https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=LinuxfreckWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-06-04T23:57:32ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.3https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Elterngeld_(Deutschland)&diff=152117430Elterngeld (Deutschland)2016-03-02T20:27:52Z<p>Linuxfreck: /* Bezugszeitraum und -dauer */Futur in Präsens geändert. Elterngeld Plus ist jetzt verfügbar.</p>
<hr />
<div>Das '''Elterngeld''' ist<br />
* eine vom [[Nettoeinkommen]] abhängige [[Transferzahlung]],<br />
* ein Ausgleich für konkrete Nachteile in der Frühphase der Familiengründung,<br />
* eine elternbezogene, zeitlich befristete [[Entgeltersatzleistung]].<br />
Das Elterngeld tritt an die Stelle des früheren [[Erziehungsgeld]]es. Anspruch auf Elterngeld haben Eltern, die wegen der Betreuung eines Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sind oder ihre [[Erwerbstätigkeit]] für die Betreuung ihres Kindes unterbrechen. Es soll die Eltern bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützen und ist deshalb als Entgeltersatzleistung ausgestaltet.<br />
<br />
2013 wurden 4,9 Milliarden Euro als Elterngeld ausgezahlt (dies waren 83 % aller Aufwendungen des [[Bundesfamilienministerium]]s). Knapp 80 Prozent der Elterngeld beziehenden Männer nahmen zwei Monate [[Elternzeit]]; 92 Prozent der beziehenden Frauen nahmen 10 bis 12 Monate.<ref>[[Rheinische Post]] vom 29. Mai 2014, S. A5 (''So viel Elterngeld wie nie'')</ref> <br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
Das [[Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit]] (BEEG), das für ab dem 1. Januar 2007 geborene Kinder gilt, setzte das Elterngeld an die Stelle des früheren Erziehungsgeldes.<ref>[http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/gesetzentwurf-elterngeld,property=pdf,bereich=,rwb=true.pdf Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG] (PDF; 349&nbsp;kB)</ref> Das Elterngeld ist grundsätzlich auf zwölf Monate unmittelbar nach der Geburt des Kindes begrenzt. Über zwei Partnermonate lässt sich der Anspruch auf insgesamt 14 Monate ausweiten. Für Alleinerziehende, die das alleinige [[Elterliche Sorge (Deutschland)|Sorgerecht]] oder zumindest alleinige [[Aufenthaltsbestimmungsrecht]] innehaben, besteht Anspruch auf vierzehn Monate Elterngeld (§ 4 Abs. 3 BEEG). Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem Nettoeinkommen des Elternteils, welches den Antrag auf Elterngeld stellt, und dient als Entgeltersatz. Nicht-Erwerbstätige erhalten das Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages als Sozialleistung.<br />
Während das Erziehungsgeld unabhängig von der vorgeburtlichen Einkommenshöhe bis zu 24 Monate in Höhe von 300 Euro monatlich bezogen werden konnte, erhalten Eltern, die vor der Geburt des Kindes arbeitslos oder ohne Einkommen waren, nur noch für 14 Monate den Mindestbetrag von 300 Euro. Für diese Gruppe brachte das Elterngeld eine Verschlechterung mit sich.<br />
<br />
Das ehemalige Erziehungsgeld kostete 2,9 Milliarden pro Jahr; für das Elterngeld waren zeitweilig vier Milliarden Euro pro Jahr eingeplant. Etwa zwei Drittel des Vier-Milliarden-Ansatzes wurden als Entgeltersatz gezahlt, etwa ein Drittel als Sozialleistung, um die 300-Euro-Mindestleistung zu finanzieren.<br />
<br />
Vom skandinavischen Modell ist die Regelung übernommen worden, dass sowohl für die Mutter als auch für den Vater jeweils ein festgelegter Anteil der Bezugsdauer des Elterngeldes reserviert ist. Ein Anspruch auf [[Elternzeit]], die früher als [[Erziehungsurlaub]] bezeichnet wurde, besteht zwar bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes, doch wird höchstens vierzehn Monate lang Elterngeld gewährt. Dadurch wird indirekt ein Anreiz gesetzt, früher zurück in den Beruf zu gehen. Gleichzeitig wird durch das [[Tagesbetreuungsausbaugesetz]] (TAG), das bereits 2005 in Kraft getreten ist, ein bedarfsgerechter Aufbau von Betreuungsangeboten für Unter-Dreijährige angestrebt. Das Ziel, den Übergang vom Elterngeld in eine Kinderbetreuung zu garantieren, wurde in einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Ländern bekräftigt (wann?), den Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung zu beschleunigen und ab dem Jahr 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr einzuführen.<br />
<br />
Im ersten Halbjahr 2007 wurden zirka 200.000 Elterngeldanträge gestellt&nbsp;<ref name="destatis-20070815">[http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2007/08/PD07__321__22922.psml Elterngeld für 200 000 Mütter und Väter im ersten Halbjahr 2007], Pressemitteilung Nr. 321 vom 13. November 2007, Statistisches Bundesamt Deutschland (abgerufen am 8. Dezember 2007)</ref>; im dritten Quartal kamen weitere 187.000 hinzu&nbsp;<ref name="destatis-20071113">[http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2007/11/PD07__453__22922.psml Elterngeld bei Vätern meistens für 2 Monate bewilligt], Pressemitteilung Nr. 453 vom 15. August 2007, Statistisches Bundesamt Deutschland (abgerufen am 8. Dezember 2007)</ref>. Über das erste halbe Jahr gemittelt wurden 8,5 Prozent der Anträge von Vätern gestellt&nbsp;<ref name="destatis-20070815"/>, was gegenüber den Elternzeitbeantragungen der Vorjahre bereits eine Verdopplung ist. Der Väteranteil stieg 2007 kontinuierlich an: Im ersten Quartal 2007 wurden 6,9 Prozent der Anträge von Vätern gestellt, und über die ersten drei Quartale gemittelt waren es 9,6 Prozent&nbsp;<ref name="destatis-20071113"/>. Für Mitte 2008 wird von über 18 Prozent berichtet.<ref name="böcklerimpuls-17-2009">{{internetquelle|url=http://www.boeckler.de/22388_22397.htm|titel=Elterngeld: Mehr Väter erproben neue Rolle|werk=Böckler Impuls 17/2009|zugriff=16. Mai 2010}}</ref> 2001 hatten im Vergleich 1,5 Prozent der Väter Erziehungsgeld beantragt, 2006 waren es 3 Prozent der Väter, die Erziehungszeit nahmen.<ref name="böcklerimpuls-17-2009"/><br />
<br />
Am 1. Juli 2015 ist das sogenannte ElterngeldPlus in Kraft getreten. Dies erweitert die Teilzeitnutzung der 14 Elterngeldmonate auf bis zur doppelten Dauer.<br />
<br />
== Politische Zielsetzung ==<br />
Mit dem Elterngeld will der Gesetzgeber verschiedene Ziele erreichen, die er im Kontext der nachhaltigen Familienpolitik entwickelte. Es werde damit ein [[Paradigmenwechsel]] in der [[Familienpolitik]] vollzogen. Das Elterngeld soll vorrangig ein zeitweiliges Ausscheiden aus dem Beruf ermöglichen, ohne allzu große Einschränkungen bezüglich des Lebensstandards hinnehmen zu müssen. Nach der Gesetzesbegründung sollte es den Menschen mehr Mut zu mehr Kindern machen, damit sie einen Beitrag zur Sicherung ihrer Zukunft leisten<ref>Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 20. Juni 2006, Bundestags-Drucksache 16/1889, Seite 2</ref>. Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]] betonte, dass die Koppelung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Gehalts insbesondere auch Akademiker dazu bewegen solle, sich für mehr Kinder zu entscheiden.<ref>''Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Arbeitgebertag 2006'' Zitat: ''„Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Elterngeld einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik vollzogen; aber weniger, weil wir jetzt finden, dass auch Väter sich einmal um kleine Kinder kümmern können. […] Das Elterngeld ist deshalb so interessant – und deshalb erwähne ich es hier noch einmal –, weil es zum ersten Mal die Entscheidung für ein Kind und die Möglichkeit, ein Jahr keine Berufstätigkeit auszuüben, an das vorherige Gehalt koppelt. Bis jetzt ist Unterstützung von Familien eigentlich immer eine Unterstützung der bedürftigen Familien gewesen. […] Ich glaube, es wird auch genau an dem Punkt zumindest ein Stück weit ansetzen – zählen können wird man das nie –, wo wir heute das Problem haben, dass nämlich 40 % der Akademikerinnen, im Übrigen auch der Akademiker, keine Kinder haben. Auch das ist ein Zustand, den sich ein Land, das sich als hoch entwickelt bezeichnen will, nicht leisten kann.“'' ([http://archiv.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Archiv16/Rede/2006/11/2006-11-07-rede-bkin-arbeitgebertag.html Online])</ref>. Hierbei ging sie jedoch von der falschen<ref>{{internetquelle|url=http://www.faz.net/aktuell/politik/demographie-kinderlose-akademikerinnen-1208614.html|titel=Kinderlose Akademikerinnen?|hrsg=FAZ.net|zugriff=27. Februar 2009}}</ref> Annahme aus, dass 40 Prozent der Akademikerinnen kinderlos seien. <br />
<br />
Das Elterngeld versucht seiner Konzeption nach, den sogenannten [[Achterbahn-Effekt]]<ref>Britta Hoem, Jan M. Hoem: ''Sveden's family policies and rollercoaster fertility.'' In: ''Journal of Population Problems.'' 52, 1996, S. 1–22.</ref> auszugleichen: Dieser Effekt besteht darin, dass im Rahmen moderner Partnerschaftsmodelle, in denen beide Partner erwerbstätig sind, die Geburt des Kindes gewöhnlich dazu führt, dass ein Partner (meistens die Frau) seinen Beruf aufgibt, und sich in die ökonomische Abhängigkeit des anderen Partners (meistens des Manns) begibt. Das Familieneinkommen bricht dadurch mit der Geburt jedes Kindes deutlich ein, bis dieses alt genug ist, dass beide Partner wieder (voll) erwerbstätig sein können. Da das europäische Familienmodell kulturell auf ökonomischer Unabhängigkeit von der Herkunftsfamilie basiert, wird das Wiedereingehen ökonomischer Abhängigkeiten (vom aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Partner) sowie der deutliche Einbruch des Einkommensniveaus als unangenehm erlebt. Der Achterbahneffekt gilt demnach als zentraler Grund für die geringe Geburtenrate von 'Hochqualifizierten', bei denen dieser Effekt besonders deutlich zu Buche schlägt.<br />
<br />
Als einer der wesentlichen Anreizmechanismen des Elterngelds gilt eine teilweise Kompensation der [[Opportunitätskosten]] der Kinderbetreuung, die auch Vätern eine partnerschaftliche Arbeitsteilung nahelegen soll.<ref>Jörg Althammer (Hrsg.): ''Familienpolitik und soziale Sicherung: Festschrift für Heinz Lampert'', Springer Verlag, 2005, ISBN 3-540-24538-3 [http://books.google.de/books?id=wEnzojKhmpUC&pg=PA414 S. 414]</ref><br />
<br />
== Rechtsgrundlagen ==<br />
Das [[Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz]] trat am 1. Januar 2007 in Kraft und wurde seitdem mehrfach geändert<ref name="AendBEEG">[http://www.buzer.de/gesetz/7484/l.htm Änderungen des BEEG]</ref>.<br />
<br />
== Berechtigte ==<br />
*Nach {{§|1|BEEG|dejure}} Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer<br />
#einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,<br />
#mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,<br />
#dieses Kind selbst betreut und erzieht und<br />
#keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.<br />
:Unter bestimmten Voraussetzungen ({{§|1|BEEG|dejure}} Abs. 2 bis 7 BEEG) können auch andere Personen Anspruch auf Elterngeld haben.<br />
* Die Voraussetzung, dass das Kind durch den Elterngeldempfänger betreut werden muss, schließt nicht aus, dass andere Personen oder Institutionen in die Betreuung und Erziehung des Kindes einbezogen sein können.<ref>Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum BEEG, [http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/BMFSFJ_Richtlinie_BEEG.pdf#page=31 Abschnitt 1.1.3.1 „Betreuung und Erziehung des Kindes (Nr. 3)“, S. 31]</ref><br />
<br />
== Bezugszeitraum und -dauer ==<br />
Elterngeld wird für Lebensmonate des Kindes gezahlt und nicht für Kalendermonate. Ist ein Kind zum Beispiel am 27.7. geboren, läuft der erste Anspruchsmonat vom 27.7. bis 26.8., der zweite vom 27.8. bis 26.9., der dritte vom 27.9. bis 26.10., bis hin zum vierzehnten und maximal letzten Anspruchsmonat vom 27.8. bis 26.9. des Folgejahres. Einkünfte, die während eines Lebensmonats, für den Elterngeld bezahlt wird, anfallen, werden mit dem Elterngeld verrechnet und mindern dieses entweder um den vollen Einkunftsbetrag (Lohnersatzleistungen wie Mutterschaftsgeld) oder bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit anteilig (siehe nachfolgende Auflistung).<br />
* Elterngeld kann vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. ElterngeldPlus (ab 1. Juli 2015) erlaubt es, bei Teilzeitnutzung diese Dauer auszudehnen.<br />
* In dem Antrag auf Elterngeld ist anzugeben, für welche Monate das Elterngeld beantragt wird. Das Elterngeld kann bis zu drei Monate rückwirkend gezahlt werden. Die im Antrag getroffene Entscheidung kann bis zum Ende des Bezugszeitraums ohne Angabe von Gründen einmal geändert werden.<br />
* Elterngeld wird bis zu zwölf Monate geleistet (unter den Partnern frei aufteilbar) und um zwei sogenannte „Partnermonate“ verlängert, wenn der zweite Elternteil mindestens für diese beiden Monate die Elternzeit in Anspruch nimmt und wenn ein Elternteil während des Bezugszeitraums sein Einkommen mindert. Das trifft schon zu, wenn die [[Kindesmutter]] das [[Mutterschaftsgeld]] erhält. Die Elterngeldmonate können auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden (beispielsweise je sieben Monate für beide Elternteile).<br />
* Alleinerziehende mit alleinigem Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht können die beiden „Partnermonate“ zusätzlich für sich beanspruchen, wenn die Kindesmutter vor der Geburt des Kindes einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.<br />
* Der Bezugszeitraum des Elterngeldes kann auf die doppelte Zeit gestreckt werden, wenn es monatlich nur hälftig in Anspruch genommen wird.<br />
* Keinen Anspruch auf Elterngeld hat, wer im letzten abgeschlossenen [[Veranlagungszeitraum]] mehr als 250.000 €, bei zwei anspruchsberechtigten Personen, mehr als 500.000 € [[zu versteuerndes Einkommen]] hatte (§ 1 Abs. 8 BEEG).<br />
<br />
== Maßgebendes Einkommen (Bemessungszeitraum) ==<br />
Grundsätzlich ist für die Berechnung des Elterngeldes das durchschnittliche Nettoeinkommen des Antragstellers aus [[Erwerbsarbeit]] in den zwölf Kalendermonaten vor dem Kalendermonat der Geburt maßgeblich (Monats-Netto). Hierbei werden ausschließlich Kalendermonate berücksichtigt, für die kein Mutterschaftsgeld oder Elterngeld für ein anderes Kind zugeflossen sind. Auch Monate, in denen Einkommensverluste aufgrund einer auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung oder aufgrund der Ableistung von Wehr- und Zivildienst eingetreten sind, werden nicht berücksichtigt.<ref>[http://www.l-bank.de/lbank/inhalt/nav/privatpersonen/elterngeldunderziehungsgeld/elterngeld.xml?ceid=100383 Elterngeldstelle der ''L-Bank''], abgerufen am 12. Februar 2013</ref> Durch diese Faktoren kann sich der Bezugszeitraum auf deutlich mehr als zwölf Monate erstrecken.<br />
Bei [[Arbeitnehmer]]n ergibt sich das Monats-Netto aus dem Monats-Brutto abzüglich [[Steuer]]n, abzüglich gesetzlicher [[Sozialversicherung|Sozialbeiträge]], abzüglich 1/12 des [[Werbungskostenpauschbetrag]]s. Bei [[Selbständigkeit (beruflich)|Selbständigen]] ergibt sich das Monats-Netto aus 1/12 des Jahresgewinns. Bei Arbeitnehmern ist das Monats-Netto von der Wahl der [[Lohnsteuerklasse|Steuerklasse]] abhängig. Ein Wechsel in eine günstigere Steuerklasse zur Erhöhung des Nettoeinkommens ist vor Antragstellung möglich.<ref>Siehe dazu auch Bundessozialgericht vom 25. Juni 2009 – B 10 EG 3/08 R und B10 EG 4/08 R.</ref> <br />
Ausgangspunkt ist das Einkommen ohne Bonuszahlungen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Für Selbständige kann auch ein größerer Zeitraum maßgeblich sein. Für Selbständige, die in ihrem letzten [[Geschäftsjahr]] erwerbstätig waren, gelten diese zwölf Monate (§ 2 Abs. 9 BEEG). Zum Monats-Netto wird auch Arbeitsentgelt bei gewissen Beschäftigungsverboten ({{§|11|MuSchG|juris}} Abs. 1 MuSchG) gezählt, ''nicht'' jedoch: [[Arbeitslosengeld (Deutschland)|Arbeitslosengeld]], Arbeitslosengeld II, Kurzarbeitergeld, Saison-Kurzarbeitergeld, ausländische Entgeltersatzleistungen, Wohngeld, Sozialhilfe, Haushaltshilfe der Krankenkasse, Renten, Stipendien, BAföG, Krankengeld aus einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung.<ref>{{internetquelle|autor=Barbara Blinzler|url=http://www.schwanger-in-bayern.de/schwangerenberatung/themen/finanzielle-leistungen/elterngeld.html|titel=Elterngeld|hrsg=Staatlich anerkannte Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen|zugriff=18. Mai 2009}}</ref><br />
<br />
=== Änderungen ab 1. Januar 2013 ===<br />
Durch das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs<ref name="AendBEEG" /> wird ab 1. Januar 2013 die Einkommensermittlung durch die Pauschalierung von [[Steuer]]n und Sozialversicherungsbeiträgen vereinfacht. Bei nichtselbständiger Tätigkeit wird aus jeder Lohn- oder Gehaltsbescheinigung das laufende lohnsteuerpflichtige [[Bruttoeinkommen]] entnommen, aus dem EDV-gesteuert ein fiktives [[Nettoeinkommen]] berechnet wird. Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte werden dabei nicht berücksichtigt.<br />
Auch bei den [[Gewinneinkünfte]]n wird das Nettoeinkommen mittels pauschaler Abgabensätze berechnet. Hierbei wird die Einkommensteuer berechnet, indem auf den durchschnittlichen monatlichen Gewinn die [[Lohnsteuertabelle]] angewendet wird.<br />
Die Änderungen gelten für Kinder, die ab dem 1. Januar 2013 geboren werden ({{§|27|beeg|juris}} Abs. 1 BEEG).<br />
<br />
Das Gesetz hat es Ehepaaren erschwert, durch einen Steuerklassenwechsel während der Schwangerschaft die Elterngeldhöhe nach der Geburt zu optimieren. Ein Wechsel der Steuerklasse nach Bekanntwerden der Schwangerschaft wird nun grundsätzlich nur noch dann berücksichtigt, wenn er sieben Kalendermonate vor Beginn des Mutterschutzes beim Finanzamt gestellt wurde. Wer den Antrag später stellt, kann die Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels nur noch erreichen, wenn er zum Beispiel beim Elterngeldantrag einen Verzicht auf die Ausklammerung eines Mutterschutzmonats erklärt. Damit verschiebt sich der Bemessungszeitraum und auch der Wechselantrag kann später gestellt worden sein.<ref>Stiftung Warentest: [http://www.test.de/Steuerklasse-wechseln-Ein-Riesenplus-beim-Elterngeld-4532918-0/ Steuerklasse wechseln – Ein Riesenplus beim Elterngeld], test.de vom 23.&nbsp;Mai 2013, online abgerufen am 28.&nbsp;Mai 2013</ref><br />
<br />
== Höhe des Elterngeldes ==<br />
* Das Elterngeld ist einkommensabhängig und beträgt zwischen 65 und 100 Prozent des früheren Netto-Monatseinkommens, höchstens 1.800 Euro, mindestens 300 Euro im Monat (§{{§|2|BEEG|juris}} ff. BEEG). Die Höhe des Elterngeldes orientiert sich am durchschnittlichen relevanten (vgl. [[Verschiebetatbestand]]) monatlichen Nettoeinkommen des beantragenden Elternteils in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes. <br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Monats Nettoeinkommen!! Anteil des resultierenden Elterngelds am wegfallenden Einkommen<br />
|-<br />
| zwischen 0 und 1000 Euro || 67 Prozent erhöht sich um 0,1 Prozentpunkte pro zwei Euro, um die das Monats-Netto 1.000 Euro unterschreitet, bis auf maximal 100 Prozent. Fällt in der Elternzeit das Erwerbseinkommen auf Null und liegt das Monats-Netto des Antragstellers über 300 Euro bis 340 Euro, beträgt das Elterngeld 100 % des Monats-Netto. Mütter oder Väter, die im Bemessungszeitraum kein Einkommen bezogen haben, erhalten ein Mindestelterngeld von 300 Euro, das auf die im folgenden Abschnitt genannten Sozialleistungen angerechnet wird.<br />
|-<br />
| zwischen 1.000 und 1.200 Euro|| 67 Prozent<br />
|-<br />
| höher als 1.200 Euro || 67 Prozent sinkt um 0,1 Prozentpunkte pro zwei Euro, um die das Monats-Netto 1.200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent, der ab einem Monats-Netto von 1.240 Euro erreicht ist.<br />
|-<br />
| höher als 2.769,23 Euro || Das Elterngeld beträgt generell 1.800 Euro (= 65 % von 2.769,23 Euro; Maximalwert)<br />
|}<br />
<br />
* Vom früheren Nettomonatseinkommen, das die Elterngeldstelle berechnet, wird eine Werbekostenpauschale von 83,33 Euro p.M. abgezogen. Erst daraus ergibt sich das Elterngeld. Die Werbekostenpauschale wird quasi als zweckgebundenes früheres Gehalt angesetzt, das v.a. für den Arbeitsweg (Entfernungspauschale) o.ä. ausgegeben wurde, daher quasi nie zur freien Verfügung stand (und daher während der Arbeitszeit nicht versteuert wurde) und daher während der Elternzeit wegfällt, d.h. vom Gehalt so abgezogen wird als ob das Gehalt früher um monatlich 83,33 Euro niedriger war.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/familie,did=116882.html|titel=Anspruchsvoraussetzungen und Höhe des Elterngeldes|hrsg=BMSFSJ|datum=2011-01-04|zugriff=2015-06-09}}</ref><br />
* Arbeitslosigkeit wirkt sich auf Mutterschutz- und Elterngeldanspruch unterschiedlich aus: Während der Anspruch auf [[Mutterschaftsgeld]] vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängt, knüpft die Höhe des Elterngelds lediglich an das Durchschnittseinkommen während des Bemessungszeitraums an, ist aber ansonsten nicht vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abhängig.<br />
* Reduziert ein Vater oder eine Mutter ''nach der Geburt'' stundenweise die Arbeit, darf dieses [[Teilzeit]]-Arbeitsverhältnis 30 Stunden pro Woche nicht überschreiten, anderenfalls entfällt der Anspruch auf Elterngeld.<br />
* Für Teilzeitbeschäftigte wird das Einkommen aus Teilzeitarbeit mit berücksichtigt. "Der betreuende Elternteil erhält das Elterngeld als Ersatz für den entfallenden Einkommensteil. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Einkommen vor der Geburt und dem voraussichtlich durchschnittlich erzielten Einkommen aus der Teilzeitarbeit während des Elterngeldbezuges. Für die Elterngeldberechnung wird die Ersatzrate angewendet, die für das Einkommen vor der Geburt gilt: Dies sind mindestens 65 oder 67 Prozent, bei Einkommen von unter 1.000 Euro vor der Geburt bis zu 100 Prozent. Als Einkommen vor der Geburt werden jedoch höchstens 2.770 Euro berücksichtigt."<ref>[http://www.familien-wegweiser.de/wegweiser/stichwortverzeichnis,did=93576.html www.familien-wegweiser.de/wegweiser/stichwortverzeichnis,did=93576.html] (Entnommen und zuletzt geprüft: 31. Oktober 2014) </ref><br />
* Da das Elterngeld für Lebensmonate des Kindes, nicht für Kalendermonate gezahlt wird, erfolgt auch die Einkommensanrechnung auf Lebensmonate bezogen. Wurde das Kind z.B. am 4. eines Kalendermonats geboren, dauert ein Lebensmonat jeweils vom 4. eines Monats bis zum 3. des Folgemonats. Es kann günstiger sein, eine Teilzeitbeschäftigung während des Elterngeldbezuges zeitgleich mit dem Beginn eines Lebensmonats aufzunehmen oder zeitgleich mit dem Ende eines Lebensmonats zu beenden. Bei Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung am Anfang eines Kalendermonats würde im Beispielsfall bereits für den begonnenen, noch bis zum dritten des Kalendermonats dauernden Lebensmonat Einkommen angerechnet werden.<br />
** Beispiel: Monats-Netto vor der Geburt 1.200 EUR. Geburt des Kindes am 4. April. Die Mutter verdient im Kalendermonat Juni 400 €, ihr Monats-Netto liegt auf die Lebensmonate 4. Mai bis 3. Juni und 4. Juni bis 3. Juli bezogen bei 200 Euro. Sie erhält in den beiden Lebensmonaten, in denen sie Einkommen erzielt hat, jeweils 670 EUR Elterngeld (67 % der Differenz zwischen 1.200 und 200). Würde die Mutter die 400 EUR im Zeitraum vom 4. Juni bis 3. Juli erzielen, bekäme sie für diesen Monat 536 EUR Elterngeld (67 % der Differenz zwischen 1.200 und 400), im vorangegangenen Lebensmonat hätte sie aber noch das volle Elterngeld in Höhe von 804 EUR. Im ersten Fall liegt die Summe des Elterngeldes für die beiden Monate bei 1.340 € (670 € + 670 €), im zweiten Fall ebenfalls bei 1.340 € (536 € + 804 €).<br />
* Wer ein Kind jünger als drei Jahre oder mindestens zwei Kinder jünger als sechs Jahre hat (das Neugeborene nicht mitgezählt), erhält einen Geschwisterbonus als Aufschlag zum Elterngeld. Dieser beträgt zehn Prozent, mindestens jedoch 75 Euro monatlich.<br />
* Bei [[Mehrlingsgeburt]]en gibt es einen Bonus von je 300 Euro monatlich für das zweite und jedes weitere Kind. Diese Regelung wurde durch das Bundessozialgericht überprüft,<ref>[https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=152659 Bundessozialgericht B10EG8/12R]</ref> das am 27. Juni 2013 entschied, dass Eltern bei Zwillings- beziehungsweise Mehrlingsgeburten nicht nur einen Elterngeldanspruch pro Geburt, sondern für jedes einzelne neugeborene Kind einen eigenen Elterngeldanspruch haben. Die zusätzlichen Elterngeldbeträge können Eltern bei ihrer Elterngeldstelle vor Ort beantragen - nicht nur für Zeiten ab dem 27. Juni 2013, sondern auch rückwirkend für frühere Elterngeldzeiten ab dem 1. Januar 2009 bei Antragseingang bis Ende 2013 bzw. ab dem 1. Januar 2010 bei Antragseingang bis Ende 2014.<ref name="bmfsfj-2013-11-15">{{internetquelle|url=http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/familie,did=202246.html|hrsg=BMFSFJ|titel=Änderungen beim Elterngeld für Zwillinge und Mehrlingskinder|datum=2013-11-15|zugriff=2014-01-10}}</ref> Das BMFSFJ erläuterte hierzu: „Nutzt ein Elternteil das Elterngeld im Monat nur für eines der Kinder, erhält er für dieses Kind in voller Höhe den einkommensabhängigen Elternbetrag plus die Mehrlingszuschläge von je 300 Euro für die weiteren Kinder. Für das andere Kind beziehungsweise die anderen Kinder kann in dem Monat der andere Elternteil das Elterngeld parallel erhalten.“<ref name="bmfsfj-2013-11-15"/> Allerdings sollen die gesetzlichen Regelungen zum 1. Januar 2015 dahingehend geändert werden, dass für Mehrlingsgeburten nur noch ''ein'' Elterngeldanspruch mit Mehrlingszuschlägen entsteht.<ref>http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/gesetz-_C3_A4nderung-elterngeldplus,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf</ref><br />
<br />
== Steuerliche Behandlung ==<br />
Das Elterngeld ist [[sozialabgaben]]- und steuerfrei, es unterliegt jedoch dem [[Progressionsvorbehalt]] ({{§|32b|estg|dejure}} Abs. 1 EStG).<br />
<br />
== Anrechnung anderer Sozialleistungen ==<br />
Andere Entgeltersatzleistungen, „die nach ihrer Zweckbestimmung dieses Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise ersetzen“, werden auf das Elterngeld angerechnet ({{§|3|BEEG|dejure}} Abs. 2 BEEG). Laut Richtlinie zum § 3 BEEG<ref>{{internetquelle|url=http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/BMFSFJ_Richtlinie_BEEG.pdf|titel=Richtlinien zum BEEG|werk=BMFSFJ/204|datum=18. Dezember 2006|zugriff=7. November 2009|format=PDF; 659&nbsp;kB}} [http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/BMFSFJ_Richtlinie_BEEG.pdf#page=75 S. 75 ff]</ref> handelt es sich insgesamt um folgende anzurechnende Leistungen:<br />
<br />
* Elterngeld für ein älteres Kind<br />
* [[Arbeitslosengeld (Deutschland)|Arbeitslosengeld]] ({{§|136|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;136&nbsp;ff}} SGB III), [[Teilarbeitslosengeld]] ({{§|162|SGB+III|buzer}} SGB III)<br />
* [[Kurzarbeitergeld]] und [[Saison-Kurzarbeitergeld]] ({{§|95-111|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;95 bis 111}} SGB III)<br />
* [[Insolvenzgeld]] ({{§|165-175|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;165–175}} SGB III)<br />
* [[Berufsausbildungsbeihilfe]] ({{§|56|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;56&nbsp;ff.}} SGB III)<br />
* [[Übergangsgeld]] {{§|119-121|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;119 bis 121}} SGB III bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ({{§|112|SGB+III|buzer}} ff SGB III i.V.m. {{§|33|SGB+IX|buzer}} und {{§|44|SGB+IX|buzer|text=§§&nbsp;44&nbsp;ff.}} SGB IX)<br />
* [[Gründungszuschuss]] ({{§|93,94|SGB+III|buzer|text=§§&nbsp;93&nbsp;f}} SGB III)<br />
* [[Übergangsgeld]] ({{§|20|SGB+VI|buzer|text=§§&nbsp;20&nbsp;ff}} SGB VI, {{§|49,50|SGB+VII|buzer|text=§§&nbsp;49, 50}} SGB VII)<br />
* Übergangsgeld [[TVöD]]<br />
