https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=ObjezdWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-07-18T13:50:51ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.10https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schlaf&diff=257921990Schlaf2025-07-15T14:30:44Z<p>Objezd: men need much less sleep than women tbh</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den biologischen oder medizinischen Ruhezustand. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Schlaf (Begriffsklärung)]].}}<br />
[[Datei:Princess, asleep.jpg|mini|Schlafendes Kind]]<br />
[[Datei:Sleeping baby cat.jpg|mini|Schlafendes [[Katzenjunges]]]]<br />
'''Schlaf''' ist ein Zustand der äußeren Ruhe bei [[Mensch]]en und [[Tier]]en. Dabei unterscheiden sich viele Lebenszeichen von denen des [[Bewusstseinszustand#Wachzustand|Wachzustands]]. [[Puls]], [[Atemfrequenz]] und [[Blutdruck]] sinken bei [[Primaten]] und anderen höheren Lebewesen im sogenannten [[Non-REM-Schlaf|NREM-Schlaf]] ab und die [[Neurophysiologie|Gehirnaktivität]] verändert sich. Das Schließen der [[Auge]]n während des NREM-Schlafs unterstützt diese Funktion.<br />
<br />
Im sogenannten [[REM-Schlaf]], auch als „paradoxer Schlaf“ bezeichnet, finden sich hingegen Zustände, die denen des Wach-Seins ähneln, insbesondere eine erhöhte Gehirnaktivität (an [[Traum|Träume]] aus dieser Phase erinnert man sich am häufigsten) und ein Anstieg von Herz- und Atemfrequenz sowie des Blutdrucks. Ausgenommen von diesem „aktiven Schlafzustand“ ist die [[Muskulatur]], die im REM-Schlaf blockiert wird ([[Atonie]]).<ref name="SLHp187">{{BibISBN|9783642016509|Seite=187}}</ref> Dadurch lebt der Träumende seine im Traum erlebten motorischen Handlungen nicht aus. Mit den Störungen und der [[Physiologie]] des Schlafs beschäftigt sich ein eigenes Teilgebiet der Medizin, die [[Somnologie]] (Schlafmedizin oder auch Schlafforschung).<br />
<br />
Die Funktionen des Schlafs sind erst teilweise aufgeklärt. Sicher ist, dass Menschen und viele Tiere schlafen müssen, um zu überleben, der genaue Grund ist jedoch noch unbekannt.<ref name="ILAR" /> [[Schlafentzug]] ist eine verbreitete [[Folter]]maßnahme.<br />
<br />
Verhältnismäßig neu sind Bestrebungen, kulturelle und geschichtliche Unterschiede und Veränderungen in den [[Schlafkultur|Schlafgewohnheiten]] zu dokumentieren und zu beurteilen. Dies soll eines Tages ermöglichen, genauere Informationen über die [[evolution]]ären Ursachen des Schlafs zu ermitteln.<br />
<br />
== Etymologie ==<br />
Das Wort ''Schlaf'' ist in den germanischen Sprachen verbreitet. Im [[Gotische Sprache|Gotischen]] hieß das Wort ''sleps'', im [[Althochdeutsche Sprache|Alt-]] und [[Mittelhochdeutsche Sprache|Mittelhochdeutschen]] ''slāf''. Die [[Germanische Sprachen|germanischen Sprachen]] [[Englische Sprache|Englisch]] und [[Niederländische Sprache|Niederländisch]] verwenden Bezeichnungen derselben Wurzel, nämlich ''sleep'' und ''slaap''. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ''schlafen'' ist ''schlapp werden'', das seinerseits mit dem Adjektiv ''schlaff'' verwandt ist.<ref name="Borbely">Alexander Borbély: ''[http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/TITEL.htm Das Geheimnis des Schlafs.]'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1984, ISBN 3-421-02734-X.</ref><br />
<br />
Aus dem Wort ''Schlaf'' entstanden weitere Ausdrücke, die mit dem eigentlichen Schlaf nicht mehr direkt zusammenhängen. So ist ''entschlafen'' ein [[Euphemismus]] für ''sterben'', und bei [[Beischlaf]] redet man von Geschlechtsverkehr. Eine [[Schlafmütze]] ist eigentlich ein Kleidungsstück, bezogen auf eine Person meint man aber – mit negativer Wertung – jemanden, der aufgrund von Nachlässigkeit oder Langsamkeit oft wichtige Dinge verpasst.<ref name="Borbely" /><br />
<br />
== Schlaf im Tierreich ==<br />
[[Datei:Bradypodion tavetanum sleeping.jpg|mini|Ein schlafendes männliches Zweihornchamäleon]]<br />
[[Datei:Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Baum?.webm|mini|Video: Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Baum?]]<br />
Schlaf ist im Tierreich verbreitet, aber nicht universell. Man geht davon aus, dass die meisten [[Wirbeltiere]] (genauer: die Überklasse der [[Kiefermäuler]]) die gleichen Schlafphasen durchlaufen wie der Mensch. Davon ausgenommen ist beispielsweise der [[Ameisenigel]], ein früher Vertreter der Säugetiere, der keinen Traumschlaf (REM-Schlaf, siehe unten) zu kennen scheint.<br />
<br />
Vögel zeigen ebenfalls ein dem Menschen ähnliches Schlafbild, sobald sie sicher sein können, dass ihr Schlafplatz im Baum sicher vor Feinden ist. Dass sie dabei nicht herunterfallen, bewirkt die Anlage ihrer Sehnen: Beim Absitzen umschließen die Zehen der Vögel den Ast durch ihr bloßes Eigengewicht und verhaken sich darin. Ohne muskulären Aufwand halten sie so ihre Balance ganz von selbst.<br />
<br />
Bei weiteren Tierarten wie Schlangen, Eidechsen und Fischen wird Schlaf (inklusive Traumschlaf) vermutet. Dabei fällt es bei weniger entwickelten Spezies umso schwerer, (Traum-)Schlaf von bloßem Ruhen zu unterscheiden.<ref name="NZZ">Herbert Cerutti: ''[https://folio.nzz.ch/1997/marz/schlaft-auch-der-regenwurm Schläft auch der Regenwurm?]'' In: ''[[NZZ Folio]].'' März 1997.</ref><br />
<br />
Tiere ohne bewegliche Augenlider schlafen mit offenen Augen, z.&nbsp;B. Krebse, Fliegen, Libellen, Schlangen und Fische. Selbst bei [[Wirbellose|wirbellosen Tieren]] ohne [[Zentralnervensystem|zentrales Nervensystem]] wie bei der [[Mangrovenqualle]] wurde ein Schlaf-ähnlicher Zustand beobachtet.<ref>{{Literatur |Autor=Ravi D. Nath, Claire N. Bedbrook, Michael J. Abrams, Ty Basinger, Justin S. Bois |Titel=The Jellyfish Cassiopea Exhibits a Sleep-like State |Sammelwerk=Current Biology |Band=0 |Nummer=0 |Datum=2017-09-21 |ISSN=0960-9822 |DOI=10.1016/j.cub.2017.08.014}}</ref><br />
<br />
{{Zitat<br />
|Text=Die Frage nach dem Schlaf der Tiere bedarf keiner undurchsichtigen Vermutung. Dass unter den Landtieren alle, welche die Augen schließen, schlafen, ist offensichtlich. Dass Wassertiere ebenfalls schlafen, wenn auch recht wenig, glauben selbst diejenigen, welche es bei den übrigen Tieren in Zweifel ziehen. Ja, die Delphine und Walfische hört man sogar schnarchen.<br />
|Autor=[[Plinius der Ältere]]<br />
|Quelle=[[Naturalis historia]]<br />
|ref=<ref name="NZZ"/>}}<br />
<br />
=== Halbhirnschlaf ===<br />
[[Datei:Half Sleeping Bird.jpg|mini|[[Haussperling]] im Halbhirnschlaf]]<br />
Mehrere Tierarten beherrschen den sogenannten ''Halbhirnschlaf''. In diesem Schlafzustand schläft nur eine der [[Gehirnhälfte]]n, während die andere aktiv bleibt. Es wird auch nur ein Auge geschlossen, sodass die Umgebung noch wahrgenommen werden kann. Diese Fähigkeit wurde zunächst bei [[Delfine]]n entdeckt, was bei ihnen als [[Lungenatmer]] im Wasser wohl einer Notwendigkeit entspricht, um nicht zu ertrinken. Gesichert ist der Halbhirnschlaf auch bei [[Großer Schwertwal|Großen Schwertwalen]]. Die Kälber dieser Arten schlafen im ersten Lebensmonat überhaupt nicht, was gewisse Zweifel an der These entstehen lässt, wonach der Schlaf essenziell für die Entwicklung des Gehirns sei.<ref>{{Literatur |Autor=O. I. Lyamin, J. Pryaslova, V. Lance, J. M. Siegel |Titel=Sleep behaviour: Sleep in continuously active dolphins; Activity and sleep in dolphins (Reply) |Sammelwerk=Nature |Datum=2006-06-21 |Kommentar=Abstract |DOI=10.1038/nature04900}}</ref> In den allermeisten Fällen schlafen Neugeborene deutlich länger als ausgewachsene Tiere. [[Ohrenrobben|Seelöwen]] und [[Seebären]] kennen beide Arten von Schlaf. Befinden sie sich an Land, schlafen sie wie Landsäuger, im Wasser wechseln sie zum Halbhirnschlaf. Auch bei Vögeln wurde der zeitweilige Halbhirnschlaf inzwischen nachgewiesen,<ref name="birds">{{Internetquelle |autor=Reuters |url=http://edition.cnn.com/TECH/science/9902/03/birds.eye/ |titel=Birds sleep with one eye open, half awake, study finds |hrsg=cnn.com |datum=1999-02-03 |abruf=2008-09-29}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Neils C. Rattenborg, Steven L. Lima, Charles J. Amlaner |Titel=Half-awake to the risk of predation |Sammelwerk=Nature |Datum=1999-02-02 |Kommentar=Abstract |DOI=10.1038/17037}}</ref> so halten sich [[Mauersegler]] außerhalb der Brutzeit für etwa zehn Monate nahezu ohne Unterbrechung in der Luft auf.<ref name="Hedenström2016">Hedenström et al.: ''Annual 10-Month Aerial Life Phase in the Common Swift Apus apus.'' In: ''Current Biology.'' 2016, [[doi:10.1016/j.cub.2016.09.014]]</ref><br />
<br />
Es wird vermutet, dass auch beim Menschen eine Art Halbhirnschlaf existiert, wenn er an einem fremden Ort schläft.<ref>{{Literatur |Autor=Masako Tamaki, Ji Won Bang, Takeo Watanabe, Yuka Sasaki |Titel=Night Watch in One Brain Hemisphere during Sleep Associated with the First-Night Effect in Humans |Sammelwerk=Current biology: CB |Band=26 |Nummer=9 |Datum=2016-09-05 |ISSN=1879-0445 |Seiten=1190–1194 |DOI=10.1016/j.cub.2016.02.063 |PMC=4864126 |PMID=27112296}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Harald Frater |url=http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-20104-2016-04-22.html |titel=Schlaf: Eine Hirnhälfte hält Wache : Warum wir in der ersten Nacht am fremden Ort schlechter schlafen |hrsg=scinexx.de |abruf=2018-02-26}}</ref><br />
<br />
=== Schlafdauer verschiedener Tierarten ===<br />
Bei Tieren variiert sowohl die Dauer des Schlafes insgesamt als auch die Dauer des REM-Schlafes stark von Art zu Art:<br />
<br />
{| class="wikitable sortable"<br />
|+ Schlafdauer verschiedener Tierarten<ref>''New-York-Times''-Beilage der ''Süddeutschen Zeitung'' vom 21.&nbsp;November 2005.</ref><br />
! Tierart<br />
! Schlaf<br />in Stunden<br />pro Tag<br />
! Anteil der<br />REM-Phase<br />am Schlaf<br />
! Augenposition<br />während<br />des Schlafes<br />
|-<br />
| [[Taschenmaus|Kleine Taschenmaus]] ||style="text-align:right;"| 20,1 ||style="text-align:right;"| 16 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Fledermäuse|Braune Fledermaus]] ||style="text-align:right;"| 19,9 ||style="text-align:right;"| 10 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Südopossum]] ||style="text-align:right;"| 19,4 ||style="text-align:right;"| 10 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Nachtaffe]] ||style="text-align:right;"| 17,0 ||style="text-align:right;"| 11 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Katzen|Katze]] ||style="text-align:right;"| 13,2 ||style="text-align:right;"| 26 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Tauben|Taube]] ||style="text-align:right;"| 11,9 ||style="text-align:right;"| 8 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Haushuhn]] ||style="text-align:right;"| 11,8 ||style="text-align:right;"| 10 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Gemeiner Schimpanse|Schimpanse]] ||style="text-align:right;"| 10,8 ||style="text-align:right;"| 15 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Hunde|Hund]] ||style="text-align:right;"| 10,7 ||style="text-align:right;"| 29 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Kaiserpinguin]] ||style="text-align:right;"| 10,5 ||style="text-align:right;"| 13 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Fruchtfliegen]] ||style="text-align:right;"| 10,0 ||style="text-align:right;"| 0 % || keine Augenlider<br />
|-<br />
| [[Enten|Ente]] ||style="text-align:right;"| 9,1 ||style="text-align:right;"| 16 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Kaninchen]] ||style="text-align:right;"| 8,7 ||style="text-align:right;"| 14 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Schweine|Schwein]] ||style="text-align:right;"| 8,4 ||style="text-align:right;"| 26 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Asiatischer Elefant]] ||style="text-align:right;"| 5,3 ||style="text-align:right;"| 34 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Hausrind|Kuh]] ||style="text-align:right;"| 4,0 ||style="text-align:right;"| 19 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Pferde|Pferd]]<ref>siehe auch: [[Schlafverhalten von Pferden]]</ref> ||style="text-align:right;"| 2,9 ||style="text-align:right;"| 27 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Giraffe]] ||style="text-align:right;"| 1,9 ||style="text-align:right;"| 21 % || beide geschlossen<br />
|}<br />
<br />
== Physiologie ==<br />
=== Schlafenszeit ===<br />
Die sogenannte „innere Uhr“ ([[Chronobiologie]]) ist unter anderem wesentlich an der Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt, dem der Wechsel von Tag und Nacht (hell und dunkel) zu Grunde liegt.<ref name="Uhr" /> Der zweite Faktor, der neben dem Tag-Nacht-Wechsel das Schlafbedürfnis beeinflusst, ist die Zeit, die seit dem letzten Aufwachen vergangen ist.<ref name="Uhr" /> Die Forschung versucht, Daten zu optimaler Einschlafzeit und Schlafdauer zu ermitteln.<br />
<br />
Die innere Uhr passt auch Stoffwechselabläufe, Wachstumsleistungen und Verhaltensweisen den tagesperiodischen Schwankungen an. Eine Störung des normalen Ablaufs ([[Circadiane Rhythmik|circadianer Rhythmus]]) tritt üblicherweise bei [[Schichtarbeit]] und Fernflugreisen auf ([[Jetlag]]).<br />
<br />
=== Einleitung des Schlafs ===<br />
An der Schlafeinleitung sind im Wesentlichen drei Hirnregionen beteiligt: die ''[[Formatio reticularis]]'' im [[Hirnstamm]] und zwei [[Zwischenhirn]]gebiete: der [[Thalamus]] und der [[Hypothalamus]].<ref name="Uhr" /> Die ''Formatio reticularis'' ist bekannt für ihre Funktion als Signalgeber für Wachheit und gehört zum sogenannten [[Formatio reticularis#Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem (ARAS)|aufsteigenden retikulären Aktivierungssystem]]. Ihre Aufmerksamkeits- und Weck-Funktionen übt die ''Formatio reticularis'' über Botenstoffe aus, mit denen sie den Thalamus, gleichsam das „Tor zum Bewusstsein“, erregt. Diese [[Neurotransmitter]] sind [[Noradrenalin]] und [[Acetylcholin]]. Innerhalb der ''Formatio reticularis'' gibt es weitere komplexe Verschaltungen u.&nbsp;a. mit den [[Raphe-Kerne]]n. Diese haben mit ihrem Transmitter [[Serotonin]] vor allem beim Einschlafen einen hemmenden Einfluss auf die noradrenergen Systeme.<ref>Dale Purves u.&nbsp;a.: ''Neuroscience.'' 3. Auflage. Sinauer, Sunderland Ma 2004, ISBN 0-87893-742-0.</ref><br />
<br />
Beim Einschlafen können Kerngebiete im Hirnstamm über verschiedene Wege hemmend auf die Aktivität des Thalamus einwirken. Dabei wird auch ein weiterer Transmitterstoff benutzt, nämlich [[γ-Aminobuttersäure]] (GABA). Es gibt also zwei Hauptwege, über die das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem den Thalamus erreicht: Direkt zur Aktivierung oder Erhöhung der Aufmerksamkeit und indirekt über hemmende Nervenzellen zur Abnahme der Aufmerksamkeit bis hin zur Schlafeinleitung.<br />
<br />
Daneben wirken dieselben Kerngebiete im Hirnstamm hemmend auf Nervenzellgruppen im Rückenmark, was eine Erschlaffung der [[Skelettmuskel]]n ([[Atonie]]) zur Folge hat. Der Mensch wird nicht nur schläfrig, sondern auch der [[Tonus]] der Muskulatur nimmt ab. Beim Einschlafen im Sitzen fällt beispielsweise der Kopf nach vorn. Häufig kommt es beim Einschlafen auch zu speziellen [[Einschlafzuckungen]].<br />
<br />
Der Hypothalamus ist mit dem Auge verbunden und produziert bei Dunkelheit weniger von dem Transmitter [[Histamin]] und einem [[Peptid]] namens [[Orexin]] (von [[Altgriechische Sprache|griech.]] {{lang|grc|ὄρεξις}} ''orexis'' „Verlangen, Appetit“), das zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit führt. Orexin hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Schlaf-Wach-Verhalten des Menschen.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Gestreau, Michelle Bévengut, Mathias Dutschmann |Titel=The dual role of the orexin/hypocretin system in modulating wakefulness and respiratory drive |Sammelwerk=Current Opinion in Pulmonary Medicine |Band=14 |Nummer=6 |Datum=2008 |ISSN=1531-6971 |Seiten=512–518 |Kommentar=Review |DOI=10.1097/MCP.0b013e32831311d3 |PMID=18812827}}</ref> Zuerst wurde die appetitsteigernde Wirkung des Hormons festgestellt, daher der Name. Auch der ''[[Nucleus preopticus]] ventrolateralis'' (das „Esszentrum des Gehirns“, engl. ''ventrolateral preoptic nucleus'', VLPO) des Hypothalamus ist an der Schlafeinleitung beteiligt. Der ''[[Nucleus suprachiasmaticus]]'' (SCN) enthält direkte [[Afferent|Afferenzen]] (Zuleitungen) aus der [[Netzhaut|Retina]]. Hier liegt die Hauptschaltzentrale der [[Chronobiologie|inneren Uhr]], einer Art „Schrittmacher“, der die [[circadiane Rhythmik]] synchronisiert. Der SCN beeinflusst auch die Aktivität des [[Sympathikus]]. Über dieses [[Vegetatives Nervensystem|vegetative System]] stimuliert der SCN die Freisetzung von [[Melatonin]] aus der [[Zirbeldrüse]]. Melatonin wird in den Abendstunden vermehrt ausgeschüttet und trägt zur Schlafeinleitung bei. Folglich erfährt das Gehirn über den Hypothalamus, dass es Zeit zum Schlafen ist, weil es dunkel geworden ist.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.clinlife.de/schlafstoerung |titel=Schlafstörung |hrsg=[[Clinlife|ClinLife Deutschland]] |archiv-url=https://web.archive.org/web/20080926181552/http://www.clinlife.de/schlafstoerung |archiv-datum=2008-09-26 |abruf=2011-02-10 |offline=1}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Andrea Boller |url=https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/wie-ein-hormon-licht-ins-dunkel-bringt/ |titel=''Wie ein Hormon Licht ins Dunkel bringt.'' |hrsg=wissenschaft.de |datum=2006-04-25 |abruf=2019-09-08}}</ref><ref name="hypothalamus">{{Internetquelle |url=http://www.clusterpage.de/include.php?path=content/articles.php&contentid=122&PHPKITSID=9999069b32d4d0c28be89acd0821301b |titel=Hypothalamus |datum=2006-08-24 |abruf=2011-02-10}}</ref><br />
<br />
Der Körper besitzt weitere [[Botenstoff]]e, die zu erhöhtem Schlafbedürfnis beitragen können. So entsteht bei großen Stoffwechselleistungen (körperliche Arbeit) vermehrt [[Adenosin]], das [[Müdigkeit]] hervorruft. Auch [[Entzündungsmediator]]en wie [[Interleukine#Interleukin-1|Interleukin-1]] wirken ähnlich und führen bei einer von Fieber begleiteten Krankheit zu erhöhtem Schlafbedarf.<br />
<br />
=== Aufrechterhaltung des Schlafs und Schlafphasen ===<br />
[[Datei:Schlafstadien einer nacht.svg|mini|Darstellung der '''Schlafstadien''' im [[Schlafprofil|Hypnogramm]] einer Nacht nach Rechtschaffen und Kales (1968)]]<br />
[[Datei:Hypro zyklus 1 de 103.svg|mini| Hypnogramm eines 90-minütigen '''[[Schlafzyklus]]''' – hier folgte nach kurzem „wach liegen“ (W) etwas Leichtschlaf (N1), unterbrochen von erneutem wach werden, danach etwas Schlaf des Stadiums N2 und ausgiebig Tiefschlaf (N3) sowie 13 Minuten REM-Schlaf (R). Nach der seit 2007 geltenden Einteilung der [[Schlafstadium|Schlafstadien]].]]<br />
Auch in seinem weiteren Verlauf ist der Schlaf neurophysiologisch gesteuert. Zu seiner Aufrechterhaltung variieren funktionelle Systeme des Gehirns die Schlaftiefe in zeitlichen Abständen. Dabei wechseln sich Tiefschlafphasen, in denen der Schlafende schwerer aufzuwecken ist, mit weniger tiefem Schlaf ab. Wenn sich gegen Ende des Schlafs, üblicherweise nach etwa sechs bis acht Stunden, diese Schlafphasen in immer kürzeren Abständen abwechseln, wird der Schlafende wach. Dieser zyklische Prozess wird auch ''[[Schlafzyklus|Schlafrhythmus]]'' genannt.<br />
<br />
Während des gesunden Schlafs zeigen Nervenzellverbände spezielle Synchronisierungen. Das bedeutet, dass sich ihre [[Aktionspotential]]e in einem gemeinsamen Takt auslösen. Durch das Ableiten elektrischer Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche mittels einer [[Elektroenzephalografie]] (EEG) können diese verschiedenen Rhythmen gemessen und sichtbar gemacht werden. Je nach Schlaftiefe und dem damit verbundenen charakteristischen Wellen-Muster lässt sich der Schlaf in verschiedene Stadien einteilen. Nach der [[Frequenz]] und [[Amplitude]] dieser „inneren Rhythmen“ werden folgende Stadien und die dazugehörigen Wellen unterschieden, wobei die folgende Einteilung der Schlafstadien I–IV von 1968 ist (in der neueren Einteilung von 2007 sind die beiden Tiefschlafstadien 3 & 4 zu einem, N3, zusammengefasst; siehe [[Schlafprofil]]):<br />
<br />
* Aufmerksamkeit: [[Betawelle]]n (14 bis 30&nbsp;Hz),<br />
* entspannt mit geschlossenen Augen: [[Alphawellen]] (8 bis 13&nbsp;Hz),<br />
* Stadium I (leichter Schlaf, kurz nach dem Einschlafen): Das Gehirn geht von den Alphawellen über zu [[Thetawellen]] (4 bis 7&nbsp;Hz). Die Muskelspannung wird reduziert und das bewusste Wahrnehmen der Umgebung entschwindet langsam.<br />
* Stadium II: In dieser Phase treten Thetawellen weiterhin auf, dazu kommen jetzt sogenannte [[Elektroenzephalografie#Schlafspindeln|Schlafspindeln]] und [[Elektroenzephalografie#K-Komplexe|K-Komplexe]]. Dieses Schlafstadium wird im Laufe eines 8-Stunden-Schlafes zunehmend länger und nimmt mehr als 50&nbsp;Prozent des Gesamtschlafes ein.<br />
* Stadium III (Übergang in den Tiefschlaf): [[Elektroenzephalografie|Deltawellen]] (0,1 bis <4&nbsp;Hz – langsame Wellen mit hoher Amplitude) treten nun in den Vordergrund (20 bis 50&nbsp;Prozent der gemessenen Hirnwellen), die Muskelspannung nimmt weiter ab.<br />
* Stadium IV (Tiefschlaf): Deltawellen machen nun mehr als 50 Prozent der gemessenen Gehirnwellen aus. Es ist die tiefste Schlafphase, entsprechend desorientiert und verschlafen wirken Schläfer, die jetzt geweckt werden. In dieser Schlafphase treten jedoch Phänomene wie [[Schlafwandeln]] und [[Somniloquie|Sprechen im Schlaf]] auf.<br />
* REM-Schlaf: Der sogenannte REM-Schlaf (englisch: ''rapid eye movement.'' auch ''[[Traum]]schlaf'' oder ''paradoxer Schlaf'') unterscheidet sich in vielen Punkten von den anderen Schlafphasen. Das EEG ähnelt Schlafstadium I (vorwiegend Theta-Wellen). Es kommt jedoch in regelmäßigen Abständen zu schnellen, richtungslosen Bewegungen des Augapfels mit einer Frequenz von 1 bis 4&nbsp;Hz. Traumberichte bei Weckungen in dieser Phase sind deutlich lebendiger, visueller und emotionaler als bei Weckungen in anderen Phasen. Während des REM-Schlafs sind die Skelett-Muskeln maximal [[Muskelrelaxation|relaxiert]], nicht jedoch die Augenmuskulatur. Es kommt zu einer Aktivierung der meisten [[Vegetatives Nervensystem|vegetativen]] Funktionen mit Erhöhung des Blutdrucks, der Atmungs- und Herzfrequenz, sowie zu einer erhöhten Durchblutung des Genitals. Letzteres manifestiert sich beim Mann als [[Erektion]]. Das Stresshormon [[Adrenalin]] wird in dieser Phase vermehrt ausgeschüttet (möglicherweise mehr [[Herzinfarkt]]e in dieser Phase) und die Magen- und Zwölffingerdarmaktivität steigt. Die Dauer der einzelnen REM-Phasen liegt zu Beginn des Nachtschlafs bei durchschnittlich fünf bis zehn Minuten und wird in den folgenden Phasen länger. Die durchschnittliche Gesamtdauer pro Nacht liegt beim Erwachsenen bei ca. 104 Minuten. [[Fötus|Foeten]] und Neugeborene dagegen verbringen fast die gesamte Schlafdauer im REM-Schlaf. Es scheint somit ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem REM-Schlaf und der Reifung des [[Zentralnervensystem|ZNS]] zu bestehen.<ref name="Birbaumer">Birbaumer & Schmidt, 2. Auflage, S. 504&nbsp;ff. (Kapitel ''Circadiane Periodik, Schlaf und Traum'').</ref> Die Funktion dieser Schlafphase ist Gegenstand intensiver Forschungen.<ref name="Pinel, J.P.J.">{{Internetquelle |autor=Psychology World |url=http://web.mst.edu/~psyworld/general/sleepstages/sleepstages.pdf |titel=Stages of Sleep |datum=1998 |format=PDF; 29&nbsp;kB |archiv-url=https://web.archive.org/web/20080626071702/http://web.mst.edu/~psyworld/general/sleepstages/sleepstages.pdf |archiv-datum=2008-06-26 |abruf=2008-06-15}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=Schlafstadien und Schlafarchitektur |Sammelwerk=Schlaftraining – Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen |Verlag=Hogrefe-Verlag |Datum=1999 |ISBN=3-8017-1299-0 |Online=http://www.schlafgestoert.de/site-51.html |Abruf=2008-09-28}}</ref><br />
<br />
<gallery><br />
Sleep EEG Stage 1.jpg|Stadium I<br />
Sleep EEG Stage 2.jpg|Stadium II, Schlafspindeln sind rot unterstrichen.<br />
Sleep EEG Stage 4.jpg|Stadium IV<br />
Sleep EEG REM.png|REM-Schlaf<br />
</gallery><br />
<br />
Die Stadien I–IV werden (im Gegensatz zum REM-Schlaf) als ''Non-REM-'', ''NREM-'' oder ''orthodoxer Schlaf'' bezeichnet. Die Stadien III und IV werden als ''Tiefschlaf'' oder (aufgrund der langsamen Hirnwellen) ''Slow-Wave-Sleep'' bezeichnet. In den Stadien I bis IV nimmt die EMG-Aktivität ([[Elektromyografie]]; [[Muskeltonus]], v.&nbsp;a. der Hals- und Nackenmuskulatur) ab, bis es im REM-Schlaf zur völligen Muskel[[atonie]] kommt.<ref name="Birbaumer" /> Die Stadien I bis IV mit anschließendem REM-Schlaf werden mehrere Male pro Nacht wiederholt (etwa fünf- bis siebenmal). Dabei nehmen die Tiefschlafphasen zeitlich ab und die REM-Phasen zu. Das Stadium IV wird im späteren Verlauf der Nacht nicht mehr erreicht. Ältere Menschen erreichen sehr oft das Stadium IV überhaupt nicht mehr. Auch das [[Polyphasischer Schlaf|Schlafmuster]] ändert sich mit dem Alter: Alte Menschen schlafen nachts nur noch wenige Stunden und schlafen dafür häufig am Tag noch einmal ein bis zwei Stunden. Säuglinge schlafen den ganzen Tag, aber jeweils in kurzen Phasen. Bei Erwachsenen konzentriert sich der Schlaf auf eine Kernzeit, meist in der Nacht. Ein Schlafzyklus dauert etwa 90 Minuten. Dieser 90-Minuten-Zyklus setzt sich auch in der Wachzeit fort und führt zu Phasen wechselnder Leistungsbereitschaft ([[ultradiane Rhythmik]]).<ref>{{Internetquelle |autor=Stanley J. Swierzewski |url=http://www.sleepdisorderchannel.com/stages/ |titel=Sleep Stages. Overview, Waking, Non-REM, REM, Sleep Cycle, Factors, Age |hrsg=Sleep Channel, Healthcommunities.com |datum=2000-12-01 |abruf=2008-02-10}}</ref><br />
<br />
== Variationen der Schlafdauer beim Menschen ==<br />
Die individuellen Schwankungen unterworfene „optimale“ tägliche Menge an Schlaf für den Menschen sowie deren Verteilung über den Tag ist wissenschaftlich umstritten. Nachdem lange die negativen Folgen von Schlafmangel im Mittelpunkt der Forschung standen, geraten in letzter Zeit zunehmend die offenbar ebenfalls unliebsamen Folgen von zu viel Schlaf ins Blickfeld. Dabei scheint sich&nbsp;– nach großen Studien in den USA und in Japan&nbsp;– herauszukristallisieren, dass die oft für Erwachsene genannten „acht Stunden am Tag“ schon zu lang sind und das Optimum eher zwischen sechs und sieben Stunden liegt, was auch der Durchschnitts-Schlafzeit in Deutschland entspricht (6 Stunden 59 Minuten laut einer an der [[Universität Regensburg]] durchgeführten Studie). Studien der Universitäten von Warwick und London kamen zum gleichen Ergebnis.<ref>{{Internetquelle |url=http://www2.warwick.ac.uk/newsandevents/pressreleases/researchers_say_lack/ |titel=„Researchers say lack of sleep doubles risk of death… but so can too much sleep“ |abruf=2011-02-10}}</ref><ref name="Ferrie">{{Literatur |Autor=Jane E. Ferrie, Martin J. Shipley, Francesco P. Cappuccio, Eric Brunner, Michelle A. Miller, Meena Kumari, Michael G. Marmot |Titel=A Prospective Study of Change in Sleep Duration: Associations with Mortality in the Whitehall II Cohort |Sammelwerk=Sleep |Band=Vol. 30 |Nummer=12 |Datum=2007 |Seiten=1659–1666 |Sprache=en |PMC=2276139 |PMID=18246975}}</ref> Eine internationale Studie der amerikanischen [[National Sleep Foundation]] 2013 zeigte auch vergleichbare Ergebnisse, wobei klare Unterschiede in der Schlafdauer zwischen Werktagen und arbeitsfreien Tagen feststellbar waren. Auch gaben die meisten Personen an, nicht so viel Schlaf zu bekommen, wie sie eigentlich benötigen würden, um sich erholt zu fühlen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.sleepfoundation.org/professionals/sleep-americar-polls/2013-international-bedroom-poll |titel=2013 International bedroom poll |hrsg=National Sleep Foundation (USA) |datum=2013 |abruf=2020-07-01}}</ref> Trotzdem gab die Mehrheit an, auch an Werktagen ausreichend Schlaf zu bekommen, um sich am Morgen erholt zu fühlen. Einzelne Studien deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Schlafstruktur und den [[Mondphase]]n hin.<ref name="cajochen_2013-06">{{Literatur |Autor=Christian Cajochen, Songül Altanay-Ekici, Mirjam Münch, Sylvia Frey, Vera Knoblauch, Anna Wirz-Justice |Titel=Evidence that the Lunar Cycle Influences Human Sleep |Sammelwerk=[[Current Biology]] |Band=23 |Nummer=15 |Datum=2013-08-05 |Seiten=1–4 |Online=http://www.chronobiology.ch/wp-content/uploads/publications/cajochen_2013-06.pdf |Format=PDF |KBytes=474 |DOI=10.1016/j.cub.2013.06.029}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Leandro Casiraghi, Ignacio Spiousas, Gideon P. Dunster, Kaitlyn McGlothlen, Eduardo Fernández-Duque |Titel=Moonstruck sleep: Synchronization of human sleep with the moon cycle under field conditions |Sammelwerk=Science Advances |Band=7 |Nummer=5 |Datum=2021-01-01 |ISSN=2375-2548 |DOI=10.1126/sciadv.abe0465 |Seiten=eabe0465 |Online=https://advances.sciencemag.org/content/7/5/eabe0465 |Abruf=2021-01-29}}</ref><br />
<br />
=== Individuelle Unterschiede ===<br />
Das individuelle Schlafbedürfnis des Erwachsenen schwankt etwa zwischen sechs und zehn Stunden und folgt ungefähr einer [[Normalverteilung]]. Extreme treten bei Säuglingen auf, die 14 bis 17 Stunden schlafen<ref name="sleepfoundation_how_much_sleep">{{Internetquelle |url=http://www.sleepfoundation.org/article/how-sleep-works/how-much-sleep-do-we-really-need |titel=How Much Sleep Do We Really Need? |hrsg=National Sleep Foundation |abruf=2016-02-02 |sprache=en}}</ref> (über den Tag verteilt), und bei alten Menschen, deren Schlafbedürfnis geringer ist („[[senile Bettflucht]]“). Nach Meinung des Schlafforschers [[Peretz Lavie]] ist von einem schlafgesunden Menschen auszugehen, wenn dieser sich bei einer täglichen Schlafdauer von vier bis zwölf Stunden wohlfühlt.<br />
<br />
<!-- Bitte in dieser Tabelle KEINE Zahlen ohne der Angabe einer Quelle ändern! --><br />
{| class="wikitable"<br />
|+ Altersbezogenes durchschnittliches Schlafbedürfnis pro Tag beim Menschen<ref name="sleepfoundation_how_much_sleep" /><br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
! Alter<br />
! style="width:12em"| Durchschnittliches Schlafbedürfnis in Stunden/Tag<br />
|-<br />
| 0–3 Monate<br />
| 13-15 (Mann) 15-17 (Frau)<br />
|-<br />
| 4–11 Monate<br />
| 10-14 (Mann) 14-16 (Frau)<br />
|-<br />
| 1–2 Jahre<br />
| 10-13 (Mann) 13-15 (Frau)<br />
|-<br />
| 3–7 Jahre<br />
| 8-10 (Mann) 11-14 (Frau)<br />
|-<br />
| 8–13 Jahre<br />
| 7-8 (Mann) 10-12 (Frau)<br />
|-<br />
| 14–17 Jahre<br />
| 6-8 (Mann) 9-11 (Frau)<br />
|-<br />
| 18–64 Jahre<br />
| 5-7 (Mann) 8-11 (Frau)<br />
|-<br />
| über 64 Jahre<br />
| 5-7 (Mann) 8-10 (Frau)<br />
|}<br />
<br />
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das individuell unterschiedlich ausgeprägte Schlafbedürfnis konstitutionell vorgegeben ist und folglich nicht durch falsch verstandenes „Training“ ausgeschaltet oder längerfristig ignoriert werden kann, ohne dass der Organismus Schaden erleidet. Wer zu den Menschen mit vermehrtem Schlafbedarf gehört, sollte daher seinen alltäglichen Lebensrhythmus nach Möglichkeit darauf einstellen und sein Verhalten entsprechend anpassen. Die optimale Schlafdauer eines Menschen hängt auch vom [[Circadiane Rhythmik|circadianen Rhythmus]] ab. Denn der Schlaf zur „falschen“ Tageszeit ist relativ ineffizient. Der Zeitraum für den Schlaf ist am besten, wenn die folgenden zwei Ereignisse in der Mitte des Schlafens zusammentreffen:<ref name="Uhr">{{Literatur |Autor=James K. Wyatt, Angela Ritz-De Cecco, Charles A. Czeisler, Derk-Jan Dijk |Titel=Circadian temperature and melatonin rhythms, sleep, and neurobehavioral function in humans living on a 20-h day |Sammelwerk=Am J Physiol |Band=277 |Nummer=4 |Datum=1999-10 |Seiten=R1152–R1163 |Online=http://ajpregu.physiology.org/cgi/content/full/277/4/R1152 |Abruf=2007-11-25 |PMID=10516257 |Zitat=… significant homeostatic and circadian modulation of sleep structure, with the highest sleep efficiency occurring in sleep episodes bracketing the melatonin maximum and core body temperature minimum}}</ref><br />
<br />
* maximale [[Melatonin]]konzentration im Blut<br />
* minimale Körperkerntemperatur.<br />
<br />
Weiter sind innerhalb eines 24-Stunden-Tages die Phasen maximaler und minimaler Leistungsfähigkeit je nach Typus unterschiedlich verteilt. Vereinfachend kann zwischen einem ''Morgentyp'' und einem ''Abendtyp'' unterschieden werden. Der ''Morgentyp'' (zum Beispiel ein Frühaufsteher) ist bereits früh am Morgen fit und leistungsfähig, der ''Abendtyp'' entwickelt unter anderem als ''Nachtschwärmer'' (auch Nachtmensch) zu fortgeschrittener Abendzeit nochmals ein Aktivitätsmaximum. Im Jahr 2005 wurden die seit langem bekannten genetischen Einflüsse präzisiert, die hierbei eine Rolle spielen (Period3-Gen).<br />
<br />
[[Tagschlaf]] ist möglich, weil die Hormonausschüttung erst nach dem Einleiten des Schlafs beginnt. Wird man kurz nach dem Beginn des Schlafs aufgeweckt, so hat man möglicherweise eine REM-Phase absolviert, besitzt aber noch nicht eine so hohe Hormonkonzentration, durch die man gleich wieder einschlafen würde.<br />
<br />
=== Schlafmangel ===<br />
{{Hauptartikel|Müdigkeit}}<br />
Als Schlafmangel bezeichnet man den kumulativen Effekt von zu wenig Schlaf. Schlafmangel kann zu mentaler oder physischer [[Müdigkeit]] führen und entsprechend die Leistungsfähigkeit reduzieren. Die genauen physiologischen Veränderungen durch Schlafmangel sind Gegenstand der Forschung.<br />
