egipt 2011]]<br />
[[ru:Волнения в Египте (2011)]]<br />
[[simple:2011 Egyptian protests]]<br />
[[sv:Protesterna i Egypten 2011]]<br />
[[ta:2011 எகிப்திய போராட்டம்]]<br />
[[th:การประท้วงในอียิปต์ พ.ศ. 2554]]<br />
[[tr:2011 Mısır protestoları]]<br />
[[uk:Протести в Єгипті (2011)]]<br />
[[vi:Biểu tình Ai Cập, 2011]]<br />
[[wa:Revintreye edjipsyinne]]<br />
[[zh:2011年埃及反政府示威]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Tobin-Steuer&diff=84691604Diskussion:Tobin-Steuer2011-01-31T23:05:26Z<p>Xjs: /* «Anderweitige Erwähnung»: Eschbach, Eine Billion Dollar */</p>
<hr />
<div>===Zwischenüberschrift===<br />
"Den Menschen in Thailand wäre eine solche Tobin-Steuer sicher recht gewesen!" Dieser Satz wirkt extrem subjektiv in diesem Zusammenhang. Imho nicht nötig.<br />
<br />
James Tobin lehnt nach eigenen Aussagen aber die Tobin-Steuer ab, in einem Spiegelinterview bezeichnete er sich selbst als ''free-trader''. Wer weiß genaueres?<br />
:Wo soll Tobin seinen Vorschlag abgelehnt haben? In dem Spiegelinterview jedenfalls nicht: Dort wie auch sonst in seinen Äußerungen in den letzten Jahren vor seinem Tod hat er sich immer wieder ''für'' seinen Vorschlag ausgesprochen. Es ist keinerlei Widerspruch, gleichzeitig für freien Welthandel und für die Tobin-Steuer zu sein.<br />
<br />
<br />
===Distanzierung===<br />
Die beiden Versionen dieses Absatzes sagen etwas total Unterschiedliches aus:<br />
<br />
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren von der Tobin-Steuer distanziert, <br />
weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen vereinnahmt sah. <br />
Die grundsätzliche Idee einer solchen Steuer hielt er aber immer für notwendig.<br />
<br />
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren von der Tobin-Steuer distanziert, <br />
unter underem weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen<br />
vereinnahmt sah. <br />
<br />
Ich habe den zusätzlichen Satz damals hinzugefügt, weil er auch so laut Spiegel-Interview stimmt und es einen großen Unterschied macht, ob er sich generell distanziert hat, oder sich nur vereinnahmt sah und/oder es für undurchfürbar hielt. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 12:54, 5. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
: Hi, Mikegr, aussagemässig haben wir beide irgendwie recht, ich habe hier mal den Link, der meine Position eher unterstützt: http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_02-03-14-tdruk.htm . Für Deine Position hier übrigens eine etwas bessere Quelle von 1996: http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_96_tobin-tax.pdf . Letztendlich geht es darum, dass Tobin nichts mit dem zu tun haben wollte, was die Öffentlichkeit unter Tobin tax versteht. Das kann man nun so auslegen, dass er die Grundidee immer noch für diskutierenswert hielt (mE Ja - dies ist auch Deine Position), aber dass er trotzdem sich mit Grausen von den Konzepten abgewendet hat, wie sie bspw. attac und die Globalisierungskritiker diskutieren (und hierzu sage ich auch ja und somit halte ich Deinen Ergänzungssatz für irreführend, obwohl im Prinzip richtig. Denn es geht Tobin nicht nur um den Missbrauch seines Namens, sondern auch um die Pervertierung seiner Idee. Deshalb würde ich Deinen Nachsatz gerne streichen. [[Benutzer:Pischdi|Pischdi]] 13:58, 10. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Prinzipiell kann ich mit dem Kompromiss leben, aber hätte noch gerne gewusst, in welcher Weise die Tobin-Steuer den Freihandel einschränkt. Nur weil etwas besteuert wird, muss es dadurch nicht eingeschränkt werden. Dann müßte man auch sagen, der Handel ist eingeschränkt, weil auf allen Waren Mehrwertsteuer erhoben wird und die Mehrwertsteuer ist nun wirklich kein Handelshemmnis. Außerdem geht es bei allen Varianten doch gerade um die Eindämmung der Entkoppelung von Devisentransaktionen und Handel, und die Steuer soll durch den geringen Prozentsatz den Handel auch nicht belasten. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 15:22, 10. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Habe Freihandel entfernt, weil dieser nicht berührt wird (auch wenn er es selbst so sieht;meine Begründung: siehe meinen vorigen Beitrag), dafür die Finanzierung (Weltverbesserungs-Ideen) reingebracht. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 10:53, 30. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Jede Steuer oder Zoll schränkt einen Handel ein. So werden zum Teil Importe von ausländischen Waren künstlich verteuert um die heimischen Waren weiterhin absetzen zu können. Ein echter Hardliner sieht auch in der Tobinsteuer eine Einschränkung des Freihandels, nämlich der Einschränkung des Devisenhandels, der kurzfristigen Devisenhandel zu einem Negativgeschäft macht und der auch langsfristige Anlagen in Devisen - wenn auch nur minimal - einschränkt. (1 Prozent (-)). Natürlich ist die Idee Tobins den nicht-spekulativen Handel so wenig wie möglich einzuschränken, aber er tut es doch, wenn auch nur sehr gering. Das ist sicherlich auch der Grund warum sich die USA - die ja nicht dafür bekannt sind ihre zum Teil sehr zweifelhaften Freiheiten (Waffenkauf etc.) im Sinne der Allgemeinheit zu beschränken - sich so gegen die Steuer stämmen. Ouzak<br />
<br />
<br />
Ich halte folgenden Satz für nicht haltbar<br />
"Unmöglichkeit der weltweiten Umsetzbarkeit"<br />
Wenn man sich die Nachrichten anschauht, sieht mam, dass Massenmorde, Kriege, Völkermörde oder das tägliche verhungern von weltweit tausenden Menschen durchaus möglich, ja, teilweise vollkomen selbstverständlich, sind. Da empfinde ich eine Aussage eine bestimmtze Steuer sei nicht einführbar schon recht eigenartig. Immerhin kann die UN Handelsboykotte Sanktion oder Kriege in gangsetzen. Die weitaus bedeutendere Frage ist, ob die Mächtige diese Steuer überhaupt wollen und falls ja (die USA sind ja zur Zeit dagegen) wie stark sie das wollen.-- [[Benutzer:82.83.54.211|82.83.54.211]] 13:39, 16. Jun 2005 (CEST)dirk33 nicht angemeldet<br />
<br />
== Lesenswerte-Diskussion ==<br />
<br />
*{{pro}} [[Benutzer:Stern|Stern]] [[Benutzer Diskussion:Stern|''!?'']] 16:27, 19. Okt 2005 (CEST)<br />
*'''contra''' - sollte mE noch ein bisschen volkswirtschaftlicher gestaltet werden. --[[Benutzer:Pischdi|Pischdi]] [[Benutzer Diskussion:Pischdi|>>]] 18:19, 22. Okt 2005 (CEST)<br />
*'''abwartend'''; da könnte man schon noch etwas ergänzen.--[[Benutzer:G|G]] 21:15, 22. Okt 2005 (CEST)<br />
*{{pro}} siehe meinen Beitrag in [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Kandidaten_f%C3%BCr_lesenswerte_Artikel#Tobin-Steuer| Lesenswerte Artikel] [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:48, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
== Kritik ==<br />
<br />
''Kritiker sehen darin allerdings genau den gegenteiligen Effekt. Das Element der Spekulation werde damit nicht unterbunden, da Spekulanten folglich dafür sorgen würden, dass es zu stärkeren Kursbewegungen kommt. Gerade diese stärkeren Bewegungen seien es jedoch, die Volkswirtschaften schädigen, die kleinen Anpassungen hingegen verhinderten Ungleichgewichte und hätten positive Effekte.''<br />
<br />
Habe diesen Teil der Kritik aus dem Artikel entfernt. Erstens habe ich dieses Argument noch nie gehört und zweitens erscheint es mir unlogisch: wenn Spekulanten offensichtlich in der Lage sind, stärkere Schwankungen an Devisenmärkten auszlösen (wie es das Argument wie ich es verstehe voraussetzt), würden sie es wohl auch jetzt schon tun um ihre Gewinnspannen zu maximieren. Für gute Gegenargumente und möglichst Quellen bin ich jederzeit empfänglich! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:23, 19. Mai 2006 (CEST)<br />
<br />
:* Ein Unternehmer - gleich welcher Art - wird sein Kosten immer auf die Kunden abwälzen. [http://de.wikipedia.org/wiki/Kalkulation| Kalkulationen] basieren c.p. immer auf den realen Kosten (d.h. Steuern werden aufgeschlagen). Deshalb füge ich den Absatz - gekürzt und sprachlich leicht abgeändert - wieder hinzu. [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:54, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
:: Verstehe deine Argumentation leider nicht. Anscheinend du aber meine auch nicht, deshalb hier noch mal ein Versuch zu präzisieren. Was mich an dem Argument stört, ist dass 1.) hiernach offensichtlich die Spekulanten in der Lage sind, aktiv Kursschwankungen in beliebiger Stärke "herzustellen" (dem ist nicht so). 2.) Dass weiter stärkere Schwankungen höhere Gewinne auslösen, die die erhöhten Kosten durch die Tobinsteuer kompensieren könnten (nachvollziehbar). 3.) Bisher aber Spekulanten von ihrer Fähigkeit, stärkere Schwankungen auszulösen, nicht Gebrauch machen (absurd, wenn sie ja immerhin höhere Gewinne für sie bedeuten würden, wie unter 2.) ja vorrausgesetzt). <br />
:: Ich würde den Satz also weiterhin draußen lassen falls keine Quellen auftauchen oder ich ihn tatsächlich falsch verstehen sollte. Klingt einfach zu sehr nach irgendeinem Schüler, der da guten Willens Halbwissen verbreitet hat. MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 23:44, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
::: Tobin setzt ja voraus, das es möglich ist und will daher die Allgemeinheit partizipieren lassen. Abdernfalls machte seine Steuer, die ich als Regulation verstehe, keinen Sinn. Und nebenbei - ich habe einen Wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, allerdings anderer Ausprägung. [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 23:39, 28. Okt. 2006 (CEST)<br />
::::Ob sie das können oder nicht war nicht mein zentraler Punkt (obwohl sie es wirklich nicht können). Der Punkt ist: ''wenn'' sie es können und es ihre Marge erhöht, warum tun sie es nicht schon heute? Im übrigen: ich habe dich mit dem "gutwilligen Schüler" oben nicht gemeint und wollte dich auch nicht persönlich angreifen, falls du das so verstanden haben solltest.<br />
::::Ist dein wirtschaftswissenschaftlicher Abschluss BWL? Falls du dich auch etwas mit VWL auskennst, kannst du dir auch mal das Argument über dem hier diskutierten angucken. Mainstream und damit Enzyklopädie-geeignet ist es denke ich nicht, zumindest nicht unkommentiert. Das [[Fiat Money]] System abschaffen ist doch ein ziemlich radikaler Schritt, der, wenn er ernsthaft erwogen würde, einige Aufmerksamkeit auch außerhalb der Fachwelt auf sich ziehen würde. Bisher habe ich nichts davon mitgekriegt. MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:03, 30. Okt. 2006 (CET)<br />
:::::Ich habe noch einmal ein bisschen recherchiert und nachgedacht. Ein Kompromiss, der denke ich in die Kerbe schlägt, die auch der Kritikpunkt angepeilt hat, wäre dieser:<br />
<br />
:::::"Auch würde die Steuer tatsächliche Währungskrisen, wie sie beispielsweise 1998 in [[Asienkrise|Südostasien]] auftraten, kaum beeinflussen können, da bei sehr starken Schwankungen im relativen Wert der verschiedenen Währungen die möglichen Gewinne oder Verluste von Währungsspekulanten so stark ansteigen, dass eine niedrige Steuer wie die von Tobin vorgeschlagene kaum einen mäßigenden Effekt hätte." OK für dich? Ich werde auch noch mal die Einleitung zum Thema leicht abwandeln. Freundliche Grüße: [[Benutzer:Kricket|Kricket]] 11:35, 1. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
Hi Mwahl!<br />
Ich habe die Kritik jetzt so verändert eingestellt. Wäre für einen Kommentar oder ähnliches natürlich trotzdem dankbar. Siehe auch mein Beitrag unten! MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:35, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
Hi, eigentlich ist der erste Text der treffendere, hierzu ein Beispiel: Warentermingeschäfte wurden eingeführt, um das Risiko von Missernten auf Spekulanten abwälzen zu können, d. h. der Spekulant hat Weizen und Risiko gekauft. Im Allgemeinen waren bei Warentermingeschäften die Margen relativ gering. Damit würde die Tobinsteuer diese Art von gewünschter Spekulation (zum Schutze der Bauern) "abwürgen". Größere Schwankungen wären hingegen kaum betroffen, da die Wirkung der Tobinsteuer relativ zur Marge abnimmt.<br />
M. E. wurde der richtige Satz gegen eine verwässerte Aussage ersetzt. Gruß [[Benutzer:Knightsurfer|Knightsurfer]]. <small>(20:33, 19. Mai 2009 (CEST), ''Datum/Uhrzeit nachträglich eingefügt, siehe [[Hilfe:Signatur]]'')</small><br />
<br />
==Frage==<br />
<br />
Im Wiki-Beitrag steht: ''"Die Forschungsergebnisse zeigen einen eindeutigen positiven Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und der Volatilität (Instabilität) des Marketpreises (z.B Ronen and Weaver (2001), Bessembinder (2001), Bessembinder and Rath (2002), Hau (2006)). Tobins Hypothese von der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten (durch Steuern) kann daher als empirisch widerlegt betrachtet werden."''<br />
<br />
Wenn es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Volatilität und Transanktionskosten gibt (positive Korrelation), dann wirkt die Tobin-Steuer doch '''gerade''' stabilisierend und nicht Volatilitätsverstärkend. Damit wäre die als "empirisch widerlegte Hypothese" nicht widerlegt, sondern bestätigt! Oder habe ich etwas falsch verstanden?<br />
<br />
:Du hast das Zitat falsch verstanden: positiver Zusammenhang besagt, dass, wenn die Transaktionskosten steigen (das würde durch beispielsweise eine Steuer ausgelöst), auch die Volatilität steigt (was man ja eigentlich gerade bekämpfen wollte). Muss aber sagen, dass mir diese rein empirische Argumentation ziemlich obskur vorkommt. In dem Bereich belastbare Zahlen zu bekommen ist kompliziert, die Wahrscheinlichkeit, dass sie von eher minderer Qualität sind ist hoch und eine positive Korrelation widerspricht einfach meiner Logik. Wenn du dich ernsthaft mit dem Thema befasst, solltest du die Quellen selbst angucken und auf jeden Fall nach irgendeiner nachvollziehbaren Begründung suchen (und sie dann vielleicht hier einarbeiten). --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 21:38, 25. Jul 2006 (CEST)<br />
<br />
== Anderweitige Erwähnung der Tobin Steuer ==<br />
<br />
* Die Einführung einer Tobin-Steuer wird im Allgemeinen von Grünen Parteien und Bewegungen gefordert.<br />
** Grundsatzprogramm der Österreichischen Grünen zur Steuergerechtigkeit [http://www.gruene.at/wirtschaft/steuergerechtigkeit/]<br />
** Kommentar zur Sonntagsrede am Europatag von Claudia Roth, Grünen-Bundesvorsitzende (Deutschland) [http://www.gruene.de/cms/themen/dok/142/142855.inhaltsfreie_sonntagsrede_zum_europatag.htm]<br />
** Wahlprogramm 2005 der Deutschen Grünen [http://www.gruene.de/cms/default/dokbin/141/141550.wahlprogramm_2005.pdf] (PDF-Datei 234 Seiten)<br />
** [[Charta]] der [[Global Greens]], "Was es bedeutet, im neuen Jahrtausend Grün zu sein - Eine Begriffsbestimmung [http://www.gruene.de/cms/files/dokbin/85/85604.global_green_charta_deutsche_uebersetzun.pdf] (PDF-Datei)", [[Canberra]]/[[Australien]] [[2001]]. ''Global Greens'' ist das internationale Netzwerk Grüner Parteien und politischer Bewegungen.<br />
----<br />
Vielleicht sollte man das in den Artikel aufnehmen ?<br />
<br />
--[[Benutzer:Jwf2010|Jwf2010]] 13:06, 18. Sep 2006 (CEST)<br />
<br />
== Lesenswert-Kandidatur, 17. Oktober 2006 (erfolgreich) ==<br />
<br />
{{Pro}} Pro's & Contra's sehr gut dargestellt und gesellschaftspolitisch wichtiger Artikel! [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:13, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
Der Artikel stellt ein sehr interessantes Thema recht ausführlich dar, insbesondere die Positionen Pro und Contra. Auch die ausführungen zum Beispiel Thailand sind sehr hilfreich für das Veerständnis. Kleinigkeiten wären freilich noch Dinge wie, dass es zu englischen Zitaten vielleicht prinzipiell eine Übersetzung in Kursivschrift darunter geben sollte. Trotzdem schonmal {{Pro}} -- [[Benutzer:Cup of Coffee|Cup of Coffee]] 22:17, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} verständliche, klare Sprache. Man hat das Gefühl, zum Thema informiert zu sein, wenn man der Artikel gelesen hat. --[[Benutzer:Luha|Lutz Hartmann]] 14:22, 18. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Der Artikel geht vorbildlich mit den kontroversen Meinungen zum Lemma um.--[[Benutzer:KaiMartin|-&lt;(kmk)&gt;-]] 01:59, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Zwei kleine Kritikpunkte: Die Einleitung kommt mir ein bißchen lang vor - und (das betrifft natürlich nicht den Artikel selbst): Durch die Verlinkung am Ende merkt man leider, wie grottig der Artikel [[Eine Billion Dollar]] ist, in dem die Tobin-Steuer zumindest mal erwähnt werden sollte, wenn sie schon im Roman eine große Rolle spielt. Könnte da nicht der Hauptautor der Tobin-Steuer mal helfend eingreifen?--[[Benutzer:NSX-Racer|NSX-Racer]] | <small>[[Benutzer Diskussion:NSX-Racer|Disk]] | [[Spezial:Contributions/NSX-Racer|B]]</small> 02:24, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Einleitung etwas umgestellt, lesenswerter Artikel, weiter so [[Benutzer:217﹒125﹒121﹒169|Carus]] 03:44, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
'''neutral''': Prinzipiell ein gut lesbarer kompakter Artikel für mich als Laien. In den Abschnitten ''Kritik'' und ''Befürworter'' stellt sich&nbsp;– wie so oft bei derartigen Themen&nbsp;– die Frage, wer die Befürworter und Kritiker eigentlich sind, in welchen Werken der Kritik Ausdruck verliehen wird, usw. Ich verlinke ungern auf die englische Wikipedia, aber die Literatur von [[:en:Wikipedia:Avoid weasel words]] macht die Problematik dieser Darstellungsform vielleicht deutlich. --[[Benutzer:Polarlys|Polarlys]] 12:21, 21. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{Neutral}} "superschwerer Kapitalbeträge" ist das ein Fachbegriff? --[[Benutzer:Grim.fandango|Grim.fandango]] 22:40, 22. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{Neutral}} Der Artikel informiert auch einen Laien wie mich einigermaßen über die Vor- und Nachteile der Tobin-Steuer. Einige Sprach-Schlampereien sollten aber behoben werden, ihr schreibt hier nicht für den [[Der Spiegel|Spiegel]]. <br />
:Einleitung: ...Katastrophen bereiten...<br />
:Grundidee: ...superschwerer Kapitalbeträge..., ...Unsicherheiten wirken sich zurück..., ... großsummigen Geschäfte..., ...Umweltpolitik ist ein Nebeneffekt dieser Steuer... <br />
:Befürworter: ...die Zahlen (welche?) liegen deutlich unter dem Niveau...<br />
Wo hat Tobin diese Steuer erstmals vorgeschlagen (Buch, Vortrag, Zeitschriftenartikel...). Wie wurde dieser Vorschlag Anfang der 1970er aufgenommen? Wann wurde die Tobin Tax einer größeren Öffentlichkeit bekannt? --[[Benutzer:Blech|Blech]] 21:54, 23. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
==Funktionsweise==<br />
<br />
Habe noch mal die Funktionsweise der Steuer erklärt. Die bisherige Erklärung war nicht korrekt: es geht nicht um die absolute Höhe der Transaktionssummen sondern um die Relation zwischen Transaktionssumme und Gewinn. Ich hoffe, dass das jetzt rüberkommt. [[Benutzer:Kricket|Kricket]] 12:15, 1. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
<br />
Im Absatz zur Funktionsweise heißt es "... bei einer Tobin-Steuer in Höhe von 0,2% pro Jahr würde für einen Kapitalbetrag ...". Wenn ich das recht verstanden habe, müsste es "0,2 % pro Transaktion" heißen. Oder? -- [[Benutzer:195.37.61.3|195.37.61.3]] 14:18, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
:ich habe das mal klargestellt und pro Jahr durch "pro Transaktion" ersetzt. Gerade die Vielzahl von Transaktionen muss reduziert werden, da diese zu einem erheblichen Teil nur wegen kleinster Margen gemacht werden. --[[Benutzer:Wmeinhart|Wmeinhart]] 14:56, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
::huch - natürlich vollkommen korrekt! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:00, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
Da ist ein Fehler in der Rechnung: 12 x 0,002 ist nicht 2,4. Das müsste 12 x 0,2 heißen, oder nicht?[[Benutzer:KrizTischasa|KrizTischasa]] 15:44, 11. Jan. 2008 (CET)<br />
:Das ist nicht 2,4 sondern 2,4%, "%" bedeutet quasi "durch Hundert". Man könnte auch 12*0,2% schreiben, ist dann wahrscheinlich leichter zu verstehen. Kannst du ja ändern, falls du Lust hast! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:58, 11. Jan. 2008 (CET)<br />
<br />
==Umstellung==<br />
<br />
Ich habe den Artikel noch mal umgestellt und überarbeitet. Den Abschnitt ''Grundidee der Tobin-Steuer'' habe ich vollständig unter dem Abschnitt Befürworter integriert. Die Spahn-Steuer steht jetzt zusammen mit den Empirischen Erkenntnissen unter ''Wissenschaftliche Diskussion''.<br />
<br />
Sicherlich lesens- und einarbeitenswert zum Thema ist denke ich [http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2247 dieser Artikel] aus den Blättern, da [[Peter Wahl]] mitgeschrieben hat wohl eher bei den Befürwortern einzuordnen. Leider fehlt mir gerade die Zeit. <br />
<br />
<br />
Die Kritik am fiat-Money-System würde ich übrigens rausnehmen (ist meines Wissens nach nicht wirklich Mainstream), ebenso sollte die Kritik an den Einnahmen überarbeitet werden, vielleicht so:<br />
<br />
''Kritisiert wird vor dem Hintergrund der angenommenen Defizite die Prioritisierung der Rolle der Tobin-Steuer als Einnahmequelle, die die teilweise negativen Auswirkungen außer Acht lässt.''<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:35, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
PS: Peter Wahl ist eine der relevanteren Personen bei Attac und [[Weed]]!<br />
<br />
:Sehe gerade, dass mein Edit in der Versionsgeschichte wohl etwas unübersichtlich geworden ist. Das meiste, was da als gelöscht oder neu erscheint, sind Verschiebungen. Ausnahme:<br />
<br />
:Kritik:<br />
<br />
:alt:<br />
<br />
::Kritiker sehen in der Tobin-Steuer auch einen Effekt, der dem Sinn wiederspricht. Das Element der Spekulation werde mit der Tobin-Steuer nicht unterbunden, da Spekulanten dafür sorgen würden, dass es zu stärkeren Kursbewegungen kommt, um ihre Margen zu erhöhen. <br />
<br />
:neu:<br />
<br />
::Auch würde die Steuer tatsächliche Währungskrisen, wie sie beispielsweise 1998 in Südostasien auftraten, kaum beeinflussen können, da bei sehr starken Schwankungen im relativen Wert der verschiedenen Währungen die möglichen Gewinne oder Verluste von Währungsspekulanten so stark ansteigen, dass eine niedrige Steuer wie die von Tobin vorgeschlagene kaum einen mäßigenden Effekt hätte.<br />
<br />
:Grundidee der Tobin-Steuer<br />
<br />
:weg:<br />
<br />
::die ersten beiden Absätze (sind unter Befürwortern sowieso und besser erklärt)<br />
<br />
:verschoben<br />
<br />
::Tobins Distanzierung von den Globalisierungskritikern - zu Befürwortern verschoben<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:47, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
==letzter Edit==<br />
<br />
ich habe wieder mal...<br />
<br />
entfernt habe ich diesen Absatz:<br />
<br />
''Tiefergehende Kritik gibt es von Seiten freiheitlich orientierter radikaler [[Kapitalismus]]-Befürworter wie den Vertretern der [[Österreichische Schule|Österreichischen Schule der Nationalökonomie]], des [[Libertarismus]] und des [[Anarchokapitalismus]]. Nach ihrer Auffassung geht die Tobin-Steuer nicht weit genug. Sie ziele lediglich auf ein Symptom ab, nicht jedoch auf die grundsätzliche Ursache, das internationale [[Fiat Money]]-Währungssystem. Dieses sollte durch einen [[freier Markt|freien Markt]] für Währungen, mindestens jedoch durch einen vollen [[Goldstandard]] ersetzt werden.''<br />
<br />
Ich habe ernste Zweifel, dass das wirtschaftswissenschaftlicher Mainstream ist (d.h. übersetzt dass man doch einfach unser derzeitiges Währungssystem abschaffen sollte, was ein ''freier Markt für Währungen'' sein soll kann ich auch nicht nachvollziehen). Falls irgendjemand eine ernstzunehmende Quelle dazu hat, bin ich natürlich dankbar. Weiter habe ich Spahn jetzt unter dem Abschnitt Befürworter eingeordnet, die empirische Wirtschaftsforschung in den Abschnitt Kritik.<br />
<br />
Außerdem habe ich einige kleine redundante Sätze aus dem Abschnitt Kritik entfernt.<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:53, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
:Der rausgenommene Absatz ist v.a. deshalb Schwachsinn, weil der die Steuer gar nicht kritisiert! Ähnliche "Kritiken" hätten sicher alle radikalen Lager von Marx bis Anarcho-Primitiven.<br />
::Danke. Ist auch richtig. --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:26, 15. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
== Einleitungssatz... ==<br />
<br />
"...derzeit nicht existierende Steuer..." stört mich, ist irgendwie ungelenkig und erzeugt den Eindruck, als sei es eine etablierte Steuer oder als wäre sie schonmal dagewesen, nur zur Zeit ausgesetzt. Imho sollte klargemacht werden, dass es ein Besteuerungsvorschlag ist...<br>wie wärs mit "bisher noch nirgendwo eingeführter/umgesetzter Besteuerungsvorschlag..."?<br>Bitte in diesem Sinne umformulieren. Gruß, --[[Benutzer:X-Weinzar|X-&#39;Weinzar]] 23:21, 28. Feb. 2007 (CET)<br />
:hast recht. Jetzt gut? FG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 19:35, 1. Mär. 2007 (CET)<br />
::auf jeden Fall deutlich besser. so kann mans erstmal stehen lassen. Ich zerbrech mir gerne über solchen scheinbar nebensächlichen Formulierungsfragen den Kopf, bin quasi Perfektionist;-) Hätte ich die in meinen Augen perfekte Version gefunden, dann hätte ich sie auch selbst eingefügt...Ich überleg nochmal, vielleicht fällt mir noch was ein. So isses jedenfalls auch okay..Gruß, --[[Benutzer:X-Weinzar|X-&#39;Weinzar]] 14:24, 2. Mär. 2007 (CET)<br />
<br />
== Kritiker ist POV ==<br />
<br />
Moin! Ich finde den Abschnitt "Kritiker" (der Nebenbei in Kritik umbenannt werden sollte) POV, da sie voll mit absoluten Aussagen ist ("da die Steuer nur in vollständigem internationalen Einklang sinnvoll einzuführen ist" <-> "1995 war Tobin Mitautor einer Studie, derzufolge die Steuer von einer begrenzten Zahl Länder auch ohne einen weltweiten Konsens einzuführen ist." usw.) -- [[Benutzer:iGEL|iGEL]]·[[Benutzer Diskussion:iGEL|대화]]·[[Benutzer:iGEL/Bewertung|Bew]] 10:49, 29. Mai 2007 (CEST)<br />
<br />
:Besser? Nimm den Baustein raus, wenn Problem gelöst ist! FG! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:17, 31. Mai 2007 (CEST)<br />
<br />
== weblink tot, ergänzt ==<br />
<br />
"Kampagnenseite zur Tobin-Steuer von Attac" unter Weblinks ist nicht mehr erreichbar (E404), hab die betroffene Seite bei attac auch nicht gefunden, sodass ich nicht neu verlinken konnte, kann das mal jmd. fixen? --[[Benutzer:Pppp|Pppp]] 19:33, 1. Okt. 2008 (CEST)<br />
<br />
<br />
der bmz-link ist auch tot.<br />
Abhilfe: http://www.bmz.de/de/service/infothek/fach/spezial/spezial068pdf.pdf<br />
<br />
Es wäre nett, wenn das jemand einbaut, der sich mit der sache auskennt ;)<br />
<br />
<br />
== POV? Auf jeden Fall verwirrend ==<br />
Als Erst-Leser des Artikels war ich irritiert. Der Leser hat am Ende den Eindruck, die Wirksamkeit der Idee sei komplett widerlegt. Bzw. an einer Stelle steht im gleichen Abschnitt, dass es funktioniert, und am Ende des nächsten Absatzes, dass es widerlegt sei. Am Ende - und das ist ja das, was als Fazit bleibt - bleibt das "widerlegt" hängen. Soll das der Tenor sein - d.h. entspricht das der Gewichtung in der wissenschaftlichen Meinungslandschaft? --[[Benutzer:Judit Franke|Judit Franke]] 20:53, 8. Jan. 2009 (CET)<br />
: In den Sozialwissenschaften kann man Theorien nicht widerlegen. Es gibt typischerweise unterschiedliche Auffassungen und Wertungen. Der Mainstream der Ökonomen geht davon aus, dass eine Tobin-Steuer kontraproduktiv wäre. Auch die zitierten empirischen Untersuchungen bestätigen dies. Aber das schließt nicht aus, dass er Mindermeinungen gibt, die andere Auffassungen vertreten. Und es schliesst auch die (statistisch geringe) Möglichkeit nicht aus, dass diese Mindermeinungen (unter bestimmten Rahmenbedingungen) Recht haben. Die Darstellung der verschiedenen Positionen mag verwirren. Aber sie ist das Gegenteil von POV.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 22:14, 8. Jan. 2009 (CET)<br />
<br />
<br />
== Finanzmarkt-Transaktionssteuer ==<br />
<br />
[[Transaktionssteuer]] leitet auf diesen Artikel weiter. Die derzeit (Sep 2009) im Rahmen des G-20 Gipfels von der deutschen Delegation vorgeschlagene [[Finanzmarkt-Transkationssteuer]] sieht jedoch eine Besteuerung ''aller'' Transaktionen vor und geht somit weit ueber die von Tobin vorgeschlagene Steuer auf Devisen-Geschaefte hinaus. Weiterhin ist die Motivation - Beteiligung der Akteure am Finazmarkt an den zur Bewaeltigung der Finanzkrise noetigen Kosten - eine andere. Daher sollte dieses Konzept in einem weiteren Artikel beschrieben werden. --[[Benutzer:He!ko|he!ko]] 09:34, 25. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
: [[Transaktionssteuer]] ist zunächst einmal ein reines Kompositum: Eine [[Steuer]] auf [[Transaktion]]en. So ist z.B. die [[Grunderwerbssteuer]] eine Transaktionssteuer auf den Kauf von Immobilien oder die [[Börsenumsatzsteuer]] war eine auf Börsenumsätze. Verwendet wird der Begriff aber imho primär in Bezug auf Finanztransaktionen. Eine Darstellung von einzelnen tagespolitischen Gedankenspielen wie der Transaktionssteuervorschlag der SPÖ (der in der Artikelhist zu finden ist) oder der Finanzmarkt-Transaktionssteuer ist aber wenig hilfreich. Solche Modelle haben erfahrungsgemäß keine lange Lebensdauer. Daher ist eine Löschung von [[Transaktionssteuer]] oder einer BKL, die dann auf die bestehenden Artikel (darunter [[Tobin-Steuer]]) verlinkt, die beste Lösung.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 11:11, 25. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
::Finde ich auch gut. Ich wollte gerade ein "siehe auch" einfügen, um zw. Börsenumsatz- und Tobin-Steuer zu verlinken. Aber ich glaube mit der BKL wäre es besser. - Also alle diese Begriffe auf die BKL leiten, in einer BKL-Leiste oben in den Artikeln auf andere hinweisen, oder wie wäre die beste Lösung?<br />
::Sollte man diese Diskussion auch von den genannten Artikeln hierher verlinken (weil ich nur vor Tagen Tobin in den Medien hörte - inzwischen scheint man die Begrifflichkeit geändert zu haben)?<br />
::Wer macht die BKL - am besten bald, solange das Thema noch "heiß" ist...<br />
::...Die erstmals 1694 in Großbritannien angewandte [[en:Stamp duty reserve tax]] wird mit [[Stempelsteuer]] übersetzt.<br />
::--[[Benutzer:Gsälzbär|Gsälzbär]] 13:22, 26. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
== widerlegen ==<br />
<br />
In der Einleitung: ''Er hoffte, dadurch zu erreichen, dass die Wechselkurse von Währungen stärker die langfristigen realwirtschaftlichen Phänomene als die kurzfristigen spekulativen Erwartungen widerspiegeln. Empirische Studien widerlegen diese Annahme jedoch.'' Das ist offenkundig falsch.<br />
<br />
Weiter unten ist vielmehr die Rede von drei empirischen Fallstudien, die den Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und Volatilität der Finanzmärkte untersuchen. Es wird keineswegs klar, inwieweit die Studien für die konkrete Maßnahme der ''Tobin Tax'' aussagekräftig sind. Was die Studien überhaupt untersuchen, ist keineswegs klar (handelt es sich um statistische Zusammenhänge zwischen Transaktionskosten und Volatilität in bestimmten Untersuchungszeiträumen? oder sind das Szenarien?). Die Anwendbarkeit auf die Tobin Tax ist ebenfalls völlig unklar. <br />
<br />
Schließlich können empirische Untersuchungen, gleich welcher Art, nicht gut die erhofften Wirkungen einer Maßnahme, die es noch gar nicht gibt, "widerlegen". Das ist schon logisch nicht möglich. <br />
<br />
Der Satz "Empirische Studien widerlegen diese Annahme jedoch" sollte daher gestrichen werden.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 15:16, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
: In der Tat ist es sachlogisch unmöglich, nicht umgesetzte Maßnahmen empirisch widerlegen. Empirisch widerlegt ist die Hypothese von der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten. Daher sollte der Satz konkretisiert werden auf: ''Empirische Studien widerlegen die Annahme der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten jedoch.'' . Dann passt es wieder, da es dann nicht mehr konkret um die Empirie der Tobinsteuer geht.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 15:48, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
::Moment mal, das ist aber auch fragwürdig. Wenn ich mal Vermutungen aussprechen darf: Untersucht haben die Studien, wie das technisch bedingte Fallen von Transaktionskosten an bestimmten Börsen durch die Verbesserung des elektronischen Handels in den 1990er Jahren mit der Volatilität des Finanzmarkts korrelierte. Reicht das ernsthaft dazu aus, eine solch weitreichende Aussage über die Wirkung des (also jeden) Steigens von Transaktionskosten zu treffen?--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:19, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
:::Nach einem kursorischen Blick auf Haus Paper habe ich den Eindruck, dass der Kern seiner Aussage ist: Kurzfristige Spekulationen haben (in den Jahren 1995 bis 1999 in Paris) eher stabilisierende Wirkungen auf die Finanzmärkte gehabt. Wurden diese mit höheren Transaktionskosten belastet, erhöhte sich die Volatilität tendenziell eher. Das scheint mir aber keinesfalls state of the art zu sein (wie übrigens das Papier auch erkennen lässt), sondern eher ''ein'' empirischer Hinweis darauf, dass man nicht einfach annehmen soll, die Erschwerung kurzfristiger Spekulation mache die Finanzmärkte stabiler. Wäre ja auch weitaus logischer.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:40, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
Im Übrigen: What about this? http://www.banque-france.fr/gb/fondatio/telechar/papers_d/estimati.pdf --[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:48, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
Oder: ''But, does that mean that a Tobin tax, which would increase transactions costs, will increase volatility and reduce liquidity? This is a very difficult question to answer unequivocally. Absent exogenous events that are likely to have significantly altered transactions costs in currency markets, it is in my mind impossible to prove that the causality goes from trading costs to volatility and not the other way around. Thus, I do not think that the paper by Aliber et al. (2003) shows that imposing a Tobin tax on currency trading would result in more volatility and less liquidity. On the other hand, the evidence does not show that a Tobin tax would deliver the promised results of lower volatility and increased liquidity either!'' http://www.cob.ohio-state.edu/fin/faculty/werner/papers/Comment_Tax.pdf scheint mir die Sache doch weitaus besser zu treffen.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:54, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
: Mein Beitrag bezog sich darauf, dass der Einleitungsabsatz den Stand unten im Artikel widerspiegeln sollte. Wenn also Bedarf an Ergänzungen in [[Tobin-Steuer#Empirische_Wirtschaftsforschung_zur_Wirksamkeit_der_Tobin-Steuer]] besteht, muss sich das auch oben niederschlagen und vice versa.<br />
: Inhaltlich: Ich denke, wir haben hier eine Verkürzung des Sachverhalts, der sich auch in den zitierten Studien wiederfindet. Die Tatsache, dass illiquide Märkte volatil sind, ist wahrscheinlich unstrittig und wird auch von der Empirie gedeckt. Wenn ich also einen liquiden Markt habe und dieser durch Transaktionskosten illiquide wird, führen die Transaktionskosten zu höherer Volatilität. Wenn ich also solche Situationen empirisch untersuche, werde ich zu dem Ergebnis kommen: Transaktionskosten erhöhen empirisch die Volatilität. Untersuche ich nun einen Markt, der vorher illiquide war und es auch nachher ist, komme ich wahrscheinlich empirisch zu zufälligen Ergebnissen. Untersuche ich nun einen Markt, der vorher liquide war und es auch nachher ist, wird es spannend. Dann könnte eine Tobin-Steuer wirken, oder auch nicht. Damit würde ich alle Untersuchungen, die empirisch etwas "widerlegen" sehr kritisch sehen. Daher stelle ich mir die Frage, ob wir das Pferd nicht falsch herum aufsatteln: Unbestritten sollte sein, dass die Tobin-Steuer die Liquidität der Märke senkt (das ist ja gerade Zweck der Sache, dass Spekulationsgeschäfte unterbleiben). Eine zu niedrige Liquidität erhöht die Volatilität. Dieser Effekt wird empirisch gestützt. Dann würde der betreffende Satz lauten: "Eine Tobin-Steuer senkt die Liquidität der Märke. Empirische Studien wie theoretische Überlegungen stützen den Effekt, dass eine zu niedrige Liqudität die Volatilität erhöht."[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 17:53, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
::Das klingt gleich viel besser und logischer. So sollten wirs machen.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 12:21, 24. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
== Newsticker ==<br />
<br />
Das Thema Tobin-Steuer ist ja aktuell stark in der politischen Diskussion und es gibt dementsprechend täglich neue Zeitungsmeldungen über die politische Diskussion, in der sich auch der eine oder andere Wissenschaftler gerne zitieren läßt. Es ist nicht zielführend, im Artikel jede Pressemeldung darzustellen. Daher bitte bei jeder tagesaktuellen Ergänzung selbstkritisch prüfen, ob diese Meldung auch in einem oder 10 Jahren noch enzyklopädisch wichtig sein wird.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 11:37, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
:10 Jahren? [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tobin-Steuer&diff=74493115&oldid=74492198 Diese Ergänzung] ist wohl in 10 Tagen nicht mehr relevant, weil diese Finanztransaktionssteuer entweder beschlossen oder abgelehnt wurde.--[[Benutzer:Mr. Mustard|Mr. Mustard]] 12:25, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
::Diese Newstickerei ist eh eine Unsitte, aber was sich (angeblich) "abzeichnet", setzt dem ganzen nochmal die Krone auf. --[[Benutzer:Charmrock|Charmrock]] 12:55, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
:::Ich bin gleich wieder weg hier, nur so viel wir haben keinen Artikel zur Finanztransaktionssteuer und die Tobintax bezieht sich überwiegend auf FX Geschäfte. Also eine Teilgebiet von Finanztransaktionen. Ein redirect wäre so, als wenn man Automobil auf Mercedes umleiten würde. Eine Weiterleitung von Finanztransaktionssteuer auf Tobintax ist also Humbug. Macht damit was ihr wollt. Gruss --<span style="text-shadow:grey 0.15em 0.15em 0.2em; class=texhtml">[[Benutzer:Meisterkoch|MK]]<sup>[[P:W]]</sup></span>&nbsp; 14:14, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
::::Insofern stellt sich die Frage, ob die im Rahmen der "Newstickeritis" eingefügten Ergänzungen der letzten Wochen überhaupt in den Artikel "Tobin-Steuer" gehören oder ob diese nicht Finanztransaktionssteuern im Allgemeinen betreffen. Die Tobin-Steuer ist schließlich nur eine Form der [[en:Financial transaction tax|Finanztransaktionssteuer]] von vielen.--[[Benutzer:Mr. Mustard|Mr. Mustard]] 14:21, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
<br />
Hier stellen sich noch mehr Fragen: Versteht der Leser so einfach, dass hier geschrieben steht:<br />
„Die EU-Kommission sprach sich trotzdem bisher gegen die Einführung einer Tobin-Steuer aus.“ und drei Sätze weiter „Während der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 entschied die EU, sich für die Steuer auszusprechen und forderte den Internationalen Währungsfonds auf, die Einführung der Steuer in Angriff zu nehmen. Laut der Europäischen Union könne so Geld für den Klimaschutz bereitgestellt werden.“ ? Ist folgendes enzyklopädisch relevant: „Mitte November 2009 brachte eine Gruppe von sieben demokratischen Kongressabgeordneten einen Gesetzesvorschlag mit der Bezeichnung „''Let Wall Street Pay for the Restoration of Main Street Act''“ ein, der eine Besteuerung von Börsentransaktionen vorsieht“ ? Der ganze Abschnitt Umsetzung gehört entrümpelt. --[[Benutzer:Charmrock|Charmrock]] 15:02, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
: Es gehört so manches entrümpelt. --[[Benutzer:Meffo|meffo]] 11:59, 19. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
== Funktionsweise der Tobinsteuer? ==<br />
Also das Beispiel verstehe ich nicht. Wenn ein Auto verkauft wird fällt 19 % MwSt. an. Wenn das Auto 10 mal im Jahr weiter verkauft wird, fallt dies Steuer 10 mal an. Das ist doch dann auch kein Argument gegen diese Steuer, obwohl sie viel höher ist. Das wird dann ja auch nicht zusammen addiert zu 190 % Steuer/Jahr. Verkaufen ohne den Wagen zu besitzen (Leerverkauf)? Käme auch niemand auf diese Idee, und wenn doch, ist das doch Betrug. Wo liegt da die juristische verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz zwischen Handel und Finanzhandel. Ich verkaufe den Neuwagen, ohne ihn zu besitzen, weil ich hoffe, das gleiche Modell morgen preiswerter erhalten und liefern zu können. Die Zahlung der MwSt. lehne ich dann aber ab, mit der Begründung, das dies dem freien Markt (Handel) schaden würde, und nur eine ganz linke Tour sein kann, vom Kommunisten ersonnen, gar. -- [[Benutzer:Tarzan|-- ]] 23:15, 23. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
Falsch.<br />
Das Ding heißt aus gutem Grund '''Mehrwert'''steuer - dadurch wird der entstehende Mehrwert versteuert. Also: Wenn das Auto weiterverkauft wird, wird nicht der gesamte Autopreis nochmal versteuert, sondern der Gewinn. (sehr vereinfacht ausgedrückt - die exakte Erklärung liefert der Wiki-Artikel)--[[Benutzer:Tyru|Tyru]] 21:32, 9. Jun. 2010 (CEST)<br />
<br />
== «Anderweitige Erwähnung»: Eschbach, Eine Billion Dollar ==<br />
<br />
Die Tobin-Steuer spielt in dem Roman keineswegs eine tragende Rolle, wird im Gegenteil vom Protagonisten lediglich gegen Ende des Romans in einer Talkshow als Beispiel für eine mögliche von einer Weltregierung durchzuführende Massnahme erwähnt. (Andreas Eschbach, Eine Billion Dollar, 7. Auflage 2006 (ISBN-13: 978-3-404-15040-3), S. 820f.) Erlaube mir daher, den entsprechenden Abschnitt zu entfernen. --[[Benutzer:Xjs|Xjs.]] 00:04, 1. Feb. 2011 (CET)</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tobin-Steuer&diff=84691584Tobin-Steuer2011-01-31T23:04:34Z<p>Xjs: /* Anderweitige Erwähnung der Tobin-Steuer */ Siehe Diskussionsseitenbeitrag.</p>
<hr />
<div>Als '''Tobin-Steuer''' wird eine 1972 von dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler [[James Tobin]] vorgeschlagene, aber bisher nicht eingeführte [[Finanztransaktionssteuer]] auf internationale [[Devisen]]geschäfte bezeichnet. Tobin wollte durch eine sehr niedrige Steuer auf sämtliche internationale Devisentransaktionen die kurzfristige Spekulation auf Währungsschwankungen eindämmen. Er hoffte dadurch zu erreichen, dass die Wechselkurse von Währungen stärker die langfristigen realwirtschaftlichen Phänomene als die kurzfristigen spekulativen Erwartungen widerspiegeln. Eine solche Steuer senkt die [[Liquidität]] der Märkte. Werde die Liquidität zu niedrig, könne die [[Volatilität]] der Finanzmärkte jedoch sogar steigen, wie bestimmte theoretische Annahmen und empirische Studien nahelegen.<br />
<br />
Die frühere Forderung Tobins nach der Besteuerung des Devisenhandels wurde 1997 von [[Ignacio Ramonet]] in einem Artikel in der Zeitung [[Le Monde diplomatique]] aufgegriffen, der zur Gründung der globalisierungskritischen Organisation [[attac]] führte.<ref name="Ramonet">Ramonet, Ignacio (1997) ''[http://www.monde-diplomatique.de/pm/1997/12/12/a0363.text.name,askTNIKjh.n,163 Die Märkte entschärfen]''. in: Le Monde diplomatique Nr.5406, 12. Dezember 1997</ref> Bis heute wird die Tobin-Steuer von [[Globalisierungskritik]]ern als eine zentrale Forderung angesehen.<ref>[http://taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/die-politik-hat-sich-veraendert/ ''Die Politik hat sich verändert.''] [[Detlev von Larcher]], Interview mit Malte Kreutzfeld, [[Die Tageszeitung]], 19. Mai 2010.</ref><br />
<br />
== Funktionsweise der Tobin-Steuer ==<br />
Der von Tobin vorgeschlagene [[Steuersatz (Steuerrecht)|Steuersatz]] würde auf alle grenzüberschreitenden Geldtransfers weltweit einheitlich erhoben und läge zwischen 0,05 Prozent und 1,0 Prozent. Für konventionelle Transfers wie Direktinvestitionen oder die im Warenhandel anfallenden Transaktionen wäre diese Steuer vernachlässigbar gering, da die anfallenden Kosten im Verhältnis zu den pro Transaktion anfallenden Gewinnen nicht relevant sind. Bei spekulativen Transfers, die zur Gewinnerzielung auf geringe und kurzfristige Schwankungen von Kursen setzen ([[Daytrading]]), würden bereits Abgaben in der geringen Höhe einer Tobin-Steuer die je Transaktion nur sehr niedrigen Gewinne eliminieren. <br />
<br />
Zur Illustration der besonderen Belastung kurzfristiger Transaktionen kann folgendes Rechenbeispiel dienen: Bei einer Tobin-Steuer in Höhe von 0,2 % pro Transaktion würde für einen Kapitalbetrag, der ein Jahr lang jeden Monat einmal international wandert, eine Belastung von ca. 12·0,2 = 2,4 % (genau: 1-(1-0,002)<sup>12</sup> = 2,37 %) anfallen. Wenn der Betrag einmal wöchentlich transferiert wird, würde die Belastung auf ca. 52·0,2 = 10,4 % (genau: 1-(1-0,002)<sup>52</sup> = 9,89 %) wachsen. Bei einer Transaktion pro Arbeitstag würde der Betrag mit ca. 52·5·0,2 = 52 % (genau: 1-(1-0,002)<sup>52·5</sup> = 40,58 %) besteuert. Im Jahr 1996 waren über 80 % der weltweiten Devisentransaktionen „round-trips“, die längstens innerhalb einer Woche zwischen zwei Währungen hin und her pendelten.<ref name="Tobin">Tobin, James (1996) ''[http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_96_tobin-tax.pdf Prologue]''. In: ul Haq, Haug, Grunberg (Eds.) Tobin Tax. New York, S. xi</ref><br />
<br />
== Bewertung ==<br />
<br />
=== Befürworter ===<br />
Die Tobin-Steuer soll, so die Befürworter, den kurzfristigen Handel mit Devisen unterbinden, da dieser ihrer Meinung nach negative Auswirkungen auf Volkswirtschaften hat, nicht aber den für diese unbedenklichen längerfristigen Devisenhandel. [[Paul Krugman]] hält eine derartige Steuer für wirksam genug, um ultra-kurze Spekulationsfristen, die unerwünschte Wirkungen ausüben, zu begrenzen.<ref>Paul Krugman: [http://www.nytimes.com/2009/11/27/opinion/27krugman.html?_r=1&pagewanted=print ''Taxing the Speculators.''] The New York Times. 26. November 2009.</ref><br />
<br />
Seit den 90er Jahren kam es vor allem in Schwellenländern immer häufiger zu Währungskrisen, die nach Interpretation vieler Beobachter ihre Ursache nicht in realwirtschaftlichen Problemen oder wirtschaftspolitischen Fehlern, sondern in spekulativen Transaktionen hatten (z.&nbsp;B. [[Asienkrise]], [[Tequila-Krise]], Krisen in Russland, der Türkei, Brasilien, Venezuela). Die plötzlichen Abwertungen der betroffenen Währungen führten in den Ländern zu Kapitalknappheit, was negative Folgen für ihre Wirtschaftsentwicklung hatte. Durch eine Besteuerung der Kapitalströme sollte die Spekulation mit Devisen eingedämmt werden, um so die [[Volatilität]] der Märkte einzuschränken und den Einfluss der von Tobin so genannten [[Beauty Contest|Beauty-Contest]]-Spekulanten zu verringern. Mit relativ kleinen Gewinnen für die Kapitaleigner würden den Volkswirtschaften spürbare Verluste zugemutet, was Tobin als unverhältnismäßig bezeichnet. <br />
<br />
Ein weiterer von Tobin eingebrachter Aspekt ist die Unterstützung nationaler Autonomie in der [[Fiskalpolitik|Fiskal-]] und [[Geldpolitik]].<ref name="Tobinb">Tobin, James (1996) ''[http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_96_tobin-tax.pdf Prologue]''. In: ul Haq, Haug, Grunberg (Eds.) Tobin Tax. New York, S.xiii</ref> Beide Bereiche werden durch Finanzmärkte massiv beeinflusst, die zum Beispiel eine Zentralbank durch Aufbau eines Abwertungsdrucks für eine Währung zwingen können, ihre Zinsen zu erhöhen.<br />
<br />
Ein besonders in den Debatten unter Globalisierungskritikern wichtiger Aspekt ist der Einnahmeeffekt. Die Einnahmen aus einer EU-weiten Einführung würden bei einem Steuersatz von 0,01 % bei jährlich 38 Mrd. US-$ liegen, eine weltweite Einführung würde Erträge von etwa 125 Mrd. US-$ bringen.<ref name="KW">Kalinowski, Thomas und Wahl, Peter (2006) ''[http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2247 Kampf um Tobin]''. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 02/2006, S.213ff</ref> Erhoben werden könnten diese Steuern von einer internationalen Organisation wie der UNO, die sie auch gleichzeitig für sich selbst zur Finanzierung nutzen könnte. Häufig wird auch diskutiert, die Steuer beispielsweise über die [[Weltbank]] zur Entwicklungshilfe oder für Maßnahmen zum Umweltschutz zu verwenden.<br />
<br />
Bei Tobin spielt die Verwendung der Steuer in seinem Konzept keine nennenswerte Rolle. Nur in Hinblick auf die Durchsetzung nennt er die Einnahmen als hilfreich, wenn die einzelnen sie eintreibenden Staaten sie als Anreiz zur Einführung selbst behalten dürften.<ref name="Tobind">Tobin, James (1996) ''[http://www.econ.yale.edu/news/tobin/jt_96_tobin-tax.pdf Prologue]''. In: ul Haq, Haug, Grunberg (Eds.) Tobin Tax. New York, S.xvi</ref><br />
<br />
1995 war Tobin Mitautor einer Studie, derzufolge die Steuer von einer begrenzten Zahl Länder auch ohne einen weltweiten Konsens einzuführen ist. Kontrolliert und besteuert werden müsste hier der Verleih der betreffenden Währung an Banken und Bankfilialen außerhalb des betreffenden Wirtschaftsraums (etwa der EU).<ref name="Tobinc">Eichengreen, Barry, Tobin, James und Wyplosz, Charles (1997) Two cases for sand in the wheels of international finance. in: The Economic Journal 105 nach: Grefe, Greffrath und Schumann (2003) Attac - Was wollen die Globalisierungskritiker. Hamburg S.83</ref><br />
<br />
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren seines Lebens von der Mehrheit der Befürworter der Tobin-Steuer distanziert, unter anderem, weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen vereinnahmt sah und weil die Diskussion in wesentlichen Punkten und Zielsetzungen von seinem ursprünglichen Konzept abweicht, das die Steuerung von Devisenströmen im Blick hat und nicht die Finanzierung von [[Entwicklungshilfe]]. Die Wirkung der Tobinsteuer soll nach Tobin unabhängig von der Verwendung der gewonnenen Steuerbeträge vor allem der Wechselkursstabilität dienen. Umweltpolitik oder Wirtschaftsförderung ist nach Tobin allenfalls ein Nebeneffekt der Steuer.<ref name="Spiegel-interview">Der Spiegel (2001) ''[{{Der Spiegel|20017795|Titel=Die missbrauchen meinen Namen|Text=}} Die missbrauchen meinen Namen!]''. Interview mit James Tobin. 3.9.</ref><br />
<br />
Der deutsche Sparkassenpräsident [[Heinrich Haasis]] sprach sich in Zusammenhang mit der Staatsverschuldung Griechenlands für die Einführung einer Transaktionssteuer als einer im Vergleich zu Gläubigerbeteiligung oder [[Bankenabgabe]] besseren Lösung aus.<ref>Frank M. Drost, Peter Köhler: [http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/griechenland-sparkassen-plaedieren-fuer-transaktionssteuer;2573698 ''Sparkassen plädieren für Transaktionssteuer.''] [[Handelsblatt]], 4. Mai 2010.</ref> <br />
<br />
In einem Gutachten, dessen Ergebnisse vom Bundestagsfinanzausschuss angehört wurden, zieht der Wormser Ökonomieprofessor [[Max Otte]] die Schlussfolgerung: „Die Finanztransaktionssteuer hat genau die beabsichtigte Lenkungswirkung: sie dämpft Spekulation und behindert Geschäfte mit einem Bezug zu Realwirtschaft wenig.“<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/zustimmung-unsicher-deutscher-beitrag-fuer-euro-rettung-steht-auf-der-kippe;2582164 ''Deutscher Beitrag für Euro-Rettung steht auf der Kippe.''] Handelsblatt, 17. Mai 2010.</ref><br />
<br />
==== Spahn-Steuer ====<br />
[[Paul Bernd Spahn]], Inhaber des Lehrstuhls für öffentliche Finanzen an der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität|Universität Frankfurt]], veröffentlichte 2002 im Auftrag des [[Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung|Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung]] (BMZ) eine Machbarkeitsstudie in Bezug auf die Tobin-Steuer.<ref name="Spahnb">Spahn, Paul Bernd (2002) [http://www.wiwi.uni-frankfurt.de/professoren/spahn/tobintax/ Zur Durchführbarkeit einer Devisentransaktionssteuer]. Bonn</ref> Die von ihm vorgeschlagene Steuer hat sich inzwischen unter den Befürwortern einer Devisenbesteuerung weitgehend durchgesetzt. <br />
<br />
Seine Empfehlung war die Einführung einer ''politically feasible Tobin Tax'' (deutsch ''politisch machbare Tobin-Steuer'', kurz PFTT), die hauptsächlich der Einnahmeerzielung und dem allgemeinen Eindämmen spekulativer Transaktionen dienen sollte, die in Schwellenländern mit einer zweiten Steuer zur Verhinderung der Entstehung von Währungskrisen (der ''exchange rate normalization duty'', deutsch ''Abgabe zur Normalisierung des Wechselkurses'', kurz ERND) kombiniert wird. Mit der ERND reagiert Spahn auf das Problem, dass eine Tobin-Steuer wegen ihres geringen Steuersatzes bei Eintreten einer Währungskrise die sehr starken Schwankungen des Wechselkurses nicht verhindern kann. Sein Konzept ist auch unter dem Namen ''Tobin cum circuit breaker'' bekannt.<br />
<br />
Bei der Einführung einer ERND würde für die Währung des betreffenden Landes ein Korridor definiert (siehe auch: [[Wechselkursbandbreite]]), in dem sie im Verhältnis zu einer durch die Zentralbank festgelegten [[Ankerwährung]] schwanken darf. Dieser Korridor würde, um eine Anpassung des Wechselkurses an realwirtschaftliche Verhältnisse zu ermöglichen, einen [[Gleitender Durchschnitt|gleitenden Durchschnitt]] beispielsweise des Kurses der letzten zwanzig Tage darstellen. Weicht der Wechselkurs von diesem Korridor ab, wird die Differenz zwischen dem Wechselkurs und dem Zielkorridor mit einer bis zu 100%igen Steuer belegt. Hierdurch würde nach Spahn eine Abweichung des Wechselkurses aus dem Zielkorridor und die Entstehung von Währungskrisen zumindest in Abwesenheit ernster struktureller Fehler im Finanzsystem des betreffenden Landes verhindert.<ref name="Spahn">Spahn, Paul Bernd (ohne Datum) ''[http://web.archive.org/web/20050427060447/http://attac.org/cec/doc/tt06.htm Stabilizing Exchange Rates with a „Tobin cum Circuit Breaker Tax“]''</ref><br />
<br />
Der wissenschaftliche Beirat beim BMZ bewertete die Studie kritisch und schloss negative Auswirkungen auf entwicklungspolitische Ziele nicht aus.<ref name="BMZ">BMZ (Hrsg.) (2002) ''[http://www.bmz.de/de/service/infothek/fach/spezial/spezial068pdf.pdf Stellungnahme zur Spahnsteuer]'' (PDF)</ref> Auch für Spahn stellte die Tobin-Steuer kein geeignetes Instrument der Entwicklungspolitik dar. Wie auch Tobin kritisiert er die ideologischen Elemente in der Diskussion. Für ihn ist die politische Verwirklichung von Menschenrechten, Demokratie und Bildung hilfreicher als der unkontrollierte Zufluss von Kapital.<ref group="fehlender Nachweis">Diese Angaben sind nicht [[Wikipedia:Belege|gesichert]]</ref><br />
<br />
=== Empirische Wirtschaftsforschung zur Wirksamkeit der Tobin-Steuer ===<br />
In der internationalen Wirtschaftsforschung gibt es mittlerweile eine Reihe von Fallstudien, in denen der Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und Volatilität der Finanzkurse empirisch untersucht wird. Diese Fallstudien basieren auf regulativen Veränderungen des elektronischen Marktprozesses, die in den 90er Jahren an zahlreichen Börsen zur Verringerung der Transaktionskosten vorgenommen wurden. Einige Resultate zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und der Volatilität (Instabilität) des Marktpreises (z.&nbsp;B.<ref name="RW">Ronen and Weaver (2001)</ref><ref name="B">Bessembinder (2001)</ref><ref name="Hau">Hau, Harald (2005) ''[http://faculty.insead.fr/hau/Research/JEEA_forthcoming.pdf The Role of Transaction Costs for Financial Volatility: Evidence from the Paris Bourse]'' Hau errechnet für eine 20%ige Erhöhung der Transaktionskosten eine Verstärkung der [[Volatilität]] an der Pariser Börse um 30 %.</ref>). <br />
<br />
Eine Zahl von Wirtschaftswissenschaftlern stellt daher in Frage, ob höhere Transaktionskosten tatsächlich eine Stabilisierung der Finanzmärkte mit sich bringen können. Beispielhaft ist die Untersuchung von Hau (2006). Das Ergebnis der Studie besagt, dass eine Erhöhung der ''tick size'' (Transaktionskosten) zu einer Verstärkung der [[Volatilität]] an der Pariser Börse führte, ein Ergebnis, das sich nach Meinung des Autors auch auf andere Märkte übertragen lässt.<ref name="Hau" /><br />
<br />
Andere Forschungen ergaben, dass Veränderungen der Volatilität je nach Marktgröße und Ausweichmöglichkeiten (Steuerparadiesen) unterschiedlich ausfallen.<ref>http://econpapers.repec.org/paper/innwpaper/2007-18.htm</ref><br />
<br />
=== Kritik ===<br />
Das größte Problem der als idealtypische Theorie konzipierten Tobin-Steuer liegt für viele Kritiker in der schwierigen weltweiten Umsetzbarkeit, da die Steuer nur in vollständigem internationalen Einklang sinnvoll einzuführen sei. Selbst wenn die wichtigsten Wirtschaftsnationen in dieser Frage einen Konsens erreichen sollten, bestehe bei einem einzelnen Land, das sich der Umsetzung verschließt, die Gefahr der Abwanderung des Devisenhandels in [[Offshore-Finanzplatz|Offshore-Finanzplätze]], womit er einer sinnvollen Regulierung vollkommen entzogen wäre.<br />
<br />
Kritisiert wird häufig auch, dass ein großer Teil der kurzfristigen Geschäfte mit kleinen Gewinnspannen Ungleichgewichte an den Devisenmärkten behebt (vgl. [[Arbitragehandel]]) und somit auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben kann. Die Tobin-Steuer würde diese Geschäfte stören und damit Wechselkursschwankungen sogar verstärken. Empirisch wird diese Kritik durch Forschungen zum Zusammenhang zwischen der Höhe der Transaktionskosten und der [[Volatilität]] der Kurse gestützt.<ref name="Hau" /><br />
<br />
Grundsätzlich schaffen Spekulanten durch ihren Handel zusätzliche [[Liquidität]] und sorgen so dafür, dass z.&nbsp;B. normale Käufer oder Verkäufer von Währungen nahezu immer auf einen Handelspartner treffen. Eine Tobin-Steuer würde die Zahl der Spekulanten und damit die Liquidität senken und somit (neben der Tobin-Steuer selbst) für höhere Kosten beim Handel sorgen.<ref>The Economist (2005) [http://www.economist.com/finance/displaystory.cfm?story_id=E1_PGDDTNT Tobin or not Tobin?]</ref><br />
<br />
Auch würde die Steuer in ihrer nicht-modifizierten Form (diese Kritik trifft nicht auf die ''Spahn-Steuer'' zu, s.&nbsp;o.) tatsächliche Währungskrisen, wie sie beispielsweise 1998 in Südostasien auftraten, kaum beeinflussen können, da bei sehr starken Schwankungen im relativen Wert der verschiedenen Währungen die möglichen Gewinne oder Verluste von Währungsspekulanten so stark ansteigen, dass eine niedrige Steuer wie die von Tobin vorgeschlagene kaum einen mäßigenden Effekt hätte.<br />
<br />
Teilweise wird aber auch allgemein die Vermeidung von Währungskrisen durch [[Kapitalverkehr]]skontrollen als nicht sinnvoll angesehen. Währungskrisen sind nach dieser Lesart allein die Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die in jedem Fall irgendwann eintreten würden und in den relativ labilen Finanzmärkten zuerst deutlich würden.<ref>z.&nbsp;B. Deutsche Bundesbank (2001). [http://217.110.182.54/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2001/200107mb.pdf Monatsbericht 53 (7)].</ref> Dies war auch die Meinung des IWF während der verschiedenen Finanzkrisen der letzten Jahre. Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass diese Position auch von liberalen Wirtschaftswissenschaftlern wie [[Jagdish Bhagwati]] oder [[Paul Volcker]] und Zeitschriften wie beispielsweise dem [[Economist]] abgelehnt wird.<ref>Bhagwati, Jagdish (2004) In Defense of Globalization. Oxford University Press, S.204ff; siehe auch: [[Ethan Kaplan]] und [[Dani Rodrik]] (2001) [http://ksghome.harvard.edu/~drodrik/Malaysia%20controls.PDF Did the Malaysian capital controls work? NBER Working Paper No.8142]</ref><ref>The Economist (2003) [http://www.economist.com/opinion/displaystory.cfm?story_id=E1_TSQRRJD A place for capital controls]</ref><br />
<br />
Zusätzlich besteht die Kritik, das Ziel der Steuer sei lediglich eine Erhöhung der Steuereinnahmen. Der Aufwand zur Erhebung der Steuer sei unter diesem Gesichtspunkt zu hoch, da die Erschließung anderer Einnahmequellen (etwa durch Erhöhung bereits bestehender Steuern) effizienter wäre.<ref name="BMZ" /><br />
<br />
== Umsetzung ==<br />
Sowohl die Parlamente von [[Frankreich]] als auch [[Belgien]] haben die Einführung der Tobin-Steuer beschlossen, allerdings nur, wenn alle [[Europäische Union|EU-Mitgliedsländer]] diese einführen. Ende Januar 2005 haben sich zuerst Frankreichs damaliger Staatspräsident [[Jacques Chirac]] und anschließend auch der damalige Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] erstmals für eine Besteuerung internationaler Devisengeschäfte zugunsten von Entwicklungsländern ausgesprochen. Kritiker meinen, dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine solche Steuer international nicht konsensfähig sei, da sie vor allem von der amerikanischen Regierung abgelehnt werde und somit keine Aussicht auf Realisierung solcher Vorschläge bestehe. Mittlerweile hat auch ein Umdenken bei den konservativen deutschen Parteien eingesetzt, so forderte der Europaparlamentarier [[Manfred Weber (Politiker)|Manfred Weber]] (CSU, Innenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion) die Einführung der Spahn-Steuer.<ref>Max Hägler: ''[http://www.taz.de/index.php?id=start&art=2875&id=deutschland-artikel&cHash=6e622bb98d Tobin-Steuer ist ein Thema für CSU"]'' in taz, [[die tageszeitung]] (9. August 2007)</ref><br />
<br />
Der damalige [[österreich]]ische Bundeskanzler [[Wolfgang Schüssel|Schüssel]] hat im Juli 2005 vorgeschlagen, die EU möge die Tobin-Steuer einführen (s. Weblink). Damit solle sich die EU eigene Mittel verschaffen können. Und&nbsp;– das war das eigentliche Ziel Schüssels&nbsp;– damit wäre die Budgetplanung der EU wesentlich konfliktfreier. Im Januar 2008 wurde die Idee einer EU-weiten Devisen-Transaktionssteuer im Rahmen des „Ökosozialen Forums Europa“ erneut von Kanzler [[Alfred Gusenbauer]] ([[Sozialdemokratische Partei Österreichs|SPÖ]]) und Vizekanzler [[Wilhelm Molterer]] ([[Österreichische Volkspartei|ÖVP]]) aufgegriffen. Gusenbauer bekräftigte dazu in einem Interview, dass sich die österreichische Bundesregierung im Rahmen der europäischen Institutionen für die Durchführbarkeit und einheitliche Umsetzung einer solchen EU-weiten Steuer einsetzen werde.<ref>Ö1 Inforadio: ''[http://oe1.orf.at/inforadio/86014.html?filter= Kanzler und Vizekanzler für Spekulationssteuer"]'' (21. Januar 2008)</ref> Die EU-Kommission sprach sich trotzdem bisher gegen die Einführung einer Tobin-Steuer aus. In der Schweiz gibt es die [[Emissionsabgabe|Stempelabgabe]]. Sie wird bei der Ausgabe, d. h. beim Kauf von Beteiligungsrechten (z. B. Aktien), Obligationen und Geldmarktpapieren erhoben.<br />
<br />
Auch der Präsident Brasiliens [[Luiz Inácio Lula da Silva]] und der Präsident Venezuelas [[Hugo Chávez]] haben sich für eine Einführung ausgesprochen.<br />
<br />
In Kanada hat das ''House of Commons'' 1999 eine Resolution verabschiedet, in der die Regierung aufgefordert wird, die Steuer „in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft“ einzuführen.<br />
<br />
Mitte November 2009 brachte eine Gruppe von sieben demokratischen Kongressabgeordneten einen Gesetzesvorschlag mit der Bezeichnung „''Let Wall Street Pay for the Restoration of Main Street Act''“ ein, der eine Besteuerung von Börsentransaktionen vorsieht.<ref>{{cite news |author=David Goldman |url=http://money.cnn.com/2009/12/02/news/economy/financial_transaction_tax/ |title=Taxing stock trades to pay for jobs |publisher=CNNMoney.com |date=2009-12-02 |accessdate=2010-08-16 |language=Englisch}}</ref><br />
<br />
Am 17. Oktober 2009 startete die Kampagne „[[Steuer gegen Armut]]“<ref>[http://www.steuer-gegen-armut.org]</ref> mit einem Offenen Brief an die Koalitionsparteien der Bundesregierung mit der Forderung, sich für eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Diese Kampagne lancierte am 6. November 2009 eine [[Online-Petition]] mit folgender Aufforderung: „''Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und dafür einzutreten, dass sie auch von anderen Ländern umgesetzt wird. Diese Steuer bezieht alle spekulationsrelevanten Finanztransaktionen ein. Bis diese Steuer EU- oder weltweit umgesetzt ist, sollen auf nationaler Ebene vorbereitende Schritte unternommen werden, z.&nbsp;B. unterstützende parlamentarische Entschließungen oder die Einführung einer Börsenumsatzsteuer.''<ref>“[https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=8236 Petition: Steuerpolitik - Einführung einer Finanztransaktionsteuer vom 6.&nbsp;November 2009]</ref> Die Online-Petition war erfolgreich, so dass sich der Bundestag damit beschäftigen muss.<ref>[http://www.evangelisch.de/themen/politik/finanztransaktionssteuer-etappensieg-fuer-kampagne8173 Finanztransaktionssteuer: Etappensieg für Kampagne, abgerufen am 9. Dezember 2009]</ref><br />
<br />
Während der [[UN-Klimakonferenz]] in Kopenhagen im Dezember 2009 entschied die [[EU]], sich für die Steuer auszusprechen und forderte den [[Internationaler Währungsfonds|Internationalen Währungsfonds]] auf, die Einführung der Steuer in Angriff zu nehmen. Laut der Europäischen Union könne so Geld für den Klimaschutz bereitgestellt werden.<ref>{{cite news |url=http://www.webcitation.org/5s1nkG4cT |title=EU steht hinter der Finanzmarktsteuer |publisher=[[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]] |date=2009-12-11 |accessdate=2010-08-16}}</ref><br />
<br />
Anfang 2010 sprach sich auch die CSU für eine Einführung einer Spekulationssteuer aus,<ref>http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11700742/63589/CSU-dringt-auf-Spekulationssteuer.html</ref> am 15. Januar 2010, durch die Verabschiedung der „Berliner Erklärung“, der Bundesvorstand der CDU. Am 8. Februar 2010 distanzierte sich Bundesfinanzminister Schäuble jedoch von der Einführung einer Tobinsteuer.<ref>http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/sonderabgabe-fuer-staatshilfe-schaeuble-will-banken-zur-kasse-bitten;2526435</ref> Bundeskanzlerin Merkel erklärte sich gegenüber den EU-Partnern bereit, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu prüfen.<ref>(ffr/dpa/apn/ddp), [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,694352,00.html ''Union will Finanzzocker zur Rechenschaft ziehen.''] Spiegel, 11. Mai 2010.</ref><br />
Im Mai 2010 einigt sich die in Berlin regierende Koalition aus CDU, CSU und FDP auf die Forderung nach einer internationalen Finanzmarktsteuer, lässt aber offen, ob es sich dabei um eine Finanztransaktions- oder Finanzaktivitätssteuer (Besteuerung der Gehälter und Boni von Bankmanagern) handelt.<ref> http://www.focus.de/politik/deutschland/finanzmarktsteuer-opposition-verlangt-haertere-massnahmen_aid_509436.html Finanzmarktsteuer<br />
Opposition verlangt härtere Maßnahmen, FOCUS online vom 17. Mai 2010</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* Catón, Matthias (2002) ''Tobin-Steuer''. In: [[Dieter Nohlen]] (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. 12. Auflage, Rowohlt, Reinbek, S. 792–793, ISBN 3-499-61468-5<br />
* Hau, Harald (2006), "[http://www.mitpressjournals.org/doi/abs/10.1162/JEEA.2006.4.4.862 The Role of Transaction Costs for Financial Volatility: Evidence from the Paris Bourse], Journal of the European Economic Association, Vol. 4(4). pp. 862-890, frei erhältlich vom [http://faculty.insead.edu/hau/PolicyIssues.htm Autor]<br />
* Kaiser, Johannes, Thorsten Chmura und Thomas Pitz (2006): ''[http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=936924 The Tobin Tax - A Game-Theoretical and an Experimental Approach]''<br />