* [[Übergangsbeihilfe]] ({{§|12,13|SVG|buzer|text=§§&nbsp;12, 13}} SVG)<br />
* Arbeitslosenbeihilfe ({{§|86a|SVG|buzer}} SVG)<br />
* [[Krankengeld (Deutschland)|Krankengeld]] ({{§|44-51|SGB+V|buzer|text=§§&nbsp;44-51}} SGB V, {{§|12,13|KVLG+1989|buzer|text=§§&nbsp;12, 13}} KVLG 1989)<br />
* Versorgungskrankengeld ({{§|16-16h,18a|BVG|buzer|text=§§&nbsp;16–16h, 18a}} BVG und {{§|82,83|SVG|buzer|text=§§&nbsp;82, 83}} SVG, {{§|48,49|ZDG|buzer|text=§§&nbsp;48,49}} ZDG, {{§|1|OEG|buzer}} OEG i.V.m. § 16ff BVG, {{§|60|IfSG|buzer}} IfSG i.V.m. §§ 16ff BVG)<br />
* [[Verletztengeld]] ({{§|45-48,52,55|SGB+VII|buzer|text=§§&nbsp;45-48, 52, 55}} SGB VII)<br />
* [[Verletztenrente]] ({{§|56-60|SGB+VII|buzer|text=§§&nbsp;56-60}} SGB VII) und vergleichbare Leistungen privater Versicherungen<br />
* [[Erwerbsminderungsrente]] ({{§|43,67,93,94,96a,240,241|SGB+VI|buzer|text=§§&nbsp;43, 67, 93, 94, 96a, 240, 241}} SGB VI) und vergleichbare Leistungen privater Versicherungen<br />
* [[Altersrente]] ({{§|34-37,40,42,236-238|SGB+VI|buzer|text=§§&nbsp;34-37,40, 42, 236-238}} SGB VI) und vergleichbare Leistungen privater Versicherungen<br />
* Verdienstausfallentschädigung nach {{§|13,13c|USG|buzer|text=§§&nbsp;13, 13c}} USG aus Mitteln des Europäischen Sozialfond finanziertes Unterhaltsgeld<br />
* vergleichbare ausländische Entgeltersatzleistungen<br />
* [[Mutterschaftsgeld]] nach {{§|13|MuSchG|buzer}} MuSchG, soweit es für die Zeit des achtwöchigen Beschäftigungsverbots nach der Entbindung gezahlt wird. <br />
Nicht angerechnet werden diese Leistungen, wenn sich der Anspruch auf Elterngeld auf das Mindestelterngeld und ggf. den Mehrlingsbonus beschränkt. <br />
<br />
== Elterngeld bei Bezug von Arbeitslosengeld II ==<br />
Elterngeld wird seit 1. Januar 2011 auf Leistungen nach Hartz IV sowie auf die Sozialhilfe und den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG angerechnet.<ref>§ 10 Abs. 5 BEEG, hinzugefügt mit Wirkung zum 1. Januar 2011 durch {{Art.|14|HBeglG+2011|buzer}} Nr.&nbsp;4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl. I, S. 1885, 1896</ref> Das gilt auch für Eltern, die vor der Einführung der Anrechnung von der Verlängerungsmöglichkeit nach {{§|6|beeg|juris}} Satz 2 BEEG Gebrauch gemacht haben und diese nicht vor dem 1. Januar 2011 widerrufen haben.<ref>§ 1 Abs. 5 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 21. Dezember 2010, BGBl. I, S. 2321</ref> Von einem Elterngeldanspruch, welcher durch Erwerbstätigkeit entstanden ist, bleiben jedoch 300 Euro anrechnungsfrei (§ 10(5) BEEG).<br />
<br />
== Elterngeld für Beschäftigte europäischer Institutionen ==<br />
Die Elterngeldämter der Bundesländer [[Hessen]] (Sitz der [[Europäische Zentralbank|Europäischen Zentralbank]]) und [[Bayern]] ([[Europäisches Patentamt|Europäisches Patentamtes]]) haben in der Vergangenheit den Beschäftigten dieser Behörden die Zahlung von Elterngeld verwehrt. Dies wurde damit begründet, dass diese europäischen Institutionen über ein eigenes Sozialsystem verfügen. Außerdem wurde argumentiert, dass das Elterngeld steuerfinanziert ist und die Beschäftigen europäischer Institutionen keine deutschen Steuern zahlen. Der [[Europäischer Gerichtshof|Europäische Gerichtshof]] hat bezüglich der Europäischen Zentralbank in einem [[Vorabentscheidungsverfahren|Vorabentscheidungsersuchen]] des Hessischen Landessozialgerichts geurteilt, dass die Bundesrepublik den dort Beschäftigen Elterngeld gewähren müsse.<ref>[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62011CJ0062:DE:HTML Urteil] der Großen Kammer des EuGH vom 19. Juni 2012, Rechtssache C-62/11 (Feyerbacher)</ref> Damit dürfte Beschäftigten von Zentralbank und Patentamt grundsätzlich Elterngeld (ggf. unter Anrechnung vergleichbarer Leistungen) zustehen.<br />
<br />
== Krankenversicherungsschutz während des Bezugs von Elterngeld ==<br />
* Elterngeldempfänger, die bereits vor dem Bezug des Elterngeldes als Pflichtmitglieder [[gesetzliche Krankenversicherung|gesetzlich krankenversichert]] waren (Ausnahme nach {{§|5|SGB+V|buzer}} Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;13 SGB V), sind für die Dauer des Elterngeldbezugs beitragsfrei weiterversichert, sofern sie neben dem Elterngeld kein weiteres Einkommen haben ({{§|192|SGB+V|buzer}} Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;2 und {{§|224|SGB+V|buzer}} Abs.&nbsp;1 SGB V). Für versicherungspflichtige Studenten besteht die Beitragspflicht allerdings fort, wenn sie immatrikuliert bleiben.<br />
* Bisher freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte müssen (weiterhin) den Beitrag für freiwillig Versicherte zahlen. Sofern sie neben dem Elterngeld kein weiteres Einkommen haben, zahlen sie den Mindestbeitrag. Zu beachten ist dabei, dass in dieser Zeit neben einem möglichen Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit auch viele weitere Einkommensarten angerechnet werden (siehe Liste unter „Weblinks“).<br />
* Bisher freiwillig gesetzlich Versicherte können aber, wenn sie verheiratet sind, eventuell in die beitragsfreie Familienversicherung wechseln, wenn sie dafür die übrigen Voraussetzungen erfüllen.<br />
* Verheiratete und in [[Lebenspartnerschaftsgesetz|eingetragener Partnerschaft]] Lebende können sich nicht über ihren privat versicherten Partner familienversichern. Sind sie freiwillig gesetzlich versichert, werden bei der Beitragsbemessung die Einkünfte des Partners hälftig angerechnet. Die monatlichen Beiträge betragen dann bis zu ca. 300&nbsp;€ und sind während der Elternzeit und auch danach, sofern keine Beschäftigung aufgenommen oder gesucht wird, zu zahlen.<ref>Festlegung durch GKV-Spitzenverband zum 1. Januar 2009: Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27. Oktober 2008, zuletzt geändert am 17. Dezember 2008 [http://www.gkv-spitzenverband.de/upload/EinhGrundsätze_Fassung18122008_6932.pdf PDF]</ref><br />
* [[Private Krankenversicherung|Privat Versicherte]] müssen ihre Beiträge weiterhin zahlen.<br />
<br />
== Statistik zu den Elterngeldempfängern ==<br />
Von den im Jahr 2008 geborenen Kindern haben 96 % der Mütter und 21 % der Väter Elternzeit beantragt.<ref>https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2010/08/PD10_272_22922.html</ref> Elterngeld wurde in Bayern von 27 Prozent der Väter in Anspruch genommen, im Saarland dagegen nur von 12 Prozent. Väter erhielten 2012 bundesweit durchschnittlich 1.140 Euro, Mütter 701 Euro. Grund für die Unterschiede waren unter anderem Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen, 9 von 10 Männern aber nur 7 von 10 Frauen waren vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig.<ref>https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/06/PD14_226_22922.html</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Empfänger !! 2009 !! 2010 !! 2011 !! 2012 !! 2013<br />
|-<br />
| Mütter || 630.906 || 642.572 || 623.454 || 640.084 || 657.033<br />
|-<br />
| Väter || 153.141 || 167.659 || 176.719 || 194.275 || 217.545<br />
|-<br />
| Gesamt || 784.047 || 810.231 || 800.173 || 834.359 || 874.578<br />
|}<br />
<br />
Laut einer Studie hat das Elterngeld zu einer Einkommensverbesserung der Eltern junger Kinder geführt. Akademikerfamilien, ältere Eltern und Eltern von Einzelkindern profitierten am meisten, sehr junge Eltern und Alleinerziehende hingegen werden durch das Elterngeld schlechter gestellt als bisher. 28 % der Väter gingen in Elternzeit. Die durchschnittliche Länge der Elternzeit der Väter betrug 3,3 Monate.<ref>Bujard, Martin (Hrsg.) (2013): Elterngeld und Elternzeit in Deutschland: Ziele, Diskurse und Wirkungen. Schwerpunktheft der Zeitschrift für Familienforschung, 25. Jg., Band 2, Leverkusen: Verlag Barbara Budrich</ref><br />
Laut einer anderen Studie stieg nach der Einführung des Elterngeldes die Zahl der Erstgebärenden mit Universitätsabschluss um 30 %. Bei den Frauen mit dem höchsten Einkommen stieg die Zahl der Geburten um 70 %.<ref>[http://www.focus.de/finanzen/steuern/elterngeld-akademikerinnen-bekommen-mehr-kinder_aid_517951.html Elterngeld: Akademikerinnen bekommen mehr Kinder] Focus vom 10. Juni 2010</ref><br />
<br />
== Kritik ==<br />
=== Anrechnung von Arbeitslosengeld II ===<br />
Die Anrechnung von Arbeitslosengeld II wurde vielfach als De-facto-Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger kritisiert. Im Elterngeldbericht der Bundesregierung wurde jedoch hervorgehoben, dass das Elterngeld keine Leistung sei, die die wirtschaftliche Grundlage der Familie über das vor der Geburt vorhandene Niveau hinaus anheben solle. Es wurde als ein Ausgleich für konkrete Nachteile in der Frühphase der Familiengründung als Lohnersatzleistung konzipiert. Aus diesem Grund sind die Zahlungen zeitlich befristet.<ref>{{internetquelle|url=http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/elterngeldbericht-2008,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf|titel=Elterngeldbericht. Bericht über die Auswirkungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung|hrsg=BMFSFJ|datum=Oktober 2008|zugriff=1. Februar 2011|format=PDF; 1,3&nbsp;MB}} [http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/elterngeldbericht-2008,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf#page=53 Abschnitt 1.2. Das Elterngeld als zentrale Maßnahme nachhaltiger Familienpolitik]</ref> [[Sozialberatung|Soziale Beratungsstellen]] und Sozialverbände kritisierten, die De-facto-Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger erschwere die Entscheidung für ein Kind bei der [[Schwangerschaftskonfliktberatung]].<ref>{{internetquelle|url=http://www.taz.de/1/nord/hamburg/artikel/1/unerwuenschte-babys/|titel=Sparpolitik: Unerwünschte Babys|datum=10. Juni 2010|zugriff=12. Juni 2010}}</ref><br />
<br />
=== Schlechterstellung von Eltern ohne Einkommen ===<br />
Arbeitslose und geringverdienende Eltern erhielten bis 2006 mit dem zwei Jahre lang gezahlten sozialkompensatorischen Erziehungsgeld eine Gesamt-Transferleistung von 7.200 Euro je Kind, ab 2007 mit dem ein Jahr lang gezahlten Elterngeld 3.600 Euro je Kind. Der Monatsbetrag liegt jeweils bei 300 Euro.<br />
<br />
Untersuchungen zum Haushaltseinkommen aus dem Jahre 2008 weisen darauf hin, dass das Haushaltseinkommen im Jahr nach der Geburt des Kindes nicht notwendigerweise geringer ist als vorher: „Vergleicht man das Haushaltseinkommen im Jahr vor und nach der Geburt des jüngsten Kindes, zeigt sich, dass 80 Prozent der Familien mit weniger als 1.000 Euro Nettohaushaltseinkommen im Jahr nach der Geburt gleich viel oder mehr Geld als davor zur Verfügung haben.“ „67 % der Familien mit Einkommen über 3.000 Euro netto haben hingegen weniger Geld als vor der Geburt“.<ref>[http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/107/1610770.pdf Bericht] (PDF; 779&nbsp;kB) über die Auswirkungen des Bundeselterngeld- und<br />
Elternzeitgesetzes, Bundesdrucksache 16/10770</ref><br />
Andere Berechnungen zeigen, dass 57 - 62 % der Elterngeldbezieher schlechter gestellt wurden.<ref>[http://www.erziehungstrends.de/Familienpolitik/Elterngeld/2 Das Elterngeld] – eine Errungenschaft der neuen Familienpolitik? (2) von Stefan Fuchs]</ref><br />
<br />
=== Unterschiedliche Höhe des Elterngeldes ===<br />
Die unterschiedliche Höhe des Elterngeldes, die aus der Bemessung nach dem vorangegangenen Einkommen resultiert, wird von der Partei [[Die Linke]] <ref>{{Internetquelle | url=http://www.die-linke.de/index.php?id=4307 | titel=Elterngeld | hrsg=Die Linke | datum=2009-00-00 | zugriff=2012-11-15}}</ref>, der [[Ökologisch-Demokratische Partei|Ökologisch-Demokratischen Partei]] <ref>http://www.ödp.de/aktuelles/aktionen/gerechtes-elterngeld/ Stellungnahme der ÖDP zum Elterngeld </ref>, der [[Familien-Partei Deutschlands|Familienpartei]]<ref>[http://www.familien-partei-deutschlands.de/cms/media/downloads/FAMILIE_Elterngeld_2007.pdf Familienpartei: Stellungnahme zum Elterngeld]</ref> und aus Teilen der CDU, wie etwa dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg [[Erwin Teufel]]<ref>[http://www.faz.net/artikel/C30923/erwin-teufel-ich-schweige-nicht-laenger-30476693.html Erwin Teufel zum Elterngeld]</ref>, kritisiert. Doppelverdienerpaare und zuvor berufstätige Alleinerziehende würden in erheblichem Umfang gefördert, Einverdienerfamilien sowie geringverdienende und arbeitslose Eltern, junge, noch in Ausbildung befindliche Eltern und Mehr-Kinder-Eltern dagegen schlechter gestellt.<br />
<br />
Aus wissenschaftlich-juristischer Sicht wurde die ungleiche Höhe des Elterngeldes bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes von [[Christian Seiler (Jurist)|Christian Seiler]] kritisiert<ref>[http://www.elterngeld.net/quellen/Elterngeld-Stellungnahme7.pdf Stellungnahme von Prof. Dr. Christian Seiler zum Elterngeld vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Seite 6] (PDF; 160&nbsp;kB)</ref>. Die Einverdienerfamilie werde diskriminiert. Im Lichte der Wertentscheidung des Art. 6 GG müsse dem Staat jedes Kind gleichermaßen willkommen sein, so dass als Unterscheidungsmerkmal lediglich die elterliche Erziehungsleistung, nicht aber das vorgeburtliche Einkommen in Betracht komme, zumal das Elterngeld, anders als sonstige Entgeltersatzleistungen, kein Äquivalent einer größeren früheren Beitragsleistung sei.<ref>[http://www.elterngeld.net/quellen/Elterngeld-Stellungnahme7.pdf Stellungnahme von Prof. Dr. Christian Seiler zum Elterngeld vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Seite 4f] (PDF; 160&nbsp;kB)</ref><br />
<br />
In einem von der [[ÖDP]] in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 BEEG kommt [[Thorsten Kingreen]] zum Schluss, das Elterngeld transportiere das einseitige Leitbild einer erwerbsarbeitsorientierten Erziehung, damit ein ethisches Leitbild über das „richtige“ und „gute“ Ehe- und Familienleben. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Das Elterngeld werde als steuerfinanzierte Sozialleistung nicht durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt, da es eine Entgeltersatzleistung sei, die ohne jegliche Vorleistung seitens der Berechtigten Personen mit einem vor der Geburt des Kindes höheren Einkommen besserstelle als solche mit einem niedrigen oder gar keinem Einkommen, obwohl gerade dieser Personenkreis tendenziell bedürftiger sei.<ref>[http://www.ödp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/programm/programme/RechtsgutachtenElterngeldklage.pdf Prof. Dr. iur. Thorsten Kingreen, Zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 2 und 4 Bundeselterngeldgesetz (BEEG), Rechtsgutachten im Auftrag der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP)]</ref> Das Elterngeld sei als einzige, nicht-kausale steuerfinanzierte Entgeltersatzleistung ein Fremdkörper im deutschen Sozialrecht.<ref>[http://www.ödp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/programm/programme/RechtsgutachtenElterngeldklage.pdf Prof. Dr. iur. Thorsten Kingreen, Zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 2 und 4 Bundeselterngeldgesetz (BEEG), Rechtsgutachten im Auftrag der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), S.66]</ref> Die Beziehung zum vorgeburtlichen Einkommen führe zu einer mit der Kinderzahl steigenden Benachteiligung von Mehr-Kinder-Familien. Der Gutachter beurteilt § 2 BEEG als unvereinbar mit Art 3 Abs. 1 und Art 6 Abs. 1 des Grundgesetzes.<br />
<br />
Das Anknüpfen des Elterngelds an das in dem Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes bezogene Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts verfassungsgemäß<ref>Bundessozialgericht, Urteile vom 17. Februar 2011, B 10 EG 17/09 R, B 10 EG 20/09 R und B 10 EG 21/09 R </ref>. Das Bundesverfassungsgericht<ref>{{internetquelle|url=http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110606_1bvr271209.html |titel= Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2712/09 Beschluss vom 6. Juni 2011 |zugriff=2011-07-26}}</ref> hat im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses {{§|2|beeg|juris}} Abs. 7 Satz 5 BEEG (in der bis zum 18. September 2012 geltenden Fassung<ref>Siehe §2 im [http://www.buzer.de/gesetz/7484/al35071-0.htm Unterschied zwischen den bis vor und nach dem 18. September 2012 geltenden Fassungen] bei buzer.de</ref>), demzufolge Eltern, die über die Bezugszeit des Elterngeldes hinaus Elternzeit wahrnehmen, für ein weiteres Kind unter Umständen ein geringeres Elterngeld erhalten als Eltern, die nach der Bezugszeit des Elterngeldes für das vorherige Kind ein Einkommen erzielt haben, für verfassungsgemäß erachtet. Der Gesetzgeber überschreite seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er dem Elterngeld eine einkommensersetzende Funktion gebe.<ref>a.a.O., Randnummer 8</ref> Mit dem derart ausgestalteten Elterngeld verstoße der Staat auch nicht gegen seine Pflicht, jegliche von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen, wie sie ihr familiäres Leben gestalteten, anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen. Mit der Einrichtung von Elterngeld und Elternzeit fördere der Staat die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern bereits in beachtlichem Umfang.<ref>a.a.O., Randnummer 9</ref><br />
Auch die Einkommensbezogenheit des Elterngeldes nach § 2 Abs. 1 BEEG ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz vereinbar<ref>[http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20111109_1bvr185311.htmlBundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. November 2011, 1 BvR 1853/11]</ref>. Die mit der einkommensbezogenen Differenzierung der Höhe des Elterngelds einhergehende Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Schwerpunktmäßig fördere das Elterngeld Erziehende mit kleinen und mittleren Einkommen, wie sie meist am Beginn der Berufstätigkeit erwirtschaftet würden. Angesichts dieser gesetzlichen Zielsetzung sei hinnehmbar, dass Unterschiede bei der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstünden, zumal auch Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht gänzlich ohne Förderung blieben.<br />
<br />
Die Kammer begründet ihren Beschluss damit, dass Art. 3, Abs. 2 GG den Gesetzgeber verpflichte, „die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden“ (Rn 18) und die „partnerschaftliche Teilhabe“ beider Eltern an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben zu stärken (Rn 19). Johannes Resch vertritt die Auffassung, dass die Kammer die Begriffe „Gleichberechtigung der Geschlechter“ und „partnerschaftliche Teilhabe“ umdefiniert zu einer politisch vorgegebenen „Gleichstellung im Erwerbsleben“, die eine partnerschaftliche, d. h. einvernehmliche, Lösung nach den Wünschen der Eltern in vielen Fällen gerade verhindere.<ref>{{internetquelle|url=http://familienarbeit-heute.de/?p=3378 |titel=Johannes Resch, „Grundgesetz auf dem Abstellgleis“, Familienarbeit heute, 1/2013, S. 1| zugriff=2013-05-26|format=PDF; 26&nbsp;kB}}</ref> Der Auftrag des GG werde so in unzulässiger Weise zu einem staatlichen Bevormundungsrecht gegenüber den Eltern umgedeutet. <br />
<br />
Dieser Kammerbeschluss widerspricht nach Auffassung des [[ÖDP]]-Politikers Johannes Resch grundlegenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes<ref>{{internetquelle|url=http://www.oedp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/aktuelles/aktionen/K.-Beschluss_ausfuehrl._Kommentar.pdf |titel="Nichtannahmebeschluss" der 2. Kammer des 1.Senats des Bundesverfassungsgerichts mit einer auf die entscheidenden Absätze bezogenen Kommentierung: von Dr. Johannes Resch| zugriff=2012-08-24|format=PDF; 112&nbsp;kB}}</ref>.<br />
<br />
=== Qualitative Bevölkerungspolitik ===<br />
Laut [[Christoph Butterwegge]] solle das Elterngeld „vornehmlich gut verdienende, hoch qualifizierte Frauen dazu motivieren […], mehr Kinder zu bekommen und anschließend möglichst schnell wieder in den Beruf zurückzukehren“.<ref name="butterwegge">Christoph Butterwegge, Michael Klundt, Matthias Zeng: ''Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland''. ''2., erweiterte und aktualisierte Auflage''. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, ISBN 978-3-531-15915-7, [http://books.google.de/books?id=-lBwv7aXNfIC&pg=PA100 S. 99–100]</ref> Für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Studenten und gering Verdienende ergaben sich durch die Umwandlung des [[Erziehungsgeld]]s in das Elterngeld auch bei Beibehaltung eines anrechnungsfreien Sockelbetrags von 300 € deutliche finanzielle Nachteile.<ref name="butterwegge"/><br />
<br />
Es spreche sowohl die Diskussion vor der gesetzlichen Verankerung des Elterngeldes als auch die Begründung sowohl im Referentenentwurf als auch in der gemeinsamen Koalitionserklärung dafür, dass mit dem Elterngeld eine „qualitative [[Bevölkerungspolitik]]“ gemacht werden solle. Dies kritisiere er, da in Deutschland keine Armut an sondern bei Kindern bestehe. So heißt es im Referentenentwurf: „Besonders auffällig ist, dass in Deutschland insgesamt 39 Prozent der 35- bis 39-jährigen Akademikerinnen ohne Kinder im Haushalt leben.“<ref>Christoph Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaates, S. 323</ref> Das DIW Berlin stellte hingegen in einer Studie fest: „Etwa ''ein Viertel'' der Männer wie der Frauen in der oberen Einkommensklasse bleibt dauerhaft kinderlos.“ [Herv. nicht im Original].<ref>{{internetquelle|url= http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/kinderlose-maenner-in-deutschland,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf |titel= Studie des DIW Berlin |hrsg=DIW |zugriff=2011-07-01}}</ref><br />
<br />
=== Kombinierte Entgeltersatz- und Sozialleistung ===<br />
Der Sozialrichter [[Jürgen Borchert (Jurist)|Jürgen Borchert]] hält das Elterngeld für nicht ausreichend und mit 12 Monaten zu kurz bemessen im Vergleich zu dem, wie viel die deutsche Gesellschaft für die über 55-jährigen leiste. Die Regelung mit zwei Drittel des letzten Einkommens für das Elterngeld sei dem Arbeitslosengeld nachgebildet. Im Vergleich mit der [[Vorruhestand]]sregelung und [[Altersteilzeit]]regelung bei über 55-jährigen, die auf halbe Arbeitszeit gesetzt werden bei 70 bis 80 Prozent ihres letzten Nettoentgelts, sei klar, mit welchen unterschiedlichen Maßstäben in Deutschland gemessen werde, je nachdem, ob es um Ältere oder um Kinder geht.<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/450431/ Familien sind die Sparschweine und Melkkühe der Nation]</ref><br />
<br />
Kritisiert wurde die besondere Konstruktion des Elterngeldes, das keine reine [[Entgeltersatzleistung]] ist, sondern zu etwa einem Drittel als [[Sozialleistung]] gezahlt wird (Mindestelterngeld, Aufstockung für Geringverdiener, Geschwisterbonus). Die Vermischung von Sozialleistungen und familienpolitischen Zielen führe zu systematischen Brüchen. Dies spiegeln auch die unterschiedlichen Berechnungsarten des Elterngeldes wider. So würden Kinder bei Empfängerinnen und Empfängern von Arbeitslosengeld II bereits im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit 60 % des Regelsatzes bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und in Höhe von 80 % des Regelsatzes bis zur Volljährigkeit berücksichtigt. Eine gezielte Förderung gering verdienender Familien mit Kindern erfolgt bereits über den unbefristeten [[Kinderzuschlag]]. Lohnersatzfunktion oder soziale Aspekte könnten die Gewährung von Mindestelterngeld nicht rechtfertigen.<ref>[http://www.fdp-fraktion.de/webcom/show_libargs_neu.php/_c-540/_nr-69/bis-/i.html FDP-Bundestagsfraktion:Elterngeld – „Gut gemeint“ ist oft das Gegenteil von „gut“]</ref> Von anderer Seite wurde das Mindestelterngeld als zu gering bezeichnet.<ref name="dip21-2008-11-10">{{internetquelle|url=http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/108/1610830.pdf|titel=Entschließungsantrag|werk=Drucksache 16/10830|datum=10. November 2008|zugriff=25. Januar 2009|format=PDF; 73&nbsp;kB}}</ref><ref name="ngg">{{internetquelle|url=http://www.ngg.net/meldung_meinung/presse/presse_2008/2008_10_29_elterngeld/|titel=Rosenberger: Elterngeld ist richtiges Instrument, aber noch korrekturbedürftig|hrsg=NGG.net|datum=30. Oktober 2008|zugriff=29. März 2009}}</ref><br />
<br />
Der Bundesrechnungshof kritisierte vor dem Inkrafttreten ebenfalls die Ungleichbehandlung, die durch die Vermischung von Sozialleistungen und Entgeltersatzleistungen entstünden, insbesondere dass Empfänger von [[Arbeitslosengeld (Deutschland)|Arbeitslosengeld I]] zusätzlich 300 € Mindestelterngeld erhalten.<ref name="bundesrechnungshof">''[http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Bundesrechnungshof-kritisiert-Elterngeld_aid_362520.html Unnötige Mehrausgaben. Bundesrechnungshof kritisiert Elterngeld]''. In: [[Rheinische Post|RP Online]]. Stand: 19. September 2006. Abgerufen am 21. Februar 2011.</ref><br />
<br />
Auf Kritik traf zudem die Nichtberücksichtigung von vor der Elternzeit bezogenem [[Kurzarbeitergeld]] bei der Berechnung der Höhe des Elterngelds<ref>{{internetquelle|url=http://www.singen.igm.de/news/meldung.html?id=29177|titel=Kurzarbeit: Auswirkungen auf das Elterngeld|hrsg=IG Metall|datum=28. Januar 2009|zugriff=18. Mai 2009}}; siehe auch verlinkte PDF-Datei ''[http://www.singen.igm.de/downloads/artikel/attachments/ARTID_29177_bs3Pa3?name=Kurzarbeit.pdf Kurzarbeit und Auswirkungen auf das Elterngeld] (PDF; 75&nbsp;kB)'', 21. Januar 2009.</ref> sowie Einzelheiten der [[Großelternzeit]].<ref name="dip21-2008-11-10" /><br />
<br />
=== Partnermonate, Anrechnung von Einkommen und Flexibilität ===<br />
Der Versuch, durch die beiden Partnermonate die familieninterne Aufgabenverteilung staatlich zu beeinflussen, galt nach Auffassung einiger Kritiker<ref name="bundesrechnungshof" /> als verfassungsrechtlich problematisch, eine Verfassungsklage wurde diesbezüglich jedoch nicht eingereicht. Kritiker sahen insbesondere den Artikel 6 Absatz 2 des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] verletzt, der die Pflege und Erziehung der Kinder als das „natürliche Recht der Eltern“ garantiere. Außerdem schütze Art. 6 Abs. 1 GG die Entscheidung von Eheleuten über die Arbeitsteilung während der [[Ehe]], frei von staatlicher Beeinflussung. Beiden Argumenten wurde entgegengehalten, dass Artikel 3 Abs. 2 GG den Staat verpflichtet, Maßnahmen zur tatsächlichen Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu treffen; diese Ansicht stimmt mit der europäischen [[Richtlinie 96/34/EG|Elternzeitrichtlinie 96/34/EG]] überein, die von Nichtübertragbarkeit ausgeht.<br />
<br />