<br />
Übermäßige Müdigkeit am Tag kann eine Folge von Schlafmangel sein. Sie kann jedoch auch Folge einer Schlafstörung wie [[Narkolepsie]] oder des Schlafapnoe-Syndroms sein. Eine betroffene Person ist immer müde, selbst wenn sie lange genug geschlafen hat. Diese Symptome sollten mit einem Arzt besprochen werden. Die Krankheiten sind oft behandelbar. Wer sich dieser Krankheiten nicht bewusst ist, kann für sich oder andere zur Gefahr werden, etwa durch [[Sekundenschlaf]] beim Autofahren oder plötzliche Unaufmerksamkeit am Arbeitsplatz.<ref name="myths" /> Schlafmediziner nennen dieses Krankheitsbild „Nicht erholsamer Schlaf“. Übermäßige Müdigkeit trotz genügend Schlaf kann allerdings auch gerade bei jungen Frauen an Eisenmangel, Blutarmut ([[Anämie]]) oder anderen Mangelerscheinungen liegen.<br />
<br />
Beim Autofahren das Radio lauter zu drehen, das Fenster zu öffnen oder die Klimaanlage einzuschalten, um wach zu bleiben, hilft nur kurzzeitig und kann für die Person gefährlich werden, wenn trotz Müdigkeit oder Schwindelgefühlen weiter gefahren wird. Wer sich während der Fahrt müde fühlt, sollte baldmöglichst anhalten und ruhen. [[Koffein]]haltige Getränke verschieben nur die Müdigkeit.<ref name="myths" /> Laut [[Peter Spork|Spork]] ''(Das Schlafbuch, 2007)'' hilft es am effektivsten, sofort einen Parkplatz aufzusuchen, ein starkes koffeinhaltiges Getränk zu trinken und danach zu schlafen. Das Koffein weckt die Person nach etwa 30 Minuten und es ist Studien zufolge möglich, unfallfrei weiterzufahren. Die Kombination aus Schlaf und Koffein wirkte in den Studien besser als jede der Maßnahmen alleine.<br />
<br />
Schlafstörungen können auch häufig im Rahmen von psychischen Störungen und Erkrankungen auftreten, beispielsweise bei Depressionen, Angsterkrankungen oder Psychosen. Schlafstörungen können aber auch [[psychische Erkrankung]]en, insbesondere [[Depression]]en, ver[[ursache]]n oder [[Reiz|auslösen]].<ref>{{Literatur |Autor=T. Pollmächer et al. |Titel=Schlafmedizinische Differenzialdiagnostik in Psychiatrie und Psychotherapie |Sammelwerk=Nervenarzt |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2013-01 |Seiten=1 ff |Online=https://www.researchgate.net/profile/Thomas_Wetter/publication/263345268_Schlafmedizinische_Differenzialdiagnostik_in_Psychiatrie_und_Psychotherapie/links/0a85e53b6de119f5da000000.pdf |Format=PDF |KBytes= |DOI=10.1007/s00115-013-3895-4}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=D. Riemann et al. |Hrsg=AWMF |Titel=S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“ |Sammelwerk=Somnologie |Verlag=Springer |Datum=2017 |Seiten=12 |Online=[http://www.dgsm.de/downloads/aktuelles/S3%20LL%20Nicht-erholsamer%20Schlaf%20Kap%20Insomnie%20Somnologie%202017.pdf dgsm.de] |Format=PDF |KBytes=}}</ref><br />
<br />
Bei Jugendlichen nimmt die Schlafdauer im Vergleich zur Kindheit deutlich ab. Dabei schlafen Jugendliche in der 12. Klasse durchschnittliche 6,9 Stunden pro Nacht. Erholsamer Schlaf ist wichtig für z.&nbsp;B. das Fühlen, Denken und die soziale Interaktion. Schlafmangel im Jugendalter kann sich beispielsweise in schlechter Laune und schlechter [[Emotionsregulation]] zeigen. Schlafmangel erhöht des Weiteren die Wahrscheinlichkeit für riskantes Verhalten, wie z.&nbsp;B. betrunkenes Autofahren oder Drogenkonsum bei Jugendlichen.<ref>{{Literatur |Autor=Leila Tarokh, Jared M. Saletin, Mary A. Carskadon |Titel=Sleep in adolescence: Physiology, cognition and mental health |Sammelwerk=Neuroscience & Biobehavioral Reviews |Band=70 |Datum=2016-11 |ISSN=0149-7634 |Seiten=182–188 |Online=http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0149763416302664 |Abruf=2018-06-18 |DOI=10.1016/j.neubiorev.2016.08.008 |PMC=5074885 |PMID=27531236}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Brand S. |url=https://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=13247 |titel=Schlaf bei Jugendlichen |werk=Pädiatrie |abruf=2018-06-18}}</ref><br />
<br />
Längerfristiger Schlafmangel ohne ausreichende Erholungsphasen kann sich negativ auf die psychische und/oder körperliche Gesundheit auswirken. Mögliche Folgen können Kreislaufbeschwerden wie z.&nbsp;B. [[Bluthochdruck]] oder Durchblutungsstörungen sein. Zudem kann Schlafmangel eine [[Depression]] begünstigen und tritt bei dergleichen häufiger auf.<ref>{{Literatur |Autor=Roland von Känel |Titel=Normaler und gestörter Schlaf |Sammelwerk=Psychoendokrinologie und Psychoimmunologie |Verlag=Springer Berlin Heidelberg |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-16964-9 |Seiten=247–266 |DOI=10.1007/978-3-642-16964-9_13}}</ref><br />
<br />
== Funktion ==<br />
Die Aufklärung der biologischen Funktionen des Schlafs ist Gegenstand intensiver Forschung. Es gibt eine Reihe von Hypothesen, die zum Teil durch psychologische<ref>Vgl. etwa David Foulkes: ''Die Psychologie des Schlafs.'' S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1969.</ref> und auch physiologische Experimente untermauert wurden.<br />
<br />
=== Evolution ===<br />
Die Grundlage für die Entwicklung von Ruhe- und Aktivitätszyklen gab die [[Erdrotation]] mit ihrem Rhythmus von Tag und Nacht. Die [[Blüte]]n von Pflanzen öffnen und schließen sich in Abhängigkeit zur Tageszeit. Selbst Einzeller wie die Geißelalge ''[[Lingulodinium polyedrum]]'' (= ''Gonyaulax polyedra'') richten ihre Aktivität nach dem [[Sonnenstand]]. Solche Beobachtungen an wenig entwickelten Organismen legen die Vermutung nahe, dass schon früh in der [[Evolution]] Anpassungen an die Licht- und Temperaturverhältnisse stattgefunden haben, um die [[Stoffwechsel|metabolische Aktivität]] zu regulieren. Staedt und Stoppe vermuteten in neueren Studien, dass sich der elektrophysiologisch messbare Schlaf im Zuge der Entwicklung immer komplexerer [[Neuronales Netz|neuronaler Netzwerke]] entwickelt habe.<ref name="staedt" /><ref>J. Staedt, Stoppe G. (2001): Evolution und Funktion des Schlafes. Fortschritte Neurologischer Psychiatrie; 69:51-57</ref><ref>J. Staedt, G. Stoppe: ''Are sleep and its disorders of interest for psychiatric and psychosomatic medicine?'' In: ''Advances in Psychosomatic Medicine.'' Ed. Diefenbacher A. Karger Basel; 26, 2004, S. 1–6.</ref> Danach gebe es eine direkte Beziehung zwischen dem Bedarf an Schlaf und der Leistungsfähigkeit des Gehirns, insbesondere was die Verarbeitung und Speicherung von Information betreffe.<br />
<br />
=== Entwicklungsbiologie ===<br />
{{Hauptartikel|Entwicklungsbiologie}}<br />
Entwicklungsbiologische Beobachtungen zeigten, dass die Vorgänge während des REM-Schlafes von Neugeborenen besonders wichtig für die Entwicklung des jungen Organismus zu sein scheinen.<ref>Marks u. a., 1995.</ref> Studien, die den Effekt von Schlafmangel an Kleinkindern untersuchten, zeigten auf, dass dies zu Verhaltensstörungen, permanenten Schlafproblemen, reduzierter Gehirnmasse<ref>Mirmiran u. a., 1983.</ref> und einer ungewöhnlich hohen [[Nervenzelle|Nervenzellsterblichkeit]] führt.<ref>Morrissey, Duntles & Anch, 2004.</ref><br />
<br />
REM-Schlaf scheint für die Entwicklung des [[Gehirn]]s von entscheidender Bedeutung zu sein. Bei Neugeborenen&nbsp;– die an sich schon viel schlafen&nbsp;– macht er den größten Teil des Schlafes aus. Vergleicht man verschiedene Tierarten, so ist die Tiefschlafphase von Neugeborenen umso länger, je weniger entwickelt das Baby geboren wird. Es wurde vermutet, dass während des REM-Schlafes die Muskeln deshalb teilweise gelähmt würden, um die Aktivierung und Entwicklung des Gehirns voranzutreiben, ohne dass die dadurch entstehenden [[Nervenimpuls]]e zu Bewegungen führen, die besonders ein Neugeborenes in Schwierigkeiten bringen könnten. REM-Mangel von Kleinkindern führt später zu Entwicklungsproblemen.<ref name="staedt" /><br />
<br />
Diese Theorie erklärt jedoch nicht, weshalb auch Erwachsene nach wie vor REM-Schlaf brauchen, und auch nur unzureichend, weshalb der REM-Anteil bereits nach dem dritten Lebensjahr etwa gleich ist wie bei einem Erwachsenen. Die Jungen von [[Meeressäugetiere]]n kennen keinen REM-Schlaf zu Beginn ihres Lebens, erst im Laufe der Zeit nimmt dieser zu. Zumindest bei diesen Tieren ist er also zur Entwicklung nicht notwendig. Zu beachten ist dabei jedoch, dass diese Tiere niemals mit beiden Gehirnhälften schlafen können, da sie als [[Atmung|Lungenatmer]] sonst ertrinken würden.<br />
<br />
=== Schlafgene ===<br />
<br />
<br />
Die Dauer des Schlafes und auch seine Qualität werden von verschiedenen Genen mitbestimmt. Bis jetzt wurden sieben Gene entdeckt, die mit der Schafdauer zusammenhängen.<ref>[https://www.spektrum.de/news/schlafdauer-warum-manche-menschen-mit-wenig-schlaf-auskommen/2247036 ''Was ist das Geheimnis von Kurzschläfern?'']</ref> Das DEC2-Gen steuert zum Beispiel die Konzentration von [[Orexin]]. Es ist ein Hirnbotenstoff, der die Wachheit steigert. Ein Mangel führt zur [[Narkolepsie]]<br />
<br />
.<ref>[https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76332/Sieben-Gene-koennen-den-Schlaf-rauben ''Sieben Gene können den Schlaf rauben'']</ref><ref>[https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/schlafforschung-morgenmuffel-die-gene-sind-schuld-1.2849036 ''Morgenmuffel? Die Gene sind schuld'']</ref><br />
<br />
=== Ausschwemmung von Abfallstoffen aus dem Gehirn ===<br />
{{Hauptartikel|Glymphatisches System}}<br />
Durch die Filtersysteme der [[Blut-Hirn-Schranke]] und der [[Blut-Liquor-Schranke]] ist sowohl die Versorgung (Nährstoffe) als auch die Entsorgung (Abfallstoffe) von Gehirn und Rückenmark (ZNS) aktiv eingeschränkt und unter spezieller biochemischer und biophysikalischer Kontrolle. Da jedoch gerade hier ein ungewöhnlich hoher durchschnittlicher [[Stoffwechsel]] vorliegt, müssen besondere Einrichtungen vorhanden sein, um den nötigen An- und Abtransport trotzdem zu gewährleisten.<br />
<br />
Die Erforschung dieser Zusammenhänge führte 2012 zur Entdeckung des [[Glymphatisches System|glymphatischen Systems]], eines speziellen Mikrokreislaufs im ZNS zur Ausschwemmung von überflüssigem und schädlichem Material.<br />
<br />
Der Vergleich des Transports bei wachen und schlafenden Tieren zeigte einen Rückgang um etwa 95 % im Wachzustand. Es zeigte sich weiter, dass im Schlaf das Volumen des [[Zellzwischenraum]]s (Interstitium) durch Schrumpfung der Zellkörper vergrößert war, mit einem Anteil am Gesamtvolumen von etwa 24 % im Vergleich zu etwa 14 % im Wachzustand. Im Schlaf war daher >60 % mehr Raum für den Flüssigkeitstransport vorhanden. [[Noradrenalin]], ein Hauptmodulator des Wachheitsniveaus, erwies sich auch als möglicher Regler des Volumens des Zellzwischenraums und damit der Effektivität des ''glymphatischen Systems''.<ref>{{Literatur |Autor=Lulu Xie, Hongyi Kang, Qiwu Xu, Michael J. Chen, Yonghong Liao, Meenakshisundaram Thiyagarajan, John O’Donnell, Daniel J. Christensen, Charles Nicholson, Jeffrey J. Iliff, Takahiro Takano, Rashid Deane, Maiken Nedergaard |Titel=Sleep drives metabolite clearance from the adult brain |Sammelwerk=[[Science]] |Band=342 |Nummer=6156 |Datum=2013 |Seiten=373–377 |DOI=10.1126/science.1241224 |PMC=3880190 |PMID=24136970}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Nadia Aalling Jessen, Anne Sofie Finmann Munk, Iben Lundgaard, Maiken Nedergaard |Titel=The Glymphatic System: A Beginner’s Guide |Sammelwerk=Neurochemical Research |Band=40 |Nummer=12 |Datum=2015 |ISSN=1573-6903 |Seiten=2583–2599 |Kommentar=Review |DOI=10.1007/s11064-015-1581-6 |PMC=4636982 |PMID=25947369}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Andy R. Eugene, Jolanta Masiak |Titel=The Neuroprotective Aspects of Sleep |Sammelwerk=MEDtube science |Band=3 |Nummer=1 |Datum=2015 |ISSN=2353-5687 |Seiten=35–40 |Kommentar=Review |PMC=4651462 |PMID=26594659}}</ref><br />
<br />
Dieses Entsorgungssystem ist seither Gegenstand intensiver Forschung insbesondere wegen seiner Bedeutung für Entstehung und Vorbeugung bei [[Neurodegenerative Erkrankung|neurodegenerativen Erkrankungen]] wie zum Beispiel der [[Alzheimer-Krankheit]], der [[Parkinson-Krankheit]] oder der [[Amyotrophe Lateralsklerose|amyotrophen Lateralsklerose]] (ALS).<br />
<br />
=== Regeneration ===<br />
[[Datei:Jean-Baptiste Greuze Tricoteuse endormie.jpg|mini|''Beim Stricken eingeschlafenes Mädchen (Tricoteuse endormie)'' von [[Jean-Baptiste Greuze]] (1724–1805). Öl auf Leinwand, 64,3 × 51 cm.]]<br />
Schlaf fördert die [[Wundheilung]]. Eine Studie von Gumustekin<ref>K. Gumustekin, B. Seven, N. Karabulut, O. Aktas, N. Gursan, S. Aslan, M. Keles, E. Varoglu, S. Dane: ''Effects of sleep deprivation, nicotine, and selenium on wound healing in rats.'' In: ''Neuroscience.'' 114, 2004, S. 1433–1442.</ref> aus dem Jahr 2004 konnte aufzeigen, dass Schlafentzug die [[Heilung]] von [[Verbrennung (Medizin)|Brandwunden]] bei Ratten negativ beeinflusst.<br />
<br />
Es wurde auch aufgezeigt, dass Schlafentzug das [[Immunsystem]] und den [[Stoffwechsel]] beeinflusst. Bei einem Versuch wurden Ratten 24 Stunden am Schlafen gehindert. Verglichen mit der Kontrollgruppe war der Anteil an [[Leukozyt|weißen Blutkörperchen]] um 20 Prozent reduziert,<ref name="c03636119">{{Literatur |Autor=A. Zager, M. L. Andersen, F. S. Ruiz, I. B. Antunes, S. Tufik |Titel=Effects of acute and chronic sleep loss on immune modulation of rats |Sammelwerk=Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol |Band=293 |Datum=2007 |Seiten=R504-R509 |Online=http://ajpregu.physiology.org/cgi/content/abstract/293/1/R504?maxtoshow=&HITS=10&hits=10&RESULTFORMAT=&searchid=1&FIRSTINDEX=0&sortspec=relevance&volume=293&firstpage=R504&resourcetype=HWCIT |DOI=10.1152/ajpregu.00105.2007 |PMID=3636119}}</ref> was eine deutliche Veränderung des Immunsystems darstellt.<br />
<br />
Gesunde Menschen haben einen deutlich höheren Stoffwechselumsatz als Menschen, die an einer [[Schlafstörung]] leiden.<ref>M. H. Bonnet, D. L. Arand: ''Insomnia, metabolic rate and sleep restoration.'' In: [[Journal of Internal Medicine]]. 254, 2003, S. 23–31.</ref><br />
<br />
Eine Studie an 305 Kindern sammelte Informationen über Wachstum, Größe und Gewicht sowie die von den Eltern aufgezeichnete Schlafzeit während der ersten zehn Lebensjahre. Die Studie ermittelte keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Dauer des Schlafs bei Kindern und ihrem Wachstum.<ref>O. G. Jenni, L. Molinari, J. A. Caflisch, R. H. Largo: ''Sleep duration from ages 1 to 10 years: Variability and stability in comparison with growth.'' In: ''Pediatrics.'' 120, 2007, S. e769–e776.</ref> Die Konzentration von [[Wachstumshormone]]n nahm allerdings bei erwachsenen Männern während des Schlafs zu, besonders in den Stadien III und IV. Während einer Schlafzeit von acht Stunden schütteten besonders diejenigen Männer viele Wachstumshormone aus, deren gesamte Tiefschlafphasen relativ lang waren.<ref>E. Van Cauter, R. Leproult, L. Plat: ''Age-related changes in slow-wave sleep and REM sleep and relationship with growth hormone and cortisol levels in healthy men'' In: ''Journal of the American Medical Association.'' 284, 2000, S. 861–868.</ref> Ob natürliche oder unnatürliche Änderungen der Schlafdauer zu Unterschieden beim Wachstum führen, ist jedoch noch unklar.<br />
<br />
Die Schlafzeit verschiedener [[Art (Biologie)|Arten]] ist im Allgemeinen umgekehrt proportional zur Größe des Tieres, aber zunehmend mit dem [[Grundumsatz]], der bei kleinen Tieren groß ist (siehe dazu auch [[Kleibers Gesetz]]). [[Ratten]] mit einem sehr hohen Grundumsatz schlafen bis zu 14 Stunden pro Tag, während Elefanten und Giraffen mit deutlich geringerem Umsatz nur drei bis vier Stunden pro Tag schlafen.<br />
<br />
Um Energie zu sparen, wäre es ausreichend, regungslos zu ruhen, ohne den [[Organismus]] teilweise von der [[Umwelt]] abzuschneiden, was gefährlich sein kann. Ein ruhendes, aber nicht schlafendes Tier hat größere Chancen, [[Raubtiere]]n zu entgehen, und kann trotzdem Energie sparen. Allerdings konnte mittels Untersuchungen am Menschen gezeigt werden, dass Testpersonen im wachen Zustand trotz körperlicher Inaktivität tatsächlich deutlich mehr Energie verbrauchen als beim Schlafen bzw. im gleichen Zeitraum (24 Stunden) mit normalem Schlaf-Wach-Rhythmus: Während der Nacht, in der der Effekt besonders ausgeprägt ist, wiesen die [[Proband]]en im Wachzustand einen um fast ''ein Drittel'' (~32&nbsp;Prozent) höheren Energieverbrauch auf, als wenn sie schliefen.<ref name="PMID_21059762">{{Literatur |Autor=C. M. Jung u. a. |Titel=Energy Expenditure During Sleep, Sleep Deprivation and Sleep Following Sleep Deprivation in Adult Humans |Sammelwerk=J Physiol |Band=[Epub ahead of print] |Datum=2010 |PMID=21059762}}</ref><ref name="BdW060111">{{Internetquelle |url=https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/mensch-im-standby-modus/ |titel=''Mensch im Standby-Modus.'' |hrsg=[[bild der Wissenschaft]] |abruf=2019-09-08}}</ref> Neuere Studien zeigten, dass es im Schlaf nicht nur zu einer Energieeinsparung kommt, sondern v.&nbsp;a. im Tiefschlaf in einigen Hirnarealen zu einer deutlichen Energiespeicherung.<ref>{{Literatur |Autor=Markus Dworak, Robert W. McCarley, Tae Kim, Anna V. Kalinchuk, Radhika Basheer |Titel=Sleep and brain energy levels: ATP changes during sleep |Sammelwerk=The Journal of Neuroscience: The Official Journal of the Society for Neuroscience |Band=30 |Nummer=26 |Datum=2010 |ISSN=1529-2401 |Seiten=9007–9016 |DOI=10.1523/JNEUROSCI.1423-10.2010 |PMC=2917728 |PMID=20592221}}</ref><ref>[https://www.wissenschaft.de/allgemein/energieschub-fuers-gehirn/ ''Energieschub fürs Gehirn.''] Auf: ''wissenschaft.de'' vom 19. Oktober 2010</ref> Der universale Energieträger ATP ([[Adenosintriphosphat]]) stieg im Gehirn von Ratten nur während des Tiefschlafes an und hing mit der Verminderung der Nervenaktivität in diesem Schlafstadium zusammen. Entsprechendes konnte auch in Studien mit narkotisierten Tieren gezeigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=M. Dworak, R. W. McCarley, T. Kim, R. Basheer |Titel=Delta oscillations induced by ketamine increase energy levels in sleep-wake related brain regions |Sammelwerk=Neuroscience |Band=197 |Datum=2011 |ISSN=1873-7544 |Seiten=72–79 |DOI=10.1016/j.neuroscience.2011.09.027 |PMC=3576049 |PMID=21958867}}</ref><br />
<br />
Manche Tiere brauchen nach dem Aufwachen aus ihrem [[Winterschlaf]] erneut einen Erholungsschlaf, möglicherweise aufgrund von „Schlafmangel“ während des Winterschlafs. Die Tiere hatten hierbei genügend Ruhe, benötigen jedoch anscheinend den Schlaf noch für etwas anderes.<ref>{{Literatur |Autor=S. Daan, B. M. Barnes, A. M. Strijkstra |Titel=Warming up for sleep? Ground squirrels sleep during arousals from hibernation |Sammelwerk=Neurosci. Lett. |Band=128 |Nummer=2 |Datum=1991 |Seiten=265–268 |DOI=10.1016/0304-3940(91)90276-Y |PMID=1945046}}</ref><br />
<br />
=== Ordnung, Aussortierung und Festigung von Erinnerungen ===<br />
Nach dieser Hypothese werden im Schlaf Erlebnisse der Wachphasen verarbeitet. Das Gehirn werde dabei von überflüssigen Informationen „gereinigt“. Auch helfe der Schlaf, positive wie negative Erfahrungen einzuordnen („das muss ich erst mal überschlafen“, siehe [[Militärische Nacht]]) u. a. auch in Form von Träumen.<br />
<br />
Wissenschaftler haben mehrere Zusammenhänge zwischen Schlaf und [[Gedächtnis]] entdeckt. Die Forscher erlaubten 18 Frauen und 22 Männern, während vier Tagen nur 26 Minuten pro Nacht zu schlafen. Während der Testphase wurden dauernd [[Kognition]]s- und Gedächtnistests mit den Probanden durchgeführt. Beim letzten Test war der Umfang des Arbeitsgedächtnisses um 38 Prozent geringer als bei einer Vergleichsgruppe, die normal geschlafen hatte. So konnte gezeigt werden, dass die Leistung des [[Arbeitsgedächtnis]]ses unter [[Schlafmangel]] leidet.<ref>T. H. Turner, S. P. A. Drummond, J. S. Salamat, G. G. Brown: ''Effects of 42 hr sleep deprivation on component processes of verbal working memory.'' In: ''Neuropsychology.'' 21, 2007, S. 787–795.</ref> Das Arbeitsgedächtnis ist wichtig, weil es Informationen kurzfristig für die weitere Nutzung in einer aktuellen Situation bereithält und damit einen wichtigen Beitrag zur [[Entscheidung]]sfindung leistet.<br />
<br />
Das Gedächtnis scheint während der verschiedenen Schlafphasen unterschiedlich beeinflusst zu werden. In einer Studie, bei der mehrere Gruppen von Menschen zu verschiedenen Zeiten geweckt wurden, konnte aufgezeigt werden, dass das [[Gedächtnis#Deklaratives Gedächtnis|deklarative Gedächtnis]] vorwiegend von Tiefschlaf, das [[Gedächtnis#Prozedurales Gedächtnis|prozedurale Gedächtnis]] aber vorwiegend von einer langen REM-Schlafphase gefördert wird.<ref>J. Born, J. Rasch, S. Gais: ''Sleep to remember.'' In: ''Neuroscientist.'' 12, 2006, S. 410.</ref><br />
<br />
Eine weitere Untersuchung unterstützte diese Thesen indirekt. Die Probanden waren 22 männliche Ratten.<ref>S. Datta: ''Avoidance task training potentiates phasic pontine-wave density in the rat: A mechanism for sleep-dependent plasticity.'' In: ''The Journal of Neuroscience.'' 20, 2000, S. 8607–8613.</ref> In einem Käfig konnte sich eine einzelne Ratte frei von einem zum anderen Ende bewegen. Der Boden der Kiste bestand aus einem Stahlgeflecht. Ein Lichtstrahl erhellte die Box, gleichzeitig ertönte ein lautes Signal. Fünf Sekunden danach bekamen die Ratten Elektroschocks. Begab sich eine Ratte zum anderen Ende der Kiste, hörten die Schocks auf. War sie gar schnell genug, konnte sie diese sogar vollständig vermeiden. Der Test wurde mit der Hälfte der Ratten 30-mal durchgeführt, während die restlichen Ratten (als Kontrollgruppe) unabhängig von ihrer Reaktion mit Elektroschocks behandelt wurden. Nach jeder Testphase wurden die Ratten für sechs Stunden in einen Detektor gelegt, der Gehirnströme, Schlafstadien und weitere Daten über die Tiere sammelte. Der Test wurde insgesamt dreimal wiederholt. Die Studie kam zu dem Schluss, dass während des Schlafes nach den Tests diejenigen Ratten, die gelernt hatten, etwa 25 Prozent längeren REM-Schlaf aufwiesen als die Kontrollgruppe, die nichts gelernt hatte. Diese Untersuchung stützt die zuvor genannten Resultate und zeigt eine [[Korrelation]] zwischen REM-Schlaf und prozeduralem Gedächtnis auf.<br />
<br />
Inzwischen konnte die Verstärkung von Nervenverbindungen, die speziellen Gedächtnisinhalten dienten, während des Schlafs mit dem Mittel der [[Optogenetik]] direkt beobachtet werden. Ferner, wurde der Schlaf durch Störung unterbrochen, wurde auch die Verstärkung der Nervenverbindungen unterbrochen.<ref>{{Literatur |Autor=Guang Yang, Cora Sau Wan Lai, Joseph Cichon, Lei Ma, Wei Li, Wen-Biao Gan |Titel=Sleep promotes branch-specific formation of dendritic spines after learning |Sammelwerk=[[Science]] |Band=344 |Nummer=6188 |Datum=2014 |Seiten=1173–1178 |DOI=10.1126/science.1249098 |PMC=4447313 |PMID=24904169}}</ref><br />
<br />
2015 gelang es erstmals, bei Mäusen eine künstliche (falsche) Erinnerung im Schlaf zu erzeugen, die die Tiere dann nach dem Aufwachen durch ihr Verhalten unmittelbar bestätigten. Eine Ortszelle in der Hirnregion für das [[Räumliches Gedächtnis|räumliche Gedächtnis]] ([[Hippocampus]]) wurde während des Schlafs durch elektrische Reize mit einer für angenehme Gefühle zentralen Hirnregion ([[Nucleus accumbens]]) verknüpft. Nach dem Aufwachen besuchten die Tiere den entsprechenden Ort ihrer Behausung auffällig häufig, und zwar genauso wie andere Tiere, die in ihrer Wachzeit eine echte Ortserinnerung erlernt hatten.<ref>{{Literatur |Autor=Gaetan de Lavilléon, Marie Masako Lacroix, Laure Rondi-Reig, Karim Benchenane |Titel=Explicit memory creation during sleep demonstrates a causal role of place cells in navigation |Sammelwerk=[[Nature Neuroscience]] |Band=18 |Nummer=4 |Datum=2015-04 |Seiten=493–495 |DOI=10.1038/nn.3970 |PMID=25751533}}</ref><ref>Nicole Paschek: ''Lernen im Schlaf.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' Juli 2015, S. 16–17 ([http://www.spektrum.de/magazin/kuenstliche-erinnerungen-im-schlaf-eingepflanzt/1351175 spektrum.de]).</ref><br />
<br />
=== Synaptische Homöostase-Hypothese ===<br />
[[Giulio Tononi]] entwickelte in Zusammenarbeit mit Chiara Cirelli die Synaptische [[Homöostase]]-Hypothese, die besagt, dass der Tiefschlaf dazu notwendig sei, ein Grundniveau [[Synapse|synaptischer]] Verschaltung wiederherzustellen:<br />
Im Wachzustand würden, aufgrund der erhöhten Informationsflüsse, Verstärkungen in den Netzstrukturen der [[Neuron|Nervenzellen]] gebildet, d.&nbsp;h. die Synapsenstärke nehme zu, und es entstünden auch synaptische Neuverknüpfungen. Dies geschehe durch den bekannten Mechanismus der [[Langzeitpotenzierung]]: Bestimmte Kombinationen von Signalübertragungen zwischen Nervenzellen bewirken eine Potenzierung der beteiligten Synapsen, die längere Zeit anhält. Würden sich diese Prozesse im Laufe der Zeit unbehindert fortsetzen, würden die Netze bald überlastet sein. Im Tiefschlaf (genauer: im [[Non-REM-Schlaf]]) komme es deshalb zu einer Art Gleichschaltung gewisser neuronaler Gruppen, die sich durch langsamwellige Potentiale bemerkbar macht (im [[Elektroenzephalografie|EEG]] treten die sog. Delta-Wellen auf) und dazu führe, dass die synaptischen Bindungsstärken und auch die Synapsenanzahlen wieder abnehmen (synaptic downscaling). Nur die „starken“ Synapsen blieben bestehen. Die so im Tiefschlaf bewirkte Synapsenrückbildung solle wegen der selektiven Reduktion wieder genug Energie und Raum für neue Lern- und Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stellen. Auch, so wird vermutet, könne damit innerhalb der gegebenen Informationsfülle Wichtiges von Unwichtigem getrennt und herausgefiltert werden.<ref>G. Tononi, C. Cirelli: [http://isites.harvard.edu/fs/docs/icb.topic1075442.files/Week%207/Tononi%20and%20Cirelli%20-%202006%20-%20Sleep%20function%20and%20synaptic%20homeostasis.pdf ''Sleep function and synaptic homeostasis.''] (PDF; 305&nbsp;kB) In: ''Sleep Med Rev.'' 10(1), Februar 2006, S. 49–62. Epub 2005 Dezember 22. Review.</ref><ref>G. Tononi, C. Cirelli: [http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.213.204&rep=rep1&type=pdf ''Sleep and synaptic homeostasis: a hypothesis.''] (PDF) In: ''Brain Res Bull.'' 62(2), 15. Dezember 2003, S. 143–150.</ref><ref>Susanne Engelmann: [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7589/pdf/DISSERTATION_SUSANNE_ENGELMANN.pdf ''Prozedurale Gedächtniskonsolidierung während Schlaf- und ruhiger Wachperioden am Tag.''] (PDF) Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. 2010n</ref><ref>U. Gebhardt: [http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/schlaf-kindlein-schlaf-1.8161971 ''Schlaf, Kindlein, schlaf! Altersabhängige Veränderungen des Schlafmusters und der Schlafdauer.''] In: ''NZZ.'' 27. Oktober 2010.</ref><ref>U. Gebhardt: [http://www.tagesspiegel.de/wissen/schlaf-grossreinemachen-im-kopf/2819602.html ''Schlaf: Großreinemachen im Kopf.''] In: ''Tagesspiegel.'' 18. November 2010.</ref><br />
{{Zitat<br />
|Text=Im Wesentlichen ist der Schlaf der Preis, den wir für die [[neuronale Plastizität]] zahlen müssen…<br />
|Autor=G. Tononi und C. Cirelli<br />
|ref=<ref>{{Webarchiv |url=http://tononi.psychiatry.wisc.edu/People/GiulioTononi.php |text=Giulio Tononi, MD, PhD |wayback=20121008235802}} tononi.psychiatry.wisc.edu</ref>}}<br />
Im Gegensatz dazu hat [[Jan Born]] darauf verwiesen, dass einige der tagsüber neu gebildeten Nervenverbindungen von der allgemeinen nächtlichen Schwächung ausgespart würden. Diese bleibenden neuen Verbindungen repräsentierten neue Gedächtnisinhalte, die nachts gerade dadurch verstärkt würden, dass andere – weniger wichtige – Verbindungen eines gemeinsamen Netzwerkes geschwächt würden. Tononi habe diese Komponente inzwischen auch in seine Theorie integriert.<ref>[[Jan Born]]: ''Vokabellernen mit Rosenduft.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' Heidelberg 2014(12) S. 28–30. {{ISSN|0170-2971}} [http://www.spektrum.de/alias/titelthema-gedaechtnis/vokabellernen-mit-rosenduft/1314678 (online)]</ref><br />
<br />
=== Problemlösungen während des Schlafs ===<br />
Die Alltagserfahrung, dass manche Probleme sich plötzlich beim morgendlichen Aufwachen lösen, konnte seit 2004 wiederholt in ausgeklügelten Experimenten wissenschaftlich bestätigt werden. Versuchspersonen lösten Zahlenrätsel, für die mehrere Einzelschritte erforderlich waren. Was ihnen nicht gesagt wurde, war, dass es eine Abkürzung gab, durch die man sich einige Schritte ersparen konnte. Nach der Einübungsphase ließ man einen Teil der Probanden acht Stunden schlafen. Danach war in dieser Gruppe mehr als doppelt so vielen Probanden die Möglichkeit der Abkürzung klar wie in den Gruppen, die tags oder nachts acht Stunden wach geblieben waren.<ref>U. Wagner, S. Gais, H. Haider, R. Verleger, J. Born: ''Sleep inspires insight.'' In: ''Nature.'' 427(6972), 2004, S. 352–355. PMID 14737168</ref><br />
<br />
[[Datei:Popn-Music-Controller.jpg|mini|Kasten mit wechselnd aufleuchtenden Druck-Knöpfen]]<br />
In einem anderen Experiment wurde die Problemlösung während des Schlafs zwischen einer Gruppe elfjähriger Kinder und der Gruppe ihrer Eltern verglichen. Bei einem Kasten mit mehreren Knöpfen mussten möglichst schnell immer die gedrückt werden, die gerade aufleuchteten. Was nicht gesagt wurde, war, dass es eine Regelmäßigkeit in der Reihenfolge des Aufleuchtens gab. Nach einer ersten Übungsphase hatte auf Nachfrage niemand der Kinder oder Erwachsenen irgendetwas von Regelmäßigkeit bemerkt. Als das Experiment mit neuen Versuchspersonen wiederholt wurde und diesmal zwischen Übungsphase und Nachfrage eine Schlafphase lag, war manchen Erwachsenen und nahezu allen Kindern die Regelmäßigkeit klar, und sie konnten die vorher unbekannte Folge vollständig rekonstruieren.<ref>I. Wilhelm, M. Rose, K. I. Imhof, B. Rasch, C. Büchel, J. Born: ''The sleeping child outplays the adult’s capacity to convert implicit into explicit knowledge.'' In: ''Nat Neurosci.'' 16(4), 2013, S. 391–393. PMID 23434910</ref><br />
<br />
== Schlafforschung ==<br />
=== Geschichtliche Anfänge ===<br />
Die [[Schlafforschung]] ist eine relativ junge Disziplin der Biologie und der Medizin, die ersten [[Elektroenzephalographie]]-Untersuchungen (EEG) im [[Schlaflabor]] wurden in den 1920er Jahren gemacht. Der [[Antikes Griechenland|griechische]] Arzt [[Hippokrates von Kos|Hippokrates]] und die [[Philosoph]]en [[Platon]] und [[Aristoteles]] hatten versucht, den Schlaf durch ein Aufsteigen von mit der Nahrung aufgenommenen giftigen Dämpfen aus dem Magen zu erklären, die im Schlaf abgebaut würden. Zudem ließe sich Blut, das während des Wachens überhitzt, aufgestaut oder eingedickt worden sein soll, nur im Schlaf abkühlen und verdünnen. Im Mittelalter dachte die Heilkundlerin [[Hildegard von Bingen]], der Mensch brauche Schlaf, da er grundsätzlich aus zwei Teilen bestehe. Deshalb brauche das Wachsein den Gegenpol Schlaf. [[Alexander von Humboldt]] nahm noch im 19.&nbsp;Jahrhundert an, Schlaf müsse sein, um einem Sauerstoffmangel im Gehirn entgegenzuwirken.<ref>Peter Spork: ''Das Schlafbuch.'' Rowohlt, Reinbek 2007, S. 15–16.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Lilli Binzegger |url=http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/5a594e5a-deaf-434a-9e2d-d5324592005c.aspx |titel=Warum schlafen wir eigentlich? Interview mit Alexander Borbély, Schlafforscher. |werk=NZZ Folio |datum=1993-11 |abruf=2008-04-27}}</ref><ref name="geister">{{Internetquelle |url=https://www.nzz.ch/article7U2N0-1.512686 |titel=Lebensgeister, Säfte, elektrische Aktivitäten |hrsg=NZZ |datum=2001-12-22 |abruf=2011-02-10}}</ref><br />
<br />
Die wichtige Entdeckung des REM-Schlafes gelang den Forschern [[Eugene Aserinsky]] und [[Nathaniel Kleitman]] im Jahr 1953. Vier Jahre später wurde die Theorie aufgestellt, wonach nur in dieser Schlafphase das Träumen stattfindet. Dies ist heute zwar widerlegt, denn man träumt eindeutig auch im Tiefschlaf, doch geht man immer noch davon aus, dass die Träume im REM-Schlaf besonders realistisch und lebhaft sind.<ref name="staedt">{{Internetquelle |autor=Jürgen Staedt |url=https://www.lptw.de/archiv/dozent.php?id=5285 |titel=Evolution und Funktion des Schlafens |abruf=2008-04-27 |format=PDF; 1,5&nbsp;MB}}</ref><ref>Peter Spork: ''Das Schlafbuch.'' Rowohlt, Reinbek 2007, S. 249–250.</ref><br />
<br />
=== Schlafforschung im Sport ===<br />
Alles, was die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt bzw. begünstigt, wird im Rahmen der [[Trainingswissenschaft]] erforscht. Da Sportler häufig an aufeinander folgenden Tagen Wettkämpfe zu bestreiten haben, ist die Schlafforschung eine wichtige Teildisziplin. Da [[Melatonin]] die körperliche Leistung nicht beeinträchtigt, ist es das Hilfsmittel der ersten Wahl bei [[Jetlag]]. Bei Wettkämpfen ist es jedoch häufig auch eine Frage des Zusammenwirkens von schneller Erholung und Schlaf.<ref>[[Arnd Krüger]]: ''Schlaf.'' In: ''Leistungssport.'' 42(2012), 2, S. 30–32.</ref> Ein Abendessen mit vielen Kohlenhydraten eignet sich zwar gut zum Auffüllen der [[Glykogenspeicher]], bewirkt jedoch einen kürzeren Schlaf, wohingegen ein Abendessen mit viel [[Protein]]en nicht nur gut gegen [[Muskelkater]] ist, sondern die Schlafqualität verbessert. Fett zum Abendessen beeinflusst die gesamte Schlafdauer negativ. Wird die Kalorienmenge herabgesetzt, verkürzt sich die Schlafzeit.<ref>S. L. Halson: ''Sleep in elite athletes and nutritional interventions to enhance sleep.'' In: ''Sports Med.'' 4 4 Suppl 1, Mai 2014, S. S13–S23.</ref> Siehe hierzu auch [[Fettleibigkeit#Schlafgewohnheiten]].<br />