* Thiemer, Andreas (1998) ''[http://www.wiwi.uni-muenster.de/ecochron/ec-top.htm?bp_tobin_tax1.htm Tobin Tax]''. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 27. Jg., Heft 3 (März 1998), S. 235<br />
* Deutsche Bundesbank (2001), Monatsbericht 53 (7)<br />
* Zsolt Darvas, Jakob von Weizsäcker: [http://www.bruegel.org/publications/show/publication/financial-transaction-tax-small-is-beautiful.html ''Financial Transaction Tax: Small is Beautiful.''] [[BRUEGEL]] 11. Januar 2010.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
*[http://www.bundestag.de/gremien/welt/glob_end/2_4_1_2.html Schlussbericht der Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft des Deutschen Bundestages]<br />
*[http://www.bundestag.de/gremien/welt/glob_end/11_1_7.html Minderheitsvoten der CDU/CSU aus o.&nbsp;g. Schlussbericht der Enquete-Kommission zur Tobin-Steuer]<br />
*[http://cowles.econ.yale.edu/faculty/tobin.htm Seite zu James Tobin der Universität Yale] (englisch)<br />
*[http://www.perspektive-blau.de/wissen/0302a/0302a.htm Tobin Tax: Sand im Getriebe der Finanzmärkte] - Artikel auf perspektive:blau<br />
*[https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=8236 Petition zur Finanztransaktionssteuer, einer Erweiterung der Tobin-Steuer]<br />
*[http://www.bundestag.de/presse/hib/2010_05/2010_155/01.html Anhörung des Finanzausschusses vom Deutschen Bundestag 17. Mai 2010 - Übersicht zu den verschiedenen Urteilen der Sachverständigen]<br />
*[http://www.bankenverband.de/themen/politik-gesellschaft/defacto/defacto-nr.-7/auswirkungen-einer-moeglichen-finanztransaktionssteuer Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer] - Analyse des Bundesverbandes deutscher Banken, Januar 2010<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
[[Bankenabgabe]]<br />
<br />
== Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<references group="fehlender Nachweis" /><br />
<br />
[[Kategorie:Globalisierungskritik]]<br />
[[Kategorie:Steuern und Abgaben]]<br />
[[Kategorie:Devisenmarkt]]<br />
<br />
{{Lesenswert|24. Oktober 2006|22948563}}<br />
<br />
[[ca:Taxa Tobin]]<br />
[[da:Tobinskat]]<br />
[[en:Tobin tax]]<br />
[[eo:Tobin-imposto]]<br />
[[es:Tasa Tobin]]<br />
[[fi:Valuutansiirtovero]]<br />
[[fr:Taxe Tobin]]<br />
[[he:מס טובין]]<br />
[[it:Tobin Tax]]<br />
[[ja:トービン税]]<br />
[[ko:토빈세]]<br />
[[nl:Tobintaks]]<br />
[[pl:Podatek Tobina]]<br />
[[pt:Taxa Tobin]]<br />
[[simple:Tobin tax]]<br />
[[sv:Tobinskatt]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Tobin-Steuer&diff=84691573Diskussion:Tobin-Steuer2011-01-31T23:04:06Z<p>Xjs: Neuer Abschnitt /* «Anderweitige Erwähnung»: Eschbach, Eine Billion Dollar */</p>
<hr />
<div>===Zwischenüberschrift===<br />
"Den Menschen in Thailand wäre eine solche Tobin-Steuer sicher recht gewesen!" Dieser Satz wirkt extrem subjektiv in diesem Zusammenhang. Imho nicht nötig.<br />
<br />
James Tobin lehnt nach eigenen Aussagen aber die Tobin-Steuer ab, in einem Spiegelinterview bezeichnete er sich selbst als ''free-trader''. Wer weiß genaueres?<br />
:Wo soll Tobin seinen Vorschlag abgelehnt haben? In dem Spiegelinterview jedenfalls nicht: Dort wie auch sonst in seinen Äußerungen in den letzten Jahren vor seinem Tod hat er sich immer wieder ''für'' seinen Vorschlag ausgesprochen. Es ist keinerlei Widerspruch, gleichzeitig für freien Welthandel und für die Tobin-Steuer zu sein.<br />
<br />
<br />
===Distanzierung===<br />
Die beiden Versionen dieses Absatzes sagen etwas total Unterschiedliches aus:<br />
<br />
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren von der Tobin-Steuer distanziert, <br />
weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen vereinnahmt sah. <br />
Die grundsätzliche Idee einer solchen Steuer hielt er aber immer für notwendig.<br />
<br />
Tobin selbst hat sich in den letzten Jahren von der Tobin-Steuer distanziert, <br />
unter underem weil er seinen Namen von den globalisierungskritischen Bewegungen<br />
vereinnahmt sah. <br />
<br />
Ich habe den zusätzlichen Satz damals hinzugefügt, weil er auch so laut Spiegel-Interview stimmt und es einen großen Unterschied macht, ob er sich generell distanziert hat, oder sich nur vereinnahmt sah und/oder es für undurchfürbar hielt. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 12:54, 5. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
: Hi, Mikegr, aussagemässig haben wir beide irgendwie recht, ich habe hier mal den Link, der meine Position eher unterstützt: http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_02-03-14-tdruk.htm . Für Deine Position hier übrigens eine etwas bessere Quelle von 1996: http://cowles.econ.yale.edu/news/tobin/jt_96_tobin-tax.pdf . Letztendlich geht es darum, dass Tobin nichts mit dem zu tun haben wollte, was die Öffentlichkeit unter Tobin tax versteht. Das kann man nun so auslegen, dass er die Grundidee immer noch für diskutierenswert hielt (mE Ja - dies ist auch Deine Position), aber dass er trotzdem sich mit Grausen von den Konzepten abgewendet hat, wie sie bspw. attac und die Globalisierungskritiker diskutieren (und hierzu sage ich auch ja und somit halte ich Deinen Ergänzungssatz für irreführend, obwohl im Prinzip richtig. Denn es geht Tobin nicht nur um den Missbrauch seines Namens, sondern auch um die Pervertierung seiner Idee. Deshalb würde ich Deinen Nachsatz gerne streichen. [[Benutzer:Pischdi|Pischdi]] 13:58, 10. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Prinzipiell kann ich mit dem Kompromiss leben, aber hätte noch gerne gewusst, in welcher Weise die Tobin-Steuer den Freihandel einschränkt. Nur weil etwas besteuert wird, muss es dadurch nicht eingeschränkt werden. Dann müßte man auch sagen, der Handel ist eingeschränkt, weil auf allen Waren Mehrwertsteuer erhoben wird und die Mehrwertsteuer ist nun wirklich kein Handelshemmnis. Außerdem geht es bei allen Varianten doch gerade um die Eindämmung der Entkoppelung von Devisentransaktionen und Handel, und die Steuer soll durch den geringen Prozentsatz den Handel auch nicht belasten. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 15:22, 10. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Habe Freihandel entfernt, weil dieser nicht berührt wird (auch wenn er es selbst so sieht;meine Begründung: siehe meinen vorigen Beitrag), dafür die Finanzierung (Weltverbesserungs-Ideen) reingebracht. [[Benutzer:Mikegr|Mikegr]] 10:53, 30. Jul 2004 (CEST)<br />
<br />
:Jede Steuer oder Zoll schränkt einen Handel ein. So werden zum Teil Importe von ausländischen Waren künstlich verteuert um die heimischen Waren weiterhin absetzen zu können. Ein echter Hardliner sieht auch in der Tobinsteuer eine Einschränkung des Freihandels, nämlich der Einschränkung des Devisenhandels, der kurzfristigen Devisenhandel zu einem Negativgeschäft macht und der auch langsfristige Anlagen in Devisen - wenn auch nur minimal - einschränkt. (1 Prozent (-)). Natürlich ist die Idee Tobins den nicht-spekulativen Handel so wenig wie möglich einzuschränken, aber er tut es doch, wenn auch nur sehr gering. Das ist sicherlich auch der Grund warum sich die USA - die ja nicht dafür bekannt sind ihre zum Teil sehr zweifelhaften Freiheiten (Waffenkauf etc.) im Sinne der Allgemeinheit zu beschränken - sich so gegen die Steuer stämmen. Ouzak<br />
<br />
<br />
Ich halte folgenden Satz für nicht haltbar<br />
"Unmöglichkeit der weltweiten Umsetzbarkeit"<br />
Wenn man sich die Nachrichten anschauht, sieht mam, dass Massenmorde, Kriege, Völkermörde oder das tägliche verhungern von weltweit tausenden Menschen durchaus möglich, ja, teilweise vollkomen selbstverständlich, sind. Da empfinde ich eine Aussage eine bestimmtze Steuer sei nicht einführbar schon recht eigenartig. Immerhin kann die UN Handelsboykotte Sanktion oder Kriege in gangsetzen. Die weitaus bedeutendere Frage ist, ob die Mächtige diese Steuer überhaupt wollen und falls ja (die USA sind ja zur Zeit dagegen) wie stark sie das wollen.-- [[Benutzer:82.83.54.211|82.83.54.211]] 13:39, 16. Jun 2005 (CEST)dirk33 nicht angemeldet<br />
<br />
== Lesenswerte-Diskussion ==<br />
<br />
*{{pro}} [[Benutzer:Stern|Stern]] [[Benutzer Diskussion:Stern|''!?'']] 16:27, 19. Okt 2005 (CEST)<br />
*'''contra''' - sollte mE noch ein bisschen volkswirtschaftlicher gestaltet werden. --[[Benutzer:Pischdi|Pischdi]] [[Benutzer Diskussion:Pischdi|>>]] 18:19, 22. Okt 2005 (CEST)<br />
*'''abwartend'''; da könnte man schon noch etwas ergänzen.--[[Benutzer:G|G]] 21:15, 22. Okt 2005 (CEST)<br />
*{{pro}} siehe meinen Beitrag in [http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Kandidaten_f%C3%BCr_lesenswerte_Artikel#Tobin-Steuer| Lesenswerte Artikel] [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:48, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
== Kritik ==<br />
<br />
''Kritiker sehen darin allerdings genau den gegenteiligen Effekt. Das Element der Spekulation werde damit nicht unterbunden, da Spekulanten folglich dafür sorgen würden, dass es zu stärkeren Kursbewegungen kommt. Gerade diese stärkeren Bewegungen seien es jedoch, die Volkswirtschaften schädigen, die kleinen Anpassungen hingegen verhinderten Ungleichgewichte und hätten positive Effekte.''<br />
<br />
Habe diesen Teil der Kritik aus dem Artikel entfernt. Erstens habe ich dieses Argument noch nie gehört und zweitens erscheint es mir unlogisch: wenn Spekulanten offensichtlich in der Lage sind, stärkere Schwankungen an Devisenmärkten auszlösen (wie es das Argument wie ich es verstehe voraussetzt), würden sie es wohl auch jetzt schon tun um ihre Gewinnspannen zu maximieren. Für gute Gegenargumente und möglichst Quellen bin ich jederzeit empfänglich! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:23, 19. Mai 2006 (CEST)<br />
<br />
:* Ein Unternehmer - gleich welcher Art - wird sein Kosten immer auf die Kunden abwälzen. [http://de.wikipedia.org/wiki/Kalkulation| Kalkulationen] basieren c.p. immer auf den realen Kosten (d.h. Steuern werden aufgeschlagen). Deshalb füge ich den Absatz - gekürzt und sprachlich leicht abgeändert - wieder hinzu. [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:54, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
:: Verstehe deine Argumentation leider nicht. Anscheinend du aber meine auch nicht, deshalb hier noch mal ein Versuch zu präzisieren. Was mich an dem Argument stört, ist dass 1.) hiernach offensichtlich die Spekulanten in der Lage sind, aktiv Kursschwankungen in beliebiger Stärke "herzustellen" (dem ist nicht so). 2.) Dass weiter stärkere Schwankungen höhere Gewinne auslösen, die die erhöhten Kosten durch die Tobinsteuer kompensieren könnten (nachvollziehbar). 3.) Bisher aber Spekulanten von ihrer Fähigkeit, stärkere Schwankungen auszulösen, nicht Gebrauch machen (absurd, wenn sie ja immerhin höhere Gewinne für sie bedeuten würden, wie unter 2.) ja vorrausgesetzt). <br />
:: Ich würde den Satz also weiterhin draußen lassen falls keine Quellen auftauchen oder ich ihn tatsächlich falsch verstehen sollte. Klingt einfach zu sehr nach irgendeinem Schüler, der da guten Willens Halbwissen verbreitet hat. MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 23:44, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
::: Tobin setzt ja voraus, das es möglich ist und will daher die Allgemeinheit partizipieren lassen. Abdernfalls machte seine Steuer, die ich als Regulation verstehe, keinen Sinn. Und nebenbei - ich habe einen Wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, allerdings anderer Ausprägung. [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 23:39, 28. Okt. 2006 (CEST)<br />
::::Ob sie das können oder nicht war nicht mein zentraler Punkt (obwohl sie es wirklich nicht können). Der Punkt ist: ''wenn'' sie es können und es ihre Marge erhöht, warum tun sie es nicht schon heute? Im übrigen: ich habe dich mit dem "gutwilligen Schüler" oben nicht gemeint und wollte dich auch nicht persönlich angreifen, falls du das so verstanden haben solltest.<br />
::::Ist dein wirtschaftswissenschaftlicher Abschluss BWL? Falls du dich auch etwas mit VWL auskennst, kannst du dir auch mal das Argument über dem hier diskutierten angucken. Mainstream und damit Enzyklopädie-geeignet ist es denke ich nicht, zumindest nicht unkommentiert. Das [[Fiat Money]] System abschaffen ist doch ein ziemlich radikaler Schritt, der, wenn er ernsthaft erwogen würde, einige Aufmerksamkeit auch außerhalb der Fachwelt auf sich ziehen würde. Bisher habe ich nichts davon mitgekriegt. MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:03, 30. Okt. 2006 (CET)<br />
:::::Ich habe noch einmal ein bisschen recherchiert und nachgedacht. Ein Kompromiss, der denke ich in die Kerbe schlägt, die auch der Kritikpunkt angepeilt hat, wäre dieser:<br />
<br />
:::::"Auch würde die Steuer tatsächliche Währungskrisen, wie sie beispielsweise 1998 in [[Asienkrise|Südostasien]] auftraten, kaum beeinflussen können, da bei sehr starken Schwankungen im relativen Wert der verschiedenen Währungen die möglichen Gewinne oder Verluste von Währungsspekulanten so stark ansteigen, dass eine niedrige Steuer wie die von Tobin vorgeschlagene kaum einen mäßigenden Effekt hätte." OK für dich? Ich werde auch noch mal die Einleitung zum Thema leicht abwandeln. Freundliche Grüße: [[Benutzer:Kricket|Kricket]] 11:35, 1. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
Hi Mwahl!<br />
Ich habe die Kritik jetzt so verändert eingestellt. Wäre für einen Kommentar oder ähnliches natürlich trotzdem dankbar. Siehe auch mein Beitrag unten! MfG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:35, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
Hi, eigentlich ist der erste Text der treffendere, hierzu ein Beispiel: Warentermingeschäfte wurden eingeführt, um das Risiko von Missernten auf Spekulanten abwälzen zu können, d. h. der Spekulant hat Weizen und Risiko gekauft. Im Allgemeinen waren bei Warentermingeschäften die Margen relativ gering. Damit würde die Tobinsteuer diese Art von gewünschter Spekulation (zum Schutze der Bauern) "abwürgen". Größere Schwankungen wären hingegen kaum betroffen, da die Wirkung der Tobinsteuer relativ zur Marge abnimmt.<br />
M. E. wurde der richtige Satz gegen eine verwässerte Aussage ersetzt. Gruß [[Benutzer:Knightsurfer|Knightsurfer]]. <small>(20:33, 19. Mai 2009 (CEST), ''Datum/Uhrzeit nachträglich eingefügt, siehe [[Hilfe:Signatur]]'')</small><br />
<br />
==Frage==<br />
<br />
Im Wiki-Beitrag steht: ''"Die Forschungsergebnisse zeigen einen eindeutigen positiven Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und der Volatilität (Instabilität) des Marketpreises (z.B Ronen and Weaver (2001), Bessembinder (2001), Bessembinder and Rath (2002), Hau (2006)). Tobins Hypothese von der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten (durch Steuern) kann daher als empirisch widerlegt betrachtet werden."''<br />
<br />
Wenn es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Volatilität und Transanktionskosten gibt (positive Korrelation), dann wirkt die Tobin-Steuer doch '''gerade''' stabilisierend und nicht Volatilitätsverstärkend. Damit wäre die als "empirisch widerlegte Hypothese" nicht widerlegt, sondern bestätigt! Oder habe ich etwas falsch verstanden?<br />
<br />
:Du hast das Zitat falsch verstanden: positiver Zusammenhang besagt, dass, wenn die Transaktionskosten steigen (das würde durch beispielsweise eine Steuer ausgelöst), auch die Volatilität steigt (was man ja eigentlich gerade bekämpfen wollte). Muss aber sagen, dass mir diese rein empirische Argumentation ziemlich obskur vorkommt. In dem Bereich belastbare Zahlen zu bekommen ist kompliziert, die Wahrscheinlichkeit, dass sie von eher minderer Qualität sind ist hoch und eine positive Korrelation widerspricht einfach meiner Logik. Wenn du dich ernsthaft mit dem Thema befasst, solltest du die Quellen selbst angucken und auf jeden Fall nach irgendeiner nachvollziehbaren Begründung suchen (und sie dann vielleicht hier einarbeiten). --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 21:38, 25. Jul 2006 (CEST)<br />
<br />
== Anderweitige Erwähnung der Tobin Steuer ==<br />
<br />
* Die Einführung einer Tobin-Steuer wird im Allgemeinen von Grünen Parteien und Bewegungen gefordert.<br />
** Grundsatzprogramm der Österreichischen Grünen zur Steuergerechtigkeit [http://www.gruene.at/wirtschaft/steuergerechtigkeit/]<br />
** Kommentar zur Sonntagsrede am Europatag von Claudia Roth, Grünen-Bundesvorsitzende (Deutschland) [http://www.gruene.de/cms/themen/dok/142/142855.inhaltsfreie_sonntagsrede_zum_europatag.htm]<br />
** Wahlprogramm 2005 der Deutschen Grünen [http://www.gruene.de/cms/default/dokbin/141/141550.wahlprogramm_2005.pdf] (PDF-Datei 234 Seiten)<br />
** [[Charta]] der [[Global Greens]], "Was es bedeutet, im neuen Jahrtausend Grün zu sein - Eine Begriffsbestimmung [http://www.gruene.de/cms/files/dokbin/85/85604.global_green_charta_deutsche_uebersetzun.pdf] (PDF-Datei)", [[Canberra]]/[[Australien]] [[2001]]. ''Global Greens'' ist das internationale Netzwerk Grüner Parteien und politischer Bewegungen.<br />
----<br />
Vielleicht sollte man das in den Artikel aufnehmen ?<br />
<br />
--[[Benutzer:Jwf2010|Jwf2010]] 13:06, 18. Sep 2006 (CEST)<br />
<br />
== Lesenswert-Kandidatur, 17. Oktober 2006 (erfolgreich) ==<br />
<br />
{{Pro}} Pro's & Contra's sehr gut dargestellt und gesellschaftspolitisch wichtiger Artikel! [[Benutzer:Mwmahlberg|mwmahlberg]] 10:13, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
Der Artikel stellt ein sehr interessantes Thema recht ausführlich dar, insbesondere die Positionen Pro und Contra. Auch die ausführungen zum Beispiel Thailand sind sehr hilfreich für das Veerständnis. Kleinigkeiten wären freilich noch Dinge wie, dass es zu englischen Zitaten vielleicht prinzipiell eine Übersetzung in Kursivschrift darunter geben sollte. Trotzdem schonmal {{Pro}} -- [[Benutzer:Cup of Coffee|Cup of Coffee]] 22:17, 17. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} verständliche, klare Sprache. Man hat das Gefühl, zum Thema informiert zu sein, wenn man der Artikel gelesen hat. --[[Benutzer:Luha|Lutz Hartmann]] 14:22, 18. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Der Artikel geht vorbildlich mit den kontroversen Meinungen zum Lemma um.--[[Benutzer:KaiMartin|-&lt;(kmk)&gt;-]] 01:59, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Zwei kleine Kritikpunkte: Die Einleitung kommt mir ein bißchen lang vor - und (das betrifft natürlich nicht den Artikel selbst): Durch die Verlinkung am Ende merkt man leider, wie grottig der Artikel [[Eine Billion Dollar]] ist, in dem die Tobin-Steuer zumindest mal erwähnt werden sollte, wenn sie schon im Roman eine große Rolle spielt. Könnte da nicht der Hauptautor der Tobin-Steuer mal helfend eingreifen?--[[Benutzer:NSX-Racer|NSX-Racer]] | <small>[[Benutzer Diskussion:NSX-Racer|Disk]] | [[Spezial:Contributions/NSX-Racer|B]]</small> 02:24, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{pro}} Einleitung etwas umgestellt, lesenswerter Artikel, weiter so [[Benutzer:217﹒125﹒121﹒169|Carus]] 03:44, 19. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
'''neutral''': Prinzipiell ein gut lesbarer kompakter Artikel für mich als Laien. In den Abschnitten ''Kritik'' und ''Befürworter'' stellt sich&nbsp;– wie so oft bei derartigen Themen&nbsp;– die Frage, wer die Befürworter und Kritiker eigentlich sind, in welchen Werken der Kritik Ausdruck verliehen wird, usw. Ich verlinke ungern auf die englische Wikipedia, aber die Literatur von [[:en:Wikipedia:Avoid weasel words]] macht die Problematik dieser Darstellungsform vielleicht deutlich. --[[Benutzer:Polarlys|Polarlys]] 12:21, 21. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{Neutral}} "superschwerer Kapitalbeträge" ist das ein Fachbegriff? --[[Benutzer:Grim.fandango|Grim.fandango]] 22:40, 22. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
{{Neutral}} Der Artikel informiert auch einen Laien wie mich einigermaßen über die Vor- und Nachteile der Tobin-Steuer. Einige Sprach-Schlampereien sollten aber behoben werden, ihr schreibt hier nicht für den [[Der Spiegel|Spiegel]]. <br />
:Einleitung: ...Katastrophen bereiten...<br />
:Grundidee: ...superschwerer Kapitalbeträge..., ...Unsicherheiten wirken sich zurück..., ... großsummigen Geschäfte..., ...Umweltpolitik ist ein Nebeneffekt dieser Steuer... <br />
:Befürworter: ...die Zahlen (welche?) liegen deutlich unter dem Niveau...<br />
Wo hat Tobin diese Steuer erstmals vorgeschlagen (Buch, Vortrag, Zeitschriftenartikel...). Wie wurde dieser Vorschlag Anfang der 1970er aufgenommen? Wann wurde die Tobin Tax einer größeren Öffentlichkeit bekannt? --[[Benutzer:Blech|Blech]] 21:54, 23. Okt. 2006 (CEST)<br />
<br />
==Funktionsweise==<br />
<br />
Habe noch mal die Funktionsweise der Steuer erklärt. Die bisherige Erklärung war nicht korrekt: es geht nicht um die absolute Höhe der Transaktionssummen sondern um die Relation zwischen Transaktionssumme und Gewinn. Ich hoffe, dass das jetzt rüberkommt. [[Benutzer:Kricket|Kricket]] 12:15, 1. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
<br />
Im Absatz zur Funktionsweise heißt es "... bei einer Tobin-Steuer in Höhe von 0,2% pro Jahr würde für einen Kapitalbetrag ...". Wenn ich das recht verstanden habe, müsste es "0,2 % pro Transaktion" heißen. Oder? -- [[Benutzer:195.37.61.3|195.37.61.3]] 14:18, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
:ich habe das mal klargestellt und pro Jahr durch "pro Transaktion" ersetzt. Gerade die Vielzahl von Transaktionen muss reduziert werden, da diese zu einem erheblichen Teil nur wegen kleinster Margen gemacht werden. --[[Benutzer:Wmeinhart|Wmeinhart]] 14:56, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
::huch - natürlich vollkommen korrekt! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:00, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
Da ist ein Fehler in der Rechnung: 12 x 0,002 ist nicht 2,4. Das müsste 12 x 0,2 heißen, oder nicht?[[Benutzer:KrizTischasa|KrizTischasa]] 15:44, 11. Jan. 2008 (CET)<br />
:Das ist nicht 2,4 sondern 2,4%, "%" bedeutet quasi "durch Hundert". Man könnte auch 12*0,2% schreiben, ist dann wahrscheinlich leichter zu verstehen. Kannst du ja ändern, falls du Lust hast! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:58, 11. Jan. 2008 (CET)<br />
<br />
==Umstellung==<br />
<br />
Ich habe den Artikel noch mal umgestellt und überarbeitet. Den Abschnitt ''Grundidee der Tobin-Steuer'' habe ich vollständig unter dem Abschnitt Befürworter integriert. Die Spahn-Steuer steht jetzt zusammen mit den Empirischen Erkenntnissen unter ''Wissenschaftliche Diskussion''.<br />
<br />
Sicherlich lesens- und einarbeitenswert zum Thema ist denke ich [http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2247 dieser Artikel] aus den Blättern, da [[Peter Wahl]] mitgeschrieben hat wohl eher bei den Befürwortern einzuordnen. Leider fehlt mir gerade die Zeit. <br />
<br />
<br />
Die Kritik am fiat-Money-System würde ich übrigens rausnehmen (ist meines Wissens nach nicht wirklich Mainstream), ebenso sollte die Kritik an den Einnahmen überarbeitet werden, vielleicht so:<br />
<br />
''Kritisiert wird vor dem Hintergrund der angenommenen Defizite die Prioritisierung der Rolle der Tobin-Steuer als Einnahmequelle, die die teilweise negativen Auswirkungen außer Acht lässt.''<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:35, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
PS: Peter Wahl ist eine der relevanteren Personen bei Attac und [[Weed]]!<br />
<br />
:Sehe gerade, dass mein Edit in der Versionsgeschichte wohl etwas unübersichtlich geworden ist. Das meiste, was da als gelöscht oder neu erscheint, sind Verschiebungen. Ausnahme:<br />
<br />
:Kritik:<br />
<br />
:alt:<br />
<br />
::Kritiker sehen in der Tobin-Steuer auch einen Effekt, der dem Sinn wiederspricht. Das Element der Spekulation werde mit der Tobin-Steuer nicht unterbunden, da Spekulanten dafür sorgen würden, dass es zu stärkeren Kursbewegungen kommt, um ihre Margen zu erhöhen. <br />
<br />
:neu:<br />
<br />
::Auch würde die Steuer tatsächliche Währungskrisen, wie sie beispielsweise 1998 in Südostasien auftraten, kaum beeinflussen können, da bei sehr starken Schwankungen im relativen Wert der verschiedenen Währungen die möglichen Gewinne oder Verluste von Währungsspekulanten so stark ansteigen, dass eine niedrige Steuer wie die von Tobin vorgeschlagene kaum einen mäßigenden Effekt hätte.<br />
<br />
:Grundidee der Tobin-Steuer<br />
<br />
:weg:<br />
<br />
::die ersten beiden Absätze (sind unter Befürwortern sowieso und besser erklärt)<br />
<br />
:verschoben<br />
<br />
::Tobins Distanzierung von den Globalisierungskritikern - zu Befürwortern verschoben<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 10:47, 15. Nov. 2006 (CET)<br />
<br />
==letzter Edit==<br />
<br />
ich habe wieder mal...<br />
<br />
entfernt habe ich diesen Absatz:<br />
<br />
''Tiefergehende Kritik gibt es von Seiten freiheitlich orientierter radikaler [[Kapitalismus]]-Befürworter wie den Vertretern der [[Österreichische Schule|Österreichischen Schule der Nationalökonomie]], des [[Libertarismus]] und des [[Anarchokapitalismus]]. Nach ihrer Auffassung geht die Tobin-Steuer nicht weit genug. Sie ziele lediglich auf ein Symptom ab, nicht jedoch auf die grundsätzliche Ursache, das internationale [[Fiat Money]]-Währungssystem. Dieses sollte durch einen [[freier Markt|freien Markt]] für Währungen, mindestens jedoch durch einen vollen [[Goldstandard]] ersetzt werden.''<br />
<br />
Ich habe ernste Zweifel, dass das wirtschaftswissenschaftlicher Mainstream ist (d.h. übersetzt dass man doch einfach unser derzeitiges Währungssystem abschaffen sollte, was ein ''freier Markt für Währungen'' sein soll kann ich auch nicht nachvollziehen). Falls irgendjemand eine ernstzunehmende Quelle dazu hat, bin ich natürlich dankbar. Weiter habe ich Spahn jetzt unter dem Abschnitt Befürworter eingeordnet, die empirische Wirtschaftsforschung in den Abschnitt Kritik.<br />
<br />
Außerdem habe ich einige kleine redundante Sätze aus dem Abschnitt Kritik entfernt.<br />
<br />
--[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 16:53, 11. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
:Der rausgenommene Absatz ist v.a. deshalb Schwachsinn, weil der die Steuer gar nicht kritisiert! Ähnliche "Kritiken" hätten sicher alle radikalen Lager von Marx bis Anarcho-Primitiven.<br />
::Danke. Ist auch richtig. --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:26, 15. Dez. 2006 (CET)<br />
<br />
== Einleitungssatz... ==<br />
<br />
"...derzeit nicht existierende Steuer..." stört mich, ist irgendwie ungelenkig und erzeugt den Eindruck, als sei es eine etablierte Steuer oder als wäre sie schonmal dagewesen, nur zur Zeit ausgesetzt. Imho sollte klargemacht werden, dass es ein Besteuerungsvorschlag ist...<br>wie wärs mit "bisher noch nirgendwo eingeführter/umgesetzter Besteuerungsvorschlag..."?<br>Bitte in diesem Sinne umformulieren. Gruß, --[[Benutzer:X-Weinzar|X-&#39;Weinzar]] 23:21, 28. Feb. 2007 (CET)<br />
:hast recht. Jetzt gut? FG --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 19:35, 1. Mär. 2007 (CET)<br />
::auf jeden Fall deutlich besser. so kann mans erstmal stehen lassen. Ich zerbrech mir gerne über solchen scheinbar nebensächlichen Formulierungsfragen den Kopf, bin quasi Perfektionist;-) Hätte ich die in meinen Augen perfekte Version gefunden, dann hätte ich sie auch selbst eingefügt...Ich überleg nochmal, vielleicht fällt mir noch was ein. So isses jedenfalls auch okay..Gruß, --[[Benutzer:X-Weinzar|X-&#39;Weinzar]] 14:24, 2. Mär. 2007 (CET)<br />
<br />
== Kritiker ist POV ==<br />
<br />
Moin! Ich finde den Abschnitt "Kritiker" (der Nebenbei in Kritik umbenannt werden sollte) POV, da sie voll mit absoluten Aussagen ist ("da die Steuer nur in vollständigem internationalen Einklang sinnvoll einzuführen ist" <-> "1995 war Tobin Mitautor einer Studie, derzufolge die Steuer von einer begrenzten Zahl Länder auch ohne einen weltweiten Konsens einzuführen ist." usw.) -- [[Benutzer:iGEL|iGEL]]·[[Benutzer Diskussion:iGEL|대화]]·[[Benutzer:iGEL/Bewertung|Bew]] 10:49, 29. Mai 2007 (CEST)<br />
<br />
:Besser? Nimm den Baustein raus, wenn Problem gelöst ist! FG! --[[Benutzer:Kricket|Kricket]] 15:17, 31. Mai 2007 (CEST)<br />
<br />
== weblink tot, ergänzt ==<br />
<br />
"Kampagnenseite zur Tobin-Steuer von Attac" unter Weblinks ist nicht mehr erreichbar (E404), hab die betroffene Seite bei attac auch nicht gefunden, sodass ich nicht neu verlinken konnte, kann das mal jmd. fixen? --[[Benutzer:Pppp|Pppp]] 19:33, 1. Okt. 2008 (CEST)<br />
<br />
<br />
der bmz-link ist auch tot.<br />
Abhilfe: http://www.bmz.de/de/service/infothek/fach/spezial/spezial068pdf.pdf<br />
<br />
Es wäre nett, wenn das jemand einbaut, der sich mit der sache auskennt ;)<br />
<br />
<br />
== POV? Auf jeden Fall verwirrend ==<br />
Als Erst-Leser des Artikels war ich irritiert. Der Leser hat am Ende den Eindruck, die Wirksamkeit der Idee sei komplett widerlegt. Bzw. an einer Stelle steht im gleichen Abschnitt, dass es funktioniert, und am Ende des nächsten Absatzes, dass es widerlegt sei. Am Ende - und das ist ja das, was als Fazit bleibt - bleibt das "widerlegt" hängen. Soll das der Tenor sein - d.h. entspricht das der Gewichtung in der wissenschaftlichen Meinungslandschaft? --[[Benutzer:Judit Franke|Judit Franke]] 20:53, 8. Jan. 2009 (CET)<br />
: In den Sozialwissenschaften kann man Theorien nicht widerlegen. Es gibt typischerweise unterschiedliche Auffassungen und Wertungen. Der Mainstream der Ökonomen geht davon aus, dass eine Tobin-Steuer kontraproduktiv wäre. Auch die zitierten empirischen Untersuchungen bestätigen dies. Aber das schließt nicht aus, dass er Mindermeinungen gibt, die andere Auffassungen vertreten. Und es schliesst auch die (statistisch geringe) Möglichkeit nicht aus, dass diese Mindermeinungen (unter bestimmten Rahmenbedingungen) Recht haben. Die Darstellung der verschiedenen Positionen mag verwirren. Aber sie ist das Gegenteil von POV.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 22:14, 8. Jan. 2009 (CET)<br />
<br />
<br />
== Finanzmarkt-Transaktionssteuer ==<br />
<br />
[[Transaktionssteuer]] leitet auf diesen Artikel weiter. Die derzeit (Sep 2009) im Rahmen des G-20 Gipfels von der deutschen Delegation vorgeschlagene [[Finanzmarkt-Transkationssteuer]] sieht jedoch eine Besteuerung ''aller'' Transaktionen vor und geht somit weit ueber die von Tobin vorgeschlagene Steuer auf Devisen-Geschaefte hinaus. Weiterhin ist die Motivation - Beteiligung der Akteure am Finazmarkt an den zur Bewaeltigung der Finanzkrise noetigen Kosten - eine andere. Daher sollte dieses Konzept in einem weiteren Artikel beschrieben werden. --[[Benutzer:He!ko|he!ko]] 09:34, 25. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
: [[Transaktionssteuer]] ist zunächst einmal ein reines Kompositum: Eine [[Steuer]] auf [[Transaktion]]en. So ist z.B. die [[Grunderwerbssteuer]] eine Transaktionssteuer auf den Kauf von Immobilien oder die [[Börsenumsatzsteuer]] war eine auf Börsenumsätze. Verwendet wird der Begriff aber imho primär in Bezug auf Finanztransaktionen. Eine Darstellung von einzelnen tagespolitischen Gedankenspielen wie der Transaktionssteuervorschlag der SPÖ (der in der Artikelhist zu finden ist) oder der Finanzmarkt-Transaktionssteuer ist aber wenig hilfreich. Solche Modelle haben erfahrungsgemäß keine lange Lebensdauer. Daher ist eine Löschung von [[Transaktionssteuer]] oder einer BKL, die dann auf die bestehenden Artikel (darunter [[Tobin-Steuer]]) verlinkt, die beste Lösung.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 11:11, 25. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
::Finde ich auch gut. Ich wollte gerade ein "siehe auch" einfügen, um zw. Börsenumsatz- und Tobin-Steuer zu verlinken. Aber ich glaube mit der BKL wäre es besser. - Also alle diese Begriffe auf die BKL leiten, in einer BKL-Leiste oben in den Artikeln auf andere hinweisen, oder wie wäre die beste Lösung?<br />
::Sollte man diese Diskussion auch von den genannten Artikeln hierher verlinken (weil ich nur vor Tagen Tobin in den Medien hörte - inzwischen scheint man die Begrifflichkeit geändert zu haben)?<br />
::Wer macht die BKL - am besten bald, solange das Thema noch "heiß" ist...<br />
::...Die erstmals 1694 in Großbritannien angewandte [[en:Stamp duty reserve tax]] wird mit [[Stempelsteuer]] übersetzt.<br />
::--[[Benutzer:Gsälzbär|Gsälzbär]] 13:22, 26. Sep. 2009 (CEST)<br />
<br />
== widerlegen ==<br />
<br />
In der Einleitung: ''Er hoffte, dadurch zu erreichen, dass die Wechselkurse von Währungen stärker die langfristigen realwirtschaftlichen Phänomene als die kurzfristigen spekulativen Erwartungen widerspiegeln. Empirische Studien widerlegen diese Annahme jedoch.'' Das ist offenkundig falsch.<br />
<br />
Weiter unten ist vielmehr die Rede von drei empirischen Fallstudien, die den Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und Volatilität der Finanzmärkte untersuchen. Es wird keineswegs klar, inwieweit die Studien für die konkrete Maßnahme der ''Tobin Tax'' aussagekräftig sind. Was die Studien überhaupt untersuchen, ist keineswegs klar (handelt es sich um statistische Zusammenhänge zwischen Transaktionskosten und Volatilität in bestimmten Untersuchungszeiträumen? oder sind das Szenarien?). Die Anwendbarkeit auf die Tobin Tax ist ebenfalls völlig unklar. <br />
<br />
Schließlich können empirische Untersuchungen, gleich welcher Art, nicht gut die erhofften Wirkungen einer Maßnahme, die es noch gar nicht gibt, "widerlegen". Das ist schon logisch nicht möglich. <br />
<br />
Der Satz "Empirische Studien widerlegen diese Annahme jedoch" sollte daher gestrichen werden.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 15:16, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
: In der Tat ist es sachlogisch unmöglich, nicht umgesetzte Maßnahmen empirisch widerlegen. Empirisch widerlegt ist die Hypothese von der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten. Daher sollte der Satz konkretisiert werden auf: ''Empirische Studien widerlegen die Annahme der stabilisierenden Wirkung höherer Transaktionskosten jedoch.'' . Dann passt es wieder, da es dann nicht mehr konkret um die Empirie der Tobinsteuer geht.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 15:48, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
::Moment mal, das ist aber auch fragwürdig. Wenn ich mal Vermutungen aussprechen darf: Untersucht haben die Studien, wie das technisch bedingte Fallen von Transaktionskosten an bestimmten Börsen durch die Verbesserung des elektronischen Handels in den 1990er Jahren mit der Volatilität des Finanzmarkts korrelierte. Reicht das ernsthaft dazu aus, eine solch weitreichende Aussage über die Wirkung des (also jeden) Steigens von Transaktionskosten zu treffen?--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:19, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
:::Nach einem kursorischen Blick auf Haus Paper habe ich den Eindruck, dass der Kern seiner Aussage ist: Kurzfristige Spekulationen haben (in den Jahren 1995 bis 1999 in Paris) eher stabilisierende Wirkungen auf die Finanzmärkte gehabt. Wurden diese mit höheren Transaktionskosten belastet, erhöhte sich die Volatilität tendenziell eher. Das scheint mir aber keinesfalls state of the art zu sein (wie übrigens das Papier auch erkennen lässt), sondern eher ''ein'' empirischer Hinweis darauf, dass man nicht einfach annehmen soll, die Erschwerung kurzfristiger Spekulation mache die Finanzmärkte stabiler. Wäre ja auch weitaus logischer.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:40, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
Im Übrigen: What about this? http://www.banque-france.fr/gb/fondatio/telechar/papers_d/estimati.pdf --[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:48, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
Oder: ''But, does that mean that a Tobin tax, which would increase transactions costs, will increase volatility and reduce liquidity? This is a very difficult question to answer unequivocally. Absent exogenous events that are likely to have significantly altered transactions costs in currency markets, it is in my mind impossible to prove that the causality goes from trading costs to volatility and not the other way around. Thus, I do not think that the paper by Aliber et al. (2003) shows that imposing a Tobin tax on currency trading would result in more volatility and less liquidity. On the other hand, the evidence does not show that a Tobin tax would deliver the promised results of lower volatility and increased liquidity either!'' http://www.cob.ohio-state.edu/fin/faculty/werner/papers/Comment_Tax.pdf scheint mir die Sache doch weitaus besser zu treffen.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 16:54, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
: Mein Beitrag bezog sich darauf, dass der Einleitungsabsatz den Stand unten im Artikel widerspiegeln sollte. Wenn also Bedarf an Ergänzungen in [[Tobin-Steuer#Empirische_Wirtschaftsforschung_zur_Wirksamkeit_der_Tobin-Steuer]] besteht, muss sich das auch oben niederschlagen und vice versa.<br />
: Inhaltlich: Ich denke, wir haben hier eine Verkürzung des Sachverhalts, der sich auch in den zitierten Studien wiederfindet. Die Tatsache, dass illiquide Märkte volatil sind, ist wahrscheinlich unstrittig und wird auch von der Empirie gedeckt. Wenn ich also einen liquiden Markt habe und dieser durch Transaktionskosten illiquide wird, führen die Transaktionskosten zu höherer Volatilität. Wenn ich also solche Situationen empirisch untersuche, werde ich zu dem Ergebnis kommen: Transaktionskosten erhöhen empirisch die Volatilität. Untersuche ich nun einen Markt, der vorher illiquide war und es auch nachher ist, komme ich wahrscheinlich empirisch zu zufälligen Ergebnissen. Untersuche ich nun einen Markt, der vorher liquide war und es auch nachher ist, wird es spannend. Dann könnte eine Tobin-Steuer wirken, oder auch nicht. Damit würde ich alle Untersuchungen, die empirisch etwas "widerlegen" sehr kritisch sehen. Daher stelle ich mir die Frage, ob wir das Pferd nicht falsch herum aufsatteln: Unbestritten sollte sein, dass die Tobin-Steuer die Liquidität der Märke senkt (das ist ja gerade Zweck der Sache, dass Spekulationsgeschäfte unterbleiben). Eine zu niedrige Liquidität erhöht die Volatilität. Dieser Effekt wird empirisch gestützt. Dann würde der betreffende Satz lauten: "Eine Tobin-Steuer senkt die Liquidität der Märke. Empirische Studien wie theoretische Überlegungen stützen den Effekt, dass eine zu niedrige Liqudität die Volatilität erhöht."[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 17:53, 23. Okt. 2009 (CEST)<br />
::Das klingt gleich viel besser und logischer. So sollten wirs machen.--[[Benutzer:Mautpreller|Mautpreller]] 12:21, 24. Okt. 2009 (CEST)<br />
<br />
== Newsticker ==<br />
<br />
Das Thema Tobin-Steuer ist ja aktuell stark in der politischen Diskussion und es gibt dementsprechend täglich neue Zeitungsmeldungen über die politische Diskussion, in der sich auch der eine oder andere Wissenschaftler gerne zitieren läßt. Es ist nicht zielführend, im Artikel jede Pressemeldung darzustellen. Daher bitte bei jeder tagesaktuellen Ergänzung selbstkritisch prüfen, ob diese Meldung auch in einem oder 10 Jahren noch enzyklopädisch wichtig sein wird.[[Benutzer:Karsten11|Karsten11]] 11:37, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
:10 Jahren? [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tobin-Steuer&diff=74493115&oldid=74492198 Diese Ergänzung] ist wohl in 10 Tagen nicht mehr relevant, weil diese Finanztransaktionssteuer entweder beschlossen oder abgelehnt wurde.--[[Benutzer:Mr. Mustard|Mr. Mustard]] 12:25, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
::Diese Newstickerei ist eh eine Unsitte, aber was sich (angeblich) "abzeichnet", setzt dem ganzen nochmal die Krone auf. --[[Benutzer:Charmrock|Charmrock]] 12:55, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
:::Ich bin gleich wieder weg hier, nur so viel wir haben keinen Artikel zur Finanztransaktionssteuer und die Tobintax bezieht sich überwiegend auf FX Geschäfte. Also eine Teilgebiet von Finanztransaktionen. Ein redirect wäre so, als wenn man Automobil auf Mercedes umleiten würde. Eine Weiterleitung von Finanztransaktionssteuer auf Tobintax ist also Humbug. Macht damit was ihr wollt. Gruss --<span style="text-shadow:grey 0.15em 0.15em 0.2em; class=texhtml">[[Benutzer:Meisterkoch|MK]]<sup>[[P:W]]</sup></span>&nbsp; 14:14, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
::::Insofern stellt sich die Frage, ob die im Rahmen der "Newstickeritis" eingefügten Ergänzungen der letzten Wochen überhaupt in den Artikel "Tobin-Steuer" gehören oder ob diese nicht Finanztransaktionssteuern im Allgemeinen betreffen. Die Tobin-Steuer ist schließlich nur eine Form der [[en:Financial transaction tax|Finanztransaktionssteuer]] von vielen.--[[Benutzer:Mr. Mustard|Mr. Mustard]] 14:21, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
<br />
Hier stellen sich noch mehr Fragen: Versteht der Leser so einfach, dass hier geschrieben steht:<br />
„Die EU-Kommission sprach sich trotzdem bisher gegen die Einführung einer Tobin-Steuer aus.“ und drei Sätze weiter „Während der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 entschied die EU, sich für die Steuer auszusprechen und forderte den Internationalen Währungsfonds auf, die Einführung der Steuer in Angriff zu nehmen. Laut der Europäischen Union könne so Geld für den Klimaschutz bereitgestellt werden.“ ? Ist folgendes enzyklopädisch relevant: „Mitte November 2009 brachte eine Gruppe von sieben demokratischen Kongressabgeordneten einen Gesetzesvorschlag mit der Bezeichnung „''Let Wall Street Pay for the Restoration of Main Street Act''“ ein, der eine Besteuerung von Börsentransaktionen vorsieht“ ? Der ganze Abschnitt Umsetzung gehört entrümpelt. --[[Benutzer:Charmrock|Charmrock]] 15:02, 18. Mai 2010 (CEST)<br />
: Es gehört so manches entrümpelt. --[[Benutzer:Meffo|meffo]] 11:59, 19. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
== Funktionsweise der Tobinsteuer? ==<br />
Also das Beispiel verstehe ich nicht. Wenn ein Auto verkauft wird fällt 19 % MwSt. an. Wenn das Auto 10 mal im Jahr weiter verkauft wird, fallt dies Steuer 10 mal an. Das ist doch dann auch kein Argument gegen diese Steuer, obwohl sie viel höher ist. Das wird dann ja auch nicht zusammen addiert zu 190 % Steuer/Jahr. Verkaufen ohne den Wagen zu besitzen (Leerverkauf)? Käme auch niemand auf diese Idee, und wenn doch, ist das doch Betrug. Wo liegt da die juristische verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz zwischen Handel und Finanzhandel. Ich verkaufe den Neuwagen, ohne ihn zu besitzen, weil ich hoffe, das gleiche Modell morgen preiswerter erhalten und liefern zu können. Die Zahlung der MwSt. lehne ich dann aber ab, mit der Begründung, das dies dem freien Markt (Handel) schaden würde, und nur eine ganz linke Tour sein kann, vom Kommunisten ersonnen, gar. -- [[Benutzer:Tarzan|-- ]] 23:15, 23. Mai 2010 (CEST)<br />
<br />
Falsch.<br />
Das Ding heißt aus gutem Grund '''Mehrwert'''steuer - dadurch wird der entstehende Mehrwert versteuert. Also: Wenn das Auto weiterverkauft wird, wird nicht der gesamte Autopreis nochmal versteuert, sondern der Gewinn. (sehr vereinfacht ausgedrückt - die exakte Erklärung liefert der Wiki-Artikel)--[[Benutzer:Tyru|Tyru]] 21:32, 9. Jun. 2010 (CEST)<br />
<br />
== «Anderweitige Erwähnung»: Eschbach, Eine Billion Dollar ==<br />
<br />
Die Tobin-Steuer spielt in dem Roman keineswegs eine tragende Rolle, wird im Gegenteil vom Protagonisten lediglich gegen Ende des Romans in einer Talkshow als Beispiel für eine mögliche von einer Weltregierung durchgeführte Massnahme erwähnt. (Andreas Eschbach, Eine Billion Dollar, 7. Auflage 2006 (ISBN-13: 978-3-404-15040-3), S. 820f.) Erlaube mir daher, den entsprechenden Abschnitt zu entfernen. --[[Benutzer:Xjs|Xjs.]] 00:04, 1. Feb. 2011 (CET)</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zwillingsparadoxon&diff=84643771Zwillingsparadoxon2011-01-30T21:40:39Z<p>Xjs: /* Das wechselseitig langsamere Altern der Zwillinge */ Kein Komma</p>
<hr />
<div><onlyinclude>Das '''Zwillingsparadoxon''' (oder '''Uhrenparadoxon''') ist ein [[Gedankenexperiment]], das einen scheinbaren Widerspruch in der [[Spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] beschreibt. Danach fliegt einer von zwei [[Zwilling]]en mit nahezu [[Lichtgeschwindigkeit]] zu einem fernen [[Stern]] und kehrt anschließend mit derselben [[Geschwindigkeit]] wieder zurück. Während der Flugphasen altert der jeweils andere Zwilling als Folge der [[Zeitdilatation]] langsamer. Nach der Rückkehr auf der [[Erde]] stellt sich aber heraus, dass der dort zurückgebliebene Zwilling älter geworden ist als der gereiste.</onlyinclude><!-- Nur die Einführung wird ins Portal Physik übernommen --><br />
<br />
== Überblick ==<br />
Der zugrunde liegende Gedanke basierte auf einem Hinweis [[Albert Einstein]]s aus dem Jahre 1905, wonach eine Uhr, welche sich von einem beliebigen Punkt entfernt und dann wieder dorthin zurückkehrt, gegenüber einer die ganze Zeit an diesem Punkt verbliebenen Uhr nachgeht. 1911 dehnte Einstein diese Überlegung auch auf lebende Organismen aus.<ref>{{Cite journal|author=Albert Einstein|year=1905|title=Zur Elektrodynamik bewegter Körper|journal=Annalen der Physik|volume=322|issue=10|pages=891–921|url=http://www.physik.uni-augsburg.de/annalen/history/einstein-papers/1905_17_891-921.pdf|format=PDF}}</ref><br />
Da die Zeitdilatation jedoch symmetrisch ist, das heißt jeder sollte die Uhr des anderen langsamer gehen sehen, ergab sich die Frage, welche Uhr beim Zusammentreffen denn nun tatsächlich nachgeht. Dies wurde 1911 von [[Paul Langevin]] als Erstem korrekt analysiert, und 1911/13 gelang es [[Max von Laue]], die Erklärung von Langevin mit Hilfe des Minkowkischen [[Raumzeit]]-Formalismus sehr viel klarer und anschaulicher darzustellen.<ref>Paul Langevin: ''[[s:fr:L’Évolution de l’espace et du temps|L’Évolution de l’espace et du temps]]''. In: ''Scientia'' 10, 1911, p. 31–54</ref><br />
<ref>{{cite journal|last=von Laue|first=Max|authorlink=Max von Laue|title=Zwei Einwände gegen die Relativitätstheorie und ihre Widerlegung|journal=Physikalische Zeitschrift|volume=13|year=1911/2|pages=118-120|url=http://www.archive.org/details/ZweiEinwaendeGegenDieRelativitaetstheorieUndIhreWiderlegung}}</ref><ref>{{Cite book|author=Max von Laue|year=1913|title=Das Relativitätsprinzip|edition=2. Ausgabe |publisher=Vieweg|location=Braunschweig}}</ref><br />
<br />
Wie Langevin und Laue zeigten, beruht das Paradoxon auf intuitiven, aber unzulässigen Annahmen über das Wesen der [[Zeit]], wie beispielsweise der [[Relativität der Gleichzeitigkeit|Gleichzeitigkeit]]. Insbesondere wird dabei der Richtungswechsel am Umkehrpunkt der Reise ignoriert. Durch diese Umkehr sind die beiden Zwillinge nicht gleichwertig, sondern ein Beobachter wechselt sein [[Inertialsystem]], wodurch sich für ihn die Beurteilung der Gleichzeitigkeit der Ereignisse ändert. Hingegen für den anderen Zwilling ändert sich nichts, sodass bei diesem die Betrachtung der reinen Zeitdilatation das richtige Endergebnis liefert. Für den Altersunterschied der Zwillinge ist allerdings nur die ''zwischen'' den Richtungsänderungen zurückgelegte Distanz von Bedeutung (bzw. deren Verteilung auf den [[Weltlinie]]n, wenn ''beide'' Zwillinge Richtungsänderungen vornehmen), nicht jedoch die Größe der dabei auftretenden Beschleunigung, da diese im Vergleich zur Reisezeit bei gleichförmiger Bewegung beliebig klein gehalten werden kann. So liefert auch der Fall, wo beim Umkehrpunkt lediglich die Uhrzeit per Funksignal auf einen anderen, entgegenkommenden Beobachter übertragen wird, dasselbe Ergebnis wie im Fall mit Beschleunigung. Denn in der Relativitätstheorie werden Raum und Zeit zur sogenannten [[Raumzeit]] vereinigt. Jeder Reisende beschreibt in ihr eine Kurve, deren Länge die Zeit repräsentiert, die für ihn dabei vergeht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem dreidimensionalen Raum und der vierdimensionalen Raumzeit besteht daher darin, dass eine gerade Strecke im Raum die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten darstellt, die ein Reisender zurücklegen kann, während eine gerade Strecke zwischen gegebenen Punkten in der Raumzeit die längste aller möglichen Reiserouten ist.<ref>{{Cite book|author=Arthur I. Miller|year=1981|title=Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911)|location=Reading|publisher=Addison-Wesley|isbn=0-201-04679-2|pages=257–264}}</ref><br />
<br />
Während der Nachweis der Zeitdilatation selbst in [[Teilchenbeschleuniger]]n bereits Routine ist, konnte auch eine Zeitdifferenz in der Art des Zwillingsparadoxons (also mit Hin- und Rückflug) bei einem Interkontinentalflug (1971) indirekt durch den Vergleich zweier [[Atomuhr]]en in bester Übereinstimmung mit der Vorhersage der Relativitätstheorie nachgewiesen werden. Bei diesem [[Hafele-Keating-Experiment]] spielen jedoch auch die [[Erdrotation]] und Effekte der [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] eine Rolle.<ref>1918 beschrieb [[Albert Einstein]] das Paradoxon auch mit Hilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie. Siehe<br />A. Einstein: ''Dialog über Einwände gegen die Relativitätstheorie'', Die Naturwissenschaften, Heft 48, S. 697–702 (1918) ([http://www.springerlink.com/content/h23ut1w657678778/fulltext.pdf Online-PDF])</ref><br />
<br />
== Auflösung des Zwillingsparadoxons ==<br />
Zur Auflösung des Zwillingsparadoxons im Detail sind folgende zwei Fragen zu beantworten:<br />
* Wie kommt es, dass jeder Zwilling den jeweils anderen langsamer altern sieht?<br />
* Wieso erweist sich der auf der Erde zurückgebliebene Zwilling nach der Reise als der ältere?<br />
<br />
=== Das wechselseitig langsamere Altern der Zwillinge ===<br />
Zur Beantwortung der ersten Frage betrachte man, wie der Zwilling auf der Erde überhaupt feststellt, dass der fliegende langsamer altert. Dazu vergleicht er die Anzeige auf einer [[Uhr]], die der fliegende Zwilling mit sich führt, mit zwei ruhenden Uhren, die sich am Anfang und am Ende einer bestimmten Teststrecke befinden, die der fliegende Zwilling passiert. Dazu müssen diese beiden Uhren aus der Sicht des ruhenden Zwillings natürlich auf die gleiche Zeit eingestellt worden sein. Der fliegende Zwilling liest zwar bei den Passagen dieselben Uhrstände ab wie der ruhende, er wird aber einwenden, dass seiner Ansicht nach die Uhr am Ende der Teststrecke im Vergleich zu der am Anfang vorgeht. Der gleiche Effekt tritt auf, wenn der fliegende Zwilling analog das Altern des irdischen mit zwei Uhren beurteilt.<br />
<br />
Ursache ist der Umstand, dass es nach der Relativitätstheorie keine absolute Gleichzeitigkeit gibt. Die [[Relativität der Gleichzeitigkeit|Gleichzeitigkeit]] von Ereignissen an verschiedenen Orten und damit auch die angezeigte Zeitdifferenz von zwei dortigen Uhren wird von Beobachtern, die sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen, unterschiedlich beurteilt. Eine genaue Betrachtung der Verhältnisse zeigt, dass die wechselseitige Einschätzung einer Verlangsamung der Zeit daher nicht zu einem Widerspruch führt. Hilfreich sind dazu die vergleichsweise anschaulichen [[Minkowski-Diagramm]]e, über die sich dieser Sachverhalt grafisch und ohne Formeln nachvollziehen lässt.<br />
<br />
Die wechselseitige Verlangsamung steht in Einklang mit dem [[Relativitätsprinzip]], das besagt, dass alle Beobachter, die sich mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander bewegen, völlig gleichberechtigt sind. Man spricht von [[Inertialsystem]]en, in denen sich diese Beobachter befinden.<br />
<br />
=== Das unterschiedliche Altern der Zwillinge ===<br />
==== Variante mit Beschleunigungsphasen ====<br />
Zur Beantwortung der zweiten Frage ist die Abbrems- beziehungsweise Beschleunigungsphase zu betrachten, die für die Rückkehr des fliegenden Zwillings erforderlich ist. Während dieser Phase vergeht nach Einschätzung des fliegenden Zwillings die Zeit auf der Erde schneller. Der dort zurückgebliebene Zwilling altert dabei soweit nach, dass er trotz des langsameren Alterns während der Phasen mit konstanter Geschwindigkeit im Endergebnis der Ältere ist, so dass sich auch aus der Sicht des fliegenden Zwillings kein Widerspruch ergibt. Das Ergebnis nach der Rückkehr steht auch nicht im Widerspruch zum Relativitätsprinzip, da die beiden Zwillinge aufgrund der Beschleunigung, die nur der fliegende erfährt, bezüglich der Gesamtreise nicht als gleichwertig betrachtet werden können.<br />
<br />
Ursache dieser Nachalterung ist wiederum die Relativität der Gleichzeitigkeit. Während der Beschleunigung wechselt der fliegende Zwilling gewissermaßen ständig in neue Inertialsysteme. In jedem dieser Inertialsysteme ergibt sich jedoch für den Zeitpunkt, der gleichzeitig auf der Erde herrscht, ein anderer Wert und zwar derart, dass der fliegende Zwilling auf eine Nachalterung des irdischen schließt. Je weiter sich die Zwillinge voneinander entfernt haben, umso größer ist dieser Effekt.<br />
<br />
[[Datei:Zwillingsparadoxon.png|miniatur|rechts|200px|Weg-Zeit-Diagramm für v=0,6c. Der Zwilling auf der Erde bewegt sich auf der Zeitachse von A<sub>1</sub> nach A<sub>4</sub>. Der reisende Zwilling nimmt den Weg über B. Linien der Gleichzeitigkeit aus der Sicht des reisenden Zwillings sind für die Hinreise rot und für die Rückreise blau eingezeichnet. Die Punkte auf den Reisewegen markieren jeweils ein Jahr Eigenzeit.]]<br />
Die Verhältnisse sind im dargestellten Weg-Zeit-Diagramm einer Reise von A nach B und wieder zurück mit 60 % der Lichtgeschwindigkeit ''c'' dargestellt. Die Bahn des zurückbleibenden Zwillings verläuft entlang der Zeitachse von A<sub>1</sub> nach A<sub>4</sub>, der fliegende nimmt den Weg über B. Jede horizontale Linie im Diagramm entspricht Ereignissen, die aus der Sicht des Zwillings auf der Erde gleichzeitig erfolgen. Der fliegende Zwilling dagegen schätzt beim Hinflug alle Ereignisse auf den roten Linien als gleichzeitig ein und beim Rückflug die auf den blauen. Unmittelbar vor seiner Ankunft am Ziel B befindet sich der ruhende Zwilling nach Ansicht des fliegenden daher bei A<sub>2</sub> und erscheint daher weniger gealtert. Während der Umkehrphase, die hier als so kurz angenommen wurde, dass sie im Diagramm nicht zu erkennen ist, schwenken die Linien der Gleichzeitigkeit für den fliegenden Zwilling, und sein Bruder auf der Erde altert bis zum Punkt A<sub>3</sub> nach. Während der Rückreise nach A<sub>4</sub> scheint der Zwilling auf der Erde wieder langsamer zu altern. Da die dargestellten Neigungen der Linien der Gleichzeitigkeit nur von der Reisegeschwindigkeit vor und nach der Umkehrphase abhängen, ist die Stärke der Beschleunigung für die Nachalterungszeit nicht relevant.<br />
<br />
Der irdische Zwilling spürt von dieser Nachalterung nichts, sondern es handelt sich, wie beschrieben, um einen Effekt, der im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie lediglich die Folge einer Beschreibung der Vorgänge aus unterschiedlichen Koordinatensystemen heraus ist, zwischen denen der reisende Zwilling wechselt. Das wird besonders deutlich, wenn man Ereignisse betrachtet, die in Reiserichtung noch weiter von der Erde entfernt sind als der umkehrende Zwilling. Nach Einschätzung des umkehrenden Zwillings läuft dort ab einem gewissen Abstand die Zeit während der Beschleunigungsphase rückwärts. Die Situation ist vergleichbar mit Objekten in einem gewissen seitlichen Abstand vom Straßenrand, die sich schräg hinter einem Autofahrer befinden, die aber nach einer scharfen Kurve im rechten Winkel plötzlich wieder schräg vor ihm liegen können, so dass er ein zweites Mal an ihnen vorbeifährt. In diesem Fall ist es die Drehung des Bezugssystems des Autos, die diesen Gegenstand scheinbar nach vorne befördert hat.<br />
<br />
Bei all diesen Betrachtungen wurde vorausgesetzt, dass die Zwillinge bei ihrer Einschätzung des Geschehens nicht das, was sie unmittelbar sehen, für die gleichzeitig anderswo stattfindende [[Realität]] halten, sondern die ihnen bekannte Ausbreitungsgeschwindigkeit des [[Licht]]es berücksichtigen.<br />
<br />
So kann beispielsweise der beschriebene Nachalterungssprung nicht unmittelbar beobachtet werden, da die zugehörigen Lichtsignale, die von A<sub>2</sub> und A<sub>3</sub> auf der Erde ausgehen, erst während der Rückreise beim reisenden Zwilling eintreffen.<br />
<br />
==== Variante ohne Beschleunigungsphasen ====<br />
Durch Einführen einer dritten Person lässt sich eine Variante des Zwillingsparadoxons formulieren, die völlig ohne Beschleunigungsphasen auskommt.<ref>Hermann Bondi: ''Relativity and Common Sense'', Doubleday 1964 (Nachdruck Dover 2008, ISBN 0-486-24021-5), S. 80</ref> Dabei passiert der reisende Zwilling den Stern mit gleich bleibender Geschwindigkeit, während die dritte Person gleichzeitig den Stern mit einer gleich großen aber zur Erde gerichteten Geschwindigkeit passiert, wobei beide lediglich ihre Uhren abgleichen. Wenn beide auch die Erde mit konstanter Geschwindigkeit passieren und dabei lediglich mit dem irdischen Zwilling Uhrenstände vergleichen, findet überhaupt keine Beschleunigung statt. Die mathematische Behandlung dieses Szenarios und sein Endergebnis sind identisch mit dem zuvor geschilderten, sofern die Dauer der Beschleunigungsphasen vernachlässigbar kurz ist. Diese Variante mit drei Personen demonstriert, dass nicht unbedingt die Beschleunigung als Phänomen das Zwillingsparadoxon auflöst, sondern der Umstand, dass das Geschehen während der Hin- und Rückreise aus unterschiedlichen Inertialsystemen mit unterschiedlichen Einschätzungen der Gleichzeitigkeit heraus beurteilt wird.<br />
<br />
=== Zahlenbeispiel ===<br />
<br />
Für eine Hin- und Rückreise mit 60 % der Lichtgeschwindigkeit zu einem Ziel in 3&nbsp;Lichtjahren Abstand ergeben sich folgende Verhältnisse (siehe obige Grafik): Aus der Sicht des Zwillings auf der Erde sind für Hin- und Rückweg jeweils 5&nbsp;Jahre erforderlich. Der Faktor für die Zeitdilatation und die [[Längenkontraktion]] beträgt&nbsp;0,8. Das bedeutet, dass der fliegende Zwilling auf dem Hinweg nur um 5 × 0,8 = 4 Jahre altert. Dieser erklärt sich diesen geringeren Zeitbedarf damit, dass die Wegstrecke sich durch die Längenkontraktion bei seiner Reisegeschwindigkeit auf 3 × 0,8 = 2,4 Lichtjahre verkürzt hat. Da nach seiner Einschätzung auf der Erde die Zeit auch langsamer verstreicht, scheint auf der Erde unmittelbar vor seiner Ankunft am fernen Stern lediglich 4 × 0,8 = 3,2 Jahre verstrichen zu sein. Während der Umkehrphase verstreichen aber auf der Erde seiner Ansicht nach zusätzlich 3,6&nbsp;Jahre. Zusammen mit den 3,2&nbsp;Jahren auf dem Rückweg sind also auch aus der Sicht des fliegenden Zwillings auf der Erde insgesamt 10&nbsp;Jahre verstrichen, während er selbst lediglich 8&nbsp;Jahre gealtert ist.<br />
<br />
=== Austausch von Lichtsignalen ===<br />
<br />
[[Datei:Zwillingsparadoxon - Lichtsignale.png|miniatur|rechts|382px| Wege jährlich ausgesandter Lichtsignale. Links Signale, die der irdische Zwilling aussendet und rechts die des reisenden. Die rot dargestellten empfängt bzw. sendet der Reisende vor der Umkehr und die blauen danach. Aufgrund des relativistischen Doppler-Effektes werden die Signale zunächst mit der halben und später mit der doppelten Frequenz empfangen.]]<br />
Bisher wurde dargestellt, was die Beobachter unter Berücksichtigung der ihnen bekannten Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes für das reale Geschehen halten. Im folgenden sei beschrieben, was beide Zwillinge unmittelbar sehen, wenn sie einmal pro Jahr ein Lichtsignal zu ihrem Bruder senden. Die Wege von Lichtsignalen im obigen Weg-Zeit-Diagramm sind Geraden mit einer Neigung von 45°. Bezogen auf dieses Beispiel ergeben sich die nebenstehenden Diagramme.<br />
<br />
Zunächst bewegen sich die Zwillinge voneinander weg, so dass die Lichtstrahlen durch den Dopplereffekt rotverschoben sind. Diese Lichtstrahlen sind im Diagramm rot dargestellt. Nach der Hälfte der Reise bewegen sich die Zwillinge aufeinander zu, so dass die Lichtstrahlen blauverschoben werden, daher sind diese Lichtstrahlen im Bild blau dargestellt. Aufgrund des Relativitätsprinzips messen beide Beobachter die gleichen Zeitintervalle zwischen zwei roten Signalen. Ebenso messen beide dieselbe Zeitspanne zwischen zwei blauen Signalen, wobei diese Zeitspanne kürzer ist, als die Zeitspanne zwischen zwei roten Signalen, was im Bild sofort klar wird.<br />
<br />
Damit führt die Annahme, beide Zwillinge wären nach der Rückkehr gleich alt, so dass beide Zwillinge gleich viele Signale vom anderen empfangen hätten, nun aber zu einem Widerspruch. Denn während der reisende Zwilling am Umkehrpunkt und damit nach der halben Reisezeit sofort die zeitlich komprimierten Signale erhält, erreichen den irdischen Zwilling die gedehnten Signale noch länger. Aufgrund des Relativitätsprinzips bekommt also der Beobachter, der für einen längeren Zeitraum blauverschobene Signale erhält insgesamt mehr Signale, als der andere. Der reisende Zwilling bekommt also mehr Signale, als der Zwilling auf der Erde, so dass beide übereinstimmend feststellen, dass der reisende Zwilling langsamer gealtert ist.<br />
<br />
Im Zahlenbeispiel des nebenstehenden Bildes sieht der reisende Zwilling, bedingt durch eine Kombination von relativistischen Effekten und Laufzeiteffekten, den irdischen zunächst in 4&nbsp;Jahren um 2&nbsp;Jahre altern und in weiteren 4&nbsp;Jahren um 8&nbsp;Jahre, insgesamt also um 10&nbsp;Jahre. Der irdische Zwilling sieht entsprechend den Reisenden zunächst in 8&nbsp;Jahren um 4&nbsp;Jahre altern und anschließend in 2&nbsp;Jahren um 4&nbsp;Jahre, insgesamt also um 8&nbsp;Jahre.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Twin paradox}}<br />
* Franz Embacher: ''Spezielle Relativitätstheorie: [http://www.ap.univie.ac.at/users/fe/SRT/Zwillingsparadoxon.html Zwillingsparadoxon und Geodäten der Raumzeit]''<br />
* Klaus Kassner: ''Crash Course in spezieller Relativitätstheorie: [http://itp.nat.uni-magdeburg.de/~kassner/srt/crashcourse/zwillingsparadoxon.html Das Zwillingsparadoxon]''<br />
* Mike Bernhardt: ''[http://www.mpe.mpg.de/~bernhardt/zwillingsparadoxon.pdf Zum Zwillingsparadoxon in der Speziellen Relativitätstheorie]'' ([[PDF]], 140 kB)<br />
* ''Geometrie der Relativitätstheorie: [http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/relativity/node19.html Zwillingsparadoxon] in der de.sci.physik-FAQ<br />
* ''[[b:Das »Zwillingsparadoxon« - einmal genau betrachtet|Das »Zwillingsparadoxon« - einmal genau betrachtet]]'' als [[Wikibook]]<br />
<br />
== Einzelbelege ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Gesprochene Version<br />
|datei=De-Zwillingsparadoxon-article.ogg<br />
|länge=13:39 min<br />
|größe=4,45 MB<br />
|version=http://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon?oldid=31332373<br />
|exzellent=nein<br />
}}<br />
<br />
{{Lesenswert}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spezielle Relativitätstheorie]]<br />
[[Kategorie:Allgemeine Relativitätstheorie]]<br />
[[Kategorie:Gedankenexperiment]]<br />
[[Kategorie:Paradoxon]]<br />
<br />
{{Link GA|es}}<br />
<br />
[[ar:مفارقة التوأم]]<br />
[[bg:Парадокс на близнаците]]<br />
[[bs:Paradoks blizanaca]]<br />
[[ca:Paradoxa dels bessons]]<br />
[[cs:Paradox dvojčat]]<br />
[[da:Tvillingeparadokset]]<br />
[[el:Παράδοξο των διδύμων]]<br />
[[en:Twin paradox]]<br />
[[es:Paradoja de los gemelos]]<br />
[[eu:Bikien paradoxa]]<br />
[[fi:Kaksosparadoksi]]<br />
[[fr:Paradoxe des jumeaux]]<br />
[[he:פרדוקס התאומים]]<br />
[[hi:यमल परोक्षक]]<br />
[[hr:Paradoks blizanaca]]<br />
[[hu:Ikerparadoxon]]<br />
[[id:Paradoks Kembar]]<br />
[[it:Paradosso dei gemelli]]<br />
[[ja:双子のパラドックス]]<br />
[[ko:쌍둥이 역설]]<br />
[[la:Paradoxum geminorum]]<br />
[[lt:Dvynių paradoksas]]<br />
[[nl:Tweelingparadox]]<br />
[[nn:Tvillingparadokset]]<br />
[[no:Tvillingparadokset]]<br />
[[pl:Paradoks bliźniąt]]<br />
[[pt:Paradoxo dos gêmeos]]<br />
[[ro:Paradoxul gemenilor]]<br />
[[ru:Парадокс близнецов]]<br />
[[scn:Paradussu dî giameddi]]<br />
[[simple:Twin Paradox]]<br />
[[sk:Paradox dvojčiat]]<br />
[[sl:Paradoks dvojčkov]]<br />
[[sr:Парадокс близанаца]]<br />
[[sv:Tvillingparadoxen]]<br />
[[th:ปัญหาฝาแฝดพิศวง]]<br />
[[uk:Парадокс близнят]]<br />
[[zh:双生子佯谬]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Typen_von_Argumenten&diff=84643237Typen von Argumenten2011-01-30T21:26:55Z<p>Xjs: /* Persönlicher Angriff */ Satzzeichen</p>
<hr />
<div>Dieser Artikel enthält eine Zusammenstellung der verschiedenen '''Typen von [[Argument]]en'''.<br />
<br />
== Deduktive Argumente ==<br />
Als Argumentum ad veritatem (Wahrheitsbeweis) werden [[Deduktion|deduktive]] (oder deduktiv gültige) Argumente bezeichnet, bei denen die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt, die Konklusion also wahr ist, falls die Prämissen wahr sind.<br />
<br />
=== Logisches Nutzwertargument ===<br />
Das logische [[Nutzwert]]argument besteht aus zwei oder mehr Prämissen sowie der logischen Konklusion. Beispiel: „Dieses neue Auto verbraucht nur fünf Liter pro 100 Kilometer, und sein Tankinhalt beträgt 50 Liter. Das bedeutet, Sie können mit einer Tankfüllung 1.000 Kilometer reisen, ohne unterwegs tanken zu müssen.“<br />
<br />
=== Vergrößerung ===<br />
Sie stellt zwei Sätze [[Mathematik|mathematisch]] miteinander in Bezug. Aus dem rechnerischen Ergebnis wird die Plausibilität einer Ersparnis oder eines Gewinnes dargestellt. Beispiel: „Bei Einsparungen von nur 1,7 Cent pro Druckseite sparen Sie bei Ihrer Auflage bereits 20.000 x 0,017 = 340,- Euro im Monat.“<br />
<br />
=== Verkleinerung ===<br />
Sie dient der Relativierung möglicher Gegenargumente, z.&nbsp;B. Anschaffungskosten oder laufenden Belastungen. Beispiel: „Der Solarkollektor kostet zwar 24.000,- Euro, bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren sind das allerdings nur 100 Euro pro Monat.“<br />
Allerdings berücksichtigt obige Rechnung nicht den Zins und Zinsezinseffekt. Daher ist die Wirtschaftlichkeits-Rechnung günstiger.<br />
<br />
=== Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere ===<br />
Das ''[[A posteriori|Argumentum a posteriori]]'' („im nachhinein“, „aus Erfahrung gewonnen“) arbeitet mit einem auf die Erfahrung gestützten Beweis. Diese Schlussfolgerung dient dazu, spezielle Erkenntnisse aus allgemeinen Theorien zu gewinnen. Beispiel: „Seit 6.000 Jahren ist Krieg eine der immer wiederkehrenden Strategien zur Sicherstellung knapper Ressourcen. Auch heute beobachten wir knapper werdende Ressourcen. Es wird folglich wieder Krieg geben.“ Oder: „Alle Menschen, die ich kannte, sind gestorben. Also werde auch ich sterben müssen.“<br />
<br />
=== Bilanzierung ===<br />
Die Bilanzierung oder [[Nutzwertanalyse]] stellt die Pro-und-Contra-Argumente gegenüber und versieht sie mit einem Gewichtungsfaktor. Die Summation ergibt ein mathematisch eindeutiges Ergebnis.<br />
<br />
== Induktive Argumente ==<br />
Induktive Argumente stützen sich auf [[Empirik|empirische]] Beobachtungen und Erfahrungen. Dabei wird von Einzelfällen auf das Allgemeine geschlossen. Es ist zwar rational, die Konklusion für wahr zu halten, wenn alle Prämissen wahr sind, die Konklusion folgt jedoch nicht logisch zwingend, sondern ist nur in gewissem Grade [[Wahrscheinlichkeit|wahrscheinlich]] (vgl. [[Induktionsschluss]]).<br />
<br />
Beispiel: „Bei allen bisherigen Versuchen, die Rechtschreibung zu reformieren, zeigte sich, dass die Leistungen der Schüler nachließen. Also werden die Leistungen der Schüler bei Einführung der aktuellen Rechtschreibreform wieder nachlassen.“<br />
<br />
Auch wenn die Aussage „Alle bisherigen Reformen führten zu schlechteren Leistungen“ durch empirische Studien ausnahmslos bestätigt sein sollte, gilt das Argument nur in einem statistisch abgesicherten Rahmen, da ein einziges Gegenbeispiel die Allgemeingültigkeit widerlegen würde.<br />