Unsystematisch ist auch die Ausnahme für [[Alleinerziehende]]. Arbeiten sie nicht oder nur geringfügig, erhalten sie das Elterngeld für die vollen 14 Monate. Die Regelung die „Partnermonate“ für sich in Anspruch zu nehmen sei großzügiger, als es zur Erfüllung des Gesetzeszweckes nötig ist. Alleinerziehende, die für ihren Lebensunterhalt mehr als 30 Stunden arbeiten oder aufgrund ihrer Selbstständigkeit arbeiten müssen, sind vom Elterngeld dagegen ausgeschlossen. Vielen Selbständigen, die über ein unregelmäßiges und relativ geringes Einkommen verfügen, die in der Phase der Existenzgründung sind oder im Betrieb des Ehepartners mitarbeiten, steht nur das Mindestelterngeld zu.<ref>{{internetquelle|autor=Marianne Hürten|url=http://www.barbara-steffens.de/Vom%20ErziehungsgeldzElterngeldFassungII.pdf|titel=Vom Erziehungsgeld zum Elterngeld – frauenpolitischer Fortschritt oder Umverteilung von Unten nach Oben?|datum=April 2007|zugriff=25. Januar 2009|format=PDF}} [http://www.barbara-steffens.de/Vom%20ErziehungsgeldzElterngeldFassungII.pdf#page=29 S. 29]<!-- nur eine Abschlussarbeit, ggf. durch anerkannteren Beleg ersetzen--></ref> In einem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion von November 2008, der sich auf den Sechsten Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum [[Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau|CEDAW]]-Übereinkommen bezieht, wurde bezüglich des Elterngelds gefordert, „die beim Elterngeld enthaltene Diskriminierung von [[Selbständigkeit (beruflich)|Selbständigen]] abzubauen“.<ref>{{internetquelle|url=http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/084/1608416.pdf|titel=Entschließungsantrag|werk=Drucksache 16/8416|datum=10. November 2008|zugriff=25. Januar 2009|format=[[PDF]]; 77&nbsp;kB}} [http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/084/1608416.pdf#page=3 S. 3]</ref> So kritisierte die FDP-Politikerin [[Ina Lenke]], dass das Elterngeld sinke, wenn während der Elternzeit Zahlungen für vor der Elternzeit ausgestellte Rechnungen eingingen,<ref>{{internetquelle|url=http://www.liberale-frauen-nds.de/presse.html|titel=Abschnitt „Ina Lenke, MdB: Bericht zum Elterngeld nur nüchterne Zahlen statt ehrlicher Analyse“|werk=Rubrik „Presse“|hrsg=Liberale Frauen, Landesvereinigung Niedersachsen|datum=12. November 2008|zugriff=25. Januar 2009}}</ref> und wegen der für [[Freier Beruf (Deutschland)|Freiberufler]] mit hohem Aufwand verbundenen Nachweispflichten bei Antragstellung würden „viele beruflich erfolgreiche Mütter und Väter von vornherein darauf verzichten“.<ref>{{internetquelle|url=http://www.fdp-bundespartei.de/webcom/show_article.php?wc_c=1111&wc_id=67&wc_p=1|titel=Lenke: Selbständige und Freiberufler bei Elterngeld benachteiligt|hrsg=FDP Bundespartei|datum=16. April 2008|zugriff=25. Januar 2009}}</ref> 2011 entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, dass das an Selbständige nachgezahlte Arbeitseinkommen nicht das Elterngeld mindert;<ref>LSG Nordrhein-Westfalen, Az.: L 13 EG 16/10, Urteil vom 12. April 2011, zitiert nach: {{internetquelle|url=http://www.kostenlose-urteile.de/newsview.php?newsID=11511|titel=LSG Nordrhein-Westfalen: Nachgezahltes Arbeitseinkommen mindert nicht das Elterngeld von Selbständigen|hrsg=http://www.kostenlose-urteile.de/|zugriff=12. Mai 2012}}</ref> das Bundessozialgericht urteilte mittlerweile, dass Zuflüsse während des Bezugszeitraums auf das Elterngeld anzurechnen sind.<ref>BSG, Az.: B 10 EG 10/11 R, Urteil vom 5. April 2012, zitiert nach {{internetquelle|url=http://www.anwalt24.de/rund-ums-recht/BSG__05_04_2012__B_10_EG_10_11_R-d5002198.html|titel=BSG, 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R - Anspruch auf Elterngeld - Einkommensermittlung bei selbstständig Erwerbstätigen - Geltung des steuerrechtlichen Zuflussprinzips|hrsg=http://www.anwalt24.de/|zugriff=6. Februar 2013}}</ref><br />
<br />
Das [[Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut|Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut]] kritisierte, dass diejenigen Eltern stark benachteiligt würden, die sich in den Monaten nach der Geburt die Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen wollten und dafür gleichzeitig ihre Arbeitszeit reduzierten. Wenn Mutter und Vater beide gleichzeitig halbtags arbeiten, hätten sie nicht vierzehn, sondern nur sieben Monate Anspruch auf Elterngeld. Dadurch würden sie, wenn beispielsweise jeder ein gleich hohes Einkommen beziehe, insgesamt nur halb so viel Elterngeld erhalten wie ein Paar, in dem Mutter und Vater abwechselnd in Elternzeit gehen.<ref>{{internetquelle|url=http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2006_13_2.pdf|titel=Elterngeld: Entwurf mit Macken|werk=[http://www.boeckler.de/21509_21515.htm Böckler Impuls 13/2006]|datum=2006|zugriff=10. Juni 2008|format=PDF; 95&nbsp;kB}}</ref> Auch der Verein Zukunftsforum Familie e.&nbsp;V. kritisierte, dass Eltern in diesem Fall massiv benachteiligt würden.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.presseportal.de/pm/60410/1119844/zukunftsforum_familie_e_v/ | titel=Großelternzeit für die Vielfalt von Familien | datum=2008-01-18 | archiv-url=https://web.archive.org/web/20080415113010/http://www.presseportal.de/pm/60410/1119844/zukunftsforum_familie_e_v/ | archiv-datum=2008-04-15 | zugriff=2015-09-24}}</ref> Der [[Deutscher Juristinnenbund|deutsche Juristinnenbund]] (djb) brachte 2006 Änderungsvorschläge zum Gesetzesentwurf ein<ref>{{internetquelle|url=http://www.djb.de/Kom/K4/St-06-16-Elterngeld-BT/|titel=Stellungnahme zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD zur Einführung eines Elterngeldes Bundestags – Drucksache 16/1889|datum=20. Juni 2006|zugriff=23. Januar 2013}}</ref> und schlug 2008 eine Neuformulierung vor, die eine gleichzeitige teilzeitige Inanspruchnahme durch beide Eltern ohne finanziellen Nachteil ermöglichen soll.<ref>{{internetquelle|url=http://www.djb.de/Kom/K4/pm08-17/|titel=Elterngeld ist für Eltern bei Teilzeitarbeit unattraktiv|hrsg=Deutscher Juristinnenbund|datum=14. November 2008|zugriff=23. Januar 2013}}</ref> Entsprechende Klagen vor den Sozialgerichten, die sich auf diese Argumentation stützten, wurden jedoch ausnahmslos abgewiesen.<ref>{{internetquelle|url=http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=137035 |titel=Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 EG 5604/09 Urteil vom 14. Dezember 2010 | zugriff=2011-02-03}}</ref><ref>{{internetquelle|url=http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=137034 |titel=Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 EL 5603/09 Urteil vom 14. Dezember 2010 | zugriff=2011-02-03}}</ref><ref>{{internetquelle|url=http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=137029 |titel=Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 EG 3952/10 Urteil vom 14. Dezember 2010 | zugriff=2011-02-03}}</ref> Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führte dazu im Wesentlichen aus: ''Wenn der Gesetzgeber mit dem Elterngeld ein Instrument schaffe, mit dem finanzielle Anreize zur vorübergehenden Aufgabe der Tätigkeit zugunsten der Kindererziehung gesetzt worden seien, erscheine es sachgerecht, diesen Anreiz zu reduzieren, wenn die berufliche Tätigkeit nicht vollständig zugunsten der Erziehung aufgegeben werde. Das Gesetz sei durch die Einkommensabhängigkeit des Elterngeldanspruchs gerade nicht darauf ausgerichtet, in jeder denkbaren Konstellation gleiche finanzielle Verhältnisse zu schaffen. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, einen solchen Zustand herzustellen. Deshalb überzeuge die Argumentation des djb nicht. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, für jede beliebige und denkbare Konstellation der Inanspruchnahme von Elterngeld die gleichen finanziellen Leistungen vorzusehen.''<br />
<br />
Auch eine fehlende zeitliche Flexibilität des Elterngeldes stieß auf Kritik, da eine Regelung fehle, die erlaube, einen Teil des Anspruchs auf einen späteren Zeitpunkt zu übertragen.<ref>{{internetquelle|autor=Silke Bothfeld|url=http://www.zff-online.de/fileadmin/user_upload/themen/soziale_sicherung/femina-politica-2006-2-Blothfeld-S-102-107.pdf|titel=Das Elterngeld – Einige Anmerkungen zum Unbehagen mit der Neuregelung|werk=femina politica 2/2006, S.&102–107|zugriff=17. Juni 2008|format=PDF}} [http://www.zff-online.de/fileadmin/user_upload/themen/soziale_sicherung/femina-politica-2006-2-Blothfeld-S-102-107.pdf#page=3 S.&nbsp;104].</ref> Zur Flexibilisierung wurde die Einführung eines flexibel handhabbaren Elterngeldkontos<!--im selben Dokument teils Elterngeldkonto, teils Elternzeitkonto genannt--> gefordert.<ref name="dip21-2008-11-10"/> Zur Abfederung unberechenbaren Bedarfs sei es naheliegend, vorsorglich ein [[Zeitkonto|Kontingent von Freistellungstagen]] vorzusehen, das Eltern nutzen könnten, wenn für Kinder oder gebrechliche Eltern ein unvorhergesehener Pflegebedarf entstehe, ähnlich wie das in Schweden hierfür vorgesehene Zeitkontingent von 60 Tagen.<ref>{{internetquelle|autor=[[Günther Schmid]]|url=http://library.fes.de/pdf-files/wiso/05295.pdf|titel=Von der Arbeitslosen- zur Beschäftigungsversicherung. Wege zu einer neuen Balance individueller Verantwortung und Solidarität durch eine lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik|hrsg=Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung|datum=April 2008|zugriff=7. November 2009|format=PDF; 449&nbsp;kB|kommentar=ISBN 978-3-89892-878-6}}</ref><br />
Im ''Elterngeldbericht'' der Bundesregierung vom Oktober 2008 wurde das Elterngeld als äußerst flexibel bezeichnet; eine weitere Flexibilisierung erscheine „nicht sachgerecht“.<ref>{{internetquelle|url=http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/elterngeldbericht-2008,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf|titel=Elterngeldbericht. Bericht über die Auswirkungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung|hrsg=BMFSFJ|datum=Oktober 2008|zugriff=3. April 2009|format=PDF; 1,3&nbsp;MB}} [http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/elterngeldbericht-2008,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf#page=53 Abschnitt 7.7.: Flexibilisierung der Inanspruchnahme, S. 52]</ref> Im April 2009 kündigte aber Familienministerin [[Ursula von der Leyen]] eine Flexibilisierung an, nach der ein Elterngeldbezug im Fall reduzierter Arbeit auf mehr Monate als bisher verteilt werden könne.<ref>{{internetquelle|url=http://www.zeit.de/online/2009/18/elterngeld-verlaengerung-vonderleyen|titel=Familienministerin plant Teilzeit-Elterngeld|hrsg=Zeit-Online|datum=24. April 2009|zugriff=25. April 2009}}</ref><ref>{{internetquelle|url=http://archiv.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2009/04/2009-04-24-von-der-leyen-bild.html|titel=Längere Elternzeit für Teilzeitbeschäftigte|hrsg=Bundesregierung|datum=24. April 2009|zugriff=25. April 2009}}</ref><br />
<br />
Im [[Koalitionsvertrag des Kabinetts Merkel II|Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP]] legte die Koalition im Oktober 2009 fest: „Wir wollen eine Weiterentwicklung, Flexibilität und Entbürokratisierung des Elterngeldes, gerade auch in Hinblick auf die Einkommensermittlung. Die Partnermonate sollen gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Wir werden dafür sorgen, dass die gleichzeitige Teilzeit bei gleichzeitiger Elternzeit nicht zu einem doppelten Anspruchsverbrauch führt. Die Lebenssituation von Selbständigen wollen wir stärker berücksichtigen.“<ref>{{Webarchiv | url=http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf | wayback=20091122072758 | text=„Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, endgültige Version vom 26. Oktober 2009. (PDF; 643&nbsp;kB)}}</ref><br />
<br />
=== Flexibilisierung und Partnerbonus durch ''Elterngeld Plus'' ===<br />
Eltern von ab dem 1. Juli 2015 geborenen Kindern haben einen Anspruch auf '''Elterngeld Plus''', einer Flexibilisierung des Elterngeldbezugs. Das ''Elterngeld Plus'' kann bei gleichzeitiger Teilzeitarbeit „doppelt so lang und halb so hoch wie das Vollelterngeld“ bezogen werden.<ref>{{internetquelle|url=http://www.tagesschau.de/inland/elterngeld-plus100.html|titel=Was ist das Plus am ElterngeldPlus?|hrsg=tagesschau.de|datum=2013-11-18|zugriff=2014-01-10}}</ref><br />
<br />
Zudem wird ein '''Partnerschaftsbonus''' „z.B. in Höhe von 10 % des Elterngeldes“ gezahlt, wenn die Eltern parallel zum Elterngeldbezug beide 25 bis 30 Stunden in der Woche arbeiten.<ref name="koalitionsvertrag-18"/> Es handelt sich dabei um vier aufeinanderfolgende, zusätzliche Elterngeldmonate für Eltern, die gleichzeitig mit 25 bis 30 Wochenstunden erwerbstätig sind.<ref name="spiegel-2014-03-21">{{internetquelle|url=http://www.spiegel.de/politik/deutschland/elterngeld-plus-schwesig-praesentiert-spd-plaene-a-960079.html|titel=Schwesigs Pläne: Elterngeld soll für Teilzeitkräfte 28 Monate gelten|hrsg=Spiegel online|datum=2014-03-21|zugriff=2014-03-29}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=http://www.elterngeld.net/download/ElterngeldPlus.pdf|titel=Auf dem Weg zur Familienarbeitszeit …|werk=Übersicht des BMFSFJ geplanten Elterngeld Plus|datum=2014|zugriff=2014-05-04|format=PDF; 1,62&nbsp;kB}} Verlinkt von: [http://www.elterngeld.net/aktuelles.html Elterngeld - Was gibt es Neues?], elterngeld.net</ref><br />
<br />
Bereits im [[Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode des Bundestages|Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode]] hatten CDU/CSU und SPD im November 2013 festgelegt, ein ''Elterngeld plus'' zu schaffen. Damit sollte Eltern „für die Dauer von bis zu 28 Monaten die bestmögliche Inanspruchnahme des Elterngeldes in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeittätigkeit“<ref name="koalitionsvertrag-18">Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode des Bundestages, verfügbar [http://www.cdu.de/koalitionsvertrag?wa=IPGLB14 bei www.cdu.de] und [http://www.spd.de/aktuelles/112760/20131127_koalitionsvertrag_uebersicht.html?wa=IPGLB14 bei www.spd.de]</ref> ermöglicht werden. Der Partnerschaftsbonus ähnelt dem Gleichstellungsbonus (''jämstelldhetsbonus'') des [[Elterngeld und Elternzeit in Schweden|schwedischen Elterngelds]].<br />
<br />
=== Stichtagsregelung ===<br />
Weitere Angriffsfläche für Kritik lieferte die am Geburtstag orientierte Stichtagsregelung, mit der das Elterngeld an die Stelle des Erziehungsgeldes getreten ist. Für Geburten bis zum 31. Dezember 2006 wurde Erziehungsgeld gezahlt, für Geburten ab 1. Januar 2007 wurde Elterngeld gezahlt. Für Geringverdiener bedeutet die bis 2006 geltende Gesetzeslage mehr Geld, für besser verdienende Eltern bedeutet die ab 2007 geltende Gesetzeslage mehr Geld. Eine Klage vor dem Bundessozialgericht (BSG, Az. B 10 EG 3/07, 4/07 und 5/07) scheiterte; das [[Bundesverfassungsgericht]] entschied im April 2011, dass die Stichtagsregelung für den Bezug von Elterngeld nicht verfassungswidrig ist.<ref>Beschlüsse vom 20. April 2011, Aktenzeichen: 1 BvR 1811/08 und 1 BvR 1897/08</ref><br />
<br />
Durch diese Stichtagsregelung, die damals bereits bekannt war, standen Eltern mit Geburtstermin um den Jahreswechsel vor der Frage, ob sie die Geburt mit künstlichen [[Wehenhemmer]]n hinauszögern.<ref>{{cite web | url=http://www.mz-web.de/politik/sozialpolitik-geburt-verschieben-fuer-elterngeld-,20642162,18909176.html | title=Sozialpolitik: Geburt verschieben für Elterngeld? | accessdate=2013-09-10 | last=Barthélémy | first=Andrea | authorlink= | coauthors= | date=2006-12-28 | format= | work= | publisher=[[Mitteldeutsche Zeitung]] | pages= | language= | quote= }}</ref><br />
<br />
=== Bearbeitungsdauer ===<br />
Es finden sich Pressemeldungen und vereinzelte Beschwerden von Antragstellern in Internetforen, es verzögere sich die Bearbeitung ordnungsgemäßer und vollständiger Anträge in manchen Bundesländern um Monate. Nach dem Überwinden von ersten Anlaufschwierigkeiten<ref>Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/5858, Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP vom 29. Juni 2007</ref> geht die Bundesregierung von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von vier bis sechs Wochen aus (Stand: 12/2007).<br />
<br />
=== Effektivität ===<br />
In der öffentlichen Debatte wird auch über die mangelnde Effektivität des Elterngeldes gesprochen. So weisen Kritiker darauf hin, dass eines der erklärten Ziele, namentlich die Steigerung der Geburtenrate, (zumindest bislang) verfehlt würde. Die aufgewendeten Mittel von ca. 4,5 Milliarden Euro pro Jahr stünden in einem Missverhältnis zum erreichten Nutzen des Elterngeldes. Es komme zu einem „[[Mitnahmeeffekt]]“, bei dem das Elterngeld für ein Verhalten in Anspruch genommen werde, das auch ohne den zusätzlichen Anreiz stattgefunden hätte. Nach Informationen der FAZ sank die Zahl der Geburten seit Einführung des Elterngeldes von ca. 685.000 im Jahr 2007 auf ca. 665.000 im Jahr 2009.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/familienpolitik-elterngeld-zeugt-keine-kinder-1574407.html FAZ: Elterngeld zeugt keine Kinder, abgerufen am 19. Dezember 2010]</ref><br />
<br />
Befürworter des Elterngeldes entgegnen darauf, dass eine abschließende Bewertung der Effektivität dieser Maßnahme zu einem so frühen Zeitpunkt noch nicht möglich sei. Im Jahr 2006 hat eine Studie des [[Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung|Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung]] prognostiziert, dass die Erwerbsbeteiligung von Müttern im zweiten Lebensjahr des Kindes im Vergleich zur Zeit vor der Einführung des Elterngeldes steigen wird. Ferner werde das Elterngeld die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung deutlich verbessern.<ref>C. Katharina Spieß, Katharina Wrohlich, ''Elterngeld: kürzere Erwerbspausen von Müttern erwartet'' in Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ''Wochenbericht des DIW Berlin 48 / 2006'', S. 689–693. [http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_02.c.232774.de Online] </ref><br />
<br />
Diese öffentliche Diskussion wird vor dem Hintergrund geführt, dass im Entwurf zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz als eines der Ziele des Elterngeldes formuliert wurde, den Menschen mehr Mut zu mehr Kindern zu machen und einen Beitrag zur Sicherung ihrer Zukunft zu leisten.<ref>Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 20. Juni 2006, [http://www.elterngeld.net/quellen/Elterngeld-Gesetzentwurf1.pdf Bundestags-Drucksache 16/1889] (PDF; 630&nbsp;kB), Seite 2</ref> Moderne Familienpolitik habe auf die Tatsache zu reagieren, dass Männer und Frauen sich immer später und seltener für Kinder entschieden. Es wurde hervorgehoben, dass Deutschland eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt habe und dass besonders auffällig sei, dass in Deutschland insgesamt 39 Prozent der 35- bis 39-jährigen Akademikerinnen ohne Kinder im Haushalt lebten.<ref> [http://www.elterngeld.net/quellen/Elterngeld-Gesetzentwurf1.pdf Bundestags-Drucksache 16/1889] (PDF; 630&nbsp;kB), Seite 15</ref> <br />
<br />
2010 musste das Elterngeld wegen der unerwartet starken Nachfrage um 140 Millionen Euro aufgestockt werden. Diese Nachfrage resultiere aus der Geburtenrate die höher als prognostiziert war, mehr Vätern die das Elterngeld nutzten (2009 23 %, 2008 21 %) und dem generell gestiegenen Einkommen. 2009 kamen rund 665.000 Babys zur Welt, das Statistische Bundesamt hatte mit maximal 660.000 gerechnet.<ref> [http://www.taz.de/!63180/ taz, ''Zu wenig Elterngeld eingeplant'', 21. Dezember 2010] </ref><br />
<br />
=== Elternzeit vs. Elterngeld ===<br />
Während die Anknüpfung an Lebensmonate für das [[Bundeserziehungsgeldgesetz]] (BErzGG) auch bei einer rückwirkenden Beantragung problemlos möglich ist, kann die Beantragung für Lebensmonate beim BEEG ein Problem darstellen. So kann Elterngeld "vom Tag der Geburt" (§ 4 Abs. 1 BEEG) an beantragt werden, Elternzeit muss "spätestens sieben Wochen vor Beginn" (§ 16 Abs. 1 BEEG) schriftlich beim Arbeitgeber beantragt werden, dabei muss erklärt werden, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden wird. Der Zusatz "Bei dringenden Gründen ist ausnahmsweise eine angemessene kürzere Frist möglich." soll diese Ungereimtheit auflösen, birgt aber durch die Interpretation des Begriffes "dringend" Konfliktpotential für das Verhältnis zwischen Elternteil und Arbeitgeber.<br />
<br />
Faktisch ist es also nicht möglich, Elternzeit korrekt innerhalb der ersten sieben Wochen zu beantragen. Zudem ist eine Ausrichtung der Elternzeit nach Lebensmonaten für das Arbeitsverhältnis oft nicht zweckmäßig. Diese Ausrichtung ist für die Elternzeit nicht verpflichtend, führt dann aber zu Einbußen bei der Höhe des Elterngeldes. Die Gerichte interpretieren regelmäßig ein "Lebensmonatsprinzip" welches es allerdings in der Konsequenz nur beim BErzGG gab (vgl. B 10 EG 20/11 R<ref>{{internetquelle|url=http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&sid=a4cd3d8312662b5837298d4147d1a00b&nr=12754&pos=0&anz=1 |titel=Bundessozialgericht B 10 EG 20/11 R Urteil vom 29.08.2012 | zugriff=2014-02-14}}</ref>).<br />
<br />
Im Jahr 2014 (Stand Juni) nahmen 96 % der Mütter und fast jeder dritte Vater für ihre 2012 geborenen Kinder Elternzeit.<ref>https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/06/PD14_226_22922.html</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Demografie]]<br />
* [[Bundeserziehungsgeldgesetz]] Regelungen bis zum 31. Dezember 2006<br />
* [[Elternzeit]]<br />
* [[Mutterschutz]]<br />
* [[Mutterschutzgesetz]]<br />
* [[Mutterschaftsgeld]]<br />
* [[Vereinbarkeit von Familie und Beruf]]<br />
* [[Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einzelnen Staaten|Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur<br />
| Autor = Inge Böttcher<br />
| Titel = Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Basiskommentar<br />
| Verlag = Bund-Verlag<br />
| Ort = Frankfurt am Main<br />
| Jahr = 2009<br />
| Auflage = 3., neu bearbeitete<br />
| ISBN = 978-3-7663-3951-5<br />
}}<br />
* {{Literatur<br />
| Autor = Jost Ebener<br />
| Titel = Rechte für Mütter und Väter. Ratgeber zu Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit<br />
| Verlag = Bund-Verlag<br />
| Ort = Frankfurt am Main<br />
| Jahr = 2007<br />
| Auflage = 4., neu bearbeitete<br />
| ISBN = 978-3-7663-3796-2<br />
}}<br />
* Christine Fuchsloch; Kirsten Scheiwe: ''Leitfaden Elterngeld'', 1. Aufl. 2007, ISBN 978-3-406-56201-3.<br />
* Ulla Niemann: ''Ist Elterngeld verfassungswidrig? Kreuznacher Mutter klagt vor Sozialgericht gegen Ungleichbehandlung''. Rhein Main Presse/Rhein-Nahe, S. 4, Bad Kreuznach / Mainz 5. Februar 2008.<br />
* Anne Lenze: ''Die Streichung des Elterngeldes für GrundsicherungsempfängerInnen – ein gleichheitsrechtliches Desaster!'', [[Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht]] (info also) 01/2011, 3 ([http://www.info-also.nomos.de/fileadmin/infoalso/doc/Aufsatz_infoalso_11_01.pdf PDF])<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://bundesrecht.juris.de/beeg/ Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit] bei juris.de<br />
* [http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/BMFSFJ_Richtlinie_BEEG.pdf Richtlinien zum BEEG] (PDF; 659&nbsp;kB), BMFSFJ/204, 18. Dezember 2006<br />
* [http://www.bmfsfj.de/Elterngeldrechner/ Elterngeldrechner des Familienministeriums]<br />
* [http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/themen-lotse,did=89168.html Bundesfamilienministerium zum Elterngeld]<br />
* [http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Elterngeld-ElterngeldPlus-und-Elternzeit,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf Broschüre des Familienministeriums zum Elterngeld (PDF; 5,6&nbsp;MB)]<br />
* [http://www.berliner-arbeitslosenzentrum.de/archiv/2006-12-27elterngeld.htm Auch Arbeitslose haben Anspruch]<br />
* [http://www.krankenkassen.de/static/common/files/view/3393/Beitragsbemessung_Endfassung_2008_10_27_3258.pdf Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung des GKV-Spitzenverbands (PDF)] (191 kB)<br />
* [http://www.gulp.de/kb/lwo/steuverord/elterngeld-selbststaendige.html Elterngeld für Selbstständige: Wer bekommt es, wie wird es berechnet?]<br />
<br />
{{Rechtshinweis}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=7565558-5}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Sozialrecht in Deutschland}}<br />
<br />
[[Kategorie:Sozialrecht (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Familienpolitik]]<br />
[[Kategorie:Sozialleistung (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Elternschaft]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Retrospektive&diff=152056949Retrospektive2016-03-01T08:31:18Z<p>Linuxfreck: Toten Link zu Scrum#Sprint_Retrospektive korrigiert.</p>
<hr />
<div>{{Weiterleitungshinweis|Rückblick|Siehe auch: [[Rückblick (Begriffsklärung)]].}}<br />
'''Retrospektive''' ([[Latein|lat.]] ''{{lang|la|retrospectare}}'' „zurückblicken“) bezeichnet im Allgemeinen einen Rückblick. Der [[Antonym|gegenteilige Begriff]] wäre eine ''Anterospektive''.<br />
<br />
In der [[Bildende Kunst|bildenden Kunst]] ist die Retrospektive eine Kunstausstellung, die einen Überblick über eine oder mehrere Schaffensphasen, einen spezifischen Aspekt (z.B. eine ''[[Zeichnung (Kunst)|Zeichnungs]]-Retrospektive'') oder das [[Gesamtwerk]] eines [[Künstler]]s vermittelt. Anstatt nur die jüngsten Arbeiten zu zeigen, stellt die Retrospektive einen Kontext zu weiter zurückliegenden Werken her. Mitunter gibt sie auch Anlass zu einer kritischen Neubewertung. <br />
<br />
Im Bereich des [[Film]]s versteht man darunter eine möglichst umfassende Filmreihe zum Werk eines [[Filmregisseur]]s, [[Filmschauspieler]]s, anderen Filmschaffenden, zu der Filmkunst einer bestimmten [[Ära|Epoche]] oder eines bestimmten [[Genre]]s. Retrospektiven sind oft Teil eines [[Filmfestival]]s (so gibt es auf der [[Internationale Filmfestspiele Berlin|Berlinale]] jedes Jahr eine Retrospektive). Auch in vielen [[Kommunales Kino|Kommunalen Kinos]] sind Retrospektiven Bestandteil des Programms.<br /><br />
<br />
[[Catherine David]], die künstlerische Leiterin der [[documenta X]] (1997) verwendete den Begriff der ''Retro''per''spektive'' als Beschreibung ihrer Herangehensweise. Im Zusammenhang mit dem Leitmotiv „Blick zurück nach vorn“ war damit gemeint, die Ausstellung in Bezug zu den vergangenen documenta-Ausstellungen zu setzen und sie gleichzeitig in deren „Tradition der Innovation“ zu stellen.<ref>documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH: ''dX 1997'', o.D. online unter http://www.documenta12.de/d100.html?&L=0</ref><br />
<br />
== Siehe auch == <br />
<br />
*[[Retrowelle]]<br />
*[[Retrodigitalisierung|Retrospektive Digitalisierung]] <br />
*[[Retrospektive Studie]]<br />
*[[Scrum#Sprint_Retrospektive|Retrospektive in Scrum]]<br />
<br />
== Einzelnachweise und Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<br />
<br />
[[Kategorie:Kunstausstellung|!Retrospektive]]<br />
[[Kategorie:Veranstaltung (Film)]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=European_Train_Control_System&diff=151548046European Train Control System2016-02-15T21:02:56Z<p>Linuxfreck: /* ETCS Level 2 */fehlendes Leerzeichen ergänzt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Balizok az Őrségi vasúton2.jpg|mini|Eine ETCS-[[Eurobalise]] zwischen den beiden Schienen eines Gleises]]<br />
Das '''European Train Control System''' ('''ETCS'''; deutsch ''Europäisches Zugsicherungssystem'') ist eine Komponente eines einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems, das unter dem Buchstabenkürzel [[ERTMS]] entwickelt wurde. Die andere technische ERTMS-Komponente, [[GSM-R]], wird unter ETCS für den Datenfunk benutzt. ETCS soll langfristig die über 20 verschiedenen [[Zugsicherungssystem]]e in der EU ablösen.<br />
<br />
ETCS bezieht sich nur auf jene Zugsicherungsfunktionen, die für die Interoperabilität notwendig sind. Nach sogenannten ''Leveln'' abgestufte Anforderungen an die Schnittstellen, Funktionen und Leistungsfähigkeit sind verbindlich für die Ausrüstung der Züge, damit sie auf den [[Transeuropäische Netze|transeuropäischen Netzen]]<ref name="2013/1315/EU">{{EU-Verordnung|2013|1315|format=PDF}} des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU (120 MB).</ref> ohne Einschränkungen oder lange Grenzaufenthalte verkehren können, während die Streckenausrüstung unter nationaler Aufsicht so zu gestalten ist, dass ein sicherer Betrieb mit entsprechend ausgestatteten Zügen gewährleistet werden kann.<ref>ERA: [http://www.era.europa.eu/Document-Register/Documents/ERTMS-TSI-Guide-Annex01-CCS-TSI.pdf ''Guide for the application of the TSI for the Subsystems Control-Command and Signalling Track-side and On-board''] (PDF) Version 2.0, 12. Juni 2013.</ref><br />
<br />
Seit 2002 ist für ''neue'' transeuropäische [[Schnellfahrstrecke|Hochgeschwindigkeitsstrecken]] in der EU die Unterstützung von ETCS durch [[europäisches Recht]] vorgeschrieben,<ref name="2002/731" /> seit 2006 auch für zu erneuernde oder aufzurüstende Strecken, einschließlich konventioneller Strecken.<ref name="2006/679" /><ref name="2007/153" /><ref name="etr-57-660">{{Literatur | Autor= Ariane Boehmer, Ralf Schweinsberg | Titel= Der nationale Umsetzungsplan zur Einführung von ERTMS/ETCS | Sammelwerk=[[Eisenbahntechnische Rundschau]] | Band= | Nummer= 10 | Jahr= 2008 | Seiten= 660–664 | ISSN=0013-2845 }}</ref><br />