<br />
== Schlaf und Sexualität ==<br />
=== Konnotation ===<br />
Der Ausdruck „miteinander schlafen“ steht für den [[Geschlechtsverkehr|sexuellen Beischlaf]]. Tatsächlich hat der im wachen Zustand ausgeübte Beischlaf mit Schlafen im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Der Ursprung dieser Umschreibung dürfte daher kommen, dass der übliche Ort für Geschlechtsverkehr wie für „normales“ Schlafen das Bett ist. In Japan etwa wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, während der Besatzung durch die Amerikaner, sogar das Abbilden und Filmen von Schlafzimmern aus sittlichen Gründen verboten. Die Japaner assoziieren noch viel mehr als die Europäer alles, was mit der Schlafstätte zu tun hat, mit Sex, so etwa den Ausdruck „das Kopfkissen teilen“ oder die „Matte aus Reisstroh“ ([[tatami]]).<ref>{{Literatur |Autor=Brigitte Steger |Titel=(keine) Zeit zum Schlafen |Verlag=LIT Verlag |Ort=Berlin/Hamburg/Münster |Datum=2004 |ISBN=3-8258-6993-8 |Online={{Google Buch |BuchID=wFXUYiuAq-gC}}}}</ref><br />
<br />
=== Pollution ===<br />
{{Hauptartikel|Pollution}}<br />
<br />
''Pollution'' oder ''nächtlicher Samenerguss'' ist ein unwillkürlicher [[Samenerguss]], ausgelöst durch einen unbewussten [[Orgasmus]], der ohne aktives Zutun und ohne Wachbewusstsein bei Männern und männlichen Jugendlichen ab der [[Pubertät]] während des Schlafes auftreten kann. Dieses Ereignis ist oft von erotischen Träumen begleitet.<br />
<br />
=== Morgendliche Erektion ===<br />
{{Hauptartikel|Nächtliche Erektion}}<br />
<br />
Eine morgendliche Erektion ist eine [[Erektion]] des [[Penis des Menschen|Penis]], die beim morgendlichen Erwachen festgestellt wird. Manche Männer haben fast jeden Morgen eine Erektion, andere selten oder nie. Die Ursache dieser speziellen Erektion wird nicht in [[Sexuelle Erregung|sexueller Erregung]] vermutet, sondern in Begleitumständen der REM-Phase des Schlafes. Während der REM-Phasen beschleunigen sich Puls sowie [[Atmung]] und der Schläfer durchlebt intensive Träume. Außer bei [[Albtraum|Albträumen]] kommt es in diesen Phasen auch häufig zur Erektion. Diese Erektionen sind unabhängig davon, ob der Trauminhalt sexuell ist oder nicht.<br />
<br />
== Schlaf und Lernen ==<br />
Für eine optimale Gedächtnisfunktion ist gesunder Schlaf unabdingbar. Schlaf, Lernen und Gedächtnis sind komplexe, interagierende Phänomene. Viele Studien an Menschen und Tieren zeigen, dass die Qualität und Quantität des Schlafes einen großen Effekt auf das Lernen und die Gedächtnisfunktion hat. Nach dem Stand der Forschung fördere der Schlaf das Lernen und das Gedächtnis auf zwei verschiedene Art und Weisen: Erstens fehlt es einer Person, welche an Schlafmangel leidet, an der nötigen Fähigkeit, sich zu konzentrieren, um neue Information aufzunehmen; sie kann somit nicht effektiv lernen. Zweitens wird durch Schlafmangel die Konsolidierung und Integration des Gelernten gestört.<ref>{{Internetquelle |url=http://healthysleep.med.harvard.edu/healthy/matters/benefits-of-sleep/learning-memory |titel=Sleep, Learning, and Memory |hrsg=Division of Sleep Medicine, [[Harvard Medical School]] |datum=2007-12-18 |sprache=en |archiv-url=https://web.archive.org/web/20210124112814/http://healthysleep.med.harvard.edu/healthy/matters/benefits-of-sleep/learning-memory |archiv-datum=2021-01-24 |abruf=2019-09-18}}</ref><br />
<br />
== Pathologie des Schlafes ==<br />
Als [[Pathologie]] bezeichnet man in der Medizin die „Lehre von den abnormen und krankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper und deren Ursachen“. ''(Siehe auch [[Schlaflosigkeit]])''<br />
<br />
=== Schlafapnoe ===<br />
{{Hauptartikel|Schlafapnoe-Syndrom}}<br />
Das Schlafapnoe-Syndrom (SAS) ist ein Beschwerdebild, das in der Regel durch [[Atemstillstand|Atemstillstände]] (Apnoen) während des Schlafs verursacht wird und in erster Linie durch eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit bis hin zum Einschlafzwang ([[Sekundenschlaf]]) sowie eine Reihe weiterer Symptome und Folgeerkrankungen gekennzeichnet ist.<br />
<br />
Die Atemstillstände führen zu einer verringerten Sauerstoffversorgung und zu wiederholten Aufweckreaktionen (als Alarmreaktion des Körpers). Die meisten Aufweckreaktionen führen aber nicht zum Aufwachen, sondern lediglich zu erhöhten Körperfunktionen, beispielsweise zu beschleunigtem Puls. Deswegen werden sie von den Betroffenen meist nicht wahrgenommen. Als Folge der Aufweckreaktionen geht die Erholsamkeit des Schlafs verloren, was meistens zu der typischen, ausgeprägten Tagesmüdigkeit führt.<br />
<br />
=== Restless-Legs-Syndrom ===<br />
{{Hauptartikel|Restless-Legs-Syndrom}}<br />
Beim Restless-Legs-Syndrom (Wittmaack-Ekbom-Syndrom) leiden die Patienten unter unangenehmen Missempfindungen oder Bewegungsdrang in den Beinen (oder Armen), sobald sie zur Ruhe kommen, sodass sie nachts nicht einschlafen können. Das RLS ist eine neurologische Erkrankung, die sehr weit verbreitet ist (fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung). Es wird&nbsp;– auch von den Betroffenen selbst&nbsp;– oftmals lange Zeit nicht als Ursache der [[Schlafstörung]]en erkannt. Der entstehende Schlafentzug durch die gestörten Schlafphasen führt zu Tagesmüdigkeit, kognitiven Leistungseinbußen und depressiven Verstimmungen. Eine Behandlung mit Medikamenten ist fast immer möglich.<br />
<br />
=== Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung ===<br />
{{Hauptartikel|Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung}}<br />
Unter diesen Störungen versteht man Schlafstörungen, bei denen Betroffene einen untypischen Biorhythmus haben. Die Schlafphase verschiebt sich dementsprechend, was zu Problemen mit gesellschaftlichen Normen, die zum Beispiel bei den Arbeitszeiten zur Anwendung kommen, führen kann.<br />
<br />
Beim Verzögerten [[Schlafphasensyndrom]] (auch Delayed Sleep Phase Syndrome, DSPS) und dem Vorverlagerten Schlafphasensyndrom (auch Advanced Sleep Phase Syndrome, ASPS) sind Betroffene nicht in der Lage, sich an einen für sie passenden Schlaf-Wach-Rhythmus zu gewöhnen. Ihnen ist es beim Verzögerten Schlafphasensyndrom nur möglich, zu einer späten Tageszeit – also frühmorgens – beziehungsweise beim Vorverlagerten Schlafphasensyndrom zu einer frühen Tageszeit&nbsp;– also nachmittags oder frühabends&nbsp;– Schlaf zu finden.<br />
<br />
Eine Schlaf-Wach-Störung bei Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus führt bei Betroffenen dazu, dass sie jeden Tag zu einer anderen Uhrzeit einschlafen. Ein Intervall aus Schlafen und Wachen ist dann entweder kürzer als 24&nbsp;Stunden, sodass Betroffene jeden Tag früher einschlafen und entsprechend früher erwachen, oder es ist länger als 24&nbsp;Stunden, sodass Betroffene jeden Tag später einschlafen und entsprechend später erwachen.<br />
<br />
=== Narkolepsie ===<br />
{{Hauptartikel|Narkolepsie}}<br />
Narkolepsie ist ein [[Syndrom]] von vier Merkmalsbereichen, deren vorherrschendes Symptom eine krankhaft gesteigerte [[Tagesschläfrigkeit]] in Verbindung mit einer veränderten Phasenstruktur des Nachtschlafes ist. Hinzu kommt häufig ein durch Auslöserereignisse veranlasster Verlust der Muskelkontrolle ([[Kataplexie]]) und/oder entsprechend veranlasster Schlaf (Trigger-Schlaf) am Tag. In Verbindung mit der veränderten Reihenfolge der nächtlichen Schlafphasen können außerdem [[Hypnagogie|hypnagoge Halluzinationen]] und [[Schlafparalyse]] auftreten.<br />
<br />
Schlaflähmung tritt auch bei gesunden Menschen manchmal beim Erwachen auf. Die Lockerung der [[Nervenblockade]] läuft dann in falscher Reihenfolge ab, sodass zuerst die sensorischen Nerven und danach die motorischen Nerven „freigeschaltet“ werden. In diesem Zustand sieht, hört und fühlt der Betroffene alles, kann jedoch nichts sagen, sich nicht bewegen, auch nicht die Atmung beschleunigen. Es wird von einem beengenden Gefühl völliger Machtlosigkeit berichtet.<br />
<br />
Ein vergleichbarer Zustand tritt manchmal bei unzureichend [[Narkose|narkotisierten]] Patienten während einer Operation auf. Manche Formen des [[Koma]]s sollen ebenfalls von Betroffenen so empfunden werden, auch gibt es Berichte von Drogenkonsumenten über derartige Erfahrungen.<br />
<br />
=== Tödliche familiäre Schlaflosigkeit ===<br />
{{Hauptartikel|Tödliche familiäre Schlaflosigkeit}}<br />
Die ''tödliche familiäre Schlaflosigkeit'' ist eine Krankheit, bei der die Betroffenen nicht fähig sind, zu schlafen. Es handelt sich bei dieser Erkrankung um eine äußerst seltene familiär [[Erbkrankheit|vererbte Erkrankung]]. Verantwortlich für die Erkrankung ist ein mutiertes [[Prion]]enprotein-Gen. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Im Vordergrund steht eine schwere Störung des Schlaf-wach-Rhythmus der Patienten, das heißt, sie leiden unter schweren [[Schlafstörung]]en. Es wird daher angenommen, dass sich die krankhaften Veränderungen speziell im Stammhirn abspielen, das als entwicklungsgeschichtlich alter Teil des Gehirns den Aktivitätsrhythmus steuert. Die Erkrankung verläuft über sieben bis achtzehn Monate und endete bisher immer tödlich. Sie wurde erstmals im Jahr 1986 beschrieben und ihre erbliche Übertragbarkeit im Jahr 1995 nachgewiesen.<br />
<br />
=== Bruxismus ===<br />
{{Hauptartikel|Bruxismus}}<br />
Bruxismus ist die Fachbezeichnung für meist nächtliches Zähneknirschen, welches der betroffenen Person nicht bewusst ist. Erkannt wird es meist von Zahnärzten anhand abgeschliffener Zähne. Eine vor allem nachts zu tragende, meist weiche Schiene schützt die Zähne.<br />
<br />
=== Behandlung ===<br />
Es gibt Empfehlungen, der Schlaflosigkeit mit Schlafritualen zu begegnen: Abendgebet, Atemtechniken, pulsierendes Licht, „Schäfchen zählen“ und so weiter helfen der Psyche, über vertraute Gedanken zur Ruhe zu kommen. Die Barmer-Krankenkasse empfiehlt [[Masturbation]] zum Einschlafen.<ref>[https://www.spiegel.de/gesundheit/sex/barmer-krankenkasse-empfiehlt-selbstbefriedigung-als-einschlafhilfe-a-1279049.html spiegel.de: Barmer Krankenkasse empfiehlt Masturbation zum Einschlafen]</ref><br />
Unter verschiedenen Umständen jedoch leiden Menschen unter Schlaflosigkeit, zum Beispiel in einer reaktiven [[Depression]] oder wegen der Störung durch [[Schmerz]]en. Unter diesen Umständen können [[Schlafmittel]] (Hypnotika) zu Hilfe genommen werden.<br />
<br />
Weiterhin wird empfohlen, die wichtigsten Regeln der [[Schlafhygiene]] zu beachten, also einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten.<br />
<br />
Neben pflanzlichen [[Arzneimittel]]n (zum Beispiel [[Baldrian]]) werden insbesondere [[Antihistaminikum|Antihistaminika]], kurzwirksame [[Benzodiazepin]]e (zum Beispiel [[Brotizolam]]) als Einschlafmittel, mittellang wirksame Benzodiazepine (zum Beispiel [[Nitrazepam]] und [[Diazepam]]) als Durchschlafmittel sowie neuere kurzwirksame Schlafmittel, wie [[Zopiclon]] und [[Zolpidem]], zur Behandlung von [[Schlafstörung]]en eingesetzt. Antihistaminika vermitteln ihre Effekte über eine Hemmung der Wirkung des „Weckhormons“ Histamin an seinen [[Histamin-Rezeptor]]en. Benzodiazepine, Zolpidem und Zopiclon wirken an den GABA-Rezeptoren im Thalamus. Dort fördern sie die hemmende Wirkung dieses Transmitters. Die früher sehr verbreiteten [[Barbiturate]] werden heute aufgrund eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses ([[Suizid]]-Potential und Unterdrückung des REM-Schlafs) praktisch nicht mehr als Schlafmittel verwendet.<br />
<br />
In den USA wird das Hormon [[Melatonin]], das physiologisch aus der [[Zirbeldrüse]] ausgeschüttet wird, zunehmend als ''Wunderdroge'' und Anti-Aging-Mittel verkauft. Bekannt ist, dass Melatonin [[Sedation|sedierende]] Eigenschaften besitzt und die Produktion in den Abendstunden immer mehr zunimmt und es damit eine Art körpereigenes Schlafmittel darstellt. Der Einsatz von Melatonin als Medikament ist jedoch umstritten.<ref name="jetlagq10">J. Arendt: ''Does melatonin improve sleep? Efficacy of melatonin.'' In: ''BMJ (Clinical research ed.).'' Band 332, Nummer 7540, März 2006, {{ISSN|1756-1833}}, S.&nbsp;550, [[doi:10.1136/bmj.332.7540.550]]. PMID 16513724, {{PMC|1388143}}.</ref><br />
<br />
== Schlafentzug ==<br />
{{Hauptartikel|Schlafentzug}}<br />
<br />
Schlafentzug ist das gewollte oder ungewollte Verhindern des Schlafens, d.&nbsp;h. die Unterdrückung des Schlafdruckes.<br />
<br />
=== Therapeutischer Schlafentzug ===<br />
In der [[Psychiatrie]] wird der therapeutische Schlafentzug bei der Behandlung von [[Depression]]en eingesetzt.<ref name="Ncbi">A. Wirz-Justice, R. H. Van den Hoofdakker: ''Sleep deprivation in depression: what do we know, where do we go?'' In: ''Biological psychiatry.'' Band 46, Nummer 4, August 1999, S.&nbsp;445–453, {{ISSN|0006-3223}}. PMID 10459393. (Review).</ref> Bei etwa 60 % der Patienten komme es nach einer schlaflosen Nacht zu einer vorübergehenden Besserung der Symptomatik. Der antidepressive Effekt sei jedoch gewöhnlich nicht anhaltend, so dass die meisten Patienten sogar nach einer Nacht des Schlafens (einer sogenannten Erholungsnacht) wieder einen Rückfall erleiden würden. Bis zu 15 % der Patienten in klinischen Studien zeigen jedoch eine anhaltende [[Reiz-Reaktions-Modell|Response]] nach völligem Schlafentzug.<ref>{{Literatur |Hrsg=AWMF |Titel=S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression Langfassung |Nummer=5 |Auflage=2 |Datum=2015}}</ref><br />
<br />
=== Folgen ===<br />
Bei Menschen führt Schlafentzug über einen längeren Zeitraum zum [[Sekundenschlaf]].<ref>Spork, 2007, ''Das Schlafbuch.''</ref><br />
Fortdauernder Schlafentzug über sieben Tage führte bei Ratten durch [[Ulcus|Hautgeschwüre]], [[Polyphagie (Medizin)|Polyphagie]] bei gleichzeitigem Gewichtsverlust, Herabsetzung der Körpertemperatur teilweise in Verbindung mit [[Sepsis|Blutvergiftung]] zum Tod.<ref name="ILAR">{{Literatur |Hrsg=Institute for Laboratory Animal Research, National Research Council |Titel=Guidelines for the Care and Use of Mammals in Neuroscience and Behavioral Research |Verlag=The National Academies Press |Datum=2003 |ISBN=0-309-08903-4 |Seiten=121 |Online=http://books.nap.edu/openbook.php?record_id=10732&page=121 |Zitat=Sleep deprivation of over 7 days with the disk-over-water system results in the development of ulcerative skin lesions, hyperphagia, loss of body mass, hypothermia, and eventually septicemia and death in rats (Everson, 1995; Rechtschaffen u. a., 1983).}}</ref> Vor ihrem [[Tod]] sank ihre Körpertemperatur ([[Thermoregulation]]) und ihr Gewicht.<br />
<br />
=== Schlafentzug als Folter oder Strafe ===<br />
Schlafentzug wurde und wird als [[Folter]]mittel eingesetzt.<br />
<br />
Im antiken [[Römisches Reich|Rom]] soll König [[Perseus (Makedonien)|Perseus von Makedonien]] als Gefangener durch Schlafentzug getötet worden sein. Aus dem [[Kaiserreich China|alten China]] wird berichtet, dass Verbrecher mit dem Tod durch Schlafentzug bestraft wurden.<br />
<br />
In dem von den [[Vereinigte Staaten|USA]] bei [[Guantanamo Bay Naval Base|Guantánamo]] betriebenen Gefangenenlager wird häufig versucht, Häftlinge durch Schlafentzug bei Verhören zur Kooperation zu bewegen.<ref>[[FBI]]: ''[http://www.usdoj.gov/oig/special/s0805/final.pdf A Review of the FBI’s Involvement in and Observations of Detainee Interrogations in Guantanamo Bay, Afghanistan, and Iraq]'' (PDF; 6,4&nbsp;MB) S. 182&nbsp;ff.</ref><ref>U.S. [[Department of Defense]]: {{Webarchiv |url=http://www.defenselink.mil/news/Jul2005/d20050714report.pdf |text=Army Regulation 15-6: Final Report |wayback=20050724003701}} (PDF; 86&nbsp;kB) S. 17&nbsp;f.</ref><br />
<br />
In der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] wurden [[Rote Armee Fraktion|RAF]]-Häftlinge in [[Isolationshaft]] in Zellen mit ständiger Beleuchtung und durch regelmäßiges Wecken am Schlaf gehindert.<ref>Amnesty International (Hrsg.): Arbeit zu den Haftbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Isolation und Isolationshaft (Bonn, 1980)</ref> In der [[Sowjetunion]] unter [[Josef Stalin|Stalin]] war Schlafentzug eine gängige [[Vernehmung|Verhörmethode]], aber auch in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] in [[Ministerium für Staatssicherheit|Stasigefängnissen]] bis 1989.<ref>[https://www.spiegel.de/geschichte/stasi-geheimknast-a-949794.html ''Härte bis zum Untergang.''] In: ''Spiegel online.'' 4. Mai 2009.</ref><br />
<br />
=== Schlafentzug durch Stimulanzien ===<br />
Um das Schlafbedürfnis zu unterdrücken, kann auf verschiedene Substanzen zurückgegriffen werden. Bekannt für seine Wachheit fördernde und anregende Wirkung ist der Wirkstoff [[Coffein]], der beispielsweise in [[Kaffee]] und in meist geringerer Konzentration auch in [[Tee]] enthalten ist. Coffein wirkt dabei im Zentralnervensystem hauptsächlich als [[Adenosin]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonist]].<br />
<br />
Drogen vom Typ der (indirekten) [[Sympathomimetika]], wie [[Amphetamin]], [[Ephedrin]] oder [[Cathin]] (aus den [[Kathstrauch|Kath]]-Blättern), wirken stimulierend&nbsp;– mit erheblichen Nebenwirkungen.<br />
<br />
== Träumen ==<br />
{{Hauptartikel|Traum}}<br />
[[Datei:Pierre-Cécile Puvis de Chavannes 003.jpg|mini|[[Pierre Puvis de Chavannes]], ''Der Traum'', 1883]]<br />
Als Traum wird das psychische Erleben im Schlaf bezeichnet, das überwiegend von Sinneswahrnehmungen geprägt ist. [[Kognition|Kognitive]] Fähigkeiten wie begriffliches Denken und [[kausal]]-logisches Erinnern treten dabei in den Hintergrund. Während des Traumgeschehens ist eine Unterscheidung zwischen psychischem Erleben und körperlicher Sinneswahrnehmung aufgehoben, wodurch innere psychische Prozesse als äußere physische Realität erlebt werden. Die meisten Träume sind nach dem Erwachen oft schwer oder überhaupt nicht erinnerlich. Studien zufolge erinnern sich die Menschen allerdings fast immer an lebhafte Träume beim direkten Aufwachen aus der REM-Phase. Im REM-Stadium ist das Gehirn so aktiv wie beim Einschlafen, daher ist dies auch ein optimaler Zeitpunkt zum Aufwachen.<br />
<br />
Nur in seltenen Fällen erlebt der Schlafende einen [[Klartraum]], das heißt, er ist sich vollends bewusst, dass er träumt, und kann sein Handeln im Traum aktiv beeinflussen.<br />
Auch ist die Traumerinnerung trainierbar. Dieses Vorgehen wird häufig von Menschen unternommen, die mehr Klarträume erleben möchten.<br />
<br />
Die [[Traumdeutung]] wird in wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Bereichen auch als [[Oneirologie]] bezeichnet.<br />
<br />
== Schnarchen ==<br />
{{Hauptartikel|Schnarchen}}<br />
Obwohl Schnarchen für die meisten Menschen harmlos sein dürfte, könnte es ein Hinweis auf eine lebensbedrohende Schlafstörung namens [[Schlafapnoe-Syndrom]] sein, besonders wenn es mit großer Müdigkeit am Tag einhergeht. Der an Schlafapnoe Leidende atmet mit großen Unterbrechungen, was zu Sauerstoffmangel führen kann. Personen, die darunter leiden, erwachen in der Nacht und hecheln nach Luft. Die Atempausen reduzieren den Sauerstoffanteil im Blut, belasten das Herz und den [[Blutkreislauf]] und können zu [[Herz-Kreislauf-Erkrankung]]en führen.<ref name="myths">[http://www.sleepfoundation.org/article/how-sleep-works/myths-and-facts-about-sleep Mythen und Fakten über den Schlaf] (englisch)</ref><br />
<br />
== Schlafkultur ==<br />
{{Hauptartikel|Schlafkultur}}<br />
<br />
Die Schlafkultur beschreibt [[kultur]]elle und [[Geschichte|geschichtliche]] Aspekte des Schlafens. Zur Schlafkultur gehört das Wann, das Wo und das Wie sich Menschen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten schlafen legen beziehungsweise gelegt haben.<br />
<br />
Weil der Schlaf, und alles was damit zusammenhängt, generell als sehr persönliche und intime Angelegenheit betrachtet wird, sind Forschungen und Aufzeichnungen zu diesem Thema rar. Wissenschaftliche Arbeiten, die anhand der Schlafgewohnheiten verschiedener Völker, insbesondere noch sehr naturnah lebender, Rückschlüsse auf die evolutionären Ursachen des Schlafes geben wollen, wurden erst in neuester Zeit unternommen.<br />
<br />
== Schlaf in der Bildenden Kunst ==<br />
Der Schlaf mit seinen verschiedenen Aspekten wurde von vielen Künstlern aufgegriffen. Der behütete Schlaf der Kinder, schlafende Tiere, der Mittagsschlaf und das Einschlafen bei der Arbeit, Tagträume, Träume und Albträume, Schlaf und Tod, Schlaf und der nackte menschliche Körper als ein klassisches Thema der bildenden Kunst wurden als Malerei, Zeichnung und Grafik, und auch als Skulpturen und Plastiken umgesetzt.<br />
<gallery><br />
Noon, rest from work - Van Gogh.jpeg|Mittagsschlaf in der Kunst. Vincent van Gogh („La Méridienne“ oder „La sieste“, nach Millet, Januar 1890)<br />
Honoré Daumier - The Second Class Carriage - Walters 371224.jpg|Vier Menschen im Zugabteil, zwei schlafend einer dösend, jeder in einer Welt für sich. Honoré Daumier („The Second Class Carriage“, 1864)<br />
Vito d'Ancona - Nudo.jpg|Sich schlafend stellende Frau. Vito D’Ancona (Nudo, vor 1884)<br />
'Aurora and Cephalus' by Pierre-Narcisse Guérin, 1783, Pushkin Museum.JPG|Nackt schlafender, sterbender Mann. Pierre-Narcisse Guérin (Aurora and Cephalus, 1783)<br />
Albert Anker - Schlafendes Mädchen auf einer Holzbank.jpg|Schlafendes Mädchen. Albert Anker (Schlafendes Mädchen auf einer Holzbank, unbekanntes Datum)<br />
Rajecka Girl with a straw hat.jpg|Schlafendes Mädchen. Anna Rajecka (Mädchen mit Strohhut)<br />
Manner of Jean-Baptiste Santerre 001.jpg|Eingeschlafenes Mädchen. Jean-Baptiste Santerre (Ein schlafendes Mädchen, 1700–1725)<br />
Schlafender Knabe im Heu, 1897.jpg|Schlafender Junge. Albert Anker (Schlafender Knabe im Heu, 1897)<br />
Paul Klimsch Schlafender Jaguar.jpg|Schlafendes Tier. (Paul Klimsch, Schlafender Jaguar)<br />
Sculpture in Kolonistsky Park in Peterhof 01.jpg|Skulptur schlafender Frau im Kolonistsky Park in Peterhof<br />
Илья Е. Репин - Отдых. Портрет В.А.Репинa (1882).jpg|Im Sessel schlafende Frau des Künstlers. Ilja Repin (Ruhe, 1882)<br />
Marie-Constance Mayer - The Sleep of Venus and Cupid - WGA14700.jpg|Venus und Amor. Marie-Françoise-Constance Mayer-La Martinière (Der Schlaf der Venus und des Amors, 1806)<br />
George Hare - Victory of Faith.jpg|Zwei schlafende Frauen. George Hare (Siege des Glaubens, 1889)<br />
Goya-Capricho-43.jpg|Goya träumend. Francisco de Goya ([[Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer]], 1799)<br />
</gallery><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* In der Science-Fiction-Serie ''[[Star Trek: Voyager]]'' begegnen Menschen einer außerirdischen Lebensform mit Namen [[Völker und Allianzen im Star-Trek-Universum#Spezies 8472|Spezies 8472]], die niemals ruht und Schlaf als seltsam empfindet. Der für die Menschen als selbstverständlich erachteten Notwendigkeit des Schlafs wird in diesem Zusammenhang die Fiktion einer schlaflosen Lebensform gegenübergestellt.<br />
* Im Roman ''[[Schlafes Bruder]]'' von Robert Schneider begeht der Protagonist [[Suizid]], indem er sich schwört, nie mehr zu schlafen.<br />
* Im Film ''[[Der Maschinist]]'' hat der Protagonist seit etwa einem Jahr nicht mehr geschlafen.<br />
* Im Film ''[[Stirb an einem anderen Tag]]'' der [[James Bond|James-Bond]]-Filmreihe unterziehen sich Bonds Gegner Colonel Moon und Zao einer Gentherapie, um ihre Identität zu ändern. [[Nebenwirkung]] ist jedoch eine andauernde Schlaflosigkeit, die sie mithilfe einer „Traummaschine“ zu umgehen suchen. Die Betroffenen empfinden es als große Qual, nicht mehr richtig schlafen zu können. Der Öffentlichkeit gegenüber wird allerdings damit geprahlt, keinen Schlaf zu benötigen und so mehr leisten zu können; man könne schließlich genug schlafen, wenn man tot sei.<br />
* In der preisgekrönten Science-Fiction-Novelle ''[[Bettler in Spanien]]'' von [[Nancy Kress]], die später zu einer Roman-Trilogie erweitert wurde, wird Schlaflosigkeit ebenfalls in Zusammenhang mit Elite und geistiger Überlegenheit gebracht: Durch Genmanipulation werden Kinder geschaffen, die sich durch hohe Intelligenz, Unempfindlichkeit gegenüber Krankheiten und Schlaflosigkeit auszeichnen. Im weiteren Verlauf der Handlung wird u.&nbsp;a. der gesellschaftliche Konflikt dieser neuen Elite der ''Schlaflosen'' mit den alten Menschen, den ''Schläfern'', thematisiert.<br />
* Im Roman ''[[Schlaflos]]'' des Buchautors [[Stephen King]] leidet die Hauptfigur des Ralph Robert unter einer extremen Form von Schlaflosigkeit. Durch den fortlaufenden Schlafentzug wird er von Erscheinungen heimgesucht, die er zunächst als Halluzinationen betrachtet; später muss er jedoch feststellen, dass sich durch den Schlafmangel offenbar sein Sinnesempfinden verändert hat.<br />
* Im Roman ''Die Moorgeister'' von [[Angela Sommer-Bodenburg]] trifft der Jugendliche Timo einen alten Mann in der Bahn. Dieser erzählt ihm vom Händler der Verkauften Träume. Durch einen Handel mit diesem leidet er an Schlaflosigkeit („kann nicht mehr träumen“) und fährt seitdem immer Bahn, bis er den Händler wiederfindet, um seine Träume zurückzufordern. Am Ende des Romans vermutet Timo, dass der Mann ein Geist gewesen ist.<br />
* Im Roman ''[[Fight Club (Roman)|Fight Club]]'' von ''[[Chuck Palahniuk]]'' leidet der namenlose Ich-Erzähler an Schlaflosigkeit.<br />
* Im Roman sowie auch im Film ''[[2001: Odyssee im Weltraum]]'' von [[Stanley Kubrick]] werden die Astronauten für die Zeit des Fluges zum Jupiter (Film) bzw. Saturn (Roman) in einen Tiefschlaf versetzt. Die Geräte hierzu werden als Hibernakulum bezeichnet, die Menschen [[Winterschlaf|hibernieren]].<br />
<br />
* Für das Jahr 2023 wurde der 17. März als Welttag des Schlafes benannt.<ref>[https://www.kuriose-feiertage.de/world-sleep-day/ Welttag des Schlafes], abgerufen am 17. März 2023</ref><br />
<br />
<br />
<!--<br />
'''Videos'''<br />
* {{Geist und Gehirn|10|Lernen im Schlaf}}--><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Schlaftraining]] (Training von älteren Säuglingen und Kleinkindern zum abendlichen Einschlafen und nächtlichen Wieder-Einschlafen)<br />
* [[Narkose]]<br />
* [[Lichtwecker]]<br />
* [[Schlafphasenwecker]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Quellen ===<br />
* Hannah Ahlheim (Hrsg.): ''Kontrollgewinn – Kontrollverlust: die Geschichte des Schlafs in der Moderne''. Campus, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-593-50073-7.<br />
* Hannah Ahlheim: [http://www.zeithistorische-forschungen.de/1-2013/id=4385 ''Die Vermessung des Schlafs und die Optimierung des Menschen. Eine deutsch-amerikanische Geschichte, 1930–1960.''] In: ''[[Zeithistorische Forschungen]]'' 10 (2013), S. 13–37.<br />
* [[Niels Birbaumer]], [[Robert F. Schmidt]]: ''Biologische Psychologie.'' 6. Auflage. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-25460-9, S. 535 ff (Kapitel: ''Zirkadiane Periodik, Schlaf und Traum.'').<br />
* [[Alexander Borbély]]: ''[http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/TITEL.htm Schlaf. Moderne Schlafforschung, Schlafstadien, Regulation des Schlafes, Schlaf beim Säugling, Schlaf im Alter, Kurz- und Langschläfer, Träume, Schlafstörungen, Stimulantien und Schlafmittel, Schlaf von Tieren, Schlaf und Lernen, Risiken des Schlafmangels.]'' Fischer, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-15561-4. (Online-Ausgabe der Fassung von 1988)<br />
* [[Jan Born]], Ulrich Kraft: ''Lernen im Schlaf&nbsp;– kein Traum.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' 11, Heidelberg 2004, S. 44–51. {{ISSN|0170-2971}}<br />
* Peter Clarenbach (Hrsg.): ''Schering Lexikon Schlafmedizin.'' 2. Auflage. MMV Medizin-Verlag, München 1998, ISBN 3-8208-1334-9.<br />
* Peretz Lavie: ''Die wundersame Welt des Schlafes. Entdeckungen, Träume, Phänomene.'' Dtv, München 1999, ISBN 3-423-33048-1.<br />
* Teofilo L. Lee-Chiong: ''Sleep: A Comprehensive Handbook''. Wiley-Liss, Hoboken NJ 2006, ISBN 0-471-68371-X (englisch)<br />
* Hans Rudolf Mächler: ''Die Anfänge moderner Schlafforschung.'' Juris, Zürich 1994, ISBN 3-260-05373-5.<br />
* Erika Mayr-Oehring (Hrsg.): ''Süßer Schlummer. Der Schlaf in der Kunst''. Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-06649-7.<br />
* Thomas Penzel (Hrsg.): ''Schlaf – Ein Phänomen und seine Störungen''. Spektrum der Wissenschaft-Spezial 3/09, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-941205-25-3.<br />
* H. Schulz (Hrsg.): ''Kompendium Schlafmedizin für Ausbildung, Klinik und Praxis.'' 2 Bände + CD-ROM. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. ''Digitaler Atlas der Schlafstörungen.'' Ecomed, Landsberg/Lech 2001&nbsp;ff.<br />
* Sophie de Sivry, Philippe Meyer: ''Die Kunst des Schlafs. Eine kleine soziale, symbolische, medizinische, poetische und liebevolle Geschichte des Schlafs.'' 2. Auflage. Brandstätter, Wien 1997, ISBN 3-85447-732-5.<br />
* [[Peter Spork]]: ''Das Schlafbuch. Warum wir schlafen und wie es uns am besten gelingt.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, ISBN 978-3-498-06387-0.<br />
* [[Jürgen Zulley]]: ''Mein Buch vom guten Schlaf.'' Zabert Sandmann, München 2005, ISBN 3-89883-134-5.<br />
<br />
=== Weiterführendes ===<br />
* [[Émile Chartier]]: ''Les idées et les âges.'' 1927. deutsch: ''Lebensalter und Anschauung.'' Berlin/Wien/Leipzig 1932. Das erste Buch dieses philosophischen Werkes widmet sich explizit dem Schlaf, dabei auch kulturhistorisch ausgreifend. Neben dem Schlaf, der Nacht u. dergl. betrachtet der auch als ''Alain'' bekannte Franzose die erhebliche soziale Rolle des Wächters.<br />
* [[Björn Rasch]]: [https://www.hogrefe.com/ch/shop/schlaf-im-zeitalter-der-digitalisierung-91576.html Schlaf: Rasch erklärt.] 200 Fragen und Antworten rund um den Schlaf. [[Hogrefe Verlag]] Göttingen 2021. ISBN 978-3-456-85932-3<br />
* Sonja Kinzler: ''Das Joch des Schlafes. Der Schlafdiskurs im bürgerlichen Zeitalter.'' Dissertation an der International University Bremen 2005. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2011, ISBN 978-3-412-20716-8.<br />
* G. Lucc, J. Segal: ''Sleep and Dreams.'' London 1967.<br />
* Curt Maronde: ''Rund um den Schlaf.'' Fischer, Frankfurt am Main.<br />
* Ian Oswald: ''Sleep.'' Harmondsworth 1966.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Sleeping|Schlafen}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wikiquote}}<br />
* [http://www.kindergesundheit-info.de/index.php?id=7614 Schlafen, Schlaf im Kindesalter] – kindergesundheit-info.de: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)<br />
* [https://www.schlaf.net/ Portal des DGSM zum Thema Schlaf] (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin)<br />
* {{Internetquelle |autor=Sophie Schmalz |url=https://taz.de/Interview-mit-Schlafforscher-Ingo-Fietze/!5668430/ |titel=„Schlaf braucht ein neues Image“ |werk= [[Die Tageszeitung]] |datum=2020-03-15 |abruf=2020-03-17 |kommentar=Interview mit Schlafforscher Ingo Fietze |abruf-verborgen=1}}<br />
* [https://www.n-tv.de/wissen/Warum-der-Mensch-schlaeft-article22052097.html Zum Lernen und für Reparaturen – Warum der Mensch schläft]<br />
* Frank Luerweg: [https://www.spektrum.de/news/chronobiologie-warum-man-im-alter-schlechter-schlaeft/2094525 ''Warum Senioren schlecht schlafen''] in [[Spektrum.de]] vom 8. Januar 2023<br />
* [https://de.opentran.net/dictionary/Schlaf.html Schlaf] – Synonyme, Antonyme, Bedeutung/Definition, Beispiele<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Gesundheitshinweis}}<br />
{{Lesenswert|4. Dezember 2005|11318367}}<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4052580-6|LCCN=sh/85/123396}}<br />
<br />
[[Kategorie:Schlaf| ]]<br />
[[Kategorie:Schlafmedizin| Schlaf]]<br />
[[Kategorie:Biologischer Prozess]]<br />
[[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]]</div>Objezdhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hausziege&diff=257921953Hausziege2025-07-15T14:30:22Z<p>Objezd: !FHTAGN!</p>
<hr />
<div><!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --><br />
{{Taxobox<br />
| Taxon_Name = Hausziege<br />
| Taxon_WissName = Capra aegagrus hircus<br />
| Taxon_Rang = Unterart<br />
| Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758<br />
| Taxon2_Name = Wildziege<br />
| Taxon2_WissName = Capra aegagrus<br />
| Taxon2_Rang = Art<br />
| Taxon3_Name = Ziegen<br />
| Taxon3_WissName = Capra<br />
| Taxon3_Rang = Gattung<br />
| Taxon4_WissName = Antilopinae<br />
| Taxon4_Rang = Unterfamilie<br />
| Taxon5_Name = Hornträger<br />
| Taxon5_WissName = Bovidae<br />
| Taxon5_Rang = Familie<br />
| Taxon6_Name = Stirnwaffenträger<br />
| Taxon6_WissName = Pecora<br />
| Taxon6_Rang = ohne Rang<br />
| Bild = Sacrificio.JPG<br />
| Bildbeschreibung = Hausziege (''Capra aegagrus hircus'')<br />
}}<br />
<br />
[[File:Drei Hausziegen.jpg|thumb|Hausziegen (Capra aegagrus hircus)]]Die '''Hausziege''' (''Capra aegagrus hircus''; früher ''Capra hircus'') ist nach dem [[Haushund|Hund]] und zusammen mit dem [[Hausschaf|Schaf]] vermutlich eines der ersten wirtschaftlich genutzten [[Haustier]]e. Hausziegen gehören zur Gattung der [[Ziegen]] in der Familie der [[Hornträger]].<br />
<br />
== Benennung ==<br />