<br />
Die Gültigkeit induktiver Argumente ist stark umstritten.<ref><br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: A proof of the impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''302''' (1983), 687–688<br />
* R. C. Jeffrey: Letter concerning Popper and Miller. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* I. Levi: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* I. J. Good: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: The impossibility of inductive probability. ''Nature'' '''310''' (1984), S. 433–434.<br />
* G. Blandino: Critical Remarks on an Argumentation by K. Popper and D. Miller. Discussion about Induction. ''Epistemologia'' '''7''' (1984), S. 183–206.<br />
* I. Levi: Probabilistic Pettifoggery. ''Erkenntnis'' '''25''' (1986), S. 133–140.<br />
* J. Wise, P. T. Landsberg: Has inductive probability been proved impossible? ''Nature'' '''315''' (1985), S. 461.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: Has inductive probability been proved impossible? ''Nature'' '''315''' (1985), S. 461. <br />
* J. Wise, P. T. Landsberg: On the possibility of inductive probability. ''Nature'' '''316''' (1985), S. 22.<br />
* M. L. G. Redhead: On the Impossibility of Inductive Probability. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''36''' (1985), S. 185–191.<br />
* I. J. Good: Probabilistic Induction Is Inevitable. ''Journal of Statistical Computation and Simulation'' '''20''' (1985), 323–324, C216.<br />
* H. Gaifman: On Inductive Support and Some Recent Tricks. ''Erkenntnis'' '''22''' (1985), S. 5–21.<br />
* D. Gillies: In Defense of the Popper-Miller Argument. ''Philosophy of Science'' '''53''' (1986), S. 110–113.<br />
* J. M. Dunn, G. Hellman: Dualling: A Critique of an Argument of Popper and Miller. ''The British Journal for the Philosophy of Science'' '''37''' (1986), 220–223.<br />
* Karl R. Popper, David W. Miller: Why probabilistic support is not inductive. ''Philosophical Transactions of the Royal Society'' '''321A''' (1987), S. 569–591.<br />
* A. Rivadulla: On Popper-Miller's Proof of the Impossibility of Inductive Probability. ''Erkenntnis'' '''27''' (1987), 353–357.<br />
* I. J. Good: A Restatement, in Response to Gillies, of Redhead's Argument in Support of Induction. ''Philosophy of Science'' '''54''' (1987), S. 470–472.<br />
* E. Eells: On the alleged impossibility of inductive probability. ''British Journal for the Philosophy of Science'' '''39''' (1988), S. 111–116.<br />
* N. C. A. da Costa, S. French: Pragmatic Probability, Logical Omniscience and the Popper-Miller Argument. ''Fundamenta Scientiae'' '''9''' (1988), 43–53.<br />
* C. S. Chihara, D. A. Gillies: An Interchange on the Popper-Miller Argument. ''Philosophical Studies'' '''54''' (1988), 1–8.<br />
* C. Howson: On a Recent Objection to Popper and Miller’s 'Disproof' of Probabilistic Induction. ''Philosophy of Science'' '''56''' (1989), 675-680.<br />
* D. Zwirn, H. Zwirn: L'argument de Popper et Miller contre la justification probabiliste de l'induction, ''L'âge de la science'' 2 (Paris: Éditions Odile Jacob, 1989), S. 59–81.<br />
* C. Howson: Some Further Relections on the Popper-Miller Disproof of Probabilistic Induction. ''Australasian Journal of Philosophy'' '''68''' (1990), 221-28.<br />
* I. J. Good: Discussion: A Suspicious Feature of the Popper/Miller Argument. ''Philosophy of Science'' '''57''' (1990): 535–536.<br />
* David W. Miller: Reply to Zwirn &amp; Zwirn. ''Cahiers du CREA'' 14 (1990), S. 149–153.<br />
* A. Mura: When Probabilistic Support is Inductive. ''Philosophy of Science'' '''57''' (1990), S. 278–289.<br />
* A. Boyer: Une logique inductive probabiliste est-elle seulement possible? ''Cahiers du CREA'' 14 (1990): 123–145.<br />
* G. Dorn: Popper's Laws of the Excess of the Probability of the Conditional over the Conditional Probability. ''Conceptus'' '''26''' (1992/1993): S. 3-61.<br />
* Andrew Elby: Contentious contents: For inductive probablitiy. ''Brit. J. Phil. Sci'' '''45''' (1994), 193–200.<br />
* Karl R. Popper, David Miller: On Excess Content: A Reply to Elby. Hoover Institution Archives Box 583:23 (August 26, 1994).<br />
* G. Dorn: Inductive Countersupport. ''Journal for General Philosophy of Science'' '''26''' (1995), 187–189.<br />
* J. Cussens: Deduction, Induction and Probalistic Support. ''Synthese'' '''108''' (1996): S. 1–10.<br />
* E. Eells: Popper and Miller, and Induction and Deduction. ''Proceedings of the Seventh Asian Logic Conference'' (1999)</ref><br />
<br />
== Indirekte Argumente ==<br />
Ein ''[[Umkehrschluss]]'' (''Argumentum e contrario'', „Beweis durch Widerspruch“) untermauert die eigene These mit der [[Falsifizierung]] des Gegenteils ([[indirekter Beweis]]). Beispiel: [[Euklids Beweis für Irrationalität von Wurzel 2]] oder: „Die Gegner der Rechtschreibreform behaupten, dass die Schüler mit den neuen Regeln mehr Fehler machen würden. Neueste Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Fehlerquote seit Einführung um 20 Prozent gesunken ist.“<br />
<br />
== Sophismen ==<br />
Bei [[Sophismus (Rhetorik)|Sophismen]] ([[Latein|lat.]] ''fallacia'', auch ''Trugschluss'' genannt) handelt es sich um Argumentationen, die bei korrekter Handhabung logisch einwandfrei sind, jedoch auch zu (absichtlichen) [[Fehlschluss|Fehlschlüssen]] verwendet werden können. Während deduktive sowie (bedingt) induktive und analogisierende Argumente tatsächlich zum [[Beweis (Logik)|Beweis]] einer [[These]] dienen, handelt es sich bei den sogenannten Fehlschlüsse um keine gültigen Argumente. Es wird zwar aus den [[Prämisse]]n eine [[Schlussfolgerung]] gezogen, diese erfolgt aber nicht nach den Gesetzen der [[Logik]].<br />
<br />
Ein logischer Irrtum, dem der Argumentierende erliegt, ist u.&nbsp;a. der falsche Gebrauch der beteiligten Begriffe durch einen [[Paralogismus]] oder eine nicht berücksichtigte [[Antinomie]] beim falschem Anspruch auf Absolutheit. Ein mit der Absicht, andere zu täuschen, herbeigeführtes ''Argumentum ad populum'' wird als [[Sophismus (Rhetorik)|Sophismus]] bezeichnet. Unter einem ''Argumentum ad rem'' versteht man allgemein eine Beweisführung, die sich nur auf die zu diskutierende Sache selbst stützt und unabhängig von Gefühlen und Meinungen ist.<br />
<br />
=== Autoritätsverweis oder Referenzargument ===<br />
Das [[Argumentum ad verecundiam]] will unter Berufung auf eine Autorität überzeugen.<br />
<br />
Da es unmöglich ist, alles selbst nachzuweisen, muss man sich auf Quellen anderer verlassen können. Also ist es notwendig, bekannte Fachleute auf dem Gebiet zu Rate zu ziehen und tatsächlich gesteht man einer Autorität auf dem Gebiet eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf Richtigkeit zu. Beispiel: „Hans H., der bekannte konservative Journalist, meint zu Recht, dass eine Reform der Groß- und Kleinschreibung letztlich den Analphabetismus fördere.“ Oder: „Prof. Dr. Fischer schreibt in seinem Buch, dass Fernsehen Gewalttätigkeit auslöst.“<br />
<br />
Allerdings können auch Experten irren, ihre Ansichten können revidiert werden, und in einem Gebiet können mehrere unterschiedliche „Lager“ mit jeweils guten Gründen für ihre Positionen existieren. Oft arbeiten genannte Fachleute auch auf einem ganz anderen Fachgebiet, was die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit erheblich herabsetzt.<br />
<br />
Dazu gehört auch das Argument, das sich auf die Negation der Autorität beruft, auf „Menschen wie du und ich“, die gerade als Nicht-Autoritäten besonders kompetent oder glaubwürdig sein sollen. Beispiel: „Der Taxifahrer / Die alte Bäuerin in unserem Dorf meint: Früher hatten wir auch keine Rechtschreibreform, und wir haben trotzdem alles richtig verstanden.“<br />
<br />
=== Mitleidargument ===<br />
Mit Hilfe des ''Argumentum ad misericordiam'' wird Mitleid genutzt, um weiteres Nachhaken zu unterbinden. Beispiel: „Niemand hat deinen Geldbeutel gestohlen, du hast ihn verloren. Warum verdächtigst du einen armen und missbrauchten Menschen?“<br />
<br />
=== Gesellschaftliche Argumentation ===<br />
Das ''[[Argumentum ad populum]]'' ist ein ähnlicher Versuch, durch den Verweis auf die wirkliche oder behauptete ''allgemeine'' Meinung zu überzeugen, und schließt aus der Anzahl der Anhänger einer Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt. Beispiel: „Im Mittelalter glaubten praktisch 100 Prozent der Leute daran, dass die Sonne und die Planeten um die Erde kreisen und die Erde unbeweglich im Raum hängt. Also kann das nicht ganz falsch gewesen sein.“<br />
<br />
Wahrheit ist nicht demokratisch, aber wegen des Gruppendrucks und der damit verbundenen Angst vor einem Gesichtsverlust wird dieser Fehlschluss oft verwendet, um ungeliebte Meinungen zu unterdrücken.<br />
<br />
Das ''Argumentum ad populum'' gilt jedoch zweiseitig: Oft neigen intellektuelle und wissenschaftliche Kritiker (die sich kritisch mit der Leichtgläubigkeit der Masse auseinandersetzen) dazu, bei von ihnen abgelehnten Theorien einen wirklichen oder behaupteten Konsens von Wissenschaftlern und Organisationen bezüglich der Falschheit der Theorie ''ohne weitere Erläuterung für diese Haltung'' ins Feld zu führen. Dies ist ebenfalls ein Fehlschluss.<br />
<br />
=== Moralisches Argument ===<br />
Das ''moralische Argument'' (auch ''ethisches'' oder ''normatives Argument'') bezieht sich noch weiter verengend explizit auf allgemein anerkannte [[Ethik|ethische]] oder gesellschaftliche Werte und versucht, eine Aussage in Übereinstimmung oder im Gegensatz befindlich darzustellen. Beispiel: „Wir sollten die geltende Groß- und Kleinschreibung nicht aufgeben, da sie einzigartig ist.“<br />
<br />
=== Ideologisches Argument ===<br />
Einzelinteressen werden hier unter Berufung auf Allgemeines (z.&nbsp;B. die Natur [siehe [[Naturalistischer Fehlschluss]]], gesellschaftliche Zwänge, das Allgemeinwohl) vollkommen verschleiert. Das ideologische Argument steht beinahe schon außerhalb der Fehlschlüsse, da es sich im Grunde um ein Postulat, eine Aussage handelt. Beispiel: „Es ist doch nur natürlich, wenn man möchte, dass alles beim alten Zustand bleibt.“<br />
<br />
=== Hypothetisches Argument ===<br />
Dieses Argument konkludiert angenommene Prämissen mit tatsächlichen. Die Konklusion ergibt kein (notwendig) wahres Urteil, da hierzu die Wahrheit der Prämissen erwiesen sein muss. Beispiel: „Wenn das jetzt Ihr Kind auf der Intensivstation wäre, Herr Doktor, was würden Sie alles unternehmen, um sein Leben zu retten? Sie würden alles versuchen!“<br />
<br />
=== Argument aus Nichtwissen ===<br />
Das ''[[Argumentum ad ignorantiam]]'' nutzt Nichtwissen als Beweis beziehungsweise in Form des ''Argumentum e silentio'' das Schweigen. Der Fehlschluss, dass das Fehlen oder die Unkenntnis von Tatsachen, die eine Aussage unterstützen, die Aussage widerlegen bzw. der Fehlschluss, dass eine Aussage wahr ist, weil ihre Unwahrheit nicht bewiesen ist (oder ''vice versa'') ist oft mit dem Glauben verbunden, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ''immer'' umgekehrt proportional zu der Anzahl der Möglichkeiten ist. Beispiel: „Niemand hat gezeigt, dass es keinen Gott gibt; also muss Gott existieren.“ Oder: „Niemand hat je ein UFO gesehen, also gibt es keine UFOs.“<br />
<br />
Im Falle des Fehlens von Tatsachen: Es ist umso schwieriger, etwas nachzuweisen, je seltener es vorkommt ([[Quastenflosser]]), je schwieriger deren Untersuchung ist (extraterrestrische Planeten, Tiefsee) und wenn deren Existenz geheimgehalten werden soll (militärische Forschungslabore). Noch problematischer sieht es bei der Nicht-Existenz von etwas aus: Zum Nachweis, insbesondere zur Falsifizierung strittiger, grundsätzlicher Aussagen müsste man das gesamte Universum absuchen. Für eine Aussage muss man sich also daran halten, was bekannt ist (oder falls die Aussage unbekannt ist, was man vernünftigerweise erwarten würde, wenn sie wahr wäre. Niemand glaubt an einen Atombombenanschlag in London, wenn dies nicht in den Nachrichten käme). Ein Argumentum ad ignorantiam bringt letztlich nur den Glauben an etwas als eigene irrelevante Unkenntnis in die Argumentation.<br />
<br />
=== Scheinkausalität ===<br />
Hierbei fungieren zwei Ereignisse als Prämissen, aus deren Gleichzeitigkeit ([[Cum hoc ergo propter hoc]]: gleichzeitig, also deswegen) bzw. zeitlichen Abfolge (Post hoc ergo propter hoc: danach, also deswegen) ein unbewiesener Kausalzusammenhang konkludiert wird. Zum Beispiel:<br />
''Eisverkäufe korrelieren stark (und robust) mit Verbrechensraten. Daher verursacht Speiseeis Verbrechen.'' Dieses Argument ist fehlerhaft, weil es die tatsächliche Erklärung außer Acht lässt, dass es eben die hohen Temperaturen sind, die sowohl die Verbrechensraten als auch die Speiseeisverkäufe unabhängig voneinander erhöhen. <br />
<br />
=== Grundannahme ===<br />
Mit dem ''Argumentum [[a priori]]'' wird ein Beweis mittels rein logischer Schlussfolgerungen geführt, der ohne Erfahrungswissen auskommt. Diese Annahme ist jedoch nicht falsifizierbar. Beispiel: „Wenn man annimmt, dass alle Menschen sterblich sind, und Sokrates ein Mensch ist, so folgt daraus, dass Sokrates sterblich sein muss.“<br />
<br />
=== Argument der goldenen Mitte ===<br />
Das ''Argumentum ad temperantiam'' ist ein Fehlschluss, der die Mitte zweier Positionen unabhängig von der argumentativen Untermauerung der einzelnen Positionen bevorzugt. Beispiel: „Da die Gewerkschaften 10 % mehr Lohn verlangen und die Arbeitgeber 2 % zugestehen, sollten wir uns auf 6 Prozent einigen.“<br />
<br />
Auch wenn die Erfahrung zeigt, dass Extrempositionen oft Nachteile nach sich ziehen und Kompromisse leichter durchzusetzen sind, ist das Argumentum ad temperantiam als Maßstab der Richtigkeit generell zu verwerfen. Einmal ist es kulturell sehr abhängig, was eine Gesellschaft noch als akzeptable Extremposition zulässt (man vergleiche die Extrempositionen bezüglich der Homosexualität heute in der westlichen Gesellschaft und zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen). Dann ist es verlockend (z.&nbsp;B. beim Feilschen), die eigene Position zum Extremen hin zu steigern, damit man sich auf eine „faire“ Position einigt, die einen dann selbst bevorzugt. Dann gibt es Situationen, in denen Extremmaßnahmen gemäß vorherrschender Meinung nahezu unumgänglich sind (Massenschlachtungen bei einer extrem ansteckenden Seuche).<br />
<br />
=== Zirkelschluss ===<br />
Das ''Argumentum in circulo'' (''Circulus vitiosus'' bzw. [[Zirkelschluss]], [[Petitio principii]]) begründet eine These mit sich selbst und verstößt damit gegen einen Hauptsatz der klassischen Logik, wonach jede These durch Prämissen begründet sein muss, deren Wahrheit bereits bewiesen ist. Die zu folgernde Aussage steckt implizit in den Bedingungen. Beispiel: „Der Apfel fällt vom Baum, weil die Schwerkraft wirkt. Somit erkennt man leicht die Existenz der Schwerkraft, sobald ein Apfel vom Baum gefallen ist.“ Auch: „Die Gerechtigkeit erfordert höhere Löhne für alle, weil es nur gerecht ist, wenn jeder mehr verdient.“ Oder: „Sie sagen, Sie hätten jetzt keine Zeit. Genau deshalb rufe ich ja an: Es geht darum, in Zukunft so zu rationalisieren, dass Sie wieder Zeit für das Wesentliche haben.“<br />
<br />
''Siehe hierzu auch: [[Pleonasmus]] und [[Tautologie (Sprache)|Tautologie]]''<br />
<br />
=== Doppeldeutigkeit ===<br />
Ein ''Argumentum ambiguum'', d.&nbsp;h. zweischneidiges Argument, bei dem die genaue Bedeutung unklar bleibt und damit eine Rückzugsmöglichkeit auf eine andere Interpretation offen lässt. [[Bill Clinton]] über [[Monica Lewinsky]]: „''I did not have sexual relations with that woman''“ („Ich hatte keine sexuelle Beziehung mit dieser Frau“). Im Sinne des Wortes „sexuell“ mit der Konnotation zum Geschlechtsverkehr ist Clintons Aussage korrekt, im umgangssprachlichen und juristischen Sinne jedoch nicht.<br />
<br />
=== Erfahrungsbeweis ===<br />
Das ''Argumentum ad lapidem'' (lat. ''lapidem'' ,Stein‘) ist ein Gegenargument, mit dessen Hilfe eine ausgeklügelte und spitzfindige These durch einen scheinbar einfachen Widerspruch zur Erfahrung widerlegt werden soll. Benannt durch Dr. [[Samuel Johnson]], der Bischof [[George Berkeley]]s Behauptung, dass Materie nicht separat von ihrer Wahrnehmung existieren kann, damit „widerlegte“, dass er einen Stein mit der Bemerkung „I refute it thus.“ (,Damit widerlege ich es.‘) wegtrat.<br />
<br />
Befürworter dieses Argumentes glauben oft, dass sich theoretische geistige Konstrukte durch eine eklatante Realitätsferne auszeichnen, und verweisen oft spöttisch auf die völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen, die man daraus besonders in der Philosophie ableiten kann. Kritiker des Arguments weisen darauf hin, dass das weniger eine Widerlegung als eine bequeme Ignorierung der Position ist (Der Stein wird auch durch noch so beiläufiges Wegtreten durch Tastsinn, Gehör und Sehen wahrgenommen).<br />
<br />
=== Traditionsverweis === <br />
Das ''Argumentum ad antiquitatem'' arbeitet mit dem Beharren darauf, dass eine Aussage durch ihr Alter oder ihre Bewährtheit wahr sein müsse. Beispiel: „Siderische Astrologie ist wahr. Wenn Sie falsch wäre, hätte sie nicht mehrere tausend Jahre überdauert.“<br />
<br />
Schon bei Glaubenssätzen trifft man sehr alte Systeme an ([[Hinduismus]], [[Judentum]]), die noch heute praktiziert werden und einander ausschließen. Aber auch in den Wissenschaften kann man aus vorher gemachten Beobachtungen nicht letztendlich schließen, dass eine bewährte Regel allgemeingültig bleibt ([[Induktionsproblem]]). Beispiele für Widerlegungen von lange Zeit für wahr gehaltenen Auffassungen sind [[Paradigmenwechsel]] wie das Vorkommen schwarzer Schwäne („Alle Schwäne sind weiß“) oder der Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischem Weltbild.<br />
<br />
=== Beweis durch Augenschein ===<br />
Das ''Argumentum ad oculos'' will durch schlagenden Widerspruch zur Wahrnehmung oder Aufdeckung eines kritischen Widerspruches überzeugen. Die eine Sache hat jedoch mit der anderen kausal nichts zu tun.<br />
„Ich habe nie behauptet, dass mein politischer Gegner Schmiergelder annimmt.“ (Im Hintergrund läuft ein Video, das genau das Gegenteil zeigt). Beispiel: „Angeklagter, Sie haben unter Eid geschworen, dass Sie sich zum Tatzeitpunkt am Orte X aufgehalten haben. Hier habe ich nun eine zweite eidesstattliche Erklärung Ihrer Versicherung, in der Sie behaupten, Sie hätten sich am Tatzeitpunkt am Orte Y, 1.000 km vom Ort X entfernt, aufgehalten. Wie erklären Sie sich das?“<br />
<br />
=== Überhöhung ===<br />
Das ''Argumentum a fortiori'' zeigt auf, dass die bestehende Behauptung noch sicherer ist als eine bereits mit hinlänglicher Sicherheit bewiesene. „Es ist mittels Untersuchungsreihen zweifelsfrei erwiesen, dass eine Konzentration von 10 mg/kg des fraglichen Mittels gesundheitsschädlich wirkt. Mein Mandant wurde jedoch einer wesentlich höheren Konzentration erheblich länger ausgesetzt, so dass der gesundheitliche Schaden meines Mandanten außer Frage steht.“<br />
<br />
=== Der Erfolg gibt recht ===<br />
Das ''Argumentum ad crumenam'' versucht, glauben zu machen, dass aus Reichtum oder Erfolg die Wahrheit der zugrunde liegenden Ansichten folgt. Beispiel: „Wer heilt, hat recht.“ Oder: „Ein Schneeballsystem gibt jedem gleiche Chancen. Schließlich ist Herr Marschmüller damit auch reich geworden.“<br />
<br />
Dies ist ein Schema, das oftmals hemmungslos von Betrügern ausgenutzt wird, indem sie ihre Ansicht durch den scheinbaren oder tatsächlichen (auf Kosten vorheriger Opfer) Erfolg untermauern wollen. Selbst bei Aussagen über das Geldverdienen und wirtschaftlichen Erfolg oder Spontanheilungen ist es oft unklar, inwieweit der Erfolg von investierter Arbeit, unbekannten Randbedingungen oder scheinbaren Zufällen abhing.<br />
<br />
=== Argument des weisen Asketen ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad lazarum'' wird, im Gegensatz zum ''ad crumenam'' mit dem Glauben argumentiert, dass aus Armut und Schlichtheit die Wahrheit der vertretenen Ansicht folgt. Beispiel: „Mein geistiger Lehrer lebt seit über 20 Jahren praktisch nur von Wasser und Brot. Nur ein von der Wahrheit Erleuchteter ist dazu imstande.“ Auch Asketen und einfache Leute sind Menschen und können trotz ihrer oft großen Lebenserfahrung irren.<br />
<br />
=== Beschwichtigung ===<br />
Das ''Argumentum a tuto'' nutzt die Ansicht, dass eine Position auf jeden Fall ungefährlich und unschädlich ist. Beispiel: „Ein Atomstromfilter hält Radioaktivität aus Atomkraftwerken fern. Es kann auf jeden Fall nicht schaden, wenn Sie den Atomstromfilter installieren, ich gebe ihn Ihnen sogar verbilligt.“<br />
<br />
Während die Anwendung dieses Scheinargumentes in aussichtslos erscheinenden Situationen tröstend und Hoffnung spendend sein mag, gibt es jedoch oft versteckte Kosten und Nachteile an Zeit, Geld, Aufwand, Gesundheit und dem eigenen Ruf.<br />
<br />
=== Explizite Weiterführung ===<br />
Das ''Argumentum ex consesso'' beruht auf einer bereits als wahr zugestandenen Aussage. „Sie haben zugegeben, zur fraglichen Zeit am Tatort gewesen zu sein. Da es nun wegen des Aufbaus des Tatortes unumgänglich ist, den Blutfleck zu sehen, wenn man die Wohnung betritt, stellt sich die Frage, warum Sie behaupten, nichts gesehen zu haben.“<br />
<br />
=== Angstargument ===<br />
Das ''Argumentum ad metum'' arbeitet mit dem Erwecken von Ängsten und Befürchtungen, die mit einer Position verbunden werden (sollen). Beispiel: „Nur eigene Bewaffnung senkt die Kriminalitätsrate. Oder willst Du, dass Du und Deine Familie von Mördern, Räubern und Vergewaltigern ermordet und missbraucht werden?“<br />
<br />
=== Neidargument ===<br />
Das ''Argumentum ad invidiam'' appelliert an Neid, Bosheit und Rache. Beispiel: „Dein Kollege behauptet, wir bräuchten zur besseren Effizienz eine neue Datenbank. Schau mal, der bekommt viel mehr Gehalt als du, obwohl du genauso viel arbeitest. Willst du wirklich dessen Position unterstützen?“<br />
<br />
=== Hassargument ===<br />
''Argumentum ad odium'': „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Sie sind an allem schuld, was in diesem Staat schiefläuft, lasst euch das nicht länger gefallen.“<br />
<br />
=== Nazi-Vergleich ===<br />
Der ''[[Nazi-Vergleich]]'' lehnt eine Position mit dem Hinweis ab, dass sie von ethisch fragwürdigen Personen (insbesondere Hitler) geteilt wurde. Beispiel: „Jeder Todkranke, der sterben will, ist nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Jeder, der anderweitiges behauptet und damit Selbstmord oder sogenannte aktive Sterbehilfe unterstützt, hätte von Hitler Beifall bekommen.“ (Siehe auch: [[Godwins Gesetz]]).<br />
<br />
=== Wiederholung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad nauseam'' ([[Latein|lat.]] ,zur Übelkeit, Brechreiz‘) wird ein Fehlschluss bezeichnet, nach dem eine Aussage durch ständiges Wiederholen scheinbar richtiger wird. <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Man hat Sie zum Tatzeitpunkt am Ort gesehen.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Sie hatten eine Pistole in der Hand.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
„Sie haben gestern Abend dem Opfer gedroht.“ <br /><br />
„Ich war es nicht!“ <br /><br />
usw. <br /><br />
<br />
Abgesehen davon, dass man den anderen Diskutanten zum Aufgeben bewegt oder, trickreicher, so tut, als hätte man die Einwände durch Abwandlung der Wiederholung widerlegt, verlässt man damit den Rahmen rationaler Diskussion, da es nur noch auf das Beharren der eigenen Meinung ankommt. Eine Abwandlung davon: Es kommt oft vor, dass Proponenten einer Meinung unredlicherweise längst widerlegte Argumente gegenüber Leuten wiederholen, von denen sie glauben, dass diese die Widerlegung noch nicht kennen.<br />
<br />
=== Innovationsargument ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad novitam'' wird der Glaube genutzt, dass einer neueren Ansicht oder Innovation automatisch ein höherer Wahrheitsgehalt zukommt. Beispiel: „Die neu entdeckte XYZ-Diät reduziert das Gewicht ohne Hungern. Sie ist besser als vorherige Diäten, ''weil'' sie neu ist.“<br />
<br />
In der wissenschaftlichen Praxis ist es jedoch meistens der Fall, dass aufgrund der Entwicklung des Fachgebietes Zugriff auf neuere Literatur zur Wahrheitsfindung erforderlich ist. Dennoch gibt es auch in der Wissenschaft immer wieder Nichtbestätigungen oder Widerlegungen vorher geäußerter Ansichten.<br />
<br />
=== Argument aus Eitelkeit ===<br />
Das ''Argumentum ad superbium'' arbeitet mit der Ablehnung gegnerischer Positionen aus Stolz und Überlegenheit. Beispiel: „Universität XYZ behauptet, ein Mittel gegen Krebs gefunden zu haben? Das ist unmöglich; wir haben viel mehr Mittel, und alles, was die bisher herausgefunden haben, wussten wir schon längst.“<br />
<br />
== Scheinargumente ==<br />
Während bei [[#Fehlschlüsse|Fehlschlüssen]] noch versucht wird, sachbezogen (''ad rem'') und [[Rationalität|rational]] zu [[Argument|argumentieren]], benötigt ein '''Scheinargument''' keinen [[Logik|logischen]] Aufbau. Dennoch können Scheinargumentationen oft sehr wirkungsvoll sein. <br />
<br />
=== Persönlicher Angriff ===<br />
Mit dem ''[[Argumentum ad personam]]'' unterstellt man dem Gegner allgemein, dass ihm die Fähigkeit zum korrekten Argumentieren bzw. das Fachwissen fehlt und dass damit seine Schlüsse allgemein ungültig sind, und versucht die Zuhörer zu dem Fehlschluss zu verleiten, dass irrelevante, aber allgemein negativ besetzte Eigenschaften der Person (Geschlecht, Profession, politische Orientierung etc.) etwas mit dem Wahrheitsgehalt der Argumentation zu tun haben („kriminell“, „Sozialist/Nazi“ usw.).<br />
<br />
Dies nimmt oft die Form von Beleidigungen („Idiot“, „Dummkopf“, „Amateur“) und Werturteilen über die Argumentation an („Schwachsinn“, „Geschwätz“, „naiv“, „Ausrede“). Da die Wahrheit einer Aussage jedoch ''nur'' von der Wahrheit der Prämissen abhängt, kann die Validität einer Aussage unabhängig von der Person getroffen werden. Die Fähigkeit einer Person zum logischen Schließen ist ohne Belang und die Anwendung ein logischer Fehlschluss.<br />
<br />
Davon zu unterscheiden ist ein ''[[Argumentum ad hominem]]'', bei dem die Behauptungen des Gegners mit der öffentlichen Meinung konfrontiert werden (und nicht mit einem Gegengrund, der die Sache betrifft).<br />
<br />
Ein weiteres Argument, welches sich gegen die Person des Argumentationsgegener richtet, ist das [[Tu quoque|Tu-quoque]]-Argument, mit welchem versucht wird, das eigene Verhalten mit einem ähnlichen Verhalten des Gegners zu rechtfertigen.<br />
<br />
=== Totschlagargument ===<br />
Als [[Totschlagargument]]e (auch ''Killerphrasen'') werden Argumente bezeichnet, die nach [[Charles Clark (Philosoph)|Charles Clark]] nahezu inhaltslose Aussagen sind, von denen der [[Disput]]ant annimmt, dass die meisten Diskussionsteilnehmer mit ihnen in der Bewertung übereinstimmen und die vor allem der Ablehnung oder Herabsetzung des Gegenübers dienen. Beispiel: „Das haben wir gerne; frisch von der Schule und dann hier den großen Max markieren. Da könnte ja jeder kommen!“<br />
<br />
=== Drohung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad baculum'' wird das Ende rationaler Diskussion mittels Überreden und Einschüchtern durch Macht und Stärke eingeleitet. „Herr Dorn hat Hochverrat begangen, aber natürlich können Sie weiterhin versuchen, eine anderslautende Meinung an die Öffentlichkeit zu bringen. Machen Sie sich um Ihre Familie keine Sorgen? In der heutigen Zeit kann soviel Schlimmes passieren.“ <br />
<br />
Dies kann vielfältige Formen annehmen: Gewalt, Erpressung, das Überschreien oder Ächten der gegnerischen Position.<br />
<br />
=== Ethisches Argument ===<br />
Das ''Argumentum e consentu'' bzw. ''Argumentum consensu gentium'' zielt gerade bei ethischen Debatten die Aufmerksamkeit auf Prinzipien, die praktisch von allen Menschen geteilt werden und hier von der Zuhörerschaft übernommen werden sollen. Beispiel: „Bei allen Kulturen dieser Welt gilt der Mord an einem gleichberechtigten Menschen als schweres Verbrechen. Auch hier unter uns ist Mord immer ethisch verwerflich.“ <br />
<br />
Auch manipulierend als das Herausstellen einer Position als eine so allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Widerspruch absolute Unwissenheit und Weltfremdheit suggeriert. <br /><br />
„Jeder (Schuljunge) weiß doch, dass jede Verbrennung Flammen erzeugt.“ (Welches ebenfalls ein „[[Typen von Argumenten#Gesellschaftliche Argumentation|argumentum at populum]]“ darstellt.)<br /><br />
Mittels dieser typischen Einleitung versucht der Argumentierende kritisches Nachfragen seiner Position zu verhindern, indem er Angst und Scham vor der eigenen Unwissenheit erzeugt.<br />
<br />
=== Scheinrationalität ===<br />
Das ''Argumentum ad judicium'' beruft sich auf den gesunden Menschenverstand im Allgemeinen bzw. den der Zuhörerschaft. Beispiel: „Die Relativitätstheorie stimmt nicht, das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Wenn eine Zeitverschiebung nur von der Relativgeschwindigkeit abhängt, dann müssten Zwillinge, einer auf einem schnellen Raumschiff, einer auf der Erde, immer gleich alt bleiben. Schließlich kann jeder behaupten, der andere bewegt sich von ihm fort.“ ([[Zwillingsparadoxon]]) <br />
<br />
Als Widerlegung kann man darauf hinweisen, dass sich Diskutanten oft darüber uneinig sind, was für sie eine überzeugende Demonstration des gesunden Menschenverstandes ist. Aber auch bei Einigkeit der Diskutanten untereinander versagt der gesunde Menschenverstand oft bei abstrakten oder nur extrem genau zu definierenden Problemen (Wahrscheinlichkeitsrechnung, [[Ziegenproblem]]) und setzt oft unterbewusst kulturell abhängige Bedingungen voraus, die falsch sein können.<br />
<br />
=== Schweigen als Argument ===<br />
Mit dem ''Argumentum ex silentio'' wird das Weglassen von Informationen für einen gewünschten, aber irreführenden Eindruck genutzt. Beispiel: „Nachdem ich nun nacheinander mehrere Argumente des Herrn X vernommen und widerlegt habe, dürfte klar sein, dass von seiner These nicht viel zu halten ist. Ich sage dazu nichts mehr.“ <br />
<br />
Der Eindruck der Zuhörerschaft würde jedoch ein ganz anderer sein, wenn man hinzufügen würde: <br /><br />
„Die These umfasst mehrere hundert Seiten an Material und Dutzende von Argumenten, die ich trotz mehrwöchiger Recherche nicht widerlegen konnte. Das einzige, was ich finden konnte, befand sich in einer sehr alten Ausgabe; nur dort waren noch die fehlerhaften Argumente zu finden.“<br />
<br />
=== Übertreibung ===<br />
Mit dem ''Argumentum ad consequentiam'' wird aus einer richtigen Schlussfolgerung, aus deren Wahrheit der Aussage unangenehme oder scheinbar unerträgliche Konsequenzen folgen würden, die Falschheit, Unwichtigkeit oder Belanglosigkeit der Aussage durch Übertreibung unterstellt, um den Gegner lächerlich zu machen. Beispiel: „Wenn die Erde sich tatsächlich durch den von uns verursachten Kohlendioxid-Ausstoß erwärmen würde und dies unabsehbare Folgen hätte, dann müssten wir den Energieverbrauch durch fossile Brennstoffe in der Tat drastisch einschränken. Da dies aber unsere Industrie, unsere Autos und Haushalte sowie das ganze wirtschaftliche Leben aller hier Anwesenden vollkommen ruinieren würde, brauchen wir nicht weiter darüber zu diskutieren.“<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* Webseite der [[Universität Koblenz-Landau]]: Michael Christian Nikelsky: [http://www.uni-koblenz.de/~beckert/Lehre/Seminar-LogikaufAbwegen/nikelsky_ausarbeitung.pdf ''Induktive Logik: Confirmation and Confirmability''] (deutsch), Erläuterung über Probleme bei der Konstruktion oder Rechtfertigung eines wissenschaftlichen, induktiven Logik-Systems<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Logik]]<br />
[[Kategorie:Rhetorik]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Der_Process&diff=84402696Der Process2011-01-25T19:35:41Z<p>Xjs: /* Deutungsvielfalt */ Komma, Adorno ausgeschrieben</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Weitere Bedeutungen sind unter [[Prozess (Begriffsklärung)]] aufgeführt.}}<br />
<br />
<!-- Der Titel des Romans lautet nach der Faksimile-Edition (http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm) "Der Process" und zwar genau so. Teile der handschriftlichen Manuskripte Kafkas sind im Internet einsehbar. (http://www.kafka.org/index.php?manuscripts) Hier ist deutlich zu erkennen, dass Kafka "Process" schrieb. Bitte den Titel nicht mehr ändern oder den Artikel verschieben sondern vorher einen Blick auf die Diskussionsseite werfen. --> <br />
[[Datei:Kafka Der Prozess 1925.jpg|thumb|Verlagseinband der Erstausgabe 1925]]<br />
<br />
'''Der Process''' (auch ''Der Prozeß'', ''Der Prozess'' und ''Der Proceß'') ist neben ''[[Der Verschollene]]'' (auch unter ''[[Amerika (Roman)|Amerika]]'' bekannt) und ''[[Das Schloss]]'' einer von drei unvollendeten und [[postum]] erschienenen Romanen von [[Franz Kafka]].<br />
<br />
== Entstehungsgeschichte ==<br />
<br />
Die Entstehung dieses nicht vollendeten Werkes – vom Sommer 1914 bis Januar 1915 <ref> Alt S. 388</ref> – war von besonders prägnanten Phasen im Leben Kafkas gekennzeichnet. Im Juli 1914 fand die Auflösung der Verlobung mit [[Felice Bauer]] statt. Sowohl die [[Verlöbnis|Verlobung]] als auch die Entlobung waren für Kafka mit starken [[Schuldgefühl]]en verbunden. Eine abschließende Aussprache hierzu im Berliner Hotel „Askanischer Hof“ in Anwesenheit von Freunden hatte Kafka als „[[Gerichtshof]]“ empfunden.<ref> Königs Erläuterungen Franz Kafka Der Proceß Volker Krischel S. 31</ref> Unmittelbar danach begann er mit der Arbeit zum ''Process''. Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brach aus. Ab dem Herbst 1914 wohnte Kafka erstmals unabhängig von seinen Eltern in einem eigenen Zimmer. <br />
<br />
Seine Arbeit schritt zunächst gut voran, in zwei Monaten entstanden rund 200 Manuskriptseiten, kam aber – wie bei ihm häufig – bald zum Erliegen. Er beschäftigte sich nun u. a. mit der Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]''. Der Process entstand nicht in linearer Abfolge. Es lässt sich nachweisen, dass Kafka zuerst das Eingangs- und das Schlusskapitel niederschrieb, danach schrieb er an einzelnen Kapiteln parallel weiter. Kafka schrieb den ''Process'' in Hefte, die er auch für die Niederschrift anderer Texte verwendete. Diese Blätter hat er später herausgetrennt und sie nach Kapiteln und Fragmenten neu sortiert, ohne dabei eine bestimmte Reihenfolge der Teile festzulegen.<br />
<br />
Anfang 1915 wurde der Roman dann beiseitegelegt und (nach kurzem nochmaligen Versuch im Jahr 1916) nie vollendet. Schon im November 1914 schrieb Kafka: "''Ich kann nicht mehr weiter schreiben. Ich bin an einer endgültigen Grenze, vor der ich vielleicht wieder jahrelang sitzen soll, um dann vielleicht wieder eine neue, wieder unfertig bleibende Geschichte anzufangen''"<ref> Königs Erläuterungen/ Krischel S. 34 </ref>.<br />
<br />
== Personen ==<br />
<br />
; Josef K.<br />
: Josef K. ist [[Prokurist]] einer [[Bank]]. Er lebt allein, sein Bedürfnis nach Kontakten befriedigt er mit seiner Geliebten Elsa sowie einer regelmäßigen [[Stammtisch]]runde. K.s Vater ist bereits gestorben, seine Mutter taucht nur in einem Fragment auf. Eine Gefühlsbindung zu ihr besteht nicht.<br />
; Die Personen der Verhaftung<br />
: Die Wächter, genannt Franz und Willem, teilen Josef K. seine Verhaftung mit und halten ihn zunächst im Zimmer fest. Ein namenloser Aufseher weist K. s auflehnende Überlegungen schroff zurück. Drei Herren, untergeordnete Kollegen aus der Bank, in der K. arbeitet, namens Rabensteiner, Kaminer und Kullych, sind auch anwesend. Sie sind dazu bestimmt K. nach der Verhaftung zur Arbeit zu begleiten.<br />
; Fräulein Elsa <br />
: Fräulein Elsa arbeitet als [[Kellner]]in. Tagsüber empfängt sie Männerbesuch, K. geht einmal die Woche zu ihr. Sie wird später in dem ersten Gespräch mit Leni als K.s Geliebte bezeichnet. (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Josef K. erwähnt)<br />
; Frau Grubach<br />
: Frau Grubach ist K.s und Fräulein Bürstners Vermieterin. Sie bevorzugt K. vor den anderen Mietern, da er sie gut bezahlt.<br />
; Fräulein Bürstner<br />
: Fräulein Bürstner ist erst seit kurzem Mieterin bei ''Frau Grubach'' und hat wenig Kontakt zu K.. Er lauert ihr aber in der Nacht nach seiner Verhaftung vor ihrem Zimmer auf und drückt ihr nach einem gemeinsamen Gespräch fast tierhaft einen Kuss auf. Sie interessiert sich selbst für Machenschaften des Gerichts, da sie in einigen Wochen eine Stelle als [[Sekretär]]in in einer Kanzlei antreten wird.<br />
; Die Frau des Gerichtsdieners<br />
: Sie besitzt eine besondere erotische Ausstrahlung, so dass sowohl ein Jurastudent als auch der Untersuchungsrichter sie für Liebesdienste in Anspruch nehmen. Sie bietet sich auch Josef K. an und erzählt ihm einiges aus der skurilen Welt des Gerichtes, das seltsamerweise in einem ärmlichen Mietshaus tagt.<br />
; Advokat Huld<br />
: Der [[Advokat]] Huld ist ein Bekannter von K.s Onkel. Der Verteidiger ist jedoch durch eine Krankheit körperlich geschwächt und bettlägerig. Seine Verteidigung betreibt er aus seinem Krankenbett. Seine Einlassungen sind quälend langwierig. K. entzieht ihm seine Verteidigung bald wieder.<br />
; Leni<br />
: Leni ist die Bedienstete des Advokaten und kümmert sich während seiner Krankheit sehr hingebungsvoll um diesen. Sie erscheint sehr verspielt und gesellig. Leni lockt K. während seines ersten Besuches in ein Nachbarzimmer, um sich ihm zu nähern. Sie hat ebenfalls wichtige Informationen zum System des Gerichtes.<br />
; Onkel Albert K./Karl K.<br />
: K.s Onkel lebt auf dem Lande. Als er von Josef K.s Prozess erfährt, reist er in die Stadt, um Josef K. zu helfen. Er stellt K. Advokat Huld vor. Es ist nicht ganz klar, wie der Onkel heißt, am Anfang des Kapitels ''Der Onkel/Leni'' wird er Karl genannt, doch später wird er vom Advokaten Huld Albert genannt.<br />
; Erna <br />
: Erna ist die Cousine K.s. Sie schreibt dem Onkel (ihrem Vater) einen Brief, in dem sie von K.s Prozess berichtet (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Onkel erwähnt)<br />
; Titorelli<br />
: Titorelli ist als Gerichtsmaler in bestimmte Vorgänge des Gerichts eingeweiht. Durch seinen persönlichen Kontakt zu den Richtern könnte er zwischen K. und dem Gericht vermitteln. Doch Titorelli ist fest davon überzeugt, dass niemand – und somit auch nicht er selbst – das Gericht von der Unschuld eines Angeklagten überzeugen könne.<br />
; Kaufmann Block<br />
: Der Kaufmann Block ist ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, dem ebenfalls ein Prozess gemacht wird. Block übernachtet im Hause des Advokaten Huld, um jeder Zeit für ein Gespräch mit dem Advokat bereitzustehen und demütigt sich vor dem Advokaten.<br />
; Gefängniskaplan<br />
: Der Gefängniskaplan erzählt K. die [[Parabel (Sprache)|Parabel]] ''[[Vor dem Gesetz]]''. Er versucht, K. klar zu machen, dass es zwar verschiedene Auslegungen der Parabel gibt, jedoch ist es weder seine Meinung, noch gibt sich K. mit den wenig eindeutigen Lösungsvorschlägen zufrieden. Auch nach mehrmaligem Betonen, dass keine der Auslegungen wahr sein muss, sondern es sich lediglich um unterschiedliche Interpretationen handelt, versucht K. nicht, selbst eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Der Kaplan weiß, dass es um K.s Prozess nicht gut steht und dieser sehr schlecht enden wird.<br />
; Direktor-Stellvertreter<br />
: Der Direktor-Stellvertreter hat als Vorgesetzter die Aufsicht über die Tätigkeit von K. an seinem Arbeitsplatz, der Bank, und arbeitet eng mit ihm zusammen. Das Verhältnis zum stets überaus korrekt auftretenden Direktor-Stellvertreter wird für K. zum Anlass für einige Besorgnis, als ihn der Prozess stark belastet und er immer weniger Sorgfalt für seine tägliche Arbeit aufwenden kann.<br />
; Direktor<br />
: Der Direktor ist ein gütiger Mensch mit Überblick und Urteilsvermögen, der K. wohlwollend gegenübertritt und väterliche Ratschläge gibt.<br />
; Staatsanwalt Hasterer<br />
: Obwohl deutlich älter und resoluter als K., entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden. K. begleitet den Staatsanwalt regelmäßig nach dem Juristen-Stammtisch auf eine Stunde bei Schnaps und Zigarren nach Hause und wird von diesem protegiert.<br />
; Die Vollstrecker<br />
: Zwei namenlose Herren bleich, fett, mit "''Cylinderhüten''" führen Josef K. zu einem Steinbruch und bringen ihn mit einem Stich ins Herz um.<br />
<br />
== Handlung ==<br />
<br />
=== Überblick ===<br />
<br />
Josef K., der [[Protagonist]] des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Verhaftung darf sich der Bankprokurist Josef K. noch frei bewegen und auch weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein ebenso wenig greifbares Gericht. Die Gerichtskanzleien befinden sich zum Beispiel auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf K. aus. <br />
<br />
Josef K. versucht verzweifelt Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer mehr mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Josef K. gerät immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer weiter dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer weiter in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich vorangeschritten war, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen. Gleiches gilt für das Urteil. K. erfährt es nicht, aber er empfindet selbst, dass seine Zeit abgelaufen ist. Josef K. fügt sich einem nicht greifbaren, mysteriösen Urteilsspruch ohne jemals zu erfahren, weshalb er angeklagt war und ob es tatsächlich dazu das Urteil eines Gerichtes gibt. Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch „wie ein Hund“ erstochen.<br />
<br />
=== Nach Kapiteln ===<br />
Entsprechend der Reclam Ausgabe.<br />
<br />
==== Verhaftung ====<br />
<br />
Als Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstags in seinem Zimmer aufwacht, bringt ihm die Köchin seiner Zimmervermieterin nicht, wie üblich, sein Frühstück. K. wird stattdessen von zwei Männern überrascht und festgehalten. Die beiden wenig auskunftsfreudigen Zeitgenossen teilen ihm mit, dass er von nun an verhaftet sei. Die beiden Männer (Franz und Willem, „Wächter“ genannt) geben an, von einer Behörde zu kommen. Sie behaupten, sie könnten und dürften ihm nicht sagen, warum er verhaftet sei. <br />
<br />
K. nimmt zunächst einen üblen Scherz seiner Kollegen an. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Nähere Erklärung oder Verständnis erhofft er sich vom Aufseher, als einem gebildeten Mann. Aber der weist K. brüsk zurück und verweist ihn auf die Rolle des Verhafteten.<br />
Der Aufseher gibt K. aber zu verstehen, dass diese Verhaftung seine gewöhnliche Lebensweise und seine Berufsausübung nicht beeinträchtige. So ist K. zunächst sehr wütend über den Aufseher aber das Verhaftetsein erscheint ihm als nicht weiter "''schlimm"''. Schauplatz dieser Unterredung mit dem Aufseher war nicht K.s Zimmer sondern das Zimmer der abwesenden jungen Nachbarin, Fräulein Bürstner.<br />
<br />
Ebenfalls hier zugegen sind 3 untergeordnete Mitarbeiter aus der Bank, in der K. arbeitet. Sie stöbern zunächst im Zimmer herum und begleiten K. schließlich in die Bank.<br />
<br />
==== Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner ====<br />
<br />
Josef K. geht nach der Arbeit wieder zurück in seine Pension, um sich bei seiner Vermieterin Frau Grubach und bei der Nachbarin Fräulein Bürstner für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen (die drei Mitarbeiter hatten Bilder durcheinandergebracht), die durch seine Verhaftung entstanden sind. Fräulein Bürstner kommt erst sehr spät abends nach Hause. K. lauert ihr auf und überrascht sie im Flur. <br />
<br />
In ihrem Zimmer unterrichtet er sie dann über die Vorfälle. Zur Demonstration spielt K. das Geschehen des Vormittags nach und ruft dabei laut und theatralisch seinen Namen. Dadurch erwacht ein im Nebenzimmer schlafender Verwandter der Frau Grubach, ein Hauptmann, und klopft an eine Tür. Josef K. und das Fräulein erschrecken entsprechend.<br />
<br />
Das Fräulein bittet mehrfach um Beendigung des Gespräches, da sie sehr müde von einem langen Arbeitstag ist. K. verabschiedet sich von ihr. Doch plötzlich küsst er Fräulein Bürstner unerwartet, zudringlich und gierig auf den Hals, über Gesicht und Mund.<br />
<br />
==== Erste Untersuchung ====<br />
<br />
Für den Sonntag nach seiner Verhaftung wird Josef K. telefonisch zu einer Untersuchung vorgeladen aber ohne Nennung des Zeitpunktes. Man teilt ihm dabei auch noch näheres über die künftig zu erwartenden Untersuchungen mit. Wer sich genau an ihn wendet, fragt K. nicht nach. <br />
<br />
So begibt er sich am Sonntagmorgen zu der Adresse, wo die Untersuchung stattfinden soll, einem alten Mietshaus in einem heruntergekommenen Viertel. Dort angekommen, muß K. den Gerichtssaal langwierig suchen. Er erweist sich als kleines Zimmer in der Wohnung eines Gerichtsdieners. Viele ähnlich gekleidete Personen haben sich bereits versammelt, Josef K. kommt zu spät. Der Untersuchungsrichter begrüßt K. fälschlicherweise als "Zimmermaler". Seine einzige Gerichtsunterlage ist ein kleines zerfleddertes Heftchen, das ihm K. später kurz entringt. K. versucht nun die anwesenden Beamten des Gerichts mit einer Rede über die Absurdität des Gerichtes, die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung und über die Bestechlichkeit der Wächter für sich zu gewinnen Allerdings verliert er sich dabei auch in langatmigen Schilderungen. So gleitet die Aufmerksamkeit des Publikums ab und wendet sich einem in einer Ecke lüstern kreischenden Pärchen zu.<br />
<br />
Die Zuschauermenge ist scheinbar in zwei unterschiedliche Parteien (die linken und die rechten) geteilt. K. entdeckt während seiner Rede zunächst, dass der Richter dem Publikum ein Zeichen gibt. Dann registriert er, dass beide Parteien, ebenso wie der Untersuchungsrichter, alle ausnahmslos das gleiche Abzeichen am Rockkragen tragen. Er ist erregt, sieht sich umstellt, wird selbst rabiat und sieht das Gericht als korrupte Bande.<br />
Der Untersuchungsrichter, weist ihn abschließend darauf hin, dass er sich eines Vorteils beraubt hätte, den ein Verhör für den Verhafteten bedeutet. K. bezeichnet alle als Lumpen und gibt zu verstehen, dass er auf weitere Verhöre verzichtet.<br />
<br />
==== Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien ====<br />
<br />
Josef K. geht unaufgefordert am darauf folgenden Sonntag erneut in das Gebäude, da er annimmt, dass die Verhandlung fortgesetzt werden würde. In der Wohnung, zu der der Gerichtssaal gehört, trifft er die Frau des dort wohnenden Gerichtsdieners. Diese flirtet mit K. und bietet ihm an, sich für ihn einzusetzen. Seine Rede habe ihr gefallen; sie hoffe, dass er Verbesserungen im Gerichtssystem einbringen könnte. Nach anfänglichem Sträuben zeigt sie ihm auch die Bücher des Untersuchungsrichters; es erweist sich, dass diese voller pornografischer Zeichnungen sind.<br />
Die Frau hat offensichtlich ein Verhältnis mit dem Untersuchngsrichter, dessen Arbeitseifer sie lobt, weil er nach den Verhandlungen bis weit in die Nacht noch lange Berichte anfertigt. Außerdem ist da der Jurastudent Berthold, der sie heftig begehrt. Schließlich erscheint dieser Student. Er erfasst die Frau und trägt sie gegen K.s Widerstand fort zum Untersuchungsrichter. Die Frau, die zunächst K. geneigt war und sogar mit ihm fliehen wollte, lässt es willig geschehen.<br />
<br />
Kurz darauf taucht der Mann der besagten Frau, der Gerichtsdiener, auf, beklagt sich bitter über die Untreue seiner Frau und lädt Josef K. auf eine Führung durch die Kanzleien ein. Diese sind anscheinend immer auf den Dachböden verschiedener Mietshäuser gelegen. Josef K. ist erstaunt über die ärmlichen Verhältnisse in den Kanzleien. Auf langen Holzbänken sitzen einige sichtlich gedemütigte Angeklagte, die darauf warten, von den Beamten in den Abteilungen empfangen zu werden. Ein sehr verunsicherter Angeklagter, den K. anspricht, wartet darauf, dass seinen Beweisanträgen stattgegeben wird. Josef K. hält so etwas in seinem Fall für unnötig.<br />
<br />
Plötzlich wird K. schlecht, und er verliert all seine Kraft, was mit der schlechten Luft in der Kanzlei begründet wird. Er bricht zusammen und wird anschließend von einem Mädchen und einem elegant gekleideten Mann (der Auskunftgeber) aus der Kanzlei gebracht. Nach dem Verlassen der Kanzlei ist K.s körperliches Wohlbefinden urplötzlich wiederhergestellt.<br />
<br />
==== Der Prügler ====<br />
<br />
Josef K. wird in einer Rumpelkammer seiner Bank Zeuge davon, wie die beiden Wächter, die ihn verhaftet hatten und denen er in seiner Rede in dem Gerichtssaal unter anderem Korruption vorgeworfen hat, ausgepeitscht werden. Da er sich für die Leiden der beiden schuldig fühlt, versucht K. den Prügler, einen halb nackten und in Leder gekleideten Mann, zu bestechen. Der schlägt das Angebot jedoch aus. Die beiden Wächter jammern kläglich; als einer von beiden unter den Schlägen aufschreit, entzieht sich K. der Situation. Vor sich selbst rechtfertigt er seine Flucht, indem er Befürchtungen äußert, die Bankbeamten könnten durch den Schrei des Wächters Franz aufmerksam geworden sein und ihn in der Rumpelkammer überraschen.<br />
<br />
Als Josef K. am nächsten Tag abermals die Tür zur Rumpelkammer öffnet, in der die Bestrafung vollzogen wurde, findet er genau die gleiche Szene vor, als wäre in der Kammer die Zeit stehen geblieben. Er entzieht sich abermals der Verantwortung und gibt zwei Bankdienern Anweisung, die Kammer zu entrümpeln.<br />
<br />
==== Der Onkel / Leni ====<br />
<br />
Josef K.s Onkel und ehemaliger Vormund Karl/Albert vom Lande besucht K. in der Bank. Er hatte von seiner halbwüchsigen Tochter Erna, einer Pensionatsschülerin, brieflich erfahren, dass K. angeklagt wurde. Der Onkel ist sehr aufgeregt wegen des Prozesses und geht mit K. zu dem Anwalt (und seinen Freund) Huld, der gute Beziehungen zu einigen Richtern hat. <br />
<br />
Bei dem ersten Besuch bei Huld liegt dieser krank zu Bett, ist aber bereit, K.s Sache, von der er im Übrigen bereits durch seine einschlägigen beruflichen Kontakte gehört hatte, zu vertreten. Ebenfalls bei Huld anwesend ist der Kanzleidirektor (offensichtlich der Direktor der ominösen Gerichtskanzleien) sowie das Hausmädchen des Herrn Huld, die junge Leni. K. ist gedanklich abwesend. Die Überlegungen der drei älteren Herren zu seiner Sache scheinen ihn kaum zu berühren. <br />
<br />
Leni lockt K. aus dem Besprechungszimmer und nähert sich ihm unvermittelt und erotisch fordernd.<br />
Am Ende des Besuchs, wieder in Gesellschaft seines Onkels, macht der K. arge Vorwürfe, dass er eine so wichtige Besprechung wegen "'' eines kleinen, schmutzigen Dinges''" versäumt hätte.<br />
<br />
==== Advokat / Fabrikant / Maler ====<br />
<br />
Josef K., den der „Gedanke an den Prozess nicht mehr verließ“, fasst den Entschluss, selbst eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten, da er zunehmend unzufrieden ist mit der Arbeit und den quälend langwierigen Schilderungen des Advokaten Huld in seiner Sache. Diese Schilderungen beherrschen auch die Vorbereitungen der beiden auf die nächste Anhörung. <br />
<br />
Danach in seinem Büro in der Bank empfängt Josef K. einen Fabrikanten, der von seinem Prozess weiß und K. an den Gerichtsmaler Titorelli verweist, der ihn vielleicht befreien könnte. Dieser verfüge über Informationen und Einfluss auf Richter und Beamte.<br />
<br />
Daraufhin begibt sich K. zum besagten Maler Titorelli, den er in einem kleinen Zimmer (seinem vom Gericht umsonst zur Verfügung gestellten Atelier) auf einem Dachboden eines Hauses in einem weiteren heruntergekommenen Stadtviertel vorfindet. Dieser erklärt ihm, dass es drei Möglichkeiten gäbe, dem Gericht zu entkommen. K. habe aber keine reale Chance auf einen "echten/wirklichen Freispruch", selbst falls er tatsächlich unschuldig sei. So etwas sei noch nie vorgekommen (nur in Legenden). Dann gäbe es aber noch die "scheinbare Freisprechung" und die "Verschleppung". Für die scheinbare Freisprechung muss man eine Mehrheit der Richter von der Unschuld des Angeklagten überzeugen und deren bestätigende Unterschriften dem Gericht einreichen. So kann ein Angeklagter zeitweilig freigesprochen werden. Nach einer unbestimmten Zeit aber kann es sein, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird und man erneut einen scheinbaren Freispruch erreichen muss, denn die untersten Richter können nicht endgültig freisprechen sondern nur das "oberste Gericht", welches aber vollständig unerreichbar sei. Bei der "Verschleppung" soll der Prozess dauernd im niedrigsten Stadium erhalten werden. Dazu müssten dauernd Richter beeinflusst werden und der Prozess genau beobachtet werden. Der Maler verspricht mit einigen Richtern zu reden, um diese so für Josef K. zu gewinnen, K. kann sich aber nicht für eine Befreiungsart entscheiden, er müsse noch überlegen. Als Gegenleistung kauft Josef K. einige Bilder des Malers und verschwindet durch eine Hintertür, die in eine weitere Kanzlei in einem Dachboden führt, aus dem Haus.<br />
<br />
==== Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten ====<br />
<br />
K. begibt sich erneut und nach monatelanger Vernachlässigung desselben zu seinem Anwalt Huld, um ihn zu kündigen, da er keinen spürbaren Fortschritt in seinem Prozess sieht. Er äußert, dass er niemals so große Sorge wegen des Prozesses gehabt hätte, wie seit der Zeit, als Huld ihn vertreten hätte (allerdings fürchtet er auch, noch mehr durch den Prozess eingenommen zu werden, wenn er alles selbst tun muss). Beim Anwalt trifft er auf einen anderen Klienten, Kaufmann Block, gegen den ebenfalls ein Prozess geführt wird, der aber schon länger als 5½ Jahre andauert. Er hatte heimlich noch 5 weitere Anwälte (Winkeladvokaten) angeheuert.<br />
<br />
Der Advokat Huld versucht K. zum Umdenken zu bewegen. Er erniedrigt den anderen Klienten Block in widerlicher Weise, um zu beweisen, wie abhängig seine Klienten von ihm - bzw. von seinen Kontakten und der Möglichkeit der Beeinflussung von Richtern und Beamten - seien. Das Kapitel schliesst unvollendet mitten im Gespräch des Advokaten und seiner Angestellten Leni mit Block.<br />
<br />
==== Im Dom ====<br />
<br />
Von seinem Vorgesetzten bekommt Josef K. den Auftrag, einem italienischen Kunden der Bank die Stadt zu zeigen. Kurz bevor er sich auf den Weg macht, erhält er einen Anruf von Leni. Sie sagt:"''Sie hetzen dich"''. Er empfindet es auch so. Josef K. verläßt dann die Bank; er soll sich mit dem Kunden vor dem Dom der Stadt treffen, aber dieser kommt nicht. K. betritt allein den Dom. Es gibt Irritationen, ob K. rechtzeitig gekommen war oder nicht<br />
und welche Uhrzeit, 10 oder 11 Uhr tatsächlich gilt <ref> K. ist, ohne dass es weiter beschrieben würde, nach dem Läuten der Kirchturmuhr zu schließen, eine Stunde zu spät, aber der Erzähler behauptet, er sei pünktlich (Reclam, S. 188, Z. 13–15). Später ist, nach K.s Uhr, noch immer dieselbe Uhrzeit (11:00 Uhr) und die Rede davon, dass er längst nicht mehr verpflichtet sei zu warten (S. 192). Nach der Ausgabe von Schöningh, ''Einfach Deutsch „Der Prozess“'' ist K. allerdings pünktlich. „…,etwa um zehn Uhr, sich im Dom einzufinden“ (S. 198, Z. 10). „K. war pünktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier.“ (S. 200, Z. 14f) </ref>.<br />
In der Original-Handschrift schreibt Kafka: „gerade bei seinem Eintritt hatte es 11 geschlagen.“<ref>http://www.kafka.org/picture/roland/9.jpg Original Handschrift Kafkas der Dom-Szene, beim Zuspätkommen</ref>)<br />
<br />
Er begegnet einem Priester, der sich als Gefängnis[[kaplan]] vorstellt und der um K.s Prozess weiß. Der Priester erzählt K. die Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' (die als einziger Teil des Romans von Kafka selbst veröffentlicht wurde) <ref> Es gibt ein weiteres Prosastück aus dem Umfeld des Prozess-Romans, nämlich ''[[Ein Traum]]'', das im ''Landarztband'' veröffentlicht wurde, in dem ein Josef K. auftaucht. dieses Prosastück wurde allerdings nicht in den Roman aufgenommen(Alt.S.625) </ref>. und diskutiert schließlich mit K. über deren Auslegungen, um ihm seine eigene Situation vor Augen zu führen. K. jedoch erkennt keine Parallelen zu seiner Situation, vor allem sieht er in den Auslegungen keinerlei Hilfe und Sinn. Nähere Ausführungen hierzu siehe ''[[Vor dem Gesetz]]''.<br />
<br />
==== Ende ====<br />
<br />
Josef K. wird am Vorabend seines 31. Geburtstages aus seiner Wohnung von zwei Beamten abgeführt, die ihn in ihrer Kleidung und Gestik an alte Schauspieler erinnern. K. überlegt kurz, Widerstand zu leisten, lässt sich dann aber nicht nur mitnehmen, sondern geht sogar anscheinend freiwillig voraus. Auch überlegt er, selbst sein Leben zu beenden. Er wird zu einem Steinbruch gebracht und mit einem Fleischermesser erstochen. Die beiden Beamten sehen zu, wie K. „wie ein Hund“ stirbt.<br />
<br />
=== Fragmentarische Kapitel===<br />
<br />
'''-B´s Freundin''' <br />
K. schreibt zwei Briefe an Fräulein Bürstner. Eine Freundin der Bürstner, die auch in der Pension wohnt, siedelt über zu ihr, so dass die Frauen dann gemeinsam das Zimmer bewohnen werden. Die Freundin gibt K. zu verstehen, dass das Fräulein keinen Kontakt zu K. wünscht.<br />
<br />
'''-Staatsanwalt''' <br />
K. ist regelmäßig Teilnehmer an einem Stammtisch mit verschiedenen Juristen. Staatsanwalt Hasterer ist sein Freund, der ihn auch öfter zu sich einlädt. Auch der Direktor von K.s Bank registriert diese Freundschaft.<br />
<br />
'''-Zu Elsa'''<br />
K. beabsichtigt zu Elsa zu gehen. Er erhält aber gleichzeitig eine Vorladung vom Gericht. Man warnt ihn vor den Folgen, falls er der Vorladung nicht Folge leistet. K. schlägt die Warnung in den Wind und geht zu Elsa.<br />
<br />
'''-Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter'''<br />
K. ist in der Bank. Zum Direktor-Stellvertreter hat er ein gespanntes Verhältnis. Dieser kommt in K.s Büro. K. versucht, ihm einen Bericht vorzutragen. Der Vorgesetzte hört kaum zu sondern hantiert ständig an einer zum Raum gehörigen Balustrade, die er schließlich leicht beschädigt.<br />
<br />
'''-Das Haus'''<br />
Zunächst geht es um das Haus, in dem das Amt seinen Sitz hat, von dem die Anzeige gegen K. ausgeht. Dann tauchen K.s ziellose Tagträume und seine Müdigkeit auf.<br />
<br />
'''-Fahrt zur Mutter'''<br />
Nach längerem Überlegen macht sich K. von seiner Bank aus auf den Weg zu seiner halb blinden alten Mutter, die er schon drei Jahre nicht gesehen hat. Sein Mitarbeiter Kullych verfolgt K. noch beim Weggehen mit einen Brief, den K. zerreißt.<br />
== Form und Sprache ==<br />
Der Erzähler bewahrt in typisch Kafkascher Manier auch in brutalen Situationen seine sachlich ruhige und distanzierte Sprache.<br />
<br />
Der Roman wird in der dritten Person erzählt; dennoch erfahren wir nur wenig, was über den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten hinausreicht ([[personales Erzählen]]). Dies gilt aber z.B. nicht für den Eingangssatz, der Tatsache und Bewertung der stattgefundenen Verhaftung benennt, also von höherer Warte spricht. K. selbst erlebt erst danach die Abfolge seiner Verhaftung.<br />
<br />
Über Joseph K.s Gedanken und Gefühle bekommen wir Einblick ([[Innensicht]]); zugleich erkennen wir aber schnell, dass K.s Deutung und Bewertung von Situationen und Personen sich häufig als falsch erweisen, also unzuverlässig sind. Daher können wir uns des Wahrheitsgehalts des Erzählten nie ganz sicher sein - was natürlich vor allem die rätselhafte Welt des Gerichts betrifft. <br />
<br />
Auffällig ist die Verdoppelung von Ereignissen. Zwei verschiedene Frauen aus dem Umfeld des Gerichts greifen erotisch fordernd auf ihn zu. Zweimal wird es K. übel von der Luft in den Gerichtsräumen. Zweimal wird das Wort "Gurgel" erwähnt mit seiner starken körperlichen Assoziation, zunächst bei K.s Überfall auf Fräulein Bürstner, dann bei K.s Hinrichtung. Zweimal gibt es Irritationen mit der Uhrzeit, bei der ersten Untersuchung und beim Besuch im Dom. Zwei Wächter melden die Verhaftung zu Beginn und zwei Henker vollziehen ein tödliches Urteil am Ende.<br />
<br />
Aussagen über den Aufbau des Romans sind einem eigenen Abschnitt vorenthalten, da dieser Punkt umstritten ist und intensivst diskutiert wird.<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
<br />
Eine eindeutige Interpretation des ''Process'' ist schwierig. Eine Möglichkeit ist es, sich folgender unterschiedlicher Interpretationsansätze zu bedienen, die sich in fünf Hauptrichtungen kategorisieren lassen <ref> Beispiele hierzu siehe z.B. bei Krieschel S.108-110 </ref>:<br />
<br />
* [[Biographie|biographisch]]: siehe [[Der Process#Entstehungsgeschichte|Entstehungsgeschichte]] <br />
* [[Geschichtlich#Erster Weltkrieg|historisch-kritisch]]: vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozialen Spannungen in [[Österreich-Ungarn]] und dem Beginn des [[Erster Weltkrieg#.C3.96sterreich-Ungarn|Ersten Weltkrieges]]<br />
* [[Religion|religiös]]: vor allem in Bezug auf Kafkas [[jüdisch]]e Herkunft<br />
* [[psychoanalytisch]]: der ''Process'' wird als Darstellung und Bewusstwerdung eines inneren Prozesses gesehen<br />
* [[politisch]] und [[soziologisch]]: als Kritik an einer verselbstständigten und unmenschlichen [[Bürokratie]] und am Fehlen bürgerlicher [[Freiheitsrechte]]<br />
<br />
Bei der Einordnung in die v.g. Interpretationsansätze ist jedoch folgendes zu beachten:<br />
Ähnlich wie beim Roman ''[[Das Schloss]]'' sind dabei vielfältige Studien entstanden, die wertvolle Einsichten bieten. Sie leiden aber daran, dass die Autoren bestrebt sind, ihre Einsichten in einen interpretatorischen Rahmen zu zwingen, der letztendlich außerhalb des Romantextes liegt <ref>M.Müller /von Jagow S.528 </ref>.<br />
Zunehmend forderten spätere Interpreten wie [[Martin Walser]] die Rückbesinnung auf die [[textimmanente]] Sicht <ref> Krieschel S. 111 </ref>. Die aktuellen Arbeiten von [[Peter-André Alt]] oder Oliver Jahrhaus/Bettina von Jagow gehen in entsprechende Richtung.<br />
<br />
=== Im Zusammenhang des Kafka'schen Schaffens ===<br />
Der Roman verarbeitet den Mythos von Schuld und Gericht, dessen traditionelle Wurzeln in der [[chassidisch]]en Überlieferung liegen. Das [[Ostjudentum]] kennt zahlreiche Geschichten von Klägern und Beklagten, von himmlischen Gericht und Strafe, undurchsichtigen Behörden und unverständlichen Anklagen. Dies sind Motive, wie sie in polnischen Sagen auftauchen und bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen <ref> Peter-André Alt S. 389 </ref> .<br />
<br />
Zunächst sind viele Parallelen zu Kafkas anderen großen Roman ''[[Das Schloss]]'' zu erkennen. Die beiden Protagonisten irren durch ein Labyrinth, das dazu da ist, sie scheitern zu lassen oder auch überhaupt keinen Bezug zu ihnen zu haben scheint <ref> Louis Begley S. 297 </ref>. Kranke bettlägerige Männer erklären langatmig das System. Erotisch befrachtete Frauengestalten wenden sich fordernd dem Protagonisten zu. <br />
<br />
In engem Zusammenhang mit dem ''Process ''ist die Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]'' zu sehen, die zeitlich parallel zum Roman im Oktober 1914 innerhalb weniger Tage entstand. Auch hier kennt der [[Delinquent]] nicht das Gebot, das er übertreten hat. Eine einzige Person - ein Offizier mit einer schauerlichen Maschine - scheint Ankläger, Richter und Vollstrecker in einem zu sein. Genau das ist aber auch die beängstigende Ahnung des Josef K., dass ein einziger Henker genüge, das gesamte Gericht willkürlich zu ersetzen<br />
<ref> Cerstin Urban S. 43.</ref>.<br />
<br />
Drei Jahre später schreibt Kafka die Parabel ''[[Der Schlag ans Hoftor]]''. Sie mutet an wie eine Kurzfassung des ''Process-Romans''. Aus nichtigem oder gar keinem Anlass wird eine Klage erhoben, die in eine unheilvolle Verstrickung und unentrinnbar in eine Strafe mündet. Das Verhängnis überfällt den Erzähler beiläufig mitten im Alltag. Ein Vorgefühl von Strafe oder ein Strafverlangen und ein tragischer oder absurder Untergang werden dabei signalisiert <ref> Ralf Sudau S.101 f.</ref>.<br />
<br />
=== Einzelne Aspekte ===<br />
====Kurze Textanalyse ====<br />
Das Gericht steht Josef K. als eine unbekannte, [[anonym]]e Macht gegenüber. Kennzeichnend für dieses Gericht, das sich von ''„dem Gericht im Justizpalast“'' unterscheidet, sind weit verzweigte, undurchdringbare Hierarchien. Es scheint unendlich viele Instanzen zu geben, von denen K. nur Kontakt mit den allerniedrigsten hat. Darum ist das Gericht für K. unfassbar, und er kann dessen Wesen trotz all seiner Bemühungen nicht ergründen. Die Aussage des Geistlichen im Dom<br />
''„das Gericht will nichts von Dir. Es nimmt Dich auf, wenn du kommst, und es entläßt Dich, wenn Du gehst.“'' hilft hier nicht. Könnte K. sich somit einfach dem Gericht entziehen? Seine Realität sieht anders aus. Das Gericht bleibt K. rätselhaft und nicht eindeutig erklärbar. <br />
<br />
Josef K. wird mit einer abweisenden, vertröstenden Welt konfrontiert. Wie in Kafkas Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' der Mann vom Lande die Hilfe von Flöhen erbittet, sucht Josef K. die Hilfe von Frauen, einem Maler und Rechtsanwälten, die ihren Einfluss nur vortäuschen und ihn vertrösten. Die von K. um Hilfe gebetenen Menschen handeln wie der Türhüter in der schon erwähnten Parabel, denn der Türhüter akzeptiert die Geschenke des Mannes vom Lande, aber nur, um ihn zu vertrösten und ihn in der Illusion zu lassen, dass seine Taten ihm förderlich seien.<br />
<br />
==== Deutungsvielfalt ====<br />
Die Vielzahl der Deutungen kann ähnlich wie im Fall von ''[[Das Schloss]]'' aufgrund der Fülle nicht abschließend sondern nur punktuell berücksichtigt werden.<br />
Der Roman kann zunächst autobiografisch gesehen werden. Siehe Eingangsabschnitt Entstehungsgeschichte. Man bedenke die Ähnlichkeit der Initialen von Fräulein Bürstner und [[Felice Bauer]]. Die intensive Beschreibung des Gerichtswesens weist offensichtlich auf Kafkas Arbeitswelt als Versicherungsjurist hin. Diese Interpretation sieht [[Elias Canetti]] <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Canetti: "Der andere Prozess" S.458</ref>. <br />
<br />
Die gegenteilige Auffassung, nämlich, dass ''Der Prozess'' kein privates Schicksal darstellt, sondern weitreichende politisch-visionäre Aspekte beinhaltet, nämlich die vorweggenommene Sicht auf den Nazi-Terror, legt [[Theodor W. Adorno]] dar <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Adorno: "Aufzeichnungen zu Kafka" S.459 </ref>.<br />
<br />
==== Einige Teilaspekte von Interpretationen ==== <br />
Im Laufe des Romans zeigt sich, dass K. und das Gericht sich nicht als zwei Wesenheiten gegenüberstehen, sondern dass die inneren Verflechtungen zwischen K. und der Gerichtswelt zunehmend stärker werden. Zum Ende des Prozesses "begreift Josef K. dass alles, was geschieht seinem Ich entspringt" <ref> Alt . S. 417</ref>, das alles das Ergebnis von Schuldgefühlen und Straffantasien ist.<br />
<br />
Wichtig ist auch die traumhafte Komponente der Geschehnisse. Wie im Traum vermischen sich Inneres und Äußeres <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel S.462</ref>. Da ist der Übergang von der fantastisch-realistischen zur [[allegorisch]]-psychologischen Ebene. Auch K.s Arbeitswelt wird zunehmend von der phantastischen, traumhaften Welt untergraben (Ein Arbeitsauftrag führt zum Treffen mit dem Geistlichen).<br />
<br />
'''Die sexuellen Bezüge der Handlung'''<br />
<br />