<br />
Nach mehrjähriger Erprobung wird ETCS seit 2006 im kommerziellen Betrieb auf den [[Schnellfahrstrecke Rom–Neapel|Hochgeschwindigkeitsstrecken Rom–Neapel]] und [[Schnellfahrstrecke Turin–Mailand|Mailand–Turin]] sowie seit Frühjahr 2007 bei den schweizerischen Bahnunternehmen [[Schweizerische Bundesbahnen|SBB]] und [[BLS AG]] eingesetzt. Weitere Strecken sind europaweit im Aufbau bzw. in Planung, wobei die eingesetzten Versionen von ETCS sowie die jeweilige Anpassung an die nationalen Betriebsregeln nicht einheitlich oder austauschbar sind.<br />
<br />
== Unternehmerische Zielsetzung ==<br />
ETCS soll die verschiedenen innerhalb Europas eingesetzten [[Zugsicherungssystem]]e und Zugleitsysteme ablösen und so<br />
* die Investitionskosten bei international verkehrenden Fahrzeugen senken,<br />
* Zeit bei grenzüberschreitenden Fahrten sparen,<br />
* die Zulassung von Fahrzeugen für den internationalen Verkehr vereinfachen (Expansionsmöglichkeit für Hersteller, größere Auswahl für Betreiber).<br />
<br />
Im Vergleich zu einigen derzeit im Einsatz befindlichen Systemen soll es ferner<br />
* Kosten für [[Instandhaltung]] und Betrieb ortsfester Anlagen (z.&nbsp;B. Signalen) minimieren,<br />
* Schienenverkehr sicherer machen,<br />
* die [[Streckenkapazität]] und<br />
* die Streckengeschwindigkeit steigern.<br />
<br />
Für Staaten, die noch nicht große Erfahrung mit Zugsicherungssystemen haben, bedeutet der Einstieg mit ETCS eine höhere Planungssicherheit, ein funktionierendes System zu erhalten.<br />
<br />
=== Technische Ziele ===<br />
Ursprünglich mit Fokus auf die [[Interoperabilität im Schienenverkehr|Interoperabilität]] der europäischen Hochgeschwindigkeitsstreckennetze entwickelt, ist das ETCS seit 2004 auch als zukünftiges einheitliches Zugsicherungssystem für den konventionellen Verkehr, also hauptsächlich den grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr, bestimmt worden.<br />
<br />
Um einen sicheren und reibungslosen Zugverkehr zu gewährleisten, sind [[Zugsicherungssystem]]e notwendig. Diese können gleisbegleitend linienförmig oder punktförmig konfiguriert sein. Anders als herkömmliche Signalsysteme sollen sie eine vollautomatische Signalübertragung ermöglichen. Neue Systeme sollen zudem bidirektional Signale übertragen können. Das war mit den Systemen der 1960er Jahre ([[Linienzugbeeinflussung]]) nicht zu erreichen. Das ist mit den moderneren regionalen Funksystemen ([[GSM-R]]) der 1980er Jahre ebenfalls nicht mit hinreichender Signalverfügbarkeit zu gewährleisten. Zudem sind die bisherigen gleisbegleitenden linienförmigen Systeme nicht sonderlich robust gegen Vandalismus.<br />
<br />
Für das Fahren mit hohen Geschwindigkeiten sind linienförmige (im Gegensatz zu punktförmigen) Zugleitsysteme notwendig, also Systeme, die unabhängig von [[Eisenbahnsignal|Signalen]] Informationen an den [[Triebfahrzeugführer]] übermitteln können. In Europa haben sich 14 Ausführungen von Zugsicherungs- und Leitsystemen entwickelt, die teilweise nebeneinander und länderabhängig eingesetzt werden und untereinander nicht kompatibel sind. Im grenzüberschreitenden Verkehr müssen daher [[Schienenfahrzeug|Triebfahrzeuge]] häufig mit mehreren Zugsicherungssystemen ausgerüstet sein. Andernfalls muss ein Wechsel des Triebfahrzeuges vorgenommen werden, der zeit- und kostenaufwendig ist.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Ende der 1980er Jahre waren verschiedene europäische Bahnen dabei, bestehende nationale Zugsicherungssysteme zu verbessern, neue zu spezifizieren oder einzubauen. Eine länderübergreifende Koordination erfolgte damals noch nicht.<ref name="sd-98-4-3">{{Literatur | Autor= Henri Werdel | Titel= ETCS Level 1 im Einsatz | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 4 | Jahr= 2006 | Seiten= 3 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Aus Bestrebungen zur Verkürzung der Grenzaufenthaltszeiten sowie zur Senkung der Kosten durch Schaffung eines europaweiten Marktes für Zugsicherungssysteme entwickelte sich bis Anfang der 1990er Jahre das Konzept eines einheitlichen Zugsicherungssystems. Am 4. und 5. Dezember 1989 traf sich eine Arbeitsgruppe mit den Verkehrsministern der EG-Staaten und entwarf einen Leitplan für ein transeuropäisches Hochgeschwindigkeitsnetz, die erstmals den Begriff eines Europäischen Zugsicherungssystems ETCS erwähnte. Die Kommission übermittelte den Entwurf dem Rat, der am 17. Dezember 1990 den Vorschlag begrüßte und mit Richtlinie 91/440/EWG vom 29. Juli 1991 die Erstellung eines Anforderungskatalogs für die Interoperabilität im Hochgeschwindigkeitsverkehr beschloss.<ref name="interop" /> Bereits im Juni 1991 war in Bern ein ''Memorandum of Understanding'' unterzeichnet worden, in dem Bahnen und Industrie ihre Absicht erklären, ETCS als neues Zugsteuerungs- und Zugsicherungssystem zu spezifizieren und zu entwickeln.<ref name="bundesbahn-68-753">{{Literatur | Autor= Florian Kollmannsberger | Titel= ETCS – eine mögliche Nachfolgetechnik für die LZB? | Sammelwerk=[[Die Bundesbahn]] | ISSN=0007-5876| Band= 67 | Nummer= 7 | Jahr= 1992 | Seiten= 753–755 }}</ref> 1995 wurde ein Entwicklungsplan erstellt,<ref name="nielson">Warren Kaiser, Stein Nielsen: ''The Core of ATP – Data Engineering''. IRSE Technical Meeting "All about ATP", Sydney, 14. März 2008 ([https://irse.org.au/knowledge/technical-paper-abstracts/doc_download/54-the-core-of-atp-data-engineering+The+Core+of+ATP+-+Data+Engineering PDF-Datei])</ref> der erstmals den Begriff eines Europäischen Eisenbahnleitsystems ERTMS erwähnt.<br />
<br />
Durchgesetzt werden sollte die Marktöffnung über das [[Vergaberecht (Europäische Union)|Vergaberecht]], das für öffentliche Aufträge in bestimmten Bereichen unter anderem die Anwendung europäischer Spezifikationen vorschrieb, sogenannter TSIs ([[Technische Spezifikationen für die Interoperabilität]]).<ref>''[[EG-Richtlinie|Richtlinie]] 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor.'' Zitiert in 96/48/EG.</ref> Auf dieser Grundlage sah 1996 die [[EG-Richtlinie]] 96/48/EG<ref name="interop">[http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1996L0048:20040430:DE:PDF ''Konsolidierte Richtlinie 96/48/EG zur Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems''.]</ref> die Entwicklung von TSIs für Teilsysteme vor, deren Interoperabilität für ein transeuropäisches Hochgeschwindigkeitsbahnsystem nötig ist. Die TSI für die Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung (TSI ZZS, engl. CCS) bezieht sich auf das Zugsicherungssystem ETCS und das mobilfunkbasierte Kommunikationssystem [[GSM-R]] ''(Global System for Mobile communication – Railways)''. Der [[Union Internationale des Chemins de fer|Internationale Eisenbahnverband]] ('''UIC''', ''Union internationale des chemins de fer'') hatte durch das [[European Rail Research Institute]] (ERRI) ab 1991<ref name="sd-95-1-15">{{Literatur | Autor= Olaf Mense | Titel= European Train Control System – Von der UNISIG-Spezifikation zur Pilotanwendung | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 1+2 | Jahr= 2003 | Seiten= 15–18 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> die ersten [[Spezifikation]]en für ETCS erarbeiten lassen. Diese wurden ab 1996<ref name="sd-95-1-15" /> zunächst federführend durch die [[ERTMS Users Group]], eine Interessenvereinigung von inzwischen sechs europäischen Bahnen, anschließend durch [[UNISIG]], einen Zusammenschluss europäischer Bahnsicherungstechnikhersteller, weiterentwickelt.<br />
<br />
Die Schweiz hat die EU-Richtlinien zur Interoperabilität übernommen.<ref>Die Bundesversammlung: [http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20134188 13.4188 – Interpellation] ''Mögliche Auswirkungen des transeuropäischen Verkehrsnetzes auf die verkehrsmässige Anbindung der Schweiz'' vom 12. Dezember 2013 und Antwort des Bundesrates vom 12. Februar 2014.</ref><br />
<br />
Seit 1999 wurde ETCS unter anderem bei der [[Ferrovie dello Stato#Rete Ferroviaria Italia (RFI)|italienischen Eisenbahn]] (RFI), der [[Deutsche Bahn AG|Deutschen Bahn AG]] (DB AG), den [[Schweizerische Bundesbahnen|Schweizerischen Bundesbahnen]] (SBB) und den [[Österreichische Bundesbahnen|Österreichischen Bundesbahnen]] (ÖBB) getestet. Bis Anfang 2000 wurden mehrere hundert Millionen Euro in ETCS und ERTMS investiert.<ref name="eri-2000-218">Jaime Tamarit, Peter Winter: ''Die Erprobung von ETCS-Komponenten verschiedener Hersteller auf der EMSET-Testanlage in Spanien''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 5/2000, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;218–224.</ref><br />
<br />
In der Nacht zum 27. April 2002 in der Schweiz die erste kommerzielle Anwendung von ETCS Level 2 [[#Pilotstrecke Schweiz|in Betrieb]].<br />
<br />
Am 17. März 2005 unterzeichnete der Verband der Europäischen Eisenbahnindustrien (UNIFE), die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturgesellschaften CER, EIM und UIC zusammen mit der EU-Kommission eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) über den Einsatz von ERTMS/ETCS im europäischen Netz.<ref name="sd-97-7-6">{{Literatur | Autor= Roland Berger, Paco Cabeza-López, Patrick Clipperton, Nicolas Erb, David Gillan, Ralf Kaminsky, Jacques Poré | Titel= Hin zu einem koordinierten Einsatz ERTMS/ETCS im Europäischen Netz | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 7+8| Jahr= 2005 | Seiten= 6–10 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Darauf aufbauend wurde im März 2006 die ETCS-Ausrüstung von sechs Güterverkehrskorridoren (A bis F) genauer betrachtet.<ref name="sd-98-12-40" /><br />
<br />
2006 waren mehr als 3000 Fahrzeuge mit ETCS ausgerüstet.<ref name="sd-97-7-6" /> Mehr als 6000 Streckenkilometer waren mit ETCS in Betrieb oder deren Ausrüstung vertraglich vereinbart.<ref name="sd-98-12-40" /><br />
<br />
Derzeit (Stand: Januar 2012) sind mit ETCS L1 oder L2 ausgestattete Strecken unter anderem in Belgien, Italien, Luxemburg, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden, Spanien, Ungarn und der Slowakei in kommerziellem Betrieb.<br />
<br />
Seit 1. Januar 2012 neu beauftragte bzw. seit 1. Januar 2015 neu in Betrieb genommene Eisenbahnfahrzeuge müssen nach TSI&nbsp;ZZS über ETCS verfügen. Ausgenommen sind Fahrzeuge für den rein innerstaatlichen Verkehr sowie dem grenzüberschreitenden Regionalverkehr. Daneben müssen Hochgeschwindigkeitszüge im Rahmen von Neuaus- bzw. Umrüstungen der Zugsicherungstechnik mit ETCS ausgerüstet werden.<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
<br />
Nach einem Vorschlag der EU sollen alle Grenzübergänge bis 2020, der Korridor A bis 2022 sowie die übrigen TEN-Korridore bis 2030 umgerüstet werden.<ref name="eri-2016-76">{{Literatur | Titel= Auch Deutschland mit ETCS Level 2 | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer=2 | Jahr=2016 | Seiten= 76–78 | ISSN= 1421-2811}}</ref><br />
<br />
== Funktion ==<br />
[[Datei:Siemens Eurobalise.jpg|mini|150px|Eurobalise auf deutscher Bahnstrecke]]<br />
<div class="tright" style="clear:none;">[[Datei:ETCS-Antenne.jpg|mini|ohne|Die ETCS-Antenne einer Lokomotive der [[Siemens ES64F4|Baureihe&nbsp;189]]]]</div><br />
[[Datei:Etcs471042 01.jpg|mini|ETCS-Fahrzeugrechner (European Vital Computer) auf einem Triebzug der [[ČD-Baureihe 471]]]]<br />
[[Datei:Führerstand ICE 1 ETCS.jpg|mini|Führerstand mit Driver Machine Interface (mittig) eines [[ICE 1]] mit ETCS-Ausrüstung]]<br />
<br />
ETCS übernimmt mehrere Funktionen. Es überwacht<br />
* die örtliche Höchstgeschwindigkeit,<br />
* die Höchstgeschwindigkeit des Zuges,<br />
* die korrekte Fahrtstrecke des Zuges,<br />
* die Fahrtrichtung,<br />
* die Eignung des Zuges für die Strecke und<br />
* die Einhaltung besonderer Betriebsvorschriften<br />
<br />
{{Anker|RBC}}<br />
Diese Informationen werden durch die Bausteine des ETCS verarbeitet: streckenseitig die im Gleis verlegten Eurobalisen oder Euroloops bei ETCS Level&nbsp;1 sowie bei ETCS Level&nbsp;2 und 3 die mit dem [[Stellwerk]] verbundene ETCS-Streckenzentrale (RBC, Radio Block Centre), fahrzeugseitig die ETCS-Onboard Unit (OBU), die die empfangenen Daten auswertet, dem [[Triebfahrzeugführer]] anzeigt und den Zug im Gefahrenfall automatisch vor einem Gefahrenpunkt zum Halten bringt.<br />
<br />
Das RBC generiert die Movement Authority unter Berücksichtigung dynamischer und statischer Informationen. Während die dynamischen Daten (Lage- und Zustandsmeldungen von Signalen und Weichen) vom Stellwerk übermittelt werden, werden die statischen Streckeneigenschaften in einem ''Streckenatlas'' projektiert. Dazu zählen beispielsweise Weichen, Signale, Balisen, Neigungen und Geschwindigkeiten.<ref name="sd-97-6-14" /><br />
<br />
* Die ''[[Eurobalise]]n'' sind punktuelle [[Datenübertragungssystem|Datenübertragungseinrichtungen]] im Gleis, die beim Überfahren durch den Zug wie ein [[Transponder]] Daten übertragen. Es gibt Balisen, die immer dieselben festen Daten übertragen, und schaltbare Balisen für veränderliche Informationen.<br />
* ''[[Euroloop]]'' ist ein kabelbasiertes semikontinuierliches [[Datenübertragungssystem]], das Fahrzeugen im ETCS Level&nbsp;1 Änderungen des Signalbegriffs übertragen kann. Dafür wird im Signalsichtbereich (oft in Kombination mit einer Balise) ein Kabelleiter in einer oft mehrere 100&nbsp;m langen Schleife ins Gleisbett gelegt. Im Unterschied zur Eurobalise können die Daten nicht nur beim Überfahren eines Punktes übertragen werden, sondern auf der gesamten Länge der Loop.<br />
* Die ''ETCS-Fahrzeugeinrichtung'' besteht im Wesentlichen aus ETCS-Rechner (EVC, European Vital Computer), Führerstandsanzeige (DMI, Driver Machine Interface), Wegmesseinrichtung, GSM-R-Übertragungseinrichtung (einschließlich [[Euroradio]]), Balisenleser und Bremszugriff.<br />
* Mit der standardisierten [[Datenverschlüsselung]] nach ''Euroradio'' können der ETCS-Fahrzeugrechner und die ETCS-Streckenzentrale über [[GSM-R]] sicher, das heißt vor Datenverfälschung und Datenverlust geschützt, miteinander kommunizieren.<br />
* Funktionen, Bedienoberflächen und Systemarchitektur der ''Radio Block Centres'' (RBC) sind nicht vereinheitlicht und unterliegen einer Vielzahl von nationalen Besonderheiten. So wurde die Bedienung bei manchen Bahnen vollständig in vorhandene Stellwerksoberflächen integriert, während andere vollständige getrennte Bedienoberflächen verwenden und bestimmte RBC-Informationen (z.&nbsp;B. Position und Geschwindigkeit von Zügen) ausblenden. Das RBC wird bei der Deutschen Bahn als ''ETCS-Streckenzentrale'' (ETCS-Z) bezeichnet.<ref name="ei-2016-01-38" /><br />
<br />
=== ETCS-Level ===<br />
Um den Ansprüchen verschiedener Strecken, Nutzungsprofile und Eisenbahnverwaltungen gerecht zu werden, wurden unterschiedliche Stufen des ETCS definiert, die ''ETCS Level&nbsp;0'' bis ''3''. Triebfahrzeugseitig sind die einzelnen Stufen [[abwärtskompatibel]], das heißt Triebfahrzeuge mit Level-2-Ausrüstung sollten auch Strecken befahren können, die nach Level&nbsp;1 ausgerüstet sind (die Betriebszulassung setzt entsprechende Nachweise voraus). Für die Strecke gilt das nicht – keiner der Level ersetzt einen der anderen Level.<br />
<br />
Technik und grundlegende Betriebsverfahren von ETCS sind normiert. Bei der streckenseitigen Ausrüstung und bei der Bedienung durch die Fahrdienstleiter gibt es dagegen eine Vielzahl länderspezifische Lösungen und Besonderheiten.<ref name="ei-2016-01-38">{{Literatur | Autor= Jörg Demnitz, Steffen Wolter, István Hrivnák | Titel= RBC-Bedienoberflächen im internationalen Vergleich | Sammelwerk=[[Der Eisenbahningenieur]] | Band=65 | Nummer= 1 | ISSN=0013-2810 | Jahr=2016 | Seiten=38–41 }}</ref><br />
<br />
[[Datei:Etcsstopmarker.jpg|mini|ETCS Stop Marker (an Stelle eines Licht-[[Hauptsignal]]s) auf der [[Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle]], die im Dezember 2015 in Betrieb gegangen ist]]<br />
[[Datei:LZB-Blockkennzeichen.jpg|mini|Blockkennzeichen in Deutschland]]<br />
In den ETCS-Leveln 1 bis 3 orten sich die Fahrzeuge mit Eurobalisen und erhalten Fahrterlaubnisse ({{lang|en|''Movement Authority''}}, MA). Unterschiede bestehen in den Orten und der Art der Fahrterlaubnis-Übertragung. In den ETCS-Leveln 1 und 2 können darüber hinaus ortsfeste (Licht-)Signale verwendet werden; an ihre Stelle treten Blockkennzeichen und ETCS-Stop-Marker.<br />
<br />
==== ETCS Level 0 ====<br />
{{Anker|Level 0}}<br />
Wird ein Triebfahrzeug mit ETCS-Ausrüstung auf einer Strecke ohne Zugsicherung eingesetzt, so bezeichnet man dieses als Level&nbsp;0. Die fahrzeugseitige Ausrüstung überwacht den Zug lediglich auf seine Höchstgeschwindigkeit. Der Triebfahrzeugführer fährt nach den herkömmlichen Signalen an der Strecke.<br />
<br />
Derzeit muss bei einigen Fahrzeugen auch Level&nbsp;0 gewählt werden, wenn die Strecke mit einem Zugsicherungssystem ausgerüstet ist, das Fahrzeuggerät dieses konventionellen Systems jedoch nicht mit ETCS verbunden ist, also nicht als STM zur Verfügung steht. In diesem Fall sind bestimmte Einschränkungen und Besonderheiten zu beachten.<br />
<br />
==== ETCS Level STM oder NTC ====<br />
<br />
In der Baseline 2 wird dieser Level als Level STM ''({{lang|en|Specific Transmission Module}})'' bezeichnet, in der Baseline 3 als Level NTC ''({{lang|en|National Train Control}})''.<br />
<br />
Um ein Triebfahrzeug mit ETCS-Ausrüstung auch auf einer Strecke mit herkömmlichem nationalen Zugsicherungssystem („Class B-System“ wie z.&nbsp;B. [[Linienzugbeeinflussung|LZB]] oder [[Automatische treinbeïnvloeding|ATB]]) einsetzen zu können, sind sogenannte ''Specific Transmission Modules'' erforderlich. Genau genommen gibt es verschiedene Level&nbsp;NTC, nämlich einen für jedes installierte STM. Unter diesen kann der Triebfahrzeugführer gegebenenfalls auswählen. Streckenseitig ist ein STM an die vorhandene Hardware angepasst, zur ETCS-Onboard Unit (OBU) ist ein standardisiertes Interface definiert. Die STMs übernehmen den Empfang und einen mehr oder weniger großen Teil der Verarbeitung der von der nationalen Streckenausrüstung übertragenen Informationen. Je nachdem, ob die OBU Überwachungsfunktion ausübt oder das STM, befindet sich die OBU im Modus „STM European“ (SE) oder „STM National“ (SN), siehe [[#Überblick ETCS-Modi|unten]].<br />
<br />
Da die Entwicklung eines STMs je nach Komplexität sehr teuer und zeitaufwändig ist, existieren derzeit nur für sehr wenige herkömmliche Zugsicherungssysteme echte STMs. Vielmehr ist man oft bestrebt, bereits vorhandene und zugelassene eigenständige Systeme mit möglichst geringen Änderungen an ein ETCS anzukoppeln und dabei die Vorteile des ETCS (beispielsweise vom ETCS automatisch ausgelöste und überwachte Umschaltungen bei streckenseitigen Level-Wechseln) bei kleinem Zulassungsaufwand zu nutzen.<br />
<br />
==== ETCS Level 1 ====<br />
[[Datei:ETCS L1 de.svg|mini|350px|Funktionsweise ETCS Level&nbsp;1 (Variante mit Lichtsignalen)]]<br />
<br />
ETCS Level&nbsp;1 zeichnet sich durch eine [[Diskontinuität|diskontinuierliche]] Kommunikation von der Strecke zum Fahrzeug aus. Optische Signale können verwendet oder auch auf sie verzichtet werden. Die Übertragung von ETCS-Informationen kann an den Standorten von [[Vorsignal|Vor-]] und [[Hauptsignal]]en erfolgen. Auch eine [[Kontinuität|quasi-kontinuierliche]] Datenübertragung durch Balisen und/oder [[Euroloop]], mit Führerstandssignalisierung und Verzicht auf optische Außensignale ist denkbar. Daneben sind alle Zwischenstufen umsetzbar.<ref name="sd-99-3-6" /> Auch die ''abschnittsweise'' Nutzung von GSM-R ist in Level 1 möglich ({{lang|en|''Radio-Infill''}}, wird aber bislang noch nicht genutzt (Stand: Anfang 2015).<br />
<br />
Die wichtigsten von den Balisen übermittelten Informationen sind Streckengradienten, Streckenhöchstgeschwindigkeiten und der Punkt, an dem das Fahrzeug wieder stehen soll. Zusammen mit dem Modus bilden diese die {{lang|en|''Movement Authority''}} (MA), übersetzt etwa „Berechtigung zur Bewegung“. Damit kann die fahrzeugseitige ETCS-Ausrüstung kontinuierlich die Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit (und Richtung) überwachen und rechtzeitig eine Zwangsbremsung auslösen, unabhängig von national definierten Streckengeometrien und Signalabständen.<br />
<br />
==== ETCS Level 2 ====<br />
[[Datei:ETCS L2 w RBC de.svg|mini|350px|Funktionsweise ETCS Level&nbsp;2 (Variante ohne Lichtsignale)]]<br />
<br />
ETCS Level&nbsp;2 zeichnet sich durch eine ''ständige'' Kommunikation zwischen Fahrzeug und Streckenzentrale ({{lang|en|''Radio Block Centre''}}, RBC) via Euroradio aus. Auf Lichtsignale an der Strecke kann verzichtet werden.<br />
<br />
Bevor vom RBC die für eine MA notwendigen Informationen berechnet werden können, muss dieses wissen, wo genau sich der Zug befindet und in welche Richtung er fährt. Die Ermittlung von Position und Richtung obliegt dabei dem Fahrzeugrechner, dieser übermittelt diese regelmäßig über GSM-R an die Strecke. Falls die Strecke nicht auch für Level 1 tauglich ist, sind diese Balisen typischerweise nicht verkabelt, senden also statische Nachrichten. Zwischen diesen Referenzpunkten wird die Position [[Odometrie|odometrisch]] (z.&nbsp;B. mittels [[Radar#Einsatzgebiete|Dopplerradar]], [[Wegimpulsgeber|Radimpulsgebern]] oder [[Beschleunigungssensor]]en) ermittelt.<br />
<br />
Die Information über freie Gleisabschnitte wird wie in ETCS Level&nbsp;1 über die ortsfeste [[Gleisfreimeldung]] vom Stellwerk ermittelt und an die Streckenzentrale übergeben: Die Strecke ist – wie bei konventioneller Sicherungstechnik – in Abschnitte („Blöcke“) geteilt, und der Zug darf in den nächsten Abschnitt nur einfahren, wenn dieser nicht von einem anderen Zug belegt, sondern als ‚frei‘ gemeldet ist.<br />
<br />
==== ETCS Level 3 ====<br />
[[Datei:ETCS L3 w RBC de.svg|mini|350px|Funktionsweise ETCS Level&nbsp;3]]<br />
<br />
Bei ETCS Level&nbsp;3 wird auf eine klassische, ortsfeste [[Gleisfreimeldeanlage|Gleisfreimeldung]] (mit [[Gleisfreimeldeanlage#Gleisstromkreis|Gleisstromkreisen]] oder [[Achszähler]]n) verzichtet. Deren Sicherheitsfunktion gegen abgetrennte und unerkannt auf der Strecke verbleibende Zugteile wird von einem zu entwickelnden System zur [[Zugvollständigkeitskontrolle]] übernommen.<br />
<br />
Damit entfällt die Einteilung der Strecke in Blockabschnitte, sodass die Streckenzentrale, in der Stellwerk und RBC integriert sind, fließend die Abstände der Züge kontrollieren kann, bis hin zum ''Fahren im relativen Bremswegabstand''. Dieses ermöglicht eine höhere Auslastung viel befahrener Hauptstrecken.<br />
<br />
Die Entwicklung von ETCS Level 3 war um 2004 zeitweise eingestellt, um den Fokus zunächst auf die Level 1 und 2 zu legen und damit Betriebserfahrungen zu gewinnen.<ref name="sd-96-10-6">{{Literatur | Autor= François Lacôte, Jacques Poré | Titel= ERTMS/ETCS wird Realität | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer=6 | Jahr= 2004 | Seiten= 6–12 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Der Hersteller Bombardier, die [[Union internationale des chemins de fer|UIC]] und die schwedische [[Trafikverket]] entwickelten ein Level-3-System unter dem Namen [[ERTMS Regional]] für schwach befahrene Strecken, denn die Verlagerung der Funktionalität von der Strecke zu den Zügen kann für Neubaustrecken, die von einer festen Flotte von Zügen befahren werden sollen, zu einer kostengünstigeren Realisierung führen. Ein weiteres in Kasachstan ist in Entwicklung.<br />
<br />
=== ETCS-Modi ===<br />
Neben den ETCS Levels sind auch ETCS-Modi definiert worden. Die Modi beschreiben die Zustände, in denen sich der EVC befinden kann. Allerdings ist nicht jeder Modus auch in jedem Level erlaubt. UN gibt es beispielsweise nur in Level&nbsp;0. SN und SE gibt es nur in Level&nbsp;STM. Für die eigentlichen ETCS Levels&nbsp;1, 2 und 3 sind die wichtigsten Modi sicher SR, OS, FS, TR und PT.<br />
<br />
==== Überblick ETCS-Modi ====<br />
{{Anker|Modi}}<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Abkürzung und DMI-Symbol || (voller) Name || width="100"| Verwendung<br /> in Level || Beschreibung<br />
|-<br />
| FS<br />[[Datei:ERTMSmodeFS 01.svg]]<br />
| ''Full Supervision''<br />
| 1, 2, 3<br />
| Zug wird voll vom ETCS überwacht. Voraussetzung für diesen Modus ist, dass eine MA von der Strecke gegeben wurde. Dies kann bei Beginn der Fahrt frühestens nach der Überfahrt der ersten Eurobalise erfolgen, da der Strecke hierfür u. A. die Position des Fahrzeugs bekannt sein muss. Im Gegensatz zu Mode LS ist dem ETCS in FS der Zustand aller Signale bekannt.<br />
|- style="background:#DADADA;"<br />
| LS<br />[[Datei:ERTMSmodeLS.svg]]<br />
| ''Limited Supervision''<br />
| 1, 2, 3<br />
| Zug wird teilweise vom ETCS überwacht. Da dem ETCS aber nicht der Zustand aller Signale auf der Strecke bekannt ist, wie etwa bei FS, ist der Triebfahrzeugführer weiterhin verpflichtet auch auf die streckenseitige Signalisierung zu achten.<br />
''Dieser Modus ist neu in der Version SRS 3.0.0''<br />
|-<br />
| OS<br />[[Datei:ERTMSmodeOS.svg]]<br />
| ''On Sight''<br />
| 1, 2, 3<br />
| Zug wird vom ETCS überwacht, aber der Triebfahrzeugführer fährt auf Sicht. Dies geschieht z.&nbsp;B. bei der Fahrt in ein besetztes Gleis, wenn das Freisein des ''eigenen'' Gleisabschnitts nicht sichergestellt werden kann.<br />
|-<br />
| SR<br />[[Datei:ERTMSmodeSR.svg]]<br />
| ''Staff Responsible''<br />
| 1, 2, 3<br />
| der Triebfahrzeugführer ist selbst für die Sicherung des Zuges verantwortlich, in den meisten Ländern sind dabei 30&nbsp;km/h erlaubt, was immer noch vom ETCS überwacht wird. Dieser Modus wird eingenommen, wenn keine MA von der Strecke gegeben werden kann, z.&nbsp;B. bei Störungen der Gleisfreimeldung oder beim Starten des ETCS-Onboard-Systems.<br />
|-<br />
| SH<br />[[Datei:ERTMSmodeSH.svg]]<br />
| ''Shunting''<br />
| 0, 1, 2, 3<br />
| Modus zum Rangieren; der vorübergehend oder dauerhaft (mittels Grenzbalisen) erlaubte Rangierbereich kann vom ETCS vorgegeben werden; beim Wechsel in Level 2/SH werden bis zu 15 Balisenkennungen, die ohne Eingriff der Zugbeeinflussung überfahren werden können, übermittelt und die RBC-Verbindung beendet; ein Rangierziel wird dabei nicht übermittelt. Eine neue Balisenliste ist grundsätzlich abrufbar, aber fahrzeugseitig bislang nicht implementiert. Daneben können schaltbare Balisen weitere Informationen übertragen.<ref name="ei-2016-34">{{Literatur | Autor= Klaus Koop | Titel= Rangieren in ETCS-Level-2-Bereichen | Sammelwerk=[[Der Eisenbahningenieur]] | Band=65 | Nummer= 1 | ISSN=0013-2810 | Jahr=2016 | Seiten=34–37 }}</ref> in den meisten Ländern sind dabei 30&nbsp;km/h erlaubt.<br />
|- style="background:#DADADA;"<br />
| PS<br />(kein Symbol)<br />
| ''Passive Shunting''<br />
| 0, NTC, 1, 2, 3<br />
| Modus zum Rangieren; das Fahrzeug in Passive Shunting ist mit einem anderen Fahrzeug gekuppelt, welches die Führung übernimmt und ebenfalls zum Rangieren eingesetzt wird. Das führende Fahrzeug ist im Modus Shunting.<br />
''Dieser Modus ist neu in der Version SRS 3.0.0''<br />
|-<br />
| UN<br/>[[File:ERTMSmode UN.svg]]<br />
| ''Unfitted''<br />
| 0<br />
| Nur eine Höchstgeschwindigkeit wird vom ETCS überwacht. Das ETCS nimmt jedoch Informationen von ggf. installierten Balisen auf und führt somit z.&nbsp;B. Umschaltungen zu anderen Leveln aus.<br />
|-<br />
| SL<br />(kein Symbol)<br />
| ''Sleeping''<br />
| 0, NTC, 1, 2, 3<br />
|das Fahrzeug mit ETCS ist mit einem anderen Fahrzeug gekuppelt, das die Führung übernimmt. Das Führungsfahrzeug muss nicht zwangsläufig auch über ETCS verfügen. Das geführte Fahrzeug ist dabei nicht mit einem Triebfahrzeugführer besetzt.<br />
|-<br />
| SB<br />[[Datei:ERTMSmodeSB.svg]]<br />
| ''Stand By''<br />