Das weibliche Tier von ''Capra aegagrus hircus'' (synonym: ''Capra hircus Linné''), zu lateinisch ''capra'' („Geiß“<ref>Vgl. auch [[Otto Beßler]]: ''Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart.'' Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 168 („Capra – eyn geyß“ = ''Capra hircus L.'')</ref>), wird neben ''Ziege'' (von {{gohS|ziga}})<ref>[[Friedrich Kluge]], [[Alfred Götze (Philologe)|Alfred Götze]]: ''[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]].'' 20. Auflage, hrsg. von [[Walther Mitzka]]. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 883 (''Ziege'').</ref> auch '''Geiß''' (von {{gmhS|geiz}}; vergleiche auch {{nlS}}/{{isS}}/{{noS}} {{lang|gmq|''geit''}}), ''Hippe'',<ref>[[Heinrich Gradl]]: ''Zur Kunde deutscher Mundarten.'' In: [[Adalbert Kuhn]]: ''Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen.'' Band 19, Heft 3. Berlin 1870, S. 56.</ref> ''Zicke'' oder ''[[Zibbe]]'' genannt, das männliche Tier ''Bock'' (''Ziegenbock''), das kastrierte männliche Tier heißt ''Mönch'' und das Ziegenjunge ''Ziegenkitz, Zicklein, Ziegenlamm, Geißlein'' oder ''Kitzlein'', in der Schweiz ''Gitzi'' genannt.<br />
<br />
In den [[Oberdeutsche Dialekte|oberdeutschen Dialekten]] sowie den [[Rheinfränkische Dialekte|rheinfränkischen Dialekten]] stehen ''Gaiß/Goiß/Goaß'' bzw. ''Gääß/Gaaß/Gååß'' allgemein für die weibliche ''Ziege'' (vergleiche {{enS|goat}}, {{svS|get}}) und ''Geißbock'' für das Männchen. Durch Luthers Bibelübersetzung hat sich ''Ziege'' in der Hochsprache durchgesetzt.<ref>''Ziege.'' In: Wolfgang Pfeifer: ''Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.'' 3. Auflage. 1997.</ref><br />
<br />
Im Lateinischen wurden Ziegenjunge und Ziegenböckchen ''Haedus'' (auch ''Hedus''<ref>etwa bei Isidor von Sevilla oder im [[Bestiarium von Aberdeen]].</ref> und ''Edus'') genannt.<ref>[[Otto Beßler]]: ''Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart.'' Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 179.</ref><br />
<br />
== Domestikation ==<br />
[[Datei:WildeHausziege.jpg|mini|Ziegenbock einer Herde halbwilder Hausziegen auf [[Mallorca]]]]<br />
<br />
Die Hausziege stammt von der [[Wildziege|Bezoarziege]] ab. Die [[Domestizierung]] erfolgte wahrscheinlich vor dem 11.&nbsp;Jahrtausend&nbsp;v.&nbsp;Chr. im vorderen [[Orient]], vermutlich in der südlichen [[Levante]] (das Gebiet von Israel und Jordanien) oder im [[Zagros]]gebirge in [[Iran]]. Studien gehen von einer etwa zeitgleichen, aber unabhängig voneinander erfolgten Domestikation an verschiedenen Stellen des Vorderen Orients aus. Danach erfolgte schnell eine Vermischung der Populationen durch den menschlichen Nomadismus.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.dainst.org/-/die-ziege-als-haustier-%E2%80%93-keine-lokale-erfindung?redirect=https://www.dainst.org/dai/meldungen?p_p_id=101_INSTANCE_nZcCAiLqg1db&p_p_lifecycle=0&p_p_state=normal&p_p_mode=view&p_p_col_id=column-6&p_p_col_count=1 |titel=Die Ziege als Haustier – keine lokale Erfindung |abruf=2018-07-12}}</ref> Gewöhnlich wird angenommen, dass mit der Domestikation rasch morphologische Änderungen am Skelett eintreten, besonders die Form des [[Stirnbein|Hornzapfens]], außerdem eine Größenabnahme. Auch das Geschlechter- und Altersverhältnis in Tierknochen von archäologischen Fundstellen wird herangezogen, um domestizierte und gejagte Populationen zu unterscheiden.<br />
<br />
Fundorte, die eine frühe Domestikation der Ziege belegen, sind zum Beispiel:<br />
* [[Gandsch Dareh]] ({{FaS|گنج دره}}, jetzt im [[Harsin (Verwaltungsbezirk)|Bezirk Harsin]], [[Kermanschah (Provinz)|Kermanschah]], Iran), 9000–7500 v.&thinsp;Chr. Hier wurde die Alterszusammensetzung als Beleg der Domestikation angeführt (es wurden bevorzugt männliche Jungtiere getötet), außerdem waren die Tiere durchschnittlich kleiner als heutige Wildtiere.<br />
* [[Ali Kosch]] (in der Nähe von [[Susa (Persien)|Susa]], jetzt in der [[Ilam (Provinz)|Provinz Ilam]], Iran), 7500–5500 v.&thinsp;Chr. Hier wird das Überwiegen junger Tiere als Beleg der Domestikation angeführt, zusammen mit Veränderungen im Querschnitt des Hornzapfens.<br />
<br />
Mit der [[Neolithisierung]] des europäischen Festlandes wurden Ziegen als Nutztiere importiert, wie zum Beispiel bei der Neolithisierung der Mittelmeerinseln [[Zypern]] und [[Kreta]].<ref name="Bar-Gal 2002">Gila Kahila Bar-Gal, Patricia Smith, Eitan Tchernov, Charles Greenblatt, Pierre Ducos, Armelle Gardeisen, Liora Kolska Horwitz: ''Genetic evidence for the origin of the agrimi goat (Capra aegagrus cretica).'' In: ''[[Journal of Zoology]].'' Band 256, Nr. 3, 2002, S. 369–377, [[DOI:10.1017/S0952836902000407]].</ref> In der [[Ur- und Frühgeschichte]] Mitteleuropas ist die Ziege erstmals in der [[Körös-Kultur]] (6200 bis 5600 v.&thinsp;Chr.) als Nutztier nachgewiesen, da es neben Knochenfunden auch Tongefäße mit eingeritzten Ziegenköpfen gibt. Ziegen und Schafe sind ebenfalls feste Bestandteile der ältesten bäuerlichen Kultur auf deutschem Boden, der [[Linearbandkeramische Kultur|Bandkeramik]]. Die Knochen beider Arten sind nach klassisch-anatomischer Bestimmung oft schwer unterscheidbar, daher ist der tatsächliche Anteil der Ziege in der Vorgeschichte bislang schlecht erforscht.<br />
<br />
== Wirtschaftliche Bedeutung ==<br />
[[Datei:Pferch - pen - στάνη 20190709 DSC3703.jpg|mini|[[Pferch]] für Ziegen in [[Makedonien (geographische Region Griechenlands)|Makedonien]]]]<br />
<br />
Ziegen liefern Fleisch, Leder, Milch (mehr als [[Schafe]]) und mitunter auch Wolle. Sie fressen, wenn alle Pflanzenarten vorkommen, zu 60 % Blätter und Baumbewuchs, zu 20 % Kräuter und nur zu 20 % Gras.<ref>Jack L. Albright, Clive Wendell Arave: ''The behaviour of cattle.'' CAB International, Wallingford (Oxon, UK) / New York 1997, ISBN 0-85199-196-3.</ref> Sie sind sehr genügsam, da sie über ein sehr effektives Verdauungssystem verfügen. Sie werden auch als die [[Hausrind|Kuh]] des kleinen Mannes bezeichnet, da sie einfacher zu ernähren und zu halten sind, wenn man über wenig Platz und Futter verfügt. Sie wurden und werden heute insbesondere in bergigen Landschaften (z. B. [[Alpen]], [[Norwegen]]) gehalten und können aufgrund ihrer Kletterfähigkeiten auch dort gehalten werden, wo die Haltung von Rindern nicht mehr möglich ist.<br />
{{Anker|Fressverhalten}}<br />
Ziegen können den Bewuchs ganzer Landschaften zerstören und so zur [[Wüste]]nbildung beitragen, da sie fast alle Pflanzen abfressen. Die [[Beweidung]] durch Ziegen unterlag daher in vielen Gegenden strengen Vorschriften.<br />
<br />
In Antike und Mittelalter wurden verschiedene Teile von Ziegen, etwa das Fleisch, die Haut und der Rauch der verbrannten Haare, als Arzneimittel in der Heilkunde verwendet.<ref>[[Otto Beßler]]: ''Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart.'' Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 179 zu ''Haedus'' bzw. ''Edus'': lateinisch für „(Ziegen-)Böckchen“ der Art „Capra“.</ref><br />
<br />
Wirtschaftlich genutzt werden:<br />
* [[Ziegenmilch]]<br />
* [[Ziegenfleisch]]<br />
* [[Chevreauleder|Ziegenleder]] (Chevreau-Leder) und Zickelleder (insbesondere für Handschuhe) sowie [[Ziegenfell]]e (vor allem Zickelfelle);<br/>weitere Ziegenledernutzungen siehe [[Gasometerleder]], [[Glacéleder]], [[Saffian]] <br />
* Ziegenhaar ([[Angoraziege]], [[Kaschmirziege]])<br />
<br />
[[Landwirtschaft]]lich von Bedeutung war die Hausziege schon im antiken [[Römisches Reich|Rom]]; sie ist es bis heute in [[Kleinasien]], [[Zentralasien]] und der [[Mongolei]].<br />
<br />
Die Nutzung der Ziege als Zugtier war bis Anfang des 20.&nbsp;Jahrhunderts auch in Europa weit verbreitet. Die erstaunlich kräftigen, genügsamen und robusten Ziegen wurden vor Kutschen und Wagen gespannt und, falls keine größeren Tiere verfügbar waren, auch zum Pflügen verwendet. In bergigem Gelände dienten Ziegen als [[Packziege|Lasttiere]].<br />
<br />
[[Datei:Goats in landscape management at German Highway B 42. Spielvogel 2013.jpg|mini|Ziegenherde zur [[Landschaftspflege]] an einem Steilhang der deutschen [[Bundesautobahn 59|A 59]].]]<br />
In Deutschland werden Ziegen auch in der [[Landschaftspflege]] eingesetzt. Hier eignen sie sich insbesondere zur Eindämmung der [[Verbuschung]] an [[Steilhang|Steilhängen]], bei denen eine manuelle Gehölzbeseitigung personalintensiv und daher teuer wäre.<ref> {{Webarchiv |url=https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/,Len/755409_1068087_649571_649575_649627 |text=''Ziegen in der Landschaftspflege'' |wayback=20140904202545}}, Infodienst [[Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg]]. Abgerufen am 19. Mai 2013.</ref> In Nordrhein-Westfalen werden von der [[Landesbetrieb Straßenbau NRW|Straßenbauverwaltung]] im Rahmen von Modellversuchen Ziegen auch zur Pflege von Hanglagen an Autobahnen eingesetzt. Dabei sind sie durch ihre Fähigkeit, sich auf die Hinterbeine zu stellen, in der Lage, auch größere Gehölze abzuschälen und so absterben zu lassen.<ref>[http://www.offenlandinfo.de/projekte/projektinhalte/management-von-offenland-lebensraeumen-an-pflegeproblematischen-steilhaengen-durch-ziegenbeweidung-im-unteren-saaletal/ ''Management von Offenland-Lebensräumen an pflegeproblematischen Steilhängen durch Ziegenbeweidung''], Veröffentlichung der [[Hochschule Anhalt]]. Abgerufen am 5. Mai 2013.</ref> Dies ist häufig bei der Zurückdrängung von [[Neobiota|Neophyten]] erwünscht, wie etwa der [[Robinie#Problematik: invasive Pflanze|Robinie]]. In den abgefressenen Gebieten ist nach Standortwechsel der Tiere meist eine Zunahme seltener bzw. [[Habitat|lebensraumtypischer]] Arten festzustellen.<ref>[http://www.ziegenhof-stumpf.de/medienecho/landschaftspflege-mit-ziegen.pdf ''Landschaftspflege mit Ziegen - 10 jährige Erfahrungen aus Nordrhein Westfalen''], Veröffentlichung des ''Ziegenhof-Stumpf'', abgerufen am 12. Mai 2013 (PDF; 51&nbsp;kB)</ref> In diesem Zusammenhang werden sie auch zur Bekämpfung des [[Riesen-Bärenklau]]s eingesetzt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.agrarheute.com/tier/kampf-gegen-giftigen-riesen-baerenklau-diese-tiere-schaffen-abhilfe-608682 |titel=Im Kampf gegen giftigen Riesenbärenklau: diese Tiere schaffen Abhilfe |titelerg=Stark giftiger Riesen-Bärenklau sorgt immer wieder für Verbrennung bei Rind, Pferde und auch Landwirt selbst. Wie Schafe und Ziegen die invasive, wuchernde Pflanze eindämmen, lesen Sie hier. | autor=Anneke Struck |hrsg=[[Agrarheute]] |datum=2023-07-05|zugriff=2023-07-17 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
Im Alpenraum werden (nur noch selten) Ziegen herdenweise zusammen mit Schafen in [[Transhumanz]] gehalten. Schaf und Ziege sind keine Nahrungskonkurrenten, denn die Schafe halten sich überwiegend an das stets ausreichend vorhandene Gras.<br />
<br />
Zu Pferden, die einzeln im Stall oder auf der Weide gehalten werden, führt man nicht selten eine oder mehrere Ziegen, um Aggression oder Depression beim Herdentier Pferd zu verhindern. Eine Ziege in derartiger Funktion nennt man ''Beistellziege''.<br />
<br />
== Verbreitung ==<br />
[[Datei:Ziegen unbekannt.jpg|mini|Verwilderte Ziegen auf dem [[An Teallach]], Schottland]]<br />
<br />
Hausziegen sind heute außer in extrem kalten Regionen weltweit verbreitet. Darüber hinaus wurden Hausziegen als [[Proviant]] für vorbeifahrende Schiffe auf vielen [[Insel]]n ausgesetzt, wo sie verwilderten. Sie hatten dort, etwa auf den [[Galápagos-Inseln]], eine verheerende Wirkung auf die einheimische [[Pflanzenwelt|Flora]] und [[Fauna]]. Deshalb hat man Ziegen auf vielen Inseln bewusst ausgerottet. Verwilderte Hausziegen in großer Zahl gibt es auch in [[Australien (Kontinent)|Australien]].<br />
<br />
== Hausziegenrassen ==<br />
[[Datei:Gorge du Verdon Goat 0254.jpg|mini|[[Roveziege|Rove-Bock]] in der Provence]]<br />
[[Datei:Ziegenkopf.jpg|mini|Ziegen haben rechteckige, horizontale Pupillen.]]<br />
<br />
Es gibt eine große Anzahl regionaler Rassen von Hausziegen. Je nach Züchtungsziel und Hauptverwertungsart werden sie in Fleischziegen, Milchziegen und Fellziegen unterteilt. Zu diesen zählen unter anderem:<br />
* [[Anglo-Nubische Ziege]]<br />
* [[Angoraziege]]<br />
* [[Appenzellerziege]]<br />
* [[Bagot-Ziege]]<br />
* [[Bunte Deutsche Edelziege]]<br />
* [[Bunte Holländische Ziege]]<br />
* [[Burenziege]], (eine Fleischziege)<br />
* [[Bündner Strahlenziege]]<br />
* [[Erzgebirgsziege]]<br />
* [[Gallaziege]], auch ''Somali-Ziege'' genannt<br />
* [[Gemsfarbige Gebirgsziege]]<br />
* [[Girgentana-Ziege]]<br />
* [[Graue Bergziege]] (Capra Grigia)<br />
* [[Kaschmirziege]]<br />
* [[Nera Verzasca]]<br />
* [[Ostafrikanische Zwergziege]]<br />
* [[Pfauenziege]]<br />
* [[Poitevine]]<br />
* [[Roveziege]]<br />
* [[Saanenziege]]<br />
* [[Schami (Hausziege)|Schami]]<br />
* Serpentina<br />
* [[Stiefelgeiss]]<br />
* [[Tauernscheckenziege]]<br />
* [[Thüringer Waldziege]]<br />
* [[Toggenburgerziege]]<br />
* [[Walliser Schwarzhalsziege]] (siehe auch [[Kupferhalsziege]])<br />
* [[Weiße Deutsche Edelziege]]<br />
* [[Westafrikanische Zwergziege]]<br />
<br />
''Siehe auch:'' [[Liste von Ziegenrassen]]<br />
<br />
== Krankheiten der Hausziege ==<br />
* Die [[Schaf- und Ziegenbrucellose]] ist eine [[Deckseuche]] von [[Hausschaf|Schafen]] und Ziegen, die vom [[Bakterium]] ''[[Brucella melitensis]]'' aus der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Brucella]]'' verursacht wird.<br />
* Die [[Paratuberkulose]] wird durch [[Mycobacterium avium|Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis]] ausgelöst.<br />
<br />
== Ziegen in Mythologie, Religion und Brauchtum ==<br />
=== Östliches Mittelmeer ===<br />
==== Griechenland ====<br />
[[Datei:Chimera Apulia Louvre K362.jpg|mini|[[Chimära]], Mischwesen mit Löwenkopf und Ziegenkopf auf einer [[Apulische Vasenmalerei|apulischen]] [[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen Schale]], 350–340&nbsp;v.&nbsp;Chr. ([[Louvre]], Paris)]]<br />
<br />
Der griechische Hirtengott [[Pan (Mythologie)|Pan]] ist ein [[Mischwesen]] aus einer Menschengestalt mit den Füßen, den Hörnern und dem [[Barthaar|Bart]] eines Ziegenbocks. Pan ist der schreckerregende Gott des Waldes, bösartig, wenn er um die Mittagszeit gestört wird, und als [[Phallus|phallischer]] Gott in zahlreiche Liebschaften verwickelt. Den Hirtenjüngling [[Daphnis (Sohn des Hermes)|Daphnis]] unterweist er in männlicher Sexualität. Daphnis gehörte selbst als Kind zu den Ziegen. Er wurde im Wald von einer Ziege gesäugt, bis ihn der Ziegenhirte Lamon fand und bei sich aufnahm. Dies und das Verhältnis mit der zur Männlichkeit Daphnis’ hingezogenen Chloe, die als Säugling von einem Schaf genährt worden war, erzählt [[Longos]] im 3. Jahrhundert in seinem Liebesroman ''[[Daphnis und Chloe]]''. Die jahreszeitlich bedingten Verhaltensweisen der Ziegen in der Herde prägen analog die enger werdende Beziehung der Protagonisten des Romans. Der Kampf um die Vorherrschaft unter Ziegenböcken im Frühjahr wird als männlich-sexuelle Aggression gezeigt.<ref>Stephen Epstein: ''The Education of Daphnis: Goats, Gods, the Birds and the Bees.'' In: ''Phoenix.'' Band 56, Nr. 1/2, Frühjahr–Sommer 2002, S. 25–39, hier: S. 29.</ref><br />
<br />
Die [[Chimära]], ein weiteres Mischwesen der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]], wird mit einem Ziegenkopf und Ziegenleib in der Mitte sowie einem Löwenkopf und als Schwanz einem Schlangenkopf beschrieben ({{grcS|χίμαιρα|chímaira}} bedeutet „Ziege“). Durch die Hilfe von [[Pegasos (Mythologie)|Pegasos]], einem anderen Mischwesen, konnte der Held [[Bellerophon]] das dreiköpfige Wundertier, das Feuer spie, aus der Luft erschießen.<br />
<br />
Ein Ziegenhirte zur Zeit des mythischen Königs [[Oineus (Vater des Meleagros)|Oineus]] sah einen seiner Ziegenböcke am Weinstock fressen und entdeckte so die Trauben, aus denen Oineus den ersten Wein kelterte. Dem griechischen Gott des Weines, [[Dionysos]], wurden bei den [[Dionysien|Dionysos-Festspielen]] Zicklein dargebracht.<ref>[[Karl Kerényi]]: ''Die Mythologie der Griechen.'' Band 2: ''Die Heroen-Geschichten.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1966, S. 95 f. und 239.</ref> Laut einem Mythos vom Tod und der Auferstehung des Dionysos stieg dieser durch den „alkyonischen See“ bei [[Lerna]] in den [[Hades]] hinunter, um seine Mutter [[Semele (Mythologie)|Semele]] von den Toten zu erretten. Seine Rückkehr aus dem grundlosen See an einer Stelle, an der nach dem Mythos ein Phallus auf einem Grabhügel stand, feierten die lokalen Griechen jedes Jahr mit einem Fest, das vermutlich ein Frühlingsfest war, indem sie mit Trompetenblasen den Gott aus dem Wasser riefen und dem Totenwärter als Opfer ein Lamm in den See warfen.<ref>[[James George Frazer]]: ''[[Der goldene Zweig]]. Eine Studie über Magie und Religion.'' Band 2. Ullstein, Frankfurt am Main 1977, S. 568.</ref><br />
<br />
Die griechische Liebesgöttin [[Aphrodite]] wurde auf einem Bock oder einer Ziege reitend dargestellt. Im 2. Jahrhundert n. Chr. beschreibt der griechische Schriftsteller [[Pausanias]] ein Standbild dieses Typs der Aphrodite mit dem Beinamen ''Epitragia'' („auf oder bei einem Bock“) als Werk des Bildhauers [[Skopas]] aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Epitragia genannte Figuren sollten wohl speziell die für die Sexualität der männlichen Jugendlichen verantwortliche Göttin zeigen, weil junge Männer in diesem Zusammenhang ''tragoi'' („Böcke“, Sg. ''tragos'') genannt wurden. Hierzu passt auch, dass [[Aristoteles]] sich mehrmals zu Gemeinsamkeiten der Sexualität bei Ziegenböcken und bei jungen Männern äußerte.<ref>Katharina Waldner: ''Geburt und Hochzeit des Kriegers. Geschlechterdifferenz und Initiation in Mythos und Ritual der griechischen Polis'' (= ''Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten.'' Band 46). Walter de Gruyter, Berlin / New York 2000, S. 201.</ref><br />
<br />
Die Nymphe [[Amaltheia]], Mutter des Pan, zog den jungen [[Zeus]] mit der Milch einer Ziege auf; nach anderen Erzählungen war Amaltheia selbst die säugende Ziege. Diesen Überfluss verkörpert Amaltheia auch mit ihrem [[Füllhorn]] (latein. ''cornu copiae'', „Horn der Fülle“).<br />
<br />
==== Judentum ====<br />
[[Datei:Azazel IMG 1739.JPG|mini|[[Asasel]], ein ziegengestaltiger Dämon, auch der Name eines Berges in der [[Judäische Wüste|Judäischen Wüste]], an dem das Opfer des „[[Sündenbock]]s“ lokalisiert wird.]]<br />
<br />
In der jüdischen Bibel ([[Tanach]]) werden Ziegenböcke im Zusammenhang mit dem Versöhnungstag erwähnt (hebräisch [[Jom Kippur]], {{B|Lev|16|5–10}}). Jom Kippur ist bis heute der höchste jüdische Feiertag. Über dem per Los ermittelten Ziegenbock für den Wüstendämon [[Asasel]] wurden alle Sünden des Volkes Israel vom Hohepriester öffentlich bekannt.<ref name="Plaut-Waj-JomK_158">„… um nämlich die Sünden der Kinder Jisraels darauf zu bekennen …“ {{Literatur |Autor=Annette Böckler |Titel=Wajikra |Hrsg=W. Gunther Plaut |Auflage=3. Aufl., 1. Aufl. der Sonderausg. |Verlag=Gütersloher Verlagshaus |Ort=Gütersloh |Datum=2008 |ISBN=9783579054940 |Seiten=158 |Online=[https://books.google.de/books/about/Die_Tora_in_j%C3%BCdischer_Auslegung.html?id=TpxdPgAACAAJ&hl=de Google Books]}}</ref> Anschließend wurde das Tier „für Asasel“ getötet, indem es über den Rand der Bergklippen in der Judäischen Wüste geschickt wurde. Der Eigenname Asasel geht auf [[Semitische Sprachen|semitische]] Wurzeln zurück: [[El (Gott)|El]] (''al''), für „Gott“, und ''es'', [[Hebräische Sprache|hebräisch]] für „Ziegenbock“.<ref name="Plaut-Waj-JomK">{{Literatur |Autor=Annette Böckler |Titel=Wajikra |Hrsg=W. Gunther Plaut |Auflage=3. Aufl., 1. Aufl. der Sonderausg. |Verlag=Gütersloher Verlagshaus |Ort=Gütersloh |Datum=2008 |ISBN=9783579054940 |Seiten=151 ff. |Online=[https://books.google.de/books/about/Die_Tora_in_j%C3%BCdischer_Auslegung.html?id=TpxdPgAACAAJ&hl=de Google Books]}}</ref><br />
<br />
Das [[Buch Daniel]] im [[Tanach]], der hebräischen Bibel, erzählt die endzeitliche Vision des Sehers Daniel. Dan&nbsp;8 enthält den Traum vom Widder und vom Ziegenbock und dessen Hörnern: Ein Ziegenbock mit einem großen Horn besiegt einen Widder mit zwei Hörnern und wirft ihn zu Boden. Danach wird der Ziegenbock sehr groß, bis schließlich das große Horn zerbricht und an seiner Stelle vier kleinere Hörner in den vier Haupthimmelsrichtungen wachsen. Der Ziegenbock steht für den König von Griechenland, die beiden Hörner symbolisieren die Könige von Medien und Persien. Gegen Ende – so die Deutung der Vision – werden aus dem siegreichen griechischen Reich vier kleinere, weniger mächtige Reiche entstehen.<ref>{{B|Daniel|8|1}}</ref> [[Rembrandt van Rijn|Rembrandt]] malte um 1650 ein Ölbild mit der Danielvision.<ref>[http://www.artbible.info/art/large/97.html ''Daniel’s Vision.''] Art and the Bible</ref><br />
<br />
==== Christentum ====<br />
[[Datei:Webb Sending Out the Scapegoat.jpg|mini|hochkant|Der Sündenbock wird in die Wüste geschickt. Illustration von [[William James Webbe]], vor 1904]]<br />
<br />
Vor allem auf ihre sexuellen Triebe reduzierte Ziegenböcke gelten in biblischen Texten des Christentums – konträr zur heidnischen Vorstellung – als sprichwörtlich schlecht und [[Teufel|teuflisch]], im Gegensatz zu Schafen, denen positive Eigenschaften zugemessen werden, da auch [[Christus]] ''[[Lamm Gottes]]'' (altgriechisch Ἀμνὸς τοῦ Θεοῦ [Amnòs toû Theoû]) genannt wird. Entsprechend heißt es im Neuen Testament, im [[Jüngstes Gericht|Jüngsten Gericht]] in {{B|Matthäus|25|31}}, dass Christus die Völker zu sich kommen lasse und sie wie der Hirte seine Schafe und Böcke in Gute und Schlechte unterscheide. Der Hirte versammele die guten Schafe zu seiner Rechten und die Böcke zu seiner Linken. Christus segne mit der rechten Hand diejenigen, die in den Himmel auffahren werden, während zu seiner Linken die zur [[Hölle]] Verdammten sitzen. Mit der [[Lutherbibel|Lutherübersetzung]] der christlichen Bibel ins Deutsche wurde der Begriff [[Sündenbock]] zu einem geflügelten Wort. Die traditionelle christliche [[Sühnopfertheologie]] und das christliche Verständnis von Sühneopfer weicht vom jüdischen Verständnis der Begriffe „Opfer“ und „Sühne“ ab, so auch die Deutung der Version der Geschichte {{B|Lev|13|3–10}} im [[Altes Testament|Alten Testament]]. Hier werden dem Bock alle Sünden des Volkes in einer Symbolhandlung aufgeladen, der „Bock für Asasel“ wird zum stellvertretenden „Sündenbock“ umgedeutet.<br />
<br />
==== Südarabien ====<br />
Im vorislamischen [[Südarabien]] verkörperte der [[Steinbock]] eine männliche Gottheit, der in einer rituellen Jagd nachgestellt wurde, während die [[Oryxantilopen|Oryxantilope]] mit einer weiblichen Gottheit in Verbindung stand. Auf der zum Jemen gehörenden Inselgruppe [[Sokotra]] vor der Küste [[Somaliland]]s haben sich einige Mythen und Bräuche im Zusammenhang mit Ziegen erhalten, die mit der Rolle des Ziegenbocks in den nahöstlichen Opferkulten zu tun haben. Die Mythen enthalten die Vorstellung von Ziegen als Lebensrettern, wenn etwa eine Ziege einen Jungen vor seinen Feinden versteckt und ihn mit Milch nährt oder ein Junge mit Hilfe der magischen Fähigkeiten der Ziege siegreich aus einem Kampf hervorgeht. Letzteres wird in der „Geschichte von Makon“ geschildert. Hierin kommt auch das verbreitete Motiv der Zwillinge vor. Um eine Ziege mit magischen Fähigkeiten zu besitzen, besorgt sich der Großvater des Jungen zwei trächtige Ziegen. Als beide ihren Nachwuchs bekommen haben, tötet der Großvater eines der Zicklein, damit das andere von zwei Müttern gesäugt wird und so die magischen Kräfte erhält. Das Zwillingsmotiv steht mit den für die [[ugaritische Religion]] wesentlichen Fruchtbarkeitsmythen in Verbindung. Dort wird ein Ritual beschrieben, bei dem gleichzeitig ein weibliches Ziegenkitz in Milch und ein junger Ziegenbock in Öl gekocht wird.<br />
<br />
=== Zentraleuropa ===<br />
[[Datei:Heiðrún by Lorenz Frølich.jpg|mini|hochkant|Die Ziege [[Heidrun (Mythologie)|Heidrun]] im Baum [[Lärad]]. Zeichnung von 1895 in einem Werk des dänischen Schriftstellers [[Karl Gjellerup]].]]<br />
<br />
Weibliche Ziegen kommen bei den [[Germanen]] häufig wie Amaltheia als großzügig austeilende Ammen vor. In der [[Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]] ist es die Ziege [[Heidrun (Mythologie)|Heidrun]], die von den Blättern des Baums [[Lärad]] frisst und aus deren Eutern [[Met]] fließt. In [[Walhall]] spendet die Himmelsziege [[Heidrun (Mythologie)|Heidrun]] den Met, den die Helden trinken.<br />
<br />
Der Ziegenbock ist für die Germanen ein edles Tier, welches dem Donnergott [[Thor]] geopfert wird. Der [[Asen (Mythologie)|Ase]] Thor erscheint in Abbildungen und in der ''[[Snorra-Edda]]'' auf seinem Streitwagen, den zwei Ziegenböcke ziehen, die [[Tanngnjostr und Tanngrisnir|Tanngnjostr]] („Zähneknisterer“) und Tanngrisnir („Zähneknirscher“) heißen. Wenn der Wagen über die Himmelsbahn durch die Wetterwolken rumpelt, donnert es. Thors Böcke können darüber hinaus wiederholt geschlachtet und verspeist werden. Nach jeder Mahlzeit werden sie aus Haut und Knochen wieder zum Leben erweckt. An die germanischen Böcke erinnert in Skandinavien der als Weihnachtsschmuck verwendete [[Julbock]], der auf einen Fruchtbarkeitskult zurückgeht. Eine entsprechende Figur ist im Alpenraum die [[Habergeiß]], die ursprünglich wohl ebenso für Fruchtbarkeit stand und unter dem Einfluss des Christentums zu einem Dämon in Ziegen- und Vogelgestalt herabsank.<br />
<br />
In der [[Keltische Mythologie|keltischen Mythologie]] von [[Wales]] genießen Ziegen wegen ihrer magischen Fähigkeiten und ihrer Nähe zu den koboldartigen Wesen namens [[Tylwyth Teg]] ein hohes Ansehen. Ferner stehen sie mit den Gwyllion, nachtaktiven und unguten Geistern, in Beziehung.<ref>Wirt Sikes: {{Webarchiv |url=http://aren.org/prison/documents/celtic/24/24.pdf |text=''British Goblins: Welsh Folk-lore, Fairy Mythology, Legends and Traditions.'' |wayback=20131019074754}} S. Low, Marston, Searle & Rivington, London 1880</ref><br />
<br />
In der frühchristlichen Kunst taucht die Ziege eher dekorativ (wie in den [[Domitilla-Katakomben]] in Rom) und weniger als Symboltier auf. Das bekannteste Beispiel für eine symbolische Funktion im Mittelalter liefert die Darstellung der [[Wollust]] (latein. ''luxuria''), eine der sieben [[Todsünden]] in der mittelalterlichen christlichen Bildsprache. Sie erscheint in der Vorhalle des [[Freiburger Münster]]s als nackte Jungfrau, die nur um die Schultern das Fell eines Ziegenbocks trägt, neben einem die Sünde verkörpernden Mann in schöner Kleidung, aber mit einer von üblem Getier bedeckten rechten Körperseite.<ref>Wilhelm Molsdorf: ''Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst.'' Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1984, S. 221</ref> Auf Reliefs des 13. Jahrhunderts sitzt die Wollust im deutschen Raum als nackte junge Frau auf einem Ziegenbock (Ernstkapelle des [[Magdeburger Dom]]s), im 14. Jahrhundert ist diese auf die griechische Aphrodite zurückgehende Darstellung in Frankreich weit verbreitet, etwa an einer [[Konsole (Bauwesen)|Konsole]] im südlichen Querschiff in der [[Saint-Germain d’Auxerre|Kathedrale von Auxerre]]. Bis ins 15. Jahrhundert kommen Zeichnungen der auf einem Ziegenbock reitenden Wollust in [[Stundenbuch|Stundenbüchern]] vor.<ref>Susanne Blöcker: ''Studien zur Ikonographie der Sieben Todsünden in der niederländischen und deutschen Malerei und Graphik von 1450–1560.'' Lit, Münster 1993, S. 123f</ref><br />
<br />
Der mittelalterliche [[Teufel]] macht sich durch seinen scharfen Geruch bemerkbar und vereint ansonsten – in seiner äußeren Erscheinung mit schwarzen Haaren und einem Ziegenfuß in der Nachfolge des Pan – die negativen Eigenschaften des Ziegenbocks. Ähnlich dämonisierte das mittelalterliche Christentum das Pferd, etwa wenn der Teufel alternativ mit einem [[Pferdefuß]] dargestellt wird.<ref>Kristina Jennbert: [http://lup.lub.lu.se/luur/download?func=downloadFile&recordOId=532798&fileOId=1366100 ''Sheeps and goats in Norse paganism.''] In: Barbro Santillo Frizell (Hrsg.): ''Pecus, Man and Animal in Antiquity: Proceedings of the conference at the Swedish Institute in Rome, September 9–12, 2002.'' 2004, S. 160–166, hier S. 164</ref><br />
<br />
Als [[gemeine Figur]] kommen Ziegenbock und Ziege als [[Ziegenbock (Wappentier)|Wappentier]] in der [[Heraldik]] vor. In Sagen und Ortschroniken haben es einzelne Ziegen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. An ein bestimmtes Tier erinnert die jährliche [[Geißbockversteigerung]] in der vorderpfälzischen Stadt [[Deidesheim]]. Angeschafft als Glücksbringer 1950 hat sich der [[Geißbock Hennes]] zwischenzeitlich als Maskottchen des [[1. FC Köln]] eingerichtet.<br />
<br />
Jedes Jahr am 10. August wird in der irischen Kleinstadt [[Killorglin]] beim ''Puck Fair'' ein Ziegenbock zum König erklärt. Das dreitägige Volksfest geht der Legende nach etwa auf das 10. Jahrhundert zurück, als [[Grænlendingar]], dänische Siedler auf Grönland, Raubzüge in Irland durchführten, die Einwohner massakrierten und ausplünderten. Einmal geschah es, dass die Eindringlinge, als sie landeinwärts marschierten, auf einem Hügel einen Ziegenbock sahen und dermaßen erschraken, dass sie zu ihren Schiffen zurückrannten und sich nie wieder blicken ließen.<ref>M. A. Murray: ''The Puck Fair of Killorglin.'' In: ''Folklore.'' Band 64, Nr. 2, Juni 1953, S. 351–354.</ref><br />
<br />
=== Iranisches Hochland und Zentralasien ===<br />
Im ''[[Avesta]]'', der heiligen Schrift des iranischen [[Zoroastrismus]], findet sich die Ziege (''buz'') in der Liste der zu opfernden Tiere und im ''[[Bundahischn]]'', einem anderen [[Mittelpersische Sprache|mittelpersischen]] religiösen Werk, werden fünf Ziegenartige unterschieden. In zentralasiatischen Palästen (etwa in [[Samarkand]] und in [[Hulbuk]] im Süden [[Tadschikistan]]s) des 11.&nbsp;und 12.&nbsp;Jahrhunderts kommen innerhalb von geometrischen und floralen Ornamenten der islamischen Kunst unter anderem Abbildungen von Adlern, Fischen, Widdern, Ziegen, Pferden und [[Greif]]en vor, die in der vorislamischen Zeit Gottheiten verkörperten.<ref>R. Suleimanov: ''On Relicts of Ancient Culture and Ideology of Islam in Central Asia''. In: ''Oriente Moderno, Nuova serie, Anno 87,'' Nr. 1, (Studies on Central Asia) 2007, S. 203–223, hier S. 210</ref><br />
<br />
Die berühmteste Ziege der mittelpersischen Literatur kommt in dem Gedicht „Der babylonische Baum“ (''draxt i asurig'') vor. Es handelt sich um eine Streitfabel eines unbekannten Dichters, die mündlich überliefert und zuerst in [[Parthische Sprache|parthischer Sprache]] festgehalten wurde.<ref>Christopher J. Brunner: ''The Fable of the Babylonian Tree Part I: Introduction.'' In: ''[[Journal of Near Eastern Studies]].'' Band 39, Nr. 3, Juli 1980, S. 191–202.</ref> Eine Ziege tritt mit einer Dattelpalme in einen argumentativen Wettstreit, wer von beiden die meisten Vorteile habe und am nützlichsten sei.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.rahamasha.net/uploads/2/3/2/8/2328777/da.pdf |wayback=20160616193824 |text=''The verbal contest between a goat and a Babylonian date-palm''. }} (Umschrift und englische Übersetzung des Gedichts)</ref> Abschließend erklärt der Dichter die Ziege, die über Bergweiden davonlaufen kann, während die Palme am Ort festgewurzelt bleibt, zum Sieger.<ref>[http://www.iranicaonline.org/articles/draxti-asurig ''DRAXT Ī ĀSŪRĪG.''] In: ''[[Encyclopædia Iranica]]''</ref><br />
<br />
In [[Kirgisien]] gibt es eine Marionettenaufführung namens ''tak-teke'' („die springende Ziege“), die von einer meist weiblichen Person gezeigt wird, die zugleich die Maultrommel ''[[Qopuz|temir-komuz]]'' spielt. Die Darstellerin hält, während sie Maultrommel spielt, einen Faden in einer Hand, mit dem sie die vor sich auf einem Tisch aufgestellte Marionettenfigur einer Ziege im Rhythmus zur Musik tanzen lässt.<ref>[https://www.youtube.com/watch?v=KhXWdnhAVOw ''Svein Westad "Tak teke".'' Свеин Вестад Варган и куклы.] Youtube-Video</ref> Ein ähnliches Spiel ist aus [[Turkmenistan]] bekannt, wo ein männlicher Akteur vor sich einen Kasten positioniert hat, auf dem sich zwei Ziegenfiguren gegenüberstehen, die er mit zwei Schnüren in einer Hand zum Tanzen bringt, während er eine Langhalslaute (''[[dotar]]'') spielt. Im Norden Afghanistans heißt die ähnliche Aufführung eines ''[[dambura]]''-Spielers ''[[buz bazi]]'' („Ziegen-Spiel“). Der afghanische Musiker lässt eine Ziege mittels eines Fadens auf- und abhüpfen.<ref>Mark Slobin: ''Buz-Baz: A Musical Marionette of Northern Afghanistan.'' In: ''Asian Music.'' Band 6, Nr. 1/2 (''Perspectives on Asian Music: Essays in Honor of Dr. [[Laurence Picken|Laurence E. R. Picken]]''), 1975, S. 217–224, hier: S. 219.</ref> Diese vom Spieler eines Saiteninstruments bewegte Ziegenmarionette ist auch in anderen Ländern Zentralasiens bis in die Mongolei bekannt. Die in Kasachstan ''orteke'' genannte Ziegenfigur wird üblicherweise vom Spieler der Langhalslaute ''[[dombra]]'', der Streichlaute ''[[kobys]]'' oder der Zither ''[[jetigen]]'' angeregt.<ref>[https://www.youtube.com/watch?v=je6dpABcDLU ''Orteke – or Altay – Hassak.''] Youtube-Video (kasachische ethnische Popularmusik der Gruppe ''Hassak'' mit mehreren Ziegenmarionetten)</ref><br />
<br />
In Afghanistan und den nördlich benachbarten Ländern Zentralasiens ist das Reiterspiel [[Buzkaschi]] ein leidenschaftlich betriebener Nationalsport an Feiertagen. Mehrere Reiter kämpfen darum, eine tote Ziege auf dem Spielfeld aufzugreifen, mitzunehmen und sie an einem Zielpunkt abzulegen. Es kommt zu heftigen Gerangel zwischen den galoppierenden Rivalen und der Sieger genießt hohes Ansehen bei den Zuschauern.<br />
<br />
=== Südasien ===<br />