Die Schuldgefühle des Protagonisten dürften zum Großteil ihren Grund in der Sicht auf die Sexualität haben, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte und wie sie sich in den Arbeiten von [[Sigmund Freud]] wiederspiegeln. "Die Sexualität verbindet sich auf bemerkenswerte Weise mit K.s Prozess" <ref> Alt S. 401f. </ref>. Die Frauen sind [[sirene]]nhaft, die Vertreter des Gerichts voller lüsterner Gier. Aber genauso ist auch K. voller unbeherrschter Gier Fräulein Bürstner gegenüber und er erliegt ohne Gegenwehr den angebotenen Verlockungen.<br />
<br />
Des weitereren können auch homoerotischen Elemente im Text erkannt werden <ref> Krischel S. 113 </ref>. Da ist die fast liebvolle, ironische Sicht K.s auf seinen Direktor. Mehrfach wird die elegante oder enganliegende Kleidung speziell von Männern erwähnt. Es tritt ein halbnackter Prügler auf, der an eine [[Sadomaso]]-Gestalt erinnert und er prügelt die nackten Wächter.<br />
<br />
'''Der Process als humoristische Geschichte'''<br />
<br />
Die Freunde Kafkas erzählten, dass er beim Vorlesen aus seinem Werk vielfach laut herauslachen musste.<ref>Max Brods Biographie ''Franz Kafka. Eine Biographie'' (Neuausgabe 1974 mit dem Titel: ''Über Franz Kafka'')</ref> Deshalb liegt es nahe, im ''Process'' – mag sein Kern so ernst und düster sein wie nur möglich – auch eine [[Humor|humoristische]] Seite zu suchen. <br />
<br />
"Denn furchtbar ist das Ganze, aber komisch sind die Details" <ref> Rainer Stach/Entscheidungen S. 554</ref>. Die Richter studieren Pornohefte statt Gesetzesbücher, sie lassen sich Frauen herbeitragen wie eine prächtige Speise auf einem Tablett. Die Henker sehen aus wie alternde Tenöre. Ein Gerichtsraum hat ein Loch im Boden, so dass ab und zu das Bein eines Verteidigers in den darunter liegenden Raum ragt<br />
<br />
== Philologische Forschung/Diskussion ==<br />
=== Anordnung der Romankapitel ===<br />
<br />
Die Anordnung der Romankapitel wird seit der Erstveröffentlichung diskutiert und immer wieder in Frage gestellt. Kafka, der zwischen August 1914 und Januar 1915 am ''Process'' arbeitete, hat sein Werk zu Lebzeiten nicht abgeschlossen und somit auch nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. In einer an seinen Freund [[Max Brod]] gerichteten Verfügung fordert er diesen sogar auf, nach seinem Tod seine Schriften zu vernichten (→ [[Franz Kafka#Rezeption|Kafkas Verfügung]]).<br />
<br />
Der einzige Textbeleg ist die von Kafka niedergelegte Handschrift, in der sich zahlreiche Korrekturen Kafkas finden. Nach Abbruch der Arbeiten an dem Werk, aus dem er nur die Erzählung ''Vor dem Gesetz'' veröffentlichte, löste er vermutlich die Hefte auf, in die er den Text geschrieben hatte. Dadurch wurde der Gesamttext in 16 Abschnitte zerteilt, teilweise zerstückelt in Einzelkapitel, teilweise in Kapitelfolgen oder auch nur Fragmente von Kapiteln.<br />
Zwischen diese Abschnitte legte er jeweils einzelne Blätter, auf denen er den Inhalt der dahinter liegenden Blattfolge vermerkte. Diese sechzehn derart abgetrennten Bündel werden meist als „[[Schriftstück|Konvolute]]“ bezeichnet. Die Bezeichnung „[[Gliederung|Kapitel]]“ dagegen impliziert eine vom Autor bewusst festgelegte Text- und Sinneinheit innerhalb eines Werkes, daher gibt dieser Begriff den Sachverhalt nicht richtig wieder.<br />
<br />
Aufgrund des [[Fragment (Literatur)|fragmentarischen]] Charakters des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben, die zum Teil große Unterschiede aufweisen. Die Kritische Ausgabe und die von Brod herausgegebene Edition weisen dem Fragment den Charakter eines abgeschlossenen Werkes zu, indem sie eine Reihenfolge der Manuskriptseiten festlegen.<br />
<br />
[[Max Brod]] hatte für die Erstausgabe des Werks die Konvolute in Kapitel geordnet. Als Grundlage dienten ihm die vermachten Originale, welche sich in drei Umschlägen mit einem [[Kryptographie|kryptischen]] System verschlüsselt aufbewahrt befanden, das nur von seinem Urheber entschlüsselt werden konnte und das Brod auf seine eigene Art und Weise interpretierte.<br />
<br />
Die Anordnung der Kapitel in ''Der Process'' steht somit auch immer unter der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung des Schriftstellers Kafka, und somit ist jede Anordnung für eine Textausgabe des Werks bereits Interpretation.<br />
<br />
==== Guillermo Sánchez Trujillo ====<br />
Guillermo Sánchez Trujillo stellt in ''Crimen y castigo de Franz Kafka, anatomía de El Proceso'' („Franz Kafkas Schuld und Sühne, Anatomie von Der Process“) die Hypothese auf, dass, ausgehend von einer Feststellung von Ähnlichkeiten zwischen Kafkas Process und [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskis]] ''[[Schuld und Sühne]]'', Kafka den Roman des russischen Schriftstellers [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski]] und andere seiner Erzählungen in der Art eines [[Palimpsest]]s benutzt hatte, um ''Der Process'' und andere seiner Erzählungswerke zu schreiben. Er behauptet, die Anordnung der Kapitel lasse sich aufgrund der Ähnlichkeiten auch an Dostojewskis Roman objektiv feststellen. Die [[Autonome Lateinamerikanische Universität]] (UNAULA) in Medellín (Kolumbien) veröffentlichte im Jahre 2005 eine kritische Ausgabe des Romans mit dieser neuen Anordnung. So kommt Trujillo zu folgender Anordnung.<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# B.s Freundin<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Zu Elsa<br />
# Staatsanwalt<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advocat/Fabrikant/Maler<br />
# Im Dom<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advocaten<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Ein Traum<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
# Ende<br />
<br />
==== Gliederung nach Reclam (2006) ====<br />
=====Inhalt=====<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advokat / Fabrikant / Maler<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Fragmente=====<br />
<br />
# B.’s Freundin<br />
# Staatsanwalt<br />
# Zu Elsa<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
<br />
==== Gliederung nach Suhrkamp (2000) ====<br />
=====Der Prozeß=====<br />
<br />
# Verhaftung · Gespräch mit Frau Grubach · Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal · Der Student · Die Kanzleien<br />
# Die Freundin des Fräulein Bürstner <br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel · Leni<br />
# Advokat · Fabrikant · Maler<br />
# Kaufmann Block · Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Anhang=====<br />
<br />
======Die unvollendeten Kapitel======<br />
* Zu Elsa<br />
* Fahrt zur Mutter (Ende gestrichen)<br />
* Staatsanwalt (Als direkter Anhang an Kap. 7)<br />
* Das Haus (Ende gestrichen)<br />
* Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter (Großteil gestrichen)<br />
* Ein Fragment ("Als sie aus dem Theater traten...")<br />
<br />
== Editionen ==<br />
=== Ausgabe von Brod ===<br />
<br />
Die erste Ausgabe trägt den Titel ''Der Prozess'' (so auf dem Titelblatt) und erschien 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Werk wurde von Kafkas Freund [[Max Brod|Max Brod]] herausgegeben. Brod sah die Konvolute als abgeschlossene Texteinheiten an und stufte sie daher als Kapitel ein. Außerdem legte er eine Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief Brod sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen. <br />
<br />
In den Jahren 1935 und 1946 gab Brod erweiterte Ausgaben heraus. Zusätzlich enthalten sie im Anhang <br />
Teile des Werks, die Brod unvollendet erschienen, als so genannte ''unvollendete Kapitel''. Außerdem enthält der Anhang von Kafka gestrichene Stellen.<br />
<br />
Die Ausgaben nach 1945 wurden mit der veränderten Schreibung ''Der Prozeß'' herausgegeben.<br />
<br />
=== Kritische Kafka-Ausgabe ===<br />
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel ''Der Proceß'',<!--sic--> die im Rahmen der [[Kritische Ausgabe|Kritischen]] Kafka-Ausgabe (''KKA'') der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien beim Fischer Verlag.<br />
<br />
=== Historisch-kritische Ausgabe ===<br />
Als Beginn der [[Historisch-kritische Ausgabe|Historisch-kritischen]] Franz-Kafka-Ausgabe (''FKA'') durch [[Roland Reuß]] in Zusammenarbeit mit [[Peter Staengle]] ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel ''Der Process'' erschienen. Die 1997 vorgelegte Ausgabe beruht auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Handschrift ''nicht'' um ein abgeschlossenes Werk handelt. Das Ziel, die originale Gestalt des Textes und Form der Handschrift zu wahren, schlägt sich nieder in der Weise, wie die Edition den Text darbietet. Zum einen wird keine Reihenfolge der Konvolute hergestellt, und zum anderen werden die Konvolute nicht in Buchform veröffentlicht. Stattdessen wird jedes der 16 Konvolute in einem Heft wiedergegeben. Auf jeder Doppelseite der Hefte sind jeweils das [[Faksimile]] einer Manuskriptseite sowie dessen [[Umschrift]] gegenübergestellt. Anhand des Faksimiles kann jeder Leser selbst die zum Teil nicht eindeutigen Streichungen Kafkas beurteilen, da es hier keine Eingriffe durch den Herausgeber gibt, wie sie bei der Kritischen Edition und der von Brod besorgten Ausgabe vorgenommen wurden.<br />
<br />
=== Ausgabe von Christian Eschweiler ===<br />
Eschweiler veränderte die Kapitelfolge und betrachtet das Traum-Kapitel Josef K.s, als Höhepunkt des Entwicklungsgeschehens.<br />
Eschweiler ist der Ansicht das Domkapitel gliedere den Roman in zwei Teile, von denen der erste durch Fremdbestimmung, der zweite durch fortschreitende Selbstbestimmung gekennzeichnet ist.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
* „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“<br />
* „Josef K.: Ich sage nicht, dass es ein liederliches Verfahren ist, aber ich möchte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.“<br />
* „Der Prügler: Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich.“<br />
* „So bewirkte also die Methode des Advokaten, welcher K. glücklicherweise nicht lange ausgesetzt war, dass der Klient schließlich die ganze Welt vergaß und nur auf diesem Irrweg zum Ende des Prozesses sich fortzuschleppen hoffte. Das war kein Klient mehr, das war der Hund des Advokaten."<br />
* „Der Geistliche im Dom: Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber."<br />
* „Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt die Entscheidung beobachteten, ‚Wie ein Hund‘ sagte er, es war als solle die Scham ihn überleben.“<br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* Max Brod schreibt im Nachwort der ersten Ausgabe von 1925 in Bezug auf den ''Process'', dass „kaum [ein Leser] seine Lücke fühlen“ wird, wenn er nicht weiß, dass Kafka sein Werk unvollendet ließ. Der Herausgeber schreibt weiter, die nach seiner Ansicht vollendeten Kapitel ließen „sowohl den Sinn wie die Gestalt des Werkes mit einleuchtendster ''[sic!]''<!--sic--> Klarheit hervortreten“. Außerdem spricht Brod im Nachwort zu Kafkas Werk stets von „Roman“ und nicht von Fragment. Daran wird deutlich, dass er die Auffassung vertritt, dem Werk fehle nichts Wesentliches. Diesen Eindruck vermittelt seine Ausgabe auch den Lesern. Das Bild eines nahezu abgeschlossenen Werkes, das sich der damaligen Leserschaft bot und das auch heute noch bei vielen Lesern vorherrscht, begründete und begründet zum Teil den Erfolg und die Bewunderung für den ''Process''.<br />
<br />
* Am 17. November 1988 wurde das Originalmanuskript des Werkes in London für eine Million Pfund vom [[Deutsches Literaturarchiv|Deutschen Literaturarchiv]] in Marbach ersteigert. Dies war der bis dahin höchste Preis, der jemals auf einer Auktion für ein einzelnes Manuskript bezahlt wurde. Das Geld stammte von Bund und Land Baden-Württemberg. Das Manuskript ist im [[Literaturmuseum der Moderne]] ausgestellt.<br />
<br />
* [[Peter-André Alt]] (S.391/419): K.s Geschichte ist der Traum von der Schuld - ein Angsttraum, der sich in den imaginären Räumen einer befremdlichen juristischen Ordnung als Widerschein psychischer Zustände abspielt. Stirbt K. auch ´wie ein Hund´, so bleibt doch die Scham zurück, die allein Menschen empfinden können. Sie aber ist bekanntlich - als Folge der Vertreibung aus dem Paradies - das Resultat des Wissens über die Differenz von Gut und Böse. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, bildet zugleich das Stigma seiner Schuld.<br />
* [[Reiner Stach]] (S.537): Kafkas Process ist ein Monstrum. Nichts ist hier normal, nichts ist einfach. Ob man sich mit der Entstehungsgeschichte, dem Manuskript, der Form, dem stofflichen Gehalt oder mit der Deutung des Romans beschäftigt: Der Befund bleibt stets derselbe: Finsternis wohin man blickt.<br />
<br />
== Adaptionen ==<br />
<br />
=== Theateradaptation ===<br />
* Der Schriftsteller und Regisseur [[Steven Berkhoff]] adaptierte einige von Kafkas Geschichten in Theaterstücke. Seine Version des Processes wurde 1970 in London uraufgeführt und 1981 als Buch veröffentlicht. Die erste Aufführung in Deutschland fand 1976 am [[Düsseldorfer Schauspielhaus]] statt.<ref>Berkoff, Steven. "The trial, Metamorphosis, In the penal colony. Three theatre adaptions from Franz Kafka." Oxford: Amber Lane Press, 1981.</ref><br />
* [[Andreas Kriegenburg]] inszenierte eine viel beachtete [http://www.muenchner-kammerspiele.de/stueck.php?ID=968&menu1=&menu2=&zurueck=ZUR%DCCK%20ZUM%20ENSEMBLE Theaterfassung] an den [[Münchner Kammerspiele]]n. Premiere war am 25. September 2008.<br />
<br />
=== Musikalische Adaptionen ===<br />
<br />
* [[Gottfried von Einem]]s Oper ''[[Der Prozess (Oper)|Der Prozess]]'' (1953) basiert auf Kafkas Romanfragment. <br />
* Eine freie Adaption des Stoffes ist [[Gunther Schuller]]s Jazz-Oper ''The Visitation'' (1966).<br />
* Die [[Schottland|schottische]] [[Post-Punk]]-Band [[Josef K]] benannte sich nach dem Romanhelden<br />
* Die [[Polen|polnische]] [[Punk (Musik)|Punk]]band [[Pidżama Porno]] veröffentlichte [[2004]] auf ihrem Album ''Bułgarskie Centrum'' den Song ''Józef K.'', in dem Sie sich auf den Inhalt von Kafkas Stück bezieht.<br />
* Auf dem Cover des Albums ''If You're Feeling Sinister'' der britischen Indie-Pop-Band [[Belle and Sebastian|Belle and Sebastian]] ist das Buch (mit englischem Titel) zu sehen.<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
<br />
* [[Der Prozeß (Film)|''Der Prozeß'']]<!--sic--> (1962) von [[Orson Welles]] <br />
* [[Kafka (Film)|''Kafka'']] (1991) von [[Steven Soderbergh]] (Spielfilm, der Teile von Kafkas Leben mit Elementen aus ''Der Process'', ''[[Das Schloss]]'' und anderen Texten verbindet)<br />
* ''Der Prozess''<!--sic--> (1993) von [[David Hugh Jones]]<br />
* ''Am Ende des Ganges'' (1999) von Michael Muschner (Kurzfilm)<br />
<br />
=== Comicadaption ===<br />
<br />
* [[Guido Crepax]]: Il processo di Franz Kafka, Piemme 1999<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
=== Ausgaben ===<br />
Wie im Abschnitt ''Editionen'' nachzulesen ist, ist es bedeutsam, welche Ausgabe man wählt. Daher erfolgt die Auflistung nach den verschiedenen Editionen. <br />
<br />
* Historisch-kritische Ausgabe der Handschrift:<br />Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz-Kafka-Heft 1 und CD-ROM, mit 300 Handschriften-Faksimiles: ''Der Process''. Hg. von Roland Reuß. Stroemfeld, Frankfurt/Main, Basel 1997, ISBN 3-87877-494-X<br />
* Reprint der Erstausgabe (1925):<br />Stroemfeld Verlag, gebunden. ISBN 978-3-87877-500-3<br />
* Kritische Ausgabe:<br /> ''Der Proceß''. Herausgegeben von Malcolm Pasley. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2002, gebunden ISBN 3-596-15700-5<br />
* Ausgabe von Eschweiler:<br />Franz Kafka: ''„Der Prozess“<!--sic-->''. Neu geordnet, ergänzt und erläutert von Christian Eschweiler. Landpresse, Weilerswist 2009. ISBN 978-3-941037-40-3<br />
* Weitere Ausgaben: <br />
** Aufbau, Taschenbuch ISBN 3-7466-1615-8<br />
** dtv, Taschenbuch ISBN 3-423-02644-8<br />
** Langenscheidt, broschiert ISBN 3-580-63335-X<br />
** Probst, gebunden ISBN 3-935718-94-2<br />
** Saur, gebunden ISBN 3-598-80009-6<br />
** Schöningh, broschiert ISBN 3-14-022362-5<br />
** Suhrkamp: broschiert — ISBN 3-518-39337-5, BasisBibliothek — ISBN 3-518-18818-6<br />
** Vitalis, gebunden ISBN 3-89919-052-1<br />
** Volker Krischel Königs Erläuterungen ISBN 3-8044-1796-5<br />
** Anaconda, gebunden ISBN 3-938484-77-2<br />
** Hamburger Lesehefte Verlag, 201. Heft ISBN 978-3-87291-200-8<br />
<br />
=== Sekundärliteratur ===<br />
* [[Peter-André Alt]]: ''Der ewige Sohn.'' C.H. Beck, München, 2005, ISBN 3-406-53441-4<br />
* Manfred Engel: ''Franz Kafka: Der Process (1925) – Gerichtstag über die Moderne.'' In: Matthias Luserke-Jaqui/Monika Lippke (Hg.): ''Deutschsprachige Romane der Klassischen Moderne.'' Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 211-237. ISBN 978-3-11-018960-5. <br />
* Manfred Engel: ''Der Process.'' In: Manfred Engel, Bernd Auerochs (Hrsg.): ''Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung.'' Metzler, Stuttgart, Weimar 2010, S. 192-207. ISBN 978-3-476-02167-0.<br />
* [[Janko Ferk]]: ''Recht ist ein „Prozeß“. Über Kafkas Rechtsphilosophie''. Wien, Edition Atelier, 2006 (2. Auflage), und Ljubljana, Gospodarski vestnik, 2007 (Übersetzung in das Slowenische).<br />
* Volker Krischel: ''Franz Kafka: Der Proceß.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 417). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1796-0<br />
* [[Ekkehart Mittelberg]]: ''Franz Kafka: Der Prozeß.'' Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen (Reihe LiteraMedia). Cornelsen, Berlin 2003. ISBN 978-3-464-61425-9<br />
* Manfred Mitter: ''Franz Kafka: Der Proceß, Interpretationsimpulse''. Merkur-Verlag, Rinteln, Textheft: ISBN 978-3-8120-0853-2, CD-ROM: ISBN 978-3-8120-2853-0<br />
* [[Reiner Stach]]: ''Kafka Die Jahre der Entscheidungen.'' Fischer, Frankfurt/Main 2004. ISBN 3-596-16187-8<br />
* Ralf Sudau Franz Kafka: Kurze Prosa/Erzählungen 2007, ISBN 978-3-12-922637-7<br />
* Cerstin Urban: ''Franz Kafka: Erzählungen II.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 344). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1756-4<br />
* Louis Begley: ''Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. Über Franz Kafka'' Deutsche Verlagsanstalten <br />
* Bettina von Jagow und Oliver Jahrhaus ''Kafka-Handbuch Leben-Werk-Wirkung'' hrsg. 2008 Vandenhoeck& Ruprecht ISBN 978-3-525-20852-6<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Textkritik]]<br />
* [[Recht ist ein 'Prozeß'. Über Kafkas Rechtsphilosophie]] von [[Janko Ferk]]<br />
* [[Die 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
=== Text des Romanfragments ===<br />
* {{Wikisource|Der Process}}<br />
* [http://gutenberg.spiegel.de/kafka/prozess/prozess.htm Projekt Gutenberg: „Der Prozeß“ <!--sic-->] ''Text folgt der Brod-Ausgabe''<br />
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Kafka,+Franz/Romane/Der+Proze%C3%9F}}<br />
<br />
=== Interpretationen ===<br />
* [http://home.bn-ulm.de/~ulschrey/literatur/kafka/kafka_prozess.html „Franz Kafka, ‚Der Prozess‘ – Die Selbstinszenierung der Geburt als Tod“]<br />
* [http://tuerhueter.blogspot.com/ Blog – Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis]<br />
* [http://www.christian-eschweiler.com Kafkas „Der Prozess“ in neuem Licht]<br />
* [http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0713/pdf/dkl.pdf Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceß’ und ‚Das Schloß’] von Karin Leich, Uni Marburg, 2003 (PDF-Datei; 1,58 MB)<br />
'''Editionen des Werks'''<br />
* [http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm Institut für Textkritik] Ausgabe im Rahmen der Historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe<br />
'''Bibliographie'''<br />
* [http://www.wegmaier.de/docs/NdL-Prozess.pdf Vollständige Bibliographie zu Roman und Sekundärliteratur] (PDF-Datei; 435 kB)<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
* {{IMDb Titel|tt0057427|Der Prozess (1963)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0102181|Kafka}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0108388|Der Prozess (1993)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0228008|Am Ende des Ganges}}<br />
<br />
=== Unterricht ===<br />
* [http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/projekte/epik/process/index.html Lehrerfortbildung-BW] Unterrichtsprojekte Deutsch: Der Proceß<br />
<br />
=== Hörbuch ===<br />
* [http://www.theateraufcd.de/Der_Prozess.aspx Der Prozess als Hörbuch im MP3-Format]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Franz Kafkas Werk}}<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Process, Der}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Franz Kafka]]<br />
[[Kategorie:Roman, Epik]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
<br />
[[ar:المحاكمة (رواية)]]<br />
[[az:Məhkəmə prosesi (roman)]]<br />
[[br:Ar Prosez]]<br />
[[ca:El procés]]<br />
[[cs:Proces (román)]]<br />
[[da:Processen (roman)]]<br />
[[el:Η δίκη (Φραντς Κάφκα)]]<br />
[[en:The Trial]]<br />
[[es:El proceso]]<br />
[[et:Protsess (Kafka)]]<br />
[[eu:Prozesua (liburua)]]<br />
[[fa:محاکمه (رمان)]]<br />
[[fi:Oikeusjuttu (romaani)]]<br />
[[fr:Le Procès]]<br />
[[he:המשפט]]<br />
[[hr:Proces (Kafka)]]<br />
[[it:Il processo (romanzo)]]<br />
[[ja:審判 (小説)]]<br />
[[ko:심판 (소설)]]<br />
[[mk:Процес (роман)]]<br />
[[nl:Het Proces]]<br />
[[nn:Der Process]]<br />
[[no:Prosessen]]<br />
[[pl:Proces (powieść)]]<br />
[[pt:O Processo]]<br />
[[ro:Procesul]]<br />
[[ru:Процесс (роман)]]<br />
[[sk:Proces (román)]]<br />
[[sr:Процес (роман)]]<br />
[[sv:Processen]]<br />
[[yo:The Trial]]<br />
[[zh:审判 (长篇小说)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Der_Process&diff=84402592Der Process2011-01-25T19:33:27Z<p>Xjs: /* Kurze Textanalyse */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Weitere Bedeutungen sind unter [[Prozess (Begriffsklärung)]] aufgeführt.}}<br />
<br />
<!-- Der Titel des Romans lautet nach der Faksimile-Edition (http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm) "Der Process" und zwar genau so. Teile der handschriftlichen Manuskripte Kafkas sind im Internet einsehbar. (http://www.kafka.org/index.php?manuscripts) Hier ist deutlich zu erkennen, dass Kafka "Process" schrieb. Bitte den Titel nicht mehr ändern oder den Artikel verschieben sondern vorher einen Blick auf die Diskussionsseite werfen. --> <br />
[[Datei:Kafka Der Prozess 1925.jpg|thumb|Verlagseinband der Erstausgabe 1925]]<br />
<br />
'''Der Process''' (auch ''Der Prozeß'', ''Der Prozess'' und ''Der Proceß'') ist neben ''[[Der Verschollene]]'' (auch unter ''[[Amerika (Roman)|Amerika]]'' bekannt) und ''[[Das Schloss]]'' einer von drei unvollendeten und [[postum]] erschienenen Romanen von [[Franz Kafka]].<br />
<br />
== Entstehungsgeschichte ==<br />
<br />
Die Entstehung dieses nicht vollendeten Werkes – vom Sommer 1914 bis Januar 1915 <ref> Alt S. 388</ref> – war von besonders prägnanten Phasen im Leben Kafkas gekennzeichnet. Im Juli 1914 fand die Auflösung der Verlobung mit [[Felice Bauer]] statt. Sowohl die [[Verlöbnis|Verlobung]] als auch die Entlobung waren für Kafka mit starken [[Schuldgefühl]]en verbunden. Eine abschließende Aussprache hierzu im Berliner Hotel „Askanischer Hof“ in Anwesenheit von Freunden hatte Kafka als „[[Gerichtshof]]“ empfunden.<ref> Königs Erläuterungen Franz Kafka Der Proceß Volker Krischel S. 31</ref> Unmittelbar danach begann er mit der Arbeit zum ''Process''. Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brach aus. Ab dem Herbst 1914 wohnte Kafka erstmals unabhängig von seinen Eltern in einem eigenen Zimmer. <br />
<br />
Seine Arbeit schritt zunächst gut voran, in zwei Monaten entstanden rund 200 Manuskriptseiten, kam aber – wie bei ihm häufig – bald zum Erliegen. Er beschäftigte sich nun u. a. mit der Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]''. Der Process entstand nicht in linearer Abfolge. Es lässt sich nachweisen, dass Kafka zuerst das Eingangs- und das Schlusskapitel niederschrieb, danach schrieb er an einzelnen Kapiteln parallel weiter. Kafka schrieb den ''Process'' in Hefte, die er auch für die Niederschrift anderer Texte verwendete. Diese Blätter hat er später herausgetrennt und sie nach Kapiteln und Fragmenten neu sortiert, ohne dabei eine bestimmte Reihenfolge der Teile festzulegen.<br />
<br />
Anfang 1915 wurde der Roman dann beiseitegelegt und (nach kurzem nochmaligen Versuch im Jahr 1916) nie vollendet. Schon im November 1914 schrieb Kafka: "''Ich kann nicht mehr weiter schreiben. Ich bin an einer endgültigen Grenze, vor der ich vielleicht wieder jahrelang sitzen soll, um dann vielleicht wieder eine neue, wieder unfertig bleibende Geschichte anzufangen''"<ref> Königs Erläuterungen/ Krischel S. 34 </ref>.<br />
<br />
== Personen ==<br />
<br />
; Josef K.<br />
: Josef K. ist [[Prokurist]] einer [[Bank]]. Er lebt allein, sein Bedürfnis nach Kontakten befriedigt er mit seiner Geliebten Elsa sowie einer regelmäßigen [[Stammtisch]]runde. K.s Vater ist bereits gestorben, seine Mutter taucht nur in einem Fragment auf. Eine Gefühlsbindung zu ihr besteht nicht.<br />
; Die Personen der Verhaftung<br />
: Die Wächter, genannt Franz und Willem, teilen Josef K. seine Verhaftung mit und halten ihn zunächst im Zimmer fest. Ein namenloser Aufseher weist K. s auflehnende Überlegungen schroff zurück. Drei Herren, untergeordnete Kollegen aus der Bank, in der K. arbeitet, namens Rabensteiner, Kaminer und Kullych, sind auch anwesend. Sie sind dazu bestimmt K. nach der Verhaftung zur Arbeit zu begleiten.<br />
; Fräulein Elsa <br />
: Fräulein Elsa arbeitet als [[Kellner]]in. Tagsüber empfängt sie Männerbesuch, K. geht einmal die Woche zu ihr. Sie wird später in dem ersten Gespräch mit Leni als K.s Geliebte bezeichnet. (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Josef K. erwähnt)<br />
; Frau Grubach<br />
: Frau Grubach ist K.s und Fräulein Bürstners Vermieterin. Sie bevorzugt K. vor den anderen Mietern, da er sie gut bezahlt.<br />
; Fräulein Bürstner<br />
: Fräulein Bürstner ist erst seit kurzem Mieterin bei ''Frau Grubach'' und hat wenig Kontakt zu K.. Er lauert ihr aber in der Nacht nach seiner Verhaftung vor ihrem Zimmer auf und drückt ihr nach einem gemeinsamen Gespräch fast tierhaft einen Kuss auf. Sie interessiert sich selbst für Machenschaften des Gerichts, da sie in einigen Wochen eine Stelle als [[Sekretär]]in in einer Kanzlei antreten wird.<br />
; Die Frau des Gerichtsdieners<br />
: Sie besitzt eine besondere erotische Ausstrahlung, so dass sowohl ein Jurastudent als auch der Untersuchungsrichter sie für Liebesdienste in Anspruch nehmen. Sie bietet sich auch Josef K. an und erzählt ihm einiges aus der skurilen Welt des Gerichtes, das seltsamerweise in einem ärmlichen Mietshaus tagt.<br />
; Advokat Huld<br />
: Der [[Advokat]] Huld ist ein Bekannter von K.s Onkel. Der Verteidiger ist jedoch durch eine Krankheit körperlich geschwächt und bettlägerig. Seine Verteidigung betreibt er aus seinem Krankenbett. Seine Einlassungen sind quälend langwierig. K. entzieht ihm seine Verteidigung bald wieder.<br />
; Leni<br />
: Leni ist die Bedienstete des Advokaten und kümmert sich während seiner Krankheit sehr hingebungsvoll um diesen. Sie erscheint sehr verspielt und gesellig. Leni lockt K. während seines ersten Besuches in ein Nachbarzimmer, um sich ihm zu nähern. Sie hat ebenfalls wichtige Informationen zum System des Gerichtes.<br />
; Onkel Albert K./Karl K.<br />
: K.s Onkel lebt auf dem Lande. Als er von Josef K.s Prozess erfährt, reist er in die Stadt, um Josef K. zu helfen. Er stellt K. Advokat Huld vor. Es ist nicht ganz klar, wie der Onkel heißt, am Anfang des Kapitels ''Der Onkel/Leni'' wird er Karl genannt, doch später wird er vom Advokaten Huld Albert genannt.<br />
; Erna <br />
: Erna ist die Cousine K.s. Sie schreibt dem Onkel (ihrem Vater) einen Brief, in dem sie von K.s Prozess berichtet (keine direkt handelnde Person i.R. des Romans, nur vom Onkel erwähnt)<br />
; Titorelli<br />
: Titorelli ist als Gerichtsmaler in bestimmte Vorgänge des Gerichts eingeweiht. Durch seinen persönlichen Kontakt zu den Richtern könnte er zwischen K. und dem Gericht vermitteln. Doch Titorelli ist fest davon überzeugt, dass niemand – und somit auch nicht er selbst – das Gericht von der Unschuld eines Angeklagten überzeugen könne.<br />
; Kaufmann Block<br />
: Der Kaufmann Block ist ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, dem ebenfalls ein Prozess gemacht wird. Block übernachtet im Hause des Advokaten Huld, um jeder Zeit für ein Gespräch mit dem Advokat bereitzustehen und demütigt sich vor dem Advokaten.<br />
; Gefängniskaplan<br />
: Der Gefängniskaplan erzählt K. die [[Parabel (Sprache)|Parabel]] ''[[Vor dem Gesetz]]''. Er versucht, K. klar zu machen, dass es zwar verschiedene Auslegungen der Parabel gibt, jedoch ist es weder seine Meinung, noch gibt sich K. mit den wenig eindeutigen Lösungsvorschlägen zufrieden. Auch nach mehrmaligem Betonen, dass keine der Auslegungen wahr sein muss, sondern es sich lediglich um unterschiedliche Interpretationen handelt, versucht K. nicht, selbst eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Der Kaplan weiß, dass es um K.s Prozess nicht gut steht und dieser sehr schlecht enden wird.<br />
; Direktor-Stellvertreter<br />
: Der Direktor-Stellvertreter hat als Vorgesetzter die Aufsicht über die Tätigkeit von K. an seinem Arbeitsplatz, der Bank, und arbeitet eng mit ihm zusammen. Das Verhältnis zum stets überaus korrekt auftretenden Direktor-Stellvertreter wird für K. zum Anlass für einige Besorgnis, als ihn der Prozess stark belastet und er immer weniger Sorgfalt für seine tägliche Arbeit aufwenden kann.<br />
; Direktor<br />
: Der Direktor ist ein gütiger Mensch mit Überblick und Urteilsvermögen, der K. wohlwollend gegenübertritt und väterliche Ratschläge gibt.<br />
; Staatsanwalt Hasterer<br />
: Obwohl deutlich älter und resoluter als K., entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden. K. begleitet den Staatsanwalt regelmäßig nach dem Juristen-Stammtisch auf eine Stunde bei Schnaps und Zigarren nach Hause und wird von diesem protegiert.<br />
; Die Vollstrecker<br />
: Zwei namenlose Herren bleich, fett, mit "''Cylinderhüten''" führen Josef K. zu einem Steinbruch und bringen ihn mit einem Stich ins Herz um.<br />
<br />
== Handlung ==<br />
<br />
=== Überblick ===<br />
<br />
Josef K., der [[Protagonist]] des Romans, wird am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Trotz seiner Verhaftung darf sich der Bankprokurist Josef K. noch frei bewegen und auch weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich rechtfertigen könnte. Dabei stößt er auf ein ebenso wenig greifbares Gericht. Die Gerichtskanzleien befinden sich zum Beispiel auf den Dachböden großer ärmlicher Mietskasernen. Die Frauen, die mit der Gerichtswelt in Verbindung stehen und die K. als „Helferinnen“ zu werben versucht, üben eine erotische Anziehungskraft auf K. aus. <br />
<br />
Josef K. versucht verzweifelt Zugang zum Gericht zu finden, doch auch dies gelingt ihm nicht. Er beschäftigt sich immer mehr mit seinem Prozess, obwohl er anfangs das Gegenteil beabsichtigte. Josef K. gerät immer weiter in ein albtraumhaftes Labyrinth einer surrealen Bürokratie. Immer weiter dringt er in die Welt des Gerichts ein. Gleichzeitig dringt jedoch auch das Gericht immer weiter in Josef K.s Leben ein. Ob tatsächlich ein irgendwie gearteter Prozess heimlich vorangeschritten war, bleibt sowohl dem Leser als auch Josef K. verborgen. Gleiches gilt für das Urteil. K. erfährt es nicht, aber er empfindet selbst, dass seine Zeit abgelaufen ist. Josef K. fügt sich einem nicht greifbaren, mysteriösen Urteilsspruch ohne jemals zu erfahren, weshalb er angeklagt war und ob es tatsächlich dazu das Urteil eines Gerichtes gibt. Am Vorabend seines 31. Geburtstages wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch „wie ein Hund“ erstochen.<br />
<br />
=== Nach Kapiteln ===<br />
Entsprechend der Reclam Ausgabe.<br />
<br />
==== Verhaftung ====<br />
<br />
Als Josef K. am Morgen seines 30. Geburtstags in seinem Zimmer aufwacht, bringt ihm die Köchin seiner Zimmervermieterin nicht, wie üblich, sein Frühstück. K. wird stattdessen von zwei Männern überrascht und festgehalten. Die beiden wenig auskunftsfreudigen Zeitgenossen teilen ihm mit, dass er von nun an verhaftet sei. Die beiden Männer (Franz und Willem, „Wächter“ genannt) geben an, von einer Behörde zu kommen. Sie behaupten, sie könnten und dürften ihm nicht sagen, warum er verhaftet sei. <br />
<br />
K. nimmt zunächst einen üblen Scherz seiner Kollegen an. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Nähere Erklärung oder Verständnis erhofft er sich vom Aufseher, als einem gebildeten Mann. Aber der weist K. brüsk zurück und verweist ihn auf die Rolle des Verhafteten.<br />
Der Aufseher gibt K. aber zu verstehen, dass diese Verhaftung seine gewöhnliche Lebensweise und seine Berufsausübung nicht beeinträchtige. So ist K. zunächst sehr wütend über den Aufseher aber das Verhaftetsein erscheint ihm als nicht weiter "''schlimm"''. Schauplatz dieser Unterredung mit dem Aufseher war nicht K.s Zimmer sondern das Zimmer der abwesenden jungen Nachbarin, Fräulein Bürstner.<br />
<br />
Ebenfalls hier zugegen sind 3 untergeordnete Mitarbeiter aus der Bank, in der K. arbeitet. Sie stöbern zunächst im Zimmer herum und begleiten K. schließlich in die Bank.<br />
<br />
==== Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner ====<br />
<br />
Josef K. geht nach der Arbeit wieder zurück in seine Pension, um sich bei seiner Vermieterin Frau Grubach und bei der Nachbarin Fräulein Bürstner für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen (die drei Mitarbeiter hatten Bilder durcheinandergebracht), die durch seine Verhaftung entstanden sind. Fräulein Bürstner kommt erst sehr spät abends nach Hause. K. lauert ihr auf und überrascht sie im Flur. <br />
<br />
In ihrem Zimmer unterrichtet er sie dann über die Vorfälle. Zur Demonstration spielt K. das Geschehen des Vormittags nach und ruft dabei laut und theatralisch seinen Namen. Dadurch erwacht ein im Nebenzimmer schlafender Verwandter der Frau Grubach, ein Hauptmann, und klopft an eine Tür. Josef K. und das Fräulein erschrecken entsprechend.<br />
<br />
Das Fräulein bittet mehrfach um Beendigung des Gespräches, da sie sehr müde von einem langen Arbeitstag ist. K. verabschiedet sich von ihr. Doch plötzlich küsst er Fräulein Bürstner unerwartet, zudringlich und gierig auf den Hals, über Gesicht und Mund.<br />
<br />
==== Erste Untersuchung ====<br />
<br />
Für den Sonntag nach seiner Verhaftung wird Josef K. telefonisch zu einer Untersuchung vorgeladen aber ohne Nennung des Zeitpunktes. Man teilt ihm dabei auch noch näheres über die künftig zu erwartenden Untersuchungen mit. Wer sich genau an ihn wendet, fragt K. nicht nach. <br />
<br />
So begibt er sich am Sonntagmorgen zu der Adresse, wo die Untersuchung stattfinden soll, einem alten Mietshaus in einem heruntergekommenen Viertel. Dort angekommen, muß K. den Gerichtssaal langwierig suchen. Er erweist sich als kleines Zimmer in der Wohnung eines Gerichtsdieners. Viele ähnlich gekleidete Personen haben sich bereits versammelt, Josef K. kommt zu spät. Der Untersuchungsrichter begrüßt K. fälschlicherweise als "Zimmermaler". Seine einzige Gerichtsunterlage ist ein kleines zerfleddertes Heftchen, das ihm K. später kurz entringt. K. versucht nun die anwesenden Beamten des Gerichts mit einer Rede über die Absurdität des Gerichtes, die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung und über die Bestechlichkeit der Wächter für sich zu gewinnen Allerdings verliert er sich dabei auch in langatmigen Schilderungen. So gleitet die Aufmerksamkeit des Publikums ab und wendet sich einem in einer Ecke lüstern kreischenden Pärchen zu.<br />
<br />
Die Zuschauermenge ist scheinbar in zwei unterschiedliche Parteien (die linken und die rechten) geteilt. K. entdeckt während seiner Rede zunächst, dass der Richter dem Publikum ein Zeichen gibt. Dann registriert er, dass beide Parteien, ebenso wie der Untersuchungsrichter, alle ausnahmslos das gleiche Abzeichen am Rockkragen tragen. Er ist erregt, sieht sich umstellt, wird selbst rabiat und sieht das Gericht als korrupte Bande.<br />
Der Untersuchungsrichter, weist ihn abschließend darauf hin, dass er sich eines Vorteils beraubt hätte, den ein Verhör für den Verhafteten bedeutet. K. bezeichnet alle als Lumpen und gibt zu verstehen, dass er auf weitere Verhöre verzichtet.<br />
<br />
==== Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien ====<br />
<br />
Josef K. geht unaufgefordert am darauf folgenden Sonntag erneut in das Gebäude, da er annimmt, dass die Verhandlung fortgesetzt werden würde. In der Wohnung, zu der der Gerichtssaal gehört, trifft er die Frau des dort wohnenden Gerichtsdieners. Diese flirtet mit K. und bietet ihm an, sich für ihn einzusetzen. Seine Rede habe ihr gefallen; sie hoffe, dass er Verbesserungen im Gerichtssystem einbringen könnte. Nach anfänglichem Sträuben zeigt sie ihm auch die Bücher des Untersuchungsrichters; es erweist sich, dass diese voller pornografischer Zeichnungen sind.<br />
Die Frau hat offensichtlich ein Verhältnis mit dem Untersuchngsrichter, dessen Arbeitseifer sie lobt, weil er nach den Verhandlungen bis weit in die Nacht noch lange Berichte anfertigt. Außerdem ist da der Jurastudent Berthold, der sie heftig begehrt. Schließlich erscheint dieser Student. Er erfasst die Frau und trägt sie gegen K.s Widerstand fort zum Untersuchungsrichter. Die Frau, die zunächst K. geneigt war und sogar mit ihm fliehen wollte, lässt es willig geschehen.<br />
<br />
Kurz darauf taucht der Mann der besagten Frau, der Gerichtsdiener, auf, beklagt sich bitter über die Untreue seiner Frau und lädt Josef K. auf eine Führung durch die Kanzleien ein. Diese sind anscheinend immer auf den Dachböden verschiedener Mietshäuser gelegen. Josef K. ist erstaunt über die ärmlichen Verhältnisse in den Kanzleien. Auf langen Holzbänken sitzen einige sichtlich gedemütigte Angeklagte, die darauf warten, von den Beamten in den Abteilungen empfangen zu werden. Ein sehr verunsicherter Angeklagter, den K. anspricht, wartet darauf, dass seinen Beweisanträgen stattgegeben wird. Josef K. hält so etwas in seinem Fall für unnötig.<br />
<br />
Plötzlich wird K. schlecht, und er verliert all seine Kraft, was mit der schlechten Luft in der Kanzlei begründet wird. Er bricht zusammen und wird anschließend von einem Mädchen und einem elegant gekleideten Mann (der Auskunftgeber) aus der Kanzlei gebracht. Nach dem Verlassen der Kanzlei ist K.s körperliches Wohlbefinden urplötzlich wiederhergestellt.<br />
<br />
==== Der Prügler ====<br />
<br />
Josef K. wird in einer Rumpelkammer seiner Bank Zeuge davon, wie die beiden Wächter, die ihn verhaftet hatten und denen er in seiner Rede in dem Gerichtssaal unter anderem Korruption vorgeworfen hat, ausgepeitscht werden. Da er sich für die Leiden der beiden schuldig fühlt, versucht K. den Prügler, einen halb nackten und in Leder gekleideten Mann, zu bestechen. Der schlägt das Angebot jedoch aus. Die beiden Wächter jammern kläglich; als einer von beiden unter den Schlägen aufschreit, entzieht sich K. der Situation. Vor sich selbst rechtfertigt er seine Flucht, indem er Befürchtungen äußert, die Bankbeamten könnten durch den Schrei des Wächters Franz aufmerksam geworden sein und ihn in der Rumpelkammer überraschen.<br />
<br />
Als Josef K. am nächsten Tag abermals die Tür zur Rumpelkammer öffnet, in der die Bestrafung vollzogen wurde, findet er genau die gleiche Szene vor, als wäre in der Kammer die Zeit stehen geblieben. Er entzieht sich abermals der Verantwortung und gibt zwei Bankdienern Anweisung, die Kammer zu entrümpeln.<br />
<br />
==== Der Onkel / Leni ====<br />
<br />
Josef K.s Onkel und ehemaliger Vormund Karl/Albert vom Lande besucht K. in der Bank. Er hatte von seiner halbwüchsigen Tochter Erna, einer Pensionatsschülerin, brieflich erfahren, dass K. angeklagt wurde. Der Onkel ist sehr aufgeregt wegen des Prozesses und geht mit K. zu dem Anwalt (und seinen Freund) Huld, der gute Beziehungen zu einigen Richtern hat. <br />
<br />
Bei dem ersten Besuch bei Huld liegt dieser krank zu Bett, ist aber bereit, K.s Sache, von der er im Übrigen bereits durch seine einschlägigen beruflichen Kontakte gehört hatte, zu vertreten. Ebenfalls bei Huld anwesend ist der Kanzleidirektor (offensichtlich der Direktor der ominösen Gerichtskanzleien) sowie das Hausmädchen des Herrn Huld, die junge Leni. K. ist gedanklich abwesend. Die Überlegungen der drei älteren Herren zu seiner Sache scheinen ihn kaum zu berühren. <br />
<br />
Leni lockt K. aus dem Besprechungszimmer und nähert sich ihm unvermittelt und erotisch fordernd.<br />
Am Ende des Besuchs, wieder in Gesellschaft seines Onkels, macht der K. arge Vorwürfe, dass er eine so wichtige Besprechung wegen "'' eines kleinen, schmutzigen Dinges''" versäumt hätte.<br />
<br />
==== Advokat / Fabrikant / Maler ====<br />
<br />
Josef K., den der „Gedanke an den Prozess nicht mehr verließ“, fasst den Entschluss, selbst eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten, da er zunehmend unzufrieden ist mit der Arbeit und den quälend langwierigen Schilderungen des Advokaten Huld in seiner Sache. Diese Schilderungen beherrschen auch die Vorbereitungen der beiden auf die nächste Anhörung. <br />
<br />
Danach in seinem Büro in der Bank empfängt Josef K. einen Fabrikanten, der von seinem Prozess weiß und K. an den Gerichtsmaler Titorelli verweist, der ihn vielleicht befreien könnte. Dieser verfüge über Informationen und Einfluss auf Richter und Beamte.<br />
<br />
Daraufhin begibt sich K. zum besagten Maler Titorelli, den er in einem kleinen Zimmer (seinem vom Gericht umsonst zur Verfügung gestellten Atelier) auf einem Dachboden eines Hauses in einem weiteren heruntergekommenen Stadtviertel vorfindet. Dieser erklärt ihm, dass es drei Möglichkeiten gäbe, dem Gericht zu entkommen. K. habe aber keine reale Chance auf einen "echten/wirklichen Freispruch", selbst falls er tatsächlich unschuldig sei. So etwas sei noch nie vorgekommen (nur in Legenden). Dann gäbe es aber noch die "scheinbare Freisprechung" und die "Verschleppung". Für die scheinbare Freisprechung muss man eine Mehrheit der Richter von der Unschuld des Angeklagten überzeugen und deren bestätigende Unterschriften dem Gericht einreichen. So kann ein Angeklagter zeitweilig freigesprochen werden. Nach einer unbestimmten Zeit aber kann es sein, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird und man erneut einen scheinbaren Freispruch erreichen muss, denn die untersten Richter können nicht endgültig freisprechen sondern nur das "oberste Gericht", welches aber vollständig unerreichbar sei. Bei der "Verschleppung" soll der Prozess dauernd im niedrigsten Stadium erhalten werden. Dazu müssten dauernd Richter beeinflusst werden und der Prozess genau beobachtet werden. Der Maler verspricht mit einigen Richtern zu reden, um diese so für Josef K. zu gewinnen, K. kann sich aber nicht für eine Befreiungsart entscheiden, er müsse noch überlegen. Als Gegenleistung kauft Josef K. einige Bilder des Malers und verschwindet durch eine Hintertür, die in eine weitere Kanzlei in einem Dachboden führt, aus dem Haus.<br />
<br />
==== Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten ====<br />
<br />
K. begibt sich erneut und nach monatelanger Vernachlässigung desselben zu seinem Anwalt Huld, um ihn zu kündigen, da er keinen spürbaren Fortschritt in seinem Prozess sieht. Er äußert, dass er niemals so große Sorge wegen des Prozesses gehabt hätte, wie seit der Zeit, als Huld ihn vertreten hätte (allerdings fürchtet er auch, noch mehr durch den Prozess eingenommen zu werden, wenn er alles selbst tun muss). Beim Anwalt trifft er auf einen anderen Klienten, Kaufmann Block, gegen den ebenfalls ein Prozess geführt wird, der aber schon länger als 5½ Jahre andauert. Er hatte heimlich noch 5 weitere Anwälte (Winkeladvokaten) angeheuert.<br />
<br />
Der Advokat Huld versucht K. zum Umdenken zu bewegen. Er erniedrigt den anderen Klienten Block in widerlicher Weise, um zu beweisen, wie abhängig seine Klienten von ihm - bzw. von seinen Kontakten und der Möglichkeit der Beeinflussung von Richtern und Beamten - seien. Das Kapitel schliesst unvollendet mitten im Gespräch des Advokaten und seiner Angestellten Leni mit Block.<br />
<br />
==== Im Dom ====<br />
<br />
Von seinem Vorgesetzten bekommt Josef K. den Auftrag, einem italienischen Kunden der Bank die Stadt zu zeigen. Kurz bevor er sich auf den Weg macht, erhält er einen Anruf von Leni. Sie sagt:"''Sie hetzen dich"''. Er empfindet es auch so. Josef K. verläßt dann die Bank; er soll sich mit dem Kunden vor dem Dom der Stadt treffen, aber dieser kommt nicht. K. betritt allein den Dom. Es gibt Irritationen, ob K. rechtzeitig gekommen war oder nicht<br />
und welche Uhrzeit, 10 oder 11 Uhr tatsächlich gilt <ref> K. ist, ohne dass es weiter beschrieben würde, nach dem Läuten der Kirchturmuhr zu schließen, eine Stunde zu spät, aber der Erzähler behauptet, er sei pünktlich (Reclam, S. 188, Z. 13–15). Später ist, nach K.s Uhr, noch immer dieselbe Uhrzeit (11:00 Uhr) und die Rede davon, dass er längst nicht mehr verpflichtet sei zu warten (S. 192). Nach der Ausgabe von Schöningh, ''Einfach Deutsch „Der Prozess“'' ist K. allerdings pünktlich. „…,etwa um zehn Uhr, sich im Dom einzufinden“ (S. 198, Z. 10). „K. war pünktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier.“ (S. 200, Z. 14f) </ref>.<br />
In der Original-Handschrift schreibt Kafka: „gerade bei seinem Eintritt hatte es 11 geschlagen.“<ref>http://www.kafka.org/picture/roland/9.jpg Original Handschrift Kafkas der Dom-Szene, beim Zuspätkommen</ref>)<br />
<br />
Er begegnet einem Priester, der sich als Gefängnis[[kaplan]] vorstellt und der um K.s Prozess weiß. Der Priester erzählt K. die Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' (die als einziger Teil des Romans von Kafka selbst veröffentlicht wurde) <ref> Es gibt ein weiteres Prosastück aus dem Umfeld des Prozess-Romans, nämlich ''[[Ein Traum]]'', das im ''Landarztband'' veröffentlicht wurde, in dem ein Josef K. auftaucht. dieses Prosastück wurde allerdings nicht in den Roman aufgenommen(Alt.S.625) </ref>. und diskutiert schließlich mit K. über deren Auslegungen, um ihm seine eigene Situation vor Augen zu führen. K. jedoch erkennt keine Parallelen zu seiner Situation, vor allem sieht er in den Auslegungen keinerlei Hilfe und Sinn. Nähere Ausführungen hierzu siehe ''[[Vor dem Gesetz]]''.<br />
<br />
==== Ende ====<br />
<br />
Josef K. wird am Vorabend seines 31. Geburtstages aus seiner Wohnung von zwei Beamten abgeführt, die ihn in ihrer Kleidung und Gestik an alte Schauspieler erinnern. K. überlegt kurz, Widerstand zu leisten, lässt sich dann aber nicht nur mitnehmen, sondern geht sogar anscheinend freiwillig voraus. Auch überlegt er, selbst sein Leben zu beenden. Er wird zu einem Steinbruch gebracht und mit einem Fleischermesser erstochen. Die beiden Beamten sehen zu, wie K. „wie ein Hund“ stirbt.<br />
<br />
=== Fragmentarische Kapitel===<br />
<br />
'''-B´s Freundin''' <br />
K. schreibt zwei Briefe an Fräulein Bürstner. Eine Freundin der Bürstner, die auch in der Pension wohnt, siedelt über zu ihr, so dass die Frauen dann gemeinsam das Zimmer bewohnen werden. Die Freundin gibt K. zu verstehen, dass das Fräulein keinen Kontakt zu K. wünscht.<br />
<br />
'''-Staatsanwalt''' <br />
K. ist regelmäßig Teilnehmer an einem Stammtisch mit verschiedenen Juristen. Staatsanwalt Hasterer ist sein Freund, der ihn auch öfter zu sich einlädt. Auch der Direktor von K.s Bank registriert diese Freundschaft.<br />
<br />
'''-Zu Elsa'''<br />
K. beabsichtigt zu Elsa zu gehen. Er erhält aber gleichzeitig eine Vorladung vom Gericht. Man warnt ihn vor den Folgen, falls er der Vorladung nicht Folge leistet. K. schlägt die Warnung in den Wind und geht zu Elsa.<br />
<br />
'''-Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter'''<br />
K. ist in der Bank. Zum Direktor-Stellvertreter hat er ein gespanntes Verhältnis. Dieser kommt in K.s Büro. K. versucht, ihm einen Bericht vorzutragen. Der Vorgesetzte hört kaum zu sondern hantiert ständig an einer zum Raum gehörigen Balustrade, die er schließlich leicht beschädigt.<br />
<br />
'''-Das Haus'''<br />
Zunächst geht es um das Haus, in dem das Amt seinen Sitz hat, von dem die Anzeige gegen K. ausgeht. Dann tauchen K.s ziellose Tagträume und seine Müdigkeit auf.<br />
<br />
'''-Fahrt zur Mutter'''<br />
Nach längerem Überlegen macht sich K. von seiner Bank aus auf den Weg zu seiner halb blinden alten Mutter, die er schon drei Jahre nicht gesehen hat. Sein Mitarbeiter Kullych verfolgt K. noch beim Weggehen mit einen Brief, den K. zerreißt.<br />
== Form und Sprache ==<br />
Der Erzähler bewahrt in typisch Kafkascher Manier auch in brutalen Situationen seine sachlich ruhige und distanzierte Sprache.<br />
<br />
Der Roman wird in der dritten Person erzählt; dennoch erfahren wir nur wenig, was über den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont des Protagonisten hinausreicht ([[personales Erzählen]]). Dies gilt aber z.B. nicht für den Eingangssatz, der Tatsache und Bewertung der stattgefundenen Verhaftung benennt, also von höherer Warte spricht. K. selbst erlebt erst danach die Abfolge seiner Verhaftung.<br />
<br />
Über Joseph K.s Gedanken und Gefühle bekommen wir Einblick ([[Innensicht]]); zugleich erkennen wir aber schnell, dass K.s Deutung und Bewertung von Situationen und Personen sich häufig als falsch erweisen, also unzuverlässig sind. Daher können wir uns des Wahrheitsgehalts des Erzählten nie ganz sicher sein - was natürlich vor allem die rätselhafte Welt des Gerichts betrifft. <br />
<br />
Auffällig ist die Verdoppelung von Ereignissen. Zwei verschiedene Frauen aus dem Umfeld des Gerichts greifen erotisch fordernd auf ihn zu. Zweimal wird es K. übel von der Luft in den Gerichtsräumen. Zweimal wird das Wort "Gurgel" erwähnt mit seiner starken körperlichen Assoziation, zunächst bei K.s Überfall auf Fräulein Bürstner, dann bei K.s Hinrichtung. Zweimal gibt es Irritationen mit der Uhrzeit, bei der ersten Untersuchung und beim Besuch im Dom. Zwei Wächter melden die Verhaftung zu Beginn und zwei Henker vollziehen ein tödliches Urteil am Ende.<br />
<br />
Aussagen über den Aufbau des Romans sind einem eigenen Abschnitt vorenthalten, da dieser Punkt umstritten ist und intensivst diskutiert wird.<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
<br />
Eine eindeutige Interpretation des ''Process'' ist schwierig. Eine Möglichkeit ist es, sich folgender unterschiedlicher Interpretationsansätze zu bedienen, die sich in fünf Hauptrichtungen kategorisieren lassen <ref> Beispiele hierzu siehe z.B. bei Krieschel S.108-110 </ref>:<br />
<br />
* [[Biographie|biographisch]]: siehe [[Der Process#Entstehungsgeschichte|Entstehungsgeschichte]] <br />
* [[Geschichtlich#Erster Weltkrieg|historisch-kritisch]]: vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und sozialen Spannungen in [[Österreich-Ungarn]] und dem Beginn des [[Erster Weltkrieg#.C3.96sterreich-Ungarn|Ersten Weltkrieges]]<br />
* [[Religion|religiös]]: vor allem in Bezug auf Kafkas [[jüdisch]]e Herkunft<br />
* [[psychoanalytisch]]: der ''Process'' wird als Darstellung und Bewusstwerdung eines inneren Prozesses gesehen<br />
* [[politisch]] und [[soziologisch]]: als Kritik an einer verselbstständigten und unmenschlichen [[Bürokratie]] und am Fehlen bürgerlicher [[Freiheitsrechte]]<br />
<br />
Bei der Einordnung in die v.g. Interpretationsansätze ist jedoch folgendes zu beachten:<br />
Ähnlich wie beim Roman ''[[Das Schloss]]'' sind dabei vielfältige Studien entstanden, die wertvolle Einsichten bieten. Sie leiden aber daran, dass die Autoren bestrebt sind, ihre Einsichten in einen interpretatorischen Rahmen zu zwingen, der letztendlich außerhalb des Romantextes liegt <ref>M.Müller /von Jagow S.528 </ref>.<br />
Zunehmend forderten spätere Interpreten wie [[Martin Walser]] die Rückbesinnung auf die [[textimmanente]] Sicht <ref> Krieschel S. 111 </ref>. Die aktuellen Arbeiten von [[Peter-André Alt]] oder Oliver Jahrhaus/Bettina von Jagow gehen in entsprechende Richtung.<br />
<br />
=== Im Zusammenhang des Kafka'schen Schaffens ===<br />
Der Roman verarbeitet den Mythos von Schuld und Gericht, dessen traditionelle Wurzeln in der [[chassidisch]]en Überlieferung liegen. Das [[Ostjudentum]] kennt zahlreiche Geschichten von Klägern und Beklagten, von himmlischen Gericht und Strafe, undurchsichtigen Behörden und unverständlichen Anklagen. Dies sind Motive, wie sie in polnischen Sagen auftauchen und bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen <ref> Peter-André Alt S. 389 </ref> .<br />
<br />
Zunächst sind viele Parallelen zu Kafkas anderen großen Roman ''[[Das Schloss]]'' zu erkennen. Die beiden Protagonisten irren durch ein Labyrinth, das dazu da ist, sie scheitern zu lassen oder auch überhaupt keinen Bezug zu ihnen zu haben scheint <ref> Louis Begley S. 297 </ref>. Kranke bettlägerige Männer erklären langatmig das System. Erotisch befrachtete Frauengestalten wenden sich fordernd dem Protagonisten zu. <br />
<br />
In engem Zusammenhang mit dem ''Process ''ist die Erzählung ''[[In der Strafkolonie]]'' zu sehen, die zeitlich parallel zum Roman im Oktober 1914 innerhalb weniger Tage entstand. Auch hier kennt der [[Delinquent]] nicht das Gebot, das er übertreten hat. Eine einzige Person - ein Offizier mit einer schauerlichen Maschine - scheint Ankläger, Richter und Vollstrecker in einem zu sein. Genau das ist aber auch die beängstigende Ahnung des Josef K., dass ein einziger Henker genüge, das gesamte Gericht willkürlich zu ersetzen<br />
<ref> Cerstin Urban S. 43.</ref>.<br />
<br />
Drei Jahre später schreibt Kafka die Parabel ''[[Der Schlag ans Hoftor]]''. Sie mutet an wie eine Kurzfassung des ''Process-Romans''. Aus nichtigem oder gar keinem Anlass wird eine Klage erhoben, die in eine unheilvolle Verstrickung und unentrinnbar in eine Strafe mündet. Das Verhängnis überfällt den Erzähler beiläufig mitten im Alltag. Ein Vorgefühl von Strafe oder ein Strafverlangen und ein tragischer oder absurder Untergang werden dabei signalisiert <ref> Ralf Sudau S.101 f.</ref>.<br />
<br />
=== Einzelne Aspekte ===<br />
====Kurze Textanalyse ====<br />
Das Gericht steht Josef K. als eine unbekannte, [[anonym]]e Macht gegenüber. Kennzeichnend für dieses Gericht, das sich von ''„dem Gericht im Justizpalast“'' unterscheidet, sind weit verzweigte, undurchdringbare Hierarchien. Es scheint unendlich viele Instanzen zu geben, von denen K. nur Kontakt mit den allerniedrigsten hat. Darum ist das Gericht für K. unfassbar, und er kann dessen Wesen trotz all seiner Bemühungen nicht ergründen. Die Aussage des Geistlichen im Dom<br />
''„das Gericht will nichts von Dir. Es nimmt Dich auf, wenn du kommst, und es entläßt Dich, wenn Du gehst.“'' hilft hier nicht. Könnte K. sich somit einfach dem Gericht entziehen? Seine Realität sieht anders aus. Das Gericht bleibt K. rätselhaft und nicht eindeutig erklärbar. <br />
<br />
Josef K. wird mit einer abweisenden, vertröstenden Welt konfrontiert. Wie in Kafkas Parabel ''[[Vor dem Gesetz]]'' der Mann vom Lande die Hilfe von Flöhen erbittet, sucht Josef K. die Hilfe von Frauen, einem Maler und Rechtsanwälten, die ihren Einfluss nur vortäuschen und ihn vertrösten. Die von K. um Hilfe gebetenen Menschen handeln wie der Türhüter in der schon erwähnten Parabel, denn der Türhüter akzeptiert die Geschenke des Mannes vom Lande, aber nur, um ihn zu vertrösten und ihn in der Illusion zu lassen, dass seine Taten ihm förderlich seien.<br />
<br />
==== Deutungsvielfalt ====<br />
Die Vielzahl der Deutungen kann ähnlich wie im Fall von ''[[Das Schloss]]'' aufgrund der Fülle nicht abschließend sondern nur punktuell berücksichtigt werden.<br />
Der Roman kann zunächst autobiografisch gesehen werden. Siehe Eingangsabschnitt Entstehungsgeschichte. Man bedenke die Ähnlichkeit der Initialen von Fräulein Bürstner und [[Felice Bauer]]. Die intensive Beschreibung des Gerichtswesens weist offensichtlich auf Kafkas Arbeitswelt als Versicherungsjurist hin. Diese Interpretation sieht [[Elias Canetti]] <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Canetti: "Der andere Prozess" S.458</ref>. <br />
<br />
Die gegenteilige Auffassung, nämlich, dass ''Der Prozess'' kein privates Schicksal darstellt sondern weitreichende politisch-visionäre Aspekte beinhaltet, nämlich die vorweggenommene Sicht auf den Nazi-Terror, legt [[Adorno]] dar <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel Hinweis auf Adorno: "Aufzeichnungen zu Kafka" S.459 </ref>.<br />
<br />
==== Einige Teilaspekte von Interpretationen ==== <br />
Im Laufe des Romans zeigt sich, dass K. und das Gericht sich nicht als zwei Wesenheiten gegenüberstehen, sondern dass die inneren Verflechtungen zwischen K. und der Gerichtswelt zunehmend stärker werden. Zum Ende des Prozesses "begreift Josef K. dass alles, was geschieht seinem Ich entspringt" <ref> Alt . S. 417</ref>, das alles das Ergebnis von Schuldgefühlen und Straffantasien ist.<br />
<br />
Wichtig ist auch die traumhafte Komponente der Geschehnisse. Wie im Traum vermischen sich Inneres und Äußeres <ref> von Jagow/ Jahrhaus/Hiebel S.462</ref>. Da ist der Übergang von der fantastisch-realistischen zur [[allegorisch]]-psychologischen Ebene. Auch K.s Arbeitswelt wird zunehmend von der phantastischen, traumhaften Welt untergraben (Ein Arbeitsauftrag führt zum Treffen mit dem Geistlichen).<br />
<br />
'''Die sexuellen Bezüge der Handlung'''<br />
<br />
Die Schuldgefühle des Protagonisten dürften zum Großteil ihren Grund in der Sicht auf die Sexualität haben, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte und wie sie sich in den Arbeiten von [[Sigmund Freud]] wiederspiegeln. "Die Sexualität verbindet sich auf bemerkenswerte Weise mit K.s Prozess" <ref> Alt S. 401f. </ref>. Die Frauen sind [[sirene]]nhaft, die Vertreter des Gerichts voller lüsterner Gier. Aber genauso ist auch K. voller unbeherrschter Gier Fräulein Bürstner gegenüber und er erliegt ohne Gegenwehr den angebotenen Verlockungen.<br />
<br />
Des weitereren können auch homoerotischen Elemente im Text erkannt werden <ref> Krischel S. 113 </ref>. Da ist die fast liebvolle, ironische Sicht K.s auf seinen Direktor. Mehrfach wird die elegante oder enganliegende Kleidung speziell von Männern erwähnt. Es tritt ein halbnackter Prügler auf, der an eine [[Sadomaso]]-Gestalt erinnert und er prügelt die nackten Wächter.<br />
<br />
'''Der Process als humoristische Geschichte'''<br />
<br />
Die Freunde Kafkas erzählten, dass er beim Vorlesen aus seinem Werk vielfach laut herauslachen musste.<ref>Max Brods Biographie ''Franz Kafka. Eine Biographie'' (Neuausgabe 1974 mit dem Titel: ''Über Franz Kafka'')</ref> Deshalb liegt es nahe, im ''Process'' – mag sein Kern so ernst und düster sein wie nur möglich – auch eine [[Humor|humoristische]] Seite zu suchen. <br />
<br />
"Denn furchtbar ist das Ganze, aber komisch sind die Details" <ref> Rainer Stach/Entscheidungen S. 554</ref>. Die Richter studieren Pornohefte statt Gesetzesbücher, sie lassen sich Frauen herbeitragen wie eine prächtige Speise auf einem Tablett. Die Henker sehen aus wie alternde Tenöre. Ein Gerichtsraum hat ein Loch im Boden, so dass ab und zu das Bein eines Verteidigers in den darunter liegenden Raum ragt<br />
<br />
== Philologische Forschung/Diskussion ==<br />
=== Anordnung der Romankapitel ===<br />
<br />
Die Anordnung der Romankapitel wird seit der Erstveröffentlichung diskutiert und immer wieder in Frage gestellt. Kafka, der zwischen August 1914 und Januar 1915 am ''Process'' arbeitete, hat sein Werk zu Lebzeiten nicht abgeschlossen und somit auch nicht zur Veröffentlichung vorbereitet. In einer an seinen Freund [[Max Brod]] gerichteten Verfügung fordert er diesen sogar auf, nach seinem Tod seine Schriften zu vernichten (→ [[Franz Kafka#Rezeption|Kafkas Verfügung]]).<br />
<br />
Der einzige Textbeleg ist die von Kafka niedergelegte Handschrift, in der sich zahlreiche Korrekturen Kafkas finden. Nach Abbruch der Arbeiten an dem Werk, aus dem er nur die Erzählung ''Vor dem Gesetz'' veröffentlichte, löste er vermutlich die Hefte auf, in die er den Text geschrieben hatte. Dadurch wurde der Gesamttext in 16 Abschnitte zerteilt, teilweise zerstückelt in Einzelkapitel, teilweise in Kapitelfolgen oder auch nur Fragmente von Kapiteln.<br />
Zwischen diese Abschnitte legte er jeweils einzelne Blätter, auf denen er den Inhalt der dahinter liegenden Blattfolge vermerkte. Diese sechzehn derart abgetrennten Bündel werden meist als „[[Schriftstück|Konvolute]]“ bezeichnet. Die Bezeichnung „[[Gliederung|Kapitel]]“ dagegen impliziert eine vom Autor bewusst festgelegte Text- und Sinneinheit innerhalb eines Werkes, daher gibt dieser Begriff den Sachverhalt nicht richtig wieder.<br />
<br />
Aufgrund des [[Fragment (Literatur)|fragmentarischen]] Charakters des Textes wurden verschiedene Editionen herausgegeben, die zum Teil große Unterschiede aufweisen. Die Kritische Ausgabe und die von Brod herausgegebene Edition weisen dem Fragment den Charakter eines abgeschlossenen Werkes zu, indem sie eine Reihenfolge der Manuskriptseiten festlegen.<br />
<br />
[[Max Brod]] hatte für die Erstausgabe des Werks die Konvolute in Kapitel geordnet. Als Grundlage dienten ihm die vermachten Originale, welche sich in drei Umschlägen mit einem [[Kryptographie|kryptischen]] System verschlüsselt aufbewahrt befanden, das nur von seinem Urheber entschlüsselt werden konnte und das Brod auf seine eigene Art und Weise interpretierte.<br />
<br />
Die Anordnung der Kapitel in ''Der Process'' steht somit auch immer unter der Gefahr einer ideologischen Vereinnahmung des Schriftstellers Kafka, und somit ist jede Anordnung für eine Textausgabe des Werks bereits Interpretation.<br />
<br />
==== Guillermo Sánchez Trujillo ====<br />
Guillermo Sánchez Trujillo stellt in ''Crimen y castigo de Franz Kafka, anatomía de El Proceso'' („Franz Kafkas Schuld und Sühne, Anatomie von Der Process“) die Hypothese auf, dass, ausgehend von einer Feststellung von Ähnlichkeiten zwischen Kafkas Process und [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewskis]] ''[[Schuld und Sühne]]'', Kafka den Roman des russischen Schriftstellers [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski]] und andere seiner Erzählungen in der Art eines [[Palimpsest]]s benutzt hatte, um ''Der Process'' und andere seiner Erzählungswerke zu schreiben. Er behauptet, die Anordnung der Kapitel lasse sich aufgrund der Ähnlichkeiten auch an Dostojewskis Roman objektiv feststellen. Die [[Autonome Lateinamerikanische Universität]] (UNAULA) in Medellín (Kolumbien) veröffentlichte im Jahre 2005 eine kritische Ausgabe des Romans mit dieser neuen Anordnung. So kommt Trujillo zu folgender Anordnung.<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# B.s Freundin<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Zu Elsa<br />
# Staatsanwalt<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advocat/Fabrikant/Maler<br />
# Im Dom<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advocaten<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Ein Traum<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
# Ende<br />
<br />
==== Gliederung nach Reclam (2006) ====<br />
=====Inhalt=====<br />
<br />
# Verhaftung<br />
# Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal / Der Student / Die Kanzleien<br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel / Leni<br />
# Advokat / Fabrikant / Maler<br />
# Kaufmann Block / Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Fragmente=====<br />
<br />
# B.’s Freundin<br />
# Staatsanwalt<br />
# Zu Elsa<br />
# Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter<br />
# Das Haus<br />
# Fahrt zur Mutter<br />
<br />
==== Gliederung nach Suhrkamp (2000) ====<br />
=====Der Prozeß=====<br />
<br />
# Verhaftung · Gespräch mit Frau Grubach · Dann Fräulein Bürstner<br />
# Erste Untersuchung<br />
# Im leeren Sitzungssaal · Der Student · Die Kanzleien<br />
# Die Freundin des Fräulein Bürstner <br />
# Der Prügler<br />
# Der Onkel · Leni<br />
# Advokat · Fabrikant · Maler<br />
# Kaufmann Block · Kündigung des Advokaten<br />
# Im Dom<br />
# Ende<br />
<br />
=====Anhang=====<br />
<br />
======Die unvollendeten Kapitel======<br />
* Zu Elsa<br />
* Fahrt zur Mutter (Ende gestrichen)<br />
* Staatsanwalt (Als direkter Anhang an Kap. 7)<br />
* Das Haus (Ende gestrichen)<br />
* Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter (Großteil gestrichen)<br />
* Ein Fragment ("Als sie aus dem Theater traten...")<br />
<br />
== Editionen ==<br />
=== Ausgabe von Brod ===<br />
<br />
Die erste Ausgabe trägt den Titel ''Der Prozess'' (so auf dem Titelblatt) und erschien 1925 im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Werk wurde von Kafkas Freund [[Max Brod|Max Brod]] herausgegeben. Brod sah die Konvolute als abgeschlossene Texteinheiten an und stufte sie daher als Kapitel ein. Außerdem legte er eine Reihenfolge der Kapitel fest. Dabei berief Brod sich auf seine Erinnerung, denn Kafka hatte ihm Teile des Werkes vorgelesen. <br />
<br />
In den Jahren 1935 und 1946 gab Brod erweiterte Ausgaben heraus. Zusätzlich enthalten sie im Anhang <br />
Teile des Werks, die Brod unvollendet erschienen, als so genannte ''unvollendete Kapitel''. Außerdem enthält der Anhang von Kafka gestrichene Stellen.<br />
<br />
Die Ausgaben nach 1945 wurden mit der veränderten Schreibung ''Der Prozeß'' herausgegeben.<br />
<br />
=== Kritische Kafka-Ausgabe ===<br />
Eine leicht modifizierte Kapitelreihenfolge bietet die Edition mit dem Titel ''Der Proceß'',<!--sic--> die im Rahmen der [[Kritische Ausgabe|Kritischen]] Kafka-Ausgabe (''KKA'') der Werke 1990 erschienen ist. Diese Ausgabe wurde von J. Born und anderen herausgegeben und erschien beim Fischer Verlag.<br />
<br />
=== Historisch-kritische Ausgabe ===<br />
Als Beginn der [[Historisch-kritische Ausgabe|Historisch-kritischen]] Franz-Kafka-Ausgabe (''FKA'') durch [[Roland Reuß]] in Zusammenarbeit mit [[Peter Staengle]] ist die dritte wichtige Edition mit dem Titel ''Der Process'' erschienen. Die 1997 vorgelegte Ausgabe beruht auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Handschrift ''nicht'' um ein abgeschlossenes Werk handelt. Das Ziel, die originale Gestalt des Textes und Form der Handschrift zu wahren, schlägt sich nieder in der Weise, wie die Edition den Text darbietet. Zum einen wird keine Reihenfolge der Konvolute hergestellt, und zum anderen werden die Konvolute nicht in Buchform veröffentlicht. Stattdessen wird jedes der 16 Konvolute in einem Heft wiedergegeben. Auf jeder Doppelseite der Hefte sind jeweils das [[Faksimile]] einer Manuskriptseite sowie dessen [[Umschrift]] gegenübergestellt. Anhand des Faksimiles kann jeder Leser selbst die zum Teil nicht eindeutigen Streichungen Kafkas beurteilen, da es hier keine Eingriffe durch den Herausgeber gibt, wie sie bei der Kritischen Edition und der von Brod besorgten Ausgabe vorgenommen wurden.<br />
<br />
=== Ausgabe von Christian Eschweiler ===<br />
Eschweiler veränderte die Kapitelfolge und betrachtet das Traum-Kapitel Josef K.s, als Höhepunkt des Entwicklungsgeschehens.<br />
Eschweiler ist der Ansicht das Domkapitel gliedere den Roman in zwei Teile, von denen der erste durch Fremdbestimmung, der zweite durch fortschreitende Selbstbestimmung gekennzeichnet ist.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
* „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“<br />
* „Josef K.: Ich sage nicht, dass es ein liederliches Verfahren ist, aber ich möchte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.“<br />
* „Der Prügler: Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich.“<br />
* „So bewirkte also die Methode des Advokaten, welcher K. glücklicherweise nicht lange ausgesetzt war, dass der Klient schließlich die ganze Welt vergaß und nur auf diesem Irrweg zum Ende des Prozesses sich fortzuschleppen hoffte. Das war kein Klient mehr, das war der Hund des Advokaten."<br />