| 0, STM, 1, 2, 3<br />
| Die ETCS-Fahrzeugausrüstung ist nach Einschalten im Modus Stand By. In diesem Modus überwacht ETCS den Stillstand des Fahrzeugs. Der Modus wird verlassen, indem entweder der Triebfahrzeugführer einen anderen Modus wählt oder das Fahrzeug sich als geführt erkennt und daher selbsttätig in den Modus SL wechselt.<br />
|-<br />
| TR<br />[[Datei:ERTMSmodeTR.svg]]<br />
| ''Trip''<br />
| NTC, 1, 2, 3<br />
| Zwangsbremsung ist aktiv, bis der Zug hält und der Triebfahrzeugführer den Trip bestätigt hat.<br />
|-<br />
| PT<br />[[Datei:ERTMSmodePT.svg]]<br />
| ''Post Trip''<br />
| 1, 2, 3<br />
| Modus, nachdem der Triebfahrzeugführer den Trip bestätigt hat; die Bremsen werden gelöst, der Zug hat aber noch keine Fahrtberechtigung; ggf. darf ein Stück zurückgesetzt werden, um wieder vor ein überfahrenes Signal zu kommen.<br />
|-<br />
| SF<br />[[Datei:ERTMSmodeSF.svg]]<br />
| ''System Failure''<br />
| 0, NTC, 1, 2, 3<br />
| im ETCS ist ein interner Fehler aufgetreten; eine Notbremse (Zwangs-Schnellbremse) ist aktiv.<br />
|-<br />
| IS<br />(kein Symbol)<br />
| ''Isolation''<br />
| 0, STM, 1, 2, 3<br />
| das ETCS hat keine Verbindung mehr nach außen; die Notbremsausgabe ist überbrückt.<br />
|-<br />
| NP<br />(kein Symbol)<br />
| ''No Power''<br />
| 0, NTC, 1, 2, 3<br />
| das ETCS ist ausgeschaltet.<br />
|-<br />
| NL<br />[[Datei:ERTMSmodeNL.svg]]<br />
| ''Non Leading''<br />
| 0, NTC, 1, 2, 3<br />
| das Fahrzeug mit dem ETCS ist zwar mit einem Triebfahrzeugführer besetzt, befindet sich jedoch nicht an der Spitze eines Zuges und führt daher den Zug nicht. Dieser Betriebszustand wird beispielsweise in der Schweiz eingesetzt, wo häufig ein Zug von einer unabhängigen (höchstens über die Hauptluftleitung gekuppelten) Lok zusätzlich geschoben wird.<br />
|- style="background:#DADADA;"<br />
| SE<br />
| ''STM European''<br />
| STM<br />
| die Informationen eines streckenseitig installierten herkömmlichen, nationalen Sicherungssystems werden von einem STM gelesen und über eine standardisierte Schnittstelle an den EVC weitergegeben. Der EVC übernimmt die Auswertung dieser Daten und somit die Überwachungsfunktionen (ist vergleichbar mit FS).<br />
''Dieser Modus ist mit der Version SRS 3.1.0 entfallen''<br />
|-<br />
| SN<br />[[Datei:ERTMSmodeSN.svg]]<br />
| ''National System''<br />
| NTC<br />
| die Informationen eines streckenseitig installierten herkömmlichen, nationalen Sicherungssystems werden von einem STM gelesen und auch von diesem verarbeitet. Das STM übernimmt also selbst die Überwachung und bedient sich höchstens einiger durch das ETCS über eine standardisierte Schnittstelle zur Verfügung gestellten Funktionen, wie z.&nbsp;B. Bremsausgabe, Bedien-/Anzeigegerät (MMI), Geschwindigkeitsmessung oder Datenregistrierung. <!-- ''Dieser Modus ist neu in der Version SRS 3.3.0'' Nein, ist er nicht! --><br />
|-<br />
| RV<br />[[Datei:ERTMSmodeRV.svg]] {{Anker|Reversing}}<br />
| ''Reversing''<br />
| 1, 2, 3<br />
| Zug darf eine bestimmte Strecke entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung fahren, um z.&nbsp;B. die Strecke bei Störungen oder Gefahr zu räumen; wird bislang nur auf der Ende 2007 in Betrieb gegangenen Strecke durch den [[Lötschberg-Basistunnel]] in der Schweiz verwendet.<br />
|}<br />
<br />
=== National Values ===<br />
Nationale Ausprägungen von ETCS sind durch ''National Values'' (NV) möglich. Diese geben z.&nbsp;B. die Obergrenzen der Geschwindigkeiten für Fahrten in den Modi SR oder OS bzw. die tolerierten Zeiten für Funkunterbrechungen an. Beim Grenzwechsel werden die jeweils gültigen NVs in den ETCS-Rechner geladen.<br />
<br />
Durch nationale Werte können individuelle betrieblichen Regeln in ETCS abgebildet werden.<ref name="deine-bahn-2012-2-10">{{Literatur | Autor= Michael Leining | Titel= System mit dem höchsten Sicherheitsstandard in Europa | Sammelwerk=Deine Bahn | Band=40 | Nummer=2 | Jahr= 2012 | ISSN=0172-4479 | Seiten= 10–13 }}</ref><br />
<br />
=== Class B-Systeme ===<br />
[[Datei:Croco+TBL1+ETCS.jpg|mini|Das französische „[[Crocodile (Zugbeeinflussungssystem)|Crocodile]]“ (links), eine belgische [[TBL]]-Balise (mittig) und ETCS-Eurobalisen (rechts) auf der Bahnstrecke Lüttich-Aachen ([[HSL 3|HSL3]] und [[Wesertalstrecke]]) bei [[Angleur]]. Hier verkehren Thalys, ICE und konventionelle belgische Züge.]]<br />
Bestimmte nationale Zugbeeinflussungssysteme dürfen neben ETCS auch in Zukunft weiter bestehen. Dies dient dem Bestandsschutz der Bahn-Infrastruktur-Betreiber, die in diese Systeme in der Vergangenheit hohe Geldbeträge investiert haben. Zu den Class B-Systemen zählen:<ref name="2006/860">2006/860/EC: [http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ:L:2006:342:SOM:EN:HTML ''Technical Specification for Interoperability (TSI) relating to the control-command and signalling subsystem of the trans-European high speed rail system''].</ref><br />
<br />
* [[ALSN]] (Litauen, Lettland, Estland, Russland, Weißrussland)<br />
* [[ASFA]] (Spanien)<br />
* [[Automatische treinbeïnvloeding|ATB]] (Niederlande)<br />
* [[EBICAB|ATP-VR/RHK]] (Finnland)<br />
* [[BACC]] (Italien)<br />
* [[Continuous Automatic Warning System|CAWS]] und ATP (Irland)<br />
* [[Crocodile (Zugbeeinflussungssystem)|Crocodile]] (Frankreich, Luxemburg, Belgien)<br />
* [[EBICAB]] (Schweden, Norwegen, Portugal, Bulgarien, Spanien)<br />
* [[EVM (Zugsicherung)|EVM]] (Ungarn)<br />
* [[GW ATP]] (Vereinigtes Königreich)<br />
* [[Punktförmige Zugbeeinflussung|Indusi / PZB]] (Österreich, Deutschland)<br />
* [[Contrôle de vitesse par balises|KVB]] (Frankreich)<br />
* [[LS (Zugsicherung)|LS]] (Tschechien, Slowakei)<br />
* [[Linienzugbeeinflussung|LZB]] (Deutschland, Österreich, Spanien)<br />
* [[Crocodile (Zugbeeinflussungssystem)#Memor II+|MEMOR II+]] (Luxemburg)<br />
* [[RETB]] (Vereinigtes Königreich)<br />
* RSDD/[[Sistema di Controllo della Marcia del Treno|SCMT]] (Italien)<br />
* [[SELCAB]] (Spanien, Vereinigtes Königreich)<br />
* [[SHP (Zugsicherung)|SHP]] (Polen)<br />
* [[TBL]] (Belgien)<br />
* [[TPWS]] (Vereinigtes Königreich)<br />
* [[Transmission Voie-Machine|TVM]] (Belgien, Frankreich, Vereinigtes Königreich)<br />
* [[ZUB 121]] (Schweiz)<br />
* [[ZUB 123]] (Dänemark)<br />
<br />
=== Virtual Balise ===<br />
Statt Festdaten-Balisen kann zukünftig auch Satellitenortung mit [[Differential-GPS]] eingesetzt werden, um „virtuelle Balisen“ zu realisieren, wie es von der UIC (GADEROS/GEORAIL) und der ESA (RUNE/INTEGRAIL) erforscht wurde.<ref>{{Internetquelle|url=http://galileo.uic.asso.fr/pages/gaderos.html|archiv-url=https://web.archive.org/web/20080806013100/http://galileo.uic.asso.fr/pages/gaderos.html|zugriff=2015-12-07|titel=Gaderos, Galileo Demonstrator for Railway Operation System|archiv-datum=2008-08-06}}</ref> Der Einsatz ist hier an die Einsatzfähigkeit der [[EGNOS]]-unterstützten Ortung mit [[Galileo (Satellitennavigation)|Galileo-Satelliten]] geknüpft. Erfahrungen im Projekt [[LOCOPROL]] zeigen, dass im Bahnhofsbereich auf Balisen vorerst nicht verzichtet werden kann. Der erfolgreiche Einsatz der Satellitenortung in der GLONASS-basierten russischen ABTC-M Blocksicherung wurde im [[KLUB-U|ITARUS-ATC]] System mit ETCS Level 2 RBC integriert – die Hersteller [[Ansaldo STS]] und VNIIAS wollen die ETCS-Kompatibilität des Systems von der UIC anerkennen lassen.<ref>[http://www.eav.ru/publ1p.php?publid=2009-01a16 ЕВРАЗИЯ ВЕСТИ: Комплексная российско-итальянская система управления и обеспечения безопасности движения поездов<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref> In Italien wird im „ERSAT“ genannten Pilotprojekt auf einem 50km-Teilstück von [[Bahnstrecke Cagliari–Golfo Aranci Marittima|Sardiniens Nord-Süd-Hauptstrecke]] der Betrieb getestet.<ref>{{cite web|url=http://www.uic.org/cdrom/2012/10_ERTMS-Conference2012/docs/C3-Enzo-MarzilliV1.pdf|title=ITALIAN EXPERIENCE ETCS L2|at=UIC ERTMS World Conference|publisher=European Commission|author=Fabio Senesi (Rete Ferroviaria Italiana)|date=2012|accessdate=2013-11-20|format=PDF; 2,5&nbsp;MB}}</ref><ref name="shift2rail">{{cite web|url=http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/_getdocument.cfm?doc_id=7999|title=GNSS for Train Control Systems|publisher=European Commission|author=Francesco Rispoli (Ansaldo STS)|date=2013-06-04| accessdate=2013-11-24}}</ref><br />
<br />
=== Mensch-Maschine-Schnittstelle ===<br />
{{Anker|DMI}}<br />
[[Datei:DMI 160 4114.svg|miniatur|DMI mit Tacho (links), Planning Area (rechts) und weiteren Meldungen (unten links)]]<br />
Kernstück der Mensch-Maschine-Schnittstelle auf dem Triebfahrzeug ist das so genannte ETCS-DMI (Driver Machine Interface), ein Führerstandsdisplay im zentralen Blickfeld des Triebfahrzeugführers. Das DMI gliedert sich in sechs Felder: Die überwachte Entfernungsinformation bei laufender Bremskurve (''Supervised Distance Info''), Geschwindigkeitsinformationen (''Speed Info''), zusätzliche Informationen (''Supplementary Driving Info''), Planung vorausschauender Ereignisse (''Planning''), Überwachung technischer Systeme (''Monitoring'') und Triebfahrzeugführer-Eingaben.<ref name="sd-96-12-35" /><br />
<br />
Das DMI bietet umfangreiche Hilfen zur Förderung eines flüssigen Betriebsablaufs. So werden zum Beispiel herunterlaufende Bremskurven visualisiert und dem Triebfahrzeugführer Hinweise geboten, ob eine laufende Haltbremsung zu stark oder zu schwach ist (wo sich also der voraussichtliche Anhaltepunkt im Verhältnis zum kommandierten Zielpunkt befindet). Die Planning Area bietet eine Vorausschau auf die nächsten Streckenkilometer inklusive Neigungsverhältnissen und notwendigen betrieblichen Handlungen sowie eine verkürzte Rückschau, mit der beispielsweise abgeschätzt werden kann, ob der Zugschluss den Bereich einer Geschwindigkeitseinschränkung bereits verlassen hat.<br />
<br />
<gallery><br />
Datei:DMI speedinfo160-148NoS.svg|Tacho während planmäßiger, unbehinderter Fahrt<br />
Datei:DMI speedinfo143-128IndS.svg|Tacho während einer Bremsung innerhalb der Bremskurve<br />
Datei:DMI speedinfo160-167WaS.svg|Tacho während einer Bremsung gerade noch innerhalb der Bremskurve (Warnung)<br />
Datei:DMI speedinfo160-177IntS.svg|Tacho bei erreichter bzw. überschrittener Bremskurve (Zwangsbremseingriff)<br />
</gallery><br />
<br />
Die Entwicklung des europaweit einheitlichen DMIs, als gemeinsame Oberfläche für ETCS und EIRENE-Nachrichten, begann 1991. Nach Orientierung, Befragungen und Workshops wurde das Design in den Jahren 1992 und 1993 ausgearbeitet. 1993 folgten Simulatortests mit etwa 130 Triebfahrzeugführern aus verschiedenen europäischen Ländern, begleitet von ergonomischen Untersuchungen und einer Aufgabenuntersuchung. Design und Spezifikation wurden in den Jahren 1994 bis 1996 entwickelt.<ref name="sd-96-12-35">{{Literatur | Autor= Ulla Metzger, Jochen Vorderegger | Titel= „Human Factors“ und Ergonomie im ERTMS/ETCS -<!--sic--> Einheitliche Anzeige und Bedienung | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 12 | Jahr= 2004 | Seiten= 35–40 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
== Spezifikationen ==<br />
Die ETCS-Spezifikation kann als ein großer Baukasten von Funktionalitäten verstanden werden, der mit jeder neuen Version wächst.<ref name="deine-bahn-2015-6-6" /> Zurzeit sind zwei Entwicklungsstände der ETCS-Spezifikation verbindlich anwendbar: Version 2.3.0d (innerhalb der Baseline 2) und 3.4.0 (innerhalb der Baseline 3).<br />
<br />
Die bei der [[Europäische Eisenbahnagentur]] (ERA) verfügbare ETCS-Spezifikation besteht aus zahlreichen Teilen, so genannten {{lang|en|''Subsets''}}, von denen manche verpflichtend, manche „nur“ informativ sind. Für konkrete Entwicklungen wurden Sätze von Dokumenten zusammengestellt, die untereinander möglichst kompatibel sind. Die Dokumentensätze sind benannt nach dem Versionsstand des wichtigsten Dokuments, der Systemanforderungsspezifikation (SRS, Subset-026).<br />
<br />
=== Version SRS5a (Juli 1998) ===<br />
{{Anker|5A}}<br />
Die erste Spezifikationsversion SRS5a war die Ausgangsbasis für die praktische Standardisierung.<br />
<br />
=== Class P (April 1999) ===<br />
Mit dieser überarbeiteten Spezifikation kamen überwiegend Klarstellungen und Verbesserungen von Seiten der europäischen Signalindustrie (UNISIG) hinzu.<br />
<br />
=== Class 1 – 2.0.0 (April 2000) ===<br />
{{Anker|2.0.0}}<br />
Mit dieser Version kamen neue Funktionen auf Wunsch der Eisenbahnen hinzu:<br />
* RBC-Handover<br />
* Streckenparameter<br />
<br />
Als erste Spezifikation wurde sie am 25. April 2000 verabschiedet.<ref name="sd-96-10-14">{{Literatur | Autor= Christian Hellwig, Dagmar Wander | Titel= Mit Hochgeschwindigkeit durch den Berg -<!--sic--> ETCS-Level 2 im Lötschberg-Basistunnel | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 10 | Jahr= 2004 | Seiten= 14–17 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
=== Class 1 – 2.2.2 (2002) ===<br />
{{Anker|2.2.2}}<br />
Die SRS&nbsp;2.2.2, als Erweiterung der SRS 2.0.0, wurde im Jahr 2002 veröffentlicht.<ref name="sd-98-12-40">{{Literatur | Autor= Wolfgang Jakob, Danilo Alba, Hannes Boyer, Patrick Clipperton, Ralf Kaminsky, Nigel Major, Cabeza Lopez Paco, Jacques Pore | Titel= ERTMS/ETCS – A Powerful Tool to make Rail Traffic More Efficient | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 12 | Jahr= 2006 | Seiten= 40–43 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Es ist die erste Version, die in der Europäischen Union als TSI für neue Schnellfahrstrecken als verbindlich erklärt wurde.<ref name="2002/731">2002/731/EG: [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32002D0731&from=EN ''Entscheidung der Kommission vom 30. Mai 2002 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems "Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung" des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 96/48/EG''].</ref><br />
<br />
Erstmals kommerziell zur Anwendung kam die Version 2.2.2 zwischen Jüterbog und Halle bzw. Leipzig.<ref name="sd-97-6-14">{{Literatur | Autor= Swen Lehr | Titel= Projektierung und Prüfung von ETCS-Streckenzentralen | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 6 | Jahr= 2005 | Seiten= 14–17 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Daneben gingen unter anderem der Lötschberg-Basistunnel und die Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist mit SRS 2.2.2 in Betrieb.<br />
<br />
=== Class 1 – 2.2.2+ (2006) ===<br />
{{Anker|2.2.2+}}<br />
Das Dokument Subset-108 enthält einen wechselnden Bestand an Änderungsvorschlägen (CR, {{lang|en|''Change Requests''}}). Class 1 – 2.2.2 plus diejenigen CRs, die in Version 1.0.0 von Subset-108 mit „IN“ (nicht {{lang|en|„OUT“}}) gekennzeichnet sind, informell als 2.2.2+ bezeichnet, wurde 2006 verbindlich, für konventionelle Strecken.<ref name="2006/679">2006/679/EG: [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32006D0679&qid=1423241867087&from=EN ''Entscheidung der Kommission vom 28. März 2006 über die Technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) zum Teilsystem „Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung“ des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems''].</ref><br />
<br />
SRS 2.2.2+ kommt unter anderem im [[Lötschberg-Basistunnel]] und der [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist]] zum Einsatz.<ref name="eri-2016-80">{{Literatur | Titel= Wiederinbetriebnahme der Baureihe 185 am Gotthard gescheitert | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer=2 | Jahr=2016 | Seiten= 80&nbsp;f. | ISSN= 1421-2811}}</ref><br />
<br />
=== Class 1 – 2.3.0 (2007) ===<br />
{{Anker|2.3.0}}<br />
Mit der [[Entscheidung (EG)|Entscheidung]] 2007/153/EG<ref name="2007/153">2007/153: [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:067:0013:0017:DE:PDF Entscheidung der Kommission vom 6. März 2007] zur ''Änderung von Anhang A der Entscheidung 2006/679/EG über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und zur Änderung von Anhang A der Entscheidung 2006/860/EG über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems''.</ref> hat die Europäische Kommission am 6. März 2007 die Version&nbsp;2.3.0 der Spezifikation bindend in die TSI CCS aufgenommen.<br />
<br />
Die SRS 2.3.0 wurde im Jahr 2004 veröffentlicht und berücksichtigte eine Reihe von Erfahrungen aus verschiedenen europäischen ETCS-Projekten.<ref name="sd-98-12-40" /><br />
<br />
=== Class 1 – 2.3.0d (Juli 2008) ===<br />
{{Anker|2.3.0.d}}<br />
Diese Version wurde von der ERA erarbeitet und beseitigt Unklarheiten und Fehler der Version 2.3.0. Das „d“ in „2.3.0d“ steht für „debugged“. Im Juli 2008 wurde diese Version durch einen Beschluss der EU-Kommission verbindlich. Um die Planungssicherheit angesichts zahlreicher weiterer CRs zu erhöhen, wurde dieser Dokumentensatz als sogenannte „Baseline 2“ fixiert und für Folgeversionen der Dokumente die Versionsnummer 3 bestimmt. Das Erscheinen einer Baseline 3 wurde verbindlich bis Ende 2012 festgelegt.<br />
<br />
=== Baseline 3 ===<br />
{{Anker|Baseline 3}}<br />
Den ersten Kern einer Baseline 3 bildeten die Funktionale Anforderungsspezifikation (FRS) in Version 5.05 und die SRS in Version 3.0.0, die am 23. Dezember 2008 von der ERA veröffentlicht wurden. Ende 2012 wurde, um den gesetzten Termin zu halten, ein zweiter Satz von Dokumenten zusammengestellt<ref>[http://www.era.europa.eu/Core-Activities/ERTMS/Pages/Set-of-specifications-2.aspx ''Set of specifications # 2 (ETCS baseline 3 and GSM-R baseline 0).'']</ref>, darunter die SRS in Version 3.3.0, und für verbindlich erklärt (2012/696/EU<ref>2012/696/EU: [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:311:0003:0013:DE:PDF ''Beschluss der Kommission vom 6. November 2012 zur Änderung des Beschlusses 2012/88/EU über die Technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung“ des transeuropäischen Eisenbahnsystems''].</ref>), obwohl dieser für eine Baseline noch zu grobe Inkonsistenzen enthielt. Gleichzeitig wurde die Stabilität der Anforderungsspezifikationen des ersten Dokumentensatzes 2.3.0d bekräftigt, allerdings die Testspezifikation korrigiert und ergänzt. Für die Auflösung von Unklarheiten in 2.3.0d wurde auf die entsprechenden Stellen in Baseline 3 verwiesen. Auch die Anforderungsspezifikation des GSM-R-Teils von ERTMS blieb mit diesem Beschluss unverändert (Baseline 0), allerdings klarer klassifiziert. Wie die vorherigen Beschlüsse ist dieser zur Umsetzung in nationales Recht an die Mitgliedsstaaten gerichtet.<br />
<br />
SRS 3.3.0 wurde so entworfen, dass danach ausgerüstete Züge ohne technische oder betriebliche Einschränkungen Strecken befahren können, die nach 2.3.0d ausgerüstet sind, und umgekehrt. Bedeutende neue Funktionen dieser Version sind u.&nbsp;a.:<ref>[http://www.era.europa.eu/Document-Register/Documents/ERA_ERTMS_02314_v10.zip ''Functional Change Requests retained for the baseline 3'']</ref><br />
<br />
Für grenzüberschreitend eingesetzte Fahrzeuge mit erstmaliger Inbetriebnahmegenehmigung ab 1. Januar 2018 ist eine ETCS-Fahrzeugausrüstung nach Baseline 3 in der Regel zur Pflicht.<ref name="etr-64-78-14">{{Literatur | Autor= Ulrich Wiescholek, Mattias Potrafke, Gerd Wolters, Dirk Behrends, Michael Seemann, Ulrich Wölfel, Andreas Bantel | Titel= Die neuen Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität – Teil 2 | Sammelwerk=[[Eisenbahntechnische Rundschau]] | Band=64 | Nummer= 7+8 | Jahr=2015 | Seiten= 14–19 | ISSN=0013-2845 }}</ref> ETCS-Ausrüstungen nach Baseline 3 sollen ab Ende 2017 zur Verfügung stehen.<ref name="eri-2016-76" /><br />
<br />
==== Modus ''Limited Supervision'' ====<br />
[[Datei:ERTMS-Korridor A.PNG|mini|Auf dem [[ERTMS-Korridor]] A [[Rotterdam]]–[[Genua]] wird auf mehreren Abschnitten ETCS Level 1 Limited Supervision eingesetzt.]]<br />
Die [[Schweizerische Bundesbahnen|Schweizerischen Bundesbahnen]] (SBB) und die [[Deutsche Bahn AG]] (DB AG) veranlassten die Entwicklung eines {{lang|en|''Limited Supervision''}} (LS) genannten Modus, der erlaubt, dass alle mit ETCS-L1-ausgerüsteten Züge sowie kostengünstig mit [[Eurobalise Transmission Module|ETM]] nachgerüstete Züge mit bestimmten Class-B-Systemen zur [[Zugbeeinflussung]] auf Strecken verkehren können, deren bestehende [[Mechanisches Stellwerk|mechanische]], [[Relaisstellwerk|Relais-]] oder [[Elektronisches Stellwerk|elektronische Stellwerke]] nicht alle nach ETCS erforderlichen Informationen an den Zug liefern können.<ref name="bav-Richtlinie">Bundesamt für Verkehr (BAV): [http://www.bav.admin.ch/themen/03818/03857/index.html?lang=de&download=NHzLpZig7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDeYJ,fGym162dpYbUzd,Gpd6emK2Oz9aGodetmqaN19XI2IdvoaCVZ,s- ''Richtlinie. Zugbeeinflussung im schweizerischen Normalspur-Eisenbahnnetz. Migration von Signum/ZUB'']. Bern, 2012</ref> Die Alternative ETCS L2 [[#Überblick ETCS Modi|FS]] wäre weit teurer und ETCS L1 FS kommt für stark befahrene Strecken nicht in Frage, weil sich wegen komplizierten Balisen-Verkettungen die Streckenkapazität zu sehr reduzieren würde. Der Modus Limited Supervision ist in den Leveln L1 bis L3 nahezu funktionsgleich spezifiziert, wird aber aus den genannten Gründen nur mit L1 genutzt.<br />
<br />
Dabei werden die Informationen von den Stellwerken mit [[Balise]]n an den Zug übermittelt, wo sie je nach Ausrüstung des Zuges vom ETCS OBU oder der Class-B-Steuereinheit verarbeitet werden. Die Anzeige von Informationen und die Überwachungsfunktionen entsprechen denen des Class-B-Systems. Der Triebfahrzeugführer ist weiterhin verpflichtet, auch auf die [[Eisenbahnsignal|Außensignale]] zu achten, und fährt nach nationalen Regeln.<ref name="ser-2010-198">Walter von Andrian: ''Von Signum und ZUB zu ETCS Level&nbsp;1 Limited Supervision''. In: [[Schweizer Eisenbahn-Revue]], Heft 4/2010, {{ISSN|1022-7113}}, S.&nbsp;198–199</ref><br />
<br />
Die verwendeten Eurobalisen werden mit einer [[Eurobalise#Transparentdatenbalise|Signalschalteinheit (LEU)]] an die Signale angeschlossen. Neben Signalen können auch [[Geschwindigkeitsprüfabschnitt]]e entsprechend umgerüstet werden. In Deutschland oder der Schweiz bleibt die [[Punktförmige Zugbeeinflussung|PZB]]- bzw. [[Euro-Signum]]-Ausrüstung der Strecke dabei weiterhin erhalten.<br />
<br />
ETCS L1 LS wird von den Ländern des [[ERTMS-Korridor]]s A (Niederlande, Deutschland, Schweiz und Italien) unterstützt. In der Schweiz hat das Bundesamt für Verkehr die Infrastrukturbetreiberinnen beauftragt, das gesamte Normalspurnetz, soweit nicht bereits L2 verfügbar ist, bis Ende 2017 [[ETCS in der Schweiz#Migration|mit ETCS L1 LS auszurüsten]]. Die SBB haben für ihre Strecken [[Rail Systems|Siemens]] damit beauftragt.<ref name="Siemens">Siemens Industry Sector/Mobility Division: [http://www.siemens.com/press/de/pressemitteilungen/?press=/de/pressemitteilungen/2011/mobility/imo201109032.htm ''Großteil des Streckennetzes der Schweizerischen Bundesbahnen erhält ETCS von Siemens'']. Pressemitteilung. Berlin, 9. September 2011</ref> Zudem zeigen Belgien und diverse Länder im Osten der EU Interesse an ETCS L1 LS.<ref name="bav-Standbericht">Bundesamt für Verkehr (BAV): [http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00570/01501/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDeoB8fmym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- ''European Train Control System ETCS. Standbericht 2012'']. Bern, 2012</ref><br />
<br />
==== Einheitliche Modelle zur Bremskurvenberechnung ====<br />
[[Datei:ETCS-Geschwindigkeitsprofile.svg|mini|Die zulässige Geschwindigkeit wird bei ETCS aus dem Minimum verschiedener strecken- und fahrzeugseitiger zulässiger Geschwindigkeiten unter Berücksichtigung der Bremskurve gebildet.]]<br />
Die größte Einzeländerung dieser Version, an der die [[ERTMS Users Group]] bereits seit 1997 arbeitet, betrifft die Bremskurvenberechnung. Das wichtigste Modell ist dabei das sogenannte 'Conversion Model', das es ermöglicht, aus herkömmlichen Parametern wie den [[Bremshundertstel]]n und der [[Bremsstellung]] vollständige Bremskurven zu errechnen.<br />
<br />
Kapazitätsmindernde Effekte vorheriger ETCS-Bremsmodelle sollen vermindert werden.<ref name="eri-2006-78">Peter Schmied: ''36. Tagung „Moderne Schienenfahrzeuge“''. In: [[Eisenbahn-Revue International]]. Heft 2/2006, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;78&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Zur Führung und Überwachung verwendet ETCS eine Bremskurvenschar und einen Punkt:<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die ''Emergency Brake Deceleration Curve''' (EBD) ist definiert durch eine [[Schnellbremsung]] mit garantierter, sicherer Verzögerung (aEB) bis zur Supervised Location (SvL).<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die ''Emergency Brake Intervention Curve'' (EBI) entspricht der EBD, zusätzlich einer Bremsaufbauzeit (tEB). Bei Überfahren der EBD wird eine Schnellbremsung ausgelöst.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die optionale ''Service Brake Deceleration Curve'' (SBD) wird durch eine [[Vollbremsung]] (mit Verzögerung aSB) definiert. Da ihrer Berechnung auch nicht sichere Bremsen angerechnet werden dürfen, kann sie eine größere Verzögerung als die EBD aufweisen.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die optionale ''Service Brake Intervention Curve'' (SBI) entspricht der SBD, unter Berücksichtigung der Bremsaufbauzeit.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die ''Warnung Curve'' (W) ist die Bremskurve, bei deren Überschreitung der Triebfahrzeugführer akustisch gewarnt wird.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Der ''Permitted Speed'' (P) beschreibt die Sollgeschwindigkeit, ohne Bremsentwicklungszeit.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Die ''Indication Curve'' (I) beschreibt die Kurve, an der der Triebfahrzeugführer die Zugkraft abschalten und die Bremsung einleiten soll, um der Permitted-Speed-Curve zu folgen.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
* Der ''Indication Point'' (IP) informiert den Triebfahrzeugführer über eine Annäherung an den Ort zur Einleitung einer Bremsung.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
<br />
Wird auf die beiden Service-Brake-Kurven verzichtet, verschieben sich die W-, P- und I-Kurven zur EBI-Kurve hin, verbunden mit einer Kapazitätssteigerung.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
<br />
Bremskurven werden bei ETCS vom Fahrzeugrechner (EVC) auf der Grundlage von Zugdaten (u.&nbsp;a. [[Bremsvermögen]], Zuglänge, [[Bremsart]]), Streckendaten (u.&nbsp;a. [[Gradient]]e und [[Adhäsion]]sverhältnisse) sowie Sicherheitszielen (tolerierbare [[Risikoanalyse|Gefährdungsrate]] unter Berücksichtigung des Schadenspotentials) berechnet.<ref name="sd-99-3-6" /><br />
<br />
==== Signalisierung von Bahnübergängen ====<br />
Der Triebfahrzeugführer erhält dadurch Informationen, dass er auf einen Bahnübergang zufährt, ob dieser technisch gesichert ist und wenn nicht, wie er zu passieren ist.<br />
<br />
==== ''Cold Movement Detection'' ====<br />
Dadurch erkennt ein abgerüstetes ETCS-Fahrzeug, ob es bewegt wurde. Wenn das Fahrzeug wieder aufgerüstet wird, ohne dass es bewegt wurde, können einige zuvor von der Strecke übertragene Informationen (Position, National Values, Level, etc.) weiterverwendet werden. Das beschleunigt den betrieblichen Ablauf und kann in bestimmten Situationen die Sicherheit erhöhen.<br />
<br />
=== BL3 Version 3.4.0 ===<br />