Dem aus der [[Vedische Religion|vedischen Religion]] stammenden Feuergott [[Agni]] ist als Reittier ein Widder oder eine Ziege beigesellt. Ziegen kommen ansonsten in der indischen Mythologie kaum vor. Ziegen, Widder und Pferde waren die hauptsächlichen Opfertiere der [[Veda|vedischen]] Zeit in [[Südasien]]. Im heutigen [[Hinduismus]] sind Tieropfer weitgehend tabu und werden nur noch bei einigen volksreligiösen Praktiken zur Verehrung von Lokalgottheiten praktiziert. Eine Ausnahme bildet die Verehrung der furchtbaren schwarzen Göttin [[Kali (Göttin)|Kali]]. Ihre bekannteste Erscheinungsform ist die Dakshina Kali, die mit vier Armen, einer Halskette aus Schädeln und das Blut ihrer Besiegten trinkend auf dem am Boden liegenden [[Shiva]] steht. Kali erhält täglich oder zumindest regelmäßig Ziegenopfer ([[Hindi]] ''pathabali''), eine Form hinduistischer Tieropfer (''pashubali''), an mehreren Tempeln in [[Westbengalen]], besonders an ihrem Haupttempel [[Kalighat-Tempel|Kalighat]] in [[Kalkutta]] und im Nepal am [[Dakshinkali-Tempel]] nahe [[Kathmandu]]. Am Kalighat-Tempel leitet ein [[Brahmane]]n-Priester die Zeremonie, während Angehörige einer niedrigen Kaste im Auftrag des Opferers das Tier zerteilen, um es nach Hause mitzunehmen, wo es verspeist wird. Die tägliche Opfernahrung Kalis (''bhog'') beinhaltet gekochtes Ziegenfleisch, das von Brahmanen dargeboten wird.<ref>Suchitra Samanta: ''The “Self-Animal” and Divine Digestion: Goat Sacrifice to the Goddess Kali in Bengal.'' In: ''The Journal of Asian Studies.'' Band 53, Nr. 3, August 1994, S. 779–803, hier: S. 783.</ref><br />
<br />
=== Afrika ===<br />
[[Datei:Brooklyn Museum 67.25.12 Goat.jpg|mini|Ziege, auf der drei Vögel sitzen. Bronzefigur der westafrikanischen [[Akan]]]]<br />
<br />
In der [[Afrikanische Kosmogonie|afrikanischen Kosmogonie]] kommen Ziegen nur gelegentlich als Ersatz für andere Tiere, etwa [[Ameisenbär]]en und [[Chamäleons]] vor. Ein Mythos der westafrikanischen [[Aschanti (Volk)|Aschanti]] erklärt, wie die frühen Menschen das Paradies verloren haben. Üblicherweise überbringt das Chamäleon im Wettstreit mit der Eidechse die Botschaft, dass die Menschen von nun an sterblich sein werden. Einmal werden stattdessen eine Ziege und ein Schaf losgeschickt. Die Ziege soll mitteilen, dass die Menschen zwar sterben, aber später im Himmel leben werden. Weil die Ziege unterwegs stehenbleibt und Gras frisst, schickt der Schöpfergott das Schaf mit derselben Botschaft los. Das Schaf kann sich die Botschaft nicht richtig merken und erzählt den Menschen, dass der Tod ihr Ende sein wird. Als später die Ziege eintrifft und vom jenseitigen Leben erzählt, haben sich die Menschen bereits mit ihrer Sterblichkeit abgefunden.<br />
<br />
In den meisten afrikanischen Ursprungsmythen ist die Welt bereits entstanden und muss nur noch in weiteren Mythen alltagstauglich eingerichtet werden. In einer Volkserzählung der westafrikanischen [[Yoruba (Ethnie)|Yoruba]] suchten ein Leopard, eine Ziege und ein Ziegenbock nach Land, um darauf ein Haus zu bauen. Als der Ziegenbock als erster einen geeigneten Platz erreichte, befreite er ihn vom Gehölz und kehrte abends heim. Am nächsten Tag fand der Leopard den freien Platz vor, fragte sich, wer wohl vor ihm dagewesen sein mag, vermengte Wasser mit Erde zu Lehm und ging heim. Als der Ziegenbock am nächsten Morgen erstaunt den Lehm vorfand, mauerte er damit die erste Lage der Wände und ging heim. So arbeiteten beide abwechselnd und nichts vom anderen wissend, bis das Dach des Hauses fertiggestellt war. Erst als am nächsten Tag beide in das Haus einziehen wollten, weil sie es für das ihre hielten, kam es zum Streit. Die Ziege schlug vor, sich zu vertragen und zu dritt einzuziehen. Zu einer späteren Zeit brachte der Leopard zuerst den getöteten Vater und dann die Mutter des Ziegenbocks als Nahrung nach Hause. Der entsetzte Ziegenbock bat daraufhin einen Jäger, einen Leoparden für ihn zu erlegen. Als der Ziegenbock den toten Leoparden auf der Straße heimwärts schleppte, sah dies der Leopard, war fassungslos, weil der Ziegenbock zu so einer Tat fähig gewesen war, und rannte für immer in den Wald. Seither wohnt das Ziegenpaar friedlich allein in dem Haus. Die Erzählung erklärt, weshalb Ziegen als Haustiere im Dorf und Leoparden draußen im Wald leben.<ref>William R. Bascom: ''The Relationship of Yoruba Folklore to Divining.'' In: ''The Journal of American Folklore.'' Band 56, Nr. 220, April–Juni 1943, S. 127–131.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* D. E. Wilson, D. M. Reeder: ''Mammal Species of the World.'' 2. Auflage. Smithsonian, Washington 1993, S. 405.<br />
* M. A. Zeder, B. Hesse: ''The Initial Domestication of Goats (Capra hircus) in the Zagros Mountains 10,000 Years Ago''. In: ''[[Science]].'' 287, März 2000, S. 2254–2257.<br />
* D. Zohary, [[Eitan Tchernov]], L. Kolska Horwitz: ''The role of unconscious selection in the domestication of sheep and goats''. 1998.<br />
* Annette Arnold, René Reibetanz: ''Alles für die Ziege. Handbuch für die artgerechte Haltung''. pala-verlag, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-89566-235-5.<br />
* C. Naaktgeboren: ''The Mysterious Goat. Images and Impressions.'' BBPress, Eindhoven 2006. (Zur Kulturgeschichte der Ziege, international. Illustrationen) (Auszüge im Web: [http://www.bbpress.nl/livestock/mysterious_goat.shtml bbpress.nl])<br />
* {{Literatur |Autor=[[Wolfgang Beck (Germanist)|Wolfgang Beck]], [[Jan Ulrich Büttner]], [[Hans Reichstein]] |Titel=Ziege |Sammelwerk=[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]] |Nummer=34 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin/New York |Datum=2007 |ISBN=978-3-11-018389-4 |Seiten=526–532}}<br />
* {{LexMA|9|598|599|Ziege|Ch. Hünemörder, D. Hägermann}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Capra aegagrus hircus|Hausziege}}<br />
{{Wikispecies|Capra hircus|Hausziege}}<br />
{{Wikiquote|Ziege|Hausziege}}<br />
* {{DNB-Portal|4128660-1}}<br />
* [http://www.ziegen-treff.de/ ziegen-treff.de] (Website von Ziegenhaltern für Ziegenhalter)<br />
* [http://www.ziege.ch/ ''Die Welt der Ziegen''.] ziege.ch<br />
* [http://www.weiss-die-geiss.de/ ''Wiki für Milchziegen''.] weiss-die-geiss.de (Informationen von und für Profis zu Ziegenhaltung in Schweiz, Deutschland, Frankreich – mit Fotos und Videos)<br />
* [http://www.ziegenlexikon.de/ Ziegenlexikon]<br />
* [http://www.prospecierara.ch/de/tiere ProSpecieRara über alte und gefährdete Ziegenrassen der Schweiz]<br />
* {{HLS|13948|Ziege|Autor=Peter Lehmann, André Rehazek}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4128660-1}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ziegenartige]]<br />
[[Kategorie:Hausziege| ]]</div>Objezdhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Denglisch&diff=257921910Denglisch2025-07-15T14:29:40Z<p>Objezd: Sprachsschände</p>
<hr />
<div>[[Datei:Denglish.jpg|mini|Mischung aus Deutsch, Englisch und Französisch in einem Bekleidungshaus]]<br />
<br />
'''Denglisch''', Verrätersprache, auch ''Denglish'' oder ''Engleutsch'', ist eine [[Kontraktion (Linguistik)|Kontraktion]] aus „Deutsch“ und „Englisch“. Es ist ein [[Pejoration|abwertender Begriff]] aus der deutschen [[Sprachpflege]]. Diese verwendet den Begriff, um den vermehrten Gebrauch von [[Anglizismus|Anglizismen]] und [[Scheinanglizismus|Scheinanglizismen]] in der deutschen Sprache zu bemängeln.<br />
<br />
== Der Unterschied zwischen Denglisch und Anglizismus ==<br />
<br />
[[Anglizismus|Anglizismen]] sind aus dem Englischen stammende Fremdwörter (zumeist Substantive oder substantivierte Verben: ''comic, hobby, TV, e-mail, computer, laptop'') oder aus der englischen Sprache übernommene Phrasen (z.&nbsp;B. „Liebe machen“ von ''to make love''). Was ein Anglizismus ist, kann durch objektiv feststellbare Kriterien bestimmt werden. Der Begriff „Anglizismus“ ist wertneutral. „Denglisch“ – ein [[Kofferwort]], das sich aus ''De''–utsch und ''Englisch'' zusammensetzt – ist hingegen ein abwertender Begriff aus der deutschen [[Sprachpflege]]. Was der Begriff genau umfasst, ist nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmbar, sondern folgt aus einer subjektiven Einschätzung dessen, der ein Sprachphänomen als „Denglisch“ bezeichnet. Entsprechend vielfältig sind die Definitionen des Begriffs:<br />
<br />
Von Denglisch sprechen einige vor allem dann, wenn nicht nur Substantive, sondern auch – wenngleich seltener – englische Verben und Adjektive in die deutsche Sprache übernommen werden.<br />
<br />
Beispiele:<br />
* Das ist eine ''stylische'' Hose.<br />
* Der Flug wurde ''gecancelt''.<br />
* Ich habe das Programm ''downgeloadet'' (oft auch ''gedownloadet).''<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/node/134717/revision/499431 |titel=downloaden {{!}} Duden |sprache=de |abruf=2022-06-12}}</ref><br />
<!-- Drei Beispiele reichen. Bitte keine weiteren hinzufügen. Die Liste wird sonst zu unübersichtlich und unenzyklopädisch. --><br />
<br />
''Das ist eine schicke, modische Hose'', ''Der Flug wurde abgesagt'' und ''Ich habe das Programm heruntergeladen'' sind im Sprachgebrauch ebenso möglich und verständlich.<br />
<br />
Bei diesen Beispielen zeigt sich, dass deutsche [[Morphem]]e an die englischen Wörter angefügt werden, damit die Entlehnungen in die korrekte deutsche Syntax passen. Auch dies wird von Denglisch-Kritikern für bedenklich gehalten. Die Sprachwissenschaft sieht hierin jedoch einen Beweis für die fortwährende Lebenskraft der deutschen grammatikalischen Strukturen: Die englischen Elemente werden nicht einfach mit der englischen Flexion übernommen – was im Deutschen in der Tat ungrammatisch wäre –, sondern formal korrekt an die Gegebenheiten der deutschen Sprache angepasst. Ungewohnt ist hier allein die Tatsache, dass auch Adjektive und Verben entlehnt werden, während sich die sprachliche Entlehnung sonst fast ausschließlich auf Substantive beschränkt, die ihrerseits ebenfalls in das deutsche Flexionssystem eingegliedert werden müssen, vgl. ''die/das E-Mail, die E-Mail'''s'''; der ''[[Server]]'', die ''Server.'' ''<br />
<br />
Als Denglisch wird kritisierend auch die Konstruktion neuer Ausdrücke bezeichnet, die sich aus englischen und deutschen Wortbestandteilen zusammensetzen. Darauf trifft der Begriff Anglizismus bestenfalls eingeschränkt zu, man spricht von Hybridbildungen. Ein Beispiel dafür ist ''Backshop'' – auch ''Back Shop'' oder ''Backstore'' –, gebildet aus dem deutschen Wort ''backen'' und dem englischen Wort ''{{lang|en|shop}}'' bzw. ''{{lang|en|store}}'' (dt. Laden, Geschäft). Bezeichnet werden damit Bäckereien oder Backwarengeschäfte, allerdings hat das gleichklingende Wort ''{{lang|en|buck}}'' im Englischen die umgangssprachliche Bedeutung „Dollar“ und das gleichgeschriebene ''{{lang|en|back}}'' im Englischen mehrere eigene Bedeutungen, darunter „Rücken“, „zurück“ und „Lehne“.<br />
<br />
== Entwicklung und Beispiele ==<br />
<br />
=== Fremd- und Lehnwörter ===<br />
<br />
Da sich die englische Grammatik von der deutschen unterscheidet, treten bei Anglizismen oft Unsicherheiten bzgl. der [[Flexion|Beugungsregeln]] und des [[Genus|Wortgeschlechts]] auf (siehe auch [[Neologismus#Neologismen und Sprachnorm|Neologismen und Sprachnorm]]).<br />
<br />
Bei Übersetzungen aus dem Englischen werden oftmals formal entsprechende deutsche Wörter verwendet, auch wenn diese sonst nicht in derselben Bedeutung üblich sind, etwa ''[[Novelle]]'' für engl. ''novel'' ‚[[Roman]]‘. Der Bedeutungswandel von Wörtern –&nbsp;der in jeder Sprache ein normaler Vorgang ist&nbsp;– wird durch diese stark an der Ausgangssprache orientierten Übersetzungen beschleunigt. Ohne Prüfung auf ein bekanntes deutsches Äquivalent können auch zunächst weitgehend unverständliche Neuschöpfungen entstehen, wie ''Nonproliferationsvertrag'' (englisch ''non-[[Proliferation (Massenvernichtungswaffen)|proliferation]] treaty''),<ref>Stefan Winterstein: ''Übersetzungsfallen'', [http://uebersetzungsfallen.de/2.html uebersetzungsfallen.de] Autopsie 17. November 2006.</ref> obwohl dafür im Deutschen bereits seit den späten 1960er Jahren der Ausdruck ''[[Atomwaffensperrvertrag]]'' eingeführt und bekannt ist.<br />
<br />
Aufgrund der Vorherrschaft der englischen Sprache in [[Wirtschaft]], [[Wissenschaft]], [[Popmusik]] und [[Informatik]] sind vor allem in den dort gesprochenen Jargons Sätze zu finden, in denen viele Anglizismen verwendet werden:<br />
: „Ich musste die ''Harddisk'' neu formatieren, weil der falsch gesteckte ''[[Jumper (Elektrotechnik)|Jumper]]'' zur ''data corruption'' geführt hat und der Computer ge''crasht'' ist.“<br />
<br />
Ohne Anglizismen würde der Satz etwa folgendermaßen lauten:<br />
: „Ich musste die ''[[Festplattenlaufwerk|Festplatte]]'' neu formatieren, weil die ''Daten'' durch eine falsch gesetzte ''Steckbrücke'' ''beschädigt'' wurden und der ''Rechner'' ''abgestürzt'' ist.“<br />
<br />
Auch im Bereich der Vermarktung werden häufig [[Schlagwort (Sprachwissenschaft)|Schlagwörter]] mit gutem Klang verwendet, deren Bedeutung aber aufgrund mangelnder Übersetzungsgrundlage manchmal unklar ist. Ebenso werden neue Verfahren und Erfindungen oft auf Englisch benannt und abgekürzt. Dadurch entstehen meist einheitliche Produktbezeichnungen in den Herstellungs- und Vermarktungsprozessen einer globalisierten Wirtschaft. Allerdings werden bisweilen auch anglophone Wortneuschöpfungen nur im deutschen Sprachraum verwendet, vgl. [[Scheinanglizismus]].<br />
<br />
In früheren Jahren wurden aus Fach- oder Sozialjargons importierte Wörter in ihrer Schreibweise dem Deutschen oft angepasst und erfuhren in manchen Fällen auch einen Bedeutungswandel. Beispiele für Anpassungen sind ''Couvert'' zu „Kuvert“, ''Cakes'' zu „Keks“ oder auch ''Disquettes'' zu „Disketten“. Heute verzichtet man, gerade bei Begriffen aus dem Englischen, wieder weitgehend auf solche Anpassungen. So setzte sich die in den 1980er Jahren vorgeschlagene Variante „Komputer“ nicht durch; die lautgerechte Schreibweise ''Kompjuter'' bürgerte sich im allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls nicht ein. Heute hat sich neben der Bezeichnung ''Computer'' auch der deutsche Begriff „Rechner“ durchgesetzt, der auf den Computer-Pionier [[Konrad Zuse]] zurückgeht.<br />
<br />
Das Bestreben vieler Wirtschaftsunternehmen im deutschsprachigen Raum, sich möglichst weltoffen und international darzubieten, aber auch die in der Jugendsubkultur schon länger vorhandene Neigung zu Anglizismen führte zur Aufnahme dieser Entwicklung durch die Werbewirtschaft und die Medien. Das hatte wiederum zur Folge, dass sich die restliche Wirtschaft und große Teile der Bevölkerung der Entwicklung anpassten. Das seit den 1990er Jahren verstärkte Einsickern englisch „klingender“ Begriffe in alle Lebensbereiche erhielt noch einen Schub durch den von Fachbegriffen angeführten Aufschwung des PC-Marktes, die schnelle Verbreitung des [[Internet]]s und die damit verbundene Beschäftigung mit Informatik und angrenzenden Wissensgebieten.<br />
<br />
Die Verwendung aus dem Englischen entlehnter Wörter in spezifischen Kontexten ohne Beachtung des im anglophonen Sprachraum zugehörigen gesamten [[Pragmatik (Linguistik)|pragmatischen]] [[Kontext (Sprachwissenschaft)|Kontextes]] führt bei darauf basierten Zusammensetzungen mitunter zu semantischen Verwirrungen ([[Falscher Freund|falschen Freunden]], [[Scheinanglizismus|Scheinanglizismen]]): Beispielsweise bewarb ein deutsches Unternehmen, wohl um den Begriff Rucksack (der im Übrigen aus dem Deutschen ins Englische Einzug gefunden hat, siehe auch ''[[Liste deutscher Wörter im Englischen]]'') zu vermeiden, eine Umhängetasche als ''[[Bodybag (Tasche)|body bag]]'', was im englischen Sprachgebrauch jedoch ''Leichensack'' bedeutet.<br />
<br />
Anders beeinflusst, aber mit dem gleichen Ergebnis, waren auch die Versuche der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]], internationale Anerkennung durch die Einführung derartiger Begriffe in die Umgangssprache zu gewinnen. Das Wort [[Broiler]] für Brathähnchen ist nur ein Beispiel dafür.<ref>[[Peter Littger]]: ''[https://www.spiegel.de/geschichte/denglisch-in-der-ddr-can-i-become-a-broiler-a-6e7f0602-e356-42f0-9d03-ca39ec9ba186 Can I become a broiler?]'' In: [[Der Spiegel (online)|Spiegel online]], 12. Dezember 2021, abgerufen am 14. Dezember 2021.</ref> <br />
<br />
Durch Internationalisierung und [[Globalisierung]] der Gesellschaft und durch den [[Technischer Fortschritt|technischen]] und wissenschaftlichen Fortschritt sowie die damit einhergehende Verbreitung englischer Fachbegriffe ergibt sich einerseits eine Anpassung der deutschen Sprache an die neuen Lebensumstände, andererseits führt die Weltverkehrssprachenfunktion und die Rolle des Englischen als erste Fremdsprache dazu, dass sich der deutsche Sprachraum verstärkt des Englischen zum Entlehnen von Begriffen bedient. Einige Menschen empfinden diesen Wandel, der sich auch in der deutschen Sprachentwicklung niederschlägt, als störend und sehen darin Gefahren für die Fortschreibung und Festschreibung der deutschen [[Sprachkultur]].<br />
<br />
Das Entlehnen und Anpassen englischer Wörter stellt eine der aktuellen Entwicklungen in der deutschen Sprache dar. Im Rahmen dieser Entwicklung erhalten die Lehnwörter ein deutsches Gewand, beispielsweise grammatikalisches Geschlecht, Pluralendung und eine allgemein akzeptierte Bedeutung und einen Kontext.<br />
<br />
Beispiele: „Ich habe ''gedownloadet“'' (oder „geupdatet“) wird (unter anderem in Veröffentlichungen von [[Microsoft]] gemäß den hauseigenen Stilrichtlinien, die bis Herbst 2005 galten) genauso häufig verwendet wie die (unter anderem laut Duden) korrekte Form „Ich habe ''downgeloadet“'' (diese Form folgt den Konjugationsregeln der deutschen Sprache [''down'' = herunter + ge''load''et = geladen]).<br />
<br />
Mitunter bekommt eine Abkürzung sogar ein anderes grammatikalisches Geschlecht als ihre Langform: ''Die'' [[Uniform Resource Locator|URL]] (wegen ''die Internetadresse'') ist weit häufiger als ''der'' URL (wegen der maskulinen Endung von ''locator''), wenn von der normierten Einheitsform einer Internetadresse gesprochen wird.<br />
<br />
=== Grammatik ===<br />
Ein weiteres Phänomen ist die Verwendung englischer grammatikalischer Konstruktionen im Deutschen ([[Lehnsyntax]]). Sie können durch unprofessionelles Übersetzen englischer Texte entstehen oder etwa durch schlechte Filmsynchronisationen englischsprachiger Filme etc. Der [[Deutschbriten|britisch-deutsche]] [[Journalist]] [[Alan Posener]] stört sich denn auch an der durch die englische Grammatik beeinflussten, seiner Meinung nach falsch verwendeten deutschen Grammatik, etwa auf Anzeigetafeln von [[Flugsteig]]en.<ref name="welt-13820925">{{Internetquelle | url=https://www.welt.de/kultur/history/article13820925/Willkommen-zu-bei-an-Was-stimmt-denn-nun.html | titel=Deutsche Sprache: Willkommen zu … bei … an? Was stimmt denn nun? | autor=Alan Posener | werk=[[Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] | datum=2012-01-23 |zugriff=2018-10-7}}</ref><br />
<br />
Beispiele:<br />
* ''once more'' – einmal mehr (statt z.&nbsp;B.: „wieder“, „wiederum“, „wieder einmal“, „noch einmal“, „nochmals“, „abermals“, „erneut“, „aufs Neue“).<ref>[https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=sps-002:1959:15::50 Moderne Gallizismen und Anglizismen im Deutschen.] Aus einem Vortrag von Prof. Dr. Albert Debrunner. In: Sprachspiegel 15 (1959), Heft 4, S. 107, 109. (PDF, 9,2&nbsp;[[Byte|MB]])</ref><br />Die Formulierung „einmal mehr“ in dieser Bedeutung ist im Deutschen grammatisch falsch. Sie ist jedoch in anderen Bedeutungen richtig, z.&nbsp;B. „Die Stadt hatte früher einmal mehr Einwohner als heute.“ oder in Verbindung mit „nicht“: „Die Stadt hat heute nicht einmal mehr halb so viele Einwohner wie damals.“ Deshalb können sich daraus besondere Verständnisschwierigkeiten ergeben.<br /> Auch die falsche Kombination von englischer und deutscher Grammatik zu „wieder einmal mehr“ findet sich, wobei es auch hier eine richtige deutsche Verwendung gibt, z.&nbsp;B. „Das Land hat wieder einmal mehr Medaillen gewonnen als alle anderen.“<br />
* ''in 1968'' (Jahresangabe – statt: „im Jahr[e] 1968“ oder nur „1968“) – allerdings schon immer im Kaufmannsdeutsch<br />
* ''to remember sth.'' – etwas erinnern, ich erinnere etwas (statt: „sich an etwas erinnern“, „ich erinnere mich an etwas“); wobei angemerkt werden sollte, dass sich diese Formulierung auch in einigen [[Dialekt]]en (etwa dem [[Norddeutsch#Sprach- und Dialektgebiet|Norddeutschen]]) wiederfindet und auch [[Sigmund Freud]] das Verb ''erinnern'' durchweg [[Transitivität (Grammatik)|transitiv]] verwendet hat<br />
* ''to realize sth.'' – etwas realisieren (statt: „etwas begreifen“, „etwas fassen“, „etwas erkennen“). Beliebt ist dieser, laut Duden aber als Zweitbedeutung zulässige, Gebrauch bei Sportreportern, die die Sportler fragen, ob oder wann sie ihren „Sieg realisiert“ hätten. Die Erstbedeutung von realisieren ist im Deutschen aber „etwas verwirklichen“, „etwas in die Tat umsetzen“.<br />
* ''to communicate sth.'' – etwas kommunizieren, obwohl „kommunizieren“ im Deutschen [[Intransitivität (Grammatik)|intransitiv]] ist. Wird immer häufiger für „bekanntmachen, mitteilen“ gebraucht.<br />
<br />
Während man bei den entlehnten Wörtern (Substantiven, Verben, Adjektiven), die dem Denglischen zuzuzählen sind, argumentieren kann, dass die Anpassung dieser Wörter an die Regeln der deutschen Sprache ein Zeichen von Lebenskraft und Wandlungsfähigkeit sei, gilt hier wohl das Umgekehrte: Grammatische Strukturen der deutschen Sprache gehen verloren und werden durch englische Strukturen ersetzt. Dies gilt auch für die in Synchronisationen oft vorkommende durchgehende Benutzung des Präteritums in Anlehnung an das englische Original, obwohl im Deutschen beispielsweise Perfekt gebräuchlicher wäre.<br />
<br />
Bei der transitiven Verwendung von „erinnern“ ist anzumerken, dass diese Wendungen in früheren Jahrhunderten im Deutschen gebraucht wurden. Die genannte Form ist also im Literaturkanon aufzufinden. Sie als Denglisch zu kritisieren, kann als [[Hyperkorrektur]] betrachtet werden. Gegner des Denglischen werden hingegen anmerken, dass die alte Form längst ausgestorben wäre und nur der heutige Sprachgebrauch ausschlaggebend sei, ob eine Form als Denglisch einzustufen ist oder nicht.<br />
<br />
Ein häufig angeführtes Beispiel für Denglisch ist „Sinn machen“, wie es z.&nbsp;B. vom Sachbuchautor [[Bastian Sick]] angeführt wird. Es kann jedoch gezeigt werden, dass Dinge schon seit langer Zeit „Sinn machen“.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/10/01/sinnesfreuden-i/ |wayback=20080501211837 |text=Das ''Bremer Sprachblog'' zu „Sinn machen“ }} (inkl. Fundstellen aus der Literatur)</ref><ref name="Etymologie">{{Literatur| Herausgeber= [[Wolfgang Pfeifer (Etymologe)|Wolfgang Pfeifer]] | Titel= Etymologisches Wörterbuch des Deutschen | Auflage= 8. | Verlag= Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG | Ort= München | Jahr= 2005 | Seiten= 1294 | ISBN= 3-423-32511-9}}</ref> Die Vermutung der Übernahme aus dem Englischen ist damit zumindest fragwürdig, wenn nicht falsch. Dieses Beispiel weist damit Merkmale einer [[Volksetymologie|volksetymologischen]] Deutung auf.<br />
<br />
Möglich ist ein englischer Einfluss in der Orthographie bei den durch Apostroph abgetrennten Endungen mit ''-’s'' („[[Apostrophitis]]“), der vor allem bei [[Genitiv]]en auftritt wie in „Angela’s Frittenbude“, aber auch bei [[Plural]]en, etwa „LKW’s“. Eine ähnliche Normabweichung, nämlich die fälschliche Abtrennung des Plural-s, tritt auch im Englischen häufig auf und wird dort als ''{{lang|en|greengrocers’ apostrophe}}''<ref>''[[:en:Apostrophe#Greengrocers' apostrophes|greengrocers’ apostrophe]] Superfluous apostrophes'' in der englischsprachigen Wikipedia</ref> bezeichnet.<br />
<br />
== Andere Länder ==<br />
<br />
Diese Entwicklung ist allerdings nicht auf Deutschland oder den deutschsprachigen Raum beschränkt. Seit [[Staatspräsident|Präsident]] [[Charles de Gaulle]] versucht man in [[Frankreich]], den Einfluss von Anglizismen auf die französische Sprache – das „[[Franglais]]“ – mit immer neuen Gesetzen einzudämmen, zuletzt durch die [[Loi Toubon]], benannt nach dem damaligen Minister für Kultur und die [[Frankophonie]], [[Jacques Toubon]]. Ähnliche Sprachschutzgesetze bestehen auch in [[Lettland]], [[Litauen]], [[Polen]], [[Québec]], [[Rumänien]], [[Slowenien]], [[Tschechien]] und [[Ungarn]] und werden in weiteren Ländern diskutiert. In den genannten Ländern beziehen sich die gesetzlichen Regelungen zum Teil nur auf die öffentliche Verwaltung, werden aber auch an den Verbraucherschutz gekoppelt, so dass etwa [[Vertrag|Verträge]] und [[Technische Dokumentation|Bedienungsanleitungen]] immer auch in der Landessprache vorliegen müssen und nur die Fassung in der Landessprache Rechtskraft besitzt.<br />
<br />
Neben Franglais (Franglish) gibt es unter anderem [[Spanglish]] (Spanisch), [[Engrish]], [[Italglish]] (Italienisch), [[Hinglish]] (Hindi), [[Ponglisch]] (Polnisch) und [[Svengelska]] (Schwedisch).<br />
<br />
== Andere Sprachen ==<br />
<br />
Für Französisch-Deutsch gibt es seit spätestens 1980<ref name="Besch" /> den von der deutschen Presse geprägten<ref>Lothar Hoffmann, Hartwig Kalverkämper, Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): ''Fachsprachen: ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft'', Band 1, Band 14 von ''Handbook of Literature and Communication Studies'', Walter de Gruyter, 1998, ISBN 3-11-011101-2, S. 2135 ({{Google Buch |BuchID=exYHMYLN7ikC |Seite=2135 |Hervorhebung=Kofferwort}})</ref> Begriff ''Frutsch''.<ref name="Besch">Werner Besch (Hrsg.): ''Sprachgeschichte: ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung'', Band 2 von ''Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft'', 2. Auflage, Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3-11-015882-5, S. 2180 ({{Google Buch |BuchID=9O5D8g1IOkQC |Seite=2180 |Hervorhebung=frutsch}})</ref><br />
<br />
Auf Niederländisch spricht man vom ''steenkolenengels''. Dieses Steinkohle-Englisch bezieht sich darauf, dass früher englische Schiffe Steinkohle in niederländischen Häfen geladen haben. ''Steenkolenengels'' ist heute schlechtes, von niederländischen Ausdrücken geprägtes Englisch von Niederländern. Analog dazu wurde auch ''steenkolenduits'' für vergleichbares Deutsch geprägt. Als Beispiel dafür wird oft die Ausdrucksweise des belgischen Fußballers [[Jean-Marie Pfaff]] genannt.<br />
<br />
Für europaübergreifende Spezialwörter gibt es die Bezeichnungen ''Eurospeak'', ''Eurotalk'', ''Eurojargon'', ''Eurokratisch'' oder abwertend ''Eurokauderwelsch''.<ref name="Besch" /><br />
<br />
== Diskussionsstand ==<br />
<br />
In der [[Sprachwissenschaft]] ist die Auffassung unstrittig, dass Sprache ständigen Einflüssen und Veränderungen unterworfen ist. Eine „reine“ oder „bessere“ Sprache gibt es daher nicht. Seit man überhaupt von einer deutschen Sprache reden kann, steht diese in ständigem Kontakt mit verschiedenen europäischen Sprachen, denen sie Zehntausende von Wörtern entlehnt hat. Demnach sind Entwicklungen wie ''Denglisch'' für lebendige Sprachen typisch.<br />
<br />
Häufig wird die Meinung vertreten, viele Dinge könne man im Deutschen nicht ebenso gut ausdrücken. Ferner gibt es die Ansicht, es sei positiv, dass neu entstandene Begriffe, etwa in der Technik, international einheitlich verwendet werden. Gerade im Internet fördere dies die Verständlichkeit. Für Menschen, die Fremdsprachen erlernen oder sprechen, stelle es eine große Erleichterung dar, wenn neue Begriffe ([[Neologismus|Neologismen]]) nicht übersetzt werden müssen. Wirtschaftsräume, die sich sprachlich dem vorherrschenden angloamerikanischen Sprachraum anpassten, genössen Wettbewerbsvorteile gegenüber isolierten Sprachräumen. Außerdem wird argumentiert, der „Kampf“ gegen das Denglische sei eher ein Scheingefecht, da es eigentlich um allgemeinen [[Kulturpessimismus]] oder einen latenten Antiamerikanismus gehe. Vereinzelt werden Eindeutschungsversuche von bereits gängigen Anglizismen als sprachrealitätsfern eingestuft, beispielsweise „Zwischennetz“ statt „Internet“.<ref>[https://www.welt.de/print-welt/article151732/Lieber-online-als-anschnur.html ''Lieber online als anschnur''.] In: ''[[Die Welt|Welt Online]]'', 11. September 2006</ref> Jedoch setzen sich manche derartige Wörter durch, wie etwa „[[Datei]]“ statt des in den 1970er Jahren noch üblichen „{{lang|en|File}}“.<br />
<br />
Menschen, die den Gebrauch des Denglischen kritisieren und sich der [[Sprachpflege]] verpflichtet fühlen, vertreten die Auffassung, dass man dieselben Dinge auch auf Deutsch ausdrücken könne. Das Hauptargument ist, dass Sprache der Verständigung diene und daher die Verständlichkeit auch bei Neubildung von Begriffen vorrangig behandelt werden solle. Dabei werden deutsche Wörter, die vor dem Auftreten eines bestimmten als Denglisch angesehenen Ausdrucks oder eines Anglizismus bereits vorhanden waren, weiter verwendet (''motherboard'' = ''Hauptplatine'') oder neu belebt. Außerdem werden Wörter gesucht oder neu gebildet, die stimmig und alltagstauglich sind. Auch rechtsextreme Organisationen wie die [[NPD]] meiden häufig Anglizismen und verwenden gelegentlich unübliche Eindeutschungen, wie „Weltnetz“ statt „Internet“.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.npd-blog.info/?p=669 |wayback=20120302230616 |text=''Neonazis im “Weltnetz”: Wenige Aktivisten - mit viel Raum'' }}, NPD-Blog, 7. März 2007</ref><ref>[https://www.welt.de/print-welt/article529570/Den-Extremisten-auf-der-Spur.html ''Den Extremisten auf der Spur''], [[Die Welt]], 23. August 2000</ref><br />
<br />
Andere Kritiker zielen weniger auf eine Reinhaltung der Sprache, sondern mehr auf den Aspekt ab, dass Denglisch für sie eine Art „Modetorheit“ darstellt. Durch Benutzung von Denglisch werde hauptsächlich eine vermeintliche Überlegenheit und Weltgewandtheit und ein allgemeines Aktuell-Sein demonstriert, wobei das Gegenüber mit [[Floskel]]n beeindruckt werden solle.<br />
<br />
Auch im angelsächsischen Sprachraum wurde dies bereits bemerkt und abwertend ''German linguistic submissiveness'' (deutsche sprachliche [[Unterwürfigkeit]]) benannt.<ref>[https://www.faz.net/aktuell/politik/25-jahre-deutsche-einheit/verfassungsrichter-huber-warnt-deutschland-ist-in-der-sinnkrise-13832186.html ''Deutschland ist in der Sinnkrise''], [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 30. September 2015</ref><ref>{{Webarchiv|url=http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2009/11/26/fragliche-unterwurfigkeit/ |wayback=20160407085557 |text=''Sprachliche Unterwürfigkeit'' Bremer Sprachblog, 26. November 2009. }}</ref> Allerdings ist dies als deutsches Phänomen ebenfalls dem übrigen Ausland geläufig.<ref>[https://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/interview-mit-yngve-slyngstad-hier-spricht-der-groesste-aktionaer-der-welt-14056136.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Norwegischer Staatsfonds: Hier spricht der größte Aktionär der Welt] FAZ vom 7. Februar 2016 - abgerufen am 7. Februar 2016</ref><br />
Das Englische spiele demnach heute eine ähnliche Rolle wie zuvor Latein und Französisch, beides Sprachen, die im deutschen Sprachraum früher oft eingesetzt wurden, um vermeintliche Überlegenheit zu signalisieren. Dies wird inzwischen auch aus sprach- und kulturwissenschaftlicher Sicht angenommen: Das Sprechen von Denglisch wird aus dieser Perspektive als [[Ritual]] gewertet. Der häufige Gebrauch von Anglizismen im beruflichen Umfeld soll dabei den Eindruck erwecken, man selbst sei international, gebildet und gehöre zur [[Leistungselite]]. Damit ist Denglisch formales Mittel der [[Differenzierung (Soziologie)|sozialen Differenzierung]] und Abgrenzung.<ref>Helga Kotthoff: [https://www.zeit.de/wissen/2011-11/anglizismen-wissenschaftssprache?google_editors_picks=true Anglizismen sind das neue Imponier-Deutsch], Zeit Online, 9. November 2011</ref> Der Versuch von Marketingabteilungen und Werbeagenturen, Produkte, Dienstleistungen oder Firmennamen mit Hilfe englischer oder [[Scheinanglizismus|vermeintlich englischer]] Begriffe als überlegen und besonders innovativ erscheinen zu lassen, kann aus der Perspektive englischer Muttersprachler zu komischen oder unverständlichen Ergebnissen führen. Ein Beispiel ist „Bad-Design“ für „Badezimmer-Gestaltung“. Das wirkt missverständlich, weil „bad“ im Englischen „schlecht“ bedeutet.<ref>[[Robert Tonks]]: ''It is not all English what shines. English makes German Werbung funny!'', Edition Winterwork, 2011, ISBN 978-3-943048-63-6, ''Denglish in Pool Position. English makes German Werbung funny! 2'', Edition Winterwork, 2012, ISBN 978-3-86468-325-1 und ''The Denglisch Doosh Reader 4 The Bad and Worse. English makes German Werbung funny! 3'', Edition Winterwork, 2013, ISBN 978-3-86468-603-0</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
* [[Lübke-Englisch]]<br />
* [[Sprachpanscher des Jahres]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* [[Csaba Földes]]: ''Deutsch und Englisch. Ein Sprachnotstand? Befunde und Anmerkungen.'' In: Rudolf Hoberg (Hrsg.): ''Deutsch – Englisch – Europäisch. Impulse für eine neue Sprachpolitik.'' Dudenverlag Mannheim 2002, ISBN 3-411-71781-5, S. 341–367.<br />
* Ageliki Ikonomidis: ''Anglizismen auf gut Deutsch: Ein Leitfaden zur Verwendung von Anglizismen in deutschen Texten.'' Buske, Hamburg 2009, ISBN 978-3-87548-560-8.<br />
* [[Christian Meier]] (Hrsg.): ''Sprache in Not? Zur Lage des heutigen Deutsch.'' Wallstein, Göttingen 1999, ISBN 3-89244-341-6.<br />