* „Der Geistliche im Dom: Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber."<br />
* „Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt die Entscheidung beobachteten, ‚Wie ein Hund‘ sagte er, es war als solle die Scham ihn überleben.“<br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* Max Brod schreibt im Nachwort der ersten Ausgabe von 1925 in Bezug auf den ''Process'', dass „kaum [ein Leser] seine Lücke fühlen“ wird, wenn er nicht weiß, dass Kafka sein Werk unvollendet ließ. Der Herausgeber schreibt weiter, die nach seiner Ansicht vollendeten Kapitel ließen „sowohl den Sinn wie die Gestalt des Werkes mit einleuchtendster ''[sic!]''<!--sic--> Klarheit hervortreten“. Außerdem spricht Brod im Nachwort zu Kafkas Werk stets von „Roman“ und nicht von Fragment. Daran wird deutlich, dass er die Auffassung vertritt, dem Werk fehle nichts Wesentliches. Diesen Eindruck vermittelt seine Ausgabe auch den Lesern. Das Bild eines nahezu abgeschlossenen Werkes, das sich der damaligen Leserschaft bot und das auch heute noch bei vielen Lesern vorherrscht, begründete und begründet zum Teil den Erfolg und die Bewunderung für den ''Process''.<br />
<br />
* Am 17. November 1988 wurde das Originalmanuskript des Werkes in London für eine Million Pfund vom [[Deutsches Literaturarchiv|Deutschen Literaturarchiv]] in Marbach ersteigert. Dies war der bis dahin höchste Preis, der jemals auf einer Auktion für ein einzelnes Manuskript bezahlt wurde. Das Geld stammte von Bund und Land Baden-Württemberg. Das Manuskript ist im [[Literaturmuseum der Moderne]] ausgestellt.<br />
<br />
* [[Peter-André Alt]] (S.391/419): K.s Geschichte ist der Traum von der Schuld - ein Angsttraum, der sich in den imaginären Räumen einer befremdlichen juristischen Ordnung als Widerschein psychischer Zustände abspielt. Stirbt K. auch ´wie ein Hund´, so bleibt doch die Scham zurück, die allein Menschen empfinden können. Sie aber ist bekanntlich - als Folge der Vertreibung aus dem Paradies - das Resultat des Wissens über die Differenz von Gut und Böse. Was den Menschen vom Tier unterscheidet, bildet zugleich das Stigma seiner Schuld.<br />
* [[Reiner Stach]] (S.537): Kafkas Process ist ein Monstrum. Nichts ist hier normal, nichts ist einfach. Ob man sich mit der Entstehungsgeschichte, dem Manuskript, der Form, dem stofflichen Gehalt oder mit der Deutung des Romans beschäftigt: Der Befund bleibt stets derselbe: Finsternis wohin man blickt.<br />
<br />
== Adaptionen ==<br />
<br />
=== Theateradaptation ===<br />
* Der Schriftsteller und Regisseur [[Steven Berkhoff]] adaptierte einige von Kafkas Geschichten in Theaterstücke. Seine Version des Processes wurde 1970 in London uraufgeführt und 1981 als Buch veröffentlicht. Die erste Aufführung in Deutschland fand 1976 am [[Düsseldorfer Schauspielhaus]] statt.<ref>Berkoff, Steven. "The trial, Metamorphosis, In the penal colony. Three theatre adaptions from Franz Kafka." Oxford: Amber Lane Press, 1981.</ref><br />
* [[Andreas Kriegenburg]] inszenierte eine viel beachtete [http://www.muenchner-kammerspiele.de/stueck.php?ID=968&menu1=&menu2=&zurueck=ZUR%DCCK%20ZUM%20ENSEMBLE Theaterfassung] an den [[Münchner Kammerspiele]]n. Premiere war am 25. September 2008.<br />
<br />
=== Musikalische Adaptionen ===<br />
<br />
* [[Gottfried von Einem]]s Oper ''[[Der Prozess (Oper)|Der Prozess]]'' (1953) basiert auf Kafkas Romanfragment. <br />
* Eine freie Adaption des Stoffes ist [[Gunther Schuller]]s Jazz-Oper ''The Visitation'' (1966).<br />
* Die [[Schottland|schottische]] [[Post-Punk]]-Band [[Josef K]] benannte sich nach dem Romanhelden<br />
* Die [[Polen|polnische]] [[Punk (Musik)|Punk]]band [[Pidżama Porno]] veröffentlichte [[2004]] auf ihrem Album ''Bułgarskie Centrum'' den Song ''Józef K.'', in dem Sie sich auf den Inhalt von Kafkas Stück bezieht.<br />
* Auf dem Cover des Albums ''If You're Feeling Sinister'' der britischen Indie-Pop-Band [[Belle and Sebastian|Belle and Sebastian]] ist das Buch (mit englischem Titel) zu sehen.<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
<br />
* [[Der Prozeß (Film)|''Der Prozeß'']]<!--sic--> (1962) von [[Orson Welles]] <br />
* [[Kafka (Film)|''Kafka'']] (1991) von [[Steven Soderbergh]] (Spielfilm, der Teile von Kafkas Leben mit Elementen aus ''Der Process'', ''[[Das Schloss]]'' und anderen Texten verbindet)<br />
* ''Der Prozess''<!--sic--> (1993) von [[David Hugh Jones]]<br />
* ''Am Ende des Ganges'' (1999) von Michael Muschner (Kurzfilm)<br />
<br />
=== Comicadaption ===<br />
<br />
* [[Guido Crepax]]: Il processo di Franz Kafka, Piemme 1999<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
=== Ausgaben ===<br />
Wie im Abschnitt ''Editionen'' nachzulesen ist, ist es bedeutsam, welche Ausgabe man wählt. Daher erfolgt die Auflistung nach den verschiedenen Editionen. <br />
<br />
* Historisch-kritische Ausgabe der Handschrift:<br />Stroemfeld Verlag, 16 einzeln geheftete Entwurfs-Kapitel im Schuber zusammen mit Franz-Kafka-Heft 1 und CD-ROM, mit 300 Handschriften-Faksimiles: ''Der Process''. Hg. von Roland Reuß. Stroemfeld, Frankfurt/Main, Basel 1997, ISBN 3-87877-494-X<br />
* Reprint der Erstausgabe (1925):<br />Stroemfeld Verlag, gebunden. ISBN 978-3-87877-500-3<br />
* Kritische Ausgabe:<br /> ''Der Proceß''. Herausgegeben von Malcolm Pasley. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2002, gebunden ISBN 3-596-15700-5<br />
* Ausgabe von Eschweiler:<br />Franz Kafka: ''„Der Prozess“<!--sic-->''. Neu geordnet, ergänzt und erläutert von Christian Eschweiler. Landpresse, Weilerswist 2009. ISBN 978-3-941037-40-3<br />
* Weitere Ausgaben: <br />
** Aufbau, Taschenbuch ISBN 3-7466-1615-8<br />
** dtv, Taschenbuch ISBN 3-423-02644-8<br />
** Langenscheidt, broschiert ISBN 3-580-63335-X<br />
** Probst, gebunden ISBN 3-935718-94-2<br />
** Saur, gebunden ISBN 3-598-80009-6<br />
** Schöningh, broschiert ISBN 3-14-022362-5<br />
** Suhrkamp: broschiert — ISBN 3-518-39337-5, BasisBibliothek — ISBN 3-518-18818-6<br />
** Vitalis, gebunden ISBN 3-89919-052-1<br />
** Volker Krischel Königs Erläuterungen ISBN 3-8044-1796-5<br />
** Anaconda, gebunden ISBN 3-938484-77-2<br />
** Hamburger Lesehefte Verlag, 201. Heft ISBN 978-3-87291-200-8<br />
<br />
=== Sekundärliteratur ===<br />
* [[Peter-André Alt]]: ''Der ewige Sohn.'' C.H. Beck, München, 2005, ISBN 3-406-53441-4<br />
* Manfred Engel: ''Franz Kafka: Der Process (1925) – Gerichtstag über die Moderne.'' In: Matthias Luserke-Jaqui/Monika Lippke (Hg.): ''Deutschsprachige Romane der Klassischen Moderne.'' Gruyter, Berlin, New York 2008, S. 211-237. ISBN 978-3-11-018960-5. <br />
* Manfred Engel: ''Der Process.'' In: Manfred Engel, Bernd Auerochs (Hrsg.): ''Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung.'' Metzler, Stuttgart, Weimar 2010, S. 192-207. ISBN 978-3-476-02167-0.<br />
* [[Janko Ferk]]: ''Recht ist ein „Prozeß“. Über Kafkas Rechtsphilosophie''. Wien, Edition Atelier, 2006 (2. Auflage), und Ljubljana, Gospodarski vestnik, 2007 (Übersetzung in das Slowenische).<br />
* Volker Krischel: ''Franz Kafka: Der Proceß.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 417). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1796-0<br />
* [[Ekkehart Mittelberg]]: ''Franz Kafka: Der Prozeß.'' Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen (Reihe LiteraMedia). Cornelsen, Berlin 2003. ISBN 978-3-464-61425-9<br />
* Manfred Mitter: ''Franz Kafka: Der Proceß, Interpretationsimpulse''. Merkur-Verlag, Rinteln, Textheft: ISBN 978-3-8120-0853-2, CD-ROM: ISBN 978-3-8120-2853-0<br />
* [[Reiner Stach]]: ''Kafka Die Jahre der Entscheidungen.'' Fischer, Frankfurt/Main 2004. ISBN 3-596-16187-8<br />
* Ralf Sudau Franz Kafka: Kurze Prosa/Erzählungen 2007, ISBN 978-3-12-922637-7<br />
* Cerstin Urban: ''Franz Kafka: Erzählungen II.'' (Königs Erläuterungen und Materialien, Bd. 344). Bange Verlag, Hollfeld 2004. ISBN 978-3-8044-1756-4<br />
* Louis Begley: ''Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. Über Franz Kafka'' Deutsche Verlagsanstalten <br />
* Bettina von Jagow und Oliver Jahrhaus ''Kafka-Handbuch Leben-Werk-Wirkung'' hrsg. 2008 Vandenhoeck& Ruprecht ISBN 978-3-525-20852-6<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Textkritik]]<br />
* [[Recht ist ein 'Prozeß'. Über Kafkas Rechtsphilosophie]] von [[Janko Ferk]]<br />
* [[Die 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
=== Text des Romanfragments ===<br />
* {{Wikisource|Der Process}}<br />
* [http://gutenberg.spiegel.de/kafka/prozess/prozess.htm Projekt Gutenberg: „Der Prozeß“ <!--sic-->] ''Text folgt der Brod-Ausgabe''<br />
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Kafka,+Franz/Romane/Der+Proze%C3%9F}}<br />
<br />
=== Interpretationen ===<br />
* [http://home.bn-ulm.de/~ulschrey/literatur/kafka/kafka_prozess.html „Franz Kafka, ‚Der Prozess‘ – Die Selbstinszenierung der Geburt als Tod“]<br />
* [http://tuerhueter.blogspot.com/ Blog – Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis]<br />
* [http://www.christian-eschweiler.com Kafkas „Der Prozess“ in neuem Licht]<br />
* [http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0713/pdf/dkl.pdf Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceß’ und ‚Das Schloß’] von Karin Leich, Uni Marburg, 2003 (PDF-Datei; 1,58 MB)<br />
'''Editionen des Werks'''<br />
* [http://www.textkritik.de/fka/dokumente/process.htm Institut für Textkritik] Ausgabe im Rahmen der Historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe<br />
'''Bibliographie'''<br />
* [http://www.wegmaier.de/docs/NdL-Prozess.pdf Vollständige Bibliographie zu Roman und Sekundärliteratur] (PDF-Datei; 435 kB)<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
* {{IMDb Titel|tt0057427|Der Prozess (1963)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0102181|Kafka}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0108388|Der Prozess (1993)}}<br />
* {{IMDb Titel|tt0228008|Am Ende des Ganges}}<br />
<br />
=== Unterricht ===<br />
* [http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/projekte/epik/process/index.html Lehrerfortbildung-BW] Unterrichtsprojekte Deutsch: Der Proceß<br />
<br />
=== Hörbuch ===<br />
* [http://www.theateraufcd.de/Der_Prozess.aspx Der Prozess als Hörbuch im MP3-Format]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Franz Kafkas Werk}}<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Process, Der}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Franz Kafka]]<br />
[[Kategorie:Roman, Epik]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
<br />
[[ar:المحاكمة (رواية)]]<br />
[[az:Məhkəmə prosesi (roman)]]<br />
[[br:Ar Prosez]]<br />
[[ca:El procés]]<br />
[[cs:Proces (román)]]<br />
[[da:Processen (roman)]]<br />
[[el:Η δίκη (Φραντς Κάφκα)]]<br />
[[en:The Trial]]<br />
[[es:El proceso]]<br />
[[et:Protsess (Kafka)]]<br />
[[eu:Prozesua (liburua)]]<br />
[[fa:محاکمه (رمان)]]<br />
[[fi:Oikeusjuttu (romaani)]]<br />
[[fr:Le Procès]]<br />
[[he:המשפט]]<br />
[[hr:Proces (Kafka)]]<br />
[[it:Il processo (romanzo)]]<br />
[[ja:審判 (小説)]]<br />
[[ko:심판 (소설)]]<br />
[[mk:Процес (роман)]]<br />
[[nl:Het Proces]]<br />
[[nn:Der Process]]<br />
[[no:Prosessen]]<br />
[[pl:Proces (powieść)]]<br />
[[pt:O Processo]]<br />
[[ro:Procesul]]<br />
[[ru:Процесс (роман)]]<br />
[[sk:Proces (román)]]<br />
[[sr:Процес (роман)]]<br />
[[sv:Processen]]<br />
[[yo:The Trial]]<br />
[[zh:审判 (长篇小说)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Skandal&diff=83804820Skandal2011-01-12T18:37:13Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
Ein '''Skandal''' bezeichnet ein Aufsehen erregendes Ärgernis und die damit zusammenhängenden Ereignisse oder Verhaltensweisen. Das Wort ist im Deutschen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Es wurde aus dem gleichbedeutenden französischen ''scandale'' entlehnt, das auf das kirchenlateinische ''scandalum'' zurückgeht, dieses wiederum auf das griechische ''skandalon'' „Fallstrick, Anstoß, Ärgernis“.<ref>Etymologie nach ''Duden «Etymologie» – Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache'', 2. Auflage, Dudenverlag, 1989</ref> Das abgeleitete Adjektiv '''skandalös''' mit der Bedeutung „ärgerniserregend, anstößig“ sowie „unerhört, unglaublich“ findet sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts.<ref>Bedeutungen von ''skandalös'' nach ''Duden «Etymologie» – Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache'', 2. Auflage, Dudenverlag, 1989</ref><br />
<br />
Skandal wird häufig synonym zum Begriff [[Affäre]] verwendet. Affäre bezeichnet – neben der Liebesaffäre – heute vor allem als skandalös beurteilte Angelegenheit in Politik und Wirtschaft.<ref>vgl. Lemma ''Affäre'' in ''Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache'', 24. Auflage, 2002 ''[...] heute vorwiegend für "skandalöse Angelegenheit" (vor allem in Politik und Wirtschaft)''</ref> Der Begriff des Skandals kann demgegenüber ein breiteres Spektrum, der öffentlichen Wahrnehmung ansprechen, beispielsweise auch einen Skandal innerhalb der Kunst.<br />
<br />
== Skandal und Gesellschaft ==<br />
<br />
Bei einem Skandal handelt es sich um eine (allgemeine) Entrüstung oder Empörung im Sinne eines moralischen Gefühls. Zu wissen, worüber sich eine Gesellschaft empört, lässt ablesen, wo und wie die überschrittenen Grenzen liegen. Insofern lassen sich über Skandale Rückschlüsse auf die jeweiligen [[soziale Norm|Norm- und Wertvorstellungen]] bzw. [[Konvention|Konventionen]] einer Gesellschaft ziehen. <br />
<br />
Ein Vorgang, der in einem bestimmten Region oder einer bestimmten Gesellschaft einen Skandal hervorruft, muss dies nicht zwangsläufig auch in einer anderen bewirken. Was früher einen Skandal hervorgerufen hat, muss heute nicht wieder zu einem führen. Ein häufig genanntes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der damalige „Skandal“ um den Film ''[[Die Sünderin]]'' in der Bundesrepublik Deutschland der frühen 1950er-Jahre.<br />
<br />
== Skandal und Medien ==<br />
<br />
In der Regel bedingt ein Skandal eine allgemeine gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die heute überwiegend durch die [[Massenmedien]] erreicht wird. Bei der Aufdeckung von Skandalen und Vorgängen wie [[Korruption]], [[Bestechung]] und persönlicher [[Vorteilsnahme]] von Amtsträgern in Politik und Wirtschaft spielen Medien und Journalismus, insbesondere als [[Investigativer Journalismus]], eine bedeutende Rolle. Nicht zuletzt hieraus leitet sich die Rolle von Medien und Presse als Korrektiv und sogenannte „[[Vierte Gewalt]]“ ab.<ref>[http://www.pr-on-air.de/podcast/interview-mit-claus-strunz/ „Ein Audio-Interview mit Claus Strunz, Chefredakteur Hamburger Abendblatt, über Investigativen Journalismus und die Aufdeckung von Skandalen“], pr-on-air.de, 11. Mai 2009</ref><br />
<br />
Da Medien und Presse auch an hohen Zuschauer-, Hörer- und Leserzahlen interessiert sind, kann es dazu kommen, dass einzelne Vorgänge über ihre Bedeutung hinaus „skandalisiert“ werden. Wo die Grenze zwischen „legitimer Empörung“ und „künstlicher Aufgeregtheit“ liegt, ist vom Betrachter und dessen sozialen, religiösen und politischen Hintergrund abhängig.<br />
<br />
Skandalisierung geht oft einher mit [[Kommerzialisierung]], [[Boulevard (Medien)|Boulevardisierung]] bzw. Entertainisierung von Medieninhalten (siehe auch "[[Popkultur]]"). <br />
<br />
=== Ablauf ===<br />
Medienskandale beruhen auf einem tatsächlichen oder vermuteten Missstand. Sie verlaufen meist ähnlich: <br />
* In der ''Latenzphase'' wird ein Missstand bekannt; die Anzahl der Medienberichte zum Thema nimmt schlagartig zu. Die Protagonisten des Skandals werden vorgestellt. Die Phase endet mit einem <br />
* Schlüsselereignis. Dieses führt dazu, dass der Konflikt zu einem Skandal eskaliert. In der darauf folgenden ''Aufschwungphase'' werden weitere Fakten bekannt, die in eine Verbindung zum ersten Missstand gesetzt werden. Ist diese Ausweitung geglückt, beginnt die <br />
* ''Etablierungsphase''. In dieser Phase erreicht der Skandal den Höhepunkt. Nun wird über die Schuld oder Unschuld der Protagonisten gerichtet; Konsequenzen werden gefordert. Zu Beginn der ''Abschwungphase'' knickt die skandalierte Person oder Organisation unter dem öffentlichen Druck ein und zieht Konsequenzen aus den Vorkommnissen (z.B. [[Rücktritt]]) <br />
* In der medialen Wahrnehmung ist der Konflikt damit gelöst. Die Intensität der Berichterstattung nimmt schnell ab. <br />
* In der ''Rehabilitationsphase'' wird die Ordnung des Gesellschaftssystems wieder hergestellt. Die Medien berichten nur noch vereinzelt. Mit den fünf Phasen entspricht der Aufbau eines Medienskandals weitgehend demjenigen eines antiken [[Drama]]s.<ref>{{Literatur|Autor=Steffen Burkhardt|Titel=Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse|Ort=Köln|Jahr=2006|Seiten=181ff}}</ref><br />
<br />
== Skandale und Affären ==<br />
Einige Skandale und Affären wurden zu feststehenden Begrifflichkeiten. Bezogen auf Wirtschaft und Politik können beide Begriffe als Wortbestandteil in diesbezüglichen Zusammensetzungen (Komposita) auftreten. So ist beispielsweise der ''Watergate-Skandal'' auch als ''Watergate-Affäre'' bekannt. Außerhalb von Wirtschaft und Politik wird in der Regel nur von „Skandal“, nicht aber von „Affäre“ gesprochen („[[Theaterskandal]]“, „Kunstskandal“, „Medikamentenskandal“, „[[Pflegeskandal]]“). In Österreich gibt es noch die Begriffsbildung mit „Sager“ für eine umstrittene Äußerung.<ref>http://de.wiktionary.org/wiki/Sager</ref><br />
<br />
<!-- hier ausschließlich vorhandene Artikel eintragen, die "Skandal" oder "Affäre" auch im Artikelstichwort (Lemma) führen. Also keine "finde ich persönlich skandalös"-Links und kein einmaliger [[Eklat]]. Bitte auf eine gute Struktur achten --><br />
{{Überarbeiten}}<br />
<br />
=== Deutschland ===<br />
<br />
'''Kaiserreich, Weimarer Republik und NS-Zeit'''<br />
*[[Eulenburg-Affäre]], 1907-1909. Gerichtsverfahren wegen homosexuellen Verhaltens und Verleumdungen.<br />
*[[Daily-Telegraph-Affäre]], 1908. Ein Interview Wilhelm II. stürzt das Kaiserreich in eine tiefe Krise. <br />
*[[Zabern-Affäre]], 1913-14. Unruhen im elsässischen Zabern, einem Truppenstandort, nachdem ein Soldat die elsässische Bevölkerung beleidigt hatte.<br />
*[[Osthilfeskandal]], 1927. Skandal um wirtschaftliche Unterstützungen für [[Ostpreußen|ostpreußische]] Agrarregionen und ihre Veruntreuungen, der sich bis 1933 zog und möglicherweise eine Rolle bei der Ernennung [[Hitler]]s zum Reichskanzler spielte.<br />
*[[Wittorf-Affäre]], 1928. Unterschlagungen durch einen Vertrauten des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann.<br />
*[[Blomberg-Fritsch-Krise|Blomberg-Fritsch-Affäre]], 1938. Von der NS-Führung inszeniert um Oberkommando und Oberbefehl über die Wehrmacht zu übernehmen.<br />
<br />
'''1960er'''<br />
* [[Contergan-Skandal]], 1961-62. Durch Nebenwirkungen des Medikaments Contergan war es zu Schädigungen bei einer großen Zahl von Kindern gekommen.<br />
* [[Fibag-Affäre]], 1961-62. Die Fibag (Finanzbau Aktiengesellschaft) sollte mit politischer Rückendeckung mehrere Tausend Wohnungen für die US-Armee bauen.<br />
* [[Starfighter-Affäre]], ab 1962. Die Umstände der Beschaffung und die technischen Probleme mit dem Kampfflugzeug Lockheed F-104 „Starfighter“.<br />
* [[Spiegel-Affäre]], 1962. Das Nachrichtenmagazin ''Der Spiegel'' war aufgrund eines kritischen Artikels der Strafverfolgung wegen angeblichen Landesverrats ausgesetzt.<br />
<br />
'''1970er'''<br />
* [[Bundesliga-Skandal]], 1971. Aufgrund von manipulierten Punktspielen war es den Klubs ''Rot-Weiß Oberhausen'' und ''Arminia Bielefeld'' gelungen, in der 1. Bundesliga zu verbleiben.<br />
*[[Guillaume-Affäre]], 1974. Ein engster Mitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt wird als DDR-Spion enttarnt.<br />
* [[Lauschaffäre Traube]], 1977. Eine illegale Abhöraktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die sich gegen den Atomphysiker Klaus Traube richtete.<br />
<br />
'''1980er'''<br />
* [[Flick-Spendenaffäre]], 1982. Verdeckte Parteispenden des Flick-Konzerns im Zusammenhang mit einem Entscheid des Bundeswirtschaftsministeriums.<br />
* [[Kießling-Affäre]], 1984. Einem General wird Homosexualität vorgeworfen, er wird als Sicherheitsrisiko vorzeitig in den Ruhestand geschickt.<br />
* [[Barschel-Affäre]], 1987. Vorkommnisse im Wahlkampf von Uwe Barschel vor der Wahl zum schleswig-holsteinischen Landtag.<br />
<br />
'''1990er'''<br />
* [[Schubladenaffäre]], 1993. Zahlungen an Reiner Pfeiffer, den Auslöser der Barschel-Affäre von 1987. <br />
* [[Amigo-Affäre]], 1993. Bestechungsvorwürfe gegen den damaligen Ministerpräsidenten von Bayern Max Streibl und andere bayerische Politiker.<br />
* [[CDU-Spendenaffäre]], 1999. Illegale Spendenpraxis der Partei in den 1990er-Jahren unter dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl.<br />
<br />
'''2000er'''<br />
* [[Visa-Affäre]], ab 2000. Missbrauchsfälle bei der Vergabe von Visa in verschiedenen deutschen Botschaften und Konsulaten.<br />
* [[Berliner Bankenskandal]], 2001. Vorgänge um die landeseigene Bankgesellschaft Berlin.<br />
* [[Bonusmeilen-Affäre]], 2002. Die Praxis einzelner Bundestagsabgeordneter, ihre dienstlich angesammelten Bonusmeilen für Privatreisen zu nutzen.<br />
* [[Münchner CSU-Affäre]], 2003. Eine Gruppe junger CSU-Mitglieder beeinflusste parteiinterne Wahlen.<br />
* [[RWE-Affäre]], 2004. Der Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmerorganisation erhält Zahlungen seines ehemaligen Arbeitgebers.<br />
* [[Fußball-Wettskandal 2005]] Manipulationen von Fußballspielen, die im Zuge der Ermittlungen gegen einen Schiedsrichter bekannt wurden.<br />
* [[VW-Korruptionsaffäre]], 2005. Aus der Firmenleitung des Konzerns heraus werden Mitglieder des Betriebsrates durch besondere Zuwendungen bedacht.<br />
* [[Telekom-Bespitzelungsaffäre]], 2008. Das Unternehmen ließ Telefondaten, Bankdaten und E-Mails von Mitarbeitern und Journalisten überwachen.<br />
* [[Liechtensteiner Steueraffäre]], 2008. Die Liechtensteiner Steueraffäre ist der größte bisher in der Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Komplex von Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung.<br />
* [[Fußball-Wettskandal 2009]] Manipulationen von Fußballspielen auf internationaler Ebene.<br />
<br />
=== Österreich ===<br />
*[[Fußachaffäre|Schiffstaufe in Fußach]], 1964<br />
*[[Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre]], 1975<br />
*[[Lucona]]-Skandal, 1977<br />
*[[Noricum-Skandal]], 1985<br />
*[[AKH-Skandal]], 1980<br />
*[[Glykolwein-Skandal]], 1985. Einige österreichische Winzer hatten ihrem Wein verbotenerweise Diethylenglykol beigemischt.<br />
*[[Waldheim-Affäre]], 1986<br />
*[[Operation Spring]], 1999<br />
*[[Hump-Dump-Affäre]], 2000<br />
*[[Eurofighter-Affäre]], 2002<br />
*[[BUWOG-Affäre]], 2004<br />
*[[Karl-Heinz_Grasser#Homepage-Aff.C3.A4re|Karl Heinz Grasser - Homepage Affäre]], 2004. Der österreichische Finanzminister lässt sich von der österreichischen Industrielobby eine Homepage um 250.000 Euro schenken. <br />
*[[Karl-Heinz_Grasser#Aff.C3.A4re_um_die_.C3.9Cbersiedlung_der_Finanzlandesdirektion_in_den_Linzer_Terminal_Tower|Karl Heinz Grasser - Linzer Terminal Tower Affäre]], 2004. Ein "Beratungshonorar" von 200.000 Euro an Lobbyisten, die dem Finanzminister nahe stehen, räumt Hindernisse bei einem Immobilienprojekt aus dem Weg.<br />
*[[Karl-Heinz_Grasser#Vorwurf_des_Amtsmissbrauchs_im_Zuge_der_Bawag-Ermittlungen|Karl Heinz Grasser - BAWAG-Affäre]], 2004. Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Zuge der BAWAG-Ermittlungen<br />
*[[Hypo_Group_Alpe_Adria#Finanzaff.C3.A4ren_um_die_Hypo_Alpe-Adria_Bank|Hypo Group Alpe Adria]], 2004-09. Zahlreiche Finanzaffären um die Kärnter Bank mit guten politischen Verbindungen<br />
*[[Amtsmissbrauchaffären in der Wiener Polizei 2006]]<br />
*[[BAWAG-Affäre]], 2006<br />
*[[Julius Meinl V.|Meinl Affäre]], 2007. Durch undurchsichtige Bankgeschäfte werden tausende Meinl Aktionäre geschädigt.<br />
*[[ÖBFA|ÖBFA Spekulation]], 2007. Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur verspekuliert bis zu 380 Millionen Euro an Steuergeld. <br />
*[[Maria Fekter#Amtsmissbrauch im Fall Haidinger|Amtsmissbrauch durch Innenministerin Fekter]], 2008. Die Innenministerin suspendiert den Direktor des Bundeskriminalamts, der auf versuchte politische Einflussnahme durch die Österreichische Volkspartei hingewiesen hatte.<br />
* [[Liechtensteiner Steueraffäre]], 2008. In die Liechtensteiner Steueraffäre waren auch 180 Personen/Firmen/Stiftungen aus Österreich involviert. Kritiker werfen dem Finanzministerium vor das Verfahren verschleppt zu haben, um Prominenten die Selbstanzeige zu ermöglichen.<br />
*[[Flughafen_Wien#Beherrschung_des_Unternehmens.2C_Rechnungshof|Skylink Bauskandal]], 2009. Die Kosten des neuen Flughafenterminals erhöhen sich unter der politisch besetzten Unternehmensführung von 400 auf 890 Millionen Euro.<br />
*[[Uwe Scheuch|Uwe Scheuch - Reisepass gegen Parteispende]], 2010. Der Chef der freiheitlichen Partei Kärnten bietet einem russischen Investor gegen eine Parteispende die österreichische Staatsbürgerschaft.<br />
<br />
=== Frankreich ===<br />
*[[Halsbandaffäre]], 1785–86<br />
*[[Panamaskandal]], Ende 19. Jahrhundert<br />
*[[Dreyfus-Affäre]], Ende 19. Jahrhundert<br />
<br />
=== Großbritannien ===<br />
*[[Tranby-Croft-Skandal]], 1890<br />
*[[Marconi-Skandal]], 1912–13<br />
*[[Profumo-Affäre]], 1963<br />
<br />
=== Schweiz ===<br />
* [[Fichenskandal]], Anfang 1990er: Die Schweizer Regierung lässt „Karteikarten“ von über 900'000 Schweizer Bürgern anfertigen.<br />
* [[Thomas Borer|Borer]]-Affäre, 2002<br />
<br />
=== USA ===<br />
* [[Watergate-Affäre]], 1972-74<br />
* [[Iran-Contra-Affäre]], 1985-86<br />
* [[Plame-Affäre]], 2003-07<br />
* [[Lewinsky-Affäre]], 1998<br />
<br />
=== International ===<br />
* [[XYZ-Affäre]], 1797-1800<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Jens Bergmann/Bernhard Pörksen (Hg.),"''Skandal! - Die Macht öffentlicher Empörung''", Köln: Halem Verlag 2009<br />
* Frank Bösch: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880-1914, München: Oldenbourg 2009.<br />
* Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Skandale in Deutschland nach 1945, Bielefeld 2007.<br />
* Steffen Burkhardt, Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse, Köln 2006.<br />
* Rolf Ebbighausen/Sighard Neckel (Hg.), Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt a.M. 1989.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Affäre]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
[[Kategorie:Politische Affäre|!]]<br />
[[Kategorie:Skandal| ]]<br />
<br />
[[ar:فضيحة]]<br />
[[be-x-old:Скандал]]<br />
[[cs:Skandál]]<br />
[[da:Skandale]]<br />
[[en:Scandal]]<br />
[[eo:Skandalo]]<br />
[[es:Escándalo]]<br />
[[fi:Skandaali]]<br />
[[fr:Scandale]]<br />
[[he:שערורייה]]<br />
[[hi:घोटाला]]<br />
[[hr:Skandal]]<br />
[[hu:Botrány]]<br />
[[id:Skandal]]<br />
[[it:Scandalo]]<br />
[[ja:不祥事]]<br />
[[nl:Schandaal]]<br />
[[no:Skandale]]<br />
[[pl:Skandal]]<br />
[[pt:Escândalo]]<br />
[[ru:Скандал]]<br />
[[simple:Scandal]]<br />
[[sk:Škandál]]<br />
[[sv:Skandal]]<br />
[[vi:Vụ bê bối]]<br />
[[zh:醜聞]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Styrol-Butadien-Kautschuk&diff=83722956Styrol-Butadien-Kautschuk2011-01-10T18:45:31Z<p>Xjs: /* Eigenschaften */ Komma</p>
<hr />
<div>{{Infobox Polymer<br />
| Strukturformel = [[Datei:SBR.svg|240px|Strukturformel von Styrol-Butadien-Kautschuk]]<br />
| CAS = 9003-55-8 <br />
| Andere Namen = [[1,3-Butadien]]-[[Styrol]] [[Copolymer]]<br />
| Monomer = [[1,3-Butadien]], [[Styrol]]<br />
| Summenformel = <br />
| Molare Masse = <br />
| Aggregat = fest<br />
| Dichte = <br />
}}<br />
<br />
'''Styrol-Butadien-Kautschuk''' ist der Ausgangsstoff für die weitaus am meisten hergestellte Variante des synthetischen [[Gummi]]s. Sein [[Kurzzeichen (Kunststoff)|Kurzzeichen]] ist ''SBR'', abgeleitet von der englischen Bezeichnung „Styrene Butadiene Rubber“. Es ist ein [[Copolymer]] aus [[1,3-Butadien]] und [[Styrol]]. Seine Herstellung gelang erstmals 1929 dem deutschen Chemiker [[Walter Bock]] mit Hilfe der [[Emulsionspolymerisation]]. Damit war es der erste wirtschaftlich nutzbare synthetische [[Kautschuk]]. SBR ist heute der meistverwendete Synthesekautschuk und findet seine Anwendung besonders in der Herstellung von [[Reifen]], [[Dichtung (Technik)|Dichtungen]] und [[Transportband|Transportbändern]].<br />
<br />
SBR enthält üblicherweise 23,5% Styrol und 76,5% Butadien. Bei höherem Styrolgehalt wird der Kautschuk thermoplastisch, bleibt aber vernetzbar. <br />
<br />
Zur großtechnischen Herstellung wird die Emulsionspolymerisation bei 5&nbsp;°C angewendet, die daher auch mit ''Kaltpolymerisation'' bezeichnet wird. Warmpolymerisation bei ca. 50&nbsp;°C ergibt verzweigte Molekülketten, die das daraus gewonnene Gummi weniger elastisch machen. Für das auch bei tiefen Temperaturen elastische Gummi von Winterreifen wird dagegen [[Lösungspolymerisation]] eingesetzt. [[Polymerisation#Radikalische Polymerisation|Radikalische Polymerisation]] ist ebenfalls möglich, wird jedoch bisher nicht großtechnisch angewandt. Nach der [[Polymerisation]] wird das noch flüssige SBR durch [[Vulkanisation]] vernetzt und bekommt dadurch seine endgültige Form. <br />
<br />
Unter dem Namen [[Buna (Kautschuk)|Buna]] sollte SBR die deutsche Kriegswirtschaft (1939-1945) als Teil der [[Heimstoff]]-Politik vom Import von [[Kautschuk|Naturkautschuk]] unabhängig machen.<br />
<br />
== Eigenschaften ==<br />
SBR zeigt gute Beständigkeit und wenig Quellung in anorganischen und organischen [[Säure]]n und [[Base (Chemie)|Basen]] sowie in [[Alkohole]]n und [[Wasser]]. Es ist unempfindlich gegen [[Bremsflüssigkeit]], wird hier aber meist durch [[EPDM]] ersetzt.<br />
<br />
Es ist hingegen stark quellend in [[Aliphat]]en, [[Aromaten]] und [[Chlorkohlenwasserstoffe]]n, insbesondere in [[Mineralöl]], [[Schmierfett]] und [[Leichtbenzin|Benzin]].<br />
<br />
Gegen Witterungseinflüsse ist es beständiger als Naturkautschuk, aber schlechter als z.&nbsp;B. [[Chloropren-Kautschuk]] (CR) und [[Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk]] (EPDM). <br />
<br />
Thermischer Anwendungsbereich: ca. –40 °C bis +70 °C.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[I.G. Farben]]<br />
* [[Charles Goodyear]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
*[http://www.dradio.de/dlr/sendungen/kalender/278130/ Vor 75 Jahren Patent auf synthet. Kautschuk (DeutschlandRadio Berlin 21. Juni 2004)]<br />
<br />
[[Kategorie:Copolymer]]<br />
<br />
[[en:Styrene-butadiene]]<br />
[[es:Caucho estireno-butadieno]]<br />
[[it:Gomma SBR]]<br />
[[ja:スチレン・ブタジエンゴム]]<br />
[[pt:Borracha de butadieno estireno]]<br />
[[vi:Cao su styren-butađien]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bellen&diff=83583684Bellen2011-01-07T15:32:16Z<p>Xjs: /* Sinn des Bellens */ Kleine Formulierungsfeinheiten, Satzzeichen.</p>
<hr />
<div>[[Datei:Military dog barking.JPG|thumb|Bellender Schäferhund]]<br />
[[Datei:Rat Terrier bark.jpg|thumb|Bellender Rat Terrier]]<br />
Das '''Bellen''' (Kläffen) ist die häufigste Lautäußerung der [[Haushund]]e. Im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] sind zwei lautmalerische Schreibweisen typisch: "Wau" und "Wuff". "Jaul" (oder dänisch "Jåul", auch russisch "gaf-gaf") ist hingegen keine [[Onomatopoesie|Onomatopoea]] für das Bellen, sondern für das [[Jaulen]], eine andere Lautäußerung des Haushunds (''Canis lupus familiaris'').<br />
<br />
== Sinn des Bellens ==<br />
Während Wölfe fast nie bellen, verständigen sich Hunde sehr viel häufiger über Gebell. Die Grimassierspiele junger Wölfe sind in den Spielen junger Hunde untereinander oft durch Bellspiele ersetzt.<ref name="Hundepsychologie">Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen: ''Hundepsychologie.'' Stuttgart: Kosmos 2004 ISBN 3-440-09780-3</ref><br />
<br />
Dass [[Haushund]]e häufiger bellen als Wölfe, stellt wohl eine evolutionäre Anpassung an das Leben mit Menschen dar.<ref name="Hundepsychologie" /> Die Bereitschaft dazu wird vererbt und ist bei verschiedenen Hunderassen unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie muss vom Individuum nicht erst durch den Umgang mit Menschen erlernt werden. Auch Wölfe und andere Arten der Gattung [[Hunde]] bellen, jedoch nur in wenigen Situationen. [[Welpe]]n bellen hingegen häufiger, was die Theorie zulässt, dass beim Hund während der Anpassung und Züchtung durch den Menschen speziell die welpentypischen Eigenschaften und Verhaltensweisen gefördert und über seine gesamte Lebensdauer ausgedehnt wurden. Der erwachsene Haushund ähnelt in seinem Verhalten also dem Welpen des Wolfes.<br />
<br />
== Bedeutung des Bellens ==<br />
<br />
Grob gibt es sechs Möglichkeiten, warum ein Hund bellt:<br />
<br />
* das Nervositäts- oder Aufregungsbellen<br />
* das Aufmerksamkeitsbellen<br />
* das Angstbellen<br />
* das Frustrationsbellen<br />
* das Abwehr- oder Verteidigungsbellen<br />
* das Bellen auf Befehl<br />
<br />
Das häufigste Bellen ist das Aufmerksamkeitsbellen, aber das ist je nach Hund, [[Hunderasse|Rasse]] und Besitzer unterschiedlich.<br />
<br />
== Wölfe ==<br />
<br />
Der [[Wolf]] ist der nächste Verwandte des Haushundes. Er bellt nur selten und wenn, dann ist es ein kurzes, leises und [[Silbe|einsilbiges]] "Wuff". Dieses Bellen wird angewandt, wenn sich ein fremdes Wesen oder ein fremder Wolf dem [[Wolfsrudel|Rudel]] nähert. Der bellende Wolf warnt somit seine Rudelkameraden. Ansonsten bellt der Wolf nicht, es gibt aber auch wenige Ausnahmesituationen, wie z. B. bei Rudelkämpfen, wo ab und zu auch gebellt wird.<br />
<br />
Die Welpen bellen jedoch oft zu den Eltern. Sie wollen damit Warnung, Angst, etc. ausdrücken. Erwachsene Tiere [[heulen]] meistens (siehe unten). Sie heulen aus Gründen wie z. B. bei der Jagd, zum Kontaktieren anderer Wölfe oder bei Alarm. <br />
<br />
Gezähmte, [[Domestizierung|domestizierte]] Wölfe bellen nicht, aber deren Kindeskinder (wenn sie noch mit Menschen leben) fingen an wie Haushunde zu bellen (beachte oben „Sinn des Bellens“). Ähnlich verhält es sich bei [[Fuchs|Füchsen]]. <br />
<br />
=== Wölfe und Haushunde ===<br />
<br />
In den Situationen, bei denen Haushunde bellen, heulen Wölfe bzw. umgekehrt. <br />
<br />
Wenn Wölfe eine Zeit lang mit Haushunden zusammenleben, passiert es oft, dass Wölfe bellen anstatt zu heulen. Bellen scheint sich auch in der Wildnis durchzusetzen: [[Koj-Hund]]e, also Mischlinge aus Kojoten und Haushunden, bellen.<br />
<br />
== Andere [[Hundeartige]] ==<br />
<br />
=== Füchse ===<br />
<br />
[[Fuchs|Füchse]] bellen und/oder käckern; Das Bellen ist ein lautes, nahezu heiseres kurzes "Hau". Sie geben diese Laute bei Gefahr, Revierverteidigung und zum Lockruf in der Ranzzeit. Das Käckern findet während eines Kampfes mit einem Rivalen statt oder zur Verteidigung der Beute gegenüber Artgenossen oder Neidern.<br />
<br />
=== Kojote ===<br />
<br />
[[Kojote]]n bellen selten, meist pfeifen, heulen oder "rufen" sie. Der Warnruf (ähnlich dem Wolf) klingt jedoch wie das Bellen eines Haushundes. Häufig klingt das Heulen in ein Bellen ab, was aber meist ungewollt ist. <br />
<br />
=== Schakale ===<br />
<br />
[[Schakal]]e bellen bei der Jagd, sonst ähnlich dem Fuchs.<br />
<br />
== Sonstige Tiere ==<br />
<br />
Auch andere Tiere können bellen oder geben ein Gebell-ähnlichen Laut von sich. ''[[Hyäne]]n'' haben ein lachendes und grobes Bellen. ''[[Seehund]]e und [[Seelöwe]]n'' können beispielsweise bellen, wobei man beachten muss, dass sie zu den [[Hundeartige]]n gehören. ''[[Muntjak]]'' heißen auf englisch "Barking Deers" ("bellende Hirsche"), denn sie geben bei Erregung einen ähnlichen Laut von sich. Auch das "Schrecken" der Rehe, das als Warnruf dient, klingt wie ein bellen. ''[[Fledermäuse]]'' bellen nicht, aber das Geschrei mancher Arten erinnert schon an ein Gebell. Das wohl interessanteste Tier ist jedoch die ''[[Buschmeister|Shushupe]]'', eine vier Meter lange [[Giftschlange]] (einer der giftigsten in Amerika) aus der Gruppe der [[Grubenotter]]n, die im [[peru]]anischen Urwald lebt. Für die Indios ist das Gebell ein Zeichen für die Flucht, denn die Schlange springt einem Menschen sogar bis zum Hals hoch. Auch manche Vogelarten geben Laute von sich, die an das Bellen des Haushundes erinnern. Das gilt insbesondere für Papageien, die zusammen mit Hunden gehalten werden.<br />
<br />
== Entstehung des Bellens ==<br />
<br />
[[Datei:Basenji 600.jpg|thumb|200px|right|Er jault lieber: Der Basenji]]<br />
Das Bellen eines Hundes kommt, wie die Laute bei jedem anderen Tier, aus dem [[Kehlkopf]]. Für das Bellen muss der Kehlkopf jedoch relativ groß sein. Die [[Urhund]]e konnten vermutlich nicht bellen - ihr Kehlkopf war zu flach. Der Urhund hat vermutlich gejault. Einige seiner Nachkommen, wie der australische [[Dingo]] oder der zentralafrikanische [[Basenji]] (Kongo-Terrier), haben heute noch einen urtypischen flachen Kehlkopf, und können daher nicht so gut bellen. Diese Hunderassen heulen oder jaulen dafür häufiger.<br />
<br />
== Heulen ==<br />
Viele Hunde heulen, anstatt zu bellen. Insbesondere in Trennungssituationen oder auch bei Rüden, die läufige Hündinnen riechen, kann dieses Heulen sehr ausgeprägt sein. Generell haben sich die Haushunde das Heulen wahrscheinlich weitgehend abgewöhnt, weil die Tiere keine Jagd mehr brauchen und beim Zusammenhalt des Rudels Heulen nicht mehr notwendig ist (siehe oben "Wolf"). Eine Rasse, die intensiv heult, ist beispielsweise der [[Siberian Husky]].<br />
<br />
== Gesetz ==<br />
Das Bellen des Nachbarhundes kann gerichtlich eine Art Belästigung sein (§§ 906 (''Zuführung unwägbarer Stoffe'') und §1004 (''Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch'') des [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]]). Die Voraussetzung ist, dass das Hundegebell das Maß, das als ortsüblich geduldet werden muss, übersteigt.<br />
<br />
== ''Debarking'' ==<br />
In den USA ist es üblich, das Hundegebell durch Entfernung eines Teils der Stimmbänder zu dämpfen. Diese als [[Debarking]] bekannte Praxis ist in Europa verboten.<br />
<br />
== Zitate ==<br />
* ''Hunde, die bellen, beißen nicht''; ein Sprichwort<br />
* ''Wenn im Oktober die Füchse bellen, rufen sie Schnee herbei.'' oder ''..., sie Schnee bestellen.'' alte Bauernregel<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|bellen}}<br />
{{Wikisource|Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch}} <br />
* [http://www.mlur.brandenburg.de/v/lbsvet/TEILD/D1_4_14.PDF Tierschutz-Hundeverordnung Vom 2. Mai 2001] (gesehen am 29. März 2008; PDF-Datei; 88 kB)<br />
* [http://www.hundekosmos.de http://www.hundekosmos.de]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Haushund]]<br />
[[Kategorie:Kommunikation (Biologie)]]<br />
<br />
[[cs:Štěkot]]<br />
[[en:Bark (utterance)]]<br />
[[eu:Zaunka]]<br />
[[he:נביחה]]<br />
[[pt:Latido]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nanjing&diff=82880287Nanjing2010-12-20T14:24:59Z<p>Xjs: /* Geographie und administrative Gliederung */ Punkt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{| border="1" cellpadding="2" cellspacing="1" style="float:right; border-collapse:collapse; border-color:#g3e3e3; background-color:#fefefe; width:307px; margin-bottom:15px; margin-left:1em; font-size:85%;"<br />
! style="background: #e3e3e3;" colspan="2" | <font size="+1">Nanjing <br />
南京</font><br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| colspan="2" | [[Datei:Nanjingskyline200997.jpg|300px|center|]]<small><big>''' Stadtsilhouette von Nanjing'''</big></small><br />
|- style="background: #e3e3e3;"<br />
! colspan="2" | '''Basisdaten'''<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Großregion]]''': || [[Huadong|Ostchina]]<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Provinz]]''': || [[Jiangsu]]<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Administrative Gliederung der Volksrepublik China|Verwaltungstyp]]''': || [[Unterprovinzstadt (China)|Unterprovinzstadt]]<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
|'''[[Administrative Gliederung der Volksrepublik China#Kreisebene|Untergliederung]]''':|| 11 Stadtbezirke, 2 kreisfreie Städte<br />
|- style="background: #ffffff;<br />
|'''[[Bürgermeister]]''':||Ji Jianye (季建业)<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| colspan="2" | '''[[Einwohner]]zahlen''' (2008) <ref> [http://www.njtj.gov.cn/_siteId/4/pageId/63/columnId/3457/articleId/72616/DisplayInfo.aspy Nanjing Lokalregierung] </ref> <br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| - Gesamtbevölkerung: ||7.588.900<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| - Registrierte Bevölkerung: ||6.244.600 <br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| - Urbane Bevölkerung: ||5.412.400<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
|'''[[Bevölkerungsdichte]]''':|| 1150 Einwohner/km² <!--Gesamtbevölkerung / Administratives Stadtgebiet --><br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| colspan="2" | '''[[Fläche]]''' <ref>[http://www.nanjing.gov.cn/pub/english/today/gynj/main/ Nanjing Lokalregierung]</ref><br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| - Administratives Stadtgebiet: || 6,598 km² <br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| - Urbanes Stadtgebiet: || 4,728 km² <br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Geographische Koordinaten|Koordinaten]]''': || {{Coordinate|article=/|text=/||NS=32/3//N |EW=118/46//E |type=city |pop=3000000 |region=CN-32}}<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Zeitzone]]''': || [[CNST|China Standard Time (CST)]]<br />[[Koordinierte Weltzeit|UTC]]+8<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| '''[[Postleitzahl]]''': || 210000 - 211300<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
|'''[[Telefonvorwahl|Vorwahl]]''':||(+86)25<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
|'''Offizielle Website''':|| [http://english.nanjing.gov.cn/ http://english.nanjing.gov.cn/]<br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
! colspan="2" | [[Datei:ChinaJiangsuNanjing.png|300px|center|Lage von Nanjing in China, gelb: Provinz Jiangsu]] <br />
|- style="background: #ffffff;"<br />
| colspan="2" align="center"| Lage von Nanjing innerhalb der Provinz [[Jiangsu]]<br /><br />
|}<br />
<br />
'''Nanjing''' ({{zh|c=南京|p=Nánjīng|b=Südliche Hauptstadt}}, {{Audio|Chinese-Nanjing.ogg|Anhören}}) ist eine Stadt in der [[Volksrepublik China]]. In den Medien wird neben der offiziellen Transkription ''Nanjing'' auch noch die ältere Schreibweise '''Nanking''' verwendet. Nanjing ist Hauptstadt und [[Metropole]] der [[Provinz (China)|Provinz]] [[Jiangsu]] und war [[Hauptstadt]] der [[Republik China]]. Nanjing zählt 5.412.400 Einwohner im urbanen Stadtgebiet und 7.588.900 in der [[Agglomeration]] (Stand 2008). Somit ist Nanjing hinter [[Shanghai]] die zweitgrößte Stadt in [[Huadong|Ostchina]].<br />
<br />
== Geographie und administrative Gliederung ==<br />
[[Datei: China_Jiangsu.svg|thumb|Lage der Provinz Jiangsu innerhalb Chinas]]<br />
<br />
Nanjing liegt im Osten der Volksrepublik am Beginn des [[Jangtsekiang]]-[[Flussdelta|Deltas]]. Die Stadt erstreckt sich beiderseits des hier nach Osten abknickenden Stroms, wobei das Zentrum vollständig auf dem rechten Flussufer liegt. Wegen der enormen Breite des Jangtsekiang befindet sich auf dem gesamten Stadtgebiet nur eine einzige Brücke, die aber zu den strategisch wichtigsten Verkehrswegen des Landes zählt. In zahlreichen Windungen mäandriert der schmale ''Qinhuai''-Fluss durch die Stadt; daneben gibt es zahlreiche natürliche und künstliche Seen unterschiedlicher Größe. Im Osten erstreckt sich das Landschaftsschutzgebiet der relativ niedrigen ''Purpurberge''.<br />
<br />
Nanjing setzt sich aus elf Stadtbezirken und zwei Kreisen zusammen:<br />
* Stadtbezirk [[Xuanwu (Nanjing)|Xuanwu]] ({{zh|kurz=|v=玄武区|t=玄武區}}), 70 km², ca. 440.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Baixia]] ({{zh|kurz=|v=白下区|t=白下區}}), 25 km², ca. 450.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Qinhuai]] ({{zh|kurz=|v=秦淮区|t=秦淮區}}), 23 km², ca. 240.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Jianye]] ({{zh|kurz=|v=建邺区|t=建鄴區}}), 18 km², ca. 170.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Gulou (Nanjing)|Gulou]] ({{zh|kurz=|v=鼓楼区|t=鼓樓區}}), 24 km², ca. 640.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Xiaguan]] ({{zh|kurz=|v=下关区|t=下關區}}), 30 km², ca. 290.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Pukou]] ({{zh|kurz=|v=浦口区|t=浦口區}}), 894 km², ca. 480.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Luhe (Nanjing)|Luhe]] ({{zh|kurz=|v=六合区|t=六合區}}), 1.487 km², ca. 860.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Qixia (Nanjing)|Qixia]] ({{zh|kurz=|v=栖霞区|t=棲霞區}}), 302 km², ca. 370.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Yuhuatai]] ({{zh|kurz=|v=雨花台区|t=雨花台區}}), 148 km², ca. 180.000 Einwohner (2004);<br />
* Stadtbezirk [[Jiangning]] ({{zh|kurz=|v=江宁区|t=江寧區}}), 1.602 km², ca. 760.000 Einwohner (2004);<br />
* Kreis [[Lishui (Nanjing)|Lishui]] ({{zh|kurz=|v=溧水县|t=溧水縣}}), 1.048 km², ca. 400.000 Einwohner (2004), Hauptort: Großgemeinde [[Yongyang]] ({{zh|kurz=|v=永阳镇|t=永陽鎮}});<br />
* Kreis [[Gaochun]] ({{zh|kurz=|v=高淳县|t=高淳縣}}), 750 km², ca. 420.000 Einwohner (2004), Hauptort: Großgemeinde [[Chunxi]] ({{zh|kurz=|v=淳溪镇|t=淳溪鎮}}).<br />
<br />
== Klima ==<br />
[[Datei:Klimadiagramm-deutsch-Nanking-VR China.png|thumb|Klimadiagramm Nanjing]]<br />
<br />
Nanjing hat ein [[Subtropen|subtropisches]] [[Monsun]]klima mit vier ausgeprägten [[Jahreszeit]]en und gehört neben den Städten [[Wuhan]] und [[Chongqing]] zu den drei so genannten „Hochöfen am Jangtsekiang“. Die [[Sommer]] sind heiß und feucht bei Monatsdurchschnittstemperaturen bis zu 28&nbsp;°C (Tagestemperaturen bis maximal 43&nbsp;°C) und [[Luftfeuchtigkeit]] bis zu 81%; die [[Winter]] sind kalt mit Monatsdurchschnittstemperaturen von 2&nbsp;°C. Alle 12 Monate sind [[Humidität|humid]]. Die beste Reisezeit ist der [[Herbst]] (September bis November).<br />
<br />
* Jahresdurchschnittstemperatur: 16&nbsp;°C<br />
* Jahresniederschlagssumme: 979 mm<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
{| border="1" align=right; style="float:right; margin: 1em;border-collapse:collapse;"<br />
|+ '''Bevölkerungsentwicklung'''<br />
| valign="top" |<br />
{|<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" width = "50"| Einwohner (Mio.)<br />
! style="background:#efefef;" width = "50"| Natürl. Wachstum (%)<br />
|-<br />
| 1949 || align="right" | 2,5670 || align="right" |13,09<br />
|-<br />
| 1950 || align="right" | 2,5670 || align="right" |15,64<br />
|-<br />
| 1955 || align="right" | 2,8034 || align="right" |19,94<br />
|-<br />
| 1960 || align="right" | 3,2259 || align="right" |0,23<br />
|-<br />
| 1965 || align="right" | 3,4529 || align="right" |25,58<br />
|-<br />
| 1970 || align="right" | 3,6053 || align="right" |20,76<br />
|-<br />
| 1975 || align="right" | 3,9299 || align="right" |9,53<br />
|-<br />
| 1978 || align="right" | 4,1238 || align="right" |8,84<br />
|-<br />
| 1980 || align="right" | 4,3587 || align="right" |8,08<br />
|-<br />
| 1985 || align="right" | 4,6577 || align="right" |4,56<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{|<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" width = "50"| Einwohner (Mio.)<br />
! style="background:#efefef;" width = "50"| Natürl. Wachstum (%)<br />
|-<br />
| 1990 || align="right" | 5,0182 || align="right" |9,18<br />
|-<br />
| 1995 || align="right" | 5,2172 || align="right" |2,62<br />
|-<br />
| 1996 || align="right" | 5,2543 || align="right" |2,63<br />
|-<br />
| 1997 || align="right" | 5,2982 || align="right" |2,16<br />
|-<br />
| 1998 || align="right" | 5,3231 || align="right" |1,00<br />
|-<br />
| 1999 || align="right" | 5,3744 || align="right" |2,01<br />
|-<br />
| 2000 || align="right" | 5,4489 || align="right" |2,48<br />
|-<br />
| 2001 || align="right" | 5,5304 || align="right" |1,60<br />
|-<br />
| 2002 || align="right" | 5,6328 || align="right" |0,70<br />
|-<br />
| 2003 || align="right" | 5,7223 || align="right" |-0,60<br />
|}<br />
|}<br />
<br />
Nach der fünften chinesischen [[Volkszählung]] erreichte die Gesamtbevölkerung der Stadt Nanjing im Jahr 2000 den Wert von 6,24 Millionen. Die Geburtenrate lag bei 7,73 %, die Mortalitätsrate bei 5,44 %. 2004 heirateten 47.429 Paare, während sich 7.036 scheiden ließen. Unter den Heiratenden befanden sich 10.473 Personen, die bereits einmal verheiratet waren.<br />
<br />
Wie in den meisten Städten Ostchinas besteht auch die Bevölkerung Nanjings zu einem sehr hohen Anteil (98,56%) aus [[Han-Chinesen]]. 77.394 Einwohner Nanjings gehören einer der 50 in der Stadt vertretenen Minderheiten an; die größten Anteile davon entfallen auf die [[Hui (Volk)|Hui]] (64.832), die [[Mandschuren]] (2.311) sowie die [[Zhuang]] (533). Die meisten Minderheitsangehörigen leben im Stadtbezirk Jianye und stellen dort 9,13% der Bevölkerung. <br />
<br />
2003 betrug der Geschlechterproporz in der Stadt 106,49 Männer auf 100 Frauen. <br />
<br />
2004 betrug das [[Bruttosozialprodukt]] der Stadt 191 Mio. Yuan und lag damit in der Provinz [[Jiangsu]] auf dem dritten Platz. Pro Kopf betrug es 33.050 Yuan, was gegenüber 2003 eine Steigerung von 15% darstellt. Die Arbeitslosenquote lag mit 4,03% leicht unter dem nationalen Durchschnitt von 4,2%.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
=== Bis 1368 ===<br />
<br />
Nanjing gehört zu den ältesten Städten Südchinas. Der Legende nach hat [[Fu Chai]], der Herrscher von [[Wu (Staat)|Wu]], auf dem Gebiet des heutigen Nanjing bereits 495 v. Chr. eine Stadt namens [[Yecheng]] ({{zh|kurz=|c=冶城|p=Yěchéng}}) erbaut. 473 v. Chr. soll aber der Staat [[Yue (Staat)|Yue]] Wu erobert und in der Nähe des heutigen Zhonghua-Tors die Stadt [[Yuecheng]] ({{zh|kurz=|c=越城|p=Yuèchéng}}) errichtet haben. 333 v. Chr. schließlich, nach dem Untergang des Yue-Staats, baute der Staat [[Chu (Staat)|Chu]] im Nordwesten des heutigen Nanjing die Stadt [[Jinling Yi]] ({{zh|kurz=|c=金陵邑|p=Jīnlíng-yì}}). Seit damals hat die Stadt zahlreiche Zerstörungen und Wiederaufbaumaßnahmen erlebt.<br />
<br />
Erstmals Hauptstadt wurde Nanjing 229 n. Chr., als [[Sun Quan]] von [[Wu (Staat)|Wu]] während der [[Zeit der drei Reiche]] seine Residenz nach Jianye ({{zh|kurz=|v=建邺|t=建鄴}}) verlegte, eine Stadt am Fuße von Jinling Yi. Nach der Invasion der [[Fünf Hu]] floh der Adel der [[Jin-Dynastie (265-420)|Jin-Dynastie]] über den Yangzi und machte Nanjing unter dem Namen [[Jiankang]] erneut zur Hauptstadt. Sie verlor diesen Status erst wieder unter der China vereinigenden [[Sui-Dynastie]].<br />
<br />
Einen Aufschwung erlebten Nanjing und insbesondere seine Industrie dann wieder unter den [[Tang-Dynastie|Tang]] und [[Song-Dynastie|Song]]. Zur Zeit der [[Yuan-Dynastie]] Mongolenherrschaft wurde die Stadt zu einem Zentrum der Textilfertigung.<br />
<br />
=== Ming-Dynastie ===<br />
[[Datei:Ming-Hungwu.jpg|thumb|upright|[[Ming-Dynastie|Ming]]-Kaiser [[Hongwu]]]]<br />
<br />
Der erste [[Ming-Dynastie|Ming]]-Kaiser [[Hongwu]] erhob Nanjing 1368 erneut zur Hauptstadt Chinas und gab ihr den Namen Yingtian. In 21 Jahren bauten ca. 200.000 Arbeiter Nanjing zur größten Stadt der damaligen Welt mit einer geschätzten Einwohnerzahl von knapp einer halben Million aus. Aus dieser Zeit datiert die heute noch weitgehend erhaltene [[Stadtmauer (Nanjing)|Stadtmauer]]. Nanjing erreichte damals erheblichen Wohlstand. Neben der traditionellen Textilindustrie konnten sich nunmehr auch Druckereiwesen und Schiffbau etablieren; Nanjing war damals Werftstadt für die größten [[Segelschiff]]e des Mittelalters und Heimathafen der Schatzflotte des Admirals [[Zheng He]]. Von hier aus gingen seine Reisen nach [[Indien]], [[Arabische Halbinsel|Arabien]] und [[Afrika]]. Nachdem Kaiser [[Yongle]] die Hauptstadt 1421 nach [[Peking]] („Nördliche Hauptstadt”) verlegt hatte, gab er Yingtian erstmals ihren heutigen Namen Nanjing, was mit „Südliche Hauptstadt” übersetzt werden kann.<br />
<br />
=== Qing-Dynastie ===<br />
<br />
Während der [[Qing-Dynastie]] trug die Stadt den Namen Jiangning (江宁) und diente als Regierungssitz des Vizekönigs von [[Liangjiang]]. <br />
Nanjing ist der historische Schauplatz der (erzwungenen) Öffnung des „Reiches der Mitte” zum Westen mit dem [[Vertrag von Nanking|Vertrag von Nanjing]] (1842), der den Niedergang Chinas einläutete. Unter dem Namen Tianjing ({{zh|kurz=|c=天京|p=Tiānjīng|b=Himmelshauptstadt}}) war sie Mitte des 19. Jahrhunderts Zentrum des [[Taiping-Aufstand]]s. Nach der Rückeroberung durch Qing-General [[Zeng Guofan]] 1864 kamen durch Massaker bzw. Selbstmord 100.000 Bewohner ums Leben.<br />
<br />
=== Erste Republik ===<br />
<br />
1912 stieg Nanjing unter dem Regime [[Sun Yat-sen]]s ein weiteres Mal zur Hauptstadt auf. Noch heute befindet sich sein [[Sun-Yat-sen-Mausoleum|Mausoleum]] in den Purpurbergen im Osten der Stadt. [[Yuan Shikai]] verlegte die Regierung nach Peking. Nach der Spaltung der [[Guomindang]] (GMD) etablierte [[Chiang Kai-shek]] 1927 in der Stadt das von ihm geführte nationalkonservative [[Nanking-Regime|Nanjing-Regime]], das mit dem des linken GMD-Flügels in Wuhan sowie dem der Warlords in Peking um die Macht rang. Der Zeitraum von 1927-1937 wird auch als [[Nanjing-Dekade]] bezeichnet.<br />
<br />
Der damit verbundene Zuzug wohlhabender Schichten sorgte für eine Belebung der Konjunktur und des Konsums. Es entstand eine ganze Reihe von Kaufhäusern wie etwa das [[Zhongyang Shangchang]]. 1933 überflügelte die Wertschöpfung der Lebensmittel- und Unterhaltungsbranche erstmals die der traditionellen [[Industrie]] und der [[Landwirtschaft]]. Ein Drittel der Stadtbevölkerung arbeitete bereits im [[Dienstleistungssektor]]. [[Prostitution]], [[Drogenhandel]] und [[Glücksspiel]]e florierten. <br />
<br />
Während des [[Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg|Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges]] wurde Nanjing, die damalige Kriegshauptstadt, vom 9. Dezember 1937 an belagert. Die chinesischen Truppen verweigerten sich der geforderten Kapitulation. Daraufhin eröffnete die [[Kaiserliche Japanische Armee|japanische Armee]] eine massive Offensive und drängte bis zum 12. Dezember die chinesischen Truppen aus der Stadt auf die andere Uferseite des [[Jangtsekiang]]. Bei der Belagerung der Stadt kam es auch zum [[Panay-Vorfall]], bei dem das Schiff ''USS Panay'', das in Nanjing lebende US-Bürger flussaufwärts evakuieren wollte, von japanischen Fliegern versenkt wurde. Der Vorfall brachte diplomatische Spannungen zwischen Japan und den USA und führte zu einer nachhaltigen Veränderung des Japanbildes in den Vereinigten Staaten, obwohl sich Japan offiziell für die Versenkung entschuldigte.<br />
<br />
[[Datei:Nanjing-MassacreMemorialSite.jpg|thumb|Gedenkstätte des [[Massaker von Nanjing|Nanjing-Massakers]]]]<br />
<br />
Am 13. Dezember besetzten japanische Divisionen die Stadt und verübten an der Zivilbevölkerung das [[Massaker von Nanking|Massaker von Nanjing]]. Über das Ausmaß des Massakers wird bis heute gestritten; laut den [[Tokioter Prozesse]]n wurden mindestens 200.000 Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und rund 20.000 Mädchen und Frauen vergewaltigt<ref>Judgement International Military Tribunal for the Far East: ''[http://www.ibiblio.org/hyperwar/PTO/IMTFE/IMTFE-8.html IMTFE Judgement]'', Paragraph 2, Seite 1012</ref>.<br />
<br />
=== Volksrepublik ===<br />
<br />
Nach der Machtergreifung der Kommunisten 1949 und der damit verbundenen Erhebung Pekings zur Hauptstadt der Volksrepublik, sank Nanjing auf den Status einer Provinzhauptstadt herab. Gleichwohl betrachtete das nach [[Taiwan]] geflohene Guomindang-Regime die Yangzi-Metropole weiterhin als offizielle Hauptstadt Chinas, während [[Taipei]] nur als provisorische Hauptstadt fungierte.<br />
<br />
In den 1950er Jahren bauten die [[Kommunistische Partei Chinas|Kommunisten]] im Zuge der forcierten Industrialisierung systematisch die staatliche [[Schwerindustrie]] aus. Die Ansiedlung von Elektro-, Chemie-, Stahl- und Maschinenbetrieben sollte nachhaltig das Gesicht der Stadt verändern. Die übertriebene Begeisterung für den Aufbau einer „Weltklasse-Industrie” führte aber auch zu gravierenden Fehlentscheidungen, die in starkem Maße zur wirtschaftlichen Rezession Ende der 60er Jahre beitrugen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Investition von hunderten von Millionen Yuan in die Förderung nicht-existenter Kohlevorkommen.<br />
<br />
== Politik ==<br />
<br />
{{Lückenhaft|Politik}}<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
[[Datei:XinJieKou01 Nanjing.JPG|thumb|Zeugnis der wirtschaftlichen Entwicklung: Moderne Straße in Nanjing]]<br />
<br />
Die Industrielandschaft Nanjings ist weiterhin von den fünf [[Schlüsselindustrie]]n Elektro, Fahrzeugbau, Petrochemie, Eisen/Stahl und Energie geprägt. Zu den bedeutendsten Staatsbetrieben zählen [[Panda Electronics]], [[Jincheng Motors]] und [[Nanjing Steel]]. Gleichwohl gewann der [[Tertiärsektor]] erheblich an Bedeutung zurück; heute trägt er 44% zum Bruttosozialprodukt der Stadt bei.<br />
<br />
Mit den anderen Städten des [[Jangtsekiang]]-Deltas konkurriert Nanjing um ausländische Investoren. Bisher haben sich etliche transnationale Unternehmen niedergelassen, zu nennen sind u.a. <br />
* [[Volkswagen]]<br />
* [[Fiat]]<br />
* [[Iveco]]<br />
* [[BASF]], über die ''BASF-YPC'', ein seit 2005 aktives [[Joint-Venture]] mit ''Sinopec''<br />
* [[Sharp Corporation|Sharp]]<br />
* [[Bosch und Siemens Hausgeräte|Bosch/Siemens]], über die 1997 gegründete Tochtergesellschaft BSH Electrical Appliances (Jiangsu) Co., LTD.<br />
* [[Robert Bosch GmbH|Bosch]], über die ''Nanjing Huade Spark Plug Co., Ltd.'', ein Joint Venture mit der ''LD Group Nanjing'' zur Produktion von Zündkerzen.<br />
* [[Phoenix Contact]]<br />
<br />
Seit dem Beitritt Chinas zur [[Welthandelsorganisation]] (WTO) zieht Nanjing verstärktes Interesse auf sich. Im Schnitt gründen ausländische Firmen täglich zwei neue Niederlassungen in der Yangzi-Metropole.<br />
<br />
Die Stadtverwaltung arbeitet weiterhin an einer Verbesserung der Attraktivität Nanjings für Investoren, unter anderem durch die Gründung von mittlerweile vier Industrieparks: Gaoxin, Xingang, Huagong und Jiangning. Trotz dieser Bemühungen fällt Nanjing aber weiter hinter Nachbarstädte wie [[Wuxi]], [[Suzhou (Jiangsu)|Suzhou]] und [[Hangzhou]] zurück. Die traditionellen Staatsbetriebe indes sehen sich dem Wettbewerb mit den transnationalen Unternehmen nicht mehr gewachsen und versinken entweder in Überschuldung, gehen bankrott oder werden privatisiert. <br />
<br />
In Nanjing befindet sich weiter die Zentrale der Jiangsu Power Co.L.T.D. und [[Suning Home Appliances]], dem zweitgrößten Elektroeinzelhändler Chinas.<br />
<br />
== Verkehr ==<br />
Nanjing gilt als die zentrale Verkehrsdrehscheibe des [[Jangtsekiang]]-Deltas und integriert alle gebräuchlichen Verkehrsmittel. Wie in allen chinesischen Städten spielt für den Großteil der Bevölkerung der [[Öffentlicher Verkehr|Öffentliche Verkehr]] eine dominante Rolle.<br />
<br />
=== Straße ===<br />
Als Regionaldrehscheibe wird Nanjing von mehr als 60 Staats- und Provinz[[autobahn]]en erschlossen, die in alle Teile Chinas führen. Express highways wie Hu-Ning, Ning-He, Ning-Hang bringen Pendler nach Shanghai, [[Hefei]], Hangzhou und andere bedeutende Städte. Innerhalb der Stadt verlaufen 230 km Autobahnen, was einer Dichte von 3,38 km pro 100 km² entspricht. Bezogen auf alle Straßen liegt die Dichte bei 112,56 km pro 100 km².<br />
<br />
=== Eisenbahn ===<br />
Des Weiteren stellt Nanjing einen wichtigen [[Eisenbahn]]knoten dar. Die wichtigsten Stammstrecken führen in Richtung Shanghai, Suzhou und Wuxi; über sie bestehen Direktverbindungen in zahlreiche Großstädte des Landes. Der Hauptbahnhof befindet sich nördlich des ''Xuanwu''-Sees. Daneben gibt es am Yangzi-Ufer nahe der Brücke den Bahnhof Nanjing West und in der Nähe der Blumenregenterrasse den Bahnhof Nanjing Süd. Etwas außerhalb der Stadt liegt der Ostbahnhof Nanjings. Seit dem Jahr 2005 kann man mit einer [[U-Bahn]] vom Hauptbahnhof bis zur [[Olympiaanlage]] fahren. Es sind viele weitere Strecken geplant bzw. im Bau. Im Vorort Jianning ist derzeit der neue Suedbahnhof geplant, der den Anschluss zur Schnellzugverkehr zwischen Peking und Shanghai gewaehrleisten soll.<br />
<br />
=== Öffentlicher Personennahverkehr ===<br />
Der öffentliche Busverkehr der Stadt wird von den Gesellschaften [[Nanjing Gongjiao]], [[Zhongbei]], [[Argos (Personennahverkehr in Nanjing)|Argos]] und [[Xincheng (Personennahverkehr in Nanjing)|Xincheng]] betrieben, die auf 170 Strecken alle Teile der Stadt inklusive der Vororte erschließen. Die erste Nanjinger U-Bahn-Linie nahm ihren Betrieb am 15. Mai 2005 auf, im November wurde mit dem Bau einer zweiten Strecke begonnen. Bis zum Jahr 2050 soll ein 433 km langes U-Bahn-System entstehen.<br />
<br />
=== Luftverkehr ===<br />
Nanjings Flughafen, der [[Flughafen Nanjing Lukou International]], liegt dem Passagieraufkommen nach auf Platz 15 unter den 126 chinesischen Zivilflughäfen, beim Frachtaufkommen auf Platz 10. Derzeit bestehen 85 Verbindungen ins In- und Ausland, darunter solche nach [[Japan]], [[Korea]], [[Thailand]], [[Singapur]] und nach [[Deutschland]]. [[Lufthansa]] bedient ab 31. März 2008 die Strecke von [[Frankfurt am Main]] mit der Flugnummer LH780 aus dreimal wöchentlich mit einem [[Airbus A340-300]]. Autobahnen führen nicht nur ins 35 km nach Norden entfernte Stadtzentrum, sondern auch direkt in Nachbarstädte.<br />
<br />
=== Wasserverkehr ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 137-000680, China, Nanking, Hafen.jpg|thumb|Hafen Nanjing 1920]]<br />
<br />
Der Hafen von Nanjing ist der größte Binnenhafen Chinas mit einem [[Durchsatz]] von jährlich 66 Mio. Tonnen (2003). Das Hafengelände erstreckt sich über 98 km und verfügt über 64 Kais, von denen 16 Schiffe mit einer Tonnage von mehr als 10.000 Bruttoregistertonnen abfertigen können. Nanjing ist auch der größte Containerhafen am Yangzi. Mit der Eröffnung der eine Million Container fassenden ''Longtan Containers Port Area'' im März 2004 bekräftige Nanjing seinen Anspruch als führender chinesischer Flusshafen. Da am Hafengelände gleich zwei große Raffinerien der großen chinesischen Ölveredeler, gilt Nanjing auch als wichtiges Zentrum in der Ölbranche.<br />
<br />
== Kultur ==<br />
Traditionell verfügt die ehemalige Hauptstadt Nanjing über ein reiches Kulturleben. <br />
<br />
=== Musik und Theater ===<br />
In der Stadt sind mehrere Orchester ansässig, darunter das ''Jiangsu Symphonieorchester'', das ''Chinesische Orchester der Stadt Nanjing'', zwei Orchester der Universität, zwei des Kunstinstituts sowie eine Bläsergruppe der Technischen Universität.<br />
<br />
Die meisten Theater der Stadt sind multifunktionell angelegt und können neben ihrem eigentlichen Zweck etwa auch als Kongresszentren, Kinos oder Konzertsäle genutzt werden. Zu den größten Häusern zählen die ''Volksversammlungshalle'' und das ''Kunst- und Kulturzentrum''. <br />
<br />
Im Theaterbetrieb werden die verschiedenen Formen der [[Chinesische Oper|chinesischen Oper]] gepflegt. Das ''Kunqu-Opernhaus'' pflegt die gleichnamige Opernform, die als Chinas älteste gilt. Neben den wöchentlich stattfindenden Opernabenden gibt es mehrmals im Jahr sog. Vollopern, deren Aufführung wegen der Länge der klassischen Texte jeweils mehrere Abende in Anspruch nimmt. Ein Beispiel hierfür aus jüngster Zeit ist die sogar im Fernsehen übertragene Inszenierung des [[Päonienpavillon]], ein weiteres das ''Weiße Seidenhemd'', das den Staatspreis für die beste moderne Oper gewann. Andere Häuser widmen sich der Yang-, Yue-, Xi- und Jing-Oper, der Sprechtheaterform Suzhou Pingtan sowie dem [[Chinesisches Puppentheater|Puppentheater]]. Die Stadt beherbergt das Peking-Oper-Institut der Provinz Jiangsu.<br />
<br />
Berühmt sind auch die ''Qianxian-'' und die ''Nanjing-Tanzgruppe''. 2004 wurde in Nanjing der ''Shangying-Warner Kinopalast'' eröffnet. <br />
<br />
=== Museen und Galerien ===<br />
[[Datei:Nanjing Museum1.jpg|thumb|Das Nanjing-Museum]]<br />
<br />
Das ''Nanjing-Museum'', unter dem Guomindang-Regime als ''Nationales Zentralmuseum'' bekannt, gehört zu den bedeutendsten Museen Chinas. Es zeigt unter anderem klassische Bronzen, Ton- und Jadewaren, [[Chinesische Malerei|Tuschmalerei]], [[Chinesisches Porzellan|Ming- und Qing-Porzellan]] und Seidenkunst. <br />
<br />
Weiter sind das ''Stadtmuseum'', das ''Museum der Geschichte des Taiping-Königreichs'', das ''Volkskunde-'', das ''Stadtmauer-'' sowie ein ''Geologisches'' und ein ''Paläontologisches Museum'' zu nennen.<br />
<br />
Die ''Jiangsu Kunstgalerie'' ist die größte der gesamten Provinz und bietet einen umfassenden Einblick in die traditionelle wie zeitgenössische [[Chinesische Malerei|Malerei]]. Spezielleren Themen widmen sich der ''Kunstgarten Rote Kammer'' sowie die ''Jinling Steingalerie''. <br />
<br />
=== Bibliotheken ===<br />
Die 1937 gegründete ''Nanjing-Bibliothek'' ist mit 7 Mio. Bänden die drittgrößte Bibliothek des Landes. Die Universitätsbibliothek umfasst 4,2 Mio. Bände. Daneben gibt es die städtische ''Jinling-Bibliothek'' sowie verschiedene Stadtbezirks-Bibliotheken.<br />
<br />
=== Festkalender ===<br />
In alter Zeit gab es in der Stadt neben den allgemeinen [[Chinesischer Kalender|chinesischen Festen]] eine Reihe lokaler Veranstaltungen: So pflegte man etwa am 16. Januar gemeinsam die Stadtmauer zu besteigen, am 3. März im ''Qingxi''-Fluss zu baden oder am 9. September und an anderen speziellen Tagen in die Purpurberge zu wandern.<br />
<br />
An ihre Stelle sind heute von der Regierung organisierte Veranstaltungen getreten. Das jährlich stattfindende ''Internationale Pflaumenblütenfest'' in den Pflaumenbergen etwa zieht tausende von Touristen aus dem In- und Ausland an. Weitere wichtige Events sind das ''Baima Pfirsichblüten- und Drachenfest'', das Jiangxin Obstfest sowie das ''Osmanthusblütenfest im Linggu-Tempel''.<br />
<br />
=== Nachtleben ===<br />
Das Nachtleben der Stadt konzentriert sich traditionell um den ''Konfuziustempel'' und die Gegend am [[Qinhuai]]-Fluss, wo sich Restaurants, Kneipen und Nachtmärkte aneinanderreihen. Berühmt sind auch die nächtlichen Bootsfahrten auf dem Qinhuai. Vor der Machtübernahme durch die Kommunisten blühte hier auch die gehobene [[Prostitution]]. In den letzten Jahren entstanden mehrere riesige, bis spät nachts geöffnete Shopping Malls insbesondere im ''Xinjiekou''- Bezirk, an der Hunan-Straße sowie im neu angelegten ''Nanjing 1912''-Bezirk.<br />
<br />
== Bildung ==<br />
=== Schulen ===<br />
* [[Fremdsprachenschule Nanjing]]<br />
=== Universität Nanjing ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 137-048848, China, Nanking, Sternwarte.jpg|thumb|600 mm Zeiss-Spiegel-Teleskop der Sternwarte Nanking (1930)]]<br />
Die [[Universität Nanking|Universität Nanjing]] ({{zh|v=南京大学|t=南京大學|p=Nánjīng Dàxué}}; umgangssprachlich {{zh|kurz=|c=南大|p=Nándà}}) reicht in ihren Ursprüngen bis ins Jahr 258 zurück. 1902 wurde sie in eine moderne Hochschule umgewandelt. Seither hat sie vielfach eine Vorreiterrolle im chinesische Bildungssystem eingenommen, etwa bei der Einführung der [[Koedukation]] wie auch der studentenzentrierter Lehrmethoden im Gegensatz zum traditionellen Frontalunterricht. Sie verfügt über Fakultäten für Architektur, Humanwissenschaften, Auslandsstudien, Naturwissenschaften, Chemie, Geowissenschaft, Technologie, Wirtschaftswissenschaft, Recht, Öffentliche Verwaltung, Politikwissenschaften, Journalismus, Medizin, Umwelt, Softwareentwicklung, Intensivbildung sowie Erziehung/Sport/Kunst. Spezielle Institute bieten darüber hinaus Ausbildungsgänge u.a. in Afrikanologie, Judaistik, Internationale Beziehungen, Anthropologie, Agrowissenschaft, Weltraumwissenschaft an.<br />