Mit Beschluss 2015/14/EU der Kommission vom 5. Januar 2015<ref>2015/14/EU: [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32015D0014&from=EN ''Beschluss der Kommission zur Änderung des Beschlusses 2012/88/EU über die Technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung“ des transeuropäischen Eisenbahnsystems'']. 5. Januar 2015.</ref> wurde Version 3.4.0 der Baseline 3 verbindlich. Dokumente wurden ergänzt bzw. ausgetauscht. Insbesondere gilt nun die Version 3.4.0 der SRS, die von der ERA im Mai 2014 veröffentlicht wurde.<ref>ERA: [http://www.era.europa.eu/Core-Activities/ERTMS/Pages/Recommendations.aspx ''Recommendation for the First Maintenance Release for the ETCS Baseline 3 and for the GSM-R Baseline 0'']. 28. Mai 2014.</ref> Darüber hinaus stellt der Beschluss klar, dass die ETCS-Spezifikation (TSI CCS) auch für eine Reihe abweichender [[Spurweite (Bahn)|Spurweiten]] verpflichtend ist.<br />
<br />
=== BL3 Version 3.5.0 ===<br />
Im Dezember 2015 legte die ERA ihre Vorschläge für die SRS-Version 3.5.0 vor (Baseline 3 Release 2). Sie besteht aus rund 60 Änderungsvorschlägen (Change Requests), überwiegend Fehlerkorrekturen sowie eine Reihe neuer Funktionen wie [[Paketvermittlung|Paketvermittelte Datenübertragung]] ([[GPRS]]).<ref name="era-2015-12-20">{{Literatur | Herausgeber=European Railway Agency | Titel=ETCS B3 Release 2 Project Plan | Jahr= 2015 | Monat=12 | Tag=20 | Seiten=7–10, 31, 36 | Online=http://www.era.europa.eu/Document-Register/Documents/ETCS_B3_next_release_Project%20Plan_v2.0.pdf}} sowie [http://www.era.europa.eu/Core-Activities/ERTMS/Pages/Recommendations.aspx weiterführende Informationen]</ref><br />
<br />
== Interoperabilität ==<br />
Im Zuge der Umsetzung der bisher verwirklichten ETCS-Projekte stellte sich heraus, dass die [[Interoperabilität]] von Fahrzeugen und Streckenausrüstungen unterschiedlicher Hersteller nur sehr eingeschränkt gegeben war. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass alle SRS-Stände bis einschließlich 2.2.2 erhebliche Interpretationsspielräume und Freiheiten ließen, andererseits darauf, dass die Onboard-Hersteller aus Zeitgründen zunächst nur die Funktionen implementierten, welche für einen bestimmten Auftrag respektive eine bestimmte Strecke notwendig waren, und nicht den vollen Funktionsumfang der SRS.<br />
<br />
Mit dem Stand 2.3.0d der SRS, welcher von den Herstellern umgesetzt wird, soll die technische Interoperabilität erreicht werden. Um diese dann auch streckenunabhängig nachweisen zu können, sollten bis 2010 mehrere zertifizierte Testlabors in Europa aufgebaut werden. Zumindest bis dahin werden Zulassungen von ETCS-fähigen Fahrzeugen wie bisher nur streckenbezogen und nach nationalen Richtlinien ausgesprochen werden. Seit Anfang 2012 gibt es drei unabhängige Labore in Europa, die für Tests der Konformität und Interoperabilität von Subsystemen und Komponenten des European Train Control System (ETCS) eingesetzt werden.<ref>[http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10081/151_read-2775/ DLR Homepage] vom 24. Februar 2012.</ref><br />
<br />
Nachdem die technische Interoperabilität nun weitgehend erreicht ist (wenn auch noch nicht von allen Herstellern vollständig umgesetzt und noch nicht eindeutig nachweisbar), treten die unterschiedlichen Betriebsverfahren der Bahnen immer mehr in den Vordergrund. Deren Vereinheitlichung ist Aufgabe der TSI "Traffic Operation and Management" (2012/757/EU).<br />
<br />
Um die technische Interoperabilität auf der Fahrzeugseite einfacher zu erreichen sowie Ergänzungen oder Korrekturen der ETCS-Fahrzeugfunktionalität schneller und billiger auf allen Fahrzeugen mit ETCS-Ausrüstung installieren zu können, wirbt die Deutsche Bahn AG unter dem Stichwort ''[[openETCS]]'' für einen [[Open Source|Open-Source]]-Ansatz für die ETCS-Fahrzeugsoftware.<br />
<br />
== ETCS-Einführungen ==<br />
{{veraltet|seit=2012|dieser Abschnitte|Angaben veraltet, Länder wie Frankreich fehlen ganz}}<br />
=== Übersicht ===<br />
==== Bisherige Einführungen ====<br />
Ende 1996 wurde ein Vertrag für eine ETCS-Testinstallation zwischen [[Wien]] und [[Budapest]] unterzeichnet. Zunächst wurden 40&nbsp;km Strecke über die ungarisch-slowenische Grenze, und fünf Lokomotiven ausgerüstet. Es war sowohl die erste ETCS-Erprobung unter realen Betriebsbedingungen als auch die erste, die einen Grenzübertritt mit einschloss.<ref name="sd-96-4-19">{{Literatur | Autor= László Mosóczi, Péter Tóth | Titel= Erfahrungen mit der Anwendung des ETCS-Systems in Ungarn | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 4 | Jahr= 2004 | Seiten= 19–23 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Ende 2000/Anfang 2001 hatten die [[Magyar Államvasutak|Ungarischen Staatsbahnen]] den Auftrag zur Ausrüstung der 85&nbsp;km langen Strecke [[Zalaegerszeg]]–[[Zalalövö]]–[[Hodoš]] mit ETCS Level 1 vergeben.<ref name="eri-2001-84">Meldung ''ETCS Level-1 in Ungarn''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 2/2001, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;84</ref> Die im Herbst 2001 erfolgte Inbetriebnahme war der erste kommerzielle Einsatz von ETCS Level 1.<ref name="sd-96-78-6">{{Literatur | Autor= Alfrted Velder, Walter Böhm | Titel= Moderne Aspekte der Fahrweg- und Zugsicherung bei ERTMS/ETCS-Projekten | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 7+8 | Jahr= 2004 | Seiten= 6–13 | ISSN= 0037-4997 }}</ref><br />
<br />
Vor dieser Erprobung waren verschiedene nationale Vorläufer im Einsatz.<br />
<br />
Folgende Strecken und Streckenabschnitte wurden mit ETCS ausgerüstet:<br />
<br />
{| class="wikitable" width="100%"<br />
|-<br />
! Jahr !! Bahn !! Strecke !! ETCS Level !! Bemerkungen<br />
|-<br />
|rowspan="2"| 2000 || RFI || [[Florenz]] Campo di Marte–[[Arezzo]] || Level&nbsp;1 || Ende November 2000 demonstrierten FS und Alstom hier eine Zugfahrt unter ETCS Level 2;<ref name="eri-2001-176">Meldung ''Aktuelles in Kürze''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 4/2001, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;176&nbsp;f.</ref> inzwischen wieder zurückgebaut<br />
|-<br />
| SNCF || [[Marles-en-Brie]]–[[Tournan]] || Level&nbsp;1 ||<br />
|-<br />
| 2001 || BDZ || [[Sofia]]–[[Burgas]] || Level&nbsp;1 ||<br />
|-<br />
| 2002 || SBB || [[Zofingen]]–[[Sempach]] || Level&nbsp;2 || europaweit erste kommerzielle Anwendung für Level 2;<ref name="eri-2002-276">''Führerstandssignalisierung Zofingen–Sempach in Betrieb''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 6/2002, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;276&nbsp;f.</ref> inzwischen wieder zurückgebaut<br />
|-<br />
| 2003 || ÖBB || [[Ostbahn (Österreich)|Wien–Nickelsdorf]]<ref name="eri-2003-262">Peter Schmied: ''ETCS Level 1 geht auf der Teststrecke Wien – Nickelsdorf in Betrieb''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 6/2003, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;262&nbsp;f.</ref> || Level&nbsp;1 ||derzeit deaktiviert<br />
|-<br />
| 2004 || SBB || [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist]],<br />[[Ausbaustrecke Solothurn–Wanzwil]] || Level&nbsp;2 || ab 2. Juli 2006 nächtlicher Vorlaufbetrieb mit bis zu 160&nbsp;km/h, seit Fahrplanwechsel 2007 im Regelbetrieb mit bis zu 200&nbsp;km/h<br />
|-<br />
|rowspan="2"| 2005 || DB || [[Bahnstrecke Berlin–Halle|Halle (Saale)/Leipzig–Jüterbog–Berlin]] || Level&nbsp;2 || IC&nbsp;2519/2518 als erste Regelzüge im Netz der Deutschen Bahn unter ETCS Level&nbsp;2 am 6.&nbsp;Dezember&nbsp;2005,<ref name="eri-2006-30">Meldung ''DB AG nimmt ETCS-Betrieb auf''. In: [[Eisenbahn-Revue International]]. Heft 1/2006, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;30</ref> zwischenzeitlich ist das RBC abgeschaltet und die Einfahrbalisen entfernt (Details s.&nbsp;u.).<br />
|-<br />
| RFI || [[Schnellfahrstrecke Rom–Neapel]] || Level&nbsp;2 || die Strecke ist nur mit ETCS Level&nbsp;2 ausgestattet und wird mit bis zu 300&nbsp;km/h befahren<br />
|-<br />
|rowspan="2"| 2006 || RENFE || [[Neubaustrecke Madrid–Barcelona–Französische Grenze|Madrid–Lleida]] || Level&nbsp;1 || erste kommerzielle Anwendung für 300&nbsp;km/h<br />
|-<br />
| RFI || [[Schnellfahrstrecke Turin–Mailand]] (Abschnitt Novara–Turin) || ||<br />
|-<br />
|rowspan="3"| 2007 || BLS || [[Lötschberg-Basistunnel|Lötschberg-Basislinie]] || Level&nbsp;2 || Regelbetrieb<br />
|-<br />
| Infrabel || [[Lüttich]]–[[Walhorn]] || Level&nbsp;2 || wegen fehlender Fahrzeugausstattung Betrieb erst ab 2009<br />
|-<br />
| ProRail || [[Betuweroute]] Hafen Rotterdam–Zevenaar|| Level&nbsp;2 || Regelbetrieb<br />
|-<br />
|rowspan="4"| 2009 || TCDD || [[Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara–İstanbul]] || Level 1 || seit 13. März 2009 im Regelbetrieb<br />
|-<br />
| ŽSR || [[Svätý Jur]]–[[Nové Mesto nad Váhom]] || Level&nbsp;1 || Regelbetrieb ab Fahrplanwechsel 2010/2011<br />
|-<br />
| ProRail || [[Schnellfahrstrecke Schiphol–Antwerpen]] || Level&nbsp;2 || grenzüberschreitender Betrieb mit bis zu 300&nbsp;km/h<br />
|-<br />
|-<br />
| DB || Aachen–Lüttich, dt. Teil der [[HSL 3]] || Level&nbsp;2 || seit 13. Dezember 2009<br />
|-<br />
|rowspan="2"| 2010 || [[Trafikverket]] || [[Botniabanan]] (Nyland–Umeå, Schweden)|| Level&nbsp;2 || Regelbetrieb ab Fahrplanwechsel 2010/2011<br />
|-<br />
| Trafikverket || [[Västerdalsbanan]] (Malung–Borlänge, Schweden)|| Level&nbsp;3 || Testbetrieb. Paralleler Betrieb mit dem alten manuellen System mit optischen [[Eisenbahnsignal|Signalen]].<br />
|-<br />
| 2011 || ÖBB || [[Bahnstrecke Wels–Passau]] || Level&nbsp;1 || Die Umrüstung der Bestandsstrecke Wels - Passau auf ETCS Level 1 erfolgte bis Ende 2011, seit September 2012 in Betrieb.<ref name="autogenerated1">{{Internetquelle|url=http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20111017_OTS0057/nordbahn-bekommt-modernes-zugsicherungssystem|zugriff=2015-12-07|datum=2011-10-17|hrsg=ÖBB Infrastruktur AG|titel=Nordbahn bekommt modernes Zugsicherungssystem}}</ref><br />
|-<br />
|rowspan="3"| 2012 || ÖBB || [[Schnellfahrstrecke Wien–St. Pölten]] || Level&nbsp;2 || Neubaustrecke mit ETCS Level&nbsp;2<br />
|-<br />
| ÖBB || [[Unterinntalbahn]], [[Neue Unterinntalbahn]], [[Umfahrung Innsbruck]] || Level&nbsp;2 ||<br />
|-<br />
| Trafikverket || [[Västerdalsbanan]] (Malung–Borlänge, Schweden) || Level&nbsp;3 || Pilotstrecke für [[ERTMS Regional]], Testbetrieb ab Februar, Vollbetrieb seit Ende April<ref>ŽelPage: [http://www.zelpage.cz/zpravy/8586 Švédsko spustilo ETCS Level 3, pomůže hlavně regionálním tratím]</ref><br />
|-<br />
| 2014 || ÖBB || [[Nordbahn (Österreich)|Nordbahn]], [[Laaer Ostbahn]] ([[Wien Simmering]] – Bernhardsthal) || Level&nbsp;2 || seit Ende Oktober 2014<br />
|-<br />
|rowspan="2"| 2015 || SBB || Brunnen–Altdorf Rynächt || Level&nbsp;2 || seit 15./16. August 2015<ref name="eri-2015-482">{{Literatur | Autor= | Titel= Gotthard-Teilstrecke auf ETCS Level 2 umgestellt | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer= 10 | Jahr=2015 | Seiten= 482–486 | ISSN= 1421-2811}}</ref> (Baseline 2.3.0d<ref name="eri-2016-80" />)<br />
|-<br />
| DB || [[Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle|Erfurt–Leipzig/Halle]] || Level&nbsp;2, Baseline 2.3.0d<ref name="DB-Vortrag-Ramerth">{{Internetquelle|url=https://fahrweg.dbnetze.com/file/fahrweg-de/2394166/I5pNJLg-mHPqeAh7UOnQeveoDvE/6919926/data/Vortrag_Ramerth.pdf|titel=ETCS – Migrationsplan und Inbetriebnahme weiterer Strecken|autor=Josef Ramerth|datum=2014-05-13|zugriff=2015-12-12}}</ref> mit zusätzlichen Änderungen<ref name="vde8.2-streckenprospekt">{{Internetquelle|autor=Bärbel Jossunek, Vasco P. Kolmorgen, Alexander Wolf|hrsg=Bahnkonzept|titel=Streckenprospekt NBS Erfurt – Leipzig / Halle|url=http://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-de/medien/2015_33_streckenprospekt_vde.html |werk=DB Netz; Infrastruktur & Technik; Kundeninformationen|seiten=12|datum=2015-08-13|zugriff=2015-08-15|format=PDF}}</ref> || Seit 13. Dezember 2015 im Regelbetrieb mit [[ICE-T]] bis 230&nbsp;km/h<ref>{{Internetquelle|titel=So läuft die Fahrt auf der neuen Bahnstrecke|zugriff=2015-12-12|autor=Sebastian Großert|url=http://www.mdr.de/themen/verkehrsprojekt-de8/fahrt-neubaustrecke-erfurt-halle-leipzig100.html|datum=2015-11-13}}</ref><br />
|-<br />
|}<br />
<br />
==== ETCS-Planungen ====<br />
{| class="wikitable sortable" width="100%"<br />
|-<br />
! Jahr !! Bahn !! Strecke !! ETCS Level !! Bemerkungen<br />
|-<br />
| 2014{{Zukunft|2014}} || DB || Berlin–Rostock || Level&nbsp;2 || <ref>Berliner Zeitung: [http://www.berliner-zeitung.de/berlin/bahnstrecke-berlin-rostock-katharina-bringt-die-bahn-auf-tour,10809148,20949456.html Datum: 23. November 2012 Abgerufen: 27. November 2012]</ref><br />
|-<br />
| 2014{{Zukunft|2014}} || ŽSR || Žilina–Čadca || Level&nbsp;1 ||<br />
|-<br />
| 2016{{Zukunft|2016}} || [[WSW mobil|WSW]] || [[Wuppertaler Schwebebahn]] || Level 2 || <ref name="alstom-2012-06-06" /><br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || DB || [[Bahnstrecke Halle–Bebra|Eisenach–Erfurt]] || Level&nbsp;2 ||<ref name="DB-Vortrag-Ramerth" /><br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || DB || [[Schnellfahrstrecke Nürnberg–Erfurt|Nürnberg–Erfurt]] || Level&nbsp;2 ||<ref name="DB-Vortrag-Ramerth" /><br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || DB || [[Schnellfahrstrecke Nürnberg–Ingolstadt–München|Nürnberg–Ingolstadt–München]] || Level&nbsp;2 ||<ref>[http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/499/49961.html Anfrage aus dem DIP-Archiv]</ref><br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || SBB || [[Gotthard-Basistunnel]] || Level&nbsp;2 ||<br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || Banedanmark || Roskilde–Køge–Næstved || Level&nbsp;2 || <ref>[http://www.breakingtravelnews.com/news/article/alstom-will-supply-a-new-full-signalling-system-to-denmark/ Datum: 10. Februar 2012 Abgerufen: 11. Februar 2012]</ref><br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || ÖBB || Güterzugumfahrung St. Pölten || Level&nbsp;2 || <ref name="oebb_infra">{{Internetquelle|url=http://www.oebb.at/infrastruktur/__resources/llShowDocSec.jsp?nodeId=13261594|zugriff=2015-12-11|hrsg=ÖBB Infra|titel=Streckenausrüstung mit ETCS|datum=2014-11-24}}</ref><br />
|-<br />
| 2019{{Zukunft|2019}} || DB || [[Bahnstrecke Mannheim–Saarbrücken|Saarbrücken–Ludwigshafen]]|| Level&nbsp;2|| <ref name="bauInfoPOS">{{Internetquelle | hrsg=Deutsche Bahn AG |url=http://bauprojekte.deutschebahn.com/p/pos | titel=Unsere Bauprojekte: Paris – Ostfrankreich – Südwestdeutschland (POS) | zugriff=2015-05-10}}</ref><br />
|-<br />
| 2018{{Zukunft|2018}} || SNCF || Thionville–Basel/Lyon (Korridor C), Perpignan–Lyon (Korridor D) || Level&nbsp;1 || <ref>[http://www.rff.fr/fr/gestion-page-d-accueil/actualites/etcs-rff-prepare-le-reseau-de fr ETCS RFF prépare le réseau de demain]</ref><br />
|-<br />
| 2019{{Zukunft|2018}} || SBB || [[Ceneri-Basistunnel]] || Level&nbsp;2 ||<br />
|-<br />
| 2020{{Zukunft|2019}} || DB || Emmerich–Basel || Level&nbsp;2, Level&nbsp;1&nbsp;LS || Deutscher Anteil des EU-Korridors A <ref>[https://www.eurailpress.de/news/alle-nachrichten/single-view/news/zugsicherungdeutschland-korridor-a-bekommt-etcs-level-1-und-level-2.html Eurailpress: Zugsicherung/Deutschland: Korridor A bekommt ETCS Level 1 und Level 2] Abgerufen: 2. März 2014</ref><br />
|-<br />
| 2021{{Zukunft|2020}} || DB || [[Stuttgart 21|neuer Bahnknoten Stuttgart]], [[Neubaustrecke Wendlingen–Ulm|NBS Wendlingen–Ulm]] || Level&nbsp;2||<br />
|-<br />
| 2023{{Zukunft|2021}} || ÖBB || [[Koralmtunnel]], [[Pottendorfer Linie]] Wien–Wampersdorf || Level&nbsp;2 || <ref name="oebb_infra" /><br />
|-<br />
| 2024{{Zukunft|2022}} || ÖBB || [[Semmeringbasistunnel]] || Level&nbsp;2 || <ref name="oebb_infra" /><br />
|-<br />
| 2025{{Zukunft|2023}} || ÖBB || NBS Linz–Wels || Level&nbsp;2 || <ref name="oebb_infra" /><br />
|}<br />
<br />
{| class="wikitable sortable" width="100%"<br />
|-<br />
! Jahr !! Bahn !! Ziel<br />
|-<br />
| 2007 || RFI || Ausstattung aller Haupt- und Ergänzungsstrecken in Italien auf SCMT (basiert auf ETCS Level&nbsp;1)<br />
|-<br />
| 2017{{Zukunft|2017}} || SBB, BLS, SOB || Schweizerisches Normalspurnetz flächendeckend auf ETCS L1 LS oder ETCS L2 umgerüstet<br />
|-<br />
| 2017–2021{{Zukunft|2021}} || Banedanmark || Einführung von ETCS auf allen staatlich betriebenen Strecken in Dänemark<br />
|-<br />
| 2026{{Zukunft|2026}} || DB || alle Schnellfahrabschnitte mit ETCS Level&nbsp;2 ausgerüstet, zusätzliche Lückenschlüsse<br />
|-<br />
| nach 2030{{Zukunft|2030}} || DB || gesamtes Streckennetz mit ETCS ausgerüstet<br />
|}<br />
<br />
=== ETCS in Deutschland ===<br />
In Deutschland wurde für ETCS ein als ''Betrieblich Technische System Funktion'' (BTSF) bezeichnetes [[Lastenheft]] geschaffen, in dem notwendige Projektierungen und Parametrisierungen zur Abbildung der über Jahrzehnte entstandenen nationalen betrieblichen Regeln mit technischen Funktionen getroffen werden. Daneben wurden Projektierungsregeln zur Platzierung der Balisen im Gleis ebenso entwickelt wie ein neues Lastenheft für eine integrierte ETCS-Bedienoberfläche für [[Fahrdienstleiter]] sowie ein Testfallkatalog, um das Zusammenspiel von Fahrzeugen und Strecken zu erproben. Alle Dokumente werden einem gutachterlichen Prozess unterzogen, einschließlich einer Risiko- und Gefährdungsanalyse.<ref name="deine-bahn-2015-6-6" /><ref name="deine-bahn-2012-2-10" /><br />
<br />
Im Netz der Deutschen Bahn soll ETCS Level 1 grundsätzlich nur in der Ausprägung ''Limited Supervision'' eingesetzt werden. ETCS Level 1 ''Full Supervision'' und Euroloops sind nicht vorgesehen.<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
<br />
==== Erprobung ====<br />
Bei der ab 1995 im Bau befindlichen [[Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main]] sollte zunächst ETCS ohne ortsfeste Signale eingesetzt werden. Als sich bei der Spezifikation und Realisierung von ETCS Verzögerungen abzeichneten, fiel 1998 die endgültige Entscheidung, eine weiterentwickelte Linienzugbeeinflussung ([[CIR-ELKE|LZB L72 CE-II]]) einzusetzen.<ref name="sd-95-10-31">{{Literatur | Autor= Manfred Frank | Titel= Erweiterung des LZB-Systems für die Strecke Köln–Rhein/Main | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 10 | Jahr= 2003 | Seiten= 31–33 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Anfang Oktober 1997 fiel die Entscheidung, die Ausbaustrecken Halle/Leipzig–Berlin ([[Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8]]) mit ETCS auszurüsten. Zunächst wurde ein Abschnitt zwischen Bitterfeld und Lutherstadt Wittenberg zur Erprobung ausgewählt. Im Jahr 2002 verkehrte auf der Strecke ein von DB Systemtechnik entwickelter und als ''Train Validation Testcar'' bezeichneter vierachsiger Diesel-Testtriebwagen. Für die vorläufige Systemzulassung wurde Mitte 2002 dabei für Ende 2003 gerechnet, für die netzweite Systemzulassung bis Ende 2004.<ref name="eri-2002-380">''ETCS – ein anderer Weg.'' In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 8–9/2002, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;380.</ref><br />
<br />
Am 7. Juli 2003 verkehrte zwischen Jüterbog und Bitterfeld – erstmals in Europa – ein Reisezug ETCS-geführt mit einer Geschwindigkeit von 200&nbsp;km/h.<ref name="eri-2003-448">''DB AG startet „Serienerprobung“ von ETCS Level 2''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 10/2003, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;448&nbsp;f.</ref> Im Herbst 2005 genehmigte das [[Eisenbahn-Bundesamt]] ETCS-[[Hochtastfahrt]]en bis 160&nbsp;km/h auf den insgesamt 140&nbsp;km langen Pilotstreckenabschnitten.<ref name="eri-2005-504">Meldung ''ETCS-Testfahrten genehmigt''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 11/2005, S.&nbsp;504.</ref> Ab 6. Dezember 2005 verkehrte ein IC-Zugpaar zwischen Jüterbog und Leipzig mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200&nbsp;km/h unter ETCS Level 2. Es war zu diesem Zeitpunkt die einzige Anwendung von ETCS Level 2 im kommerziellen Betrieb in Europa.<ref name="eri-2006-30" /> Die ETCS-Ausrüstung wurde durch Alcatel SEL und Siemens realisiert.<ref name="sd-95-03-06">{{Literatur | Autor= Florian Kollmannsberger, Lennart Kilian, Klaus Mindel | Titel= Migration von LZB zu ETCS – Streckenseitige Parallelausrüstung LZB/ETCS | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 3 | Jahr= 2003 | Seiten= 6–11 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
ETCS Level&nbsp;2 (mit vier ETCS-Zentralen, unter SRS 2.2.2<ref name="ei-2012-08-50" />) wurde auf den Strecken so lange erprobt, bis es die Zulassungsvoraussetzungen des Eisenbahn-Bundesamtes erfüllte. Um einen Parallelbetrieb mit dem bisherigen deutschen Zugsicherungssystem LZB zu ermöglichen, wurde eine neue Schnittstelle namens ''H3.SZS/Sahara'' zwischen Stellwerk ([[CIR-ELKE]]-Funktionalität) und den Zugsicherungssystemen LZB und ETCS Level&nbsp;2 eingeführt.<ref name="etr-2006-05" /> Nach einer zweijährigen Erprobungsphase wurde die ETCS-Level-2-Ausrüstung der Strecke als weltweit erste im Dezember 2005 für den kommerziellen Fahrgastbetrieb freigegeben.<ref name="sd-98-1-72">{{Literatur | Titel= ETCS (Level 2) für Passagierbetrieb zugelassen | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 1+2 | Jahr= 2006 | Seiten= 72 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Die Linienzugbeeinflussung der Strecke war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugelassen und nicht in Betrieb.<ref name="sd-98-4-6">{{Literatur | Autor= Swen Lehr, Thomas Naumann, Otto Schittenhelm | Titel= Parallele Ausrüstung der Strecke Berlin–Halle/Leipzig mit ETCS und LZB | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 4 | Jahr= 2006 | Seiten= 6–10 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Am 24. Februar 2006 erreichte ein ETCS-geführter Zug erstmals eine Geschwindigkeit von 180&nbsp;km/h.<ref name="sd-98-4-40">{{Literatur | Titel= 180&nbsp;km/h erstmals mit ETCS | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 4 | Jahr= 2006 | Seiten= 40 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Zunächst 26. Mai 2006 verkehrte das IC-Zugpaar 2418/2419 probeweise fahrplanmäßig zwischen Leipzig und Berlin mit ETCS, bei bis zu 200&nbsp;km/h.<ref name="etr-2006-05">Wolfgang Feldwisch, Holger Schülke: {{Webarchiv | url=http://www.eurailpress.com/archiv/showpdf.php?datei=/erparchiv/etr2006/ETR5_Feldwisch_Schuelke_LOW.pdf | wayback=20070929092605 | text=''Die Inbetriebnahme der Großprojekte der Bahn zur Fußballweltmeisterschaft 2006''}}. In: ''Eisenbahntechnische Rundschau'' (55) 2006, Heft 5, S.&nbsp;296.</ref> Am 17. Juni 2006 wurde erstmals in Europa der fahrplanmäßige Betrieb unter ETCS mit 200&nbsp;km/h aufgenommen, allerdings zeitlich begrenzt und nur mit einzelnen Zugpaaren; IC&nbsp;2418/2419 bzw. IC&nbsp;2416/2417 sowie der [[EuroNight|EN]] 228/229 verkehrten ETCS-geführt.<ref name="db-systemtechnik-2006-42">Deutsche Bahn AG, DB Systemtechnik: {{Webarchiv | url=http://www.db-systemtechnik.de/site/shared/de/dateianhaenge/berichte/systemtechnik__taetigkeitsbericht__2006.pdf | wayback=20110718224244 | text=Tätigkeitsbericht 2006}} (PDF, 1,6&nbsp;MB), S.&nbsp;42.</ref> Im Rahmen dieses Pilotvorhabens wurden, erstmals in Deutschland, spezielle ETCS-Planunterlagen erstellt. Daraus entstand auch ein erste Entwürfe für ETCS-Richtlinienmodule (819.1344 und 819.1347). Auf der Grundlage der Betriebserfahrungen gründete die [[DB ProjektBau]] 2009 ein ETCS-Kompetenzzentrum in Dresden.<ref name="ei-2012-08-50" /> Aufgrund einer fehlenden Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes ist die ETCS-Ausrüstung der Strecke abgeschaltet und nicht mehr in Betrieb.<ref>[[Eisenbahn-Revue International]] 2/2009, S. 66: ''Nationale ETCS-Lösungen oder Vereinheitlichung des ETCS?''.</ref> Zwischenzeitlich wurde die Planung überarbeitet und neue Balisen (nach SRS&nbsp;2.3.0d) im Gleis montiert.<ref name="ei-2012-08-50" /><br />
<br />
ETCS Level 1 wurde in einem Streckenabschnitt der [[Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn|Bahnstrecke Berlin–Frankfurt (Oder)]] erprobt. In einer Richtung kam dabei Level 1 Full Supervision zum Einsatz, in der anderen Level 1 Limited Supervision.<ref name="ei-2012-08-50">{{Literatur | Autor=Andreas Funke, Jutta Göring, Daniel Trensche, Volker Schaarschmidt | Titel=ETCS Kompetenzzentrum Planung der DB ProjektBau am Standort Dresden | Sammelwerk=[[Der Eisenbahningenieur]] | Band=63 | Nummer= 8 | ISSN=0013-2810 | Jahr=2012 | Monat=8 | Seiten=44–50 | Online=[http://www.eurailpress.de/fileadmin/user_upload/Zeitschriften/Aktuelle_Ausgaben/EI_08_2012.pdf PDF-Datei] }}</ref> Nach anderen Angaben wird dabei auch ETCS Level 2 erprobt.<ref name="eri-2016-76" /><br />
<br />
==== Weitere Entwicklung ====<br />
Am 14. Mai 2004 unterzeichneten die DB und der damalige französische Infrastrukturbetreiber [[Réseau ferré de France|RFF]] eine Absichtserklärung über die Ausrüstung des Korridors Paris – Saarbrücken – Ludwigshafen (später weiter nach Frankfurt) mit ERTMS und ETCS.<ref name="eri-2004-311">''Neue ETCS-Projekte in Europa''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 7/2004, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;311.</ref><ref name="sd-96-6-42">{{Literatur | Titel= Absichtserklärung für ETCS-Projekt unterzeichnet | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 6 | Jahr= 2004 | Seiten= 42 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Die Ausrüstung der [[POS Nord]] (ETCS Level 2 nach der SRS-Version 2.3.0d) sollte im Dezember 2008 abgeschlossen werden.<ref name="ei-2012-08-50" /><ref name="sd-99-1-45" /> Die Inbetriebnahme ist inzwischen für Ende 2019 vorgesehen.<ref name="bauInfoPOS" /><br />
<br />
Die Ausrüstung der [[Schnellfahrstrecke Nürnberg–Ingolstadt–München]] (ETCS Level 2, nach SRS-Version 2.3.0d<ref name="ei-2012-08-50" />) wurde im Dezember 2006 ausgeschrieben. Die Inbetriebnahme war spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 geplant.<ref>[http://www.eurailpress.de/news/wirtschaft-unternehmen/single-view/news/etcs-fuer-nuernberg-muenchen-1.html ''ETCS für Nürnberg–München''] Meldung auf ''eurailpress.de'' vom 27. Dezember 2006.</ref><ref name="sd-99-1-45">{{Literatur | Titel= ETCS für ICE-Strecken | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 99 | Nummer= 1+2 | Jahr= 2007 | Seiten= 45 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Das System ist aufgebaut, jedoch nicht in Betrieb (Stand: 2016).<br />
<br />
Der Auftrag zur Ausrüstung der Achse Berlin–Rostock mit ETCS Level 2 (zunächst mit SRS-Version 2.3.0d wurde im August 2011 für 14 Millionen Euro vergeben.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.ansaldo-sts.com/en/arc/press/ansaldo-sts-wins-berlin-rostock-ertmsetcs-2-signalling-systems-contract|hrsg=Ansaldo STS SpA|titel=Ansaldo STS wins the Berlin-Rostock ERTMS/ETCS 2 signalling systems contract|zugriff=2015-12-07|datum=2011-08-18}}</ref><br />
<br />
Mitte 2007 war die ETCS-Ausrüstung von Strecken in der Gesamtlänge von rund 7000&nbsp;km sowie die Ausrüstung von rund 3000 Fahrzeugen geplant.<ref name="siemens-2007-09">Ralf Kaminsky, Siemens Transportation Systems: ''ETCS auf den Verkehrskorridoren in Europa: Herausforderungen an die Signalindustrie und Stand der Einführung'' (Präsentation). Magdeburg, 6. September 2007.</ref><br />
<br />
Im Juli 2012 wurden erstmals betriebliche Regeln zu ETCS in die [[Fahrdienstvorschrift]] (Richtlinie 408) aufgenommen und seither weiterentwickelt.<ref name="deine-bahn-2015-12-14">{{Literatur | Autor= Frank Tasch | Titel= Verfahrensregeln zum Fahren von Zügen | Sammelwerk=Deine Bahn | Band=43 | Nummer=12 | Jahr= 2015 | ISSN=0172-4479 | Seiten= 14–19 }}</ref> <br />
<br />