* Falco Pfalzgraf: ''Anglizismen als Thema der Sprachwissenschaft und Sprachkritik''. In: ''Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur'' 2/2011, S. 160–176. {{ISSN|1614-905X}}.<br />
* [[Uwe Pörksen]] (Hrsg.): ''Die Wissenschaft spricht Englisch? Versuch einer Standortbestimmung.'' Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-978-3.<br />
* Jan Georg Schneider: ''Von free-floatendem Kapital, Hardlinern und Instructions. Linguistische Anmerkungen zur populären Anglizismenkritik'' ([https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/files/11814/free_floatendem_Kapital.pdf online]).<br />
* [[Wolf Schneider]]: ''Speak German! Warum Deutsch manchmal besser ist''. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-498-06393-1.<br />
* Hermann Zabel (Hrsg.): ''Denglisch, nein danke! Zur inflationären Verwendung von Anglizismen und Amerikanismen in der deutschen Gegenwartssprache.'' IFB, Paderborn 2. A. 2003, ISBN 3-931263-35-5.<br />
* [[Stefan Zenklusen]]: ''Leitsprache Anglotumbdeutsch.'' In (ders.): ''Im Archipel Coolag''. wvb, Berlin 2006, ISBN 3-86573-164-3; gekürzt in: ''Zeitschrift für kritische Theorie'', Jg. 2008, ISBN 978-3-86674-034-1.<br />
* [[Dieter E. Zimmer]]: ''Neuanglodeutsch.'' In (ders.): ''Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber.'' Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-60525-2, S. 7–104.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Wikibooks|Fruchtbringendes Wörterbuch|Alternativausdrücke zu Denglisch-Vokabeln}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
<br />
* {{Webarchiv|wayback=20090719090620|url=http://www.vds-ev.de/denglisch/argumente/|text= Argumente wider Denglisch (Verein Deutsche Sprache e.&nbsp;V.)}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=7745069-3}}<br />
<br />
[[Kategorie:Englische Sprache]]<br />
[[Kategorie:Deutsche Sprache]]<br />
[[Kategorie:Mischsprache]]<br />
[[Kategorie:Sprachkritik]]<br />
[[Kategorie:Kofferwort]]</div>Objezdhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schlaf&diff=257921856Schlaf2025-07-15T14:28:34Z<p>Objezd: men need much less sleep than women tbh</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den biologischen oder medizinischen Ruhezustand. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Schlaf (Begriffsklärung)]].}}<br />
[[Datei:Princess, asleep.jpg|mini|Schlafendes Kind]]<br />
[[Datei:Sleeping baby cat.jpg|mini|Schlafendes [[Katzenjunges]]]]<br />
<br />
'''Schlaf''' ist ein Zustand der äußeren Ruhe bei [[Mensch]]en und [[Tier]]en. Dabei unterscheiden sich viele Lebenszeichen von denen des [[Bewusstseinszustand#Wachzustand|Wachzustands]]. [[Puls]], [[Atemfrequenz]] und [[Blutdruck]] sinken bei [[Primaten]] und anderen höheren Lebewesen im sogenannten [[Non-REM-Schlaf|NREM-Schlaf]] ab und die [[Neurophysiologie|Gehirnaktivität]] verändert sich. Das Schließen der [[Auge]]n während des NREM-Schlafs unterstützt diese Funktion.<br />
<br />
Im sogenannten [[REM-Schlaf]], auch als „paradoxer Schlaf“ bezeichnet, finden sich hingegen Zustände, die denen des Wach-Seins ähneln, insbesondere eine erhöhte Gehirnaktivität (an [[Traum|Träume]] aus dieser Phase erinnert man sich am häufigsten) und ein Anstieg von Herz- und Atemfrequenz sowie des Blutdrucks. Ausgenommen von diesem „aktiven Schlafzustand“ ist die [[Muskulatur]], die im REM-Schlaf blockiert wird ([[Atonie]]).<ref name="SLHp187">{{BibISBN|9783642016509|Seite=187}}</ref> Dadurch lebt der Träumende seine im Traum erlebten motorischen Handlungen nicht aus. Mit den Störungen und der [[Physiologie]] des Schlafs beschäftigt sich ein eigenes Teilgebiet der Medizin, die [[Somnologie]] (Schlafmedizin oder auch Schlafforschung).<br />
<br />
Die Funktionen des Schlafs sind erst teilweise aufgeklärt. Sicher ist, dass Menschen und viele Tiere schlafen müssen, um zu überleben, der genaue Grund ist jedoch noch unbekannt.<ref name="ILAR" /> [[Schlafentzug]] ist eine verbreitete [[Folter]]maßnahme.<br />
<br />
Verhältnismäßig neu sind Bestrebungen, kulturelle und geschichtliche Unterschiede und Veränderungen in den [[Schlafkultur|Schlafgewohnheiten]] zu dokumentieren und zu beurteilen. Dies soll eines Tages ermöglichen, genauere Informationen über die [[evolution]]ären Ursachen des Schlafs zu ermitteln.<br />
<br />
== Etymologie ==<br />
Das Wort ''Schlaf'' ist in den germanischen Sprachen verbreitet. Im [[Gotische Sprache|Gotischen]] hieß das Wort ''sleps'', im [[Althochdeutsche Sprache|Alt-]] und [[Mittelhochdeutsche Sprache|Mittelhochdeutschen]] ''slāf''. Die [[Germanische Sprachen|germanischen Sprachen]] [[Englische Sprache|Englisch]] und [[Niederländische Sprache|Niederländisch]] verwenden Bezeichnungen derselben Wurzel, nämlich ''sleep'' und ''slaap''. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ''schlafen'' ist ''schlapp werden'', das seinerseits mit dem Adjektiv ''schlaff'' verwandt ist.<ref name="Borbely">Alexander Borbély: ''[http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/TITEL.htm Das Geheimnis des Schlafs.]'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1984, ISBN 3-421-02734-X.</ref><br />
<br />
Aus dem Wort ''Schlaf'' entstanden weitere Ausdrücke, die mit dem eigentlichen Schlaf nicht mehr direkt zusammenhängen. So ist ''entschlafen'' ein [[Euphemismus]] für ''sterben'', und bei [[Beischlaf]] redet man von Geschlechtsverkehr. Eine [[Schlafmütze]] ist eigentlich ein Kleidungsstück, bezogen auf eine Person meint man aber – mit negativer Wertung – jemanden, der aufgrund von Nachlässigkeit oder Langsamkeit oft wichtige Dinge verpasst.<ref name="Borbely" /><br />
<br />
== Schlaf im Tierreich ==<br />
[[Datei:Bradypodion tavetanum sleeping.jpg|mini|Ein schlafendes männliches Zweihornchamäleon]]<br />
[[Datei:Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Baum?.webm|mini|Video: Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Baum?]]<br />
Schlaf ist im Tierreich verbreitet, aber nicht universell. Man geht davon aus, dass die meisten [[Wirbeltiere]] (genauer: die Überklasse der [[Kiefermäuler]]) die gleichen Schlafphasen durchlaufen wie der Mensch. Davon ausgenommen ist beispielsweise der [[Ameisenigel]], ein früher Vertreter der Säugetiere, der keinen Traumschlaf (REM-Schlaf, siehe unten) zu kennen scheint.<br />
<br />
Vögel zeigen ebenfalls ein dem Menschen ähnliches Schlafbild, sobald sie sicher sein können, dass ihr Schlafplatz im Baum sicher vor Feinden ist. Dass sie dabei nicht herunterfallen, bewirkt die Anlage ihrer Sehnen: Beim Absitzen umschließen die Zehen der Vögel den Ast durch ihr bloßes Eigengewicht und verhaken sich darin. Ohne muskulären Aufwand halten sie so ihre Balance ganz von selbst.<br />
<br />
Bei weiteren Tierarten wie Schlangen, Eidechsen und Fischen wird Schlaf (inklusive Traumschlaf) vermutet. Dabei fällt es bei weniger entwickelten Spezies umso schwerer, (Traum-)Schlaf von bloßem Ruhen zu unterscheiden.<ref name="NZZ">Herbert Cerutti: ''[https://folio.nzz.ch/1997/marz/schlaft-auch-der-regenwurm Schläft auch der Regenwurm?]'' In: ''[[NZZ Folio]].'' März 1997.</ref><br />
<br />
Tiere ohne bewegliche Augenlider schlafen mit offenen Augen, z.&nbsp;B. Krebse, Fliegen, Libellen, Schlangen und Fische. Selbst bei [[Wirbellose|wirbellosen Tieren]] ohne [[Zentralnervensystem|zentrales Nervensystem]] wie bei der [[Mangrovenqualle]] wurde ein Schlaf-ähnlicher Zustand beobachtet.<ref>{{Literatur |Autor=Ravi D. Nath, Claire N. Bedbrook, Michael J. Abrams, Ty Basinger, Justin S. Bois |Titel=The Jellyfish Cassiopea Exhibits a Sleep-like State |Sammelwerk=Current Biology |Band=0 |Nummer=0 |Datum=2017-09-21 |ISSN=0960-9822 |DOI=10.1016/j.cub.2017.08.014}}</ref><br />
<br />
{{Zitat<br />
|Text=Die Frage nach dem Schlaf der Tiere bedarf keiner undurchsichtigen Vermutung. Dass unter den Landtieren alle, welche die Augen schließen, schlafen, ist offensichtlich. Dass Wassertiere ebenfalls schlafen, wenn auch recht wenig, glauben selbst diejenigen, welche es bei den übrigen Tieren in Zweifel ziehen. Ja, die Delphine und Walfische hört man sogar schnarchen.<br />
|Autor=[[Plinius der Ältere]]<br />
|Quelle=[[Naturalis historia]]<br />
|ref=<ref name="NZZ"/>}}<br />
<br />
=== Halbhirnschlaf ===<br />
[[Datei:Half Sleeping Bird.jpg|mini|[[Haussperling]] im Halbhirnschlaf]]<br />
Mehrere Tierarten beherrschen den sogenannten ''Halbhirnschlaf''. In diesem Schlafzustand schläft nur eine der [[Gehirnhälfte]]n, während die andere aktiv bleibt. Es wird auch nur ein Auge geschlossen, sodass die Umgebung noch wahrgenommen werden kann. Diese Fähigkeit wurde zunächst bei [[Delfine]]n entdeckt, was bei ihnen als [[Lungenatmer]] im Wasser wohl einer Notwendigkeit entspricht, um nicht zu ertrinken. Gesichert ist der Halbhirnschlaf auch bei [[Großer Schwertwal|Großen Schwertwalen]]. Die Kälber dieser Arten schlafen im ersten Lebensmonat überhaupt nicht, was gewisse Zweifel an der These entstehen lässt, wonach der Schlaf essenziell für die Entwicklung des Gehirns sei.<ref>{{Literatur |Autor=O. I. Lyamin, J. Pryaslova, V. Lance, J. M. Siegel |Titel=Sleep behaviour: Sleep in continuously active dolphins; Activity and sleep in dolphins (Reply) |Sammelwerk=Nature |Datum=2006-06-21 |Kommentar=Abstract |DOI=10.1038/nature04900}}</ref> In den allermeisten Fällen schlafen Neugeborene deutlich länger als ausgewachsene Tiere. [[Ohrenrobben|Seelöwen]] und [[Seebären]] kennen beide Arten von Schlaf. Befinden sie sich an Land, schlafen sie wie Landsäuger, im Wasser wechseln sie zum Halbhirnschlaf. Auch bei Vögeln wurde der zeitweilige Halbhirnschlaf inzwischen nachgewiesen,<ref name="birds">{{Internetquelle |autor=Reuters |url=http://edition.cnn.com/TECH/science/9902/03/birds.eye/ |titel=Birds sleep with one eye open, half awake, study finds |hrsg=cnn.com |datum=1999-02-03 |abruf=2008-09-29}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Neils C. Rattenborg, Steven L. Lima, Charles J. Amlaner |Titel=Half-awake to the risk of predation |Sammelwerk=Nature |Datum=1999-02-02 |Kommentar=Abstract |DOI=10.1038/17037}}</ref> so halten sich [[Mauersegler]] außerhalb der Brutzeit für etwa zehn Monate nahezu ohne Unterbrechung in der Luft auf.<ref name="Hedenström2016">Hedenström et al.: ''Annual 10-Month Aerial Life Phase in the Common Swift Apus apus.'' In: ''Current Biology.'' 2016, [[doi:10.1016/j.cub.2016.09.014]]</ref><br />
<br />
Es wird vermutet, dass auch beim Menschen eine Art Halbhirnschlaf existiert, wenn er an einem fremden Ort schläft.<ref>{{Literatur |Autor=Masako Tamaki, Ji Won Bang, Takeo Watanabe, Yuka Sasaki |Titel=Night Watch in One Brain Hemisphere during Sleep Associated with the First-Night Effect in Humans |Sammelwerk=Current biology: CB |Band=26 |Nummer=9 |Datum=2016-09-05 |ISSN=1879-0445 |Seiten=1190–1194 |DOI=10.1016/j.cub.2016.02.063 |PMC=4864126 |PMID=27112296}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Harald Frater |url=http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-20104-2016-04-22.html |titel=Schlaf: Eine Hirnhälfte hält Wache : Warum wir in der ersten Nacht am fremden Ort schlechter schlafen |hrsg=scinexx.de |abruf=2018-02-26}}</ref><br />
<br />
=== Schlafdauer verschiedener Tierarten ===<br />
Bei Tieren variiert sowohl die Dauer des Schlafes insgesamt als auch die Dauer des REM-Schlafes stark von Art zu Art:<br />
<br />
{| class="wikitable sortable"<br />
|+ Schlafdauer verschiedener Tierarten<ref>''New-York-Times''-Beilage der ''Süddeutschen Zeitung'' vom 21.&nbsp;November 2005.</ref><br />
! Tierart<br />
! Schlaf<br />in Stunden<br />pro Tag<br />
! Anteil der<br />REM-Phase<br />am Schlaf<br />
! Augenposition<br />während<br />des Schlafes<br />
|-<br />
| [[Taschenmaus|Kleine Taschenmaus]] ||style="text-align:right;"| 20,1 ||style="text-align:right;"| 16 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Fledermäuse|Braune Fledermaus]] ||style="text-align:right;"| 19,9 ||style="text-align:right;"| 10 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Südopossum]] ||style="text-align:right;"| 19,4 ||style="text-align:right;"| 10 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Nachtaffe]] ||style="text-align:right;"| 17,0 ||style="text-align:right;"| 11 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Katzen|Katze]] ||style="text-align:right;"| 13,2 ||style="text-align:right;"| 26 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Tauben|Taube]] ||style="text-align:right;"| 11,9 ||style="text-align:right;"| 8 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Haushuhn]] ||style="text-align:right;"| 11,8 ||style="text-align:right;"| 10 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Gemeiner Schimpanse|Schimpanse]] ||style="text-align:right;"| 10,8 ||style="text-align:right;"| 15 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Hunde|Hund]] ||style="text-align:right;"| 10,7 ||style="text-align:right;"| 29 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Kaiserpinguin]] ||style="text-align:right;"| 10,5 ||style="text-align:right;"| 13 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Fruchtfliegen]] ||style="text-align:right;"| 10,0 ||style="text-align:right;"| 0 % || keine Augenlider<br />
|-<br />
| [[Enten|Ente]] ||style="text-align:right;"| 9,1 ||style="text-align:right;"| 16 % || ein Auge manchmal offen<br />
|-<br />
| [[Kaninchen]] ||style="text-align:right;"| 8,7 ||style="text-align:right;"| 14 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Schweine|Schwein]] ||style="text-align:right;"| 8,4 ||style="text-align:right;"| 26 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Asiatischer Elefant]] ||style="text-align:right;"| 5,3 ||style="text-align:right;"| 34 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Hausrind|Kuh]] ||style="text-align:right;"| 4,0 ||style="text-align:right;"| 19 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Pferde|Pferd]]<ref>siehe auch: [[Schlafverhalten von Pferden]]</ref> ||style="text-align:right;"| 2,9 ||style="text-align:right;"| 27 % || beide geschlossen<br />
|-<br />
| [[Giraffe]] ||style="text-align:right;"| 1,9 ||style="text-align:right;"| 21 % || beide geschlossen<br />
|}<br />
<br />
== Physiologie ==<br />
=== Schlafenszeit ===<br />
Die sogenannte „innere Uhr“ ([[Chronobiologie]]) ist unter anderem wesentlich an der Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt, dem der Wechsel von Tag und Nacht (hell und dunkel) zu Grunde liegt.<ref name="Uhr" /> Der zweite Faktor, der neben dem Tag-Nacht-Wechsel das Schlafbedürfnis beeinflusst, ist die Zeit, die seit dem letzten Aufwachen vergangen ist.<ref name="Uhr" /> Die Forschung versucht, Daten zu optimaler Einschlafzeit und Schlafdauer zu ermitteln.<br />
<br />
Die innere Uhr passt auch Stoffwechselabläufe, Wachstumsleistungen und Verhaltensweisen den tagesperiodischen Schwankungen an. Eine Störung des normalen Ablaufs ([[Circadiane Rhythmik|circadianer Rhythmus]]) tritt üblicherweise bei [[Schichtarbeit]] und Fernflugreisen auf ([[Jetlag]]).<br />
<br />
=== Einleitung des Schlafs ===<br />
An der Schlafeinleitung sind im Wesentlichen drei Hirnregionen beteiligt: die ''[[Formatio reticularis]]'' im [[Hirnstamm]] und zwei [[Zwischenhirn]]gebiete: der [[Thalamus]] und der [[Hypothalamus]].<ref name="Uhr" /> Die ''Formatio reticularis'' ist bekannt für ihre Funktion als Signalgeber für Wachheit und gehört zum sogenannten [[Formatio reticularis#Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem (ARAS)|aufsteigenden retikulären Aktivierungssystem]]. Ihre Aufmerksamkeits- und Weck-Funktionen übt die ''Formatio reticularis'' über Botenstoffe aus, mit denen sie den Thalamus, gleichsam das „Tor zum Bewusstsein“, erregt. Diese [[Neurotransmitter]] sind [[Noradrenalin]] und [[Acetylcholin]]. Innerhalb der ''Formatio reticularis'' gibt es weitere komplexe Verschaltungen u.&nbsp;a. mit den [[Raphe-Kerne]]n. Diese haben mit ihrem Transmitter [[Serotonin]] vor allem beim Einschlafen einen hemmenden Einfluss auf die noradrenergen Systeme.<ref>Dale Purves u.&nbsp;a.: ''Neuroscience.'' 3. Auflage. Sinauer, Sunderland Ma 2004, ISBN 0-87893-742-0.</ref><br />
<br />
Beim Einschlafen können Kerngebiete im Hirnstamm über verschiedene Wege hemmend auf die Aktivität des Thalamus einwirken. Dabei wird auch ein weiterer Transmitterstoff benutzt, nämlich [[γ-Aminobuttersäure]] (GABA). Es gibt also zwei Hauptwege, über die das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem den Thalamus erreicht: Direkt zur Aktivierung oder Erhöhung der Aufmerksamkeit und indirekt über hemmende Nervenzellen zur Abnahme der Aufmerksamkeit bis hin zur Schlafeinleitung.<br />
<br />
Daneben wirken dieselben Kerngebiete im Hirnstamm hemmend auf Nervenzellgruppen im Rückenmark, was eine Erschlaffung der [[Skelettmuskel]]n ([[Atonie]]) zur Folge hat. Der Mensch wird nicht nur schläfrig, sondern auch der [[Tonus]] der Muskulatur nimmt ab. Beim Einschlafen im Sitzen fällt beispielsweise der Kopf nach vorn. Häufig kommt es beim Einschlafen auch zu speziellen [[Einschlafzuckungen]].<br />
<br />
Der Hypothalamus ist mit dem Auge verbunden und produziert bei Dunkelheit weniger von dem Transmitter [[Histamin]] und einem [[Peptid]] namens [[Orexin]] (von [[Altgriechische Sprache|griech.]] {{lang|grc|ὄρεξις}} ''orexis'' „Verlangen, Appetit“), das zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit führt. Orexin hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Schlaf-Wach-Verhalten des Menschen.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Gestreau, Michelle Bévengut, Mathias Dutschmann |Titel=The dual role of the orexin/hypocretin system in modulating wakefulness and respiratory drive |Sammelwerk=Current Opinion in Pulmonary Medicine |Band=14 |Nummer=6 |Datum=2008 |ISSN=1531-6971 |Seiten=512–518 |Kommentar=Review |DOI=10.1097/MCP.0b013e32831311d3 |PMID=18812827}}</ref> Zuerst wurde die appetitsteigernde Wirkung des Hormons festgestellt, daher der Name. Auch der ''[[Nucleus preopticus]] ventrolateralis'' (das „Esszentrum des Gehirns“, engl. ''ventrolateral preoptic nucleus'', VLPO) des Hypothalamus ist an der Schlafeinleitung beteiligt. Der ''[[Nucleus suprachiasmaticus]]'' (SCN) enthält direkte [[Afferent|Afferenzen]] (Zuleitungen) aus der [[Netzhaut|Retina]]. Hier liegt die Hauptschaltzentrale der [[Chronobiologie|inneren Uhr]], einer Art „Schrittmacher“, der die [[circadiane Rhythmik]] synchronisiert. Der SCN beeinflusst auch die Aktivität des [[Sympathikus]]. Über dieses [[Vegetatives Nervensystem|vegetative System]] stimuliert der SCN die Freisetzung von [[Melatonin]] aus der [[Zirbeldrüse]]. Melatonin wird in den Abendstunden vermehrt ausgeschüttet und trägt zur Schlafeinleitung bei. Folglich erfährt das Gehirn über den Hypothalamus, dass es Zeit zum Schlafen ist, weil es dunkel geworden ist.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.clinlife.de/schlafstoerung |titel=Schlafstörung |hrsg=[[Clinlife|ClinLife Deutschland]] |archiv-url=https://web.archive.org/web/20080926181552/http://www.clinlife.de/schlafstoerung |archiv-datum=2008-09-26 |abruf=2011-02-10 |offline=1}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Andrea Boller |url=https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/wie-ein-hormon-licht-ins-dunkel-bringt/ |titel=''Wie ein Hormon Licht ins Dunkel bringt.'' |hrsg=wissenschaft.de |datum=2006-04-25 |abruf=2019-09-08}}</ref><ref name="hypothalamus">{{Internetquelle |url=http://www.clusterpage.de/include.php?path=content/articles.php&contentid=122&PHPKITSID=9999069b32d4d0c28be89acd0821301b |titel=Hypothalamus |datum=2006-08-24 |abruf=2011-02-10}}</ref><br />
<br />
Der Körper besitzt weitere [[Botenstoff]]e, die zu erhöhtem Schlafbedürfnis beitragen können. So entsteht bei großen Stoffwechselleistungen (körperliche Arbeit) vermehrt [[Adenosin]], das [[Müdigkeit]] hervorruft. Auch [[Entzündungsmediator]]en wie [[Interleukine#Interleukin-1|Interleukin-1]] wirken ähnlich und führen bei einer von Fieber begleiteten Krankheit zu erhöhtem Schlafbedarf.<br />
<br />
=== Aufrechterhaltung des Schlafs und Schlafphasen ===<br />
[[Datei:Schlafstadien einer nacht.svg|mini|Darstellung der '''Schlafstadien''' im [[Schlafprofil|Hypnogramm]] einer Nacht nach Rechtschaffen und Kales (1968)]]<br />
[[Datei:Hypro zyklus 1 de 103.svg|mini| Hypnogramm eines 90-minütigen '''[[Schlafzyklus]]''' – hier folgte nach kurzem „wach liegen“ (W) etwas Leichtschlaf (N1), unterbrochen von erneutem wach werden, danach etwas Schlaf des Stadiums N2 und ausgiebig Tiefschlaf (N3) sowie 13 Minuten REM-Schlaf (R). Nach der seit 2007 geltenden Einteilung der [[Schlafstadium|Schlafstadien]].]]<br />
Auch in seinem weiteren Verlauf ist der Schlaf neurophysiologisch gesteuert. Zu seiner Aufrechterhaltung variieren funktionelle Systeme des Gehirns die Schlaftiefe in zeitlichen Abständen. Dabei wechseln sich Tiefschlafphasen, in denen der Schlafende schwerer aufzuwecken ist, mit weniger tiefem Schlaf ab. Wenn sich gegen Ende des Schlafs, üblicherweise nach etwa sechs bis acht Stunden, diese Schlafphasen in immer kürzeren Abständen abwechseln, wird der Schlafende wach. Dieser zyklische Prozess wird auch ''[[Schlafzyklus|Schlafrhythmus]]'' genannt.<br />
<br />
Während des gesunden Schlafs zeigen Nervenzellverbände spezielle Synchronisierungen. Das bedeutet, dass sich ihre [[Aktionspotential]]e in einem gemeinsamen Takt auslösen. Durch das Ableiten elektrischer Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche mittels einer [[Elektroenzephalografie]] (EEG) können diese verschiedenen Rhythmen gemessen und sichtbar gemacht werden. Je nach Schlaftiefe und dem damit verbundenen charakteristischen Wellen-Muster lässt sich der Schlaf in verschiedene Stadien einteilen. Nach der [[Frequenz]] und [[Amplitude]] dieser „inneren Rhythmen“ werden folgende Stadien und die dazugehörigen Wellen unterschieden, wobei die folgende Einteilung der Schlafstadien I–IV von 1968 ist (in der neueren Einteilung von 2007 sind die beiden Tiefschlafstadien 3 & 4 zu einem, N3, zusammengefasst; siehe [[Schlafprofil]]):<br />
<br />
* Aufmerksamkeit: [[Betawelle]]n (14 bis 30&nbsp;Hz),<br />
* entspannt mit geschlossenen Augen: [[Alphawellen]] (8 bis 13&nbsp;Hz),<br />
* Stadium I (leichter Schlaf, kurz nach dem Einschlafen): Das Gehirn geht von den Alphawellen über zu [[Thetawellen]] (4 bis 7&nbsp;Hz). Die Muskelspannung wird reduziert und das bewusste Wahrnehmen der Umgebung entschwindet langsam.<br />
* Stadium II: In dieser Phase treten Thetawellen weiterhin auf, dazu kommen jetzt sogenannte [[Elektroenzephalografie#Schlafspindeln|Schlafspindeln]] und [[Elektroenzephalografie#K-Komplexe|K-Komplexe]]. Dieses Schlafstadium wird im Laufe eines 8-Stunden-Schlafes zunehmend länger und nimmt mehr als 50&nbsp;Prozent des Gesamtschlafes ein.<br />
* Stadium III (Übergang in den Tiefschlaf): [[Elektroenzephalografie|Deltawellen]] (0,1 bis <4&nbsp;Hz – langsame Wellen mit hoher Amplitude) treten nun in den Vordergrund (20 bis 50&nbsp;Prozent der gemessenen Hirnwellen), die Muskelspannung nimmt weiter ab.<br />
* Stadium IV (Tiefschlaf): Deltawellen machen nun mehr als 50 Prozent der gemessenen Gehirnwellen aus. Es ist die tiefste Schlafphase, entsprechend desorientiert und verschlafen wirken Schläfer, die jetzt geweckt werden. In dieser Schlafphase treten jedoch Phänomene wie [[Schlafwandeln]] und [[Somniloquie|Sprechen im Schlaf]] auf.<br />
* REM-Schlaf: Der sogenannte REM-Schlaf (englisch: ''rapid eye movement.'' auch ''[[Traum]]schlaf'' oder ''paradoxer Schlaf'') unterscheidet sich in vielen Punkten von den anderen Schlafphasen. Das EEG ähnelt Schlafstadium I (vorwiegend Theta-Wellen). Es kommt jedoch in regelmäßigen Abständen zu schnellen, richtungslosen Bewegungen des Augapfels mit einer Frequenz von 1 bis 4&nbsp;Hz. Traumberichte bei Weckungen in dieser Phase sind deutlich lebendiger, visueller und emotionaler als bei Weckungen in anderen Phasen. Während des REM-Schlafs sind die Skelett-Muskeln maximal [[Muskelrelaxation|relaxiert]], nicht jedoch die Augenmuskulatur. Es kommt zu einer Aktivierung der meisten [[Vegetatives Nervensystem|vegetativen]] Funktionen mit Erhöhung des Blutdrucks, der Atmungs- und Herzfrequenz, sowie zu einer erhöhten Durchblutung des Genitals. Letzteres manifestiert sich beim Mann als [[Erektion]]. Das Stresshormon [[Adrenalin]] wird in dieser Phase vermehrt ausgeschüttet (möglicherweise mehr [[Herzinfarkt]]e in dieser Phase) und die Magen- und Zwölffingerdarmaktivität steigt. Die Dauer der einzelnen REM-Phasen liegt zu Beginn des Nachtschlafs bei durchschnittlich fünf bis zehn Minuten und wird in den folgenden Phasen länger. Die durchschnittliche Gesamtdauer pro Nacht liegt beim Erwachsenen bei ca. 104 Minuten. [[Fötus|Foeten]] und Neugeborene dagegen verbringen fast die gesamte Schlafdauer im REM-Schlaf. Es scheint somit ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem REM-Schlaf und der Reifung des [[Zentralnervensystem|ZNS]] zu bestehen.<ref name="Birbaumer">Birbaumer & Schmidt, 2. Auflage, S. 504&nbsp;ff. (Kapitel ''Circadiane Periodik, Schlaf und Traum'').</ref> Die Funktion dieser Schlafphase ist Gegenstand intensiver Forschungen.<ref name="Pinel, J.P.J.">{{Internetquelle |autor=Psychology World |url=http://web.mst.edu/~psyworld/general/sleepstages/sleepstages.pdf |titel=Stages of Sleep |datum=1998 |format=PDF; 29&nbsp;kB |archiv-url=https://web.archive.org/web/20080626071702/http://web.mst.edu/~psyworld/general/sleepstages/sleepstages.pdf |archiv-datum=2008-06-26 |abruf=2008-06-15}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=Schlafstadien und Schlafarchitektur |Sammelwerk=Schlaftraining – Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen |Verlag=Hogrefe-Verlag |Datum=1999 |ISBN=3-8017-1299-0 |Online=http://www.schlafgestoert.de/site-51.html |Abruf=2008-09-28}}</ref><br />
<br />
<gallery><br />
Sleep EEG Stage 1.jpg|Stadium I<br />
Sleep EEG Stage 2.jpg|Stadium II, Schlafspindeln sind rot unterstrichen.<br />
Sleep EEG Stage 4.jpg|Stadium IV<br />
Sleep EEG REM.png|REM-Schlaf<br />
</gallery><br />
<br />
Die Stadien I–IV werden (im Gegensatz zum REM-Schlaf) als ''Non-REM-'', ''NREM-'' oder ''orthodoxer Schlaf'' bezeichnet. Die Stadien III und IV werden als ''Tiefschlaf'' oder (aufgrund der langsamen Hirnwellen) ''Slow-Wave-Sleep'' bezeichnet. In den Stadien I bis IV nimmt die EMG-Aktivität ([[Elektromyografie]]; [[Muskeltonus]], v.&nbsp;a. der Hals- und Nackenmuskulatur) ab, bis es im REM-Schlaf zur völligen Muskel[[atonie]] kommt.<ref name="Birbaumer" /> Die Stadien I bis IV mit anschließendem REM-Schlaf werden mehrere Male pro Nacht wiederholt (etwa fünf- bis siebenmal). Dabei nehmen die Tiefschlafphasen zeitlich ab und die REM-Phasen zu. Das Stadium IV wird im späteren Verlauf der Nacht nicht mehr erreicht. Ältere Menschen erreichen sehr oft das Stadium IV überhaupt nicht mehr. Auch das [[Polyphasischer Schlaf|Schlafmuster]] ändert sich mit dem Alter: Alte Menschen schlafen nachts nur noch wenige Stunden und schlafen dafür häufig am Tag noch einmal ein bis zwei Stunden. Säuglinge schlafen den ganzen Tag, aber jeweils in kurzen Phasen. Bei Erwachsenen konzentriert sich der Schlaf auf eine Kernzeit, meist in der Nacht. Ein Schlafzyklus dauert etwa 90 Minuten. Dieser 90-Minuten-Zyklus setzt sich auch in der Wachzeit fort und führt zu Phasen wechselnder Leistungsbereitschaft ([[ultradiane Rhythmik]]).<ref>{{Internetquelle |autor=Stanley J. Swierzewski |url=http://www.sleepdisorderchannel.com/stages/ |titel=Sleep Stages. Overview, Waking, Non-REM, REM, Sleep Cycle, Factors, Age |hrsg=Sleep Channel, Healthcommunities.com |datum=2000-12-01 |abruf=2008-02-10}}</ref><br />
<br />
== Variationen der Schlafdauer beim Menschen ==<br />
Die individuellen Schwankungen unterworfene „optimale“ tägliche Menge an Schlaf für den Menschen sowie deren Verteilung über den Tag ist wissenschaftlich umstritten. Nachdem lange die negativen Folgen von Schlafmangel im Mittelpunkt der Forschung standen, geraten in letzter Zeit zunehmend die offenbar ebenfalls unliebsamen Folgen von zu viel Schlaf ins Blickfeld. Dabei scheint sich&nbsp;– nach großen Studien in den USA und in Japan&nbsp;– herauszukristallisieren, dass die oft für Erwachsene genannten „acht Stunden am Tag“ schon zu lang sind und das Optimum eher zwischen sechs und sieben Stunden liegt, was auch der Durchschnitts-Schlafzeit in Deutschland entspricht (6 Stunden 59 Minuten laut einer an der [[Universität Regensburg]] durchgeführten Studie). Studien der Universitäten von Warwick und London kamen zum gleichen Ergebnis.<ref>{{Internetquelle |url=http://www2.warwick.ac.uk/newsandevents/pressreleases/researchers_say_lack/ |titel=„Researchers say lack of sleep doubles risk of death… but so can too much sleep“ |abruf=2011-02-10}}</ref><ref name="Ferrie">{{Literatur |Autor=Jane E. Ferrie, Martin J. Shipley, Francesco P. Cappuccio, Eric Brunner, Michelle A. Miller, Meena Kumari, Michael G. Marmot |Titel=A Prospective Study of Change in Sleep Duration: Associations with Mortality in the Whitehall II Cohort |Sammelwerk=Sleep |Band=Vol. 30 |Nummer=12 |Datum=2007 |Seiten=1659–1666 |Sprache=en |PMC=2276139 |PMID=18246975}}</ref> Eine internationale Studie der amerikanischen [[National Sleep Foundation]] 2013 zeigte auch vergleichbare Ergebnisse, wobei klare Unterschiede in der Schlafdauer zwischen Werktagen und arbeitsfreien Tagen feststellbar waren. Auch gaben die meisten Personen an, nicht so viel Schlaf zu bekommen, wie sie eigentlich benötigen würden, um sich erholt zu fühlen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.sleepfoundation.org/professionals/sleep-americar-polls/2013-international-bedroom-poll |titel=2013 International bedroom poll |hrsg=National Sleep Foundation (USA) |datum=2013 |abruf=2020-07-01}}</ref> Trotzdem gab die Mehrheit an, auch an Werktagen ausreichend Schlaf zu bekommen, um sich am Morgen erholt zu fühlen. Einzelne Studien deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Schlafstruktur und den [[Mondphase]]n hin.<ref name="cajochen_2013-06">{{Literatur |Autor=Christian Cajochen, Songül Altanay-Ekici, Mirjam Münch, Sylvia Frey, Vera Knoblauch, Anna Wirz-Justice |Titel=Evidence that the Lunar Cycle Influences Human Sleep |Sammelwerk=[[Current Biology]] |Band=23 |Nummer=15 |Datum=2013-08-05 |Seiten=1–4 |Online=http://www.chronobiology.ch/wp-content/uploads/publications/cajochen_2013-06.pdf |Format=PDF |KBytes=474 |DOI=10.1016/j.cub.2013.06.029}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Leandro Casiraghi, Ignacio Spiousas, Gideon P. Dunster, Kaitlyn McGlothlen, Eduardo Fernández-Duque |Titel=Moonstruck sleep: Synchronization of human sleep with the moon cycle under field conditions |Sammelwerk=Science Advances |Band=7 |Nummer=5 |Datum=2021-01-01 |ISSN=2375-2548 |DOI=10.1126/sciadv.abe0465 |Seiten=eabe0465 |Online=https://advances.sciencemag.org/content/7/5/eabe0465 |Abruf=2021-01-29}}</ref><br />
<br />
=== Individuelle Unterschiede ===<br />
Das individuelle Schlafbedürfnis des Erwachsenen schwankt etwa zwischen sechs und zehn Stunden und folgt ungefähr einer [[Normalverteilung]]. Extreme treten bei Säuglingen auf, die 14 bis 17 Stunden schlafen<ref name="sleepfoundation_how_much_sleep">{{Internetquelle |url=http://www.sleepfoundation.org/article/how-sleep-works/how-much-sleep-do-we-really-need |titel=How Much Sleep Do We Really Need? |hrsg=National Sleep Foundation |abruf=2016-02-02 |sprache=en}}</ref> (über den Tag verteilt), und bei alten Menschen, deren Schlafbedürfnis geringer ist („[[senile Bettflucht]]“). Nach Meinung des Schlafforschers [[Peretz Lavie]] ist von einem schlafgesunden Menschen auszugehen, wenn dieser sich bei einer täglichen Schlafdauer von vier bis zwölf Stunden wohlfühlt.<br />
<br />
<!-- Bitte in dieser Tabelle KEINE Zahlen ohne der Angabe einer Quelle ändern! --><br />
{| class="wikitable"<br />
|+ Altersbezogenes durchschnittliches Schlafbedürfnis pro Tag beim Menschen<ref name="sleepfoundation_how_much_sleep" /><br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
! Alter<br />
! style="width:12em"| Durchschnittliches Schlafbedürfnis in Stunden/Tag<br />
|-<br />
| 0–3 Monate<br />
| 13-15 (Mann) 15-17 (Frau)<br />
|-<br />
| 4–11 Monate<br />
| 10-14 (Mann) 14-16 (Frau)<br />
|-<br />
| 1–2 Jahre<br />
| 10-13 (Mann) 13-15 (Frau)<br />
|-<br />
| 3–7 Jahre<br />
| 8-10 (Mann) 11-14 (Frau)<br />
|-<br />
| 8–13 Jahre<br />
| 7-8 (Mann) 10-12 (Frau)<br />
|-<br />
| 14–17 Jahre<br />
| 6-8 (Mann) 9-11 (Frau)<br />
|-<br />
| 18–64 Jahre<br />
| 5-7 (Mann) 8-11 (Frau)<br />
|-<br />
| über 64 Jahre<br />
| 5-7 (Mann) 8-10 (Frau)<br />
|}<br />
<br />
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das individuell unterschiedlich ausgeprägte Schlafbedürfnis konstitutionell vorgegeben ist und folglich nicht durch falsch verstandenes „Training“ ausgeschaltet oder längerfristig ignoriert werden kann, ohne dass der Organismus Schaden erleidet. Wer zu den Menschen mit vermehrtem Schlafbedarf gehört, sollte daher seinen alltäglichen Lebensrhythmus nach Möglichkeit darauf einstellen und sein Verhalten entsprechend anpassen. Die optimale Schlafdauer eines Menschen hängt auch vom [[Circadiane Rhythmik|circadianen Rhythmus]] ab. Denn der Schlaf zur „falschen“ Tageszeit ist relativ ineffizient. Der Zeitraum für den Schlaf ist am besten, wenn die folgenden zwei Ereignisse in der Mitte des Schlafens zusammentreffen:<ref name="Uhr">{{Literatur |Autor=James K. Wyatt, Angela Ritz-De Cecco, Charles A. Czeisler, Derk-Jan Dijk |Titel=Circadian temperature and melatonin rhythms, sleep, and neurobehavioral function in humans living on a 20-h day |Sammelwerk=Am J Physiol |Band=277 |Nummer=4 |Datum=1999-10 |Seiten=R1152–R1163 |Online=http://ajpregu.physiology.org/cgi/content/full/277/4/R1152 |Abruf=2007-11-25 |PMID=10516257 |Zitat=… significant homeostatic and circadian modulation of sleep structure, with the highest sleep efficiency occurring in sleep episodes bracketing the melatonin maximum and core body temperature minimum}}</ref><br />