<br />
Neben dem im Stadtzentrum gelegenen Gulou-Campus gibt es seit 1993 einen weiteren, den nach seinem Stadtbezirk benannten Pukou-Campus. Dort sind vor allem jüngere Studenten untergebracht. Zu den Ehrendoktoren der Universität Nanjing zählen u.a. [[François Mitterrand]], [[George Herbert Walker Bush|Georges W. Bush]], [[Bob Hawke]], [[Boutros Boutros-Ghali|Boutros Ghali]] sowie [[Johannes Rau]]. Studiert hat dort u.a. der ehemalige Staatspräsident [[Jiang Zemin]].<br />
<br />
=== Weitere Universitäten ===<br />
<br />
Nanjing ist ferner Sitz weiterer staatlicher Hochschulen, nämlich der ''Südost-Universität'' ({{zh|kurz=|v=东南大学|t=東南大學|p=Dongnan Dàxué}}), der ''[[Hohai-Universität]]'' ({{zh|kurz=|v=河海大学|t=河海大學|p=Héhǎi Dàxué}}), die ''[[Pädagogische Universität Nanjing]]'' ({{zh|kurz=|v=南京师范大学|t=南京師範大學|p=Nánjīng Shīfàn Dàxué}}), zweier technischer Hochschulen ({{zh|kurz=|v=理工大学|t=理工大學|p=Lǐgōng Dàxué}} bzw. {{zh|kurz=|v=工业大学|t=工業大學|p=Gōngyè Dàxué}}), einer Finanz- und Wirtschaftsuniversität ({{zh|kurz=|v=财经大学|t=財經大學|p=Cáijīng Dàxué}}), der [[Universität für Landwirtschaft Nanjing]] ({{zh|kurz=|v=农业大学|t=農業大學|p=Nóngyè Dàxué}}), einer Kunsthochschule ({{zh|kurz=|v=艺术学院|t=藝術學院|p=Yìshù Xuéyuàn}}), einer medizinischen Hochschule ({{zh|kurz=|v=医科大学|t=醫科大學|p=Yīkē Dàxué}}), der chinesischen Pharmahochschule ({{zh|kurz=|v=中国药科大学|t=中國藥科大學|p=Zhōngguó Yàokē Dàxué}}) sowie einer Luft- und Raumfahrthochschule ({{zh|kurz=|v=航空航天大学|t=航空航天大學|p=Hángkōng Hángtiān Dàxué}}).<br />
<br />
=== Institute der Akademie der Wissenschaften ===<br />
<br />
In Nanjing befinden sich mehrere Institute der [[Chinesische Akademie der Wissenschaften|Chinesischen Akademie der Wissenschaften]]. Dies sind neben der Zweigstelle der Akademie und dem [[Purple-Mountain-Observatorium]] die Institute für [[Institut für Astronomische Optik und Technologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing|Astronomische Optik und Technologie]] mit einer angeschlossenen Fertigung von astronomischen Instrumenten, [[Institut für Geologie und Paläontologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing|Geologie und Paläontologie]], [[Institut für Bodenkunde der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing|Bodenkunde]] und [[Institut für Geographie und Limnologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing|Geographie und Limnologie]].<br />
<br />
== Sport ==<br />
In der Stadt befindet sich das 13.000 Zuschauer fassende [[Nanjing Olympic Sports Center Gym]].<br />
<br />
== Sehenswürdigkeiten ==<br />
=== Nördliches Zentrum ===<br />
In der Stadtmitte befindet sich ein ''Trommelturm'' ({{zh|kurz=|p=Gǔlóu|v=鼓楼|t=鼓樓}}) von 1382. In der Nähe steht ein ''Glockenpavillon'' ({{zh|kurz=|p=Dàzhōngtíng|v=大钟亭|t=大鐘亭}}) aus dem 19. Jahrhundert, der einen im 17. Jahrhundert eingestürzten Vorgängerbau ersetzt. Die 23 Tonnen schwere Glocke stammt aus der frühen [[Ming-Dynastie]].<br />
<br />
[[Datei:Nanjing Ming wall.jpg|thumb|Stadtmauer aus der Ming-Dynastie in Nanjing]]<br />
<br />
Nordöstlich erstreckt sich der 395 ha große ''Schwarzer-Drachen-See'' ({{zh|kurz=|p=Xuánwǔhú|c=玄武湖}}), der seinen Namen einem angeblich im 5. Jahrhundert dort gesichteten schwarzen Tier, vermutlich einem Krokodil, verdankt. An seinem Ufer verlaufen Reste der Stadtmauer aus der Ming-Zeit; ursprünglich war sie 33 km lang, 12 m hoch und 8 m breit. Die fünf im See verteilten Inseln ''Yingzhou'' (Kirschbauminsel), ''Liangzhou'' (Balkeninsel), ''Huanzhou'' (Runde Insel), ''Lingzhou'' (Wasserkastanieninsel) und ''Cuizhou'' (Smaragdinsel) sind durch untereinander durch Dämme und Brücken verbunden.<br />
<br />
Südlich davon befinden sich die meist kaum kniehohen Ruinen des einstigen [[Kaiserpalast (Nanking)|Kaiserpalastes]] (Mìng Gùgōng, {{lang|zh-Hans|明故宫}}) aus der Ming-Zeit.<br />
<br />
=== Südliches Zentrum ===<br />
Die südliche Altstadt beherrscht der weitläufige Konfuziustempel ({{zh|kurz=|p=Fūzǐ Miào|v=夫子庙|t=夫子廟}}). Ursprünglich aus der [[Song-Dynastie]] stammend, musste er im Laufe der Jahrhunderte nach Zerstörungen mehrfach wieder aufgebaut werden, zuletzt nach der japanischen Besatzungszeit im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Heute wird die wenig authentisch wirkende Anlage vor allem für Ausstellungen und Konzerte genutzt. In der Nähe ist noch eine [[Chinesische Beamtenprüfung|kaiserliche Examensanstalt]] mit mehreren Reihen originalgetreu erhaltenen Prüflingszellen erhalten. Ein Stück südwestlich berichtet ein Museum vom [[Taiping-Aufstand]].<br />
<br />
Am Südrand der Altstadt in ein weiteres Stück historischer Stadtmauer mit dem Südtor zu sehen. Jenseits davon erstreckt sich die ''Blumenregenterrasse'' ({{zh|kurz=|p=Yǔhuātái|c=雨花台}}), ein sanft geschwungener Hügel mit einigen historischen Bauten. Der Legende nach soll dort einst ein buddhistischer Mönch so eindrucksvoll gepredigt haben, dass Blumen vom Himmel fielen. Heute ragt dort ein steinernes Mahnmal in den Himmel, das an die von [[Chiang Kai-shek]]s Truppen 1927 an den Kommunisten verübte Massaker erinnern soll.<br />
<br />
In der westlichen Innenstadt schließlich steht der ''Palast der Himmelsverehrung'' ({{zh|kurz=|v=Cháotiān Gōng|c=朝天宫}}), der besterhaltene Konfuziustempel südlich des Yangzi. In seinen Anfängen reicht er bis in 5. Jahrhundert zurück, als Fürst ''Helu'' von [[Wu (Staat)|Wu]] dort zwei berühmte Schwerter schmieden ließ. In der Ming-Dynastie wurde der Bau zu einer Audienzhalle des Kaiser umgewidmet. Heute dient der Tempel als Museum. <br />
<br />
[[Datei:Nanjing-Mochouhu.jpg|thumb|Mochouhu-Park]]<br />
<br />
Der nahebei gelegene idyllische ''Mochouhu-Park'' ({{zh|kurz=|p=Mòchóuhú Gōngyuán|v=莫愁湖公园|t=莫愁湖公園}}) verdankt seinen Namen einer für ihre Sangeskunst berühmte Frau aus dem 5. Jahrhundert, die von ihrem zudringlichen Nachbarn in den Selbstmord durch Ertränken getrieben wurde. Am Ufer des gleichnamigen Sees erinnert der ''Turm der verlorenen Schachpartie'' ({{zh|kurz=|p=Shèngqí Lóu|v=胜棋楼|t=勝棋樓}}) an ein Spiel zwischen Kaiser [[Hongwu]] und seinem General [[Xu Da]], bei dem letzterer als Siegespreis den Park gewann.<br />
<br />
Ein Stück westlich gemahnt eine Gedenkstätte ({{zh|kurz=|p=Nánjīng dàtúshā Jìniànguǎn|v=南京大屠杀纪念馆|t=南京大屠殺紀念館}}) mit einem kleinen Museum an das von den Japanern während des Zweiten Weltkriegs verübte [[Nanking-Massaker|Nanjing-Massaker]], bei dem innerhalb weniger Wochen mindestens 200.000 Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und rund 20.000 Mädchen und Frauen vergewaltigt wurden.<br />
<br />
=== Yangzi ===<br />
[[Datei:Nanjing-YangziBridge.jpg|thumb|Yangzi-Brücke; Blick Nordwest]]<br />
[[Datei:MingGraeberNanjing.jpg|thumb|Ming-Gräber, 19. Jh.]]<br />
<br />
Die im Nordwesten der Stadt den [[Jangtsekiang]] überspannende Auto- und Eisenbahnbrücke zählt mit einer Gesamtlänge von 6.772 m zu den größten Brücken Asiens. Sie wurde 1960-68 zum Stolz des chinesischen Volkes ganz ohne ausländische Hilfe erbaut. Ein Stück südlich erinnert ein kleines Museum an den 1842 geschlossenen [[Vertrag von Nanking|Vertrag von Nanjing]], der den [[Erster Opiumkrieg|Ersten Opiumkrieg]] beendete und für China ein Zeitalter halbkolonialer Abhängigkeit einläutete. Ein Stück yangziabwärts erhebt sich am Ufer der Schwalbenfels mit einem Pavillon, der eine Tafel mit der Originalkalligraphie Kaiser [[Qianlong]]s enthält.<br />
<br />
=== Purpurberge ===<br />
Im Osten der Stadt schließlich erstrecken sich die weitläufigen Purpurberge ({{zh|p=Zǐjīnshān|c=紫金山}}). 392 Stufen führen zum pompösen, aus weißem Marmor erbauten [[Sun-Yat-sen-Mausoleum]] empor, in dem man des 1925 verstorbenen und 1929 hierher überführten Staatsgründers gedenkt. Ein Stück westlich liegt das Grab des ersten Ming-Kaisers [[Hongwu]], der als einziger seiner Dynastie noch hier in Nanjing und nicht in der späteren Hauptstadt Peking begraben ist; nahebei eine „Geisterstraße“ mit Tierskulpturen. Den früher an dieser Stelle befindlichen buddhistischen Tempel des Geistertals (Línggǔsì 灵谷寺) hat man damals kurzerhand einige Kilometer nach Osten versetzt, wo er heute noch besichtigt werden kann. Auf einer Hügelkuppe im Westen der Purpurberge erhebt sich schließlich das kaiserliche [[Purple-Mountain-Observatorium|Observatorium]] mit historischen astronomischen Instrumenten.<br />
<br />
Die Masten der [[Jangtsekiang-Freileitungskreuzung Nanjing]] sind die höchsten Betonmasten der Welt<br />
<br />
== Partnerstädte ==<br />
Derzeit bestehen 15 Partnerschaften mit ausländischen Städten oder Regionen:<br />
* [[Datei:Flag of France.svg|20px]] [[Elsass]], [[Frankreich]]<br />
* [[Datei:Flag of Colombia.svg|20px]] [[Barranquilla]], [[Kolumbien]]<br />
* [[Datei:Flag of South Africa.svg|20px]] [[Bloemfontein]], [[Südafrika]]<br />
* [[Datei:Flag of the Netherlands.svg|20px]] [[Eindhoven]], [[Niederlande]]<br />
* [[Datei:Flag of Italy.svg|20px]] [[Florenz]], [[Italien]]<br />
* [[Datei:Flag of France.svg|20px]] [[Hauts-de-Seine]], Frankreich<br />
* [[Datei:Flag of the United States.svg|20px]] [[Houston]], [[USA]]<br />
* [[Datei:Flag of Germany.svg|20px]] [[Leipzig]], [[Deutschland]]<br />
* [[Datei:Flag of Cyprus.svg|20px]] [[Limassol]], [[Republik Zypern|Zypern]]<br />
* [[Datei:Flag of Canada.svg|20px]] [[London (Ontario)]], [[Kanada]]<br />
* [[Datei:Flag of Mexico.svg|20px]] [[Mexicali]], [[Mexiko]]<br />
* [[Datei:Flag of Japan.svg|20px]] [[Nagoya]], [[Japan]]<br />
* [[Datei:Flag of Australia.svg|20px]] [[Perth]], [[Australien]]<br />
* [[Datei:Flag of the United States.svg|20px]] [[St. Louis]], USA<br />
* [[Datei:Flag of South Korea.svg|20px]] [[Daejeon]], [[Südkorea]]<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
<br />
;Söhne und Töchter der Stadt<br />
* [[Wang Anyi]] (* 1954), Schriftstellerin<br />
* [[Fang Fang]] (* 1955), Schriftstellerin<br />
* [[Jujie Luan|Luan Jujie]] (* 1958), kanadische Florettfechterin<br />
* [[Wang Shuo]] (* 1958), Schriftsteller und Drehbuchautor<br />
* [[Zhang Yuan]] (* 1963), Regisseur<br />
* [[Bao Xian Fei]] (* 1983), Wushu-Kämpfer<br />
* [[Ruan Lufei]] (* 1987), Schachspielerin<br />
* [[Shen Yang]] (* 1989), Schachspielerin<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* ''[[John Rabe (Film)|John Rabe]] '' Film von 2009 unter Regie von Oscar-Preisträger [[Florian Gallenberger]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Iris Chang]]: ''The Rape of Nanking.'' Penguin Books, London 1997, 1998. ISBN 0-14-027744-7<br />
* [[Erwin Wickert]]: ''[[John Rabe]], der gute Deutsche von Nanking.'' Dt. Verlagsanstalt, Stuttgart 1997. ISBN 3-421-05098-8<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Nanjing}}<br />
* [http://english.nanjing.gov.cn/ Offizielle Homepage der Stadt Nanjing] (englisch)<br />
* [http://web.archive.org/web/20071223011341/www.nankingatrocities.net/note/note.htm Online documentary: The Nanking Atrocities] im [[Internet Archive]]<br />
* [http://www.cnd.org/njmassacre/njm-tran/njm-intr.htm Nanjing-Massaker ]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Bezirksfreie Städte Jiangsus}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ort in Jiangsu]]<br />
[[Kategorie:Unterprovinzstadt (China)]]<br />
[[Kategorie:Millionenstadt]]<br />
[[Kategorie:Nanjing| ]]<br />
<br />
{{Link GA|zh}}<br />
<br />
[[ace:Nanjing]]<br />
[[af:Nanjing]]<br />
[[ar:نانجينغ]]<br />
[[bg:Нандзин]]<br />
[[ca:Nanquín]]<br />
[[cs:Nanking]]<br />
[[da:Nanjing]]<br />
[[el:Ναντζίνγκ]]<br />
[[en:Nanjing]]<br />
[[eo:Nankingo]]<br />
[[es:Nankín]]<br />
[[et:Nanjing Shi]]<br />
[[eu:Nankin]]<br />
[[fa:نانجینگ]]<br />
[[fi:Nanjing]]<br />
[[fr:Nankin]]<br />
[[gan:南京]]<br />
[[gl:Nanjing - 南京]]<br />
[[he:נאנצינג]]<br />
[[hr:Nanjing]]<br />
[[hu:Nanjing]]<br />
[[id:Nanjing]]<br />
[[it:Nanchino]]<br />
[[ja:南京市]]<br />
[[ko:난징 시]]<br />
[[kw:Nanjing]]<br />
[[la:Nanchinum]]<br />
[[lt:Nankinas]]<br />
[[ml:നാൻജിങ്]]<br />
[[mr:नांजिंग]]<br />
[[ms:Nanjing]]<br />
[[my:နန်ကျင်းမြို့]]<br />
[[nl:Nanking]]<br />
[[no:Nanjing]]<br />
[[os:Нанкин]]<br />
[[pa:ਨਾਨਜਿੰਗ]]<br />
[[pl:Nankin]]<br />
[[pnb:نانجنگ]]<br />
[[pt:Nanquim]]<br />
[[qu:Nanjing]]<br />
[[ro:Nanjing]]<br />
[[ru:Нанкин]]<br />
[[sah:Нанкин]]<br />
[[simple:Nanjing]]<br />
[[sl:Nandžing]]<br />
[[so:Nanjing]]<br />
[[sr:Нанкинг]]<br />
[[sv:Nanjing]]<br />
[[sw:Nanjing]]<br />
[[ta:நாஞ்சிங்]]<br />
[[th:หนานจิง]]<br />
[[tl:Nanjing]]<br />
[[tr:Nankin]]<br />
[[ug:نەنجىڭ شەھىرى]]<br />
[[uk:Нанкін]]<br />
[[ur:نانجنگ]]<br />
[[vi:Nam Kinh]]<br />
[[war:Nanjing]]<br />
[[wuu:南京市]]<br />
[[zh:南京市]]<br />
[[zh-classical:南京]]<br />
[[zh-min-nan:Lâm-kiaⁿ-chhī]]<br />
[[zh-yue:南京]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Reclam-Verlag&diff=82688259Reclam-Verlag2010-12-15T14:18:54Z<p>Xjs: /* Nach der Wende */ Satzzeichen.</p>
<hr />
<div>{{Infobox Unternehmen<br />
| Name = Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG<br />
| Logo = [[Datei:Reclam-Verlag logo.svg|frameless|upright=1.4|Logo]]<br />
| Unternehmensform = [[GmbH & Co. KG]]<br />
| ISIN = <br />
| Gründungsdatum = 1. Oktober 1828<br />
| Sitz = [[Ditzingen]], [[Deutschland]]<br />
| Leitung = <br />
* Frank R. Max<br />
* Franz Schäfer<br />
| Mitarbeiterzahl = 133<br />
| Umsatz = <br />
| Bilanzsumme = <br />
| Branche = [[Buchverlag]]<br />
| Produkte = [[Buch|Bücher]]<br />[[Hörbuch|Hörbücher]]<br />
| Homepage = [http://www.reclam.de www.reclam.de]<br />
}}<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-06449, Leipzig, Geschäftshaus des Reclam-Verlages.jpg|thumb|Leipzig, Geschäftshaus des Reclam-Verlages, 1928]]<br />
[[Datei:Reclam Auflagen UB.jpg|thumb|Auflagenbuch für die ersten drei Bände der Universalbibliothek]]<br />
'''Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG''' ist ein mittelständischer deutscher Verlag. Den besonders als Herausgeber der [[Reclam Universal-Bibliothek|Reclam-Universal-Bibliothek]] bekannten Verlag hatte [[Anton Philipp Reclam]] [[1828]] in [[Leipzig]] gegründet. Der westdeutsche Zweig des Verlages entstand im September 1947 in [[Stuttgart]] und hat seit 1980 seinen Sitz im nahen [[Ditzingen]]. Das Stammhaus wurde unter dem Namen ''Reclam Leipzig'' bis zum 31. März 2006 in Leipzig fortgeführt. Der Verlag befindet sich seit seiner Gründung in Familienbesitz, im Jahr 2007 beschäftigte er 133 Mitarbeiter.<br />
<br />
== Programm ==<br />
<br />
Das Programm von Reclam gliedert sich in drei Hauptbereiche: die Universalbibliothek, auf die der Großteil von Auflage und Umsatz des Verlages zurückgeht, das Hardcover-Programm mit Nachschlagewerken zu Kunst und Kultur, Sachbüchern und Geschenkbüchern sowie das Taschenbuchprogramm.<br />
<br />
=== Reclam-Universal-Bibliothek ===<br />
[[Datei:Reclam-Katalog 1902.jpg|thumb|Verlagsverzeichnis von 1902]]<br />
Wichtigster Programmteil für den Verlag, oder in den Worten des derzeitigen (2006) Geschäftsführers Frank R. Max das ''Herzstück des Verlages, das, was die Marke Reclam im Kern ausmacht'' <ref>[http://www.boersenblatt.net/sixcms/detail.php?id=99266 Börsenblatt des deutschen Buchhandels "Ende für Reclam in Leipzig - Label soll weitergeführt werden"]</ref>, ist die [[Reclam Universal-Bibliothek|''Universal-Bibliothek'']]. In den so genannten ''Reclam-Heften'' erscheinen seit Mitte des 19. Jahrhunderts Klassikerausgaben, die durch ihren geringen Preis und ihre einheitliche Gestaltung auffallen. Sie ist die älteste deutschsprachige Taschenbuchreihe und ihr liegt das Bestreben zu Grunde, einen einmal gedruckten Titel nach Möglichkeit lieferbar zu halten. Die genaue Zahl der je erschienen Titel ist unbekannt, sie liegt jedoch im fünfstelligen Bereich. Die Nachkriegsauflage der ''Universal-Bibliothek'' lag bis 2003 bei 35 Millionen Exemplaren.<br />
Die (gelbe) Universal-Bibliothek hat jährlich zirka hundert Neuerscheinungen. <br />
<br />
Innerhalb der Universalbibliothek sind die Hefte durch einen Farbcode abgesetzt:<br />
# Gelb: Einsprachige Ausgaben in deutscher Sprache, meist mit Anmerkungen und Vorwort oder Nachwort. In dieser Reihe finden sich auch Übersichtswerke beispielsweise zur deutschen Literatur, zur Geschichte oder zur Philosophie.<br />
# Rot: Fremdsprachige Ausgaben, mit Vokabelhilfe. In Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch Latein oder Altgriechisch.<br />
# Orange: Zweisprachige Ausgaben, Deutsch-Fremdsprache.<br />
# Blau: Lektüreschlüssel (für Schüler) und Arbeitstexte, beispielsweise Kurzgeschichten für einen bestimmten Jahrgang.<br />
# Grün: Erläuterungen, Interpretationen, Quellentexte.<br />
# Magenta: Sachbuch zu den Themenbereichen Politik, Geschichte, Gesellschaft, Naturwissenschaft, Kunst, Musik und Religion.<br />
<br />
=== Reclam Leipzig ===<br />
<br />
Bis Anfang 2006 wurden als „Reclam Leipzig“ neue belletristische Autoren und Sachbücher veröffentlicht. In dieser Reihe erscheinen relativ viele Übersetzungen zeitgenössischer Autoren; bekannte Veröffentlichungen der Reihe sind ''[[Schlafes Bruder]]'', [[Claudia Schreiber]]s ''Emmas Glück'' oder die Bücher von [[Sibylle Berg]]. Unter den Sachbüchern finden sich zeitgenössische (sozial-)philosophische Texte ([[Dirk Baecker]], [[Umberto Eco]] etc.), einige Biographien sowie Texte zur Populär- und Alltagskultur. Titel mit dem Imprint "Reclam Leipzig", unter dem bis 2006 Belletristik und unterhaltsame Sachbücher veröffentlicht wurden, sind auch heute noch lieferbar.<br />
<br />
=== Andere Reihen ===<br />
<br />
Reclam bringt seit 100 Jahren auch eine Vielzahl kultureller Nachschlagewerke wie [[Reclams Hörspielführer|Hörspiel-]], [[Reclams Jazzführer|Jazz-]], [[Reclams Klaviermusikführer|Klaviermusik-]], [[Reclams Konzertführer|Konzert-]], [[Reclams Kunstführer|Kunst-]], [[Reclams Liedführer|Lied-]], [[Reclams Musicalführer|Musical-]], [[Reclams Operettenführer|Operetten-]] oder [[Reclams Opernführer|Opernführer]] heraus. In der "Reihe Reclam" erscheinen Klassikerausgaben als Taschenbücher; sie sind individueller gestaltet als in der Universalbibliothek. Die ''Bunten Anthologien'' versammeln belletristische Texte nach thematischer Ordnung (Blumen, Meer etc.) und sind dem Verlag zufolge vor allem als Geschenkbücher gedacht. Seit Oktober 2008 erscheint die ''Reclam Bibliothek'' mit Werken der Weltliteratur in besonderer Ausstattung. Die Bände sind gestaltet von Friedrich Forssman, dem meistausgezeichneten Buchgestalter Deutschlands, und seiner Frau, der Textildesignerin Cornelia Feyll. Im Format 12 x 19 cm, gedruckt auf holzfreiem Papier, mit Fadenheftung, Leineneinband, Schutzumschlag, farbigem Vorsatzpapier und Kapital- und Leseband eignen sich die Bände zum Sammeln und Verschenken. Von der Stiftung Buchkunst wurde die Reihe Reclam Bibliothek im Wettbewerb "Die schönsten Bücher 2008" mit dem 2. Preis ausgezeichnet.<br />
<br />
==== Taschenbücher ====<br />
Ab Herbst 2007 erscheinen 25 - 30 [[Taschenbuch|Taschenbücher]] jährlich: 15 [[Novi]]täten und "[[backlist]]fähige" Titel aus dem Leipziger Verlag, der gute Erfahrungen damit hatte.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:Reclam Leipzig ca1830.jpg|thumb|Das „Literarische Museum“, Gründungsort des Reclam-Verlags. (etwa 1830)]]<br />
<br />
=== Gründung ===<br />
Die Geschichte des Verlags ist eng mit der Familiengeschichte der Reclams verwoben. Diese lassen sich bis ins 16. Jahrhundert nach Savoyen zurückverfolgen. Reclams waren im Laufe der Geschichte Juwelenhändler, Goldschmiede, Kaufleute, Buchhändler, Prediger, Gelehrte oder Soldaten: Die Tradition im Buchhandel begründete Carl Heinrich Reclam (eigentlich Charles Henri, 1776-1844). Sein Vater war noch Juwelier Friedrichs des Großen gewesen, Carl Heinrich zog nach [[Leipzig]] und eröffnete dort eine Buchhandlung für französische Literatur.<br />
<br />
Nach einer Lehre zum Buchhändler und -drucker in Braunschweig folgte Carl Heinrichs Sohn Anton Philipp (getauft: Antoine Philippe) seinem Vater nach. Er lieh sich vom Vater 3000 Taler und kaufte dafür eine Leihbibliothek, das ''Litherarische Museum'', in der Grimmaischen Straße in der Leipziger Innenstadt. [[Thomas Mann]] beschrieb den Ort anlässlich des Verlagsjubiläums 100 Jahre später: ''Das so genannte Museum war eigentlich kein Museum, sondern ein gefährlich lebensvoller Ort: eine Stätte der Lektüre, der Diskussion, der Kritik! Wo alles verkehrte, was im guten Leipzig der falschen und frömmlerischen Ordnung aufsässig war.'' <ref name="dradio-484687">[http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitreisen/484687/ Deutschlandradio Kultur: ''Reclam Leipzig ade'']</ref> Am 1. Oktober 1828 gründete Anton Philipp Reclam den ''Verlag des literarischen Museums'' in seiner Heimatstadt Leipzig. 1837 verkaufte Reclam das literarische Museum und nannte den Verlag in ''Philipp Reclam jun.'' um. Er erwarb zwei Jahre später eine [[Druckerei]]. Sein Sohn beschrieb ihn später als schroffen und unnahbaren Vorgesetzten, der hart arbeitete, aber von seinen Mitarbeitern denselben Einsatz verlangte.<br />
<br />
1839 kaufte Anton Philipp eine [[Akzidenzdruckerei]] in der Leipziger Königsstraße. Erste schlechte Erfahrungen und säumige Schuldner bei Auftragsdrucken ließen ihn bald nur noch eigene Werke drucken. Die ersten größeren Auflagen des Reclam-Verlags entstanden. Darunter befanden sich Bibel-Ausgaben, das Schmidtsche französische Handwörterbuch, wie auch [[Musikalien]], z.B. ''Das singende Deutschland''.<br />
<br />
Der Verlag war anfangs mit der politischen Bewegung des [[Vormärz]] verbunden. Unter anderem veröffentlichte er die Zeitschriften ''Charivari'' sowie die ''[[Leipziger Locomotive]]'', der bereits kurz nach ihrem Erscheinen die Konzession wegen demokratischer Aufrührigkeit entzogen wurde. 1846 verbot ein Hofdekret gar den Verkauf sämtlicher Reclam-Bücher in [[Österreich-Ungarn]], da sie als zu antihabsburgerisch angesehen wurden. Ein Leipziger Gericht verurteilte Philipp Reclam 1848 zu einer Gefängnisstrafe, da im Verlag die Übersetzung von [[Thomas Paine]]s ''Das Zeitalter der Vernunft. Eine Untersuchung der wahren und unwahren Theologie'' erschienen war.<br />
<br />
Nach der gescheiterten [[Märzrevolution]] 1848 und den empfindlichen Verkaufseinbußen, die das [[Metternich-Dekret]] mit sich brachte, wandelte sich das Unternehmensbild. Der Verlag konzentrierte sich nun weniger auf politisch und literarisch Aufsässiges, sondern mehr darauf ein erfolgreiches Unternehmen zu werden. Im Vordergrund standen nun auflagenstarke Werke der klassischen Bildung: Ausgaben der griechischen und lateinischen Klassiker von Koch; Mühlmanns lateinisches, Koehlers englisches Wörterbuch und das von diesem neu bearbeitete Schmidtsche französische Lexikon; ferner die Opernbibliothek (Klavierauszüge mit deutschem Text), Härtels deutsches Lieder-Lexikon, sowie als Vorläufer der billigen Klassiker-Ausgaben Shakespeares Werke.<br />
<br />
=== Entstehung der Universalbibliothek ===<br />
[[Datei:H H Reclam ca1900.jpg|thumb|Reclam ist seit seinen Anfängen in Familienbesitz. Hier Hans Heinrich Reclam, der zweite Verlagsleiter und Sohn des Verlagsgründers Anton Philipp (um 1900)]]<br />
1858 erschien eine [[William Shakespeare|Shakespeare]]-Ausgabe, aus der 1865 eine Reihe von 25 Bändchen von Shakespeares Dramen in Einzelausgaben hervorging, die als Vorläufer der ''Universal-Bibliothek'' gilt. Mit einer Entscheidung der Bundesversammlung des [[Deutscher Bund|deutschen Bundes]] von 1856 wurde das [[Urheberrecht]] deutscher [[Autor]]en auf 30 Jahre nach deren Tod befristet; Stichtag war der 9. November 1837. Dadurch wurden deren Werk im November 1867 ''[[gemeinfrei]]'' und somit ohne Tantiemen verwertbar. Autoren wie Goethe oder Schiller waren plötzlich für die Verleger kostenfrei zu drucken.<br />
<br />
Bereits der erste Band der ''Universal-Bibliothek'' war wenig später ein [[Weimarer Klassik|Klassiker]] der deutschen Literatur und der Überlieferung nach auch Anton Philipps Lieblingsbuch: [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] ''[[Faust I]]''. Es folgten ''[[Faust II]]'', Lessings ''[[Nathan der Weise]]'', [[Theodor Körner (Schriftsteller)|Theodor Körners]] Liedersammlung ''[[Leyer und Schwert]]'' und Shakespeares ''[[Romeo und Julia|Romeo und Julie]]'' (sic).<br />
<br />
Der Verlag beschrieb die Universal-Bibliothek in zeitgenössischen Anzeigen als: ''Eine Sammlung von Einzelausgaben allgemein beliebter Werke, die in regelmäßiger Folge erscheinen sollen, wobei aber nicht daran gedacht ist, Werke, denen das Prädikat "klassisch" nicht zukommt, die aber nichtsdestoweniger sich einer allgemeinen Beliebtheit erfreuen, aus der Sammlung auszuschließen.'' <ref name="dradio-484687"/> Der Verlag trug so maßgeblich dazu bei, klassische Bildung auch in Bevölkerungsschichten zu tragen, für die diese vorher unerschwinglich war und trug so maßgeblich zur Ausbreitung des Kulturguts bei.<br />
<br />
Dabei halfen moderne [[Technik]] und erfolgreiches [[Marketing]], dass Reclam seine Bücher im [[Taschenbuch]]format sehr günstig verkaufen konnte. Die Werke erschienen zu einem Preis von 2 Silbergroschen, später 20 Pfennig je Nummer, den der Verlag bis 1917 halten konnte. Statt 20 kostete eine Nummer jetzt 25 Pfennig. In der Universal-Bibliothek erschienen pro Jahr rund 140 Bände, neben deutschen Autoren auch europäische Literatur, [[antike]] und [[Philosophie|philosophische]] Werke, Gesetzestexte, musikalische Werke ([[Libretto|Libretti]]), Nachschlagewerke und [[Unterhaltungsliteratur]]. Von zahlreichen Bändchen gab es als Miniaturausgaben gebundene Versionen in unterschiedlichen Ausstattungen.<br />
<br />
1896 starb Anton Philipp Reclam in seinem Geburtsort Leipzig. Die Universalbibliothek umfasste zu dieser Zeit fast 3.500 Nummern (rund 2.300 Bändchen, das sind fast genauso viele verschiedene Titel). Die Verlagsleitung ging an seinen Sohn [[Hans Heinrich Reclam]] (1840–1920) über, der vorher schon wesentlich am Aufbau der Universal-Bibliothek beteiligt war.<br />
<br />
[[Datei:Dante Alighieri-Das Neue Le.jpg|thumb|Dante Alighieri: ''Das Neue Leben'' (gebundene Ausgabe von ca. 1919, broschiert ursprünglich 1879 erschienen)]]<br />
<br />
Der Verlag zog 1905 in das neue Verlagsgebäude des Buchhändlerviertels in Leipzig. Die hauseigene [[Dampfmaschine]] erzeugte dabei unter anderem die Energie für die über 40 [[Schnellpresse]]n der Druckerei. 1908 erschien die 5.000. Nummer der Universal-Bibliothek. <br />
<br />
1912 setzte der Verlag erstmals [[Buchautomat]]en für den Verkauf ein. Die Automaten stellen sich als Verkaufserfolg heraus und bald waren über 2.000 von ihnen in Bahnhöfen, auf Schiffen, in Krankenhäusern und in Kasernen zu finden. Ein damaliger Verlagsprospekt preist die Automaten an: <ref>Frank R. Max: ''Der Reclam Verlag. Eine kurze Chronik''; Reclam Stuttgart ISBN 3-15-018280-8 S. 29</ref><br />
:''Die nebenstehende Abbildung veranschaulicht, daß der Bücherautomat eine von dem berühmten Kunstgewerbler Prof. Peter Behrens entworfene höchst vornehme und ansprechende äußere Form besitzt und wie ein Schaufenster wirkt, indem er zwölf verschiedene Bände zur Auswahl anbietet. Jedes einzelne Buch ist mit einem Streifband umgeben, auf dem in einer deutlichen Schrift mit kurzen prägnanten Sätzen der Inhalt erläutert, die Neugierde durch ein treffendes Urteil erregt oder eine Charakteristik des Autors gegeben wird – besser, als irgendein Verkäufer dazu in der Lage wäre, da er ja niemals über den einzelnen Band so genau unterrichtet sein kann. Die Auswahl wechselt fortgesetzt, denn bei jedesmaligem Kauf fällt der vorderste Band von einem der zwölf sichtbaren Stapel, und ein neues Buch lockt zur Auswahl und zum Kaufe. Da jeder Stapel 6–7 Bände enthält, bietet also ein einziger Apparat eine Auswahl von ca. 80 verschiedenen Büchern!''<br />
<br />
Obwohl die Automaten die Verkaufszahlen angekurbelt hatten, beschloss der Verlag in den frühen 1930ern das einmalige Experiment im deutschen Buchhandel einzustellen, da die Reparaturkosten zu hoch wurden. <br />
<br />
Ab 1920 übernahmen nach dem Tod von Hans Heinrich die Enkel von Philip Reclam, [[Hans-Emil Reclam]] und [[Ernst Reclam]], die Verlagsleitung. Im selben Jahr forcierte der Verlag auch die Herausgabe zeitgenössischer Autoren; darunter befanden sich [[Klabund]], [[Thomas Mann]], [[Arthur Schnitzler]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Gerhart Hauptmann]], [[Franz Werfel]], [[Stefan Zweig]], [[Arnold Zweig]] und [[Ricarda Huch]].<br />
<br />
1928 hielt [[Thomas Mann]] die [[Laudatio]] zum 100-jährigen Bestehen des Verlages.<br />
<br />
=== Zeit des Nationalsozialismus ===<br />
<br />
Während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] durften viele Werke, vor allem [[Jude|jüdischer]] Autoren, nicht mehr veröffentlicht werden. Auch wichtige Hausautoren wie Thomas Mann wurden aus dem Programm gestrichen. Andere prominente Autoren, die in der Zeit nicht mehr bei Reclam erschienen, sind [[Ferdinand Lassalle]], [[Heinrich Heine]], [[Stefan Zweig]], [[Arthur Schnitzler]] und [[Franz Werfel]]. Der Verlag räumte sein Programm zufriedenstellend, so dass der [[Literaturhistoriker]] [[Adolf Bartels]] im ''[[Völkischer Beobachter|Völkischen Beobachter]]'' 1938 verkündete:<ref name="dradio-484687"/> <br />
<br />
:''Im Allgemeinen kann man doch mit dem großen Aufräumen bei Reclam zufrieden sein. Es kommen jetzt tausende deutscher Leser, vor allem das Volk und die Jugend, nicht mehr so leicht an die durchweg gefährlichen jüdischen Dichter und Schriftsteller heran.'' <br />
<br />
1934 wurde das Urheberrecht auf 50 Jahre nach dem Tod des Autors verlängert. Wie bereits im Ersten Weltkrieg gab der Verlag auch zu Beginn des zweiten eine tragbare Feldbibliothek heraus. Es handelte sich dabei um stoßfeste Kästen, die 100 verschiedene Reclam-Ausgaben enthielten, so dass der Wehrmachtssoldat auch an der Front nicht auf Goethe oder Kant verzichten musste. Aufgrund der großen Verbreitung der Bände dienten Reclam-Umschläge aber auch als Tarnung für Widerstandsliteratur, ebenso wie das britische und amerikanische Militär ihre Schriften an deutsche Soldaten in Reclam-Einbänden verpackten.<br />
<br />
Bei den Bombenangriffen am 4. Dezember 1943 wurde das gesamte graphische Viertel Leipzigs schwer getroffen. Im Reclam-Verlag fielen 450 Tonnen Bücher den Bomben zum Opfer.<br />
<br />
=== Zwei Verlage ===<br />
<br />
Zunächst hatte der Verlagseigentümer [[Ernst Reclam]] nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] noch am Verlagsstandort [[Leipzig]] festgehalten. Er war von 1946 bis zu seinem Rücktritt im Januar 1948 sogar noch Erster Vorsteher des [[Börsenverein der Deutschen Buchhändler|Leipziger Börsenvereins]]. Die Arbeit in der [[Sowjetunion|sowjetischen]] [[Besatzungszone]] war aber nicht nur durch die Auswirkungen des Krieges deutlich erschwert, sondern der Verlag wurde auch teilweise enteignet, ein Großteil der technischen Anlagen wurde für [[Reparation]]szwecke demontiert und in die Sowjetunion abtransportiert. <br />
<br />
1947 gründete Reclam in [[Stuttgart]] die ''Reclam Verlag GmbH'' mit acht Buchtiteln, damals noch als Filiale des Leipziger Stammhauses. 1948 verließ er dann - wie viele andere Verlegerkollegen vor ihm - Leipzig und übersiedelte in die amerikanische Besatzungszone. 1950 machte Ernst Reclam das Stuttgarter Unternehmen zum Stammsitz, während ihm die neue Führung der DDR verbot, Reclam Leipzig von Stuttgart aus zu leiten. Reclam Leipzig kam unter staatliche Verwaltung, der Verlag spaltete sich auf.<br />
<br />
==== Reclam Stuttgart ====<br />
[[Datei:Universal Bibliothek vom Reclam-Verlag auf der Buchmesse Leipzig 2005.JPG|thumb|Seit 1970 erscheinen deutschsprachige Bände der Universalbibliothek in gelb. Hier der Verlagsstand auf der Leipziger Buchmesse 2005]]<br />
Reclam Stuttgart produzierte vorwiegend für Schulen. 1953 übernahm [[Heinrich Reclam]], der Sohn von Ernst Reclam, die Verlagsleitung. 1959 erschien der 1.000. Band des neuen Verlages. Seit 1964 begann der Verlag auch verstärkt für Universitäten zu produzieren und neben den reinen Textausgaben auch Ausgaben mit umfangreichen Anmerkungen zu erstellen.<br />
<br />
1967, zum 100-jährigen Geburtstag der ''Universal-Bibliothek'', waren über 1100 Titel erhältlich. Ab 1970 erschienen die Taschenbücher in ihrem bis heute beibehaltenen Aussehen: mit gelbem Umschlag für deutsche und in Orange für zweisprachige Ausgaben; ab 1983 ergänzend in Rot für fremdsprachige Ausgaben mit Vokabelhilfen. Ferner kennzeichnen grüne Umschläge Bände, welche Erläuterungen, Interpretationen, Quellenangaben zu Originaltexten und ähnliche Materialien enthalten; sie dienen als Erweiterung zu den Texten, auf die sie sich beziehen. Blaue Reclam-Hefte enthalten Lektüreschlüssel (für Schüler) und Arbeitstexte.<br />
<br />
1980 wurden die neuen Verlags- und Druckereigebäude in [[Ditzingen]] bezogen. Zu diesem Zeitpunkt erwirtschaftete der Verlag mit der Universalbibliothek 72 Prozent des Umsatzes, 18 Prozent mit Handbüchern und Führern, zehn Prozent erbrachten Aufsatzsammlungen aus den Bereichen Deutsch, Kunst, Philosophie und Musik im relativ neu eingeführten Taschenbuch-Programm<ref>Frank R. Max: ''Der Reclam Verlag. Eine kurze Chronik''; Reclam Stuttgart ISBN 3-15-018280-8 S. 68f.</ref>. Ab 1985 ging die Geschäftsführung des Verlags an die Reclam Geschäftsführung GmbH über, die wiederum von Dietrich Bode und Stefan Reclam-Klinkhardt geleitet wurde.<br />
<br />
==== Reclam Leipzig ====<br />
<br />
Parallel ging der Verlagsbetrieb im Stammhaus Leipzig unter den Bedingungen der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] weiter. Nachdem das DDR-Kultusministerium sich weigerte, den Leipziger Verlag von Stuttgart aus führen zu lassen, stellte es ihn 1952 unter eine Treuhandverwaltung. 1953 folgte kurzzeitig die Umwandlung in einen [[Volkseigener Betrieb|VEB]], die jedoch wieder aufgehoben wurde, da die Voraussetzung hierfür (Nazi-Verwicklung des Voreigentümers) nicht gegeben war. Reclam Leipzig gab weiterhin schwerpunktmäßig die sehr erschwinglichen Bände der ''Universal-Bibliothek'' heraus: neben Werken der [[Weltliteratur]] und deutschen Klassiker sind auch [[Liste von Kulturschaffenden in der DDR|DDR-Autoren]] erschienen. Damit erfüllte Reclam Leipzig für die literarische Bildung eine ähnliche Funktion wie der [[Rowohlt Verlag]] mit den rororo-Büchern im Westen. Der eingesetzte Verlagsleiter [[Hans Marquardt]] bemühte sich, literarische und philosophische Werke mit umfangreichen Kommentaren versehen zu lassen, ebenso wie er versuchte, die Grenzen des in der DDR noch erlaubten auszuloten: Neben den obligatorischen Titeln erschienen im Verlag auch [[Margaret Atwood]], die in ihrer Heimat verfemten russischen Avantgardisten, [[Jessenin]] und [[Boris Pasternak]], [[Ossip Mandelstam]] und [[Anna Achmatowa]], ebenso wie [[Heinrich Böll]] und [[Günter Grass]] oder wie die sozialistischen Kritiker der DDR [[Ernst Bloch]] und [[Hans Mayer (Literaturwissenschaftler)|Hans Mayer]].<br />
<br />
=== Nach der Wende ===<br />
[[Datei:Stand Reclam-Verlag auf der Buchmesse Leipzig 2005.JPG|thumb|Stand auf der Leipziger Buchmesse]]<br />
[[Datei:Reclam Universalbibliothekwand.jpg|thumb|Reclam-Universal-Bibliothek]]<br />
Nach der Wende war die Zukunft von Reclam Leipzig ungewiss. Die Mitarbeiter des Verlags wollten Reclam Leipzig zunächst als eigenständigen Verlag kaufen und eventuell als Stiftung weiterführen. Allerdings waren die Namensrechte ungeklärt und sämtliche Lizenzen der ''Universal-Bibliothek'' lagen bei westdeutschen Verlagen, so dass diese nicht fortgeführt werden konnte. Die Eigentumsrechte am Reclam-Verlag selbst erwiesen sich auch als kompliziert, da Reclam Stuttgart noch Anteile besaß und über die damalige Enteignung zu DDR-Zeiten nur unvollständige Unterlagen vorlagen.<br />
<br />
1992 entstand schließlich nach der Reprivatisierung des Leipziger Stammhauses die Tochtergesellschaft ''Reclam Bibliothek Leipzig''. Während der sichere Geldbringer, die ''Universal-Bibliothek'', allein in Ditzingen weitergeführt wurde, entschloss sich der Verlag auch aus historischen Gründen die Leipziger Dependance weiterzuführen. Reclam Leipzig akquirierte neue Autoren und machte sich mit Übersetzungen von niederländischen, schwedischen und griechischen Autoren einen Namen. Unter den Erstveröffentlichungen der Leipziger fand sich ''[[Schlafes Bruder]]'', das vorher von 20 anderen Verlagen abgelehnt worden war und das die Leipziger Redaktion auch dem Stammhaus nur mühsam abringen konnte. ''Schlafes Bruder'' blieb dabei mit einer Auflage von über einer Million Exemplaren das erfolgreichste Buch der Leipziger nach der Wende.<ref>[http://www.mdr.de/nachrichten/2306391.html MDR: ''Reclam verlässt Gründungsort Leipzig'']</ref> Im Leipziger Haus erschienen die ersten Veröffentlichungen von [[Sibylle Berg]] oder die deutschen Erstausgaben von [[Viktor Pelewin]]. Zu den bekannteren Autoren des Verlags zählte auch [[Wiglaf Droste]].<br />
<br />
Ab 1995 nutzte der Verlag auch [[neue Medien]] wie [[CD-ROM]] und von 1998 an auch das Internet. Seit 1999 produziert Reclam auch [[Hörbuch|Hörbücher]]. Am 1. Oktober 2003 feierte der Verlag sein 175-jähriges Bestehen.<br />
<br />
Anfang 2005 schloss Reclam die Herstellungsabteilung in Leipzig. Am 6. Dezember 2005 erklärte Ditzingen die Schließung des ehemaligen Stammhauses in Leipzig zum Frühjahr 2006 mit zuletzt noch vier Mitarbeitern. Der [[Imprint]] „Reclam Leipzig“ bleibt wahrscheinlich erhalten. Der Verlag wird allerdings ausschließlich in Ditzingen weitergeführt.<br />
<br />
== Rezeption ==<br />
<br />
Obwohl bei Reclam immer wieder auch zeitgenössische Autoren erschienen, ist der Verlag vor allem dadurch bekannt geworden, Klassiker zu günstigen Preisen anzubieten. Im Verlagswesen selbst übernahm der wichtige akademische japanische [[Iwanami]]-Verlag 1927 das Konzept der Reihe als ''Iwanami [[Bunkobon|bunko]]'' (Iwanami-Bibliothek) und publiziert in dieser Reihe bis heute. <br />
<br />
Der spätere Verleger [[Ernst Rowohlt]] erinnert sich an seine Jugend um die Jahrhundertwende ''Ja, Altersgenossen von mir behaupten, daß ich häufig auf der Straße, im Gehen ein Reclam-Bändchen lesend, getroffen wurde und manchmal sogar Laternenpfähle angerannt hätte''<ref>Max S. 20</ref>.<br />
In Robert Musils ''[[Die Verwirrungen des Zöglings Törleß]]'' spielt ein Reclam-Heft mit einem Werk von Kant eine nicht unwesentliche Rolle. Thomas Mann erklärte 1908 ''"Ja, so sehr liebte ich die gelb-roten Heftchen, denen ich meine schönsten Stunden verdankte, daß es mein Traum war, ein Werk meines eigenen Geistes nach ihrer Art gedruckt vor mir zu sehen, und dieser Traum ist mir bis heute nicht fremd geworden. Wenn dreißig Jahre nach meinem Tode das eine oder andere meiner Bücher in der Reclam-Bibliothek erschiene – wäre das nicht eine kleine Unsterblichkeit?''<ref>Goethe-Institut „Gelb und günstig – der Reclam Verlag wird 175 Jahre alt“</ref>. Sein erstes Buch bei Reclam erschien 1924 und damit noch zu seinen Lebzeiten.<br />
<br />
Da das Verlagsprogramm Reclams aber eher der Alltags- denn der Hochkultur zugeordnet wurde, begann eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Verlag erst spät, wird aber öffentlich vom Verlagshaus selbst unterstützt. Die erstmals 1999 im Kölner [[Museum für Gedankenloses]] eröffnete Ausstellung ''Kaba und Liebe'' (von Schillers ''Kabale und Liebe'') beschäftigt sich mit der Verfremdung von Reclam-Büchern durch Schüler. 2006 zeigte das Offenbacher Klingspor-Museum in der Ausstellung ''Reclam - Die Kunst der Verbreitung'' die Sammlung des Antiquars Georg Ewald, der die wahrscheinlich vollständigste Sammlung aller je erschienen Reclam-Hefte besitzt.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* {{Literatur|Autor=Dietrich Bode|Titel=Reclam. Daten, Bilder und Dokumente zur Verlagsgeschichte 1828–2003|Ort= Stuttgart|Verlag=Reclam|Jahr=2003|ISBN=3-15-012003-9}}<br />
* {{Literatur|Autor=Dietrich Bode|Titel=Reclam. 125 Jahre Universal-Bibliothek : 1867 - 1992|Ort=Stuttgart|Verlag=Reclam|Jahr=1992|ISBN=3-15-010378-9}}<br />
* {{Literatur|Herausgeber=Heinfried Henniger|Titel=Autoren, Verleger, Bücher: ein Almanach. Festschrift für [[Hans Marquardt]]|Ort=Leipzig|Verlag=Reclam |Jahr=1985}}<br />
* {{Literatur|Autor=Frank R. Max|Titel=Der Reclam Verlag|TitelErg=Eine kurze Chronik|Ort=Stuttgart|Verlag=Reclam|Jahr=2003|ISBN=3-15-018280-8 ([http://www.reclam.de/data/media/Der_Reclam_Verlag.pdf PDF-Datei 94 Seiten 4 MB])}}<br />
* {{Literatur|Autor=Dieter Meier|Titel=Reclams Universal-Bibliothek. Stuttgart 1947 - 1992|TitelErg=Eine Bibliographie|Ort=Stuttgart|Verlag=Reclam|Jahr=1992|ISBN=3-15-010379-7}}<br />
* {{Literatur|Autor=[[Philipp Reclam]] jun.|Titel=Reclam|TitelErg=100 Jahre Universal-Bibliothek|Ort=Stuttgart|Verlag=Reclam|Jahr=1967}}<br />
* ''Gesamtkatalog 2009/2010''. Alle lieferbaren Titel. Neuerscheinungen Herbst/Winter, Reclam jun., Stuttgart 2009 (Zur Zeit etwa 3'200 lieferbare Titel).<br />
* {{Literatur|Autor=Carmen Laux |Titel=Philipp Reclam jun. Leipzig: „Eine Prestigefrage des Leipziger Buchhandels“. Die Entwicklung des Verlages in den Jahren 1945 bis 1953<br />
|Ort=Magisterarbeit Universität Leipzig|Jahr=2010}}<br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references/><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Reclam-Verlag}}<br />
* [http://www.reclam.de Website]<br />
* [http://www.stern.de/unterhaltung/ausstellungen/:Reclam-Ausstellung--Das-Gelbe-/556640.html Reclam-Ausstellung (stern.de)] im [[Klingspor-Museum]] 2006<br />
<br />
{{Lesenswert|2. Juni 2006|17375622}}<br />
<br />
[[Kategorie:Buchverlag (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Verlag (DDR)]]<br />
[[Kategorie:Ditzingen]]<br />
[[Kategorie:Verlag (Leipzig)]]<br />
<br />
[[en:Reclam]]<br />
[[eo:Reclam-Verlag]]<br />
[[fr:Reclam-Verlag]]<br />
[[ja:レクラム出版社]]<br />
[[sv:Reclam-Verlag]]<br />
[[zh:雷克拉姆出版社]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Apotheose&diff=82400732Apotheose2010-12-07T23:19:11Z<p>Xjs: Änderung 82387294 von 91.97.172.179 wurde rückgängig gemacht. Quellen fehlen.</p>
<hr />
<div>[[Datei:Anne-Louis Girodet-Trioson 001.jpg|thumb|Apotheose der während des Befreiungskrieges für das Vaterland gefallenen französischen Helden, [[Anne Louis Girodet-Trioson|Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson]], Anfang [[19. Jahrhundert]]]]<br />
[[Datei:Apotheosis of George Washington.jpg|right|thumbnail|200px|Die Apotheose [[George Washington]]s im Kapitol in Washington D.C.]]<br />
'''Apotheose''' ([[Altgriechische Sprache|griechisch]] ''apo-'' „fern-, ins Ferne“, ''theós'' „Gott“) ist die Erhebung eines [[Mensch]]en zu einem [[Gott]] oder [[Halbgott]]. Es bedeutet auch nur „Verherrlichung“. Sie hat ihren Ursprung im [[Altertum]], als geglaubt wurde, dass „große Persönlichkeiten“ zu Göttern würden und wie diese verehrt werden könnten bzw. sollten.<br />
<br />
Die Apotheose früherer, bedeutender Persönlichkeiten war immer wieder Thema der [[Bildende Kunst|bildenden Kunst]].<br />
<br />
Viele antike [[griechische Komödie]]n enden mit einer Apotheose, etwa ''[[Die Vögel (Aristophanes)|Die Vögel]]'' von [[Aristophanes]].<br />
<br />
== Beispiele für Apotheosen ==<br />
<br />
* [[Herakles]]<br />
* [[Aeneas]]<br />
* [[Romulus und Remus|Romulus]] als [[Quirinus (Mythologie)]]<br />
* [[Alexander der Große]]<br />
* [[Gaius Iulius Caesar]] als [[Divus Iulius]]<br />
* [[Eugen von Savoyen]]<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Göttlichkeit]]<br />
* [[Kaiserkult]], [[Römische Religion]]<br />
* [[Heiligkeit]], [[Heiliger]], [[Liste der Seligen und Heiligen]], [[Personenkult]]<br />
* [[Theosis]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* Arthur E.R. Boak: ''The Theoretical Basis of the Deification of Rulers in Antiquity'', in: Classical Journal 11, 1916, 293-297.<br />
* Franz Bömer: ''Ahnenkult und Ahnenglaube im alten Rom'', Leipzig 1943.<br />
* Walter Burkert: ''Caesar und Romulus-Quirinus'', in: Historia 11, 1962, 356-376.<br />
* Jean-Claude Richard: ''Énée, Romulus, César et les funérailles impériales'', in: Mélanges de l'École Française de Rome 78, 1966, 67-78.<br />
* Bernadette Liou-Gille: ''Divinisation des morts dans la Rome ancienne'', in: Revue Belge de Philologie 71, 1993, 107-115.<br />
* David Engels: ''Postea dictus est inter deos receptus. Wetterzauber und Königsmord: Zu den Hintergründen der Vergöttlichung frührömischer Könige'', in: Gymnasium 114, 2007, 103-130.<br />
* David Engels, ''Cum non comparuisset deorum in numero conlocatus putaretur. Entrückung, Epiphanie und Consecration: Überlegungen zur Apotheose des römischen Kaisers'', in: D. Groß/J. Grande (Hgg.), Objekt Leiche: Technisierung, Ökonomisierung und Inszenierung toter Körper, Frankfurt/New York 2010, 79-133.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|Apotheose}}<br />
{{Commons|Apotheosis|Apotheose}}<br />
<br />
[[Kategorie:Religion]]<br />
<br />
[[bg:Апотеоз]]<br />
[[ca:Apoteosi]]<br />
[[cs:Apoteóza]]<br />
[[da:Apoteose]]<br />
[[en:Apotheosis]]<br />
[[es:Apoteosis]]<br />
[[fi:Apoteoosi]]<br />
[[fr:Apothéose]]<br />
[[hi:देवीकरण]]<br />
[[hu:Apoteózis]]<br />
[[io:Apoteoso]]<br />
[[it:Apoteosi]]<br />
[[ja:神格化]]<br />
[[nl:Apotheose]]<br />
[[no:Apoteose]]<br />
[[pl:Apoteoza]]<br />
[[pt:Apoteose]]<br />
[[ru:Апофеоз]]<br />
[[sv:Apoteos]]<br />
[[tr:Apotheosis]]<br />
[[uk:Апофеоз]]<br />
[[zh:神化]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Amos_(Name)&diff=82396154Amos (Name)2010-12-07T21:04:38Z<p>Xjs: Quellenlosen Textbeitrag ohne viel Gehalt und v. A. ohne Zusammenhang wieder entfernt.</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den Vornamen Amos, zu weiteren Bedeutungen siehe [[AMOS]]}}<br />
'''Amos''' ({{He|עמוס}}) ist ein [[Hebräische Sprache|hebräischer]] männlicher [[Vorname]] und [[Familienname]]. <br />
<br />
== Herkunft und Bedeutung ==<br />
Der Name ist in der [[Bibel]] geläufig als Kurzform für den (theophoren) Eigennamen ''[[Amasja]]''. Er bedeutet dort etwa: „[[JHWH]] trägt [dich]“ oder: „der Tragende und Beladene“. In den Religionsbüchern wird der Name folgendermaßen übersetzt:<br />
„Sein Name '''Amos''' bedeutete wahrscheinlich ‚Last Gottes‘“<br />
<br />
== Bekannte Namensträger ==<br />
=== Vorname ===<br />
* [[Amos T. Akerman]] (1821–1880), US-amerikanischer Politiker<br />
* [[Amos Bronson Alcott]] (1799–1888), US-amerikanischer Schriftsteller<br />
* [[Amos Biwott]] (* 1947), kenianischer Leichtathlet<br />
* [[Amos Burn]] (1848–1925), britischer Schachspieler<br />
* [[Amos Eaton]] (1776–1842), US-amerikanischer Botaniker<br />
* [[Amos Elon]] (1926–2009), israelischer Schriftsteller<br />
* [[Amos Gitai]] (* 1950), israelischer Filmregisseur<br />
* [[Amos Kollek]] (* 1947), israelischer Filmregisseur<br />
* [[Johann Amos Comenius]] (1592–1670), Jan Amos Komenský, mährischer Theologe und Pädagoge <br />
* [[Amos Lee]] (* 1978), US-amerikanischer Musiker<br />
* [[Amos Masondo]] (* 1953), südafrikanischer Politiker<br />
* [[Amos Nourse]] (1794–1877), US-amerikanischer Politiker<br />
* [[Amos Oz]] (* 1939), israelischer Schriftsteller<br />
* [[Amos Sawyer]] (* 1945), liberianischer Politiker<br />
* [[Amos Tutuola]] (1920–1997), nigerianischer Schriftsteller<br />
* [[Amos Tversky]] (1937–1996), israelischer Psychologe<br />
<br />
'''sowie'''<br />
<br />
* [[Buch Amos]], der biblische Prophet und das auf ihn zurückgeführte Buch<br />
<br />
=== Familienname ===<br />
* [[Bernard Eugene Amos]] (1961–1995), US-amerikanischer Mörder<br />
* [[Emma Amos]] (* 1967), britische Schauspielerin<br />
* [[James F. Amos]], General des United States Marine Corps und derzeitiger (35.) Commandant of the Marine Corps<br />
* [[John Amos]] (* 1939), US-amerikanischer Filmschauspieler<br />
* [[Sheldon Amos]] (1835–1886), englischer Jurist<br />
* [[Tori Amos]] (* 1963), US-amerikanische Musikerin<br />
* [[Valerie Amos, Baroness Amos]] (* 1954), britische Politikerin (Labour)<br />
<br />
[[Kategorie:Männlicher Vorname]]<br />
[[Kategorie:Familienname]]<br />
<br />
[[cs:Amos]]<br />
[[es:Amós (nombre)]]<br />
[[hu:Ámos]]<br />
[[is:Amos]]<br />
[[it:Amos]]<br />
[[pl:Amos]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Foveon_X3&diff=80554424Foveon X32010-10-21T18:14:15Z<p>Xjs: /* Systembedingte Nachteile */</p>
<hr />
<div>Der von [[Foveon]] gefertigte [[Active Pixel Sensor|CMOS-Sensor]] '''Foveon X3 Direkt-[[Bildsensor]]''' verwendet drei übereinander liegende Sensorelemente, um mit jedem [[Pixel]] alle drei Grundfarben aufzuzeichnen.<br />
<br />
== Funktionsprinzip ==<br />
<br />
Die unterschiedlichen Wellenlängen der Farben Rot, Grün und Blau werden in unterschiedlichen Schichten absorbiert, weil langwelliges (rotes) Licht in Silizium eine größere Eindringtiefe hat, als kurzwelliges (blaues). Bei Verwendung eines Infrarot-Sperrfilters ergeben sich für die Schichten des Sensors Farbempfindlichkeiten, die den Empfindlichkeiten der [[Zapfen (Auge)|Zapfen]] des menschlichen [[Auge]]s ähnlich sind. Das Mehrschichten-Prinzip findet eine ähnliche Anwendung bei der Farbfotografie mit [[Film (Foto)|Farbfilmen]], bei welchen auch verschiedene farbempfindliche Schichten übereinander liegen.<br />
<br />
== Vergleich mit konventionellen Farb-Digitalkameras ==<br />
<br />
=== Systembedingte Vorteile ===<br />
<br />
Bei herkömmlichen Sensoren mit [[Bayer-Sensor|Bayer-Mosaikfarbfilter]] kommt es&nbsp;– besonders auffällig bei feinen Mustern&nbsp;– bei rot und blau, aber auch noch bei grün, zu [[Moire-Effekt|Schwebungen]] und [[Alias-Effekt|Farbrändern]] durch Abtastfehler. Nur 25 beziehungsweise 50 % ihrer Sensorfläche nehmen jeweils eine [[Primärfarbe]] auf. Zwischen den einzelnen Farbpixeln verbleiben Abtastlücken. Auch punktförmige Lichtquellen in größerer Entfernung könnten beispielsweise „übersehen“ oder falschfarbig erfasst werden.<br />
<br />
Die klassischen Farbsäume oder „Artefakte“ bei der Schärfung von Bayer-Sensor-Bildern treten beim Foveon-Sensor nicht auf. So können die im Vergleich zunächst nicht ganz so scharf wirkenden Foveon-Bilder später auf ein hohes Niveau gebracht werden. Im Vergleich zum Bayer-Sensor beträgt die Auflösung etwa zwei Drittel der Herstellerangabe. Eine mit 14 Megapixeln (effektiv 3x4,7MP) Auflösung angebotene Foveon-Kamera entspricht einer Bayer-Kamera mit 10,5 Megapixeln (monochrom - effektiv 5,25MP grün und je 2,625MP rot und blau - im arithmetischen Mittel 3,5MP). <br />
<br />
Beim Foveon-X3-Sensor ist keine [[Interpolation_(Fotografie)|Interpolation]] wie bei Sensoren mit Bayer-Mosaikfarbfilter nötig. Jedes einzelne Sensorpixel nimmt sämtliche Farbinformationen auf. Beispielsweise für die Erstellung hochwertiger Farbbilder, wie etwa für messtechnische Anwendungen, ergeben sich daraus systematische Vorteile.<br />
<br />
=== Systembedingte Nachteile ===<br />
Ein weiterer, nicht immer zu Recht zitierter Vorteil des Foveon-X3-Sensors ist eine hohe Farbtreue. In der Praxis stellt sich heraus, dass die Farbreinheit stellenweise überbetont, an anderer Stelle hingegen reduziert ist. Graublau und Lila wird zu leuchtendem Enzianblau, Blattgrün-Töne sind schlecht differenziert und tendieren zuweilen in Richtung eines gelblichen Olivs. <br />
<br />
Nachteilig kann sich ein farbiges Bildrauschen bermerkbar machen, welches sich vom farbneutralen Rauschen bei Bayer-Sensoren vor allem durch seine ins Auge springende, meist grüne oder gelbe Grießigkeit unterscheidet. Geringe Helligkeit ist gleichbedeutend mit geringer Photonenstrahlung, was in einem Photosensor grundsätzlich zu einem schwachen Signal führt. Schwache Signale müssen, um sie verarbeiten zu können u. U. verstärkt werden. Bei Schwachsignalverstärkungen ist es ungleich schwieriger, die Proportionalität zwischen Eingangs- und Nutzsignal für die Digigitalisierung zu gewährleisten.<br />
<br />
Beim Foveon Sensor sind nun 3 Schichten zu durchdringen. Zwangsläufig wird der Photonenstrahl von filternder Schicht zu Schicht schwächer. Die Filterwirkung der Schichten beruht auf den physikalischen Eigenschaften des Schichtenmaterials. Es hat zwangsläufig eine Bandbreite für herausgefilterte Lichfrequenzen. Das Rauschen der drei Schichten ist somit nicht identisch. Da nun die 3 Schichten für je eine Farbe zuständig sind, kann es zu unterschiedlichem Rauschen bei den jeweiligen Farben kommen, besonders bei der Farbe, die der untersten Schicht zugeordnet ist. Daher setzt das Unterbelichtungsrauschen immer in der Farbe Rot ein.<br />
<br />
=== Auflösungsangaben ===<br />
<br />
[[Sigma (Unternehmen)|Sigma]] gibt für den Foveon-X3-„Direktbildsensor“ Auflösungen an, die sich trotz der Tiefenstaffelung der drei Farben in einem Pixel in Analogie zu Auflösungsangaben für Bayer-Sensoren aus der dreifachen Anzahl der Pixel ergeben.<br />
Die Auflösung von Kameras mit Bayer-Sensor und gleicher Anzahl der Pixel wird faktisch aber bei weitem nicht erreicht. Welche Bildauflösung eine Kamera tatsächlich realisiert, hängt sowohl bei CCD als auch bei Foveon&nbsp;– bei einigen Kameras maßgeblich&nbsp;– von mehr Einflußgrößen ab als nur der physikalischen Auflösung des Bildsensors.<br />
<br />
== Anwendungen ==<br />
<br />
Zur Zeit wird der Chip nur von [[Sigma (Unternehmen)|Sigma]] in den [[Digitalkamera|digitalen]] [[Spiegelreflexkamera]]s [[Sigma SD 9|SD9]], [[Sigma SD 10|SD10]], [[Sigma SD 14|SD14]] und [[Sigma SD 15|SD15]] sowie den Kompaktkameras [[Sigma DP1|DP1]] und [[Sigma DP2|DP2]] verbaut. In der 2004 vorgestellten [[Polaroid]] X530 wurde der Chip ebenfalls verwendet, die X530 erreichte wegen ihrer Probleme mit der kamerainternen Bildverarbeitung jedoch nie die Marktreife und wurde noch in der Einführungsphase wieder zurückgezogen<ref>{{Internetquelle<br />
|url=http://www.chip.de/news/Polaroid-x530-Preiswerte-Digicam-mit-Foveon-Chip_13745719.html<br />
|hrsg=chip.de<br />
|titel=Polaroid X530: Preiswerte Digicam mit Foveon-Chip<br />
|datum=2004-02-11<br />
|zugriff=2010-09-28}}</ref><ref>{{Internetquelle<br />
|url=http://www.test.de/themen/bild-ton/meldung/Polaroid-ruft-Digitalkamera-X530-zurueck-Aerger-mit-neuem-Chip-1260536-2260536/<br />
|hrsg=test.de<br />
|titel=Polaroid ruft Digitalkamera X530 zurück<br />
|datum=2005-05-04<br />
|zugriff=2010-09-28}}</ref>.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[One-Shot-Sensor]]<br />
* [[Three-Shot-Sensor]]<br />
* [[Zeilensensor]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Paul M. Hubel und Markus Bautsch: ''Resolution for Color Photography'' in: Electronic Imaging: Digital Photography II, SPIE-proceedings 6069, San Jose, CA, January 2006, paper 6069-22<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/neues/sendungen/spezial/34662/ Der Visionär Carver Mead]<br />
* [http://www.henner.info/2mp.htm#Sensortypen/ henner.info erklärt den FOVEON-Sensor im Unterschied zu anderen Sensoren]<br />
* [http://www.foveon.com/files/ResolutionforColorPhotography.pdf Resolution for Color photography] (PDF-Datei; 272&nbsp;kB)<br />
* [http://www.ddisoftware.com/sd14-5d/ Foveon und Bayer Sensor im direkten Vergleich]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Bildsensor]]<br />
<br />
[[ca:Foveon X3]]<br />
[[en:Foveon X3 sensor]]<br />
[[es:Foveon X3]]<br />
[[it:Foveon X3]]<br />
[[ja:Foveon X3]]<br />
[[ru:Foveon X3]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Xjs&diff=80478693Benutzer:Xjs2010-10-19T20:39:44Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{babel}}<br />
|-<br />
| {{Vorlage:User de}}<br />
|-<br />
| {{Vorlage:User en-4}}<br />
|-<br />
| {{Benutzer:Cyriz/Vorlage:user C-4}}<br />
|-<br />
| {{Benutzer:Stummvoll/Vorlage:Hacker}}<br />
|}<br />
<br />
== Jannis Schnitzer ==<br />
<br />
Mein Name ist [http://jannis.schnitzer.im/ Jannis Andrija Schnitzer]. Mehr Informationen: woanders.<br />
<br />
== Projekte ==<br />
* Alles, was hier stand, ist relativ veraltet, und ich bin gerade zu faul, etwas neues hinzuschreiben.<br />
<br />
<br />
--[[Benutzer:Xjs|Xjs.]] 22:39, 19. Okt. 2010 (CEST)</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kreativit%C3%A4t&diff=80363889Kreativität2010-10-17T00:27:10Z<p>Xjs: Das ist ein erweiterter Infinitiv, also muss da auch ein Komma rein!</p>
<hr />
<div>{{Belege fehlen}}<br />
<br />
'''Kreativität''' bezeichnet die Fähigkeit, neue Problemstellungen durch die Anwendung erworbener Fähigkeiten zu lösen. Die Anwendung erworbener Fähigkeiten auf ein neues Problem wird als [[Kreativer Prozess]] bezeichnet. In jüngerer Vergangenheit wurde diese Fähigkeit vermehrt zum Gegenstand des Interesses von Wirtschaft und Wissenschaft. Die Erforschung kreativer Prozesse und ihre Beherrschbarkeit und Berechenbarkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. <br />
<br />
Ursprünglich wurde der Begriff Kreativität als Bezeichnung für die Ursache persönlicher geistiger Schöpfungen ([[Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte|Urheberrechtsgesetz]]) von [[Künstler]]n verwendet. Von der Antike bis zum Mittelalter wurde die individuelle schöpferische Kraft eines Menschen als Gottes Werk verstanden. In der Periode des [[Sturm und Drang]] entstand der [[Genie]]begriff aus der antiken Vorstellung der Führung durch einen [[Genius]]. Der moderne Begriff der Kreativität hingegen beschränkt sich nicht auf künstlerische, menschliche oder angeborene Fähigkeiten.<br />
<br />
== Etymologie ==<br />
Der Begriff Kreativität geht auf das lateinische Wort ''creare'' zurück, was so viel bedeutet wie „etwas neu schöpfen, etwas erfinden, etwas erzeugen, herstellen“, aber auch die Nebenbedeutung von „auswählen“ hat.<br />
<br />
== Forschungsgeschichte der Kreativität ==<br />
<br />
Die [[Psychologie]] tut sich sehr schwer mit der Erforschung der Kreativität, zumal Kreativität sich nicht so leicht wie z.B. die Intelligenz messen lässt. In einem Test müsste die Person "auf Kommando" kreativ sein, was aber mit dem spontanen Charakter vieler kreativer Leistungen unvereinbar ist. Dasselbe Problem haben die modernen [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|Neuroimaging]]-Verfahren: Die kreative Leistung müsste ausgelöst werden, wenn die Testperson im Scanner liegt.<br />
<br />
Etwa um 1890 beschäftigte sich Sir [[Francis Galton]] zum ersten Mal mit der „schöpferischen [[Begabung]]“ als [[Konstrukt]] und versuchte, diesen Begriff zu definieren.<ref name="visor.unibe.ch">http://visor.unibe.ch/SS00/Bestseller/Folien/kreativitt%20internetversion.pdf</ref><br />
<br />
[[Robert S. Woodworth]], der 1929 das [[S-O-R Paradigma|SOR-Paradigma]] entwickelte, stellte heraus, dass der einzelne Organismus und dessen Zustand ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Entwicklung der Kreativität ist. Seine neo-behavioristischen Ansätze in der [[Denkpsychologie|Denk- und Persönlichkeitspsychologie]] erreichten 1934 ihren Höhepunkt <ref> http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/PSYCHOLOGIEORD/Kreativitaet.html</ref>.<br />
<br />
Ab 1950 befasste sich [[Joy Paul Guilford]] intensiv mit dem Thema Kreativität. Dabei kam er zu der Annahme, dass Kreativität durch folgende grundlegende psychische Merkmale erfasst wird:<br />
* Problemsensitivität (erkennen, dass und wo ein Problem besteht)<br />
* Flüssigkeit (in kurzer Zeit viele Ideen hervorbringen)<br />
* Flexibilität (gewohnte Wege des Denkens verlassen; neue Sichtweisen entwickeln)<br />
** Redefinition (bekannte Objekte neu verwenden, improvisieren)<br />
* Elaboration (anpassen der Ideen an Realität)<br />
* Originalität.<ref>Amelang, M. et al.: ''Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung'', Stuttgart: Kohlhammer, 2006</ref><br />
<br />
In Guilfords Auffassung ist Kreativität eine spezielle Form des Denkens; er unterschied ''konvergentes Denken'' (bei klar umrissener Problemstellung mit genau einer Lösung) von ''divergentem Denken'' („the kind that goes off in different directions“; bei unklarer Problemstellung und mehreren Lösungsmöglichkeiten)<ref name="laum.uni-hannover">http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/lehre/Ptm/Ptm_KreaGrdl.htm</ref>. Es zeigte sich jedoch bald, dass die Kreativität eines Menschen nicht mit seinem IQ korreliert. Beispielsweise können Lernbehinderte und sogar schwer Geisteskranke künstlerisch außerordentlich kreativ sein. Andererseits gibt es hochintelligente Menschen, deren Kreativität sich auf dem Niveau eines Kleinkindes bewegt. Er steuerte weitere Aspekte wie sozioökonomische, wissenschaftliche und pädagogische Gesichtspunkte in Bezug auf die Möglichkeiten einer Definition von Kreativität bei, und schuf somit zum ersten Mal die Grundlage zur Messung kreativer individueller Problemlösungen. <br />
<br />
Guilford war es auch, der mit seiner Rede vom 5. September 1950 vor der Jahrestagung der [[American Psychological Association]] einen Wendepunkt in der Kreativitätsforschung markierte. Er stellte zum Einen fest, dass in den 25 Jahren zuvor von 121.000 erschienenen psychologischen Arbeiten nur etwa 186 relevante Titel zum Thema Kreativität verfasst worden waren, und rief dazu auf, diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Anderen gipfelte seine Rede in der These: "Jeder Mensch ist kreativ!"; damit widersprach er dem bis dahin vorherrschenden Hochbegabten-Paradigma und öffnete die Tür für ein breiteres Kreativitätsverständnis und nachfolgende spezielle Kreativitätsforschungen. <br />
<br />
Auch Wissenschaftler wie Stein (1953), Drevdahl (1956) und [[Edward de Bono]] (1957) versuchten, Kreativität zu definieren, um sie messbar zu machen. De Bono prägte unter anderem den Begriff des ''lateral thinking'', der in der deutschen Sprache als ''[[Querdenken]]'' in die Umgangssprache Einzug hielt<ref name="laum.uni-hannover"/>.<br />
<br />
1962 wurde der Versuch von Getzel und Jackson unternommen, Kriterien festzulegen, die den kreativen Menschen als solchen erkennbar machen sollten. Dabei legten sie vier Hauptmerkmale fest, die sie als kreative, intelligente, moralische und psychologische Fähigkeiten bezeichneten <ref name="laum.uni-hannover"/>.<br />
Auch D. W. MacKinnon (1962) und F. Barron (1965) gingen daran, Kreativität zu definieren <ref name="visor.unibe.ch"/>. Dabei definierte McKinnon Kreativität als eine Idee, die neu ist und gleichzeitig selten von mehreren Menschen gedacht wird, die jedoch dennoch zu verwirklichen ist und der Verbesserung oder der Veränderung dient. <br />
<br />
[[Dorsch Psychologisches Wörterbuch|Dorsch]] kam 1994 (wie andere Forscher auch) zu dem Schluss, dass Kreativität kein scharf eingrenzbarer Begriff ist, dass sie also Raum zur [[Spekulation (Philosophie)|Spekulation]] bietet.<ref name="visor.unibe.ch"/><br />
<br />
Seit Ende der 90er Jahre wird auch der Begriff ''[[Kulturwirtschaft|Kultur- oder Kreativwirtschaft]]'' verwandt, um alle Aktivitäten zur Herstellung und zum Vertrieb von urheberrechtlich geschützten Produkten zu beschreiben, die dem Ziel dienen, Geld zu verdienen. Heute gibt es in Europa eine Vielzahl von Ansätzen, wie man Kreativität als Wirtschaftstätigkeit verstehen und interpretieren kann. Das Kulturministerium Großbritanniens spricht von ''Creative Industries'' und hat dazu verschiedene Studien veröffentlicht.<br />
<br />
2005 arbeitete [[Rainer Matthias Holm-Hadulla]] heraus, dass kreative Begabungsprofile, Motivationen und Persönlichkeitseigenschaften in verschiedenen Betätigungsfeldern – Kunst, Wissenschaft, Politik und Wirtschaftsleben – höchst unterschiedlich sind.<br />
<br />
Entscheidende Impulse erhielt die Kreativitätsforschung aus der sprunghaften Entwicklung der Hirnforschung durch die Anwendung neuer bildgebender Verfahren, die es ermöglichen, Denkprozesse im Gehirn in verschiedenen Arealen genau zu lokalisieren und so voneinander abzugrenzen.<br />
<br />
== Definitionen von Kreativität ==<br />
Die kürzeste, aber implikationsreiche Definition der Kreativität lautet: "Neukombination von Informationen" (Holm-Hadulla 2010). Kreativität im weitesten Sinn beruht auf der Fähigkeit, die Lücke zwischen nicht sinnvoll miteinander verbundenen oder logisch aufeinander bezogenen Gegebenheiten durch Schaffung von Sinnbezügen (freier [[Assoziation (Psychologie)|Assoziation]]) mit bereits Bekanntem und spielerischer Theoriebildung ([[Phantasie]]) auszufüllen. Das [[Spiel]] –&nbsp;auch als Gedankenspiel&nbsp;– gehört als wesentliches Element zur Kreativität. <br />
<br />
Beim Menschen kommt der weniger begrifflich-isolierenden und logisch-kausalen, dafür aber nonverbal, assoziativ und ganzheitlich denkenden (in der Regel rechten) Hirnhälfte eine besondere Bedeutung zu. Beteiligt sind aber letztlich beide Hirnhälften. Da die kreativen Denkprozesse weitgehend unbewusst ablaufen, werden kreative Einfälle oft als Eingebung einer überpersönlichen Intelligenz oder Wesenheit ([[Inspiration]], [[Musenkuss]] usw.) oder als ein mystisches Geführtwerden erlebt. <br />
<br />
Im kreativen Schaffensprozess tritt oft ein besonderer Bewusstseinszustand –&nbsp;eine [[Trance]]&nbsp;– auf, der als ''Floating'' (Fließen) bezeichnet wird und meist mit einem vorübergehenden Verlust des Zeitbewusstseins einhergeht. Dieser Zustand ist zugleich konzentriert und dissoziativ. Kreative Denkprozesse können auch im Schlaf ablaufen.<br />
<br />
Die kreative Sinnproduktion ist besonders in jungen Jahren ausgeprägt und wird später zunehmend durch wissensbezogene, logische Sinnproduktion ersetzt. Sie kann durch Übung bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Andererseits kann diese Fähigkeit auch durch eine einseitig auf verbalisierbares Wissen orientierte Erziehung und Bildung überlagert werden. <br />
<br />
Vielen Schulsystemen wird vorgeworfen mit einer zu starken Orientierung auf Wissenserwerb und Begrifflichkeit viel zur frühzeitigen Verkümmerung von Kreativität beizutragen. Die Lerntheorien des [[Konstruktivismus (Lernpsychologie)|Konstruktivismus]] kombinieren deshalb den klassischen Wissenserwerb mit freien Unterrichtsmethoden, damit der Lernende seine Umwelt als ein Feld von Hürden, die er mit Hilfe kreativer Lösungsansätze überwinden kann, erlebt. Der kreative Denkprozess kann durch spezielle [[Kreativitätstechniken]] gefördert und beschleunigt werden.<br />
<br />
Kreativität ist laut [[Joy Paul Guilford]] und seinen Kollegen jede neue, noch nicht da gewesene, von wenigen Menschen gedachte und effektive Methode, ein Problem zu lösen beziehungsweise die Miteinbeziehung von Faktoren wie Problemsensitivität, Ideenflüssigkeit, [[Flexibilität]] und [[Originalität]]. Demzufolge wäre Kreativität die zeitnahe Lösung (Flexibilität) für ein Problem mit ungewöhnlichen, vorher nicht gedachten Mitteln (Originalität) und mehreren Möglichkeiten der Problemlösung (Ideenflüssigkeit), die für das Individuum vor der Problemlösung in irgendeiner Weise nicht denkbar ist (Problemsensitivität).<br />
<br />
Bei der Definition von Kreativität spielen folgende Faktoren eine entscheidende Rolle:<br />
* die individuellen Möglichkeiten einer einzelnen Person<br />
* die Möglichkeiten der Kreativität und deren Entstehung im sozialen Kontext und deren mögliche Bewertungen<br />
* die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsformen und deren Bewertungsformen der Kreativität im Einzelnen<br />
<br />
„Alltägliche Kreativität“ (Holm-Hadulla 2010) kann geweckt oder erlernt werden (Knieß 2006). Neben Begabungsprofilen hat Holm-Hadulla das intrinsische Interesse, Neugier und Selbstwertsteigerung als wichtige Motivationsfaktoren beschrieben. Kreativität im eigentlichen Sinn setzt Anlagen voraus: Intuitive Begabung und Widerstandsfähigkeit.<br />
<br />
== Die kreativen Bausteine ==<br />
Mel Rhodes, ein amerikanischer Wissenschaftler, gab dem Begriff Kreativität in den 60er Jahren eine bis heute noch immer gültige Unterteilung in vier verschiedene Grundelemente, die so genannten vier Ps der Kreativität <ref>Rhodes, M.: An Analysis of Creativity. Phi Delta Kappan, April, 1961, S.305-310</ref>. Sie helfen, den oftmals noch diffusen Begriff praxisbezogen zu unterteilen, und umfassen<br />