Mit Ausnahme der [[ICE&nbsp;2]] sollen alle [[Intercity-Express|ICE-Triebzüge]] eine ETCS-Ausrüstung erhalten.<ref name="etr-2014-5-49">{{Literatur | Autor=Jan-Peter Böhm, Werner Geier, Peter Lankes, Jürgen Memke | Titel=Die Ausrüstung der deutschen ICE-Hochgeschwindigkeitszüge mit ETCS | Sammelwerk=[[Eisenbahntechnische Rundschau]] | Band= 63 | Nummer= 5 | Jahr= 2014 | Seiten= 49–57 | ISSN=0013-2845}}</ref> Die für den Verkehr in die Schweiz eingesetzten [[ICE 1|ICE&nbsp;1]] wurden bereits zwischen 2004 und 2009 für ETCS Level 2 ausgerüstet.<ref name="etr-2014-5-49" /> Da die Kosten von 34 Millionen Schweizer Franken hierfür vom Schweizer Bundesstaat getragen wurden,<ref name="sd-97-9-50">{{Literatur | Titel= Schweiz finanziert ETCS in DB-Triebfahrzeugen | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 9 | Jahr= 2005 | Seiten= 50 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> kann die ETCS-Ausrüstung aber nur in der Betriebsart „Schweiz“ (Länderumschaltung) aktiviert werden.<br />
<br />
Ein Teil der Lokomotiven der [[DB-Baureihe 185|Baureihe 185]] wurden für den Transitverkehr durch die Schweiz mit ETCS ausgerüstet. Bei ersten Fahrten im Dezember 2015 trat eine Vielzahl von Störungen auf, die zur vorübergehenden Abschaltung der ETCS-Ausrüstung führte. Als Ursache werden Einbaumängel vermutet (Stand: Februar 2016).<ref name="eri-2016-80" /><br />
<br />
==== Migrationsplan ====<br />
Die Bundesrepublik [[Notifizierung|notifizierte]] 2003 einen Migrationsplan, der auf der Erstfassung der TSI&nbsp;ZZS von 2002 aufbaute. Aufbauend auf der Erfassung der TSI&nbsp;ZZS für das Bestandsnetz von März 2006 legte die Bundesregierung mit Schreiben vom 5. September 2007 einen nationalen Umsetzungsplan vor. Dabei sollten zunächst sechs von der Bundesregierung Korridore ausgerüstet werden:<ref name="etr-57-660" /><br />
* [[Aachen]] – [[Duisburg]] – [[Hannover]] – [[Magdeburg]] – Landesgrenze nördlich von [[Görlitz]] (Korridor 1G)<br />
* [[Karlsruhe]] – [[Stuttgart]] – [[Ulm]] – [[Augsburg]] – [[München]] – [[Salzburg]] (Korridor 2G)<br />
* [[Flensburg]] – [[Hamburg]] – [[Stendal]] – [[Magdeburg]] – [[Halle (Saale)]] – [[Jena]] – [[Nürnberg]] – [[Treuchtlingen]] – [[Augsburg]] – [[Rosenheim]] (Korridor 3G)<br />
* [[Emmerich]] – [[Köln]] – [[Darmstadt]] – [[Offenburg]] – [[Basel]] (Korridor 4G)<br />
* [[Hamburg]] – [[Wittenberg]] – [[Berlin]] – [[Dresden]] - [[Bad Schandau]] (Korridor 5G)<br />
* [[Darmstadt]] – [[Würzburg]] – [[Nürnberg]] – [[Regensburg]] – [[Passau]] (Korridor 6G)<br />
Für diese Korridore war ETCS Level 2 mit Elektronischen Stellwerken vorgesehen, PZB sollte als Klasse-B-System in Doppelausrüstung zunächst erhalten bleiben. ETCS Level 1&nbsp;LS sollte in Einzelfällen in kurzen Abschnitten als Übergangslösung verwendet werden. Die Ausrüstung sollte an den Landesgrenzen beginnen und sukzessive ins Landesinnere fortgeführt werden. Mit höchster Priorität sollte der Korridor 1G bis 2015 ausgerüstet werden, gefolgt vom Korridor 4G bis 2020. Mit Polen, den Niederlanden und der Schweiz wurden dazu entsprechende Absichtserklärungen geschlossen und verbindliche Inbetriebnahmezeitpunkte festgeschrieben. Bis 2020 sollten darüber hinaus etwa 4800&nbsp;km Korridore und Hochgeschwindigkeitsstrecken mit ETCS ausgerüstet werden. Insgesamt war die Ausrüstung von etwa 9000&nbsp;km vorgesehen.<ref name="etr-57-660" /> Laut Angaben der Deutschen Bahn von 2009 sollten bis 2020 8000&nbsp;km mit ETCS ausgerüstet werden.<ref>Meldung ''ETCS-Ausbau auch für DB ProjektBau immer wichtiger''. In: [[DB Welt]], Ausgabe Dezember 2009, S.&nbsp;11.</ref> Bis 2026{{Zukunft|2026}} sollten ferner alle Schnellfahrabschnitte, mit einer Gesamtlänge von etwa 4000&nbsp;km, mit ETCS Level 2 ausgerüstet werden. Zusätzlich waren „Lückenschlüsse“ vorgesehen, um einen durchgängigen Verkehr für ausschließlich mit ETCS ausgerüsteten Züge zu ermöglichen. ETCS Level 2 sollte dabei vorwiegend auf Schnellfahrabschnitten eingesetzt werden.<ref name="db-2007-09-06">DB Netz AG, Dr. Reiner Behnsch: ''GSM-R und ETCS. Überblick, Stand und Schnittstellen''. Vortrag auf der 52. Eisenbahntechnischen Fachtagung des VDEI. Magdeburg, 6. September 2007.</ref><br />
<br />
Nach [[Entscheidung (EG)|Entscheidung]] 2009/561/EG der Europäischen Kommission vom 22. Juli 2009 ist Deutschland verpflichtet, auf den deutschen Korridorabschnitten [[Emmerich am Rhein|Emmerich]]–[[Basel]], Puttgarden–Nürnberg–München, Dresden(–Prag) und Aachen–Frankfurt (Oder) ETCS bis 2015/2020{{Zukunft|2015}} einzuführen. Die Kosten für die Ausrüstung der Korridore mit ETCS Level 2 würden laut einer Grobkostenschätzung der DB Netz von 2010 rund 4,5 Milliarden Euro betragen.<ref name="bt-17-7618" /> Allein die Ausrüstung des Rheinkorridors zwischen Emmerich und Basel wird von DB Netz mit rund 870 Millionen Euro veranschlagt.<ref name="bt-17-1125">[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701125.pdf ''Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/947 –''] (PDF; 88&nbsp;kB). Drucksache 17/1125 vom 22. März 2010.</ref> Das [[Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung]] sondierte um 2011 bei der Europäischen Kommission die Möglichkeit, auf eine ETCS-Vollausrüstung zu verzichten und stattdessen ETCS STM einzusetzen, da das deutsche Netz bereits über eine leistungsfähige Sicherungstechnik verfüge. Sollte die Europäische Kommission der Bitte um Abänderung der Entscheidung vom 22. Juli 2009 nicht folgen, droht der Bundesrepublik ein [[Vertragsverletzungsverfahren]] mit Zwangsgeldern bzw. einem Mindestpauschalbetrag von 11,3 Millionen Euro.<ref name="bt-17-7618">Deutscher Bundestag (Hrsg.): [http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/076/1707618.pdf ''Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Sachstand Ausbau von ERTMS/ETCS auf Bahnstrecken“ – Drucksache 17/7421 –''] (PDF; 109&nbsp;kB). Drucksache 17/7618 vom 8. November 2011.</ref> Angesichts von erwarteten Kosten für die Vollausrüstung der Korridore beschloss das Bundesverkehrsministerium 2011, zunächst nur den deutschen Teil des Korridors A (Emmerich–Basel) mit ETCS auszurüsten. Auf den übrigen Korridoren sollen die nationalen Zugsicherungssysteme weiterbetrieben werden (STM).<ref name="ei-2012-08-50" /> Die Europäische Kommission sah darin einen „Rückschlag für die Weiterentwicklung des gesamteuropäischen Schienenraums“ und schloss rechtliche Konsequenzen nicht aus.<ref name="hb-2012-15-21">Thomas Ludwig: ''Harmonisierung im Bahnverkehr stockt''. In: [[Handelsblatt]], Nr. 15, 20./21. Januar 2012, S.&nbsp;21 (ähnliche Fassung [http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/deutschland-und-die-eu-streiten-um-eisenbahnsignale/6090860.html online]).</ref> EU-Verkehrskommissar [[Siim Kallas|Kallas]] forderte die Bundesregierung auf, die Installation von ETCS voranzutreiben und sprach von deutlich geringeren Umstellungskosten im Bereich von 250 Millionen Euro, die er mit den Umstellungskosten in der Schweiz auf einer ähnlich langen Strecke untermauerte.<ref name="handelsblatt-2012-37-15">Thomas Ludwig: ''EU drängt auf gemeinsames Sicherungssystem für die Bahn.'' In: ''[[Handelsblatt]].'' Nr.&nbsp;37, 21. Februar 2012, {{ISSN|0017-7296}}, S.&nbsp;15.</ref><ref>[http://www.wiwo.de/politik/deutschland/deutsche-bahn-bruessel-erzwingt-wettbewerb/6233664.html ''Brüssel erzwingt Wettbewerb'']. Artikel auf ''wiwo.de''.</ref> Im März 2013 verwarf das Bundesverkehrsministerium die STM-Pläne und beschloss den Ausbau des Rheinkorridors mit ETCS Level 1 und Level 2.<ref>{{Internetquelle|titel=Grünes Licht für ERTMS-Ausstattung des „Korridors A“|hrsg=Deutsche Bahn AG|zugriff=2015-12-07|datum=2013-03-08|archiv-url=https://web.archive.org/web/20130317033133/http://www.deutschebahn.com/de/presse/presseinformationen/pi_it/3268460/ubd20130308a.html|url=http://www.deutschebahn.com/de/presse/presseinformationen/pi_it/3268460/ubd20130308a.html|archiv-datum=2013-03-17}}</ref><br />
<br />
Die aktuelle ETCS-Ausrüstungsstrategie der Deutschen Bahn basiert auf vier Bausteinen (Stand: 2014):<ref name="db-netz-2014-04">{{Literatur | Herausgeber=[[DB Netz]] | Titel= European Train Control System (ETCS) bei der DB Netz AG | Ort=Frankfurt am Main | Jahr= 2014 | Monat=4 | Seiten= 7, 9–15 | Online= [http://fahrweg.dbnetze.com/file/fahrweg-de/2394144/C2itNOHyXI4KTwb_3kn-uKcscpI/7263212/data/etcsbroschuere_2014.pdf PDF-Datei] }}</ref><br />
* Einführung auf den vier durch Deutschland führenden europäischen Güterverkehrskorridoren (nach TSI&nbsp;ZZS und EU-Verordnung 913/2010). Zunächst die die Ausrüstung des deutschen Teils des Güterverkehrskorridors A vorgesehen: dem rund 675&nbsp;km langen Abschnitt Emmerich–Basel des Korridors [[Rotterdam]]–[[Genua]]; dabei sind ETCS Level 1&nbsp;LS und Level 2 zu etwa gleichen Teilen vorgesehen.<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
* Ausrüstung aller Neubaustrecken (nach TSI&nbsp;ZZS) sowie bei leistungssteigernden Umbauten an TEN-Strecken. Zunächst ist dabei die Ausrüstung der beiden Neubaustrecken des [[Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8|Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8]] vorgesehen.<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
* In den 2020er Jahren soll die Linienzugbeeinflussung durch ETCS Level 2 stufenweise abgelöst werden. Dazu soll ein Konzept erarbeitet und die Notwendigkeit von Doppelausrüstungen im Einzelfall geprüft werden (Stand: 2014). Wo im Rahmen der Umstellung neue Stellwerke entstehen, soll ETCS Level 2 ohne ortsfeste Signale (L2oS) zum Einsatz kommen und ETCS zum Streckenzugangskriterium werden. Das Ablösekonzept ist in Entwicklung (Stand: April 2014).<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
* An 13 Grenzbetriebsstrecken, zwischen Deutschland und Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Luxemburg bzw. Österreich, soll ETCS zum Wechsel zwischen zwei nationalen Zugsicherungssystemen während der Fahrt verwendet werden (ETCS-basierte Transition). 7 dieser Übergänge waren im Frühjahr 2014 bereits in Betrieb.<ref name="db-netz-2014-04" /> {{Anker|Transition}}<br />
<br />
Auf Wunsch des Bundes wurde die Ausrüstung der VDE-8-Neubaustrecken sowie des Güterverkehrskorridors A priorisert. Die Planung aller übrigen ETCS-Projekte ist daher in Überarbeitung (Stand: April 2014).<ref name="db-netz-2014-04" /><br />
<br />
Bis Ende 2015 sollte ein neuer ''European Deployment Plan'' mit der EU verhandelt werden, in dem die Einführung von ETCS bis 2030 verbindlich vereinbart werden sollte.<ref name="deine-bahn-2015-6-6">{{Literatur | Autor= Michael Leining, Reiner Behnsch, Patrick Steinebach | Titel= System mit dem höchsten Sicherheitsstandard in Europa | Sammelwerk=Deine Bahn | Band=43 | Nummer=6 | Jahr= 2015 | ISSN=0172-4479 | Seiten= 6–11 }}</ref> Nunmehr ist die Erstellung einer Analyse bis Ende 2016 vorgesehen (Stand: Anfang 2016).<ref name="eri-2016-76" /><br />
<br />
==== Weitere Planungen ====<br />
Die nächsten geplanten Projekte sind<br />
* ABG: Aachen Hbf – Belgische Grenze; die Ausrüstung der Gleise 6-9 im Bahnhof Aachen und die Strecke 2600 bis zur belgischen Grenze wurde mit dem belgischen Zugsicherungssystem TBL1+ ausgerüstet und ist seit dem 15. Dezember 2013 in Betrieb.<br />
* Deutscher Anteil des EU-Korridors A (Rotterdam – Genua): Emmerich – Basel (Ausrüstung mit ETCS Level 2 nach SRS-Version 3.0.0 und ETCS Level 1 Limited Supervision nach SRS-Version 3.0.0 – zunächst die Streckenabschnitte Emmerich – Oberhausen und Katzenbergtunnel)<br />
* Bei der [[S-Bahn München]] soll die [[Zweite Stammstrecke (S-Bahn München)|Zweite Stammstrecke]] mit ETCS ausgerüstet werden, eine Umrüstung der bestehenden [[Stammstrecke (S-Bahn München)|Stammstrecke]] ist bis 2030 angedacht.<ref name="sz-2016-01-25">{{Literatur | Autor= Marco Völklein | Titel= Vorbild Flughafen | Sammelwerk=[[Süddeutsche Zeitung]] | Band= | Nummer= | Jahr= 2016 | Monat= 1 | Tag= 25 | Seiten= 39 | Online= | ISSN=0174-4917}}</ref><br />
* Erwogen wird die Umrüstung der [[Verbindungsbahn (Stuttgart)|Stammstrecke]] der [[S-Bahn Stuttgart]].<ref>{{Internetquelle|url=//www.region-stuttgart.org/fileadmin/regionstuttgart/06_Presse/06_01_Presseinformationen/PI_2015/PI_Hearing_zu_ETCS.pdf|titel=Presse-Information: Was kann ETCS?|titelerg=Experten-Hearing zu ETCS in der Stammstrecke – Mögliche Potenziale für die S-Bahn, aber Grundlagen für Genehmigung fehlen noch|hrsg=[[Verband Region Stuttgart]]|datum=2015-02-09|zugriff=2015-02-09|format=PDF; 211&nbsp;KiB}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804591.pdf|titel=Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4483 –|titelerg=Infrastruktur für zuverlässige S-Bahnen in Deutschland|hrsg=[[Bundesregierung]]|datum=2015-04-10|zugriff=2015-05-15|format=PDF; 398&nbsp;KiB}}</ref> Eine Studie über die Vorteile von ETCS sollte bis Ende 2015 vorliegen.<ref name="stn-2015-245-17">{{Literatur | Autor= Alexander Ikrat, Wolf-Dieter Obst | Titel= Defekt im Stellwerk löst S-Bahn-Chaos aus | Sammelwerk= [[Stuttgarter Nachrichten]] | Band= | Nummer= 245 | Jahr= 2015 | Monat= 10 | Tag= 23 | Seiten= 17 | Online= unter anderem Titel [http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.s-bahn-aerger-ein-defekt-jagt-den-anderen.ec18cd30-32bf-407a-a700-67a99b599f88.html online] }}</ref><br />
<br />
Für diese Strecken ist eine ETCS-Fahrzeugausrüstung allerdings noch nicht Voraussetzung für den Netzzugang. Züge, die jedoch die POS-Strecke nach Inbetriebnahme von ETCS Level&nbsp;2 (vsl. 2019{{Zukunft|2019}}<ref name="bauInfoPOS" />) mit Höchstgeschwindigkeiten über 160&nbsp;km/h befahren wollen, müssen über eine ETCS-Ausrüstung nach SRS-Version 2.3.0d verfügen. Die erste Strecke, die nur bei vorhandener ETCS-Fahrzeugausrüstung befahren werden darf, ist die im Dezember 2015 in Betrieb gegangene Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle.<br />
<br />
Bei folgenden in Planung oder in Bau befindlichen Strecken soll eine ETCS-Fahrzeugausrüstung zum Streckenzugangskriterium werden:<br />
* [[Schnellfahrstrecke Nürnberg–Erfurt]], Abschnitt Ebensfeld–Erfurt<br />
* [[Neubaustrecke Wendlingen–Ulm]]<br />
* [[Neubaustrecke Rhein/Main–Rhein/Neckar]]<br />
<br />
Bis 2019 sollen 177 ICE-Züge ETCS erhalten. Die Kosten, einschließlich der Wiederzulassung der nachgerüsteten Fahrzeuge, betragen fast 90 Millionen Euro. Die Deutsche Bahn plante nach Angaben von Anfang Dezember 2015, bis 2030 schätzungsweise 5000 bis 8000 Streckenkilometer mit ETCS auszurüsten.<ref name="spiegel-2015-50-114">{{Der Spiegel|ID=140273629 |Titel=Esperanto in Knappenrode |Autor=Christian Wüst |Jahr=2015 |Nr=50 |Seiten=114 }}</ref><br />
<br />
Ende 2015 kündigte Deutsche Bahn im Rahmen des Konzepts ''Zukunft Bahn'' an, durch einen „beschleunigten Ausbau von ETCS in allen Korridoren bis 2030“ ein „Erfolgsbeispiel für die Modernisierung von Infrastruktur in der EU schaffen“ und „Vorreiter bei der flächendeckenden Einführung von neuer Technologie sein“ zu wollen. In Verbindung mit ''Neupro'' sollen die Verspätungsminuten aus der Leit- und Sicherungstechnik halbiert und „Investitionssynergien“ von etwa 1,8 Milliarden Euro realisiert werden. Ferner sollen die Kosten von Betrieb und Instandhaltung gesenkt, Flächenorganisationen in der Instandhaltung zusammengelegt und eine Basis für autonomes Fahren geschaffen werden. In Gesprächen zwischen Bund und DB soll eine Entscheidung über den Start der Umrüstung getroffen werden.<ref name="db-2015-12">{{Literatur | Herausgeber=DB AG | Titel= Zukunft Bahn – Gemeinsam für mehr Qualität, mehr Kunden, mehr Erfolg | Ort= Berlin | Monat=Herbst | Jahr= 2015 | Seiten= 20, 21 | Online= [http://www.deutschebahn.com/file/de/9801892/wkg4frdYuMIVzZSKCejymCkfMMM/10539454/data/Zukunft_Bahn.pdf PDF-Datei] }}</ref> Damit könne die Streckenkapazität auch auf hochbelasteten Strecken um 5 bis 10 Prozent gesteigert werden und [[Trassenpreissystem|Trassenpreise]] gesenkt werden. Die Einführung würde wenigstens 15 Jahre dauern und notwendige Umrüstung von Strecken und Stellwerken 20 bis 25 Milliarden Euro kosten, die durch EU, Bund und DB finanziert werden könnten.<ref name="taz-2015-12-18">{{Literatur | Autor= Richard Rother | Titel= Bahn entdeckt Pünktlichkeit | Sammelwerk= [[die tageszeitung]] | Nummer= 10897 | Jahr= 2015 | Monat= 12 | Tag= 18 | Seiten= 2 | ISSN= 0931-9085 | Online= unter anderem Titel [http://www.taz.de/!5258898/ online] }}</ref> Für die Stellwerksumrüstung sollen Mittel aus der [[Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung]] II in Höhe von einer halben Milliarde Euro pro Jahr verwendet werden. Über die Finanzierung soll mit der 2017 ins Amt kommenden neuen Bundesregierung verhandelt werden. Vorgesehen ist dabei ETCS Level 3.<ref name="eri-2016-94">{{Literatur | Titel= Zukunft Bahn: Weitere Etappe im Ankündigungs-Marathon der DB | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer= 2 | Jahr=2016 | Seiten= 94&nbsp;f. | ISSN= 1421-2811}}</ref> Neuere oder weiterführende Angaben wurden nicht bekannt gemacht (Stand: Februar 2016).<br />
<br />
Die [[Wuppertaler Schwebebahn]] soll mit ETCS Level 2 mit fahrzeugseitiger Gleisfreimeldung, festen Blockabschnitten (ohne Moving Block) betrieben werden. Die Ausrüstung für 32 Fahrzeuge und Strecke wird von [[Alstom Transport Deutschland]] geliefert. An Stelle von GSM-R, das in diesem Fall als kostspielig und nicht zulassungsfähig galt, kommt [[TETRA]] zum Einsatz. Im Übrigen wird auf eine [[Zugvollständigkeitskontrolle|Zugvollständigkeitsprüfung]] verzichtet, da eine Teilen oder Verbinden von Zügen nur im Störfall (Bergung von liegengebliebenen Fahrzeugen) vorgesehen ist.<ref name="etr-2014-6-54">{{Literatur | Autor=Peer Jacobsen | Titel=Die Wuppertaler Schwebebahn mit ETCS Level 3 und TETRA | Sammelwerk=[[Eisenbahntechnische Rundschau]] | Nummer=6 | Jahr=2014 | Seiten= 54–57 | ISSN=0013-2845 | Kommentar= Laut der nachfolgenden Alstom-Information handelt es sich nicht um "ETCS Level 3" }}</ref><ref name="alstom-2012-06-06">{{Internetquelle | url=http://www.alstom.com/press-centre/2012/6/alstom-signs-a-signalling-system-contract-worth-17-million-with-wsw-mobil-gmbh-/ |titel=Alstom signs a signalling system contract worth €17 million with WSW mobil GmbH |hrsg=Alstom |werk=alstom.com |datum=2012-06-06 |archiv-url= |archiv-datum= |zugriff=2016-02-07 |sprache=EN |offline=}}</ref><br />
<br />
=== ETCS in Österreich ===<br />
{{Siehe auch|European Train Control System#ETCS-Einführungen|titel1=Abschnitt „ETCS-Einführungen“ mit Angaben zu den Inbetriebnahmen in Österreich}}<br />
<br />
Am 9. November 1999 wurde mit einer Demonstrationsfahrt nach [[Hegyeshalom]] das Pilotprojekt „ETCS Wien – Budapest“ präsentiert.<ref name="eri-2000-32">Peter Schmied: ''ETCS-System auf der Strecke Wien – Budapest erfolgreich getestet''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 1/2000, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;32&nbsp;f.</ref> Ab Mitte 2001 wurde im Feldversuch der Streckenabschnitt Wien – Nickelsdorf der [[Ostbahn (Österreich)|Ostbahn]] für Level 1 ausgerüstet. Am 22. September 2005 wurde ETCS Level&nbsp;1 auf der 247&nbsp;km langen Strecke Wien – Hegyeshalom – Budapest in Betrieb genommen.<ref name="eri-2005-592">Meldung ''ETCS Level 1 auf der Strecke Wien – Budapest''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 12/2005, S.&nbsp;592.</ref><ref>{{Internetquelle | url=http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20050923_OTS0038/wien-budapest-erste-grenzueberschreitende-magistrale-europas-mit-zugsicherungssystem-etcs | titel=Wien - Budapest: Erste grenzüberschreitende Magistrale Europas mit Zugsicherungssystem ETCS | datum=2005-09-23| hrsg=APA-OTS, ÖBB | zugriff=2015-06-02}}</ref><br />
<br />
Am 30. April 2008<ref name="eri-2010-222">Stefan Rameder: ''ETCS bei den ÖBB: Aufbruch in eine neue Ära der Zugsicherung''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 5, 2010, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;222–225</ref> wurde bei den ÖBB unter den Gesellschaften ein internes Konzernprogramm unter dem Namen „ETCS Level&nbsp;2“ gestartet. Teile und Ziele des Projekts waren die Vergabe der Infrastruktur- und Fahrzeugausstattung an Industrie (2009), die Durchführung von [[GSM-R]]-Tests, die Inbetriebnahme der Probestrecke ([[Inntaltunnel]]; 2010) sowie der Regelbetrieb (Q4/2012).<br />
<br />
Am 12. Jänner 2010 wurde der Auftrag für Triebfahrzeug-Ausstattung vergeben. Der Auftrag zur Ausrüstung von 449 ÖBB-Triebfahrzeugen und Steuerwagen für ETCS wurde an [[Alstom]] vergeben.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.alstom.com/de/press-centre/2011/6/2011-06-15-ETCS-OBB/ | hrsg=Alstrom| titel=Alstom und Thales rüsten Österreichische Bundesbahn mit Zugsicherungssystem ETCS aus | zugriff=2015-06-02}}</ref><br />
<br />
Das [[BMVIT]] forderte die ÖBB im Dezember 2012 auf, eine ETCS-Strategie vorzulegen. Im Februar 2013 startete die ÖBB-Holding das Projekt „ETCS-Strategie 2025+“, deren Planung im Juni 2013 abgeschlossen sein sollte. Der [[Rechnungshof (Österreich)|Rechnungshof]] kritisierte in einem Dezember 2015 veröffentlichen Bericht zur Triebfahrzeug-Beschaffungsstrategie der ÖBB unter anderem das Fehlen einer abgestimmten Strategie zur ETCS-Einführung.<ref name="eri-2016-65">{{Literatur | Titel= Rechnungshof kritisiert ÖBB-Triebfahrzeugbeschaffungen | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer=2 | Jahr=2016 | Seiten= 65 | ISSN= 1421-2811}}</ref><br />
<br />
Die Stecken mit Inbetriebnahme bis zum Jahr 2017 wurden/werden nach [[#Class 1 – 2.3.0d (Juli 2008)|Class 1 – 2.3.0d]] ausgerüstet, für die anderen Strecken ist [[#Baseline 3|Baseline 3]] vorgesehen.<ref name="oebb_infra" /><br />
<br />
=== ETCS in der Schweiz ===<br />
{{Hauptartikel|ETCS in der Schweiz}}<br />
Die Grundsatzentscheidung zum Einsatz von ETCS in der Schweiz wurde im Februar 1998 gefällt.<ref name="sd-99-3-6">{{Literatur | Autor= Peter Eichenberger | Titel= Kapazitätssteigerung durch ETCS | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 99 | Nummer= 3 | Jahr= 2007 | Seiten= 6–14 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Das Schweizer Bundesamt für Verkehr entschied im Jahr 2000, ETCS in der Schweiz flächendeckend einzusetzen. Zunächst, bis Ende 2017, ist vorgesehen, das gesamte Normalspurnetz auf ETCS Level 1&nbsp;LS umzurüsten. Einige Strecken erhalten ETCS Level 2. Ab 2025 soll die Umrüstung auf ETCS Level 2 im gesamten Netz beginnen.<ref name="sd-107-9-9">{{Literatur | Autor= Marc Zurflüh | Titel= ETCS auf grenznahen Strecken | Sammelwerk=[[Signal+Draht]] | Band= 107 | Nummer= 9 | Jahr= 2015 | Seiten= 9–15 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Die Schweiz erwartet durch ETCS eine Kapazitätssteigerung von bis zu 30 Prozent sowie Kostensenkungen.<ref name="sd-95-3-11" /><ref name="sd-98-7-6">{{Literatur | Autor= Andreas Zünd, Hans-Peter Heiz | Titel= Die netzweite Umsetzung von ETCS in der Schweiz | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 7+8 | Jahr= 2006 | Seiten= 6–9 | ISSN= 0037-4997 }}</ref><br />
<br />
==== Neubaustrecken mit ETCS Level 2 ====<br />
[[Datei:CH ETCS 2007.PNG|mini|Folgende Neubaustrecken in der Schweiz sind seit 2007 mit ETCS Level 2 in Betrieb:<br />
# [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist|Mattstetten–Rothrist]] mit Ausbaustrecke<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;[[Ausbaustrecke Solothurn–Wanzwil|Solothurn–Wanzwil]] (Dezember 2004)<br />
# [[Lötschberg-Basistunnel]] (Dez. 2007)]]<br />
Da die [[Schweizerische Bundesbahnen|Schweizerischen Bundesbahnen]] (SBB) auf geplanten [[Neubaustrecke]]n schneller als 160&nbsp;km/h fahren wollten, benötigten sie ein System zur [[Führerstandssignalisierung]].<ref name="eri-2013-351">Stefan Sommer: ''ETCS in der Schweiz – Schritt für Schritt zum Ziel''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 7/2013, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;351–353</ref><br />
{{Anker|Pilotstrecke Schweiz}}<br />
Zum Sammeln von Erfahrungen mit ETCS rüsteten sie den rund 40&nbsp;km langen Abschnitt [[Zofingen]]–[[Sempach]] als Pilotstrecke aus.<ref name="eri-2000-358">Urs Dolder: ''Die Einführung der Führerstandssignalisierung bei den SBB''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 8-9/2000, {{ISSN|1421-2811}}, S. 354–358.</ref> Zum Einsatz kam ETCS Level&nbsp;2 ([[#5A|SRS 5a]]<ref name="sd-96-10-14" />) mit Funkversorgung auf der Basis von konventionellem [[Global System for Mobile Communications|GSM]].<ref name="eri-2000-310">Paul Messmer, Christopher Nicca: ''Die Funkversorgung mit GSM-R für die ETCS-Pilotstrecke Zofingen – Sempach der SBB''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 7/2000, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;310–313.</ref> Auf Außensignale wurde verzichtet.<ref name="sd-95-3-11" /> Nach langwierigen Versuchen ging am 27. April 2002 auf diesem Abschnitt die erste kommerzielle Anwendung von ETCS Level&nbsp;2 in den [[Bahnbetrieb#Regelbetrieb|Regelbetrieb]].<ref name="autogenerated2">Walter von Andrian: ''Führerstandssignalisierung Zofingen–Sempach in Betrieb''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 6/2002, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;276–277</ref> Der kommerzielle Betrieb wurde am 30. April 2002 aufgenommen.<ref name="sd-95-3-11" /> Täglich verkehrten etwa 140 Züge. Zunächst wurden etwa 140 Störfälle pro Woche verzeichnet. Ab März 2003 wurde die Pünktlichkeit vor der Inbetriebnahme erreicht, mit weiter abnehmender Tendenz. Zu sicherheitsrelevanten Störungen kam es nicht.<ref name="sd-95-09-14">{{Literatur | Autor= Mathias Hering, Rasmus Krevet, Marco Liesch | Titel= Verfügbarkeit der weltweit ersten ERTMS/ETCS-Linie mit Level 2 | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 9 | Jahr= 2003 | Seiten= 14–18 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Am 30. November 2003 wurde die ETCS-Ausrüstung außer [[Bahnbetrieb|Betrieb]] genommen.<ref name="eri-2004-36">Walter von Andrian: ''Versuchsstrecke für ETCS Level&nbsp;2 abgeschaltet''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 1/2004, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;36.</ref> Das System, mit einem RBC, Balisen und die Ausrüstung von 63 Fahrzeugen sechs verschiedener Typen, wurde von Bombardier realisiert.<ref name="sd-95-3-11">{{Literatur | Autor= Oskar Stadler, Arnold Trümpi | Titel= Netzweiter Einsatz von ERMTS/ETCS bei Schweizerischen Bundesbahnen | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 3 | Jahr= 2003 | Seiten= 11–14 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Auf der 2004 eröffneten [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist]] wurde die Inbetriebnahme von ETCS Level&nbsp;2 vorerst als zu riskant eingestuft und eine provisorische konventionelle Signalisierung installiert. Nach einem acht Monate dauernden Vorlaufbetrieb wurde am 18. März 2007 die Strecke auf ETCS Level&nbsp;2 umgeschaltet. Im Dezember 2007 wurde die [[Zulässige Höchstgeschwindigkeit#Schienenverkehr|Geschwindigkeit]] von 160&nbsp;km/h auf 200&nbsp;km/h angehoben.<ref name="etcs-standbericht-2011">{{Internetquelle|url=http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00570/01501/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDeYJ7f2ym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A--#page=21|hrsg=Bundesamt für Verkehr BAV|zugriff=2015-12-07|seiten=21|titel=European Train Control System ETCS – Standbericht 2011}}</ref><br />
<br />