<br />
* maximale [[Melatonin]]konzentration im Blut<br />
* minimale Körperkerntemperatur.<br />
<br />
Weiter sind innerhalb eines 24-Stunden-Tages die Phasen maximaler und minimaler Leistungsfähigkeit je nach Typus unterschiedlich verteilt. Vereinfachend kann zwischen einem ''Morgentyp'' und einem ''Abendtyp'' unterschieden werden. Der ''Morgentyp'' (zum Beispiel ein Frühaufsteher) ist bereits früh am Morgen fit und leistungsfähig, der ''Abendtyp'' entwickelt unter anderem als ''Nachtschwärmer'' (auch Nachtmensch) zu fortgeschrittener Abendzeit nochmals ein Aktivitätsmaximum. Im Jahr 2005 wurden die seit langem bekannten genetischen Einflüsse präzisiert, die hierbei eine Rolle spielen (Period3-Gen).<br />
<br />
[[Tagschlaf]] ist möglich, weil die Hormonausschüttung erst nach dem Einleiten des Schlafs beginnt. Wird man kurz nach dem Beginn des Schlafs aufgeweckt, so hat man möglicherweise eine REM-Phase absolviert, besitzt aber noch nicht eine so hohe Hormonkonzentration, durch die man gleich wieder einschlafen würde.<br />
<br />
=== Schlafmangel ===<br />
{{Hauptartikel|Müdigkeit}}<br />
Als Schlafmangel bezeichnet man den kumulativen Effekt von zu wenig Schlaf. Schlafmangel kann zu mentaler oder physischer [[Müdigkeit]] führen und entsprechend die Leistungsfähigkeit reduzieren. Die genauen physiologischen Veränderungen durch Schlafmangel sind Gegenstand der Forschung.<br />
<br />
Übermäßige Müdigkeit am Tag kann eine Folge von Schlafmangel sein. Sie kann jedoch auch Folge einer Schlafstörung wie [[Narkolepsie]] oder des Schlafapnoe-Syndroms sein. Eine betroffene Person ist immer müde, selbst wenn sie lange genug geschlafen hat. Diese Symptome sollten mit einem Arzt besprochen werden. Die Krankheiten sind oft behandelbar. Wer sich dieser Krankheiten nicht bewusst ist, kann für sich oder andere zur Gefahr werden, etwa durch [[Sekundenschlaf]] beim Autofahren oder plötzliche Unaufmerksamkeit am Arbeitsplatz.<ref name="myths" /> Schlafmediziner nennen dieses Krankheitsbild „Nicht erholsamer Schlaf“. Übermäßige Müdigkeit trotz genügend Schlaf kann allerdings auch gerade bei jungen Frauen an Eisenmangel, Blutarmut ([[Anämie]]) oder anderen Mangelerscheinungen liegen.<br />
<br />
Beim Autofahren das Radio lauter zu drehen, das Fenster zu öffnen oder die Klimaanlage einzuschalten, um wach zu bleiben, hilft nur kurzzeitig und kann für die Person gefährlich werden, wenn trotz Müdigkeit oder Schwindelgefühlen weiter gefahren wird. Wer sich während der Fahrt müde fühlt, sollte baldmöglichst anhalten und ruhen. [[Koffein]]haltige Getränke verschieben nur die Müdigkeit.<ref name="myths" /> Laut [[Peter Spork|Spork]] ''(Das Schlafbuch, 2007)'' hilft es am effektivsten, sofort einen Parkplatz aufzusuchen, ein starkes koffeinhaltiges Getränk zu trinken und danach zu schlafen. Das Koffein weckt die Person nach etwa 30 Minuten und es ist Studien zufolge möglich, unfallfrei weiterzufahren. Die Kombination aus Schlaf und Koffein wirkte in den Studien besser als jede der Maßnahmen alleine.<br />
<br />
Schlafstörungen können auch häufig im Rahmen von psychischen Störungen und Erkrankungen auftreten, beispielsweise bei Depressionen, Angsterkrankungen oder Psychosen. Schlafstörungen können aber auch [[psychische Erkrankung]]en, insbesondere [[Depression]]en, ver[[ursache]]n oder [[Reiz|auslösen]].<ref>{{Literatur |Autor=T. Pollmächer et al. |Titel=Schlafmedizinische Differenzialdiagnostik in Psychiatrie und Psychotherapie |Sammelwerk=Nervenarzt |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2013-01 |Seiten=1 ff |Online=https://www.researchgate.net/profile/Thomas_Wetter/publication/263345268_Schlafmedizinische_Differenzialdiagnostik_in_Psychiatrie_und_Psychotherapie/links/0a85e53b6de119f5da000000.pdf |Format=PDF |KBytes= |DOI=10.1007/s00115-013-3895-4}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=D. Riemann et al. |Hrsg=AWMF |Titel=S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“ |Sammelwerk=Somnologie |Verlag=Springer |Datum=2017 |Seiten=12 |Online=[http://www.dgsm.de/downloads/aktuelles/S3%20LL%20Nicht-erholsamer%20Schlaf%20Kap%20Insomnie%20Somnologie%202017.pdf dgsm.de] |Format=PDF |KBytes=}}</ref><br />
<br />
Bei Jugendlichen nimmt die Schlafdauer im Vergleich zur Kindheit deutlich ab. Dabei schlafen Jugendliche in der 12. Klasse durchschnittliche 6,9 Stunden pro Nacht. Erholsamer Schlaf ist wichtig für z.&nbsp;B. das Fühlen, Denken und die soziale Interaktion. Schlafmangel im Jugendalter kann sich beispielsweise in schlechter Laune und schlechter [[Emotionsregulation]] zeigen. Schlafmangel erhöht des Weiteren die Wahrscheinlichkeit für riskantes Verhalten, wie z.&nbsp;B. betrunkenes Autofahren oder Drogenkonsum bei Jugendlichen.<ref>{{Literatur |Autor=Leila Tarokh, Jared M. Saletin, Mary A. Carskadon |Titel=Sleep in adolescence: Physiology, cognition and mental health |Sammelwerk=Neuroscience & Biobehavioral Reviews |Band=70 |Datum=2016-11 |ISSN=0149-7634 |Seiten=182–188 |Online=http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0149763416302664 |Abruf=2018-06-18 |DOI=10.1016/j.neubiorev.2016.08.008 |PMC=5074885 |PMID=27531236}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Brand S. |url=https://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=13247 |titel=Schlaf bei Jugendlichen |werk=Pädiatrie |abruf=2018-06-18}}</ref><br />
<br />
Längerfristiger Schlafmangel ohne ausreichende Erholungsphasen kann sich negativ auf die psychische und/oder körperliche Gesundheit auswirken. Mögliche Folgen können Kreislaufbeschwerden wie z.&nbsp;B. [[Bluthochdruck]] oder Durchblutungsstörungen sein. Zudem kann Schlafmangel eine [[Depression]] begünstigen und tritt bei dergleichen häufiger auf.<ref>{{Literatur |Autor=Roland von Känel |Titel=Normaler und gestörter Schlaf |Sammelwerk=Psychoendokrinologie und Psychoimmunologie |Verlag=Springer Berlin Heidelberg |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-16964-9 |Seiten=247–266 |DOI=10.1007/978-3-642-16964-9_13}}</ref><br />
<br />
== Funktion ==<br />
Die Aufklärung der biologischen Funktionen des Schlafs ist Gegenstand intensiver Forschung. Es gibt eine Reihe von Hypothesen, die zum Teil durch psychologische<ref>Vgl. etwa David Foulkes: ''Die Psychologie des Schlafs.'' S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1969.</ref> und auch physiologische Experimente untermauert wurden.<br />
<br />
=== Evolution ===<br />
Die Grundlage für die Entwicklung von Ruhe- und Aktivitätszyklen gab die [[Erdrotation]] mit ihrem Rhythmus von Tag und Nacht. Die [[Blüte]]n von Pflanzen öffnen und schließen sich in Abhängigkeit zur Tageszeit. Selbst Einzeller wie die Geißelalge ''[[Lingulodinium polyedrum]]'' (= ''Gonyaulax polyedra'') richten ihre Aktivität nach dem [[Sonnenstand]]. Solche Beobachtungen an wenig entwickelten Organismen legen die Vermutung nahe, dass schon früh in der [[Evolution]] Anpassungen an die Licht- und Temperaturverhältnisse stattgefunden haben, um die [[Stoffwechsel|metabolische Aktivität]] zu regulieren. Staedt und Stoppe vermuteten in neueren Studien, dass sich der elektrophysiologisch messbare Schlaf im Zuge der Entwicklung immer komplexerer [[Neuronales Netz|neuronaler Netzwerke]] entwickelt habe.<ref name="staedt" /><ref>J. Staedt, Stoppe G. (2001): Evolution und Funktion des Schlafes. Fortschritte Neurologischer Psychiatrie; 69:51-57</ref><ref>J. Staedt, G. Stoppe: ''Are sleep and its disorders of interest for psychiatric and psychosomatic medicine?'' In: ''Advances in Psychosomatic Medicine.'' Ed. Diefenbacher A. Karger Basel; 26, 2004, S. 1–6.</ref> Danach gebe es eine direkte Beziehung zwischen dem Bedarf an Schlaf und der Leistungsfähigkeit des Gehirns, insbesondere was die Verarbeitung und Speicherung von Information betreffe.<br />
<br />
=== Entwicklungsbiologie ===<br />
{{Hauptartikel|Entwicklungsbiologie}}<br />
Entwicklungsbiologische Beobachtungen zeigten, dass die Vorgänge während des REM-Schlafes von Neugeborenen besonders wichtig für die Entwicklung des jungen Organismus zu sein scheinen.<ref>Marks u. a., 1995.</ref> Studien, die den Effekt von Schlafmangel an Kleinkindern untersuchten, zeigten auf, dass dies zu Verhaltensstörungen, permanenten Schlafproblemen, reduzierter Gehirnmasse<ref>Mirmiran u. a., 1983.</ref> und einer ungewöhnlich hohen [[Nervenzelle|Nervenzellsterblichkeit]] führt.<ref>Morrissey, Duntles & Anch, 2004.</ref><br />
<br />
REM-Schlaf scheint für die Entwicklung des [[Gehirn]]s von entscheidender Bedeutung zu sein. Bei Neugeborenen&nbsp;– die an sich schon viel schlafen&nbsp;– macht er den größten Teil des Schlafes aus. Vergleicht man verschiedene Tierarten, so ist die Tiefschlafphase von Neugeborenen umso länger, je weniger entwickelt das Baby geboren wird. Es wurde vermutet, dass während des REM-Schlafes die Muskeln deshalb teilweise gelähmt würden, um die Aktivierung und Entwicklung des Gehirns voranzutreiben, ohne dass die dadurch entstehenden [[Nervenimpuls]]e zu Bewegungen führen, die besonders ein Neugeborenes in Schwierigkeiten bringen könnten. REM-Mangel von Kleinkindern führt später zu Entwicklungsproblemen.<ref name="staedt" /><br />
<br />
Diese Theorie erklärt jedoch nicht, weshalb auch Erwachsene nach wie vor REM-Schlaf brauchen, und auch nur unzureichend, weshalb der REM-Anteil bereits nach dem dritten Lebensjahr etwa gleich ist wie bei einem Erwachsenen. Die Jungen von [[Meeressäugetiere]]n kennen keinen REM-Schlaf zu Beginn ihres Lebens, erst im Laufe der Zeit nimmt dieser zu. Zumindest bei diesen Tieren ist er also zur Entwicklung nicht notwendig. Zu beachten ist dabei jedoch, dass diese Tiere niemals mit beiden Gehirnhälften schlafen können, da sie als [[Atmung|Lungenatmer]] sonst ertrinken würden.<br />
<br />
=== Schlafgene ===<br />
<br />
<br />
Die Dauer des Schlafes und auch seine Qualität werden von verschiedenen Genen mitbestimmt. Bis jetzt wurden sieben Gene entdeckt, die mit der Schafdauer zusammenhängen.<ref>[https://www.spektrum.de/news/schlafdauer-warum-manche-menschen-mit-wenig-schlaf-auskommen/2247036 ''Was ist das Geheimnis von Kurzschläfern?'']</ref> Das DEC2-Gen steuert zum Beispiel die Konzentration von [[Orexin]]. Es ist ein Hirnbotenstoff, der die Wachheit steigert. Ein Mangel führt zur [[Narkolepsie]]<br />
<br />
.<ref>[https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76332/Sieben-Gene-koennen-den-Schlaf-rauben ''Sieben Gene können den Schlaf rauben'']</ref><ref>[https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/schlafforschung-morgenmuffel-die-gene-sind-schuld-1.2849036 ''Morgenmuffel? Die Gene sind schuld'']</ref><br />
<br />
=== Ausschwemmung von Abfallstoffen aus dem Gehirn ===<br />
{{Hauptartikel|Glymphatisches System}}<br />
Durch die Filtersysteme der [[Blut-Hirn-Schranke]] und der [[Blut-Liquor-Schranke]] ist sowohl die Versorgung (Nährstoffe) als auch die Entsorgung (Abfallstoffe) von Gehirn und Rückenmark (ZNS) aktiv eingeschränkt und unter spezieller biochemischer und biophysikalischer Kontrolle. Da jedoch gerade hier ein ungewöhnlich hoher durchschnittlicher [[Stoffwechsel]] vorliegt, müssen besondere Einrichtungen vorhanden sein, um den nötigen An- und Abtransport trotzdem zu gewährleisten.<br />
<br />
Die Erforschung dieser Zusammenhänge führte 2012 zur Entdeckung des [[Glymphatisches System|glymphatischen Systems]], eines speziellen Mikrokreislaufs im ZNS zur Ausschwemmung von überflüssigem und schädlichem Material.<br />
<br />
Der Vergleich des Transports bei wachen und schlafenden Tieren zeigte einen Rückgang um etwa 95 % im Wachzustand. Es zeigte sich weiter, dass im Schlaf das Volumen des [[Zellzwischenraum]]s (Interstitium) durch Schrumpfung der Zellkörper vergrößert war, mit einem Anteil am Gesamtvolumen von etwa 24 % im Vergleich zu etwa 14 % im Wachzustand. Im Schlaf war daher >60 % mehr Raum für den Flüssigkeitstransport vorhanden. [[Noradrenalin]], ein Hauptmodulator des Wachheitsniveaus, erwies sich auch als möglicher Regler des Volumens des Zellzwischenraums und damit der Effektivität des ''glymphatischen Systems''.<ref>{{Literatur |Autor=Lulu Xie, Hongyi Kang, Qiwu Xu, Michael J. Chen, Yonghong Liao, Meenakshisundaram Thiyagarajan, John O’Donnell, Daniel J. Christensen, Charles Nicholson, Jeffrey J. Iliff, Takahiro Takano, Rashid Deane, Maiken Nedergaard |Titel=Sleep drives metabolite clearance from the adult brain |Sammelwerk=[[Science]] |Band=342 |Nummer=6156 |Datum=2013 |Seiten=373–377 |DOI=10.1126/science.1241224 |PMC=3880190 |PMID=24136970}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Nadia Aalling Jessen, Anne Sofie Finmann Munk, Iben Lundgaard, Maiken Nedergaard |Titel=The Glymphatic System: A Beginner’s Guide |Sammelwerk=Neurochemical Research |Band=40 |Nummer=12 |Datum=2015 |ISSN=1573-6903 |Seiten=2583–2599 |Kommentar=Review |DOI=10.1007/s11064-015-1581-6 |PMC=4636982 |PMID=25947369}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Andy R. Eugene, Jolanta Masiak |Titel=The Neuroprotective Aspects of Sleep |Sammelwerk=MEDtube science |Band=3 |Nummer=1 |Datum=2015 |ISSN=2353-5687 |Seiten=35–40 |Kommentar=Review |PMC=4651462 |PMID=26594659}}</ref><br />
<br />
Dieses Entsorgungssystem ist seither Gegenstand intensiver Forschung insbesondere wegen seiner Bedeutung für Entstehung und Vorbeugung bei [[Neurodegenerative Erkrankung|neurodegenerativen Erkrankungen]] wie zum Beispiel der [[Alzheimer-Krankheit]], der [[Parkinson-Krankheit]] oder der [[Amyotrophe Lateralsklerose|amyotrophen Lateralsklerose]] (ALS).<br />
<br />
=== Regeneration ===<br />
[[Datei:Jean-Baptiste Greuze Tricoteuse endormie.jpg|mini|''Beim Stricken eingeschlafenes Mädchen (Tricoteuse endormie)'' von [[Jean-Baptiste Greuze]] (1724–1805). Öl auf Leinwand, 64,3 × 51 cm.]]<br />
Schlaf fördert die [[Wundheilung]]. Eine Studie von Gumustekin<ref>K. Gumustekin, B. Seven, N. Karabulut, O. Aktas, N. Gursan, S. Aslan, M. Keles, E. Varoglu, S. Dane: ''Effects of sleep deprivation, nicotine, and selenium on wound healing in rats.'' In: ''Neuroscience.'' 114, 2004, S. 1433–1442.</ref> aus dem Jahr 2004 konnte aufzeigen, dass Schlafentzug die [[Heilung]] von [[Verbrennung (Medizin)|Brandwunden]] bei Ratten negativ beeinflusst.<br />
<br />
Es wurde auch aufgezeigt, dass Schlafentzug das [[Immunsystem]] und den [[Stoffwechsel]] beeinflusst. Bei einem Versuch wurden Ratten 24 Stunden am Schlafen gehindert. Verglichen mit der Kontrollgruppe war der Anteil an [[Leukozyt|weißen Blutkörperchen]] um 20 Prozent reduziert,<ref name="c03636119">{{Literatur |Autor=A. Zager, M. L. Andersen, F. S. Ruiz, I. B. Antunes, S. Tufik |Titel=Effects of acute and chronic sleep loss on immune modulation of rats |Sammelwerk=Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol |Band=293 |Datum=2007 |Seiten=R504-R509 |Online=http://ajpregu.physiology.org/cgi/content/abstract/293/1/R504?maxtoshow=&HITS=10&hits=10&RESULTFORMAT=&searchid=1&FIRSTINDEX=0&sortspec=relevance&volume=293&firstpage=R504&resourcetype=HWCIT |DOI=10.1152/ajpregu.00105.2007 |PMID=3636119}}</ref> was eine deutliche Veränderung des Immunsystems darstellt.<br />
<br />
Gesunde Menschen haben einen deutlich höheren Stoffwechselumsatz als Menschen, die an einer [[Schlafstörung]] leiden.<ref>M. H. Bonnet, D. L. Arand: ''Insomnia, metabolic rate and sleep restoration.'' In: [[Journal of Internal Medicine]]. 254, 2003, S. 23–31.</ref><br />
<br />
Eine Studie an 305 Kindern sammelte Informationen über Wachstum, Größe und Gewicht sowie die von den Eltern aufgezeichnete Schlafzeit während der ersten zehn Lebensjahre. Die Studie ermittelte keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Dauer des Schlafs bei Kindern und ihrem Wachstum.<ref>O. G. Jenni, L. Molinari, J. A. Caflisch, R. H. Largo: ''Sleep duration from ages 1 to 10 years: Variability and stability in comparison with growth.'' In: ''Pediatrics.'' 120, 2007, S. e769–e776.</ref> Die Konzentration von [[Wachstumshormone]]n nahm allerdings bei erwachsenen Männern während des Schlafs zu, besonders in den Stadien III und IV. Während einer Schlafzeit von acht Stunden schütteten besonders diejenigen Männer viele Wachstumshormone aus, deren gesamte Tiefschlafphasen relativ lang waren.<ref>E. Van Cauter, R. Leproult, L. Plat: ''Age-related changes in slow-wave sleep and REM sleep and relationship with growth hormone and cortisol levels in healthy men'' In: ''Journal of the American Medical Association.'' 284, 2000, S. 861–868.</ref> Ob natürliche oder unnatürliche Änderungen der Schlafdauer zu Unterschieden beim Wachstum führen, ist jedoch noch unklar.<br />
<br />
Die Schlafzeit verschiedener [[Art (Biologie)|Arten]] ist im Allgemeinen umgekehrt proportional zur Größe des Tieres, aber zunehmend mit dem [[Grundumsatz]], der bei kleinen Tieren groß ist (siehe dazu auch [[Kleibers Gesetz]]). [[Ratten]] mit einem sehr hohen Grundumsatz schlafen bis zu 14 Stunden pro Tag, während Elefanten und Giraffen mit deutlich geringerem Umsatz nur drei bis vier Stunden pro Tag schlafen.<br />
<br />
Um Energie zu sparen, wäre es ausreichend, regungslos zu ruhen, ohne den [[Organismus]] teilweise von der [[Umwelt]] abzuschneiden, was gefährlich sein kann. Ein ruhendes, aber nicht schlafendes Tier hat größere Chancen, [[Raubtiere]]n zu entgehen, und kann trotzdem Energie sparen. Allerdings konnte mittels Untersuchungen am Menschen gezeigt werden, dass Testpersonen im wachen Zustand trotz körperlicher Inaktivität tatsächlich deutlich mehr Energie verbrauchen als beim Schlafen bzw. im gleichen Zeitraum (24 Stunden) mit normalem Schlaf-Wach-Rhythmus: Während der Nacht, in der der Effekt besonders ausgeprägt ist, wiesen die [[Proband]]en im Wachzustand einen um fast ''ein Drittel'' (~32&nbsp;Prozent) höheren Energieverbrauch auf, als wenn sie schliefen.<ref name="PMID_21059762">{{Literatur |Autor=C. M. Jung u. a. |Titel=Energy Expenditure During Sleep, Sleep Deprivation and Sleep Following Sleep Deprivation in Adult Humans |Sammelwerk=J Physiol |Band=[Epub ahead of print] |Datum=2010 |PMID=21059762}}</ref><ref name="BdW060111">{{Internetquelle |url=https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/mensch-im-standby-modus/ |titel=''Mensch im Standby-Modus.'' |hrsg=[[bild der Wissenschaft]] |abruf=2019-09-08}}</ref> Neuere Studien zeigten, dass es im Schlaf nicht nur zu einer Energieeinsparung kommt, sondern v.&nbsp;a. im Tiefschlaf in einigen Hirnarealen zu einer deutlichen Energiespeicherung.<ref>{{Literatur |Autor=Markus Dworak, Robert W. McCarley, Tae Kim, Anna V. Kalinchuk, Radhika Basheer |Titel=Sleep and brain energy levels: ATP changes during sleep |Sammelwerk=The Journal of Neuroscience: The Official Journal of the Society for Neuroscience |Band=30 |Nummer=26 |Datum=2010 |ISSN=1529-2401 |Seiten=9007–9016 |DOI=10.1523/JNEUROSCI.1423-10.2010 |PMC=2917728 |PMID=20592221}}</ref><ref>[https://www.wissenschaft.de/allgemein/energieschub-fuers-gehirn/ ''Energieschub fürs Gehirn.''] Auf: ''wissenschaft.de'' vom 19. Oktober 2010</ref> Der universale Energieträger ATP ([[Adenosintriphosphat]]) stieg im Gehirn von Ratten nur während des Tiefschlafes an und hing mit der Verminderung der Nervenaktivität in diesem Schlafstadium zusammen. Entsprechendes konnte auch in Studien mit narkotisierten Tieren gezeigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=M. Dworak, R. W. McCarley, T. Kim, R. Basheer |Titel=Delta oscillations induced by ketamine increase energy levels in sleep-wake related brain regions |Sammelwerk=Neuroscience |Band=197 |Datum=2011 |ISSN=1873-7544 |Seiten=72–79 |DOI=10.1016/j.neuroscience.2011.09.027 |PMC=3576049 |PMID=21958867}}</ref><br />
<br />
Manche Tiere brauchen nach dem Aufwachen aus ihrem [[Winterschlaf]] erneut einen Erholungsschlaf, möglicherweise aufgrund von „Schlafmangel“ während des Winterschlafs. Die Tiere hatten hierbei genügend Ruhe, benötigen jedoch anscheinend den Schlaf noch für etwas anderes.<ref>{{Literatur |Autor=S. Daan, B. M. Barnes, A. M. Strijkstra |Titel=Warming up for sleep? Ground squirrels sleep during arousals from hibernation |Sammelwerk=Neurosci. Lett. |Band=128 |Nummer=2 |Datum=1991 |Seiten=265–268 |DOI=10.1016/0304-3940(91)90276-Y |PMID=1945046}}</ref><br />
<br />
=== Ordnung, Aussortierung und Festigung von Erinnerungen ===<br />
Nach dieser Hypothese werden im Schlaf Erlebnisse der Wachphasen verarbeitet. Das Gehirn werde dabei von überflüssigen Informationen „gereinigt“. Auch helfe der Schlaf, positive wie negative Erfahrungen einzuordnen („das muss ich erst mal überschlafen“, siehe [[Militärische Nacht]]) u. a. auch in Form von Träumen.<br />
<br />
Wissenschaftler haben mehrere Zusammenhänge zwischen Schlaf und [[Gedächtnis]] entdeckt. Die Forscher erlaubten 18 Frauen und 22 Männern, während vier Tagen nur 26 Minuten pro Nacht zu schlafen. Während der Testphase wurden dauernd [[Kognition]]s- und Gedächtnistests mit den Probanden durchgeführt. Beim letzten Test war der Umfang des Arbeitsgedächtnisses um 38 Prozent geringer als bei einer Vergleichsgruppe, die normal geschlafen hatte. So konnte gezeigt werden, dass die Leistung des [[Arbeitsgedächtnis]]ses unter [[Schlafmangel]] leidet.<ref>T. H. Turner, S. P. A. Drummond, J. S. Salamat, G. G. Brown: ''Effects of 42 hr sleep deprivation on component processes of verbal working memory.'' In: ''Neuropsychology.'' 21, 2007, S. 787–795.</ref> Das Arbeitsgedächtnis ist wichtig, weil es Informationen kurzfristig für die weitere Nutzung in einer aktuellen Situation bereithält und damit einen wichtigen Beitrag zur [[Entscheidung]]sfindung leistet.<br />
<br />
Das Gedächtnis scheint während der verschiedenen Schlafphasen unterschiedlich beeinflusst zu werden. In einer Studie, bei der mehrere Gruppen von Menschen zu verschiedenen Zeiten geweckt wurden, konnte aufgezeigt werden, dass das [[Gedächtnis#Deklaratives Gedächtnis|deklarative Gedächtnis]] vorwiegend von Tiefschlaf, das [[Gedächtnis#Prozedurales Gedächtnis|prozedurale Gedächtnis]] aber vorwiegend von einer langen REM-Schlafphase gefördert wird.<ref>J. Born, J. Rasch, S. Gais: ''Sleep to remember.'' In: ''Neuroscientist.'' 12, 2006, S. 410.</ref><br />
<br />
Eine weitere Untersuchung unterstützte diese Thesen indirekt. Die Probanden waren 22 männliche Ratten.<ref>S. Datta: ''Avoidance task training potentiates phasic pontine-wave density in the rat: A mechanism for sleep-dependent plasticity.'' In: ''The Journal of Neuroscience.'' 20, 2000, S. 8607–8613.</ref> In einem Käfig konnte sich eine einzelne Ratte frei von einem zum anderen Ende bewegen. Der Boden der Kiste bestand aus einem Stahlgeflecht. Ein Lichtstrahl erhellte die Box, gleichzeitig ertönte ein lautes Signal. Fünf Sekunden danach bekamen die Ratten Elektroschocks. Begab sich eine Ratte zum anderen Ende der Kiste, hörten die Schocks auf. War sie gar schnell genug, konnte sie diese sogar vollständig vermeiden. Der Test wurde mit der Hälfte der Ratten 30-mal durchgeführt, während die restlichen Ratten (als Kontrollgruppe) unabhängig von ihrer Reaktion mit Elektroschocks behandelt wurden. Nach jeder Testphase wurden die Ratten für sechs Stunden in einen Detektor gelegt, der Gehirnströme, Schlafstadien und weitere Daten über die Tiere sammelte. Der Test wurde insgesamt dreimal wiederholt. Die Studie kam zu dem Schluss, dass während des Schlafes nach den Tests diejenigen Ratten, die gelernt hatten, etwa 25 Prozent längeren REM-Schlaf aufwiesen als die Kontrollgruppe, die nichts gelernt hatte. Diese Untersuchung stützt die zuvor genannten Resultate und zeigt eine [[Korrelation]] zwischen REM-Schlaf und prozeduralem Gedächtnis auf.<br />
<br />
Inzwischen konnte die Verstärkung von Nervenverbindungen, die speziellen Gedächtnisinhalten dienten, während des Schlafs mit dem Mittel der [[Optogenetik]] direkt beobachtet werden. Ferner, wurde der Schlaf durch Störung unterbrochen, wurde auch die Verstärkung der Nervenverbindungen unterbrochen.<ref>{{Literatur |Autor=Guang Yang, Cora Sau Wan Lai, Joseph Cichon, Lei Ma, Wei Li, Wen-Biao Gan |Titel=Sleep promotes branch-specific formation of dendritic spines after learning |Sammelwerk=[[Science]] |Band=344 |Nummer=6188 |Datum=2014 |Seiten=1173–1178 |DOI=10.1126/science.1249098 |PMC=4447313 |PMID=24904169}}</ref><br />
<br />
2015 gelang es erstmals, bei Mäusen eine künstliche (falsche) Erinnerung im Schlaf zu erzeugen, die die Tiere dann nach dem Aufwachen durch ihr Verhalten unmittelbar bestätigten. Eine Ortszelle in der Hirnregion für das [[Räumliches Gedächtnis|räumliche Gedächtnis]] ([[Hippocampus]]) wurde während des Schlafs durch elektrische Reize mit einer für angenehme Gefühle zentralen Hirnregion ([[Nucleus accumbens]]) verknüpft. Nach dem Aufwachen besuchten die Tiere den entsprechenden Ort ihrer Behausung auffällig häufig, und zwar genauso wie andere Tiere, die in ihrer Wachzeit eine echte Ortserinnerung erlernt hatten.<ref>{{Literatur |Autor=Gaetan de Lavilléon, Marie Masako Lacroix, Laure Rondi-Reig, Karim Benchenane |Titel=Explicit memory creation during sleep demonstrates a causal role of place cells in navigation |Sammelwerk=[[Nature Neuroscience]] |Band=18 |Nummer=4 |Datum=2015-04 |Seiten=493–495 |DOI=10.1038/nn.3970 |PMID=25751533}}</ref><ref>Nicole Paschek: ''Lernen im Schlaf.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' Juli 2015, S. 16–17 ([http://www.spektrum.de/magazin/kuenstliche-erinnerungen-im-schlaf-eingepflanzt/1351175 spektrum.de]).</ref><br />
<br />
=== Synaptische Homöostase-Hypothese ===<br />
[[Giulio Tononi]] entwickelte in Zusammenarbeit mit Chiara Cirelli die Synaptische [[Homöostase]]-Hypothese, die besagt, dass der Tiefschlaf dazu notwendig sei, ein Grundniveau [[Synapse|synaptischer]] Verschaltung wiederherzustellen:<br />
Im Wachzustand würden, aufgrund der erhöhten Informationsflüsse, Verstärkungen in den Netzstrukturen der [[Neuron|Nervenzellen]] gebildet, d.&nbsp;h. die Synapsenstärke nehme zu, und es entstünden auch synaptische Neuverknüpfungen. Dies geschehe durch den bekannten Mechanismus der [[Langzeitpotenzierung]]: Bestimmte Kombinationen von Signalübertragungen zwischen Nervenzellen bewirken eine Potenzierung der beteiligten Synapsen, die längere Zeit anhält. Würden sich diese Prozesse im Laufe der Zeit unbehindert fortsetzen, würden die Netze bald überlastet sein. Im Tiefschlaf (genauer: im [[Non-REM-Schlaf]]) komme es deshalb zu einer Art Gleichschaltung gewisser neuronaler Gruppen, die sich durch langsamwellige Potentiale bemerkbar macht (im [[Elektroenzephalografie|EEG]] treten die sog. Delta-Wellen auf) und dazu führe, dass die synaptischen Bindungsstärken und auch die Synapsenanzahlen wieder abnehmen (synaptic downscaling). Nur die „starken“ Synapsen blieben bestehen. Die so im Tiefschlaf bewirkte Synapsenrückbildung solle wegen der selektiven Reduktion wieder genug Energie und Raum für neue Lern- und Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stellen. Auch, so wird vermutet, könne damit innerhalb der gegebenen Informationsfülle Wichtiges von Unwichtigem getrennt und herausgefiltert werden.<ref>G. Tononi, C. Cirelli: [http://isites.harvard.edu/fs/docs/icb.topic1075442.files/Week%207/Tononi%20and%20Cirelli%20-%202006%20-%20Sleep%20function%20and%20synaptic%20homeostasis.pdf ''Sleep function and synaptic homeostasis.''] (PDF; 305&nbsp;kB) In: ''Sleep Med Rev.'' 10(1), Februar 2006, S. 49–62. Epub 2005 Dezember 22. Review.</ref><ref>G. Tononi, C. Cirelli: [http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.213.204&rep=rep1&type=pdf ''Sleep and synaptic homeostasis: a hypothesis.''] (PDF) In: ''Brain Res Bull.'' 62(2), 15. Dezember 2003, S. 143–150.</ref><ref>Susanne Engelmann: [http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7589/pdf/DISSERTATION_SUSANNE_ENGELMANN.pdf ''Prozedurale Gedächtniskonsolidierung während Schlaf- und ruhiger Wachperioden am Tag.''] (PDF) Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. 2010n</ref><ref>U. Gebhardt: [http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/schlaf-kindlein-schlaf-1.8161971 ''Schlaf, Kindlein, schlaf! Altersabhängige Veränderungen des Schlafmusters und der Schlafdauer.''] In: ''NZZ.'' 27. Oktober 2010.</ref><ref>U. Gebhardt: [http://www.tagesspiegel.de/wissen/schlaf-grossreinemachen-im-kopf/2819602.html ''Schlaf: Großreinemachen im Kopf.''] In: ''Tagesspiegel.'' 18. November 2010.</ref><br />
{{Zitat<br />
|Text=Im Wesentlichen ist der Schlaf der Preis, den wir für die [[neuronale Plastizität]] zahlen müssen…<br />
|Autor=G. Tononi und C. Cirelli<br />
|ref=<ref>{{Webarchiv |url=http://tononi.psychiatry.wisc.edu/People/GiulioTononi.php |text=Giulio Tononi, MD, PhD |wayback=20121008235802}} tononi.psychiatry.wisc.edu</ref>}}<br />
Im Gegensatz dazu hat [[Jan Born]] darauf verwiesen, dass einige der tagsüber neu gebildeten Nervenverbindungen von der allgemeinen nächtlichen Schwächung ausgespart würden. Diese bleibenden neuen Verbindungen repräsentierten neue Gedächtnisinhalte, die nachts gerade dadurch verstärkt würden, dass andere – weniger wichtige – Verbindungen eines gemeinsamen Netzwerkes geschwächt würden. Tononi habe diese Komponente inzwischen auch in seine Theorie integriert.<ref>[[Jan Born]]: ''Vokabellernen mit Rosenduft.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' Heidelberg 2014(12) S. 28–30. {{ISSN|0170-2971}} [http://www.spektrum.de/alias/titelthema-gedaechtnis/vokabellernen-mit-rosenduft/1314678 (online)]</ref><br />
<br />
=== Problemlösungen während des Schlafs ===<br />
Die Alltagserfahrung, dass manche Probleme sich plötzlich beim morgendlichen Aufwachen lösen, konnte seit 2004 wiederholt in ausgeklügelten Experimenten wissenschaftlich bestätigt werden. Versuchspersonen lösten Zahlenrätsel, für die mehrere Einzelschritte erforderlich waren. Was ihnen nicht gesagt wurde, war, dass es eine Abkürzung gab, durch die man sich einige Schritte ersparen konnte. Nach der Einübungsphase ließ man einen Teil der Probanden acht Stunden schlafen. Danach war in dieser Gruppe mehr als doppelt so vielen Probanden die Möglichkeit der Abkürzung klar wie in den Gruppen, die tags oder nachts acht Stunden wach geblieben waren.<ref>U. Wagner, S. Gais, H. Haider, R. Verleger, J. Born: ''Sleep inspires insight.'' In: ''Nature.'' 427(6972), 2004, S. 352–355. PMID 14737168</ref><br />
<br />
[[Datei:Popn-Music-Controller.jpg|mini|Kasten mit wechselnd aufleuchtenden Druck-Knöpfen]]<br />
In einem anderen Experiment wurde die Problemlösung während des Schlafs zwischen einer Gruppe elfjähriger Kinder und der Gruppe ihrer Eltern verglichen. Bei einem Kasten mit mehreren Knöpfen mussten möglichst schnell immer die gedrückt werden, die gerade aufleuchteten. Was nicht gesagt wurde, war, dass es eine Regelmäßigkeit in der Reihenfolge des Aufleuchtens gab. Nach einer ersten Übungsphase hatte auf Nachfrage niemand der Kinder oder Erwachsenen irgendetwas von Regelmäßigkeit bemerkt. Als das Experiment mit neuen Versuchspersonen wiederholt wurde und diesmal zwischen Übungsphase und Nachfrage eine Schlafphase lag, war manchen Erwachsenen und nahezu allen Kindern die Regelmäßigkeit klar, und sie konnten die vorher unbekannte Folge vollständig rekonstruieren.<ref>I. Wilhelm, M. Rose, K. I. Imhof, B. Rasch, C. Büchel, J. Born: ''The sleeping child outplays the adult’s capacity to convert implicit into explicit knowledge.'' In: ''Nat Neurosci.'' 16(4), 2013, S. 391–393. PMID 23434910</ref><br />
<br />
== Schlafforschung ==<br />
=== Geschichtliche Anfänge ===<br />
Die [[Schlafforschung]] ist eine relativ junge Disziplin der Biologie und der Medizin, die ersten [[Elektroenzephalographie]]-Untersuchungen (EEG) im [[Schlaflabor]] wurden in den 1920er Jahren gemacht. Der [[Antikes Griechenland|griechische]] Arzt [[Hippokrates von Kos|Hippokrates]] und die [[Philosoph]]en [[Platon]] und [[Aristoteles]] hatten versucht, den Schlaf durch ein Aufsteigen von mit der Nahrung aufgenommenen giftigen Dämpfen aus dem Magen zu erklären, die im Schlaf abgebaut würden. Zudem ließe sich Blut, das während des Wachens überhitzt, aufgestaut oder eingedickt worden sein soll, nur im Schlaf abkühlen und verdünnen. Im Mittelalter dachte die Heilkundlerin [[Hildegard von Bingen]], der Mensch brauche Schlaf, da er grundsätzlich aus zwei Teilen bestehe. Deshalb brauche das Wachsein den Gegenpol Schlaf. [[Alexander von Humboldt]] nahm noch im 19.&nbsp;Jahrhundert an, Schlaf müsse sein, um einem Sauerstoffmangel im Gehirn entgegenzuwirken.<ref>Peter Spork: ''Das Schlafbuch.'' Rowohlt, Reinbek 2007, S. 15–16.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Lilli Binzegger |url=http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/5a594e5a-deaf-434a-9e2d-d5324592005c.aspx |titel=Warum schlafen wir eigentlich? Interview mit Alexander Borbély, Schlafforscher. |werk=NZZ Folio |datum=1993-11 |abruf=2008-04-27}}</ref><ref name="geister">{{Internetquelle |url=https://www.nzz.ch/article7U2N0-1.512686 |titel=Lebensgeister, Säfte, elektrische Aktivitäten |hrsg=NZZ |datum=2001-12-22 |abruf=2011-02-10}}</ref><br />
<br />