* die kreative Person<br />
* den kreativen Prozess<br />
* das kreative Produkt<br />
* das kreative Umfeld (orig.: ''press'')<br />
Diese Beschreibung hat, aus konzeptionell-beschreibender Sicht, bis heute noch eine fundamentale Bedeutung und wird vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum mit dem Begriff „absichtliche Kreativität“ in Verbindung gebracht. Es gab und gibt wiederholte Versuche, die vier Ps um weitere P-Begrifflichkeiten zu ergänzen, die aber bislang weder schlüssig waren, noch sich in der Kreativanwendung durchsetzen konnten. Jüngere Forschungen von Luther zielen auf die systemischen Zusammenhänge der vier Elemente ab und entwerfen ein neues Modell, das die funktionalen Abhängigkeiten deutlicher herausstellt.<br />
<br />
== Der kreative Prozess ==<br />
Der kreative Prozess wird traditionell als Abfolge von fünf Schritten oder Phasen definiert. (Csikszentmihalyi, 1997)<br />
<br />
* Vorbereitungsphase<br />
<br />
* Inkubations-/Reifungsphase<br />
<br />
* Einsicht/Aha-Erlebnis<br />
<br />
* Bewertung<br />
<br />
* Ausarbeitung<br />
<br />
Diese Phasen treten jedoch selten in Reinform auf und sind eher rekursiv als linear.<br />
<br />
Diese Einteilung geht zurück auf das [[Phasen des kreativen Prozesses#Vier-Phasen-Modell|4-Phasen-Modell von Graham Wallas]] aus dem Jahr 1926, das auch heute noch vielen Phasen-Theorien zugrunde liegt.<br />
<br />
=== Individuelle Möglichkeiten einzelner Personen ===<br />
Hier spielt einerseits die [[Selbstwert|Eigenbewertung]] eine Rolle: Wie bewertet der Einzelne seine Kreativität und sein daraus entstehendes Problemlösungsverhalten im Vergleich zu anderen Personen? Andererseits gilt es aber auch die Bewertung durch andere Menschen einzubeziehen, also die Frage, wie der Einzelne von außen über seine Kreativität und die dadurch entstehenden Problemlösungsfähigkeiten bewertet wird. <br />
<br />
Eine subjektive Sichtweise jeder einzelnen Person ist in der Bewertung nicht auszuschließen, da jedes Individuum nach eigenen Kriterien bewertet, wenn es keine Normwerte zur Verfügung hat und keine allgemeingültige, weil bekannte und gleichzeitig gültige und verläßliche Definition von Kreativität zur Bewertung herangezogen wird. <br />
Das bedeutet, dass durch die mangelnde Definition des Begriffs die Wertung eines einzelnen Individuums fast immer subjektiv ausfällt und erst eine Gruppe von Menschen mit ihren verschiedenen [[Soziale Norm|Maßstäben]] zur Messung von Kreativität und einer internen Absprache von Regeln zur Definition dazu in der Lage ist, Kreativität neutral und nach verschiedenen, vorher festgelegten Gütekriterien zu bewerten und zu messen. Eine Gruppe legt die [[Normwert]]e fest, der Einzelne kann mit diesen [[Konformität|konform]] gehen oder [[Nonkonformismus|nonkonform]] sein.<br />
<br />
In der Kunst erfordert der hier geltende Innovationszwang, dass Kreativität mit Normenbruch, also dem Verstoß gegen tradierte Normen einhergeht. Eine dichterische Pointe: [[Goethe]] und [[Thomas Mann]] haben in ihren Fassungen des Faust-Mythos den kreativen Anstoß dem Teufel zugeschrieben ([[Faust. Eine Tragödie|''Faust I'']]: Prolog im Himmel; ''[[Doktor Faustus]]'': Kapitel XXV).<br />
<br />
Besonders eingehend hat sich Goethe mit dem kreativen Prozess auseinandergesetzt. In seinen biografischen Schriften finden sich zahlreiche Hinweise, wie er aus seinen psychischen Krisen schöpferische Impulse gewann (s. Holm-Hadulla: Leidenschaft - Goethes Weg zur Kreativität. 2008). Auch in vielen seiner Werke - vom "Werther" bis zum "Faust" - stellt er dar, wie Kreativität aus ständiger Selbstüberwindung und -erneuerung erwächst. In seinem Gedicht "Selige Sehnsucht" resümiert er:<br />
<br />
{{Zitat|Und solang du das nicht hast,<br />Dieses: Stirb und werde!<br />Bist Du nur ein trüber Gast<br />Auf der dunklen Erde.|[[Johann Wolfgang von Goethe]]}}<br />
<br />
Aus Goethes lebenslangem Ringen mit sich selbst und seiner Umwelt kann man wesentliche Anregungen für eine kreative Alltagsgestaltung erhalten (s. Holm-Hadulla: Kreativität - Konzept und Lebensstil. 2007)<br />
<br />
=== Der soziale Kontext: Entstehung und Bewertung der Kreativität ===<br />
Die Bewertung von Kreativität durch eine soziale Gruppe erweist sich als Barriere, wenn eine Problemlösung von der Gruppe für nicht durchführbar gehalten und verworfen wird. Das kann bei Spracharmut der Gruppenmitglieder ohne jegliche Begründung geschehen. Ein nonkonformes Individuum wird bei dieser Konstellation unterdrückt oder ausgegrenzt <ref>http://www.nume.it/decrea.php</ref>. In krassen Fällen werden Kreative als verrückt angesehen, etwa wie [[Leonardo da Vinci]], [[James Watt]] oder Sir [[Alexander Graham Bell]], die jedoch nach ihrem Ableben gefeiert wurden. Diese Reaktion entspringt dem Gruppengefühl und dem Bild, das eine Gruppe von sich selbst hat. Jeder, der mit der Gruppe konform ist, bringt weniger [[Störung]]en und vermeintlich weniger Rückschläge in den Erfolgen der Gruppe. <br />
<br />
Forschungen in der [[Sozialpsychologie]] von Schlenker und Weigold zufolge gehen Kreative in dem Maße nicht konform, in dem das Problem nach ihren Kriterien nicht anders zu bewältigen ist. [[Albert Einstein]], der Erfinder der [[Relativitätstheorie]], wird in seiner Biografie als aufbrausend und von Selbstvorwürfen geplagt beschrieben. Die Gründe hierfür dürften in dem anfänglichen Unverständnis der Fachkollegen für die Kreativität Einsteins und deren Resultate gelegen haben, wie auch in seinen nonkonformistischem Durchsetzungswillen. <br />
<br />
Anregung und Herausforderung spielen bei der Entwicklung einer kreativen Lebenseinstellung eine besondere Rolle. Eine Herausforderung kann zu existenziellen Veränderungen führen. Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, in denen auf Ermutigung Wert gelegt wird, fördern die Kreativität ([[Frederick Mayer]]). <br />
<br />
Wird eine Idee von verschiedenen Menschen nacheinander gedanklich einer Überprüfung unterzogen, kann es geschehen, dass diese doch für durchführbar erklärt wird. So zum Beispiel das erste [[Drachen|Fluggerät]] nach den Zeichnungen von da Vinci oder die Entwicklung des ersten Fernglases durch die Entdeckung [[Galileo Galilei]]s. [[Pablo Picasso|Picassos]] [[Kubismus|kubistische Werke]] wie ''Der Mann an der Gitarre'' von 1918 und seine [[Collage]]n entstanden durch die Vorstellungskraft des Einzelnen. [[Joan Miró]] und sein Werk sind ein Beispiel für die [[Bildhauerei|bildhauerische Kunst]], und [[Friedensreich Hundertwasser]] mit seinen architektonischen Höchstleistungen sollte auf diesem Gebiet erwähnt werden <ref>Sozialpsychologie, 4. aktualisierte Auflage, Elliot Aronson, Timothy D. Wilson, Robin M. Akert, Pearson Studium, München, 2004, ISBN 3-8273-7084-1</ref>.<br />
<br />
Vielfach wird Kreativität erst als solche bezeichnet und bewertet, wenn sie einhergeht mit einer völligen Neudefinition bekannter und akzeptierter Gesetzmäßigkeiten oder Bereiche; berühmte Beispiele dafür sind [[Arnold Schönberg]] (Zwölftonmusik), [[Pablo Picasso]] (Kubismus), [[Albert Einstein]] (relative Sicht von Zeit und Raum). Der Bruch mit alten Vorstellungen und Normen, und die Schaffung eines neuen Paradigmas, verbunden mit der dazugehörigen Unsicherheit des Unbekannten, Unbewiesenen oder Spekulativen, verdeutlichen gleichzeitig, warum Kreativität im sozialen Kontext immer wieder einen schweren Stand hatte und bis heute in vielen Gesellschaftsbereichen um Anerkennung ringen muss.<br />
<br />
=== Unterschiede zwischen Gesellschaftsformen, Bewertungsformen, Kreativität im Einzelnen ===<br />
Die Menge der unterschiedlichen [[Kultur]]en der Menschheit, deren Gepflogenheiten und das [[Soziales Netzwerk (Soziologie)|Lebensumfeld]] bringen immer wieder neue Formen der Verarbeitung der in ihr vorhandenen Materialien hervor, denn sie sind auf Bearbeitung und Verarbeitung sowie die Gestaltung ihrer Umgebung angewiesen. Das bedeutet, die Eigenschaften der Umgebung bedingen die Kreativität der in ihr lebenden Individuen. <br />
<br />
Sichtbar werden diese Unterschiede z.&nbsp;B. im architektonischen [[Baustil]]: In [[Spanien]] ist z.&nbsp;B. der [[maurische Baustil]], eine Mischung aus römischen und arabischen Elementen, vorherrschend. Er ist auch in weiten Teilen Nordafrikas vertreten. Man vergleiche z.&nbsp;B. die [[Alhambra]] in [[Granada]] oder beispielsweise die Stadt [[El Djem]] in [[Tunesien]], die bekannt ist für ihr Amphitheater.<br />
Selbst in Südamerika (Peru) machen sich diese maurischen Einflüsse bemerkbar. Hier spricht man von <br />
Mestizen-Barock (z.&nbsp;B. die Gotteshäuser in Arequipa). <br />
<br />
In Nordamerika werden Häuser z.&nbsp;B. aus den dort vorhandenen Materialien gebaut: Im alten Stil vornehmlich Holzhäuser, im neuen Stil vornehmlich mit Beton, Glas und Stahl. Die einzelnen [[Baustil]]e und [[Stilepoche]]n spielen dort nur eine untergeordnete Rolle und die vorhandenen Materialien sind als solche Gegenstand der Betrachtungen. Vorhandene Unterschiede sind die typischen noch auf die Stammesgeschichte zurückgehenden Bauten der [[Ureinwohner]] Nordamerikas und die Unterschiede die in den einzelnen Bauweisen auftauchen: [[Tipi]]s, [[Wigwam]]s, [[Erdhaus|Erdhäuser]] und [[Pueblo (Siedlung)|Pueblos]], aber auch die Entwicklung der Häuser der amerikanischen Einwanderer, die [[Fort Mackinac|Festungen]][http://www.michigan.gov/hal/0,1607,7-160-17449_18638_20846-54583--,00.html] die vor den Indianern schützten, von der [[Blockhütte]] über die [[Graceland|Villen]] der [[Redneck|Südstaatler]], die Farm- und Ranchhäuser der [[Yankee|Nordstaatler]] zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges bis zur heutigen Stahlbetonkonstruktion wie dem [[Empire State Building]] in [[New York City|New York]].<br />
<br />
In Südamerika sind die Entwicklungen der Baustile durch die Kulturen der [[Inka]], [[Maya]], [[Olmeken]], [[Tolteken]] und [[Azteken]] beeinflusst, die [[Chichén Itzá|Pyramiden]] aus Stein und Lehmziegeln erbauten, während die [[Indigene Völker Südamerikas|indigene Bevölkerung]] aus Palmwedeln, Holz und anderen Materialien ihre Hütten und Behausungen auch heute noch baut. Wird in [[Rio de Janeiro]] in den Slums mit Wellblech, Lehmziegeln und Palmenzweigen eine Bude zum Unterschlupf gebaut, so wird in den feineren Vierteln aus Stein und Ziegel ein Haus gebaut.<br />
<br />
Anders sieht es hingegen im asiatischen Raum aus. In China hat sich die Bauweise der Häuser bis ins 19. Jahrhundert kaum verändert und auch heute finden sich [[Kranichpagode|Pagoden]] und [[Alter Sommerpalast (Peking)|Paläste]] im alten Stil. <br />
<!--Achtung, an diesen Abschnitten arbeite ich noch! Es ist möglich, dass sie inhaltlich noch um einiges ergänzt werden. Keigauna (ein Datum für den Kommentar wäre hilfreich ~~~~)--><br />
<br />
== Literatur ==<br />
; Nachschlagewerk<br />
* ''[[Duden]]. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache.'' Bibliographisches Institut, Mannheim 1963, ISBN 3-411-00907-1<br />
<br />
; Grundlagen und Allgemeines<br />
* [[Gerd Binnig]]: ''Aus dem Nichts: Über die Kreativität von Natur und Mensch.'' Piper, München 1989, ISBN 3-492-03353-9.<br />
* [[Mihaly Csikszentmihalyi]]: ''Kreativität.'' Klett-Cotta, Stuttgart 1997, ISBN 3-608-91774-8. (Originalfassung: ''Creativity.'' Harper Collins, New York 1996, ISBN 0-06-017133-2)<br />
* John E. Drevdahl: ''Factors of importance for creativity.'' In: ''Journal of Clinical Psychology.'' Nr. 12, 1956, S.&nbsp;21–26<br />
* [[Daniel Goleman]], Paul Kaufman, Michael Ray: ''Kreativität entdecken.'' Hanser, München 1997, ISBN 3-446-19110-0. (Originalfassung: ''The Creative Spirit.'' Dutton, New York 1992, ISBN 0-525-93354-9)<br />
* [[Rainer M. Holm-Hadulla]]: ''Kreativität. Konzept und Lebensstil.'' Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Aufl., Göttingen 2010, ISBN 3-525-49073-9.<br />
* [[Arthur Koestler]]: ''[[Der göttliche Funke|Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft]].'' Scherz, Bern 1966.<br />
* Mario Pricken: ''Kribbeln im Kopf''. Verlag Hermann Schmidt Mainz 2010. ISBN 978-3-87439-797-1.<br />
* Gustav Ripke: ''Kreativität und Diagnostik.'' Lit, Münster 2005, ISBN 3-8258-8867-3 <br />
<br />
; Kreativitätstechniken<br />
* Michael Knieß: ''Kreativitätstechniken. Methoden und Übungen.'' dtv, München 2006, ISBN 3-423-50906-6.<br />
* Michael Luther, Jutta Gründonner: ''Königsweg Kreativität. Powertraining für kreatives Denken.'' Junfermann, Paderborn 2000, ISBN 3-87387-379-6.<br />
* Karsten Noack: ''Kreativitätstechniken. Schöpferisches Potenzial entwickeln und nutzen.'' Cornelsen, Berlin 2005, ISBN 3-589-21956-4. <br />
* [[Alex F. Osborn]]: ''Applied Imagination. Principles and Procedures of Creative Problem-Solving.'' Scribner, New York 1953, ISBN 0-02-389520-9.<br />
* Helmut Schlicksupp: ''Innovation, Kreativität & Ideenfindung.'' 5. Auflage. Vogel, Würzburg 1999, ISBN 3-8023-1786-6.<br />
* Peter Thiesen: Ideenmischmaschine. Beltz, Weinheim 2001 ISBN 3-407-55854-6<br />
<br />
; Bildung und Schulung<br />
* Ina Bielenberg (Hrsg.): ''Bildungsziel Kreativität. Kulturelles Lernen zwischen Kunst und Wissenschaft.'' kopaed, München 2006, ISBN 978-3-938028-91-9.<br />
* [[Robert S. Woodworth]]: ''Contemporary Schools of Psychology.'' Methuen, London 1965, ISBN 0-416-31530-5.<br />
<br />
; Kreativität und Lernen<br />
* Achim Bröcher: ''Kreative Intelligenz und Lernen. Eine Untersuchung zur Förderung schöpferischen Denkens und Handelns unter anderem in einem universitären Sommercamp.'' Minerva-Publikation, München 1989, ISBN 3-597-10642-0 .<br />
* Joachim Bröcher: ''Hochintelligente kreativ begaben.'' Lit, Münster, Hamburg 2005, ISBN 3-8258-8383-3.<br />
* ''journal für begabtenförderung.'' Band 2, Studienverlag, Innsbruck 2004 (Heftthema ''Kreativität'').<br />
* [[Peter Thiesen]]: ''Kreatives Spiel mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.'' 5. Auflage. BildungsverlagEins, Troisdorf 2007, ISBN 3-8237-8112-X.<br />
<br />
; Kreative Gruppen<br />
* Ari Bosse: ''Das kollektive Genie. Die Innovationsleistung rollengestützter Gruppen.'' Tectum-Verlag, Marburg 2007, ISBN 3-8288-9332-5.<br />
* [[Olaf-Axel Burow]]: ''Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural.'' Klett-Cotta, Stuttgart 1999, ISBN 3-608-91977-5.<br />
* Olaf-Axel Burow: ''Ich bin gut – wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-94006-5.<br />
* Paul B. Paulus, Bernard A. Nijstad (Hrsg.): ''Group Creativity: Innovation Through Collaboration.'' Oxford University Press, London 2003, ISBN 0-19-514730-8.<br />
<br />
; Berufliche Innovationskultur<br />
* B. Herbig, J. Glaser, J. Gunkel:'' [http://www.baua.de/nn_11598/de/Publikationen/Fachbeitraege/F1961.html?__nnn=true Kreativität und Gesundheit im Arbeitsprozess. Bedingungen für eine kreativitätsförderliche Arbeitsgestaltung im Wirtschaftsleben.]'' Dortmund 2008, ISBN 978-3-88261-074-1. <br />
* Heinz Hoffmann: ''Kreativität. Die Herausforderung an Geist und Kompetenz. Damit Sie auch in Zukunft Spitze bleiben.'' printul, München 1996, ISBN 3-925575-26-X.<br />
* Jens-Uwe Meyer: ''Kreativ trotz Krawatte. Vom Manager zum Katalysator - Wie Sie eine Innovationskultur aufbauen'' BusinessVillage, September 2010, ISBN 978-3-869800-73-8<br />
* Nadine Müller: ''Reglementierte Kreativität. Arbeitsteilung und Eigentum im computerisierten Kapitalismus'', edition sigma, Berlin, 2010, ISBN 978-3-8360-3571-2<br />
* Reinhard Willfort, Klaus Tochtermann, Aljoscha Neubauer (Hrsg.): ''Creativity@Work für Wissensarbeit. Kreative Höchstleistungen am Wissensarbeitsplatz auf Basis neuester Erkenntnisse der Gehirnforschung.'' Shaker, Aachen 2007, ISBN 978-3-8322-6028-6.<br />
<br />
; Design und Produktentwicklung<br />
* Frank Berzbach: ''Kreativität aushalten. Psychologie für Designer.'' Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2010, ISBN 978-3-87439-786-5<br />
* Tobias Deigendesch: ''Kreativität in der Produktentwicklung und Muster als methodisches Hilfsmittel.'' Dissertation, Fak. f. Maschinenbau, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2009. [http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000015688 Volltext]<br />
* Mario Pricken: ''Visuelle Kreativität. Kreativitätstechniken für neue Bilderwelten in Werbung, 3D Animation & Computer-Games.'' Verlag Hermann Schmidt Mainz 2003. ISBN 978-3-87439-637-0.<br />
<br />
; Kreative Persönlichkeiten<br />
* Jean-Peter Braun: ''Mysterium Kreativität – 13 Künstler geben Antworten'', ars momentum, Witten 2010, ISBN 978-3-938193-36-5<br />
* [[Howard Gardner]]: ''Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben.'' Campus-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-593-36180-9. (Originalfassung: ''Extraordinary Minds. Portraits of Four Exceptional Individuals and an Examination of Our Own Extraordinariness.'' Basic Books, New York 1997, ISBN 0-465-02125-5)<br />
* Rainer M. Holm-Hadulla: ''Leidenschaft: Goethes Weg zur Kreativität. Eine Psychobiografie.'' ". 2. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-40409-6.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Idee]]<br />
* [[Ideenfindung]]<br />
* [[Problemlösen]]<br />
* [[Innovation]]<br />
* [[Intuition]]<br />
* [[Kreativer Prozess]]<br />
* [[Kreatives Schreiben]]<br />
* [[Kreativitätstechniken]]<br />
* [[Laterales Denken]]<br />
* [[Phasen des kreativen Prozesses]]<br />
* [[Kreative Klasse]]<br />
<br />
== Video ==<br />
{{Geist und Gehirn|83|Unbewusste Kreativität}}<br />
<br />
== Referenzen ==<br />
<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.kreativ-sein.de Gesellschaft für Kreativität e.V.]<br />
* [http://www.jahrbuch-kreativitaet.de Jahrbuch der Kreativität]<br />
* [http://www.creapedia.com Kreativitäts-Enzyklopädie CreaPedia]<br />
<br />
[[Kategorie:Kreativität| ]]<br />
[[Kategorie:Design]]<br />
[[Kategorie:Differentielle und Persönlichkeitspsychologie]]<br />
[[Kategorie:Handlung und Verhalten]]<br />
<br />
[[ar:إبداع]]<br />
[[bg:Творчество]]<br />
[[ca:Creativitat]]<br />
[[cs:Tvořivost]]<br />
[[da:Kreativitet]]<br />
[[en:Creativity]]<br />
[[eo:Krepovo]]<br />
[[es:Creatividad]]<br />
[[et:Loovus]]<br />
[[fa:خلاقیت]]<br />
[[fi:Luovuus]]<br />
[[fr:Créativité]]<br />
[[he:יצירתיות]]<br />
[[hi:सृजन]]<br />
[[hr:Kreativnost]]<br />
[[hu:Alkotókészség]]<br />
[[hy:Ստեղծագործություն]]<br />
[[id:Kreativitas]]<br />
[[is:Sköpunargáfa]]<br />
[[it:Creatività]]<br />
[[ja:創造力]]<br />
[[ko:창의성]]<br />
[[lt:Kūryba]]<br />
[[lv:Radošums]]<br />
[[ms:Daya kreatif]]<br />
[[nl:Creativiteit]]<br />
[[no:Kreativitet]]<br />
[[pl:Kreatywność]]<br />
[[pt:Criatividade]]<br />
[[ro:Creativitate]]<br />
[[ru:Творчество]]<br />
[[simple:Creativity]]<br />
[[sk:Kreativita]]<br />
[[sr:Стваралаштво]]<br />
[[sv:Kreativitet]]<br />
[[ta:படைப்பாற்றல்]]<br />
[[tr:Yaratıcılık]]<br />
[[uk:Творчість]]<br />
[[vi:Tư duy sáng tạo]]<br />
[[zh:創造力]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gaggenau&diff=79940548Gaggenau2010-10-05T20:24:12Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt die Stadt Gaggenau, für den gleichnamigen Hersteller von Kücheneinbaugeräten siehe [[Gaggenau Hausgeräte]].}}<br />
{{Infobox Gemeinde in Deutschland<br />
|Art = Stadt<br />
|Wappen = Wappen Gaggenau.svg<br />
|Breitengrad = 48/48/14/N<br />
|Längengrad = 08/19/10/E<br />
|Lageplan = Gaggenau in RA.svg<br />
|Bundesland = Baden-Württemberg<br />
|Regierungsbezirk = Karlsruhe<br />
|Landkreis = Rastatt<br />
|Höhe = 141<br />
|Fläche = 65.05<br />
|PLZ = 76571<br />
|PLZ-alt = 7560<br />
|Vorwahl = 07225<br />
|Kfz = RA<br />
|Gemeindeschlüssel = 08216015<br />
|Gliederung = Kernstadt und 7 [[Stadtteil]]e<br />
|Straße = Hauptstraße 71<br />
|Website = [http://www.gaggenau.de/ www.gaggenau.de]<br />
|Bürgermeister = Christof Florus<br />
|Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister<br />
|Partei =<br />
}}<br />
'''Gaggenau''' [[Sein (Philosophie)|ist]] [[Pronomen|eine]] [[Stadt]] [[Präposition|im]] [[Westen]] [[Baden-Württemberg]]s, [[Kreis|rund]] [[acht]] [[Kilometer]] [[Nordosten|nordöstlich]] von [[Baden-Baden]]. Sie verfügt über große Industrieansiedlungen, ist nach der [[Kreisstadt]] [[Rastatt]] und der Stadt [[Bühl (Baden)|Bühl]] die drittgrößte Stadt des [[Landkreis Rastatt|Landkreises Rastatt]] und bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]]. Seit 1. Januar 1971 ist Gaggenau [[Große Kreisstadt]].<br />
<br />
== Geographie ==<br />
[[Datei:Gaggenau-Blick.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Blick von Süden aufs Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau liegt beiderseits der [[Murg (Nordschwarzwald)|Murg]] in einer Erweiterung des Murgtales an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße'').<br />
<br />
Der höchste Punkt im Stadtgebiet misst 750&nbsp;m, der niedrigste Punkt {{Höhe|134|DE-NN}}. Die größte Ausdehnung des Stadtgebiets beträgt in Nord-Süd-Richtung 10,6&nbsp;km und in West-Ost-Richtung 10,3&nbsp;km.<br />
<br />
=== Nachbarkommunen ===<br />
Folgende Städte und Gemeinden grenzen an die Stadt Gaggenau (im Uhrzeigersinn, beginnend im Norden): [[Malsch (Landkreis Karlsruhe)|Malsch]], [[Marxzell]] (beide [[Landkreis Karlsruhe]]), [[Bad Herrenalb]] ([[Landkreis Calw]]), [[Loffenau]] und [[Gernsbach]] (beide [[Landkreis Rastatt]]), [[Baden-Baden]] ([[Stadtkreis]]) sowie [[Kuppenheim]], [[Bischweier]] und [[Muggensturm]] (alle [[Landkreis Rastatt]]).<br />
<br />
=== Stadtgliederung ===<br />
Das Stadtgebiet Gaggenaus gliedert sich in die Kernstadt Gaggenau und die acht [[Ortsteil|Stadtteile]] Bad Rotenfels, Freiolsheim, Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], Ottenau, Selbach und Sulzbach. Die Stadtteile bilden zugleich [[Unechte Teilortswahl|Wohnbezirke]] im Sinne der baden-württembergischen [[Gemeindeordnungen in Deutschland|Gemeindeordnung]], wobei die Kernstadt und die Stadtteile Ottenau und Bad Rotenfels zu einem Wohnbezirk zusammengefasst werden. Mit Ausnahme im Stadtteil Bad Rotenfels sind in den Stadtteilen [[Ortschaft]]en im Sinne der baden-württembergischen Gemeindeordnung mit jeweils eigenem [[Ortschaftsrat]] und [[Ortsvorsteher]] als dessen Vorsitzender eingerichtet. Für diese Ortschaften gibt es jeweils einen vom Volk gewählten [[Ortschaftsrat]], der aus 8 bis 10 Mitgliedern zu bestehen hat. Vorsitzender des Gremiums ist der [[Ortsvorsteher]]. Die Ortschaftsräte sind zu wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören.<ref>[http://www.gaggenau.de/sixcms/media.php/23/hauptsatzung_020.pdf Hauptsatzung der Stadt Gaggenau vom 13. März 1995, zuletzt geändert am 23. Januar 2006]</ref><br />
<br />
Zum Stadtteil Freiolsheim gehören das Dorf Freiolsheim und die Weiler Mittelberg und [[Moosbronn]]. Zur Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 gehören die Stadt Gaggenau, das Dorf Ottenau (mit Gaggenau zusammengewachsen) und das Gehöft Amalienberg. Zu den Stadtteilen Hörden, Michelbach, Selbach und Sulzbach gehören jeweils nur die gleichnamigen Dörfer. Zum Stadtteil Oberweier gehören die Dörfer Oberweier und Niederweier. Zum Stadtteil Rotenfels gehören das Dorf Rotenfels und der Weiler Winkel.<br /><br />
In der Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 (auf Gemarkung Gaggenau, in etwa Gewann Heil) liegt die [[Wüstung]] Außermichelbach und im Stadtteil Oberweier die Wüstung Mittelweyer.<ref>''Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band V: Regierungsbezirk Karlsruhe'' Kohlhammer, Stuttgart 1976, ISBN 3-17-002542-2. S. 163–167</ref><br />
<br />
=== Raumplanung ===<br />
Gaggenau bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]], in welcher [[Karlsruhe]] die Position des [[Oberzentrum]]s einnimmt. Zum Mittelbereich Gaggenau/Gernsbach gehören neben den beiden Städten Gaggenau und Gernsbach noch die Gemeinden [[Loffenau]] und [[Weisenbach]].<br />
<br />
{{Großes Bild|Pano von Ebersteinburg.jpg|1000|Panorama des unteren Murgtals mit Gaggenau von der [[Alt-Eberstein|Ruine Ebersteinburg]]}}<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Gaggenau wurde 1243 unter dem Namen „Gaggenaw“ erstmalig urkundlich erwähnt. Älter als die Kernstadt ist unter anderem der heutige Stadtteil Bad Rotenfels, der in einem kaiserlichen Schenkungsbrief bereits im Jahre 1041 genannt wurde. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Gaggenau ein kleineres [[Dorf]], das ursprünglich zum [[Ufgau (Baden)|Ufgau]], ab dem 13. Jahrhundert zur [[Markgrafschaft Baden]] bzw. ab 1535 zur Markgrafschaft Baden-Baden gehörte. Bis 1689 gehörte der Ort zum [[Amt Kuppenheim]] und dann zum [[Oberamt Rastatt|Amt Rastatt]], aus dem später der [[Landkreis Rastatt]] hervorging. 1691 wurde der Ort im [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]] durch die Franzosen fast vollständig zerstört. 1772 entstand unterhalb des Dorfes die [[Anton Rindeschwender|Rindeschwendersche]] [[Glashütte (Produktionsstätte)|Glashütte]] und mit ihr mehrere Betriebswohnungen und Werkstätten.<br />
[[Datei:Benz Gaggenau Logo.png|rechts|100px|Benz Gaggenau]]<br />
Der eigentliche industrielle Aufschwung begann ab 1873 durch Gründung der Eisenwerke Michael Flürscheims, die auf das markgräfliche Hammerwerk zurückgehen. 1895 wurde hier bereits das 5-PS Automobil ''Orient Express'' gebaut, ab 1905 nannten sie sich ''[[Süddeutsche Automobil-Fabrik Gaggenau|Süddeutsche Automobilfabrik GmbH Gaggenau]]''. 1907 erfolgte die Übernahme durch die Firma Benz aus Mannheim bis zum Zusammenschluss 1926 zur [[Daimler-Benz]] AG.<br />
<br />
Dadurch wuchs die Siedlung Gaggenau stark an und wurde schließlich am 15. September 1922 aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur [[Stadt]] erhoben.<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|NS-Machthaber]] errichteten im September 1944 im heutigen Ortsteil ''Rotenfels'' das [[Sicherungslager Rotenfels]], wo in sechs Baracken etwa 1.600 Frauen und Männer interniert wurden, die in den ''Daimler-Benz-Werken'' und anderen Betrieben [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]] verrichten mussten. Etwa 500 von ihnen sind ums Leben gekommen. An sie erinnert seit 1985 im jetzigen ''Kurpark'' eine Gedenktafel, die im Beisein einstiger französischer Häftlinge angebracht wurde. Eine weitere Gedenkstätte am ''Waldfriedhof'' erinnert an 27 ermordete Häftlinge.<ref>Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd.I, Bonn 1995, S. 37, ISBN 3-89331-208-0</ref><br />
<br />
[[Datei:Rathaus Gaggenau 1.jpg|miniatur|Das Rathaus]]<br />
<br />
Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde die Stadt zu etwa 70 % zerstört. Am 10. September 1944 griffen 140 [[Bomber]] vom Typ [[Boeing B-17|B-17]] der 8. US-Luftflotte die örtliche Fahrzeugindustrie an, am 3. Oktober folgte ein Angriff durch 139 [[Consolidated B-24|B-24]]. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit regelmäßigem Straßennetz wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau wurde mit dem Neubau des Rathauses (1957–1958) abgeschlossen.<br />
<br />
Anfang der 1970er Jahre wurden sechs Umlandgemeinden nach Gaggenau eingegliedert, dadurch verdoppelte sich die Einwohnerzahl und die Gemarkungsfläche verfünffachte sich, insbesondere durch die ehem. Gemeinde Rotenfels, die im Grundbesitz einer sehr großen Waldfläche (bis einschließlich zum Bernstein) war. Dadurch wurde die Mindestzahl von 20.000 Einwohnern für die Erhebung zur [[Große Kreisstadt|Großen Kreisstadt]] überschritten, weshalb die [[Landesregierung von Baden-Württemberg]] diese auf Antrag der Stadtverwaltung mit Wirkung vom 1. Januar 1971 beschloss.<br />
<br />
=== Eingemeindungen ===<br />
[[Datei:Freiholsheim vom Mahlberg.jpg|miniatur|hochkant=2|Gemeinde Freiolsheim vom [[Mahlberg (Berg)|Mahlberg]] aus gesehen]]<br />
<br />
Folgende [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]] wurden in die Stadt Gaggenau eingegliedert. Sie gehörten alle zum Amt bzw. Landkreis Rastatt:<br />
* 1935: Ottenau<br />
* 1. Januar 1970: Rotenfels, Heilbad, mit dessen Ortsteil Winkel (heute: Bad Rotenfels)<br />
* 1. April 1970: Selbach<br />
* 1. September 1971: Freiolsheim mit dem Weiler Moosbronn und der Siedlung Mittelberg<br />
* 1. April 1972: [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] mit Niederweier<br />
* 1. April 1973: Sulzbach<br />
* 1. Januar 1975: Hörden und Michelbach<br />
Bad Rotenfels, Gaggenau und Ottenau bilden zusammen eine „Ortschaft“ entsprechend der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg.<br />
<br />
=== Einwohnerentwicklung ===<br />
Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Die Zahlen sind Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter (nur [[Hauptwohnsitz]]e).<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1450 || align="right" | 100<br />
|-<br />
| 1550 || align="right" | 350<br />
|-<br />
| 1650 || align="right" | 160<br />
|-<br />
| 1790 || align="right" | 520<br />
|-<br />
| 1833 || align="right" | 1.071<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1880 ¹ || align="right" | 1.522<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1905 ¹ || align="right" | 2.400<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1910 ¹ || align="right" | 3.120<br />
|-<br />
| 1926 || align="right" | 4.162<br />
|-<br />
| 1935 || align="right" | 6.600<br />
|-<br />
| 17. Mai 1939 ¹ || align="right" | 7.741<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1945 ¹ || align="right" | 4.500<br />
|-<br />
| 13. September 1950 ¹ || align="right" | 7.526<br />
|-<br />
| 6. Juni 1961 ¹ || align="right" | 12.537<br />
|-<br />
| 27. Mai 1970 ¹ || align="right" | 21.132<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1975 || align="right" | 28.846<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1980 || align="right" | 28.533<br />
|-<br />
| 27. Mai 1987 ¹ || align="right" | 28.116<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1990 || align="right" | 28.761<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1995 || align="right" | 29.531<br />
|-<br />
| 31. Dezember 2000 || align="right" | 29.703 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|-<br />
| 31. Dezember 2005 || align="right" | 29.709 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|}<br />
|}<br />
¹ Volkszählungsergebnis<br />
<br />
=== Religionen ===<br />
[[Datei:Josephskirche Gaggenau 01.jpg|miniatur|Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef im Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau gehörte zum [[Bistum Speyer]] und war dem Landkapitel Kuppenheim zugeordnet. Ab 1555 wurde die [[Reformation]] eingeführt. Doch musste der Ort in der Folgezeit sechs mal die Konfession wechseln, bevor er dann fast ausnahmslos katholisch blieb.<br />
Bis 1891 war Gaggenau ein Filialort von Rotenfels, dessen Kirche Mutterkirche für das gesamte Umland war. Die heutige Kirche stammt jedoch aus der Barockzeit, die Innenausstattung aus dem 18. Jahrhundert. In Gaggenau gab es seit dem 17. Jahrhundert eine dem Hl. [[Wendelin]] geweihte Kapelle. 1899 erhielt Gaggenau dann eine eigene Pfarrkirche St.&nbsp;Josef. Auch die anderen Stadtteile Gaggenaus haben meist ältere katholische Kirchen. Alle Pfarrgemeinden kamen 1821/27 zum neu gegründeten [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. Sie wurden dem Dekanat Murgtal zugeordnet. Heute gibt es im Stadtgebiet Gaggenaus folgende Kirchengemeinden: St.&nbsp;Josef Gaggenau, St.&nbsp;Marien Gaggenau, Maria Hilf Moosbronn-Freiolsheim, St.&nbsp;Johann Nepomuk Hörden, St.&nbsp;Michael Michelbach, St.&nbsp;Johannes der Täufer [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], St.&nbsp;Laurentius Bad Rotenfels, St.&nbsp;Nikolaus Selbach, St.&nbsp;Anna Sulzbach und St.&nbsp;Jodocus in Ottenau.<br />
<br />
Im 19. Jahrhundert zogen auch wieder [[Protestanten]] nach Gaggenau. Sie gründeten eine eigene Gemeinde und 1891 erhielt diese ihre eigene Kirche, die im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstört, 1953 jedoch wieder aufgebaut wurde. Die Gemeinde, der auch die Protestanten der meisten heutigen Stadtteile Gaggenaus angehören, gehört zum Kirchenbezirk Baden-Baden und Rastatt der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]].<br />
<br />
Neben den beiden großen Kirchen gibt es in Gaggenau auch weitere christliche Gemeinden, wie etwa die [[Neuapostolische Kirche]] und die Glaubensgemeinschaft der [[Zeugen Jehovas]].<br />
Ferner leben in Gaggenau über 1100 (überwiegend türkische) Muslime. Die ''Sultan-Ahmet Moschee'', die der DİTİB (Die [[Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion|Diyanet İşleri Türk İslam Birliği]]) angehört, liegt im Stadtteil Bad Rotenfels und hat über 200 Mitglieder.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Gemeinderat ===<br />
Der [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] der Stadt Gaggenau hat seit der Kommunalwahl vom 7. Juni 2009 insgesamt 26 Mitglieder, die den Titel ''Stadtrat'' führen. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis:<ref>[http://www.gaggenau.de/kommunalwahlen_2009_in_gaggenau.33835.20,1,81,215,217.htm Stadt Gaggenau: Kommunalwahlen 2009], abgerufen am 17. Februar 2010</ref><br />
# [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] 31,9 % (-2,4), 9 Sitze<br />
# [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] 26,76 % (-0,24), 7 Sitze<br />
# [[Freie Wähler|FWG]] 20,13 % (-4,07), 5 Sitze<br />
# [[Freie Demokratische Partei|FDP]] 12,08 % (+3,28), 3 Sitze<br />
# [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] 9,14 % (+3,44), 2 Sitze<br />
<br />
=== Bürgermeister ===<br />
An der Spitze des Ortes stand der vom Landesherrn auf Lebenszeit eingesetzte Schultheiß. Daneben gab es sechs Gerichtsleute. Später leitete ein von der Gemeindebevölkerung gewählter Bürgermeister und der Rat (Dorfgeschworene) die Gemeinde. 1832 wurde die Badische Gemeindeordnung, 1935 die [[deutsche Gemeindeordnung]] eingeführt, welche die Durchsetzung des [[Führerprinzip]]s auf Gemeindeebene vorsah. Seit 1971 trägt das Stadtoberhaupt den Titel Oberbürgermeister. Sein Vertreter ist der Beigeordnete mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister.<br />
<br />
'''Vögte, Bürgermeister und Oberbürgermeister'''<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
* 1809–1820: Michael Merkel, Vogt<br />
* 1821: Jacob Holl, Vogt<br />
* 1822: Josef Schmidt, Vogt<br />
* 1823–1836: August Henkele<br />
* 1837–1840: Florian Götzmann<br />
* 1840–1849: Adam Hirth<br />
* 1849–1870: Daniel Henger<br />
* 1870–1877: Hieronymus Merkel<br />
* 1877: Kilian Fütterer<br />
* 1878–1881: Karl Lang<br />
* 1881–1902: Franz Bracht<br />
* 1902–1919: Karl Kohlbecker<br />
| valign="top" |<br />
* 1919–1933: August Schneider<br />
* 1933–1935: Otto Dietz<br />
* 1935: Karl Fütterer<br />
* 1936–1945: Adolf Martin<br />
* 1945–1946: Heinrich Focken<br />
* 1946–1950: Oskar Fritz<br />
* 1950–1968: Josef Hollerbach<br />
* 1968–1984: [[Helmut Dahringer]]<br />
* 1984–1991: [[Thomas Schäuble]], [[CDU]]<br />
* 1991–2007: Michael Schulz<br />
* Seit 21. Mai 2007: [[Christof Florus]]<br />
|}<br />
<br />
Florus setzte sich am 25. März 2007 im zweiten Wahlgang durch. Gegenkandidaten waren Alois Degler, Wolfgang Seckler und der bisherige Oberbürgermeister Michael Schulz.<br />
<br />
=== Wappen ===<br />
Das [[Wappen]] der Stadt Gaggenau zeigt „in Rot einen silbernen [[Sester]]“ (= ein altes Getreidemaß). Die Stadtflagge ist weiß-rot.<br />
<br />
Das Wappenbild ist schon in den Siegeln des Ortes aus dem 18. Jahrhunderts nachweisbar, doch erhielt der Ort 1901 zunächst ein Wappen, das in gespaltenem Schild ein halbes Zahnrad (die Industrie symbolisierend) und einen Glasbecher (für die Glasindustrie) zeigte. 1938 wurde das Wappen nach Eingliederung der Gemeinde Ottenau verändert. Es zeigte nunmehr erstmals den Gaggenauer Sester und das Ottenauer [[Rebmesser]]. 1958 setzte man beide Bilder in einen gespaltenen Schild. Nach der [[Gemeindereform]] konzentrierte man sich jedoch auf das alleinige Gaggenauer Zeichen, den Sester. Dieses Wappen wurde der Stadt Gaggenau am 7. Januar 1971 vom [[Innenministerium Baden-Württemberg]] verliehen.<br />
<br />
=== Städtepartnerschaften ===<br />
Gaggenau unterhält seit 1970 mit der Stadt [[Annemasse]] in [[Frankreich]] und seit 2000 mit der Stadt [[Sieradz]] in [[Polen]] [[Städtepartnerschaft]]en.<br />
<br />
== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==<br />
=== Theater ===<br />
Die „klag-Bühne“ Gaggenau ist eine überregional bekannte Bühne für Kleinkunst, Musik und Theater mit Bewirtung. Veranstalter ist in der Hauptsache das Kulturamt der Stadt Gaggenau.<br />
<br />
=== Museen ===<br />
* Das Museum Haus Kast im Stadtteil Hörden zeigt Flößerei, Wald, Jagdgeschichte, Märchen und Sagen.<br />
* Im Stadtteil Michelbach gibt es ein Heimatmuseum.<br />
* Im Stadtteil Bad Rotenfels befindet sich das von einem privaten Verein betriebene [[Unimog-Museum]].<br />
<!-- === Musik === --><br />
<!-- zum Beispiel Orchester, Chöre, etc. --><br />
<br />
=== Bauwerke ===<br />
[[Datei:Bad Rotenfels - Schloss.jpg|miniatur|Schloss Rotenfels]]<br />
<br />
Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef stammt aus dem Jahr 1899, die evangelische Markuskirche ursprünglich aus dem Jahr 1891. Beide wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt beziehungsweise zerstört und danach stark verändert wieder aufgebaut. Das Rathaus wurde 1957 erbaut, nachdem der Vorgängerbau ebenfalls zusammen mit den meisten Bauwerken im Stadtkern während der Fliegerangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war.<br />
{{Anker|SchlossRotenfels}}<br />
Im Stadtteil Bad Rotenfels befinden sich der ''Kurpark'' und an seinem Rand die ''Akademie Schloss Rotenfels''. Das Hauptgebäude der Akademie ist ein repräsentativer Bau mit klassizistischem Säulenportikus. 1818–1827 wurde die bisherige Fabrikationshalle einer Steinzeugfabrik nach Entwurf von [[Friedrich Weinbrenner]] zum Landschloss umgebaut. Die barocke ''Pfarrkirche St.&nbsp;Laurentius'' in Bad Rotenfels wurde 1752–1766 durch Ignaz Franz Krohmer erbaut. Bei einer Renovierung 1902–1903 erhielt die Fassade neobarocke Überformungen. Es handelt sich dabei um das dritte Kirchengebäude an dieser Stelle. Die katholische Kirche St.&nbsp;Laurentius war die erste Pfarrei im Murgtal und ist daher als Mutterkirche des Murgtals bekannt. Von hier wurden im Lauf der Jahrhunderte kleinere Kirchengemeinden in die Selbständigkeit abgespalten. Weitere Kirchen im Stadtgebiet sind die katholische Kirche ''St.&nbsp;Johann Nepomuk'' in Hörden (Baujahr 1894), die katholische ''Marienkirche'' im Fachwerkdorf Michelbach aus dem 13. Jahrhundert mit späteren Veränderungen, die katholische spätgotische Kirche ''St.&nbsp;Johannes der Täufer'' in Oberweier, die katholische Kirche Selbach aus dem Jahr 1756, die neuromanische Kirche von 1884 in Sulzbach und die neugotische Pfarrkirche von 1906 in Ottenau.<br />
Im ''Oberdorf'' von Bad Rotenfels, am Ortsausgang Richtung Winkel, liegt die 1747–1752 erbaute ''Sebastianskapelle'' mit offener Vorhalle und Dachreiter, die kleiner ist als die umliegenden ländlichen Wohnhäuser.<br />
<br />
In der Innenstadt und den Stadtteilen stehen viele Brunnen. Der bekannteste ist der 1981 erbaute ''Gänsebrunnen'' von Gudrun Schreiner am Bahnhofsplatz. Er greift die Gründungssage Gaggenaus auf, die besagt, dass dort, wo sich heute die Stadt Gaggenau befindet, einst ein Tümpel war, an dem sich die Gänse der Gegend tränkten. Durch das Gegackere der Gänse soll der Name ''Gaggenau'' entstanden sein. Auch Hörden hat einen interessanten Brunnen, den ''Flößerbrunnen''. Er erinnert an das traditionelle Handwerk des [[Flößer]]s. Die Wasserspeier stellen traditionelle Figuren des Hördener Karnevals dar: Den ''Fürig Barthel'', die ''Schlempe'' und den ''Domino''. Im früheren Ortskern von Bad Rotenfels, in der unteren Eichelbergstraße, wurde in den 1990er Jahren durch den Heimatverein ein alter Ziehbrunnen-Schacht wiederentdeckt, restauriert und als Zeitzeuge der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.<br />
<!-- === Parks === --><br />
<!-- === Sport === --><br />
<br />
=== Regelmäßige Veranstaltungen ===<br />
* Maimarkt (heute: „Gaggenauer Maitage“), aus den Marktrechten des früheren Bad Rotenfelser Jahrmarktes entstanden<br />
* Herbstmesse<br />
* Künstler- und Handwerkermarkt<br />
* Nikolausmarkt<br />
<br />
== Wirtschaft und Infrastruktur ==<br />
[[Datei:Gaggenau-2.JPG|miniatur|Stadtbahn im Bahnhof Gaggenau]]<br />
<br />
=== Verkehr ===<br />
Gaggenau liegt an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße''). Die nächste Autobahnanschlussstelle ist Rastatt an der [[Bundesautobahn 5]] Karlsruhe–Basel.<br />
<br />
Ebenfalls durch die Stadt führt die Bahnlinie Rastatt–Freudenstadt ([[Murgtalbahn]]), auf der seit der durchgehenden Elektrifizierung im Jahr 2002 eine von Karlsruhe kommende Stadtbahnlinie verkehrt. Seither hat Gaggenau direkten Anschluss ans Straßenbahnnetz der Großstadt.<br />
<br />
[[Datei:DC-Gaggenau-Haupteingang.jpg|miniatur|[[Mercedes-Benz]]-Werk Gaggenau]]<br />
<br />
=== Bekannte ansässige Unternehmen ===<br />
* [[Daimler AG]], Mercedes-Benz Werk Gaggenau, größter Arbeitgeber der Stadt<br />
* Dambach-Unternehmensgruppe<br />
* [[Grötz (Bauunternehmen)|Grötz GmbH & Co. KG]]<br />
* König Metall<br />
* Kohlbecker Architekten & Ingenieure<br />
* KWH Automobiltechnik GmbH<br />
* Lang GmbH & Co. KG Bauunternehmen<br />
* Florenz Maisch Protektorwerk<br />
* Precitec KG<br />
<br />
=== Medien ===<br />
Über das lokale Geschehen in Gaggenau und dem Murgtal berichten die Tageszeitungen [[Badisches Tagblatt]] (BT) mit Sitz in Baden-Baden/Lokalredaktion Gaggenau und ihrer Lokalausgabe ''Der Murgtäler'' sowie deren täglichen Auflagenzahl von etwa 11.000 Exemplaren und die [[Badische Neueste Nachrichten]] (BNN) –&nbsp;Sitz Karlsruhe/Lokalredaktion Gaggenau&nbsp;– mit der Lokalausgabe ''Rastatt/Gaggenau'' – Tagesauflagenzahl hier etwa 10.000.<br />
<br />
Als weiteres Medium fungiert die ''Gaggenauer Woche'', welche unter anderem als amtliches Mitteilungsblatt dient und einmal pro Woche an die Gaggenauer Haushalte kostenlos mit einer Auflage von etwa 16.000 Exemplaren verteilt wird. Dieses Mitteilungsblatt wird von Nussbaum Medien mit Sitz in Weil der Stadt verlegt, welche ein Außenbüro in der Stadt unterhalten.<br />
<br />
Des Weiteren werden ebenfalls vom ''Badischen Tagblatt'' als Herausgeber, zwei kostenlose Anzeigen- und Lokalwirtschaftsnachrichtenjournale namens ''Wochenjournal WO'' – Ausgabe Murgtal und ''WO am Sonntag'' – Ausgabe Rastatt/Murgtal an die Haushalte kostenlos zugestellt. Auflage ''Wochenjournal WO'': etwa 25.500 (Ausgabe Murgtal), Auflage ''WO am Sonntag'': etwa 73.000 (Ausgabe Rastatt/Murgtal).<br />
<br />
Bei entsprechenden Anlässen werden auch TV-Beiträge über Gaggenau und die Region vom [[Südwestrundfunk]] dem Regional-Fernsehsender [[R.TV (Karlsruhe)|R.TV Karlsruhe]] ausgestrahlt.<br />
<br />
=== Bildung ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat ein [[Gymnasium]] (Goethe-Gymnasium), eine [[Realschule]] (Realschule Gaggenau), ferner drei Grund- und [[Hauptschule]]n mit [[Werkrealschule]] (Eichelbergschule Bad Rotenfels, Hebelschule und Merkurschule) sowie die Hans-Thoma-[[Grundschule]] und je eine Grundschule in den Stadtteilen Selbach (Eberstein-Grundschule), Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] und Sulzbach. Weiterhin ist im Schulzentrum Dachgrub Bad Rotenfels eine vom Landkreis Rastatt getragene [[Förderschule]] (Erich Kästner-Schule) eingerichtet. Der Landkreis ist auch Träger der Carl-Benz-Schule, einer berufsbildenden Schule.<br />
<br />
In [[#SchlossRotenfels|Schloss Rotenfels]] ist seit 1996 die ''Akademie Schloss Rotenfels'' eingerichtet, die baden-württembergische Landesakademie für Schulkunst, Schul- und Amateurtheater.<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat folgenden Personen das [[Ehrenbürger]]recht verliehen:<br />
* 1920: [[Theodor Bergmann]], Kommerzienrat, Begründer der Gaggenauer Automobilindustrie<br />
* 1928: Josef Vogt, Dekan, Ehrenbürger von Ottenau<br />
* 1929: Alois Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1929: Felix Lohrmann, Industrieller<br />
* 1930: Karl Kohlbecker, Bürgermeister<br />
* 1958: Karl Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1958: Wilhelm Rommel, Schmiedemeister<br />
* 1968: Josef Hollerbach, Bürgermeister<br />
* 1976: Kurt A. Dambach, Industrieller<br />
* 1977: Josef Grötz<br />
* 1977: Willi Roth<br />
* 1980: Josef Götzmann<br />
* 1984: Helmut Dahringer, Oberbürgermeister<br />
* 1984: Theodor Hurrle<br />
* 2010: [[Christoph Kohlbecker]], Architekt<br />
<br />
=== Söhne und Töchter der Stadt ===<br />
* [[Anton Rindenschwender]] (*28. Januar 1725 † 5. Mai 1803), Gründer der Glashütte <br />
* [[Günther Rall]] (* 10. März 1918, † 4. Oktober 2009), Generalleutnant a.&nbsp;D., [[Jagdflieger]], Inspekteur der [[Bundesluftwaffe]]<br />
* [[Christoph Kohlbecker]] (* 19. März 1935), Architekt<br />
<br />
=== Weitere bekannte Persönlichkeiten in Gaggenau ===<br />
[[Werner O. Feißt]] – SWR-Moderator und Fernsehproduzent. ''WOF'' – so die SWF/SWR-interne Bezeichnung für Feißt – lebte seit Jahrzehnten bis zu seinem Tod am 28. April 2006 in Gaggenau-Selbach.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur|Titel=Badisches Städtebuch|Sammelwerk=Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte – Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages|Band=Band IV, 2. Teilband|Herausgeber=Erich Keyser|Ort=Stuttgart|Jahr=1959}}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Historischer Grenzweg Michelbach–Moosbronn–Bernbach]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.gaggenau.de/ Offizielle Webseite der Stadt Gaggenau]<br />
* [http://www.gaggenau-michelbach.de/ Webseite des Ortsteils Michelbach]<br />
* [http://www.bad-rotenfels.de/ Webseite des früher selbständigen Kurorts Bad Rotenfels]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Rastatt}}<br />
<br />
[[Kategorie:Gaggenau| ]]<br />
[[Kategorie:Ort im Landkreis Rastatt]]<br />
<br />
[[en:Gaggenau]]<br />
[[eo:Gaggenau]]<br />
[[fi:Gaggenau]]<br />
[[fr:Gaggenau]]<br />
[[it:Gaggenau]]<br />
[[nl:Gaggenau (stad)]]<br />
[[pl:Gaggenau]]<br />
[[pt:Gaggenau]]<br />
[[ro:Gaggenau]]<br />
[[ru:Гаггенау]]<br />
[[sv:Gaggenau]]<br />
[[vo:Gaggenau]]<br />
[[war:Gaggenau]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gaggenau&diff=79940540Gaggenau2010-10-05T20:23:58Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt die Stadt Gaggenau, für den gleichnamigen Hersteller von Kücheneinbaugeräten siehe [[Gaggenau Hausgeräte]].}}<br />
{{Infobox Gemeinde in Deutschland<br />
|Art = Stadt<br />
|Wappen = Wappen Gaggenau.svg<br />
|Breitengrad = 48/48/14/N<br />
|Längengrad = 08/19/10/E<br />
|Lageplan = Gaggenau in RA.svg<br />
|Bundesland = Baden-Württemberg<br />
|Regierungsbezirk = Karlsruhe<br />
|Landkreis = Rastatt<br />
|Höhe = 141<br />
|Fläche = 65.05<br />
|PLZ = 76571<br />
|PLZ-alt = 7560<br />
|Vorwahl = 07225<br />
|Kfz = RA<br />
|Gemeindeschlüssel = 08216015<br />
|Gliederung = Kernstadt und 7 [[Stadtteil]]e<br />
|Straße = Hauptstraße 71<br />
|Website = [http://www.gaggenau.de/ www.gaggenau.de]<br />
|Bürgermeister = Christof Florus<br />
|Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister<br />
|Partei =<br />
}}<br />
'''Gaggenau''' [[Sein (Philosophie)|ist]] [[Pronomen|eine]] [[Stadt]] [[Präposition|im]] [[Westen]][[Baden-Württemberg]]s, [[Kreis|rund]] [[acht]] [[Kilometer]] [[Nordosten|nordöstlich]] von [[Baden-Baden]]. Sie verfügt über große Industrieansiedlungen, ist nach der [[Kreisstadt]] [[Rastatt]] und der Stadt [[Bühl (Baden)|Bühl]] die drittgrößte Stadt des [[Landkreis Rastatt|Landkreises Rastatt]] und bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]]. Seit 1. Januar 1971 ist Gaggenau [[Große Kreisstadt]].<br />
<br />
== Geographie ==<br />
[[Datei:Gaggenau-Blick.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Blick von Süden aufs Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau liegt beiderseits der [[Murg (Nordschwarzwald)|Murg]] in einer Erweiterung des Murgtales an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße'').<br />
<br />
Der höchste Punkt im Stadtgebiet misst 750&nbsp;m, der niedrigste Punkt {{Höhe|134|DE-NN}}. Die größte Ausdehnung des Stadtgebiets beträgt in Nord-Süd-Richtung 10,6&nbsp;km und in West-Ost-Richtung 10,3&nbsp;km.<br />
<br />
=== Nachbarkommunen ===<br />
Folgende Städte und Gemeinden grenzen an die Stadt Gaggenau (im Uhrzeigersinn, beginnend im Norden): [[Malsch (Landkreis Karlsruhe)|Malsch]], [[Marxzell]] (beide [[Landkreis Karlsruhe]]), [[Bad Herrenalb]] ([[Landkreis Calw]]), [[Loffenau]] und [[Gernsbach]] (beide [[Landkreis Rastatt]]), [[Baden-Baden]] ([[Stadtkreis]]) sowie [[Kuppenheim]], [[Bischweier]] und [[Muggensturm]] (alle [[Landkreis Rastatt]]).<br />
<br />
=== Stadtgliederung ===<br />
Das Stadtgebiet Gaggenaus gliedert sich in die Kernstadt Gaggenau und die acht [[Ortsteil|Stadtteile]] Bad Rotenfels, Freiolsheim, Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], Ottenau, Selbach und Sulzbach. Die Stadtteile bilden zugleich [[Unechte Teilortswahl|Wohnbezirke]] im Sinne der baden-württembergischen [[Gemeindeordnungen in Deutschland|Gemeindeordnung]], wobei die Kernstadt und die Stadtteile Ottenau und Bad Rotenfels zu einem Wohnbezirk zusammengefasst werden. Mit Ausnahme im Stadtteil Bad Rotenfels sind in den Stadtteilen [[Ortschaft]]en im Sinne der baden-württembergischen Gemeindeordnung mit jeweils eigenem [[Ortschaftsrat]] und [[Ortsvorsteher]] als dessen Vorsitzender eingerichtet. Für diese Ortschaften gibt es jeweils einen vom Volk gewählten [[Ortschaftsrat]], der aus 8 bis 10 Mitgliedern zu bestehen hat. Vorsitzender des Gremiums ist der [[Ortsvorsteher]]. Die Ortschaftsräte sind zu wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören.<ref>[http://www.gaggenau.de/sixcms/media.php/23/hauptsatzung_020.pdf Hauptsatzung der Stadt Gaggenau vom 13. März 1995, zuletzt geändert am 23. Januar 2006]</ref><br />
<br />
Zum Stadtteil Freiolsheim gehören das Dorf Freiolsheim und die Weiler Mittelberg und [[Moosbronn]]. Zur Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 gehören die Stadt Gaggenau, das Dorf Ottenau (mit Gaggenau zusammengewachsen) und das Gehöft Amalienberg. Zu den Stadtteilen Hörden, Michelbach, Selbach und Sulzbach gehören jeweils nur die gleichnamigen Dörfer. Zum Stadtteil Oberweier gehören die Dörfer Oberweier und Niederweier. Zum Stadtteil Rotenfels gehören das Dorf Rotenfels und der Weiler Winkel.<br /><br />
In der Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 (auf Gemarkung Gaggenau, in etwa Gewann Heil) liegt die [[Wüstung]] Außermichelbach und im Stadtteil Oberweier die Wüstung Mittelweyer.<ref>''Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band V: Regierungsbezirk Karlsruhe'' Kohlhammer, Stuttgart 1976, ISBN 3-17-002542-2. S. 163–167</ref><br />
<br />
=== Raumplanung ===<br />
Gaggenau bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]], in welcher [[Karlsruhe]] die Position des [[Oberzentrum]]s einnimmt. Zum Mittelbereich Gaggenau/Gernsbach gehören neben den beiden Städten Gaggenau und Gernsbach noch die Gemeinden [[Loffenau]] und [[Weisenbach]].<br />
<br />
{{Großes Bild|Pano von Ebersteinburg.jpg|1000|Panorama des unteren Murgtals mit Gaggenau von der [[Alt-Eberstein|Ruine Ebersteinburg]]}}<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Gaggenau wurde 1243 unter dem Namen „Gaggenaw“ erstmalig urkundlich erwähnt. Älter als die Kernstadt ist unter anderem der heutige Stadtteil Bad Rotenfels, der in einem kaiserlichen Schenkungsbrief bereits im Jahre 1041 genannt wurde. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Gaggenau ein kleineres [[Dorf]], das ursprünglich zum [[Ufgau (Baden)|Ufgau]], ab dem 13. Jahrhundert zur [[Markgrafschaft Baden]] bzw. ab 1535 zur Markgrafschaft Baden-Baden gehörte. Bis 1689 gehörte der Ort zum [[Amt Kuppenheim]] und dann zum [[Oberamt Rastatt|Amt Rastatt]], aus dem später der [[Landkreis Rastatt]] hervorging. 1691 wurde der Ort im [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]] durch die Franzosen fast vollständig zerstört. 1772 entstand unterhalb des Dorfes die [[Anton Rindeschwender|Rindeschwendersche]] [[Glashütte (Produktionsstätte)|Glashütte]] und mit ihr mehrere Betriebswohnungen und Werkstätten.<br />
[[Datei:Benz Gaggenau Logo.png|rechts|100px|Benz Gaggenau]]<br />
Der eigentliche industrielle Aufschwung begann ab 1873 durch Gründung der Eisenwerke Michael Flürscheims, die auf das markgräfliche Hammerwerk zurückgehen. 1895 wurde hier bereits das 5-PS Automobil ''Orient Express'' gebaut, ab 1905 nannten sie sich ''[[Süddeutsche Automobil-Fabrik Gaggenau|Süddeutsche Automobilfabrik GmbH Gaggenau]]''. 1907 erfolgte die Übernahme durch die Firma Benz aus Mannheim bis zum Zusammenschluss 1926 zur [[Daimler-Benz]] AG.<br />
<br />
Dadurch wuchs die Siedlung Gaggenau stark an und wurde schließlich am 15. September 1922 aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur [[Stadt]] erhoben.<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|NS-Machthaber]] errichteten im September 1944 im heutigen Ortsteil ''Rotenfels'' das [[Sicherungslager Rotenfels]], wo in sechs Baracken etwa 1.600 Frauen und Männer interniert wurden, die in den ''Daimler-Benz-Werken'' und anderen Betrieben [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]] verrichten mussten. Etwa 500 von ihnen sind ums Leben gekommen. An sie erinnert seit 1985 im jetzigen ''Kurpark'' eine Gedenktafel, die im Beisein einstiger französischer Häftlinge angebracht wurde. Eine weitere Gedenkstätte am ''Waldfriedhof'' erinnert an 27 ermordete Häftlinge.<ref>Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd.I, Bonn 1995, S. 37, ISBN 3-89331-208-0</ref><br />
<br />
[[Datei:Rathaus Gaggenau 1.jpg|miniatur|Das Rathaus]]<br />
<br />
Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde die Stadt zu etwa 70 % zerstört. Am 10. September 1944 griffen 140 [[Bomber]] vom Typ [[Boeing B-17|B-17]] der 8. US-Luftflotte die örtliche Fahrzeugindustrie an, am 3. Oktober folgte ein Angriff durch 139 [[Consolidated B-24|B-24]]. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit regelmäßigem Straßennetz wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau wurde mit dem Neubau des Rathauses (1957–1958) abgeschlossen.<br />
<br />
Anfang der 1970er Jahre wurden sechs Umlandgemeinden nach Gaggenau eingegliedert, dadurch verdoppelte sich die Einwohnerzahl und die Gemarkungsfläche verfünffachte sich, insbesondere durch die ehem. Gemeinde Rotenfels, die im Grundbesitz einer sehr großen Waldfläche (bis einschließlich zum Bernstein) war. Dadurch wurde die Mindestzahl von 20.000 Einwohnern für die Erhebung zur [[Große Kreisstadt|Großen Kreisstadt]] überschritten, weshalb die [[Landesregierung von Baden-Württemberg]] diese auf Antrag der Stadtverwaltung mit Wirkung vom 1. Januar 1971 beschloss.<br />
<br />
=== Eingemeindungen ===<br />
[[Datei:Freiholsheim vom Mahlberg.jpg|miniatur|hochkant=2|Gemeinde Freiolsheim vom [[Mahlberg (Berg)|Mahlberg]] aus gesehen]]<br />
<br />
Folgende [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]] wurden in die Stadt Gaggenau eingegliedert. Sie gehörten alle zum Amt bzw. Landkreis Rastatt:<br />
* 1935: Ottenau<br />
* 1. Januar 1970: Rotenfels, Heilbad, mit dessen Ortsteil Winkel (heute: Bad Rotenfels)<br />
* 1. April 1970: Selbach<br />
* 1. September 1971: Freiolsheim mit dem Weiler Moosbronn und der Siedlung Mittelberg<br />
* 1. April 1972: [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] mit Niederweier<br />
* 1. April 1973: Sulzbach<br />
* 1. Januar 1975: Hörden und Michelbach<br />
Bad Rotenfels, Gaggenau und Ottenau bilden zusammen eine „Ortschaft“ entsprechend der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg.<br />
<br />
=== Einwohnerentwicklung ===<br />
Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Die Zahlen sind Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter (nur [[Hauptwohnsitz]]e).<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1450 || align="right" | 100<br />
|-<br />
| 1550 || align="right" | 350<br />
|-<br />
| 1650 || align="right" | 160<br />
|-<br />
| 1790 || align="right" | 520<br />
|-<br />
| 1833 || align="right" | 1.071<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1880 ¹ || align="right" | 1.522<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1905 ¹ || align="right" | 2.400<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1910 ¹ || align="right" | 3.120<br />
|-<br />
| 1926 || align="right" | 4.162<br />
|-<br />
| 1935 || align="right" | 6.600<br />
|-<br />
| 17. Mai 1939 ¹ || align="right" | 7.741<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1945 ¹ || align="right" | 4.500<br />
|-<br />
| 13. September 1950 ¹ || align="right" | 7.526<br />
|-<br />
| 6. Juni 1961 ¹ || align="right" | 12.537<br />
|-<br />
| 27. Mai 1970 ¹ || align="right" | 21.132<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1975 || align="right" | 28.846<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1980 || align="right" | 28.533<br />
|-<br />
| 27. Mai 1987 ¹ || align="right" | 28.116<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1990 || align="right" | 28.761<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1995 || align="right" | 29.531<br />
|-<br />
| 31. Dezember 2000 || align="right" | 29.703 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|-<br />
| 31. Dezember 2005 || align="right" | 29.709 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|}<br />
|}<br />
¹ Volkszählungsergebnis<br />
<br />
=== Religionen ===<br />
[[Datei:Josephskirche Gaggenau 01.jpg|miniatur|Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef im Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau gehörte zum [[Bistum Speyer]] und war dem Landkapitel Kuppenheim zugeordnet. Ab 1555 wurde die [[Reformation]] eingeführt. Doch musste der Ort in der Folgezeit sechs mal die Konfession wechseln, bevor er dann fast ausnahmslos katholisch blieb.<br />
Bis 1891 war Gaggenau ein Filialort von Rotenfels, dessen Kirche Mutterkirche für das gesamte Umland war. Die heutige Kirche stammt jedoch aus der Barockzeit, die Innenausstattung aus dem 18. Jahrhundert. In Gaggenau gab es seit dem 17. Jahrhundert eine dem Hl. [[Wendelin]] geweihte Kapelle. 1899 erhielt Gaggenau dann eine eigene Pfarrkirche St.&nbsp;Josef. Auch die anderen Stadtteile Gaggenaus haben meist ältere katholische Kirchen. Alle Pfarrgemeinden kamen 1821/27 zum neu gegründeten [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. Sie wurden dem Dekanat Murgtal zugeordnet. Heute gibt es im Stadtgebiet Gaggenaus folgende Kirchengemeinden: St.&nbsp;Josef Gaggenau, St.&nbsp;Marien Gaggenau, Maria Hilf Moosbronn-Freiolsheim, St.&nbsp;Johann Nepomuk Hörden, St.&nbsp;Michael Michelbach, St.&nbsp;Johannes der Täufer [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], St.&nbsp;Laurentius Bad Rotenfels, St.&nbsp;Nikolaus Selbach, St.&nbsp;Anna Sulzbach und St.&nbsp;Jodocus in Ottenau.<br />
<br />
Im 19. Jahrhundert zogen auch wieder [[Protestanten]] nach Gaggenau. Sie gründeten eine eigene Gemeinde und 1891 erhielt diese ihre eigene Kirche, die im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstört, 1953 jedoch wieder aufgebaut wurde. Die Gemeinde, der auch die Protestanten der meisten heutigen Stadtteile Gaggenaus angehören, gehört zum Kirchenbezirk Baden-Baden und Rastatt der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]].<br />
<br />
Neben den beiden großen Kirchen gibt es in Gaggenau auch weitere christliche Gemeinden, wie etwa die [[Neuapostolische Kirche]] und die Glaubensgemeinschaft der [[Zeugen Jehovas]].<br />
Ferner leben in Gaggenau über 1100 (überwiegend türkische) Muslime. Die ''Sultan-Ahmet Moschee'', die der DİTİB (Die [[Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion|Diyanet İşleri Türk İslam Birliği]]) angehört, liegt im Stadtteil Bad Rotenfels und hat über 200 Mitglieder.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Gemeinderat ===<br />
Der [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] der Stadt Gaggenau hat seit der Kommunalwahl vom 7. Juni 2009 insgesamt 26 Mitglieder, die den Titel ''Stadtrat'' führen. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis:<ref>[http://www.gaggenau.de/kommunalwahlen_2009_in_gaggenau.33835.20,1,81,215,217.htm Stadt Gaggenau: Kommunalwahlen 2009], abgerufen am 17. Februar 2010</ref><br />
# [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] 31,9 % (-2,4), 9 Sitze<br />
# [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] 26,76 % (-0,24), 7 Sitze<br />
# [[Freie Wähler|FWG]] 20,13 % (-4,07), 5 Sitze<br />
# [[Freie Demokratische Partei|FDP]] 12,08 % (+3,28), 3 Sitze<br />
# [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] 9,14 % (+3,44), 2 Sitze<br />
<br />
=== Bürgermeister ===<br />
An der Spitze des Ortes stand der vom Landesherrn auf Lebenszeit eingesetzte Schultheiß. Daneben gab es sechs Gerichtsleute. Später leitete ein von der Gemeindebevölkerung gewählter Bürgermeister und der Rat (Dorfgeschworene) die Gemeinde. 1832 wurde die Badische Gemeindeordnung, 1935 die [[deutsche Gemeindeordnung]] eingeführt, welche die Durchsetzung des [[Führerprinzip]]s auf Gemeindeebene vorsah. Seit 1971 trägt das Stadtoberhaupt den Titel Oberbürgermeister. Sein Vertreter ist der Beigeordnete mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister.<br />
<br />
'''Vögte, Bürgermeister und Oberbürgermeister'''<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
* 1809–1820: Michael Merkel, Vogt<br />
* 1821: Jacob Holl, Vogt<br />
* 1822: Josef Schmidt, Vogt<br />
* 1823–1836: August Henkele<br />
* 1837–1840: Florian Götzmann<br />
* 1840–1849: Adam Hirth<br />
* 1849–1870: Daniel Henger<br />
* 1870–1877: Hieronymus Merkel<br />
* 1877: Kilian Fütterer<br />
* 1878–1881: Karl Lang<br />
* 1881–1902: Franz Bracht<br />
* 1902–1919: Karl Kohlbecker<br />
| valign="top" |<br />
* 1919–1933: August Schneider<br />
* 1933–1935: Otto Dietz<br />
* 1935: Karl Fütterer<br />
* 1936–1945: Adolf Martin<br />
* 1945–1946: Heinrich Focken<br />
* 1946–1950: Oskar Fritz<br />
* 1950–1968: Josef Hollerbach<br />
* 1968–1984: [[Helmut Dahringer]]<br />
* 1984–1991: [[Thomas Schäuble]], [[CDU]]<br />
* 1991–2007: Michael Schulz<br />
* Seit 21. Mai 2007: [[Christof Florus]]<br />
|}<br />
<br />
Florus setzte sich am 25. März 2007 im zweiten Wahlgang durch. Gegenkandidaten waren Alois Degler, Wolfgang Seckler und der bisherige Oberbürgermeister Michael Schulz.<br />
<br />
=== Wappen ===<br />
Das [[Wappen]] der Stadt Gaggenau zeigt „in Rot einen silbernen [[Sester]]“ (= ein altes Getreidemaß). Die Stadtflagge ist weiß-rot.<br />
<br />
Das Wappenbild ist schon in den Siegeln des Ortes aus dem 18. Jahrhunderts nachweisbar, doch erhielt der Ort 1901 zunächst ein Wappen, das in gespaltenem Schild ein halbes Zahnrad (die Industrie symbolisierend) und einen Glasbecher (für die Glasindustrie) zeigte. 1938 wurde das Wappen nach Eingliederung der Gemeinde Ottenau verändert. Es zeigte nunmehr erstmals den Gaggenauer Sester und das Ottenauer [[Rebmesser]]. 1958 setzte man beide Bilder in einen gespaltenen Schild. Nach der [[Gemeindereform]] konzentrierte man sich jedoch auf das alleinige Gaggenauer Zeichen, den Sester. Dieses Wappen wurde der Stadt Gaggenau am 7. Januar 1971 vom [[Innenministerium Baden-Württemberg]] verliehen.<br />
<br />
=== Städtepartnerschaften ===<br />
Gaggenau unterhält seit 1970 mit der Stadt [[Annemasse]] in [[Frankreich]] und seit 2000 mit der Stadt [[Sieradz]] in [[Polen]] [[Städtepartnerschaft]]en.<br />
<br />
== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==<br />
=== Theater ===<br />
Die „klag-Bühne“ Gaggenau ist eine überregional bekannte Bühne für Kleinkunst, Musik und Theater mit Bewirtung. Veranstalter ist in der Hauptsache das Kulturamt der Stadt Gaggenau.<br />
<br />
=== Museen ===<br />
* Das Museum Haus Kast im Stadtteil Hörden zeigt Flößerei, Wald, Jagdgeschichte, Märchen und Sagen.<br />
* Im Stadtteil Michelbach gibt es ein Heimatmuseum.<br />
* Im Stadtteil Bad Rotenfels befindet sich das von einem privaten Verein betriebene [[Unimog-Museum]].<br />
<!-- === Musik === --><br />
<!-- zum Beispiel Orchester, Chöre, etc. --><br />
<br />
=== Bauwerke ===<br />
[[Datei:Bad Rotenfels - Schloss.jpg|miniatur|Schloss Rotenfels]]<br />
<br />
Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef stammt aus dem Jahr 1899, die evangelische Markuskirche ursprünglich aus dem Jahr 1891. Beide wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt beziehungsweise zerstört und danach stark verändert wieder aufgebaut. Das Rathaus wurde 1957 erbaut, nachdem der Vorgängerbau ebenfalls zusammen mit den meisten Bauwerken im Stadtkern während der Fliegerangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war.<br />
{{Anker|SchlossRotenfels}}<br />
Im Stadtteil Bad Rotenfels befinden sich der ''Kurpark'' und an seinem Rand die ''Akademie Schloss Rotenfels''. Das Hauptgebäude der Akademie ist ein repräsentativer Bau mit klassizistischem Säulenportikus. 1818–1827 wurde die bisherige Fabrikationshalle einer Steinzeugfabrik nach Entwurf von [[Friedrich Weinbrenner]] zum Landschloss umgebaut. Die barocke ''Pfarrkirche St.&nbsp;Laurentius'' in Bad Rotenfels wurde 1752–1766 durch Ignaz Franz Krohmer erbaut. Bei einer Renovierung 1902–1903 erhielt die Fassade neobarocke Überformungen. Es handelt sich dabei um das dritte Kirchengebäude an dieser Stelle. Die katholische Kirche St.&nbsp;Laurentius war die erste Pfarrei im Murgtal und ist daher als Mutterkirche des Murgtals bekannt. Von hier wurden im Lauf der Jahrhunderte kleinere Kirchengemeinden in die Selbständigkeit abgespalten. Weitere Kirchen im Stadtgebiet sind die katholische Kirche ''St.&nbsp;Johann Nepomuk'' in Hörden (Baujahr 1894), die katholische ''Marienkirche'' im Fachwerkdorf Michelbach aus dem 13. Jahrhundert mit späteren Veränderungen, die katholische spätgotische Kirche ''St.&nbsp;Johannes der Täufer'' in Oberweier, die katholische Kirche Selbach aus dem Jahr 1756, die neuromanische Kirche von 1884 in Sulzbach und die neugotische Pfarrkirche von 1906 in Ottenau.<br />
Im ''Oberdorf'' von Bad Rotenfels, am Ortsausgang Richtung Winkel, liegt die 1747–1752 erbaute ''Sebastianskapelle'' mit offener Vorhalle und Dachreiter, die kleiner ist als die umliegenden ländlichen Wohnhäuser.<br />
<br />
In der Innenstadt und den Stadtteilen stehen viele Brunnen. Der bekannteste ist der 1981 erbaute ''Gänsebrunnen'' von Gudrun Schreiner am Bahnhofsplatz. Er greift die Gründungssage Gaggenaus auf, die besagt, dass dort, wo sich heute die Stadt Gaggenau befindet, einst ein Tümpel war, an dem sich die Gänse der Gegend tränkten. Durch das Gegackere der Gänse soll der Name ''Gaggenau'' entstanden sein. Auch Hörden hat einen interessanten Brunnen, den ''Flößerbrunnen''. Er erinnert an das traditionelle Handwerk des [[Flößer]]s. Die Wasserspeier stellen traditionelle Figuren des Hördener Karnevals dar: Den ''Fürig Barthel'', die ''Schlempe'' und den ''Domino''. Im früheren Ortskern von Bad Rotenfels, in der unteren Eichelbergstraße, wurde in den 1990er Jahren durch den Heimatverein ein alter Ziehbrunnen-Schacht wiederentdeckt, restauriert und als Zeitzeuge der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.<br />
<!-- === Parks === --><br />
<!-- === Sport === --><br />
<br />
=== Regelmäßige Veranstaltungen ===<br />
* Maimarkt (heute: „Gaggenauer Maitage“), aus den Marktrechten des früheren Bad Rotenfelser Jahrmarktes entstanden<br />
* Herbstmesse<br />
* Künstler- und Handwerkermarkt<br />
* Nikolausmarkt<br />
<br />
== Wirtschaft und Infrastruktur ==<br />
[[Datei:Gaggenau-2.JPG|miniatur|Stadtbahn im Bahnhof Gaggenau]]<br />
<br />
=== Verkehr ===<br />
Gaggenau liegt an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße''). Die nächste Autobahnanschlussstelle ist Rastatt an der [[Bundesautobahn 5]] Karlsruhe–Basel.<br />
<br />
Ebenfalls durch die Stadt führt die Bahnlinie Rastatt–Freudenstadt ([[Murgtalbahn]]), auf der seit der durchgehenden Elektrifizierung im Jahr 2002 eine von Karlsruhe kommende Stadtbahnlinie verkehrt. Seither hat Gaggenau direkten Anschluss ans Straßenbahnnetz der Großstadt.<br />
<br />
[[Datei:DC-Gaggenau-Haupteingang.jpg|miniatur|[[Mercedes-Benz]]-Werk Gaggenau]]<br />
<br />
=== Bekannte ansässige Unternehmen ===<br />
* [[Daimler AG]], Mercedes-Benz Werk Gaggenau, größter Arbeitgeber der Stadt<br />
* Dambach-Unternehmensgruppe<br />
* [[Grötz (Bauunternehmen)|Grötz GmbH & Co. KG]]<br />
* König Metall<br />
* Kohlbecker Architekten & Ingenieure<br />
* KWH Automobiltechnik GmbH<br />
* Lang GmbH & Co. KG Bauunternehmen<br />
* Florenz Maisch Protektorwerk<br />
* Precitec KG<br />
<br />
=== Medien ===<br />
Über das lokale Geschehen in Gaggenau und dem Murgtal berichten die Tageszeitungen [[Badisches Tagblatt]] (BT) mit Sitz in Baden-Baden/Lokalredaktion Gaggenau und ihrer Lokalausgabe ''Der Murgtäler'' sowie deren täglichen Auflagenzahl von etwa 11.000 Exemplaren und die [[Badische Neueste Nachrichten]] (BNN) –&nbsp;Sitz Karlsruhe/Lokalredaktion Gaggenau&nbsp;– mit der Lokalausgabe ''Rastatt/Gaggenau'' – Tagesauflagenzahl hier etwa 10.000.<br />
<br />
Als weiteres Medium fungiert die ''Gaggenauer Woche'', welche unter anderem als amtliches Mitteilungsblatt dient und einmal pro Woche an die Gaggenauer Haushalte kostenlos mit einer Auflage von etwa 16.000 Exemplaren verteilt wird. Dieses Mitteilungsblatt wird von Nussbaum Medien mit Sitz in Weil der Stadt verlegt, welche ein Außenbüro in der Stadt unterhalten.<br />
<br />
Des Weiteren werden ebenfalls vom ''Badischen Tagblatt'' als Herausgeber, zwei kostenlose Anzeigen- und Lokalwirtschaftsnachrichtenjournale namens ''Wochenjournal WO'' – Ausgabe Murgtal und ''WO am Sonntag'' – Ausgabe Rastatt/Murgtal an die Haushalte kostenlos zugestellt. Auflage ''Wochenjournal WO'': etwa 25.500 (Ausgabe Murgtal), Auflage ''WO am Sonntag'': etwa 73.000 (Ausgabe Rastatt/Murgtal).<br />
<br />
Bei entsprechenden Anlässen werden auch TV-Beiträge über Gaggenau und die Region vom [[Südwestrundfunk]] dem Regional-Fernsehsender [[R.TV (Karlsruhe)|R.TV Karlsruhe]] ausgestrahlt.<br />
<br />
=== Bildung ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat ein [[Gymnasium]] (Goethe-Gymnasium), eine [[Realschule]] (Realschule Gaggenau), ferner drei Grund- und [[Hauptschule]]n mit [[Werkrealschule]] (Eichelbergschule Bad Rotenfels, Hebelschule und Merkurschule) sowie die Hans-Thoma-[[Grundschule]] und je eine Grundschule in den Stadtteilen Selbach (Eberstein-Grundschule), Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] und Sulzbach. Weiterhin ist im Schulzentrum Dachgrub Bad Rotenfels eine vom Landkreis Rastatt getragene [[Förderschule]] (Erich Kästner-Schule) eingerichtet. Der Landkreis ist auch Träger der Carl-Benz-Schule, einer berufsbildenden Schule.<br />
<br />
In [[#SchlossRotenfels|Schloss Rotenfels]] ist seit 1996 die ''Akademie Schloss Rotenfels'' eingerichtet, die baden-württembergische Landesakademie für Schulkunst, Schul- und Amateurtheater.<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat folgenden Personen das [[Ehrenbürger]]recht verliehen:<br />
* 1920: [[Theodor Bergmann]], Kommerzienrat, Begründer der Gaggenauer Automobilindustrie<br />
* 1928: Josef Vogt, Dekan, Ehrenbürger von Ottenau<br />
* 1929: Alois Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1929: Felix Lohrmann, Industrieller<br />
* 1930: Karl Kohlbecker, Bürgermeister<br />
* 1958: Karl Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1958: Wilhelm Rommel, Schmiedemeister<br />
* 1968: Josef Hollerbach, Bürgermeister<br />
* 1976: Kurt A. Dambach, Industrieller<br />
* 1977: Josef Grötz<br />
* 1977: Willi Roth<br />
* 1980: Josef Götzmann<br />
* 1984: Helmut Dahringer, Oberbürgermeister<br />
* 1984: Theodor Hurrle<br />
* 2010: [[Christoph Kohlbecker]], Architekt<br />
<br />
=== Söhne und Töchter der Stadt ===<br />
* [[Anton Rindenschwender]] (*28. Januar 1725 † 5. Mai 1803), Gründer der Glashütte <br />
* [[Günther Rall]] (* 10. März 1918, † 4. Oktober 2009), Generalleutnant a.&nbsp;D., [[Jagdflieger]], Inspekteur der [[Bundesluftwaffe]]<br />
* [[Christoph Kohlbecker]] (* 19. März 1935), Architekt<br />
<br />
=== Weitere bekannte Persönlichkeiten in Gaggenau ===<br />
[[Werner O. Feißt]] – SWR-Moderator und Fernsehproduzent. ''WOF'' – so die SWF/SWR-interne Bezeichnung für Feißt – lebte seit Jahrzehnten bis zu seinem Tod am 28. April 2006 in Gaggenau-Selbach.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur|Titel=Badisches Städtebuch|Sammelwerk=Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte – Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages|Band=Band IV, 2. Teilband|Herausgeber=Erich Keyser|Ort=Stuttgart|Jahr=1959}}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Historischer Grenzweg Michelbach–Moosbronn–Bernbach]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.gaggenau.de/ Offizielle Webseite der Stadt Gaggenau]<br />
* [http://www.gaggenau-michelbach.de/ Webseite des Ortsteils Michelbach]<br />
* [http://www.bad-rotenfels.de/ Webseite des früher selbständigen Kurorts Bad Rotenfels]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Rastatt}}<br />
<br />
[[Kategorie:Gaggenau| ]]<br />
[[Kategorie:Ort im Landkreis Rastatt]]<br />
<br />
[[en:Gaggenau]]<br />
[[eo:Gaggenau]]<br />
[[fi:Gaggenau]]<br />
[[fr:Gaggenau]]<br />
[[it:Gaggenau]]<br />
[[nl:Gaggenau (stad)]]<br />
[[pl:Gaggenau]]<br />
[[pt:Gaggenau]]<br />
[[ro:Gaggenau]]<br />
[[ru:Гаггенау]]<br />
[[sv:Gaggenau]]<br />
[[vo:Gaggenau]]<br />
[[war:Gaggenau]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gaggenau&diff=79940514Gaggenau2010-10-05T20:23:03Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt die Stadt Gaggenau, für den gleichnamigen Hersteller von Kücheneinbaugeräten siehe [[Gaggenau Hausgeräte]].}}<br />
{{Infobox Gemeinde in Deutschland<br />
|Art = Stadt<br />
|Wappen = Wappen Gaggenau.svg<br />
|Breitengrad = 48/48/14/N<br />
|Längengrad = 08/19/10/E<br />
|Lageplan = Gaggenau in RA.svg<br />
|Bundesland = Baden-Württemberg<br />
|Regierungsbezirk = Karlsruhe<br />
|Landkreis = Rastatt<br />
|Höhe = 141<br />
|Fläche = 65.05<br />
|PLZ = 76571<br />
|PLZ-alt = 7560<br />
|Vorwahl = 07225<br />
|Kfz = RA<br />
|Gemeindeschlüssel = 08216015<br />
|Gliederung = Kernstadt und 7 [[Stadtteil]]e<br />
|Straße = Hauptstraße 71<br />
|Website = [http://www.gaggenau.de/ www.gaggenau.de]<br />
|Bürgermeister = Christof Florus<br />
|Bürgermeistertitel= Oberbürgermeister<br />
|Partei =<br />
}}<br />
'''Gaggenau''' [[Sein (Philosophie)|ist] [[Pronomen|eine] [[Stadt]] [[Präposition|im]] [[Westen]][[Baden-Württemberg]]s, [[Kreis|rund]] [[acht]] [[Kilometer]] [[Nordosten|nordöstlich]] von [[Baden-Baden]]. Sie verfügt über große Industrieansiedlungen, ist nach der [[Kreisstadt]] [[Rastatt]] und der Stadt [[Bühl (Baden)|Bühl]] die drittgrößte Stadt des [[Landkreis Rastatt|Landkreises Rastatt]] und bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]]. Seit 1. Januar 1971 ist Gaggenau [[Große Kreisstadt]].<br />
<br />
== Geographie ==<br />
[[Datei:Gaggenau-Blick.jpg|miniatur|hochkant=1.6|Blick von Süden aufs Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau liegt beiderseits der [[Murg (Nordschwarzwald)|Murg]] in einer Erweiterung des Murgtales an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße'').<br />
<br />
Der höchste Punkt im Stadtgebiet misst 750&nbsp;m, der niedrigste Punkt {{Höhe|134|DE-NN}}. Die größte Ausdehnung des Stadtgebiets beträgt in Nord-Süd-Richtung 10,6&nbsp;km und in West-Ost-Richtung 10,3&nbsp;km.<br />
<br />
=== Nachbarkommunen ===<br />
Folgende Städte und Gemeinden grenzen an die Stadt Gaggenau (im Uhrzeigersinn, beginnend im Norden): [[Malsch (Landkreis Karlsruhe)|Malsch]], [[Marxzell]] (beide [[Landkreis Karlsruhe]]), [[Bad Herrenalb]] ([[Landkreis Calw]]), [[Loffenau]] und [[Gernsbach]] (beide [[Landkreis Rastatt]]), [[Baden-Baden]] ([[Stadtkreis]]) sowie [[Kuppenheim]], [[Bischweier]] und [[Muggensturm]] (alle [[Landkreis Rastatt]]).<br />
<br />
=== Stadtgliederung ===<br />
Das Stadtgebiet Gaggenaus gliedert sich in die Kernstadt Gaggenau und die acht [[Ortsteil|Stadtteile]] Bad Rotenfels, Freiolsheim, Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], Ottenau, Selbach und Sulzbach. Die Stadtteile bilden zugleich [[Unechte Teilortswahl|Wohnbezirke]] im Sinne der baden-württembergischen [[Gemeindeordnungen in Deutschland|Gemeindeordnung]], wobei die Kernstadt und die Stadtteile Ottenau und Bad Rotenfels zu einem Wohnbezirk zusammengefasst werden. Mit Ausnahme im Stadtteil Bad Rotenfels sind in den Stadtteilen [[Ortschaft]]en im Sinne der baden-württembergischen Gemeindeordnung mit jeweils eigenem [[Ortschaftsrat]] und [[Ortsvorsteher]] als dessen Vorsitzender eingerichtet. Für diese Ortschaften gibt es jeweils einen vom Volk gewählten [[Ortschaftsrat]], der aus 8 bis 10 Mitgliedern zu bestehen hat. Vorsitzender des Gremiums ist der [[Ortsvorsteher]]. Die Ortschaftsräte sind zu wichtigen, die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören.<ref>[http://www.gaggenau.de/sixcms/media.php/23/hauptsatzung_020.pdf Hauptsatzung der Stadt Gaggenau vom 13. März 1995, zuletzt geändert am 23. Januar 2006]</ref><br />
<br />
Zum Stadtteil Freiolsheim gehören das Dorf Freiolsheim und die Weiler Mittelberg und [[Moosbronn]]. Zur Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 gehören die Stadt Gaggenau, das Dorf Ottenau (mit Gaggenau zusammengewachsen) und das Gehöft Amalienberg. Zu den Stadtteilen Hörden, Michelbach, Selbach und Sulzbach gehören jeweils nur die gleichnamigen Dörfer. Zum Stadtteil Oberweier gehören die Dörfer Oberweier und Niederweier. Zum Stadtteil Rotenfels gehören das Dorf Rotenfels und der Weiler Winkel.<br /><br />
In der Stadt Gaggenau in den Grenzen vom 31. Dezember 1969 (auf Gemarkung Gaggenau, in etwa Gewann Heil) liegt die [[Wüstung]] Außermichelbach und im Stadtteil Oberweier die Wüstung Mittelweyer.<ref>''Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band V: Regierungsbezirk Karlsruhe'' Kohlhammer, Stuttgart 1976, ISBN 3-17-002542-2. S. 163–167</ref><br />
<br />
=== Raumplanung ===<br />
Gaggenau bildet zusammen mit der südlichen Nachbarstadt [[Gernsbach]] ein [[Mittelzentrum]] innerhalb der [[Region Mittlerer Oberrhein]], in welcher [[Karlsruhe]] die Position des [[Oberzentrum]]s einnimmt. Zum Mittelbereich Gaggenau/Gernsbach gehören neben den beiden Städten Gaggenau und Gernsbach noch die Gemeinden [[Loffenau]] und [[Weisenbach]].<br />
<br />
{{Großes Bild|Pano von Ebersteinburg.jpg|1000|Panorama des unteren Murgtals mit Gaggenau von der [[Alt-Eberstein|Ruine Ebersteinburg]]}}<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Gaggenau wurde 1243 unter dem Namen „Gaggenaw“ erstmalig urkundlich erwähnt. Älter als die Kernstadt ist unter anderem der heutige Stadtteil Bad Rotenfels, der in einem kaiserlichen Schenkungsbrief bereits im Jahre 1041 genannt wurde. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Gaggenau ein kleineres [[Dorf]], das ursprünglich zum [[Ufgau (Baden)|Ufgau]], ab dem 13. Jahrhundert zur [[Markgrafschaft Baden]] bzw. ab 1535 zur Markgrafschaft Baden-Baden gehörte. Bis 1689 gehörte der Ort zum [[Amt Kuppenheim]] und dann zum [[Oberamt Rastatt|Amt Rastatt]], aus dem später der [[Landkreis Rastatt]] hervorging. 1691 wurde der Ort im [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]] durch die Franzosen fast vollständig zerstört. 1772 entstand unterhalb des Dorfes die [[Anton Rindeschwender|Rindeschwendersche]] [[Glashütte (Produktionsstätte)|Glashütte]] und mit ihr mehrere Betriebswohnungen und Werkstätten.<br />
[[Datei:Benz Gaggenau Logo.png|rechts|100px|Benz Gaggenau]]<br />
Der eigentliche industrielle Aufschwung begann ab 1873 durch Gründung der Eisenwerke Michael Flürscheims, die auf das markgräfliche Hammerwerk zurückgehen. 1895 wurde hier bereits das 5-PS Automobil ''Orient Express'' gebaut, ab 1905 nannten sie sich ''[[Süddeutsche Automobil-Fabrik Gaggenau|Süddeutsche Automobilfabrik GmbH Gaggenau]]''. 1907 erfolgte die Übernahme durch die Firma Benz aus Mannheim bis zum Zusammenschluss 1926 zur [[Daimler-Benz]] AG.<br />
<br />
Dadurch wuchs die Siedlung Gaggenau stark an und wurde schließlich am 15. September 1922 aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur [[Stadt]] erhoben.<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|NS-Machthaber]] errichteten im September 1944 im heutigen Ortsteil ''Rotenfels'' das [[Sicherungslager Rotenfels]], wo in sechs Baracken etwa 1.600 Frauen und Männer interniert wurden, die in den ''Daimler-Benz-Werken'' und anderen Betrieben [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]] verrichten mussten. Etwa 500 von ihnen sind ums Leben gekommen. An sie erinnert seit 1985 im jetzigen ''Kurpark'' eine Gedenktafel, die im Beisein einstiger französischer Häftlinge angebracht wurde. Eine weitere Gedenkstätte am ''Waldfriedhof'' erinnert an 27 ermordete Häftlinge.<ref>Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Bd.I, Bonn 1995, S. 37, ISBN 3-89331-208-0</ref><br />
<br />
[[Datei:Rathaus Gaggenau 1.jpg|miniatur|Das Rathaus]]<br />
<br />
Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde die Stadt zu etwa 70 % zerstört. Am 10. September 1944 griffen 140 [[Bomber]] vom Typ [[Boeing B-17|B-17]] der 8. US-Luftflotte die örtliche Fahrzeugindustrie an, am 3. Oktober folgte ein Angriff durch 139 [[Consolidated B-24|B-24]]. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit regelmäßigem Straßennetz wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau wurde mit dem Neubau des Rathauses (1957–1958) abgeschlossen.<br />
<br />
Anfang der 1970er Jahre wurden sechs Umlandgemeinden nach Gaggenau eingegliedert, dadurch verdoppelte sich die Einwohnerzahl und die Gemarkungsfläche verfünffachte sich, insbesondere durch die ehem. Gemeinde Rotenfels, die im Grundbesitz einer sehr großen Waldfläche (bis einschließlich zum Bernstein) war. Dadurch wurde die Mindestzahl von 20.000 Einwohnern für die Erhebung zur [[Große Kreisstadt|Großen Kreisstadt]] überschritten, weshalb die [[Landesregierung von Baden-Württemberg]] diese auf Antrag der Stadtverwaltung mit Wirkung vom 1. Januar 1971 beschloss.<br />
<br />
=== Eingemeindungen ===<br />
[[Datei:Freiholsheim vom Mahlberg.jpg|miniatur|hochkant=2|Gemeinde Freiolsheim vom [[Mahlberg (Berg)|Mahlberg]] aus gesehen]]<br />
<br />
Folgende [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeinden]] wurden in die Stadt Gaggenau eingegliedert. Sie gehörten alle zum Amt bzw. Landkreis Rastatt:<br />
* 1935: Ottenau<br />
* 1. Januar 1970: Rotenfels, Heilbad, mit dessen Ortsteil Winkel (heute: Bad Rotenfels)<br />
* 1. April 1970: Selbach<br />
* 1. September 1971: Freiolsheim mit dem Weiler Moosbronn und der Siedlung Mittelberg<br />
* 1. April 1972: [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] mit Niederweier<br />
* 1. April 1973: Sulzbach<br />
* 1. Januar 1975: Hörden und Michelbach<br />
Bad Rotenfels, Gaggenau und Ottenau bilden zusammen eine „Ortschaft“ entsprechend der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg.<br />
<br />
=== Einwohnerentwicklung ===<br />
Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Die Zahlen sind Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter (nur [[Hauptwohnsitz]]e).<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1450 || align="right" | 100<br />
|-<br />
| 1550 || align="right" | 350<br />
|-<br />
| 1650 || align="right" | 160<br />
|-<br />
| 1790 || align="right" | 520<br />
|-<br />
| 1833 || align="right" | 1.071<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1880 ¹ || align="right" | 1.522<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1905 ¹ || align="right" | 2.400<br />
|-<br />
| 1. Dezember 1910 ¹ || align="right" | 3.120<br />
|-<br />
| 1926 || align="right" | 4.162<br />
|-<br />
| 1935 || align="right" | 6.600<br />
|-<br />
| 17. Mai 1939 ¹ || align="right" | 7.741<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| class="wikitable"<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohnerzahlen<br />
|-<br />
| 1945 ¹ || align="right" | 4.500<br />
|-<br />
| 13. September 1950 ¹ || align="right" | 7.526<br />
|-<br />
| 6. Juni 1961 ¹ || align="right" | 12.537<br />
|-<br />
| 27. Mai 1970 ¹ || align="right" | 21.132<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1975 || align="right" | 28.846<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1980 || align="right" | 28.533<br />
|-<br />
| 27. Mai 1987 ¹ || align="right" | 28.116<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1990 || align="right" | 28.761<br />
|-<br />
| 31. Dezember 1995 || align="right" | 29.531<br />
|-<br />
| 31. Dezember 2000 || align="right" | 29.703 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|-<br />
| 31. Dezember 2005 || align="right" | 29.709 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|}<br />
|}<br />
¹ Volkszählungsergebnis<br />
<br />
=== Religionen ===<br />
[[Datei:Josephskirche Gaggenau 01.jpg|miniatur|Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef im Stadtzentrum]]<br />
<br />
Gaggenau gehörte zum [[Bistum Speyer]] und war dem Landkapitel Kuppenheim zugeordnet. Ab 1555 wurde die [[Reformation]] eingeführt. Doch musste der Ort in der Folgezeit sechs mal die Konfession wechseln, bevor er dann fast ausnahmslos katholisch blieb.<br />
Bis 1891 war Gaggenau ein Filialort von Rotenfels, dessen Kirche Mutterkirche für das gesamte Umland war. Die heutige Kirche stammt jedoch aus der Barockzeit, die Innenausstattung aus dem 18. Jahrhundert. In Gaggenau gab es seit dem 17. Jahrhundert eine dem Hl. [[Wendelin]] geweihte Kapelle. 1899 erhielt Gaggenau dann eine eigene Pfarrkirche St.&nbsp;Josef. Auch die anderen Stadtteile Gaggenaus haben meist ältere katholische Kirchen. Alle Pfarrgemeinden kamen 1821/27 zum neu gegründeten [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. Sie wurden dem Dekanat Murgtal zugeordnet. Heute gibt es im Stadtgebiet Gaggenaus folgende Kirchengemeinden: St.&nbsp;Josef Gaggenau, St.&nbsp;Marien Gaggenau, Maria Hilf Moosbronn-Freiolsheim, St.&nbsp;Johann Nepomuk Hörden, St.&nbsp;Michael Michelbach, St.&nbsp;Johannes der Täufer [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]], St.&nbsp;Laurentius Bad Rotenfels, St.&nbsp;Nikolaus Selbach, St.&nbsp;Anna Sulzbach und St.&nbsp;Jodocus in Ottenau.<br />
<br />
Im 19. Jahrhundert zogen auch wieder [[Protestanten]] nach Gaggenau. Sie gründeten eine eigene Gemeinde und 1891 erhielt diese ihre eigene Kirche, die im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zerstört, 1953 jedoch wieder aufgebaut wurde. Die Gemeinde, der auch die Protestanten der meisten heutigen Stadtteile Gaggenaus angehören, gehört zum Kirchenbezirk Baden-Baden und Rastatt der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]].<br />
<br />
Neben den beiden großen Kirchen gibt es in Gaggenau auch weitere christliche Gemeinden, wie etwa die [[Neuapostolische Kirche]] und die Glaubensgemeinschaft der [[Zeugen Jehovas]].<br />
Ferner leben in Gaggenau über 1100 (überwiegend türkische) Muslime. Die ''Sultan-Ahmet Moschee'', die der DİTİB (Die [[Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion|Diyanet İşleri Türk İslam Birliği]]) angehört, liegt im Stadtteil Bad Rotenfels und hat über 200 Mitglieder.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Gemeinderat ===<br />
Der [[Gemeinderat (Deutschland)|Gemeinderat]] der Stadt Gaggenau hat seit der Kommunalwahl vom 7. Juni 2009 insgesamt 26 Mitglieder, die den Titel ''Stadtrat'' führen. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis:<ref>[http://www.gaggenau.de/kommunalwahlen_2009_in_gaggenau.33835.20,1,81,215,217.htm Stadt Gaggenau: Kommunalwahlen 2009], abgerufen am 17. Februar 2010</ref><br />
# [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] 31,9 % (-2,4), 9 Sitze<br />
# [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] 26,76 % (-0,24), 7 Sitze<br />
# [[Freie Wähler|FWG]] 20,13 % (-4,07), 5 Sitze<br />
# [[Freie Demokratische Partei|FDP]] 12,08 % (+3,28), 3 Sitze<br />
# [[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] 9,14 % (+3,44), 2 Sitze<br />
<br />
=== Bürgermeister ===<br />
An der Spitze des Ortes stand der vom Landesherrn auf Lebenszeit eingesetzte Schultheiß. Daneben gab es sechs Gerichtsleute. Später leitete ein von der Gemeindebevölkerung gewählter Bürgermeister und der Rat (Dorfgeschworene) die Gemeinde. 1832 wurde die Badische Gemeindeordnung, 1935 die [[deutsche Gemeindeordnung]] eingeführt, welche die Durchsetzung des [[Führerprinzip]]s auf Gemeindeebene vorsah. Seit 1971 trägt das Stadtoberhaupt den Titel Oberbürgermeister. Sein Vertreter ist der Beigeordnete mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister.<br />
<br />
'''Vögte, Bürgermeister und Oberbürgermeister'''<br />
{|<br />
| valign="top" |<br />
* 1809–1820: Michael Merkel, Vogt<br />
* 1821: Jacob Holl, Vogt<br />
* 1822: Josef Schmidt, Vogt<br />
* 1823–1836: August Henkele<br />
* 1837–1840: Florian Götzmann<br />
* 1840–1849: Adam Hirth<br />
* 1849–1870: Daniel Henger<br />
* 1870–1877: Hieronymus Merkel<br />
* 1877: Kilian Fütterer<br />
* 1878–1881: Karl Lang<br />
* 1881–1902: Franz Bracht<br />
* 1902–1919: Karl Kohlbecker<br />
| valign="top" |<br />
* 1919–1933: August Schneider<br />
* 1933–1935: Otto Dietz<br />
* 1935: Karl Fütterer<br />
* 1936–1945: Adolf Martin<br />
* 1945–1946: Heinrich Focken<br />
* 1946–1950: Oskar Fritz<br />
* 1950–1968: Josef Hollerbach<br />
* 1968–1984: [[Helmut Dahringer]]<br />
* 1984–1991: [[Thomas Schäuble]], [[CDU]]<br />
* 1991–2007: Michael Schulz<br />
* Seit 21. Mai 2007: [[Christof Florus]]<br />
|}<br />
<br />
Florus setzte sich am 25. März 2007 im zweiten Wahlgang durch. Gegenkandidaten waren Alois Degler, Wolfgang Seckler und der bisherige Oberbürgermeister Michael Schulz.<br />
<br />
=== Wappen ===<br />
Das [[Wappen]] der Stadt Gaggenau zeigt „in Rot einen silbernen [[Sester]]“ (= ein altes Getreidemaß). Die Stadtflagge ist weiß-rot.<br />
<br />
Das Wappenbild ist schon in den Siegeln des Ortes aus dem 18. Jahrhunderts nachweisbar, doch erhielt der Ort 1901 zunächst ein Wappen, das in gespaltenem Schild ein halbes Zahnrad (die Industrie symbolisierend) und einen Glasbecher (für die Glasindustrie) zeigte. 1938 wurde das Wappen nach Eingliederung der Gemeinde Ottenau verändert. Es zeigte nunmehr erstmals den Gaggenauer Sester und das Ottenauer [[Rebmesser]]. 1958 setzte man beide Bilder in einen gespaltenen Schild. Nach der [[Gemeindereform]] konzentrierte man sich jedoch auf das alleinige Gaggenauer Zeichen, den Sester. Dieses Wappen wurde der Stadt Gaggenau am 7. Januar 1971 vom [[Innenministerium Baden-Württemberg]] verliehen.<br />
<br />
=== Städtepartnerschaften ===<br />
Gaggenau unterhält seit 1970 mit der Stadt [[Annemasse]] in [[Frankreich]] und seit 2000 mit der Stadt [[Sieradz]] in [[Polen]] [[Städtepartnerschaft]]en.<br />
<br />
== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==<br />
=== Theater ===<br />
Die „klag-Bühne“ Gaggenau ist eine überregional bekannte Bühne für Kleinkunst, Musik und Theater mit Bewirtung. Veranstalter ist in der Hauptsache das Kulturamt der Stadt Gaggenau.<br />
<br />
=== Museen ===<br />
* Das Museum Haus Kast im Stadtteil Hörden zeigt Flößerei, Wald, Jagdgeschichte, Märchen und Sagen.<br />
* Im Stadtteil Michelbach gibt es ein Heimatmuseum.<br />
* Im Stadtteil Bad Rotenfels befindet sich das von einem privaten Verein betriebene [[Unimog-Museum]].<br />
<!-- === Musik === --><br />
<!-- zum Beispiel Orchester, Chöre, etc. --><br />
<br />
=== Bauwerke ===<br />
[[Datei:Bad Rotenfels - Schloss.jpg|miniatur|Schloss Rotenfels]]<br />
<br />
Die katholische Pfarrkirche St.&nbsp;Josef stammt aus dem Jahr 1899, die evangelische Markuskirche ursprünglich aus dem Jahr 1891. Beide wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt beziehungsweise zerstört und danach stark verändert wieder aufgebaut. Das Rathaus wurde 1957 erbaut, nachdem der Vorgängerbau ebenfalls zusammen mit den meisten Bauwerken im Stadtkern während der Fliegerangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war.<br />
{{Anker|SchlossRotenfels}}<br />
Im Stadtteil Bad Rotenfels befinden sich der ''Kurpark'' und an seinem Rand die ''Akademie Schloss Rotenfels''. Das Hauptgebäude der Akademie ist ein repräsentativer Bau mit klassizistischem Säulenportikus. 1818–1827 wurde die bisherige Fabrikationshalle einer Steinzeugfabrik nach Entwurf von [[Friedrich Weinbrenner]] zum Landschloss umgebaut. Die barocke ''Pfarrkirche St.&nbsp;Laurentius'' in Bad Rotenfels wurde 1752–1766 durch Ignaz Franz Krohmer erbaut. Bei einer Renovierung 1902–1903 erhielt die Fassade neobarocke Überformungen. Es handelt sich dabei um das dritte Kirchengebäude an dieser Stelle. Die katholische Kirche St.&nbsp;Laurentius war die erste Pfarrei im Murgtal und ist daher als Mutterkirche des Murgtals bekannt. Von hier wurden im Lauf der Jahrhunderte kleinere Kirchengemeinden in die Selbständigkeit abgespalten. Weitere Kirchen im Stadtgebiet sind die katholische Kirche ''St.&nbsp;Johann Nepomuk'' in Hörden (Baujahr 1894), die katholische ''Marienkirche'' im Fachwerkdorf Michelbach aus dem 13. Jahrhundert mit späteren Veränderungen, die katholische spätgotische Kirche ''St.&nbsp;Johannes der Täufer'' in Oberweier, die katholische Kirche Selbach aus dem Jahr 1756, die neuromanische Kirche von 1884 in Sulzbach und die neugotische Pfarrkirche von 1906 in Ottenau.<br />
Im ''Oberdorf'' von Bad Rotenfels, am Ortsausgang Richtung Winkel, liegt die 1747–1752 erbaute ''Sebastianskapelle'' mit offener Vorhalle und Dachreiter, die kleiner ist als die umliegenden ländlichen Wohnhäuser.<br />
<br />
In der Innenstadt und den Stadtteilen stehen viele Brunnen. Der bekannteste ist der 1981 erbaute ''Gänsebrunnen'' von Gudrun Schreiner am Bahnhofsplatz. Er greift die Gründungssage Gaggenaus auf, die besagt, dass dort, wo sich heute die Stadt Gaggenau befindet, einst ein Tümpel war, an dem sich die Gänse der Gegend tränkten. Durch das Gegackere der Gänse soll der Name ''Gaggenau'' entstanden sein. Auch Hörden hat einen interessanten Brunnen, den ''Flößerbrunnen''. Er erinnert an das traditionelle Handwerk des [[Flößer]]s. Die Wasserspeier stellen traditionelle Figuren des Hördener Karnevals dar: Den ''Fürig Barthel'', die ''Schlempe'' und den ''Domino''. Im früheren Ortskern von Bad Rotenfels, in der unteren Eichelbergstraße, wurde in den 1990er Jahren durch den Heimatverein ein alter Ziehbrunnen-Schacht wiederentdeckt, restauriert und als Zeitzeuge der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.<br />
<!-- === Parks === --><br />
<!-- === Sport === --><br />
<br />
=== Regelmäßige Veranstaltungen ===<br />
* Maimarkt (heute: „Gaggenauer Maitage“), aus den Marktrechten des früheren Bad Rotenfelser Jahrmarktes entstanden<br />
* Herbstmesse<br />
* Künstler- und Handwerkermarkt<br />
* Nikolausmarkt<br />
<br />
== Wirtschaft und Infrastruktur ==<br />
[[Datei:Gaggenau-2.JPG|miniatur|Stadtbahn im Bahnhof Gaggenau]]<br />
<br />
=== Verkehr ===<br />
Gaggenau liegt an der [[Bundesstraße 462]] Rastatt–Freudenstadt (''Schwarzwald-Tälerstraße''). Die nächste Autobahnanschlussstelle ist Rastatt an der [[Bundesautobahn 5]] Karlsruhe–Basel.<br />
<br />
Ebenfalls durch die Stadt führt die Bahnlinie Rastatt–Freudenstadt ([[Murgtalbahn]]), auf der seit der durchgehenden Elektrifizierung im Jahr 2002 eine von Karlsruhe kommende Stadtbahnlinie verkehrt. Seither hat Gaggenau direkten Anschluss ans Straßenbahnnetz der Großstadt.<br />
<br />
[[Datei:DC-Gaggenau-Haupteingang.jpg|miniatur|[[Mercedes-Benz]]-Werk Gaggenau]]<br />
<br />
=== Bekannte ansässige Unternehmen ===<br />
* [[Daimler AG]], Mercedes-Benz Werk Gaggenau, größter Arbeitgeber der Stadt<br />
* Dambach-Unternehmensgruppe<br />
* [[Grötz (Bauunternehmen)|Grötz GmbH & Co. KG]]<br />
* König Metall<br />
* Kohlbecker Architekten & Ingenieure<br />
* KWH Automobiltechnik GmbH<br />
* Lang GmbH & Co. KG Bauunternehmen<br />
* Florenz Maisch Protektorwerk<br />
* Precitec KG<br />
<br />
=== Medien ===<br />
Über das lokale Geschehen in Gaggenau und dem Murgtal berichten die Tageszeitungen [[Badisches Tagblatt]] (BT) mit Sitz in Baden-Baden/Lokalredaktion Gaggenau und ihrer Lokalausgabe ''Der Murgtäler'' sowie deren täglichen Auflagenzahl von etwa 11.000 Exemplaren und die [[Badische Neueste Nachrichten]] (BNN) –&nbsp;Sitz Karlsruhe/Lokalredaktion Gaggenau&nbsp;– mit der Lokalausgabe ''Rastatt/Gaggenau'' – Tagesauflagenzahl hier etwa 10.000.<br />
<br />
Als weiteres Medium fungiert die ''Gaggenauer Woche'', welche unter anderem als amtliches Mitteilungsblatt dient und einmal pro Woche an die Gaggenauer Haushalte kostenlos mit einer Auflage von etwa 16.000 Exemplaren verteilt wird. Dieses Mitteilungsblatt wird von Nussbaum Medien mit Sitz in Weil der Stadt verlegt, welche ein Außenbüro in der Stadt unterhalten.<br />
<br />
Des Weiteren werden ebenfalls vom ''Badischen Tagblatt'' als Herausgeber, zwei kostenlose Anzeigen- und Lokalwirtschaftsnachrichtenjournale namens ''Wochenjournal WO'' – Ausgabe Murgtal und ''WO am Sonntag'' – Ausgabe Rastatt/Murgtal an die Haushalte kostenlos zugestellt. Auflage ''Wochenjournal WO'': etwa 25.500 (Ausgabe Murgtal), Auflage ''WO am Sonntag'': etwa 73.000 (Ausgabe Rastatt/Murgtal).<br />
<br />
Bei entsprechenden Anlässen werden auch TV-Beiträge über Gaggenau und die Region vom [[Südwestrundfunk]] dem Regional-Fernsehsender [[R.TV (Karlsruhe)|R.TV Karlsruhe]] ausgestrahlt.<br />
<br />
=== Bildung ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat ein [[Gymnasium]] (Goethe-Gymnasium), eine [[Realschule]] (Realschule Gaggenau), ferner drei Grund- und [[Hauptschule]]n mit [[Werkrealschule]] (Eichelbergschule Bad Rotenfels, Hebelschule und Merkurschule) sowie die Hans-Thoma-[[Grundschule]] und je eine Grundschule in den Stadtteilen Selbach (Eberstein-Grundschule), Hörden, Michelbach, [[Oberweier (Gaggenau)|Oberweier]] und Sulzbach. Weiterhin ist im Schulzentrum Dachgrub Bad Rotenfels eine vom Landkreis Rastatt getragene [[Förderschule]] (Erich Kästner-Schule) eingerichtet. Der Landkreis ist auch Träger der Carl-Benz-Schule, einer berufsbildenden Schule.<br />
<br />
In [[#SchlossRotenfels|Schloss Rotenfels]] ist seit 1996 die ''Akademie Schloss Rotenfels'' eingerichtet, die baden-württembergische Landesakademie für Schulkunst, Schul- und Amateurtheater.<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
Die Stadt Gaggenau hat folgenden Personen das [[Ehrenbürger]]recht verliehen:<br />
* 1920: [[Theodor Bergmann]], Kommerzienrat, Begründer der Gaggenauer Automobilindustrie<br />
* 1928: Josef Vogt, Dekan, Ehrenbürger von Ottenau<br />
* 1929: Alois Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1929: Felix Lohrmann, Industrieller<br />
* 1930: Karl Kohlbecker, Bürgermeister<br />
* 1958: Karl Degler, Brauereibesitzer<br />
* 1958: Wilhelm Rommel, Schmiedemeister<br />
* 1968: Josef Hollerbach, Bürgermeister<br />
* 1976: Kurt A. Dambach, Industrieller<br />
* 1977: Josef Grötz<br />
* 1977: Willi Roth<br />
* 1980: Josef Götzmann<br />
* 1984: Helmut Dahringer, Oberbürgermeister<br />
* 1984: Theodor Hurrle<br />
* 2010: [[Christoph Kohlbecker]], Architekt<br />
<br />
=== Söhne und Töchter der Stadt ===<br />
* [[Anton Rindenschwender]] (*28. Januar 1725 † 5. Mai 1803), Gründer der Glashütte <br />
* [[Günther Rall]] (* 10. März 1918, † 4. Oktober 2009), Generalleutnant a.&nbsp;D., [[Jagdflieger]], Inspekteur der [[Bundesluftwaffe]]<br />
* [[Christoph Kohlbecker]] (* 19. März 1935), Architekt<br />
<br />
=== Weitere bekannte Persönlichkeiten in Gaggenau ===<br />
[[Werner O. Feißt]] – SWR-Moderator und Fernsehproduzent. ''WOF'' – so die SWF/SWR-interne Bezeichnung für Feißt – lebte seit Jahrzehnten bis zu seinem Tod am 28. April 2006 in Gaggenau-Selbach.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur|Titel=Badisches Städtebuch|Sammelwerk=Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte – Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages|Band=Band IV, 2. Teilband|Herausgeber=Erich Keyser|Ort=Stuttgart|Jahr=1959}}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Historischer Grenzweg Michelbach–Moosbronn–Bernbach]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.gaggenau.de/ Offizielle Webseite der Stadt Gaggenau]<br />
* [http://www.gaggenau-michelbach.de/ Webseite des Ortsteils Michelbach]<br />
* [http://www.bad-rotenfels.de/ Webseite des früher selbständigen Kurorts Bad Rotenfels]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Landkreis Rastatt}}<br />
<br />
[[Kategorie:Gaggenau| ]]<br />
[[Kategorie:Ort im Landkreis Rastatt]]<br />
<br />
[[en:Gaggenau]]<br />
[[eo:Gaggenau]]<br />
[[fi:Gaggenau]]<br />
[[fr:Gaggenau]]<br />
[[it:Gaggenau]]<br />
[[nl:Gaggenau (stad)]]<br />
[[pl:Gaggenau]]<br />
[[pt:Gaggenau]]<br />
[[ro:Gaggenau]]<br />
[[ru:Гаггенау]]<br />
[[sv:Gaggenau]]<br />
[[vo:Gaggenau]]<br />
[[war:Gaggenau]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kompetenz&diff=78982872Kompetenz2010-09-11T13:55:06Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>'''Kompetenz''' (lateinisch ''competere'': zusammentreffen, ausreichen, zu etwas fähig sein, zustehen) steht für:<br />
<br />
* [[Kompetenz (Psychologie)]], Fähigkeiten und Fertigkeiten allgemein<br />
* [[Kompetenz (Pädagogik)]], Fähigkeiten und Fertigkeiten im pädagogischen Kontext<br />
* [[Kompetenz (Sprachwissenschaft)]], das Sprachwissen im Gegensatz zum Sprachkönnen<br />
* [[Kompetenz (Bakterien)]], die Fähigkeit von Zellen, außerhalb der Zelle vorliegende DNA aufzunehmen<br />
* [[Kompetenz (Organisation)]], die mit einer bestimmten Stelle verbundenen Berechtigungen und Pflichten<br />
* [[Zuständigkeit]] von Behörden oder Gerichten<br />
<br />
<br />
'''Siehe auch:'''<br />
<br />
{{Wiktionary|Kompetenz}}<br />
{{Wikiquote|Kompetenz}}<br />
<br />
{{Begriffsklärung}}<br />
<br />
[[en:Competence]]<br />
[[es:Competencia]]<br />
[[et:Konkurents]]<br />
[[fr:Compétence]]<br />
[[gl:Competencia]]<br />
[[nl:Competentie]]<br />
[[pt:Competência]]<br />
[[ru:Компетенция]]<br />
[[sv:Kompetens (olika betydelser)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kompetenz&diff=78982861Kompetenz2010-09-11T13:54:38Z<p>Xjs: </p>
<hr />
<div>'''Kompetenz''' (lateinisch ''competere''‚ zusammentreffen, ausreichen, zu etwas fähig sein, zustehen‘) steht für:<br />
<br />
* [[Kompetenz (Psychologie)]], Fähigkeiten und Fertigkeiten allgemein<br />
* [[Kompetenz (Pädagogik)]], Fähigkeiten und Fertigkeiten im pädagogischen Kontext<br />
* [[Kompetenz (Sprachwissenschaft)]], das Sprachwissen im Gegensatz zum Sprachkönnen<br />
* [[Kompetenz (Bakterien)]], die Fähigkeit von Zellen, außerhalb der Zelle vorliegende DNA aufzunehmen<br />
* [[Kompetenz (Organisation)]], die mit einer bestimmten Stelle verbundenen Berechtigungen und Pflichten<br />
* [[Zuständigkeit]] von Behörden oder Gerichten<br />
<br />
<br />
'''Siehe auch:'''<br />
<br />
{{Wiktionary|Kompetenz}}<br />
{{Wikiquote|Kompetenz}}<br />
<br />
{{Begriffsklärung}}<br />
<br />
[[en:Competence]]<br />
[[es:Competencia]]<br />
[[et:Konkurents]]<br />
[[fr:Compétence]]<br />
[[gl:Competencia]]<br />
[[nl:Competentie]]<br />
[[pt:Competência]]<br />
[[ru:Компетенция]]<br />
[[sv:Kompetens (olika betydelser)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Jungbusch&diff=78096936Jungbusch2010-08-21T00:34:12Z<p>Xjs: /* Stadtentwicklung */ Kommata</p>
<hr />
<div>[[Image:Jungbusch in Mannheim.jpg|thumb|Jungbusch]]<br />
Der '''Jungbusch''' gehört zur Innenstadt [[Mannheim]]s wie auch die Quadrate, das Schlossviertel und die Mühlau. Er ist im Norden durch den [[Neckar]], im Osten und Süden durch den Luisenring und im Westen durch den [[Rhein]] eingegrenzt. 6.568 Menschen lebten am 31. Dezember 2005 im Jungbusch. Er gilt damit als einer der dichtestbesiedelten Stadtteile Mannheims.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Der Jungbusch liegt auf einem Erdbuckel, der früher Pestbuckel hieß. Hier fiel das ansonsten flach zum Ufer abfallende Gelände steil ab.<br />
<br />
Der Name Jungbusch leitet sich von dem ehemals hier stehenden Junggehölz ab. Seine spitzwinklige Form erhielt der Jungbusch durch die [[Rheinbegradigung]] und dem Neckardurchstich von 1869.<br />
<br />
Ab [[1870]] entstand der Jungbusch durch [[Gründerzeit|gründerzeitliche]] Stadterweiterungen. Hier lebten einst Reeder, Kapitäne und Kaufleute. Dieser Stadtteil blieb als einer der wenigen Mannheimer Stadtteile von den Zerstörungen des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] verschont, so dass die Bausubstanz aus der Gründerzeit noch sehr gut erhalten ist. Mit dem Niedergang der Binnenschifffahrt in den 70er Jahren verlotterte der Jungbusch und wandelte sich zum Rotlichtbezirk mit fragwürdigem Ruf (Amüsierviertel, Ausländerviertel, sozialer Brennpunkt) in Mannheim und Umgebung.<br />
<br />
== Einwohner ==<br />
Heute leben überwiegend einkommensschwache Familien im Jungbusch. Der günstige Mietraum des Stadtteils wird jedoch zunehmend auch von studentischen Wohngemeinschaften und Künstlerateliers in Anspruch genommen. 64,1 Prozent der Einwohner im Jungbusch haben einen Migrationshintergrund (Mannheim gesamt 30,0 Prozent - Stand 31. Dezember 2007). Die Jungbuschschule hat z. B. einen Ausländeranteil von 91,3 Prozent (1996/97). Mit 72,3 Prozent ist der Jungbusch der Stadtteil in Mannheim mit der höchsten Arbeiterquote. Jungbusch ist außerdem der Stadtteil mit der höchsten Zahl von Kindern und Jugendlichen (18 Prozent sind unter 18 Jahren). 12 Prozent der Einwohner erhalten Sozialhilfe, 23 Prozent der Kinder und Jugendliche. Trotz aller sozialer Probleme ist die Kriminalität im Jungbusch relativ niedrig. 106 Straftaten pro 1000 Einwohner wurden im Jahr 2001 im Jungbusch verübt und liegt damit fast im Schnitt von ganz Mannheim (102).<br />
<br />
== Stadtentwicklung ==<br />
[[Bild: Mannheim-Popakademie.jpg|thumb|Popakademie]]<br />
Seit einigen Jahren versucht die Stadt Mannheim, den Jungbusch mit allerlei baulichen und sozialen Maßnahmen wieder aufzuwerten. Unter anderem wurden die [[Popakademie Baden-Württemberg]] und das Existenzgründerzentrum [[Musikpark Mannheim]] dort angesiedelt. Heute gilt der Jungbusch als Multi-Kulti-Viertel mit Wachstumspotenzial. Auch in der 1881 erbauten Kauffmannmühle entsteht ein Raum für kulturell-kreative Aktivitäten.<br />
<br />
=== Geschichte der Kauffmannmühle ===<br />
[[Bild:Mannheim-sunshine-live.jpg|thumb|[[Sunshine live]] in der Hafenstraße]]<br />
Die in den Jahren 1881 - 1883 von den Architekten Jelmoli und Blatt erbaute Mühlenanlage hatte ihren Ursprung in einer im Schriesheimer Tal gelegenen, mit Wasserkraft betriebenen Getreidemühle. Mit ihrer Verlegung nach Mannheim erhielt die Firma den Zusatz "Erste Mannheimer Dampfmühle". Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erweitert und erneuert, überstand die Mühle die beiden Weltkriege ohne nennenswerte Schäden. Obwohl die Mühle in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg gut beschäftigt war, wurde sie im Jahr 1960 nach 78 Jahren der Produktion stillgelegt.<br />
Mit der Entwicklung der städtebaulichen Konzepte für neue Arbeitsplatzstrukturen im Jungbusch werden nun auch Investitionen in den aufwändigen Erhalt des alten Industriedenkmals möglich.<br />
Erste Mieter, wie der Radiosender für elektronische Musik [[Sunshine Live]] oder IT-Firmen, sind schon eingezogen. In einer weiteren Stufe soll mit dem Umbau der denkmalgeschützten Lagerhallen begonnen werden und der erste Abschnitt des zukünftigen Zunftviertels Kauffmannmühle mit Flächen für wertige Produkte, kreative Dienstleistungen, Events, Slow-Food-Gastronomie und Kultur entstehen.<br />
<br />
== Religion==<br />
[[Bild:Mannheim-Moschee.jpg|thumb|[[Yavuz-Sultan-Selim-Moschee]]]]<br />
Im Jungbusch steht auch seit 1995 die [[Yavuz-Sultan-Selim-Moschee]], nach Fertigstellung damals die größte [[Moschee]] Deutschlands, gebaut vom Islamischen Bund Mannheim. Die Moschee war mit ihrem Projekt "Offene Moschee" in Deutschland eines der ersten muslimischen Gotteshäusern, das sich nach außen hin öffnete und das Ziel der interreligiösen Annäherung und der Aufklärung über den Islam praktisch umsetzte.<br />
<br />
Der Moschee gegenüber steht die 1904 errichtete neugotische [[Liebfrauenkirche (Mannheim)|Liebfrauenkirche]], die zusammen mit der [[Jesuitenkirche (Mannheim)|Jesuitenkirche]] und der [[Untere Pfarrei St. Sebastian|Unteren Pfarrkirche St. Sebastian]] am Marktplatz zur katholischen Innenstadtpfarrei gehört. Sie wird auch von der italienischen Gemeinde genutzt.<br />
<br />
Die evangelische [[Hafenkirche (Mannheim)|Hafenkirche]] betreut auch die Familien der Binnenschiffer, die den Mannheimer Hafen anlaufen.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commonscat|Mannheim-Jungbusch}}<br />
* [http://www.mannheim.de/io2/browse/webseiten/politik/aemter/fb33/dienststellen_und_dienstzeiten/innenstadt Bürgerdienst Innenstadt/Jungbusch]<br />
* [http://www.jungbuschzentrum.de/ Jungbuschzentrum]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Stadtteile von Mannheim}}<br />
{{Coordinate |NS=49.49824 |EW=8.46033 |type=city |region=DE-BW}}<br />
<br />
[[Kategorie:Stadtteil (Mannheim)]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rosenrot_(Album)&diff=77993635Rosenrot (Album)2010-08-18T11:31:35Z<p>Xjs: /* Spring */ Typo</p>
<hr />
<div>{{Infobox Musikalbum<br />
|Künstler = [[Rammstein]] <br />
|Titel = Rosenrot <br />
|Genre = [[Neue Deutsche Härte]] <br />
|Jahr = [[28. Oktober]] [[2005]] <br />
|Label = [[Universal Music]] <br />
|Formate = CD <br />
|AnzahlTitel = 11 <br />
|Laufzeit = 48 min 8 s<br />
|Besetzung =* [[Gesang]]: [[Till Lindemann]]<br />
* [[E-Gitarre|Gitarre]]: [[Richard Kruspe]]<br />
* Gitarre: [[Paul Landers]]<br />
* [[E-Bass|Bass]]: [[Oliver Riedel]]<br />
* [[Schlagzeug]]: [[Christoph Schneider]]<br />
* [[Keyboard]]: [[Christian Lorenz]]<br />
|Produzent = Jacob Hellner <br />
|Studio = El Cortijo Studio, [[Málaga]]<br />Teldex Studio, [[Berlin]]<br />
|Vorheriges = [[Reise, Reise]]<br />(2004) <br />
|Nächstes = [[Völkerball (Rammstein)|Völkerball]]<br />(2006)<br />
}}<br />
<br />
'''Rosenrot''' ist das fünfte Studioalbum der deutschen Band [[Rammstein]]. Es erschien am 28. Oktober 2005 in Deutschland und wurde innerhalb von drei Wochen in insgesamt 38 Ländern veröffentlicht.<br />
<br />
Das Album enthält insgesamt elf Lieder: Sechs Lieder, die ursprünglich für das Vorgängeralbum ''[[Reise, Reise]]'' geschrieben wurden (darunter „Rosenrot“ und „Wo bist du?“), die dann aber keinen Platz auf dem Album gefunden hatten, und fünf neue Lieder. Zunächst hieß es, das Album solle ''Reise, Reise Vol. 2'' heißen, am 18. August 2005 wurde jedoch der Name ''Rosenrot'' bekannt gegeben.<br />
<br />
Einen ersten Eindruck vom neuen Album erhielten überraschte Rammstein-Fans bei Open-Air-Konzerten der Band in der Berliner Wuhlheide zwischen dem 23. Juni und dem 26. Juni 2005, bei denen der Song „Benzin“ erstmals vorgestellt wurde. Dieser und fünf weitere Songs konnten als einminütige Hörproben acht Tage vor Veröffentlichung im Internet probegehört werden.<br />
<br />
Drei Singleauskoppelungen kamen auf den Markt: ''Benzin'', das schon drei Wochen vor dem Album erschien, ''Rosenrot'' und ''Mann gegen Mann''.<br />
<br />
Eine sonst in der Branche übliche Tour nach Veröffentlichung des Albums fand nicht statt.<br />
<br />
== Erfolg ==<br />
Das Album stieg in Deutschland in der ersten Woche sofort auf Platz 1 der Albencharts ein. Es wurden über 200.000 Exemplare ausgeliefert, sodass bereits in der ersten Woche [[Platin-Schallplatte|Platin-Status]] erreicht wurde. Für Platin reichte es auch in der Schweiz, [[Goldene Schallplatte|Gold-Status]] erreichte die Band in Österreich, Tschechien, Dänemark und Finnland.<br />
<br />
== Cover ==<br />
Das [[Cover]]-[[Artwork]] wurde leicht verändert von der japanischen Version des Albums „Reise, Reise“ übernommen, das dort verwendet wurde, weil die japanischen Vertreiber meinten, dass ein Flugrekorder auf dem Cover nicht funktionieren würde. Rammstein fand das Cover zu schön, um es nur im japanischen Raum zu benutzen. Selbst meinten sie, dass es auch eine gute Verbindung zu ''Reise, Reise'' ist.<br />
<br />
Das Schiff auf dem Cover ist der US-Amerikanische Eisbrecher USS Atka (AGB-3) bzw. USCGC Southwind (WAGB-280).<br />
Das für das Cover als Grundlage genutzte Foto, wurde am 13. März 1960 bei der [[McMurdo-Station]] in der [[Antarktis]] aufgenommen.<ref>[http://herzeleid.com/en/news/*/id/520 ''herzeleid.com'' Rosenrot source image]</ref><br />
<br />
== Inhalt ==<br />
# ''[[#Benzin|Benzin]]'' – 3:46<br />
# ''[[#Mann gegen Mann|Mann gegen Mann]]'' – 3:51<br />
# ''[[#Rosenrot|Rosenrot]]'' – 3:55<br />
# ''[[#Spring|Spring]]'' – 5:25<br />
# ''[[#Wo bist du?|Wo bist du?]]'' – 3:56<br />
# ''[[#Stirb Nicht Vor Mir (Don't Die Before I Do)|Stirb Nicht Vor Mir (Don't Die Before I Do)]]'' <small>(Duett mit [[Sharleen Spiteri]])</small> – 4:06<br />
# ''[[#Zerstören|Zerstören]]'' – 5:29<br />
# ''[[#Hilf mir|Hilf mir]]'' – 4:44<br />
# ''[[#Te quiero puta!|Te quiero puta!]]'' <small>(Sp. ''Ich liebe dich, Hure'')</small> – 3:56<br />
# ''[[#Feuer & Wasser|Feuer & Wasser]]'' – 5:13<br />
# ''[[#Ein Lied|Ein Lied]]'' – 3:44<br />
<br />
=== Benzin ===<br />
Das Lied wurde bereits am 23. Juli 2005, lange vor Veröffentlichung des Albums, in der Berliner Wuhlheide gespielt. In einem Interview mit der französischen Zeitung RockMag sagte Lindemann: „Eigentlich habe ich eines Tages einen Film gesehn, der hieß Love Liza. Es ist die Geschichte eines Kerls, der seine Frau und seinen Job verliert und langsam nach Benzin süchtig wird. Er geht in Tankstellen und riecht an der Gaspumpe. Es ist eine Art von [[Tragikomödie]]. Es wurden viele Filme über Süchtige gedreht, aber nie über Benzinanriecher. Ich denke, das war der Startpunkt dieses Songs.“ Weil Christian Lorenz krank wurde, wurde er im Musikvideo gedoubelt.<br />
<br />
=== Mann gegen Mann ===<br />
Der Arbeitstitel zu diesem Lied hieß „Schwuhla“. Es existierte bereits zu Zeiten des Albums Mutter.<ref>[http://www.rfan.de/seite/index.php?section=main&start=150 ''rfan.de'' News vom 12. September 2005]</ref> Das Video zu Mann gegen Mann, das Anfang Februar 2006 veröffentlicht wurde, lief anfangs ganz normal im Fernsehen. Nach über einem Monat wurde es jedoch von der [[Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft|FSK]] erst ab 16 freigegeben und kann seitdem im deutschen Fernsehen nur noch zwischen 22 und 6 Uhr gezeigt werden.<br />
<br />
=== Rosenrot ===<br />
„Rosenrot“ behandelt im Video unter anderem die [[Selbstgeißelung]] von [[Mönchtum|Mönchen]]. Das Lied selbst ist eine Adaption von Goethes „[[Heidenröslein]]“ und dem Märchen „[[Schneeweißchen und Rosenrot]]“.<ref>[http://rammimages.com/articles/rosenrottexteng_gersept05.html ''rammimages.com'' Offizieller ROSENROT-Pressetext von Thorsten Zahn]</ref><br />
<br />
Die Riffs von „Rosenrot“ ähneln stark den Riffs von „Stein um Stein“. Das liegt daran, dass beide Lieder während der Aufnahmesession zu „[[Reise, Reise]]“ produziert wurden. „Stein um Stein“ hieß damals „Rosenrot 60“ und das heutige „Rosenrot“ hatte den Arbeitstitel „Rosenrot NY“.<br />
<br />
=== Spring ===<br />
In diesem Lied geht es darum, dass das [[Lyrisches Ich|lyrische Ich]] zusammen mit anderen Menschen einen Mann beobachtet, der die Aussicht von einer Brücke genießt. Die Gruppe Menschen schreit ihm allerdings zu er solle springen und lässt ihn nicht gehen. Das lyrische Ich schleicht sich zum Schluss an ihn und stößt ihn runter, um ihn von „dieser [[Schmach]]“ zu erlösen. Zitat:<br />
:''Der Mann will von der Brücke steigen''<br />
:''die Menschen fangen an zu hassen''<br />
:''Bilden einen dichten Reigen''<br />
:''Und wollen ihn nicht nach unten lassen''<br />
:''So steigt er noch einmal nach oben''<br />
:''Und der Mob fängt an zu toben''<br />
:''Sie wollen seine Innereien''<br />
:''Und schreien...''<br />
<br />
=== Wo bist du? ===<br />
„Wo bist du?“ ist eine eher harte Ballade im Gegensatz zu „Stirb Nicht Vor Mir (Don't Die Before I Do)“. Das Lied beginnt mit einer Klarinette, anschließend kommen Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass dazu. Ähnlich wie in „Du Hast“ vom Album „[[Sehnsucht (Rammstein)|Sehnsucht]]“ wird am Anfang des Liedes ein Satz zusammengebaut, wodurch wieder mehrere Interpretationen möglich sind.<br />
<br />
=== Stirb Nicht Vor Mir (Don't Die Before I Do) ===<br />
Die Idee zu diesem experimentellen Duett kam vom Produzenten Jacob Hellner. Es war auch seine Idee, das Duett mit [[Sharleen Spiteri]] aufzunehmen. In diesem Lied fehlen die harten Gitarrenriffs und der tiefe, gepresste Gesang von Till Lindemann.<br />
<br />
=== Zerstören ===<br />
Das Lied hieß früher „[[Ankara]]“ und hat einen Bezug zum Irak-Krieg. Am Anfang des Liedes singt eine türkischsprechende Frau, ein Novum für Rammstein.<br />
<br />
Christian „Flake“ Lorenz sagte einer Tageszeitung folgendes über das Lied „Zerstören“: „''Das ist unser Countrysong über [[George W. Bush]] und völlig ernst gemeint. Der führt sich in der Welt auf wie ein Kind, das alles kaputt machen will. Dabei vergreift er sich aber nur an fremden Sachen!''“<br />
<br />
=== Hilf mir ===<br />
Vorbild für den Text dieses Liedes war der [[Struwwelpeter]] („Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“), von dem Textzeilen zum Teil direkt übernommen wurden.<br />
<br />
=== Te quiero puta! ===<br />
„Te quiero puta!“ ist Rammsteins erstes spanisches Lied. Der Titel heißt übersetzt: „Ich liebe dich, Hure.“ (wörtlich: „Ich will dich, Hure.“). Der Arbeitstitel dazu lautete „Ich bin“. Dieses Lied soll ein Geschenk an die mexikanischen Rammstein-Fans sein, weil der Vorgänger von Rosenrot, [[Reise, Reise]], in Mexiko auf Platz eins in den Charts stieg. Auf diese Weise wollen sich Rammstein bei ihren mexikanischen Fans bedanken. <br />
Am Beginn des Liedes hört man leises Klappern von Pferdehufen. Im Lied spielen typisch mexikanische Trompeten. Im Großen und Ganzen ist „Te quiero puta!“ eine musikalische Mischung aus typischer Rammstein-Musik und für die Band ungewöhnliche Trompetenuntermalung in mexikanischem Stil.<br />
<br />
=== Feuer und Wasser ===<br />
„Feuer und Wasser“ soll durch das Gedicht [[Der Taucher]] von [[Friedrich Schiller]] inspiriert worden sein. Till Lindemann brachte im Text möglicherweise auch diverse Impressionen aus seiner Zeit als ehemaliger Leistungsschwimmer mit ein.<br />
<br />
Der Titel selbst steigert sich vom sanften, beinahe fragilen Beginn, welcher etwa das erste Drittel des Songs ausmacht, zu zwei weiteren, voluminösen, Dritteln inklusive E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug. Die erste Strophe, sowie der erste Refrain des Songs werden nur von einer akustischen Gitarre und einem Computer-erzeugtem Beat begleitet.<br />
<br />
=== Ein Lied ===<br />
''Ein Lied'' soll ein Geschenk an alle Rammstein-Fans sein. Es ist das einzige Stück neben ''[[Liebe ist für alle da#Roter Sand|Roter Sand]]'' vom Album ''[[Liebe ist für alle da]]'' von Rammstein, das nicht von einem Schlagzeug begleitet wird. Des Weiteren wurden E-Gitarren und E-Bass nicht verwendet. Somit ist es ein rein akustisches Stück. Till Lindemanns Gesang wird lediglich von einer Akustik-Gitarre und dezenten Keyboard-Einsätzen begleitet.<br />
<br />
== Single-Auskopplungen mit Videos ==<br />
;Benzin<br />
* Singleveröffentlichung: 7. Oktober 2005<br />
* Videopremiere: 16. September 2005<br />
;Rosenrot<br />
* Singleveröffentlichung: 16. Dezember 2005<br />
* Videopremiere: 30. November 2005<br />
;Mann gegen Mann<br />
* Singleveröffentlichung: 3. März 2006<br />
* Videopremiere: 1. Februar 2006<br />
<br />
== Ausgaben ==<br />
Das Album erschien in einer Standard-Edition und einer limitierten Ausgabe. Die normale Version wurde jedoch nicht nur in einem üblichen [[Jewelcase]] veröffentlicht, sondern auch in einer ausklappbaren Pappverpackung mit vier Teilen (Vierer-[[Polyptychon]]), wie es bei Rammstein vorher nur bei limitierten Single-Versionen üblich war.<br />
<br />
Die limitierte Version enthält zusätzlich zur normalen CD eine DVD mit drei Liveaufnahmen der Band:<br />
* Reise, Reise ([[Amphitheater von Nîmes|Arenes de Nîmes]], [[Nîmes]]/Frankreich, Juli 2005)<br />
* Mein Teil ([[Club Citta]], [[Kawasaki (Kanagawa)]]/Japan, Juni 2005)<br />
* Sonne ([[Brixton Academy]], [[London]]/Großbritannien, Februar 2005)<br />
Die DVD der limitierten Version bekam das FSK-Siegel „Ab 16“.<br />
<br />
Ebenfalls Platz eins erreichte die Band in Österreich, Estland und Finnland. In Dänemark, Schweden, der Schweiz und Mexiko reichte es für Platz zwei, in Belgien und Tschechien für Platz drei, in den Niederlanden und Norwegen für Platz vier und in Frankreich für Platz fünf. Weitere Top-10-Platzierungen wurden in Portugal, Polen, Griechenland, Island und Spanien erreicht.<br />
<br />
Rosenrot erreichte in den „Top50-Album“-Charts des Jahres 2005 Platz 23.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.rammstein.de/Band/Discography/Albums/Rosenrot.html Offizielle Rosenrot-Informationen]<br />
* [http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/r/rammstein/rosenrot/index.htm Kritik] von [[laut.de]]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Rammstein}}<br />
<br />
[[Kategorie:Album (Neue Deutsche Härte)|Rosenrot]]<br />
[[Kategorie:Album (2000er)]]<br />
[[Kategorie:Rammstein]]<br />
<br />
[[ang:Rosenrot]]<br />
[[bg:Rosenrot]]<br />
[[cs:Rosenrot]]<br />
[[da:Rosenrot]]<br />
[[en:Rosenrot]]<br />
[[es:Rosenrot]]<br />
[[et:Rosenrot]]<br />
[[fi:Rosenrot]]<br />
[[fr:Rosenrot]]<br />
[[hr:Rosenrot]]<br />
[[hu:Rosenrot]]<br />
[[hy:Rosenrot]]<br />
[[it:Rosenrot]]<br />
[[lv:Rosenrot (albums)]]<br />
[[nl:Rosenrot (album)]]<br />
[[nn:Rosenrot av Rammstein]]<br />
[[no:Rosenrot (album)]]<br />
[[pl:Rosenrot]]<br />
[[pt:Rosenrot]]<br />
[[ro:Rosenrot]]<br />
[[ru:Rosenrot (альбом)]]<br />
[[sr:Rosenrot]]<br />
[[sv:Rosenrot (musikalbum)]]<br />
[[tr:Rosenrot]]<br />
[[uk:Rosenrot]]</div>Xjshttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Solow-Modell&diff=76277058Solow-Modell2010-07-03T18:45:27Z<p>Xjs: /* Entwicklung der Theorie */ Komma!</p>
<hr />
<div>Das '''Solow-Modell''' ist ein [[Volkswirtschaftslehre|volkswirtschaftliches]] Modell zur Erklärung des langfristigen [[Wirtschaftswachstum|Wachstums]] einer [[Volkswirtschaft]]. Das Modell wurde von [[Robert Merton Solow]] (1956) und [[Trevor Swan]] (1956) entwickelt. Es ist ein wichtiger Bestandteil der [[Neoklassische Theorie|neoklassischen]] [[Wachstumstheorie]] und entwickelte sich aus der Kritik heraus, dass die Determinanten des Wirtschaftswachstums z. B. im [[Harrod-Domar-Modell]] nicht betrachtet wurden. <br />
<br />
Die zentrale Aussage des Solow-Modells ist, dass für dauerhaftes Wirtschaftswachstum langfristig nur [[technischer Fortschritt]] von Bedeutung ist. Wachstumspolitik kann folglich auf lange Sicht nur erfolgreich sein, wenn sie den technischen Fortschritt begünstigt. <br />
<br />
== Herleitung des Solow-Modells ==<br />
<br />
Das Solow-Modell erklärt Wachstum als Folge aus [[Arbeit (Volkswirtschaftslehre)|Arbeits-]], [[Kapital|Kapital-]] und [[Technologie]]-Einsatz in einer Volkswirtschaft. Das Modell liefert jedoch nur eine Erklärung für ein endogenes Anpassungswachstum hin zu einem langfristigen Gleichgewicht. In diesem Gleichgewicht wird die [[Kapitalintensität]], also der Kapitalstock pro Kopf konstant gehalten. Dies ist dann der Fall, wenn die Verringerung des Kapitalstocks pro Kopf auf Grund von [[Abschreibung]]en und Bevölkerungswachstum genau durch neue Investitionen in den Kapitalstock ausgeglichen werden. Die Annahme ist auf die Realität übertragbar, wenn man sich vorstellt, dass in diesem Gleichgewicht die ausrangierten Maschinen gerade durch neue ersetzt werden. Daraus ergibt sich, dass die Volkswirtschaft wächst, wenn die Investitionen größer sind als die Abschreibungen und dass sie schrumpft, wenn die Investitionen geringer sind als die Abschreibungen.<br />
<br />
Weitere Annahmen werden insofern getroffen, dass der Pro-Kopf-Kapitalstock bei einem steigenden Bevölkerungswachstum sinkt, da das gesamte vorhandene Einkommen auf mehr Köpfe verteilt werden muss. Außerdem wird eine Rate des [[technischer Fortschritt|technischen Fortschritts]] in der Volkswirtschaft angegeben, die den vorhandenen Kapitalstock veralten lässt.<br />
<br />
Das Modell kommt zu dem Ergebnis, dass das Wachstum einer jeden Volkswirtschaft gegen einen langfristig gegebenen Punkt (Steady State) konvergiert, der durch die Investitionen in der Volkswirtschaft, die konstante Abschreibungsrate, das Bevölkerungswachstum und die Rate des technologischen Fortschritts bestimmt wird. Damit die Volkswirtschaft langfristig wächst, muss technologischer Fortschritt vorhanden sein.<br />
<br />
=== Mathematische Beschreibung des Solow-Modells ===<br />
<br />
Mathematisch wird die Berechnung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts wie folgt beschrieben:<br />
<br />
Y = Produktion<br />
<br />
L = Arbeit<br />
<br />
K = Kapital<br />
<br />
A = Technischer Fortschritt<br />
<br />
<math>\alpha</math> = [[Produktionselastizität]] des Kapitals<br />
<br />
s = Sparquote<br />
<br />
<math>\delta</math> = Abschreibungen<br />
<br />
g<sub>X</sub> = Wachstumsrate des Faktors X (X kann also durch Y, L, K oder A ersetzt werden)<br />
<br />
Die gesamtwirtschaftliche [[Produktionsfunktion]], auf der das Solow-Modell basiert, ist eine [[Cobb-Douglas-Funktion]], die den technischen Fortschritt berücksichtigt. Sie sieht wie folgt aus:<br />
<br />
<math>Y = A \cdot F(K, L) = AK^{\alpha}L^{1-\alpha}</math>,<br />
<br />
wobei <big><math>0 < \alpha < 1</math></big>.<br />
<br />
Diese Produktionsfunktion besitzt konstante [[Skalenerträge]] (Homogenitätsgrad&nbsp;= &nbsp;1) bezüglich der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit. Das heißt, multipliziert man die Produktionsfaktoren mit einem festen Faktor, so vervielfacht sich auch die Produktion um genau diesen Faktor.<br />
<br />
Die Gleichung für das Solow-Modell wird durch eine Reihe von Umformungen und Annahmen erreicht. So wird die Produktionsfunktion als Pro-Kopf-Einkommen umgeschrieben, indem man die Gleichung durch L dividiert. Dies stellt nur eine Näherung dar, da L nicht der Gesamtbevölkerung entspricht. Da aber letztendlich nur Aussagen bezüglich Wachstumsgrößen getroffen werden, ist diese Näherung zulässig unter der plausiblen Annahme, dass L mit derselben Rate wächst wie die Gesamtbevölkerung.<br />
<br />
Zur Unterscheidung von den gesamtwirtschaftlichen Größen werden die Pro-Kopf-Größen mit Kleinbuchstaben dargestellt. Die Produktionsfunktion wird damit wie folgt umgeformt:<br />
<br />
<math>\frac{Y}{L} = \frac{A \cdot K^{\alpha}L^{1-\alpha}}{L} = \frac{A \cdot K^{\alpha}L^{1-\alpha}}{L^{\alpha}L^{1-\alpha}} = A \cdot {(\frac{K}{L})}^{\alpha} \cdot {(\frac{L}{L})}^{1-\alpha} = A \cdot {(\frac{K}{L})}^{\alpha} = A \cdot k^{\alpha} \quad \Leftrightarrow \quad y = A \cdot k^{\alpha} = A \cdot f(k)</math><br />
<br />
Es wird angenommen, dass es eine Sparquote ''s'' gibt, die den Anteil des (Pro-Kopf-)Einkommens beschreibt, der gespart und damit in die Erhöhung des (Pro-Kopf-)Kapitalstocks investiert wird. <math>\delta</math> bezeichnet die Abschreibungsrate, die den Verfall des vorhandenen (Pro-Kopf-)Kapitalstocks erfasst. Das Bevölkerungswachstum wird mit ''g<sub>L</sub>'' bezeichnet.<br />
<br />
Im langfristigen Gleichgewicht – dem „Steady state“-Niveau der Volkswirtschaft – muss gelten, dass die Investitionen in den Kapitalstock gleich den Abschreibungen (inkl. Bevölkerungswachstum) des Kapitalstocks entsprechen (siehe auch [[Harrod-Domar-Modell]]):<br />
<br />
<math>s \cdot y = (\delta + g_L) \cdot k \quad \Leftrightarrow \quad s \cdot A \cdot f(k) = (\delta + g_L) \cdot k</math><br />
<br />
Dabei ist zu beachten, dass das Solow-Modell eine [[Geschlossene Volkswirtschaft]] beschreibt, d. h. es werden keine Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland im Modell berücksichtigt.<br />
<br />
=== Goldene Regel der Kapitalakkumulation ===<br />
<br />
Die [[Goldene Regel der Akkumulation]] beschreibt diejenige Sparquote in einer Volkswirtschaft, durch die der Konsum maximiert wird.<br />
<br />
Der Konsum ist der Anteil der Produktion, der nicht gespart wird. Bezeichne ''c'' die Konsumquote, so gilt:<br />
<br />
<math> c \cdot y = (1-s) \cdot y = (1-s) \cdot A f(k) = A f(k) - s A f(k)</math><br />
<br />
Wie oben gesehen, muss also im langfristigen Gleichgewicht (Steady State) gelten:<br />
<br />
<math> c \cdot y = A \cdot f(k) - (\delta + g_L) \cdot k</math><br />
<br />
Um nun die Sparquote zu finden, die den Konsum maximiert, ist es einfacher, zunächst den Steady-State-Kapitalstock zu bestimmen, der den Konsum maximiert, und damit die optimale Sparquote zu berechnen. Dies ist möglich, da zwischen Steady-State-Kapitalstock und Sparquote ein eindeutiger Zusammenhang besteht.<br />
<br />
Um den konsummaximierenden Kapitalstock zu finden, wird die letzte Gleichung für die [[Bedingung Erster Ordnung]] nach k abgeleitet. Damit erhält man für das Optimum:<br />
<br />
<math>A \cdot f'(k^*) - (\delta + g_L) = 0 \quad \Leftrightarrow \quad Af'(k^*) = \delta + g_L</math><br />
<br />
Legt man wie oben die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion zu Grunde, so dass gilt: <math>f(k) = k^{\alpha} \quad</math> mit <math>0 < \alpha < 1 \quad</math>, so erkennt man, dass auch die Bedingung Zweiter Ordnung (<math>A \cdot f''(k^*) < 0</math>) immer erfüllt ist.<br />
<br />
Damit stellt <math>k^*</math> den konsummaximierenden Steady-State-Kapitalstock dar.<br />
<br />
Weiterhin ist bereits bekannt, dass im Steady State immer gilt:<br />
<br />
<math>s \cdot A \cdot f(k) = (\delta + g_L) \cdot k \quad \Leftrightarrow \quad \delta + g_L = \frac{s \cdot A \cdot f(k)}{k}</math><br />
<br />
Eingesetzt in die obige Bedingung erster Ordnung erhält man für die optimale (konsummaximierende) Sparquote <math>s^*</math>:<br />
<br />
<math>Af'(k) = \frac{s^* \cdot A \cdot f(k)}{k} \quad \Leftrightarrow \quad s^* = \frac{k \cdot Af'(k^*)}{A \cdot f(k^*)}</math><br />
<br />
Mit <math>f(k) = k^{\alpha} \quad</math> ergibt sich:<br />
<br />
<math>s^* = \alpha \quad</math><br />
<br />
Bei dieser Sparquote wird der Konsum im langfristigen Gleichgewicht maximiert.<br />
<br />
== Entwicklung der Theorie ==<br />
<br />
Robert Solow konnte 1957 die empirische Evidenz des Solow-Modells anhand von Wachstumsdaten der USA nachweisen. Dazu benutzte er methodisch die sog. [[Solow-Residuum|Solow-Residuen]], auch als [[totale Faktorproduktivität]] bezeichnet, um den Anteil des technologischen Fortschritts aus dem Gesamtwachstum eines Jahres auszumachen. Es stellte sich heraus, dass der größte Anteil des jährlichen Wachstums nicht auf Arbeit- oder Kapitalfaktoren, sondern auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen ist.<br />
<br />
== Kritik an der Theorie und Weiterentwicklung ==<br />
<br />
Das Solow-Modell wird seit den 80er Jahren, vor allem von den Verfechtern des [[endogenes Wachstum|endogenen Wachstums]], kritisiert. Im Zentrum der Kritik stand die Konvergenz des Wachstums einer Volkswirtschaft im Solow-Modell. Dies bedeutet, dass ärmere Volkswirtschaften langfristig zu den wohlhabenderen aufschließen, da sie ohne größere Mühen schneller wachsen können. Diese Konvergenz konnte aber nicht in allen Volkswirtschaften nachgewiesen werden. Zu den Fällen konvergierenden Wachstums gehören vor allem die Marktwirtschaften aus Europa, Nordamerika und verschiedene Staaten in Ost- und Südostasien (vgl. auch [[Tigerstaaten]]). Zudem seien die berechneten Konvergenzgeschwindigkeiten zu hoch und das Modell liefere nur brauchbare Ergebnisse für das 20. Jahrhundert. <br />
<br />
Als weiterer Kritikpunkt wird genannt, dass im Solow-Modell der technologische Fortschritt einziger Faktor langfristigen Wachstums ist, das Modell aber nicht erklärt wie dieser zustande kommt. Technologischer Fortschritt wird als exogen gegeben angesehen und daher nicht durch das Modell erklärt.<br />
<br />
Die Kritik am exogenen technologischen Fortschritt greift die [[Endogenes Wachstum|Endogene Wachstumstheorie]] auf. Um die weiteren oben genannten Kritikpunkte am Solow-Modell auszuräumen haben [[N. Gregory Mankiw|Mankiw]], [[Paul Romer|Romer]] und Weil 1992 eine überarbeitete Fassung des Modells veröffentlicht, die den Faktor Humankapital und Bildung mit in die Berechnung des Wachstums einbezieht. Die Probleme fehlender Konvergenz und übertriebener Konvergenzgeschwindigkeiten werden dadurch erklärt.<br />
<br />
Daneben wurde das Solow-Modell als [[Ein-Gut-Parabel]] kritisiert. Einige Ergebnisse des Modells lassen sich nicht verallgemeinern, wenn man von der (unausgesprochenen) Annahme einer Volkswirtschaft, die nur ein Gut „Y“ produziert, das dann als Konsum- („C“) oder Investitionsgut („I“) eingesetzt werden kann, zu der wirklichkeitsnäheren Annahme einer Volkswirtschaft, in der „Waren mittels Waren“ hergestellt werden ([[Piero Sraffa]]), übergeht.<br />
<br />
Schließlich erfuhr Solow Kritik auch aus den Reihen der Umwelt- und Ressourcenökonomie. Besonders sein Satz: "The world can, in effect, get along without natural resources, so exhaustion is just an event, not a catastrophe" (Die Welt kann faktisch ohne natürliche Ressourcen auskommen, weswegen ihre Erschöpfung nur ein Ereignis ist, aber keine Katastrophe") erregte Anstoß: "Er versuchte damit nicht weniger als die Erschaffung eines perpetuum mobile in der Volkswirtschaftslehre"<ref>Georg Meran (TU Berlin) in: Umwelt und Ressourcen - Ergänzendes Skript I (2: Die Solow-Regel aus der Sicht der ökologischen Ökonomik), S. 4[http://www.infraday.tu-berlin.de/fileadmin/documents/umweltoekonomie/UuR_Skipt_I_SS2009.pdf]</ref>. Solows Technikoptimismus wird tw. mit dafür verantwortlich gemacht, dass die Probleme der vom [[Club of Rome]] 1972 beschriebenen möglichen Ressourcenverknappungen 30 Jahre später - z. B. im Rahmen der [[Peak Oil|Peak-Oil-Problematik]] - in der Öffentlichkeit und v.a. in der Politik nur wenig Resonanz findet<ref>Vgl. "Heads in the Sand? Or, Why Don’t Governments Talk about Peak Oil?", The Oil Drum, 5. Jan. 2010[http://www.theoildrum.com/node/6100]</ref>.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
* [[Growth Accounting]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* [http://www.fgn.unisg.ch/eurmacro/tutor/solow.html Java Applet zur Darstellung des Solow-Modell]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* [[Robert Merton Solow]]: „A Contribution to the Theory of Economic Growth“ in Quarterly Journal of Economics Band 70, 1956, S. 65–94.<br />
: → deutsche Übersetzung: König, H. (Hrsg.): „Ein Beitrag zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums“ in Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft, Köln, 1968, S. 67–96.<br />
* [[Lucas Bretschger]]: „Wachstumstheorie“, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Oldenburg, 2004, Kapitel 3 Seite 25–40, ISBN 3-486-20003-8.<br />
<br />
[[Kategorie:Wachstumstheorie]]<br />
<br />
[[en:Exogenous growth model]]<br />
[[es:Modelo de crecimiento de Solow]]<br />
[[fi:Solow'n kasvumalli]]<br />
[[fr:Modèle de Solow]]<br />
[[it:Modello di Solow]]<br />
[[nl:Solow-model]]<br />
[[pl:Model wzrostu Solowa]]<br />
[[pt:Modelo de Solow]]<br />
[[ru:Модель Солоу]]<br />
[[sv:Solow-modellen]]<br />
[[vi:Mô hình tăng trưởng Solow]]<br />
[[zh:索洛模型]]</div>Xjs