Die wichtige Entdeckung des REM-Schlafes gelang den Forschern [[Eugene Aserinsky]] und [[Nathaniel Kleitman]] im Jahr 1953. Vier Jahre später wurde die Theorie aufgestellt, wonach nur in dieser Schlafphase das Träumen stattfindet. Dies ist heute zwar widerlegt, denn man träumt eindeutig auch im Tiefschlaf, doch geht man immer noch davon aus, dass die Träume im REM-Schlaf besonders realistisch und lebhaft sind.<ref name="staedt">{{Internetquelle |autor=Jürgen Staedt |url=https://www.lptw.de/archiv/dozent.php?id=5285 |titel=Evolution und Funktion des Schlafens |abruf=2008-04-27 |format=PDF; 1,5&nbsp;MB}}</ref><ref>Peter Spork: ''Das Schlafbuch.'' Rowohlt, Reinbek 2007, S. 249–250.</ref><br />
<br />
=== Schlafforschung im Sport ===<br />
Alles, was die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt bzw. begünstigt, wird im Rahmen der [[Trainingswissenschaft]] erforscht. Da Sportler häufig an aufeinander folgenden Tagen Wettkämpfe zu bestreiten haben, ist die Schlafforschung eine wichtige Teildisziplin. Da [[Melatonin]] die körperliche Leistung nicht beeinträchtigt, ist es das Hilfsmittel der ersten Wahl bei [[Jetlag]]. Bei Wettkämpfen ist es jedoch häufig auch eine Frage des Zusammenwirkens von schneller Erholung und Schlaf.<ref>[[Arnd Krüger]]: ''Schlaf.'' In: ''Leistungssport.'' 42(2012), 2, S. 30–32.</ref> Ein Abendessen mit vielen Kohlenhydraten eignet sich zwar gut zum Auffüllen der [[Glykogenspeicher]], bewirkt jedoch einen kürzeren Schlaf, wohingegen ein Abendessen mit viel [[Protein]]en nicht nur gut gegen [[Muskelkater]] ist, sondern die Schlafqualität verbessert. Fett zum Abendessen beeinflusst die gesamte Schlafdauer negativ. Wird die Kalorienmenge herabgesetzt, verkürzt sich die Schlafzeit.<ref>S. L. Halson: ''Sleep in elite athletes and nutritional interventions to enhance sleep.'' In: ''Sports Med.'' 4 4 Suppl 1, Mai 2014, S. S13–S23.</ref> Siehe hierzu auch [[Fettleibigkeit#Schlafgewohnheiten]].<br />
<br />
== Schlaf und Sexualität ==<br />
=== Konnotation ===<br />
Der Ausdruck „miteinander schlafen“ steht für den [[Geschlechtsverkehr|sexuellen Beischlaf]]. Tatsächlich hat der im wachen Zustand ausgeübte Beischlaf mit Schlafen im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Der Ursprung dieser Umschreibung dürfte daher kommen, dass der übliche Ort für Geschlechtsverkehr wie für „normales“ Schlafen das Bett ist. In Japan etwa wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, während der Besatzung durch die Amerikaner, sogar das Abbilden und Filmen von Schlafzimmern aus sittlichen Gründen verboten. Die Japaner assoziieren noch viel mehr als die Europäer alles, was mit der Schlafstätte zu tun hat, mit Sex, so etwa den Ausdruck „das Kopfkissen teilen“ oder die „Matte aus Reisstroh“ ([[tatami]]).<ref>{{Literatur |Autor=Brigitte Steger |Titel=(keine) Zeit zum Schlafen |Verlag=LIT Verlag |Ort=Berlin/Hamburg/Münster |Datum=2004 |ISBN=3-8258-6993-8 |Online={{Google Buch |BuchID=wFXUYiuAq-gC}}}}</ref><br />
<br />
=== Pollution ===<br />
{{Hauptartikel|Pollution}}<br />
<br />
''Pollution'' oder ''nächtlicher Samenerguss'' ist ein unwillkürlicher [[Samenerguss]], ausgelöst durch einen unbewussten [[Orgasmus]], der ohne aktives Zutun und ohne Wachbewusstsein bei Männern und männlichen Jugendlichen ab der [[Pubertät]] während des Schlafes auftreten kann. Dieses Ereignis ist oft von erotischen Träumen begleitet.<br />
<br />
=== Morgendliche Erektion ===<br />
{{Hauptartikel|Nächtliche Erektion}}<br />
<br />
Eine morgendliche Erektion ist eine [[Erektion]] des [[Penis des Menschen|Penis]], die beim morgendlichen Erwachen festgestellt wird. Manche Männer haben fast jeden Morgen eine Erektion, andere selten oder nie. Die Ursache dieser speziellen Erektion wird nicht in [[Sexuelle Erregung|sexueller Erregung]] vermutet, sondern in Begleitumständen der REM-Phase des Schlafes. Während der REM-Phasen beschleunigen sich Puls sowie [[Atmung]] und der Schläfer durchlebt intensive Träume. Außer bei [[Albtraum|Albträumen]] kommt es in diesen Phasen auch häufig zur Erektion. Diese Erektionen sind unabhängig davon, ob der Trauminhalt sexuell ist oder nicht.<br />
<br />
== Schlaf und Lernen ==<br />
Für eine optimale Gedächtnisfunktion ist gesunder Schlaf unabdingbar. Schlaf, Lernen und Gedächtnis sind komplexe, interagierende Phänomene. Viele Studien an Menschen und Tieren zeigen, dass die Qualität und Quantität des Schlafes einen großen Effekt auf das Lernen und die Gedächtnisfunktion hat. Nach dem Stand der Forschung fördere der Schlaf das Lernen und das Gedächtnis auf zwei verschiedene Art und Weisen: Erstens fehlt es einer Person, welche an Schlafmangel leidet, an der nötigen Fähigkeit, sich zu konzentrieren, um neue Information aufzunehmen; sie kann somit nicht effektiv lernen. Zweitens wird durch Schlafmangel die Konsolidierung und Integration des Gelernten gestört.<ref>{{Internetquelle |url=http://healthysleep.med.harvard.edu/healthy/matters/benefits-of-sleep/learning-memory |titel=Sleep, Learning, and Memory |hrsg=Division of Sleep Medicine, [[Harvard Medical School]] |datum=2007-12-18 |sprache=en |archiv-url=https://web.archive.org/web/20210124112814/http://healthysleep.med.harvard.edu/healthy/matters/benefits-of-sleep/learning-memory |archiv-datum=2021-01-24 |abruf=2019-09-18}}</ref><br />
<br />
== Pathologie des Schlafes ==<br />
Als [[Pathologie]] bezeichnet man in der Medizin die „Lehre von den abnormen und krankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper und deren Ursachen“. ''(Siehe auch [[Schlaflosigkeit]])''<br />
<br />
=== Schlafapnoe ===<br />
{{Hauptartikel|Schlafapnoe-Syndrom}}<br />
Das Schlafapnoe-Syndrom (SAS) ist ein Beschwerdebild, das in der Regel durch [[Atemstillstand|Atemstillstände]] (Apnoen) während des Schlafs verursacht wird und in erster Linie durch eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit bis hin zum Einschlafzwang ([[Sekundenschlaf]]) sowie eine Reihe weiterer Symptome und Folgeerkrankungen gekennzeichnet ist.<br />
<br />
Die Atemstillstände führen zu einer verringerten Sauerstoffversorgung und zu wiederholten Aufweckreaktionen (als Alarmreaktion des Körpers). Die meisten Aufweckreaktionen führen aber nicht zum Aufwachen, sondern lediglich zu erhöhten Körperfunktionen, beispielsweise zu beschleunigtem Puls. Deswegen werden sie von den Betroffenen meist nicht wahrgenommen. Als Folge der Aufweckreaktionen geht die Erholsamkeit des Schlafs verloren, was meistens zu der typischen, ausgeprägten Tagesmüdigkeit führt.<br />
<br />
=== Restless-Legs-Syndrom ===<br />
{{Hauptartikel|Restless-Legs-Syndrom}}<br />
Beim Restless-Legs-Syndrom (Wittmaack-Ekbom-Syndrom) leiden die Patienten unter unangenehmen Missempfindungen oder Bewegungsdrang in den Beinen (oder Armen), sobald sie zur Ruhe kommen, sodass sie nachts nicht einschlafen können. Das RLS ist eine neurologische Erkrankung, die sehr weit verbreitet ist (fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung). Es wird&nbsp;– auch von den Betroffenen selbst&nbsp;– oftmals lange Zeit nicht als Ursache der [[Schlafstörung]]en erkannt. Der entstehende Schlafentzug durch die gestörten Schlafphasen führt zu Tagesmüdigkeit, kognitiven Leistungseinbußen und depressiven Verstimmungen. Eine Behandlung mit Medikamenten ist fast immer möglich.<br />
<br />
=== Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung ===<br />
{{Hauptartikel|Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung}}<br />
Unter diesen Störungen versteht man Schlafstörungen, bei denen Betroffene einen untypischen Biorhythmus haben. Die Schlafphase verschiebt sich dementsprechend, was zu Problemen mit gesellschaftlichen Normen, die zum Beispiel bei den Arbeitszeiten zur Anwendung kommen, führen kann.<br />
<br />
Beim Verzögerten [[Schlafphasensyndrom]] (auch Delayed Sleep Phase Syndrome, DSPS) und dem Vorverlagerten Schlafphasensyndrom (auch Advanced Sleep Phase Syndrome, ASPS) sind Betroffene nicht in der Lage, sich an einen für sie passenden Schlaf-Wach-Rhythmus zu gewöhnen. Ihnen ist es beim Verzögerten Schlafphasensyndrom nur möglich, zu einer späten Tageszeit – also frühmorgens – beziehungsweise beim Vorverlagerten Schlafphasensyndrom zu einer frühen Tageszeit&nbsp;– also nachmittags oder frühabends&nbsp;– Schlaf zu finden.<br />
<br />
Eine Schlaf-Wach-Störung bei Abweichung vom 24-Stunden-Rhythmus führt bei Betroffenen dazu, dass sie jeden Tag zu einer anderen Uhrzeit einschlafen. Ein Intervall aus Schlafen und Wachen ist dann entweder kürzer als 24&nbsp;Stunden, sodass Betroffene jeden Tag früher einschlafen und entsprechend früher erwachen, oder es ist länger als 24&nbsp;Stunden, sodass Betroffene jeden Tag später einschlafen und entsprechend später erwachen.<br />
<br />
=== Narkolepsie ===<br />
{{Hauptartikel|Narkolepsie}}<br />
Narkolepsie ist ein [[Syndrom]] von vier Merkmalsbereichen, deren vorherrschendes Symptom eine krankhaft gesteigerte [[Tagesschläfrigkeit]] in Verbindung mit einer veränderten Phasenstruktur des Nachtschlafes ist. Hinzu kommt häufig ein durch Auslöserereignisse veranlasster Verlust der Muskelkontrolle ([[Kataplexie]]) und/oder entsprechend veranlasster Schlaf (Trigger-Schlaf) am Tag. In Verbindung mit der veränderten Reihenfolge der nächtlichen Schlafphasen können außerdem [[Hypnagogie|hypnagoge Halluzinationen]] und [[Schlafparalyse]] auftreten.<br />
<br />
Schlaflähmung tritt auch bei gesunden Menschen manchmal beim Erwachen auf. Die Lockerung der [[Nervenblockade]] läuft dann in falscher Reihenfolge ab, sodass zuerst die sensorischen Nerven und danach die motorischen Nerven „freigeschaltet“ werden. In diesem Zustand sieht, hört und fühlt der Betroffene alles, kann jedoch nichts sagen, sich nicht bewegen, auch nicht die Atmung beschleunigen. Es wird von einem beengenden Gefühl völliger Machtlosigkeit berichtet.<br />
<br />
Ein vergleichbarer Zustand tritt manchmal bei unzureichend [[Narkose|narkotisierten]] Patienten während einer Operation auf. Manche Formen des [[Koma]]s sollen ebenfalls von Betroffenen so empfunden werden, auch gibt es Berichte von Drogenkonsumenten über derartige Erfahrungen.<br />
<br />
=== Tödliche familiäre Schlaflosigkeit ===<br />
{{Hauptartikel|Tödliche familiäre Schlaflosigkeit}}<br />
Die ''tödliche familiäre Schlaflosigkeit'' ist eine Krankheit, bei der die Betroffenen nicht fähig sind, zu schlafen. Es handelt sich bei dieser Erkrankung um eine äußerst seltene familiär [[Erbkrankheit|vererbte Erkrankung]]. Verantwortlich für die Erkrankung ist ein mutiertes [[Prion]]enprotein-Gen. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Im Vordergrund steht eine schwere Störung des Schlaf-wach-Rhythmus der Patienten, das heißt, sie leiden unter schweren [[Schlafstörung]]en. Es wird daher angenommen, dass sich die krankhaften Veränderungen speziell im Stammhirn abspielen, das als entwicklungsgeschichtlich alter Teil des Gehirns den Aktivitätsrhythmus steuert. Die Erkrankung verläuft über sieben bis achtzehn Monate und endete bisher immer tödlich. Sie wurde erstmals im Jahr 1986 beschrieben und ihre erbliche Übertragbarkeit im Jahr 1995 nachgewiesen.<br />
<br />
=== Bruxismus ===<br />
{{Hauptartikel|Bruxismus}}<br />
Bruxismus ist die Fachbezeichnung für meist nächtliches Zähneknirschen, welches der betroffenen Person nicht bewusst ist. Erkannt wird es meist von Zahnärzten anhand abgeschliffener Zähne. Eine vor allem nachts zu tragende, meist weiche Schiene schützt die Zähne.<br />
<br />
=== Behandlung ===<br />
Es gibt Empfehlungen, der Schlaflosigkeit mit Schlafritualen zu begegnen: Abendgebet, Atemtechniken, pulsierendes Licht, „Schäfchen zählen“ und so weiter helfen der Psyche, über vertraute Gedanken zur Ruhe zu kommen. Die Barmer-Krankenkasse empfiehlt [[Masturbation]] zum Einschlafen.<ref>[https://www.spiegel.de/gesundheit/sex/barmer-krankenkasse-empfiehlt-selbstbefriedigung-als-einschlafhilfe-a-1279049.html spiegel.de: Barmer Krankenkasse empfiehlt Masturbation zum Einschlafen]</ref><br />
Unter verschiedenen Umständen jedoch leiden Menschen unter Schlaflosigkeit, zum Beispiel in einer reaktiven [[Depression]] oder wegen der Störung durch [[Schmerz]]en. Unter diesen Umständen können [[Schlafmittel]] (Hypnotika) zu Hilfe genommen werden.<br />
<br />
Weiterhin wird empfohlen, die wichtigsten Regeln der [[Schlafhygiene]] zu beachten, also einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten.<br />
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Neben pflanzlichen [[Arzneimittel]]n (zum Beispiel [[Baldrian]]) werden insbesondere [[Antihistaminikum|Antihistaminika]], kurzwirksame [[Benzodiazepin]]e (zum Beispiel [[Brotizolam]]) als Einschlafmittel, mittellang wirksame Benzodiazepine (zum Beispiel [[Nitrazepam]] und [[Diazepam]]) als Durchschlafmittel sowie neuere kurzwirksame Schlafmittel, wie [[Zopiclon]] und [[Zolpidem]], zur Behandlung von [[Schlafstörung]]en eingesetzt. Antihistaminika vermitteln ihre Effekte über eine Hemmung der Wirkung des „Weckhormons“ Histamin an seinen [[Histamin-Rezeptor]]en. Benzodiazepine, Zolpidem und Zopiclon wirken an den GABA-Rezeptoren im Thalamus. Dort fördern sie die hemmende Wirkung dieses Transmitters. Die früher sehr verbreiteten [[Barbiturate]] werden heute aufgrund eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses ([[Suizid]]-Potential und Unterdrückung des REM-Schlafs) praktisch nicht mehr als Schlafmittel verwendet.<br />
<br />
In den USA wird das Hormon [[Melatonin]], das physiologisch aus der [[Zirbeldrüse]] ausgeschüttet wird, zunehmend als ''Wunderdroge'' und Anti-Aging-Mittel verkauft. Bekannt ist, dass Melatonin [[Sedation|sedierende]] Eigenschaften besitzt und die Produktion in den Abendstunden immer mehr zunimmt und es damit eine Art körpereigenes Schlafmittel darstellt. Der Einsatz von Melatonin als Medikament ist jedoch umstritten.<ref name="jetlagq10">J. Arendt: ''Does melatonin improve sleep? Efficacy of melatonin.'' In: ''BMJ (Clinical research ed.).'' Band 332, Nummer 7540, März 2006, {{ISSN|1756-1833}}, S.&nbsp;550, [[doi:10.1136/bmj.332.7540.550]]. PMID 16513724, {{PMC|1388143}}.</ref><br />
<br />
== Schlafentzug ==<br />
{{Hauptartikel|Schlafentzug}}<br />
<br />
Schlafentzug ist das gewollte oder ungewollte Verhindern des Schlafens, d.&nbsp;h. die Unterdrückung des Schlafdruckes.<br />
<br />
=== Therapeutischer Schlafentzug ===<br />
In der [[Psychiatrie]] wird der therapeutische Schlafentzug bei der Behandlung von [[Depression]]en eingesetzt.<ref name="Ncbi">A. Wirz-Justice, R. H. Van den Hoofdakker: ''Sleep deprivation in depression: what do we know, where do we go?'' In: ''Biological psychiatry.'' Band 46, Nummer 4, August 1999, S.&nbsp;445–453, {{ISSN|0006-3223}}. PMID 10459393. (Review).</ref> Bei etwa 60 % der Patienten komme es nach einer schlaflosen Nacht zu einer vorübergehenden Besserung der Symptomatik. Der antidepressive Effekt sei jedoch gewöhnlich nicht anhaltend, so dass die meisten Patienten sogar nach einer Nacht des Schlafens (einer sogenannten Erholungsnacht) wieder einen Rückfall erleiden würden. Bis zu 15 % der Patienten in klinischen Studien zeigen jedoch eine anhaltende [[Reiz-Reaktions-Modell|Response]] nach völligem Schlafentzug.<ref>{{Literatur |Hrsg=AWMF |Titel=S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression Langfassung |Nummer=5 |Auflage=2 |Datum=2015}}</ref><br />
<br />
=== Folgen ===<br />
Bei Menschen führt Schlafentzug über einen längeren Zeitraum zum [[Sekundenschlaf]].<ref>Spork, 2007, ''Das Schlafbuch.''</ref><br />
Fortdauernder Schlafentzug über sieben Tage führte bei Ratten durch [[Ulcus|Hautgeschwüre]], [[Polyphagie (Medizin)|Polyphagie]] bei gleichzeitigem Gewichtsverlust, Herabsetzung der Körpertemperatur teilweise in Verbindung mit [[Sepsis|Blutvergiftung]] zum Tod.<ref name="ILAR">{{Literatur |Hrsg=Institute for Laboratory Animal Research, National Research Council |Titel=Guidelines for the Care and Use of Mammals in Neuroscience and Behavioral Research |Verlag=The National Academies Press |Datum=2003 |ISBN=0-309-08903-4 |Seiten=121 |Online=http://books.nap.edu/openbook.php?record_id=10732&page=121 |Zitat=Sleep deprivation of over 7 days with the disk-over-water system results in the development of ulcerative skin lesions, hyperphagia, loss of body mass, hypothermia, and eventually septicemia and death in rats (Everson, 1995; Rechtschaffen u. a., 1983).}}</ref> Vor ihrem [[Tod]] sank ihre Körpertemperatur ([[Thermoregulation]]) und ihr Gewicht.<br />
<br />
=== Schlafentzug als Folter oder Strafe ===<br />
Schlafentzug wurde und wird als [[Folter]]mittel eingesetzt.<br />
<br />
Im antiken [[Römisches Reich|Rom]] soll König [[Perseus (Makedonien)|Perseus von Makedonien]] als Gefangener durch Schlafentzug getötet worden sein. Aus dem [[Kaiserreich China|alten China]] wird berichtet, dass Verbrecher mit dem Tod durch Schlafentzug bestraft wurden.<br />
<br />
In dem von den [[Vereinigte Staaten|USA]] bei [[Guantanamo Bay Naval Base|Guantánamo]] betriebenen Gefangenenlager wird häufig versucht, Häftlinge durch Schlafentzug bei Verhören zur Kooperation zu bewegen.<ref>[[FBI]]: ''[http://www.usdoj.gov/oig/special/s0805/final.pdf A Review of the FBI’s Involvement in and Observations of Detainee Interrogations in Guantanamo Bay, Afghanistan, and Iraq]'' (PDF; 6,4&nbsp;MB) S. 182&nbsp;ff.</ref><ref>U.S. [[Department of Defense]]: {{Webarchiv |url=http://www.defenselink.mil/news/Jul2005/d20050714report.pdf |text=Army Regulation 15-6: Final Report |wayback=20050724003701}} (PDF; 86&nbsp;kB) S. 17&nbsp;f.</ref><br />
<br />
In der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] wurden [[Rote Armee Fraktion|RAF]]-Häftlinge in [[Isolationshaft]] in Zellen mit ständiger Beleuchtung und durch regelmäßiges Wecken am Schlaf gehindert.<ref>Amnesty International (Hrsg.): Arbeit zu den Haftbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Isolation und Isolationshaft (Bonn, 1980)</ref> In der [[Sowjetunion]] unter [[Josef Stalin|Stalin]] war Schlafentzug eine gängige [[Vernehmung|Verhörmethode]], aber auch in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] in [[Ministerium für Staatssicherheit|Stasigefängnissen]] bis 1989.<ref>[https://www.spiegel.de/geschichte/stasi-geheimknast-a-949794.html ''Härte bis zum Untergang.''] In: ''Spiegel online.'' 4. Mai 2009.</ref><br />
<br />
=== Schlafentzug durch Stimulanzien ===<br />
Um das Schlafbedürfnis zu unterdrücken, kann auf verschiedene Substanzen zurückgegriffen werden. Bekannt für seine Wachheit fördernde und anregende Wirkung ist der Wirkstoff [[Coffein]], der beispielsweise in [[Kaffee]] und in meist geringerer Konzentration auch in [[Tee]] enthalten ist. Coffein wirkt dabei im Zentralnervensystem hauptsächlich als [[Adenosin]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonist]].<br />
<br />
Drogen vom Typ der (indirekten) [[Sympathomimetika]], wie [[Amphetamin]], [[Ephedrin]] oder [[Cathin]] (aus den [[Kathstrauch|Kath]]-Blättern), wirken stimulierend&nbsp;– mit erheblichen Nebenwirkungen.<br />
<br />
== Träumen ==<br />
{{Hauptartikel|Traum}}<br />
[[Datei:Pierre-Cécile Puvis de Chavannes 003.jpg|mini|[[Pierre Puvis de Chavannes]], ''Der Traum'', 1883]]<br />
Als Traum wird das psychische Erleben im Schlaf bezeichnet, das überwiegend von Sinneswahrnehmungen geprägt ist. [[Kognition|Kognitive]] Fähigkeiten wie begriffliches Denken und [[kausal]]-logisches Erinnern treten dabei in den Hintergrund. Während des Traumgeschehens ist eine Unterscheidung zwischen psychischem Erleben und körperlicher Sinneswahrnehmung aufgehoben, wodurch innere psychische Prozesse als äußere physische Realität erlebt werden. Die meisten Träume sind nach dem Erwachen oft schwer oder überhaupt nicht erinnerlich. Studien zufolge erinnern sich die Menschen allerdings fast immer an lebhafte Träume beim direkten Aufwachen aus der REM-Phase. Im REM-Stadium ist das Gehirn so aktiv wie beim Einschlafen, daher ist dies auch ein optimaler Zeitpunkt zum Aufwachen.<br />
<br />
Nur in seltenen Fällen erlebt der Schlafende einen [[Klartraum]], das heißt, er ist sich vollends bewusst, dass er träumt, und kann sein Handeln im Traum aktiv beeinflussen.<br />
Auch ist die Traumerinnerung trainierbar. Dieses Vorgehen wird häufig von Menschen unternommen, die mehr Klarträume erleben möchten.<br />
<br />
Die [[Traumdeutung]] wird in wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Bereichen auch als [[Oneirologie]] bezeichnet.<br />
<br />
== Schnarchen ==<br />
{{Hauptartikel|Schnarchen}}<br />
Obwohl Schnarchen für die meisten Menschen harmlos sein dürfte, könnte es ein Hinweis auf eine lebensbedrohende Schlafstörung namens [[Schlafapnoe-Syndrom]] sein, besonders wenn es mit großer Müdigkeit am Tag einhergeht. Der an Schlafapnoe Leidende atmet mit großen Unterbrechungen, was zu Sauerstoffmangel führen kann. Personen, die darunter leiden, erwachen in der Nacht und hecheln nach Luft. Die Atempausen reduzieren den Sauerstoffanteil im Blut, belasten das Herz und den [[Blutkreislauf]] und können zu [[Herz-Kreislauf-Erkrankung]]en führen.<ref name="myths">[http://www.sleepfoundation.org/article/how-sleep-works/myths-and-facts-about-sleep Mythen und Fakten über den Schlaf] (englisch)</ref><br />
<br />
== Schlafkultur ==<br />
{{Hauptartikel|Schlafkultur}}<br />
<br />
Die Schlafkultur beschreibt [[kultur]]elle und [[Geschichte|geschichtliche]] Aspekte des Schlafens. Zur Schlafkultur gehört das Wann, das Wo und das Wie sich Menschen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten schlafen legen beziehungsweise gelegt haben.<br />
<br />
Weil der Schlaf, und alles was damit zusammenhängt, generell als sehr persönliche und intime Angelegenheit betrachtet wird, sind Forschungen und Aufzeichnungen zu diesem Thema rar. Wissenschaftliche Arbeiten, die anhand der Schlafgewohnheiten verschiedener Völker, insbesondere noch sehr naturnah lebender, Rückschlüsse auf die evolutionären Ursachen des Schlafes geben wollen, wurden erst in neuester Zeit unternommen.<br />
<br />
== Schlaf in der Bildenden Kunst ==<br />
Der Schlaf mit seinen verschiedenen Aspekten wurde von vielen Künstlern aufgegriffen. Der behütete Schlaf der Kinder, schlafende Tiere, der Mittagsschlaf und das Einschlafen bei der Arbeit, Tagträume, Träume und Albträume, Schlaf und Tod, Schlaf und der nackte menschliche Körper als ein klassisches Thema der bildenden Kunst wurden als Malerei, Zeichnung und Grafik, und auch als Skulpturen und Plastiken umgesetzt.<br />
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Noon, rest from work - Van Gogh.jpeg|Mittagsschlaf in der Kunst. Vincent van Gogh („La Méridienne“ oder „La sieste“, nach Millet, Januar 1890)<br />
Honoré Daumier - The Second Class Carriage - Walters 371224.jpg|Vier Menschen im Zugabteil, zwei schlafend einer dösend, jeder in einer Welt für sich. Honoré Daumier („The Second Class Carriage“, 1864)<br />
Vito d'Ancona - Nudo.jpg|Sich schlafend stellende Frau. Vito D’Ancona (Nudo, vor 1884)<br />
'Aurora and Cephalus' by Pierre-Narcisse Guérin, 1783, Pushkin Museum.JPG|Nackt schlafender, sterbender Mann. Pierre-Narcisse Guérin (Aurora and Cephalus, 1783)<br />
Albert Anker - Schlafendes Mädchen auf einer Holzbank.jpg|Schlafendes Mädchen. Albert Anker (Schlafendes Mädchen auf einer Holzbank, unbekanntes Datum)<br />
Rajecka Girl with a straw hat.jpg|Schlafendes Mädchen. Anna Rajecka (Mädchen mit Strohhut)<br />
Manner of Jean-Baptiste Santerre 001.jpg|Eingeschlafenes Mädchen. Jean-Baptiste Santerre (Ein schlafendes Mädchen, 1700–1725)<br />
Schlafender Knabe im Heu, 1897.jpg|Schlafender Junge. Albert Anker (Schlafender Knabe im Heu, 1897)<br />
Paul Klimsch Schlafender Jaguar.jpg|Schlafendes Tier. (Paul Klimsch, Schlafender Jaguar)<br />
Sculpture in Kolonistsky Park in Peterhof 01.jpg|Skulptur schlafender Frau im Kolonistsky Park in Peterhof<br />
Илья Е. Репин - Отдых. Портрет В.А.Репинa (1882).jpg|Im Sessel schlafende Frau des Künstlers. Ilja Repin (Ruhe, 1882)<br />
Marie-Constance Mayer - The Sleep of Venus and Cupid - WGA14700.jpg|Venus und Amor. Marie-Françoise-Constance Mayer-La Martinière (Der Schlaf der Venus und des Amors, 1806)<br />
George Hare - Victory of Faith.jpg|Zwei schlafende Frauen. George Hare (Siege des Glaubens, 1889)<br />
Goya-Capricho-43.jpg|Goya träumend. Francisco de Goya ([[Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer]], 1799)<br />
</gallery><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
* In der Science-Fiction-Serie ''[[Star Trek: Voyager]]'' begegnen Menschen einer außerirdischen Lebensform mit Namen [[Völker und Allianzen im Star-Trek-Universum#Spezies 8472|Spezies 8472]], die niemals ruht und Schlaf als seltsam empfindet. Der für die Menschen als selbstverständlich erachteten Notwendigkeit des Schlafs wird in diesem Zusammenhang die Fiktion einer schlaflosen Lebensform gegenübergestellt.<br />
* Im Roman ''[[Schlafes Bruder]]'' von Robert Schneider begeht der Protagonist [[Suizid]], indem er sich schwört, nie mehr zu schlafen.<br />
* Im Film ''[[Der Maschinist]]'' hat der Protagonist seit etwa einem Jahr nicht mehr geschlafen.<br />
* Im Film ''[[Stirb an einem anderen Tag]]'' der [[James Bond|James-Bond]]-Filmreihe unterziehen sich Bonds Gegner Colonel Moon und Zao einer Gentherapie, um ihre Identität zu ändern. [[Nebenwirkung]] ist jedoch eine andauernde Schlaflosigkeit, die sie mithilfe einer „Traummaschine“ zu umgehen suchen. Die Betroffenen empfinden es als große Qual, nicht mehr richtig schlafen zu können. Der Öffentlichkeit gegenüber wird allerdings damit geprahlt, keinen Schlaf zu benötigen und so mehr leisten zu können; man könne schließlich genug schlafen, wenn man tot sei.<br />
* In der preisgekrönten Science-Fiction-Novelle ''[[Bettler in Spanien]]'' von [[Nancy Kress]], die später zu einer Roman-Trilogie erweitert wurde, wird Schlaflosigkeit ebenfalls in Zusammenhang mit Elite und geistiger Überlegenheit gebracht: Durch Genmanipulation werden Kinder geschaffen, die sich durch hohe Intelligenz, Unempfindlichkeit gegenüber Krankheiten und Schlaflosigkeit auszeichnen. Im weiteren Verlauf der Handlung wird u.&nbsp;a. der gesellschaftliche Konflikt dieser neuen Elite der ''Schlaflosen'' mit den alten Menschen, den ''Schläfern'', thematisiert.<br />
* Im Roman ''[[Schlaflos]]'' des Buchautors [[Stephen King]] leidet die Hauptfigur des Ralph Robert unter einer extremen Form von Schlaflosigkeit. Durch den fortlaufenden Schlafentzug wird er von Erscheinungen heimgesucht, die er zunächst als Halluzinationen betrachtet; später muss er jedoch feststellen, dass sich durch den Schlafmangel offenbar sein Sinnesempfinden verändert hat.<br />
* Im Roman ''Die Moorgeister'' von [[Angela Sommer-Bodenburg]] trifft der Jugendliche Timo einen alten Mann in der Bahn. Dieser erzählt ihm vom Händler der Verkauften Träume. Durch einen Handel mit diesem leidet er an Schlaflosigkeit („kann nicht mehr träumen“) und fährt seitdem immer Bahn, bis er den Händler wiederfindet, um seine Träume zurückzufordern. Am Ende des Romans vermutet Timo, dass der Mann ein Geist gewesen ist.<br />
* Im Roman ''[[Fight Club (Roman)|Fight Club]]'' von ''[[Chuck Palahniuk]]'' leidet der namenlose Ich-Erzähler an Schlaflosigkeit.<br />
* Im Roman sowie auch im Film ''[[2001: Odyssee im Weltraum]]'' von [[Stanley Kubrick]] werden die Astronauten für die Zeit des Fluges zum Jupiter (Film) bzw. Saturn (Roman) in einen Tiefschlaf versetzt. Die Geräte hierzu werden als Hibernakulum bezeichnet, die Menschen [[Winterschlaf|hibernieren]].<br />
<br />
* Für das Jahr 2023 wurde der 17. März als Welttag des Schlafes benannt.<ref>[https://www.kuriose-feiertage.de/world-sleep-day/ Welttag des Schlafes], abgerufen am 17. März 2023</ref><br />
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<!--<br />
'''Videos'''<br />
* {{Geist und Gehirn|10|Lernen im Schlaf}}--><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Schlaftraining]] (Training von älteren Säuglingen und Kleinkindern zum abendlichen Einschlafen und nächtlichen Wieder-Einschlafen)<br />
* [[Narkose]]<br />
* [[Lichtwecker]]<br />
* [[Schlafphasenwecker]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Quellen ===<br />
* Hannah Ahlheim (Hrsg.): ''Kontrollgewinn – Kontrollverlust: die Geschichte des Schlafs in der Moderne''. Campus, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-593-50073-7.<br />
* Hannah Ahlheim: [http://www.zeithistorische-forschungen.de/1-2013/id=4385 ''Die Vermessung des Schlafs und die Optimierung des Menschen. Eine deutsch-amerikanische Geschichte, 1930–1960.''] In: ''[[Zeithistorische Forschungen]]'' 10 (2013), S. 13–37.<br />
* [[Niels Birbaumer]], [[Robert F. Schmidt]]: ''Biologische Psychologie.'' 6. Auflage. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-25460-9, S. 535 ff (Kapitel: ''Zirkadiane Periodik, Schlaf und Traum.'').<br />
* [[Alexander Borbély]]: ''[http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/TITEL.htm Schlaf. Moderne Schlafforschung, Schlafstadien, Regulation des Schlafes, Schlaf beim Säugling, Schlaf im Alter, Kurz- und Langschläfer, Träume, Schlafstörungen, Stimulantien und Schlafmittel, Schlaf von Tieren, Schlaf und Lernen, Risiken des Schlafmangels.]'' Fischer, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-15561-4. (Online-Ausgabe der Fassung von 1988)<br />
* [[Jan Born]], Ulrich Kraft: ''Lernen im Schlaf&nbsp;– kein Traum.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' 11, Heidelberg 2004, S. 44–51. {{ISSN|0170-2971}}<br />
* Peter Clarenbach (Hrsg.): ''Schering Lexikon Schlafmedizin.'' 2. Auflage. MMV Medizin-Verlag, München 1998, ISBN 3-8208-1334-9.<br />
* Peretz Lavie: ''Die wundersame Welt des Schlafes. Entdeckungen, Träume, Phänomene.'' Dtv, München 1999, ISBN 3-423-33048-1.<br />
* Teofilo L. Lee-Chiong: ''Sleep: A Comprehensive Handbook''. Wiley-Liss, Hoboken NJ 2006, ISBN 0-471-68371-X (englisch)<br />
* Hans Rudolf Mächler: ''Die Anfänge moderner Schlafforschung.'' Juris, Zürich 1994, ISBN 3-260-05373-5.<br />
* Erika Mayr-Oehring (Hrsg.): ''Süßer Schlummer. Der Schlaf in der Kunst''. Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-06649-7.<br />
* Thomas Penzel (Hrsg.): ''Schlaf – Ein Phänomen und seine Störungen''. Spektrum der Wissenschaft-Spezial 3/09, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-941205-25-3.<br />
* H. Schulz (Hrsg.): ''Kompendium Schlafmedizin für Ausbildung, Klinik und Praxis.'' 2 Bände + CD-ROM. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. ''Digitaler Atlas der Schlafstörungen.'' Ecomed, Landsberg/Lech 2001&nbsp;ff.<br />
* Sophie de Sivry, Philippe Meyer: ''Die Kunst des Schlafs. Eine kleine soziale, symbolische, medizinische, poetische und liebevolle Geschichte des Schlafs.'' 2. Auflage. Brandstätter, Wien 1997, ISBN 3-85447-732-5.<br />
* [[Peter Spork]]: ''Das Schlafbuch. Warum wir schlafen und wie es uns am besten gelingt.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2007, ISBN 978-3-498-06387-0.<br />
* [[Jürgen Zulley]]: ''Mein Buch vom guten Schlaf.'' Zabert Sandmann, München 2005, ISBN 3-89883-134-5.<br />
<br />
=== Weiterführendes ===<br />
* [[Émile Chartier]]: ''Les idées et les âges.'' 1927. deutsch: ''Lebensalter und Anschauung.'' Berlin/Wien/Leipzig 1932. Das erste Buch dieses philosophischen Werkes widmet sich explizit dem Schlaf, dabei auch kulturhistorisch ausgreifend. Neben dem Schlaf, der Nacht u. dergl. betrachtet der auch als ''Alain'' bekannte Franzose die erhebliche soziale Rolle des Wächters.<br />
* [[Björn Rasch]]: [https://www.hogrefe.com/ch/shop/schlaf-im-zeitalter-der-digitalisierung-91576.html Schlaf: Rasch erklärt.] 200 Fragen und Antworten rund um den Schlaf. [[Hogrefe Verlag]] Göttingen 2021. ISBN 978-3-456-85932-3<br />
* Sonja Kinzler: ''Das Joch des Schlafes. Der Schlafdiskurs im bürgerlichen Zeitalter.'' Dissertation an der International University Bremen 2005. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2011, ISBN 978-3-412-20716-8.<br />
* G. Lucc, J. Segal: ''Sleep and Dreams.'' London 1967.<br />
* Curt Maronde: ''Rund um den Schlaf.'' Fischer, Frankfurt am Main.<br />
* Ian Oswald: ''Sleep.'' Harmondsworth 1966.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Sleeping|Schlafen}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wikiquote}}<br />
* [http://www.kindergesundheit-info.de/index.php?id=7614 Schlafen, Schlaf im Kindesalter] – kindergesundheit-info.de: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)<br />
* [https://www.schlaf.net/ Portal des DGSM zum Thema Schlaf] (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin)<br />
* {{Internetquelle |autor=Sophie Schmalz |url=https://taz.de/Interview-mit-Schlafforscher-Ingo-Fietze/!5668430/ |titel=„Schlaf braucht ein neues Image“ |werk= [[Die Tageszeitung]] |datum=2020-03-15 |abruf=2020-03-17 |kommentar=Interview mit Schlafforscher Ingo Fietze |abruf-verborgen=1}}<br />
* [https://www.n-tv.de/wissen/Warum-der-Mensch-schlaeft-article22052097.html Zum Lernen und für Reparaturen – Warum der Mensch schläft]<br />
* Frank Luerweg: [https://www.spektrum.de/news/chronobiologie-warum-man-im-alter-schlechter-schlaeft/2094525 ''Warum Senioren schlecht schlafen''] in [[Spektrum.de]] vom 8. Januar 2023<br />
* [https://de.opentran.net/dictionary/Schlaf.html Schlaf] – Synonyme, Antonyme, Bedeutung/Definition, Beispiele<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Gesundheitshinweis}}<br />
{{Lesenswert|4. Dezember 2005|11318367}}<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4052580-6|LCCN=sh/85/123396}}<br />
<br />
[[Kategorie:Schlaf| ]]<br />
[[Kategorie:Schlafmedizin| Schlaf]]<br />
[[Kategorie:Biologischer Prozess]]<br />
[[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]]</div>Objezd