Im [[Lötschberg-Basistunnel]] setzt die [[BLS&nbsp;AG]] ETCS Level&nbsp;2 bereits seit der Eröffnung ein, wobei eine [[Zulässige Höchstgeschwindigkeit#Schienenverkehr|Höchstgeschwindigkeit]] von 250&nbsp;km/h möglich ist.<ref name="nzz-2008-12-31">[http://www.nzz.ch/aktuell/panorama/erhoehung-der-tempolimite-im-loetschberg-basistunnel-1.1622608 ''Erhöhung der Tempolimite im Lötschberg-Basistunnel''] in ''NZZ Online'' vom 31. Dezember 2008</ref> Falls ein [[Zug (Eisenbahn)|Zug]] wegen einer [[Entgleisung (Bahn)|Entgleisung]] oder eines [[Brand]]es die [[Fahrtrichtungswechsel|Fahrtrichtung wechseln]] muss, steht der ETCS-Modus [[#Überblick ETCS Modi|Reversing]] (RV) zur Verfügung, der eine überwachte Rückwärtsfahrt erlaubt.<ref name="bav-Standbericht" /> Am 16. Oktober 2007 ereignete sich auf der Lötschberg-Basisstrecke ein [[Lötschberg-Basistunnel#Unfälle und technische Probleme|mit ETCS zusammenhängender Unfall]]. Ursache für die [[Entgleisung (Bahn)|Entgleisung]] waren [[Software]]&shy;fehler in der ETCS-Streckenzentrale ([[#Funktion|RBC]]). Das Ereignis hat in der Fachwelt vorübergehend große Besorgnis über die Betriebssicherheit von ETCS hervorgerufen.<ref name="eri-2007-584">Walter von Andrian:''ETCS-Unfall auf der Lötschberg-Basislinie'' in [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 12/2007, {{ISSN|1421-2811}}, S. 584–585</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.sust.admin.ch/dbapp/search/BS/php/udetail.php?id=370&lang=de |titel=Schlussbericht über die Entgleisung von Güterzug 43647 der BLS AG auf der Weiche 34 (Einfahrt Lötschberg-Basisstrecke) |format=PDF; 2,3&nbsp;MB |autor=Jean Gross |hrsg=Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe (UUS) |datum=2008-06-23|zugriff=2013-07-20}}</ref><br />
<br />
[[Datei:ETM.PNG|311px|mini|1. Migrationsschritt: Ausrüstung der Fahrzeuge mit [[#ETCS in der Schweiz|ETM]], auch „Rucksack“ genannt, welcher die [[Eurobalise#Telegrammaufbau|ETCS-Tele&shy;gram&shy;me]] liest und die Informationen an die Integra-Signum- und ZUB-Fahrzeuggeräte weiterleitet.]]<br />
<br />
==== Migration von ETCS Level 1 Limited Supervision ====<br />
Im Jahr 2011 wurde bekanntgegeben, dass bis Ende 2017 die bestehenden Zugsicherungssysteme [[Integra-Signum]] und [[ZUB 121|ZUB]] auf dem Schweizer Schienennetz durch [[#Modus Limited Supervision|ETCS Level 1 Limited Supervision]] (ETCS L1 LS) ergänzt werden.<ref name="ser-2011-543">SBB, Walter von Andrian: ''ETCS L1 LS und Geschwindigkeitsüberwachung bei den SBB''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 11/2011, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;543.</ref> Die Umrüstung auf [[#Überblick ETCS Modi|ETCS Level 1 Full Supervision]] (ETCS L1 FS) kommt für stark belastete Strecken nicht in Frage, weil damit die Streckenkapazität zu stark reduzieren würde. Im Rahmen der sogenannten [[#Class 1 – 3.0.0 (Dezember 2008)|Baseline 3]] wurde mit Limited Supervision eine vereinfachte Ausführung eingeführt, die im Wesentlichen die Funktionen von klassischen [[Zugbeeinflussung]]ssystemen übernimmt. In einem Pilotversuch von September 2009 bis Februar 2010 in [[Burgdorf BE|Burgdorf]] wurde zum ersten Mal weltweit mit dieser neuen Betriebsart gefahren.<ref name="ser-2010-198" /> Die SBB und weitere europäische Bahnen hatten einen entsprechenden Change Request für ein zunächst als ''ETCS Level 1 punktförmig'' bezeichnetes System eingereicht.<ref name="sd-95-3-11" /><br />
<br />
Bis Ende 2017 soll {{Zukunft|2018}} ETCS auf dem gesamten schweizerischen Netz die heutigen Zugsicherungssysteme ablösen, auf den Nord-Süd-Achsen schon ab 2015.<ref name="bav-Richtlinie" /><br />
<br />
[[Datei:ETCS + Euro-Signum.PNG|mini|142px|Zusätzlich zu ETCS L1 LS werden weiterhin Euro-Signum- und -ZUB-Infor&shy;mationen übertragen.]]<br />
<div class="tright" style="clear:none;">[[Datei:Euro-Signum.PNG|mini|142px|ohne|… [[Eurobalise]]n und [[Euroloop|Euro&shy;loops]], die zur Übertragung von [[Euro-Signum]] und [[Euro-ZUB]] dienen.]]</div><br />
<div class="tright" style="clear:none;">[[Datei:Signum + ZUB.PNG|mini|151px|ohne|2. Schritt: Ersatz der [[Integra-Signum]]-Magnete und [[ZUB 121|ZUB]]-Koppelspulen durch…]]</div><br />
Die Migration erfolgt sie in mehreren Etappen:<br />
* Bis 2017 werden{{Zukunft|2018}}<!--wurden--> sämtliche Integra-Signum-Magnete sowie die [[Transponder#Eisenbahntransponder|Gleiskoppelspulen]] und [[Linienzugbeeinflussung#Linienleiterverlegung|Linienleiter]] der ZUB durch Eurobalisen bzw. [[Euroloop]]s ersetzt. Diese übertragen im für nationale Anwendungen reservierten Anhang der [[Telegramm#Andere Bedeutungen in Spezialfeldern|Datentelegramme]] (Paket&nbsp;44) die Integra-Signum- bzw. ZUB-Information. Dieses System nennt sich [[Euro-Signum]] bzw. [[Euro-ZUB]]. Zum Lesen dieser Informationen wurden bereits bis 2005 sämtliche Fahrzeuge mit [[Eurobalise Transmission Module]] (ETM), [[umgangssprachlich]] auch „Rucksack“ genannt, ausgestattet.<br />
* Oft später, aber ebenfalls bis 2017 wird{{Zukunft|2018}}<!--wurde--> der Modus ETCS Level&nbsp;1 Limited Supervision eingeführt. Die Eurobalisen und -loops übertragen zusätzlich zu den nationalen Euro-Signum und Euro-ZUB-Signalbefehlen die entsprechenden ETCS-Informationen, womit reine ETCS-Fahrzeuge (ETCS only) das Schweizer [[Netzzugang|Netz befahren]] können.<ref name="ser-2010-198" /><br />
<br />
==== Netzweiter Einsatz von ETCS Level 2 ====<br />
[[Datei:CH ETCS L2 2020.PNG|mini|Auf folgenden Strecken soll bis 2020 mit ETCS L2 in Betrieb sein:<br /><br />
&nbsp;&nbsp;1 [[Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist|Mattstetten–Rothrist]] und [[Bahnstrecke Solothurn–Herzogenbuchsee#Ausbaustrecke Solothurn–Wanzwil|Solothurn–<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Wanzwil]] (Dezember 2004)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;2 [[Lötschberg-Basistunnel]] (Dez. 2007)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;3 [[Gotthard-Basistunnel]] (Dez. 2016)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;4 [[Ceneri-Basistunnel]] (Dezember 2019)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;5 [[Brunnen SZ|Brunnen]] (exkl.)–[[Altdorf UR|Altdorf]]–Rynächt<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;(August 2015)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;6 [[Pollegio]] Nord–[[Arbedo-Castione|Castione]] Nord<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;(Oktober 2015)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;7 [[Pully]]– [[Villeneuve VD|Villeneuve]] (201x)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;8 [[Sitten|Sion]]–[[Siders|Sierre]] (201x)<br /><br />
&nbsp;&nbsp;9 [[Giubiasco]]–[[Sant’Antonino TI|S.Antonino]] (Mitte 2018)<br /><br />
10 [[Roche VD]]–[[Vernayaz]] (2018–2020)<br /><br />
11 [[Visp]]– [[Simplontunnel|Simplon]] (2020)]]<br />
<div class="tright" style="clear:none;">[[Datei:CH ETCS 2017.PNG|mini|ohne|Auf der Gotthardlinie und der [[Lötschberglinie|Lötschberg]]–[[Simplonstrecke|Simplon]]-Achse wird 2015 ETCS in Betrieb genommen. Auf dem restlichen Schweizer Netz steht ETCS ab 2017 zur Verfügung.]]</div><br />
Im [[Gotthard-Basistunnel]] wird mit{{Zukunft|2016|12}}<!--kommt seit--> der Inbetriebnahme 2016 ETCS Level&nbsp;2 zum Einsatz kommen. Die Zufahrtsstrecken im Norden und Süden zur bestehenden Linie werden{{Zukunft|2015|10}}<!--wurden--> bereits 2015 auf ETCS Level&nbsp;2 umgerüstet. Der [[Ceneri-Basistunnel]], der 2019 eröffnet werden soll, wird{{Zukunft|2019|12}}<!--wurde, ist--> ebenfalls mit ETCS Level&nbsp;2 ausgerüstet.<ref name="bav-Umsetzung">Bundesamt für Verkehr (BAV): [http://www.bav.admin.ch/themen/03818/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDen55fGym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- ''ERTMS. Umsetzung im normalspurigen Eisenbahnnetz der Schweiz'']. Bern, Dezember 2012.</ref><br />
<br />
Ab{{Zukunft|2025}}<!--seit--> 2025 soll{{Zukunft|2025}}<!--wird (ohne werden)--> beim Ersatz von Stellwerken nur noch ETCS Level&nbsp;2 eingesetzt werden.<ref name="eri-2013-351" /><br />
<br />
Während bisher ETCS Level&nbsp;2 ausschließlich auf Neubaustrecken eingesetzt wurde, kommt ETCS Level 2 ab{{Zukunft|2015|10}}<!--seit--> 2015 zusammen mit der Erneuerung von Stellwerken auf verschiedenen Abschnitten der [[Gotthardbahn|Gotthardstrecke]] zum Einsatz, womit erstmals weltweit ETCS Level&nbsp;2 in mittelgroßen [[Bahnhof|Bahnhöfen]] angewendet wird. Auf diesen Streckenabschnitten und den Zufahrtslinien zum Gotthard-Basistunnel können dann{{Zukunft|2015|10}}<!--ohne dann--> nur noch Fahrzeuge mit ETCS-Vollausrüstung verkehren. Mit der Umstellung konventioneller Strecken auf ETCS Level&nbsp;2 wird{{Zukunft|2016}}<!--wurde--> ab 2015 der Netzzugang für Fahrzeuge ohne ETCS wieder eingeschränkt.<ref name="ser-2013-274">Walter von Andrian: ''Fehlentwicklung bei der Zugsicherung''. In: [[Schweizer Eisenbahn-Revue]], Heft 6/2013, {{ISSN|1022-7113}}, S.&nbsp;274</ref><br />
<br />
=== ETCS in Spanien ===<br />
Im Sommer 2005 ging erstmals im europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr ETCS Level 1 auf der [[Schnellfahrstrecke Madrid–Barcelona]] in Betrieb. Das System war zunächst für Geschwindigkeiten von 300&nbsp;km/h und eine [[Zugfolgezeit]] von bis zu 5½ Minuten ausgelegt. Zunächst sollte die Höchstgeschwindigkeit auf 250&nbsp;km/h festgelegt werden.<br />
<br />
Da die Fahrzeuggeräte der (ab 27. Februar 2005 ausgelieferten) [[AVE S-102|S-102]] zunächst jedoch nicht mit der Streckenausrüstung eines anderen Herstellers kommunizieren konnten, konnte die Streckenhöchstgeschwindigkeit fahrzeugseitig nicht ausgefahren werden. Nach rund 400.000 Teststunden und 112,3 Millionen Euro Aufwand (seit Juli 2004) kündigte der Netzbetreiber [[Administrador de Infraestructuras Ferroviarias|ADIF]] Mitte März 2006 an, statt ETCS die Linienzugbeeinflussung auf der Strecke einsetzen zu wollen. Noch im Frühjahr 2006 begann das ETCS-System (im Level 1) nahezu fehlerfrei zu funktionieren. Die geplante Umstellung auf LZB wurde daher zurückgezogen, die Streckenhöchstgeschwindigkeit am 17. Mai 2006 auf 250&nbsp;km/h angehoben.<ref name="tre-150-34">Mike Bent: ''Spain's high speed step change''. In: ''Today's railways Europe''. 150, June 2008, {{ISSN|1354-2753}}, S.&nbsp;34.</ref> Die betriebliche Höchstgeschwindigkeit im ETCS L1 wurde auf 300&nbsp;km/h begrenzt.<br />
<br />
Mit der Inbetriebnahme von ETCS Level 2 wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke ab 24. Oktober 2011 auf 310&nbsp;km/h erhöht. Die Fahrzeit der durchgehenden Züge zwischen Madrid und Barcelona wurde damit um acht Minuten auf zwei Stunden und 30 Minuten gesenkt.<ref name="railwaygazette-2011-10-18">[http://www.railwaygazette.com/nc/news/single-view/view/madrid-barcelona-at-310-kmh-with-etcs-level-2.html ''Madrid - Barcelona at 310&nbsp;km/h with ETCS Level 2'']. Meldung vom 18. Oktober 2011.</ref><br />
<br />
Mit 1.053&nbsp;Strecken-Kilometern, die unter ETCS betrieben werden, verfügt Spanien über die weltweit größte ETCS-Installation (Stand: Anfang 2009). Neben den Neubaustrecken (ohne die unter LZB betriebene Strecke zwischen Madrid und Sevilla) kommt das System auch im Madrider Vorortverkehr und weiteren Ausbaustrecken zum Einsatz. Untersuchungen zur Umrüstung des gesamten spanischen Eisenbahnnetzes laufen.<ref name="mr-2009-03-58">Richard Malins: ''Spain – a New Railway Mania?'' In: ''Modern Railways''. Bd. 66, Nr. 726, 2009, {{ISSN|0026-8356}}, S.&nbsp;58–63.</ref><br />
<br />
=== ETCS in Italien ===<br />
Am 19. Dezember 2005 ging die [[Schnellfahrstrecke Rom–Neapel]] in Betrieb, auf der unter ETCS Level 2 (ohne Signale<ref name="sd-98-12-44">{{Literatur | Autor= Patrick Castan | Titel= Evolution of Signalling Systems and Implementation of ETCS on New High Speed Lines | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 12 | Jahr= 2006 | Seiten= 44–47 | ISSN= 0037-4997 }}</ref>) 300&nbsp;km/h erreicht werden.<ref name="sd-98-11-30">{{Literatur | Autor= Guillaume De-Tilière, Roberto Semprini | Titel= Roma–Napoli: Commercial operation of ERTMS/ETCS at 300&nbsp;km/h | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 11 | Jahr= 2006 | Seiten= 30–32 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Im Frühjahr 2006 ging auf der [[Schnellfahrstrecke Florenz–Rom]] auf einer Länge von 216&nbsp;km ETCS Level 2 in Betrieb.<ref name="sd-98-6-41">{{Literatur | Titel= HGV-Strecke mit ETCS Level 2 in Italien | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 6 | Jahr= 2006 | Seiten= 41 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Italien verwendet ETCS Level&nbsp;2 auf allen neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken (in Betrieb sind 2007 die Abschnitte Rom–Neapel und Novara–Turin). Die Ausrüstung einiger wichtiger Bestandsstrecken, allen voran die Alpenübergänge, ist bereits geplant. Außerdem werden bis Ende 2007 alle Haupt- und Ergänzungsstrecken mit der punktförmigen Zugbeeinflussung [[Sistema di Controllo della Marcia del Treno|SCMT]] (die auf ETCS Level&nbsp;1 aufbaut) ausgestattet sein.<br />
<br />
=== ETCS in Großbritannien ===<br />
In Großbritannien fiel im Mai 2003 die Entscheidung, mit der [[Cambrian Line]] zunächst eine vergleichsweise schwach ausgelastete Strecke mit ETCS Level 2 auszurüsten. Nachdem der Auftrag 2006 vergeben wurde, kam es infolge unklarer Systemspezifikationen (SRS 2.2.2, 2.3.0, 2.3.0d) zu Verzögerungen. Ende 2008 begann die Ausrüstung der Strecke und der auf ihr verkehrenden Fahrzeuge. 2011 sollen weitere Strecken in Großbritannien folgen.<ref name="mr-2009-721-30">ohne Autor: ''ETCS – programme slips as snags emerge''. In: ''Modern Railways''. Bd. 65, Nr. 721, 2008, {{ISSN|0026-8356}}, S.&nbsp;30&nbsp;f.</ref> Aufgrund ungelöster Probleme mit der Ablesbarkeit der Triebfahrzeugführer-Displays bei starker Sonneneinstrahlung verzögerte sich die Inbetriebnahme bis Ende 2010 (Stand: Juli 2010).<ref name="mr-742-14">Rhodri Clark: ''Sunshine delays Cambrian ERTMS''. In: ''Modern Railways''. Bd. 67, Nr. 742, 2010, {{ISSN|0026-8356}}, S.&nbsp;14</ref> Das System wurde am 29. Oktober 2010 in Betrieb genommen.<ref>[http://www.railwaygazette.com/nc/news/single-view/view/uks-first-etcs-level-2-signalling-goes-live.html UK’s first ETCS Level 2 signalling goes live - Railway Gazette<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref> Ursprünglich war die Inbetriebnahme der schwach befahrenen, rund 200&nbsp;km langen Strecke für 2008 geplant.<ref name="eri-2004-311" /><br />
<br />
In einem weiteren Projekt kooperiert der britische Schienennetzbetreiber [[Network Rail]] mit [[Hitachi (Unternehmen)|Hitachi]] bei der Entwicklung einer ETCS-Level-2-Lösung, basierend auf Hitachis japanischer Stellwerkstechnik.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.hitachi.co.uk/about/press/pressrelease.jsp?id=666|zugriff=2015-12-07|titel=Hitachi and Network Rail collaborate on ETCS-compatible signalling demonstration|datum=2008-02-20|hrsg=Hitachi, Ltd.}}</ref><br />
<br />
=== ETCS in den Niederlanden ===<br />
Die Einführung von ETCS, als Teil eines Programms zur Ertüchtigung der niederländischen Eisenbahn für das 21. Jahrhundert, wurde ab 1999 gefördert.<ref name="sd-97-12-47">{{Literatur | Autor= Patrik Ahlqvist, Mathias Hering | Titel= Mixed Signalling -<!--sic--> Conventional Signalling and ERTMS on One<!--sic--> Line | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 12 | Jahr= 2005 | Seiten= 47–49 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> In den Niederlanden wurde die Ausrüstung einer Pilotstrecke ([[Zwolle]]–[[Leeuwarden]]) im Oktober 2001 begonnen und Versuchsfahrten im März 2002 aufgenommen. Auf 26&nbsp;km Länge kam ETCS Level 2 zum Einsatz, das auf 12&nbsp;km von ETCS Level 1 überlagert wurde.<ref name="sd-96-6-17">{{Literatur | Autor= Nick Cory | Titel= Aktuelle ETCS-Projekte in den Niederlanden | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 6 | Jahr= 2004 | Seiten= 17–25 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> 2005 erfolgten auf verschiedenen Strecken Testfahrten verschiedener Hersteller, bei den erstmals Fahrzeug- und Streckenausrüstung unterschiedlicher Hersteller in sogenannten ''Crosstests'' zusammen erprobt wurden.<ref name="sd-97-4-40">{{Literatur | Titel= Erfolgreiche Tests mit ERTMS Level 2 in den Niederlanden | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 4 | Jahr= 2005 | Seiten= 40 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><ref name="sd-97-7-49">{{Literatur | Titel= Erfolgreicher ETCS-Crosstest auf Betuweroute | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 97 | Nummer= 7+8 | Jahr= 2005 | Seiten= 49 | ISSN= 0037-4997 }}</ref> Die [[Betuweroute]] ist seit 2007, die [[Bahnstrecke Amsterdam–Arnhem|Ausbaustrecke Amsterdam–Utrecht]] und seit 2009 die grenzüberschreitende [[Schnellfahrstrecke Schiphol–Antwerpen]] mit ETCS Level 2 in Betrieb.<br />
<br />
Im Mai 2003 wurde die Streckenausrüstung der viergleisigen, 30&nbsp;km langen Strecke zwischen Amsterdam und Utrecht vergeben und zwischen August 2005 und Dezember 2006 in vier Stufen in Betrieb genommen.<ref name="sd-97-12-47" /> Der Auftragswert, der auch ein Elektronisches Stellwerk und konventionelle Signale mit einschließt, belief sich auf 23 Millionen Euro.<ref name="sd-98-7-47">{{Literatur | Titel= Bombardier liefert ESTW für Niederlande | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer=7+8 | Jahr= 2006 | Seiten= 47&nbsp;f | ISSN= 0037-4997 }}</ref><br />
<br />
<ref name="sd-98-9-6">{{Literatur | Autor= Roger Hall | Titel= ETCS-Fahrzeugausrüstung in den Niederlanden | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 9 | Jahr= 2006 | Seiten= 6–10 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Am 8. Dezember 2014 wurde im Bereich von Zevenaar das Zugsicherungssystem von ATB auf ETCS L2 umgestellt.<br />
<br />
Eurobalisegestützte Klasse-B-Transitionen auf deutsch-niederländischer Grenzinfrastruktur sind seit 2010 folgenden Streckenabschnitten aktiv:<br />
<br />
* [[Laarwald]] – [[Coevorden]] (Streckennummer 9203)<br />
* [[Bad Bentheim]] – [[Oldenzaal]] (Streckennummer 2026)<br />
* [[Kaldenkirchen]] – [[Venlo]] (Streckennummer 2510)<br />
* [[Herzogenrath]] – [[Landgraaf]] (Streckennummer 2543)<br />
<br />
sowie an folgenden an belgisch-niederländischen Streckenabschnitten:<br />
<br />
* [[Essen (Belgien)]] – [[Roosendaal]]<br />
* [[Neerpelt]] – [[Weert]]<br />
* [[Visé]] – [[Maastricht]]<br />
<br />
Bis 2028 sollen große Teile des Schienennetzes mit ETCS Level 2 ausgerüstet werden, insbesondere im dicht besiedelten Westen des Landes. Die geschätzten Kosten von 2,5 Milliarden Euro werden vom niederländischen Staat finanziert.<ref name="eri-2014-298">{{Literatur | Titel= Niederlande setzen auf ETCS | Sammelwerk=[[Eisenbahn-Revue International]] | Nummer= 6 | Jahr=2014 | Seiten= 298 | ISSN= 1421-2811}}</ref> Im Januar 2016 wurden Verzögerungen bekannt. Der Zeitplan der Umrüstung, der alle TEN-Korridorstrecken und Hauptachsen des niederländischen Netzes umfasst, soll unter anderem aufgrund einer Kritik an mangelndem Projekt- und Kostenmanagement sowie Verzögerungen in den Nachbarländern, überarbeitet werden.<ref name="rgz-2016-01-18">{{Internetquelle | url=http://www.railwaygazette.com/news/infrastructure/single-view/view/etcs-rollout-re-evaluated.html |titel=ETCS rollout re-evaluated |titelerg= |werk=railwaygazette.com |datum=2016-01-18 |archiv-url= |archiv-datum= |zugriff=2016-01-23 |sprache=DE |offline=}}</ref><br />
<br />
=== ETCS in Dänemark ===<br />
Der dänische Schienennetzbetreiber [[Banedanmark]] wird das komplette dänische Signalsystem bis 2021{{Zukunft|2021}} ersetzen. Dabei kommt als Zugleitsystem, mit Ausnahme des [[S-Bahn Kopenhagen|Kopenhagener S-Bahn-Netzes]], ETCS Level&nbsp;2 zum Einsatz. Gleichzeitig werden die gesamte Stellwerkstechnik sowie die entsprechenden Betriebsvorschriften ersetzt. Die entsprechende Signaltechnik wurde in drei Losen ausgeschrieben, dem Westnetz, dem Ostnetz sowie dem S-Bahn-Netz Kopenhagen. Diese drei Netze werden jeweils von einer einzigen Betriebszentrale aus gesteuert werden. Die entsprechenden finanziellen Mittel wurden im Herbst 2008 durch das dänische Parlament bewilligt.<ref>[http://www.bane.dk/visSignalKampagne.asp?artikelID=7241 Re-Signalisierungsprojekt in Dänemark] (dänisch)</ref><br />
<br />
Die Planungen sehen Investitionen in Höhe von 21 Milliarden [[Dänische Krone|Dänischen Kronen]] vor. Die Einführung auf allen staatlich betriebenen Strecken ist zwischen 2017 und 2021 vorgesehen.<ref>[[Lars Barfoed]]: ''Current status of public transport in Denmark.'' In: ''Eurotransport.'' {{ISSN|1478-8217}}, Heft 3, 2009 (Jg. 7), ISSN,S.&nbsp;14–17</ref> Am 16. Dezember 2011 wurden die bevorzugten Bieter für die beiden vorgesehenen ETCS-Teilnetze bekannt gegeben. Jeweils sechs Anbieter hatten sich auf jedes der beiden Netze beworben.<ref>Railway Gazette: [https://www.railwaygazette.com/nc/news/single-view/view/danish-etcs-programme-preferred-bidders-named/archiv/2011/12.html ''Danish ETCS programme preferred bidders named'']. Meldung vom 16. Dezember 2011</ref> Nebenstrecken sollen nach 2021 mit ETCS Level 3 ausgestattet werden.<ref>The Railengineer: [http://www.therailengineer.com/2013/11/06/biting-the-bullet-the-danish-ertms-roll-out/ ''Biting the bullet – the Danish ERTMS roll out'']</ref><br />
<br />
=== ETCS in Schweden ===<br />
In Schweden ist ETCS Level 2 auf der [[Botniabanan|Botniabahn]] (Nyland – [[Umeå]]) eingerichtet (Inbetriebnahme der Neubaustrecke 28. August 2010, Höchstgeschwindigkeit 250&nbsp;km/h, ETCS Level 2 auch im März 2011 noch nicht voll einsatzbereit<ref name="BotniabahnKosten">[http://www.dn.se/ekonomi/dyraste-taglinjen-en-flopp Dyraste tåglinjen en flopp – DN.SE<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref>), in Vorbereitung für den [[Citytunnel Malmö]] (ETCS Level 1, verspätet bis 2015{{Zukunft|2015}}), sowie ETCS Level 3 ([[ERTMS Regional]]) für die Strecke [[Borlänge]] – [[Malung]] ([[Västerdalsbanan]])(2012). ETCS Level 2 wird in Schweden auch System E2 genannt. Da es große Probleme mit System E2 auf der Botniabahn gab, hat man „system E4“ erfunden, das heißt einen Omnibus auf der Straße [[Europastraße 4|E4]] eingesetzt. Der Staat hat geplant, dass die Kosten für Fahrzeugeinrichtungen (0,2 – 1 Million Euro pro Fahrzeug) von den Fahrzeugeigentümern finanziert werden müssen.<br />
<br />
=== ETCS in Tschechien ===<br />
Seit Mitte November 2007 ist die Lokomotive 362&nbsp;166 der [[České dráhy|CD]] mit ETCS Level 2 ausgerüstet. Mit ihr sowie zwei weiteren ETCS-Testfahrzeugen soll ETCS in einem 22&nbsp;km langen Pilotabschnitt zwischen [[Kolín]] und [[Poříčany]] der [[Bahnstrecke Česká Třebová–Praha]] erprobt werden.<ref name="ser-2008-01-38">Meldung ''ETCS Level 2 in Tschechien''. In: [[Schweizer Eisenbahn-Revue]], Ausgabe Januar 2008, {{ISSN|1022-7113}}, S.&nbsp;38.</ref><br />
<br />
=== ETCS in der Slowakei ===<br />
Ende Juni 2007 hat die slowakische Eisenbahn ([[Železnice Slovenskej republiky|ZSR]]) den Auftrag gegeben die Strecke ([[Svätý Jur]] bis [[Nové Mesto nad Váhom]]) mit ETCS Level 1 auszurüsten. Die Herausforderung stellte dabei die Tatsache dar, dass die bestehenden Signalabstände für Geschwindigkeiten von 120&nbsp;km/h ausgelegt waren, der ETCS Betrieb 160&nbsp;km/h ermöglichen musste. Damit wurde eine Routenvoraussicht realisiert, welche im Bedarfsfall (wenn die Geschwindigkeit bzw. die Performance der Strecke es erforderte) die Strecke über zwei Signalabstände genau und den dritten Signalabstand restriktiv beschreiben konnte.<br />
Mit dieser Innovation ging die Strecke von Sväty Jur bis Trnava im Dezember 2008 rechtzeitig zum Fahrplanwechsel in Betrieb.<br />
Da die ZSR selbst keine ETCS Fahrzeuggeräte besitzt (diese befinden sich gerade in Ausschreibung; Stand September 2009) unterstützte die [[Magyar Államvasutak]] bzw. die [[Österreichische Bundesbahnen]]<ref>[http://www.vlaky.net/servis/sprava.asp?lang=1&id=3024&hit=0 ETCS Testfahrt mit Taurus im April 2009] (slowakisch)</ref> mit ETCS Loks die Strecke abzufahren bzw. zu testen.<br />
<br />
Im Dezember 2009 ging der letzte Teil der Strecke (Trnava bis Nové Mesto) in Betrieb. Damit hat die Slowakei ca. 90&nbsp;km Strecke am Korridor 5 mit etwa 750 Balisen ausgerüstet.<br />
<br />
Derzeit gibt es Bestrebungen, zwischen Zilina und der tschechischen Grenze ETCS L2 zu installieren.<br />
<br />
=== ETCS in Polen ===<br />
[[Polen]] will ab Juni 2011 die 224&nbsp;km langen Bahnstrecke zwischen [[Grodzisk Mazowiecki]] und [[Zawiercie]] mit ETCS Level 1 betreiben. Auf der Strecke sind dann Geschwindigkeiten bis 200&nbsp;km/h möglich.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.eurailpress.de/news/alle-nachrichten/single-view/news/erste-etcs-strecke-fuer-polen-1.html|zugriff=2015-12-07|datum=2009-12-15|hrsg=Eurailpress|titel=Erste ETCS-Strecke für Polen}}</ref><br />
<br />
=== ETCS in Belgien ===<br />
[[Belgien]] plant, das gesamte Netz mit ETCS Level 1 LS auszurüsten, eine Aufrüstung zu Level 1 ist dann einfach möglich. Zu diesem Zweck werden 4000 Signale mit [[TBL|TBL 1+]] ausgerüstet.<ref>Nathalie George: [http://findarticles.com/p/articles/mi_m0BQQ/is_4_48/ai_n25337861 ''Belgium bridges the ETCS gap.''] In: ''[[International Railway Journal]].'' April 2008.</ref> Ein Auftrag über die Ausrüstung von 4000 Signalen mit ETCS Level 1 (LEU), sowie deren Wartung für 20 Jahre, wurde Mitte 2006 an Siemens vergeben.<ref name="sd-98-7-50">{{Literatur | Titel= Siemens gewinnt Großauftrag über ETCS-Kompoenten | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 7+8 | Jahr= 2006 | Seiten= 50 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref><br />
<br />
Die Pilotstrecke Brüssel–Leuven wurde am 1. März 2012 fertiggestellt. Der gesamte Netzausbau soll bis zum Jahr 2023{{Zukunft|2023}} fertiggestellt werden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.railjournal.com/newsflash/first-belgian-conventional-line-equipped-with-etcs-1515.html |titel=First Belgian conventional line equipped with ETCS |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120331191036/http://www.railjournal.com/newsflash/first-belgian-conventional-line-equipped-with-etcs-1515.html |archiv-datum=2012-03-31|werk=Rail Journal |datum=2012-03-05|zugriff=2013-07-20}}</ref> Die [[HSL 3]] und die [[HSL 4]] sind mit ETCS Level 2 ausgerüstet.<br />
<br />
[[Infrabel]], der Betreiber des belgischen Eisenbahnnetzes vergab im Sommer 2015 einen Auftrag in Höhe von 510 Millionen Euro an ein Konsortium von [[Siemens Mobility]] und [[Cofely-Fabricom]] für den Einbau von ETSC Level&nbsp;2 auf mehr als 2200 Gleiskilometern. Die Fertigstellung soll bis Ende 2025 erfolgen. Siemens hatte den Zuschlag bereits im Oktober 2014 erhalten. Durch den Einspruch eines unterlegenen Mitbewerbers verzögerte sich die Vertragsunterzeichnung um mehrere Monate.<ref>[http://www.railwaygazette.com/news/infrastructure/single-view/view/etcs-level-2-contract-signed.html ''Railway Gazette'' vom 5. August 2015] (englisch) abgerufen am 11. August 2015.</ref><br />
<br />
=== ETCS in Rumänien ===<br />
Ende 2014 beauftragte der Infrastrukturbetreiber CFR-SA die Firmen [[Alstom]], [[Alcatel-Lucent]] und Pas 97 Impex, die 170&nbsp;km lange Strecke Simeria – Coşlariu – Sighișoara im Zuge von Ausbauarbeiten zur Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit von 120&nbsp;km/h auf 160&nbsp;km/h mit ETCS L2 auszurüsten. Der Auftragswert beläuft sich auf etwa 500 Mio. [[Rumänischer Leu|Leu]].<ref>{{Internetquelle|url=http://www.railwaygazette.com/news/infrastructure/single-view/view/transylvanian-etcs-level-2-contract-awarded.html|titel=Transylvanian ETCS Level 2 contract awarded|zugriff=2015-12-11|hrsg=Railway Gazette}}</ref><br />
<br />
=== ETCS im übrigen Europa ===<br />
In Frankreich wurde die [[LGV Est européenne]], neben dem bestehenden TVM-System, auch mit ETCS ausgerüstet.<ref name="sd-98-12-44">{{Literatur | Autor= Patrick Castan | Titel= Evolution of Signalling Systems and Implementation of ETCS on New High Speed Lines | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 98 | Nummer= 12 | Jahr= 2006 | Seiten= 44–47 | ISSN= 0037-4997 }}</ref><br />
<br />
In [[Luxemburg]] ist der Betrieb fast vollständig auf ETCS Level 1 umgestellt worden.<ref>jmj, [http://zlv.lu/spip/spip.php?article5974 ''Luxemburg Vorreiter bei einheitlichem Zug-Sicherheitssystem''] [[Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek]], 21. Oktober 2011</ref> Nach einem Hearing (im Dezember 1999) wurde ein Lastenheft erstellt, das Projekt europaweit ausgeschrieben und im Juli 2002 an Alcatel vergeben.<ref name="sd-95-9-19">{{Literatur | Autor= Henri Werdel, Jean-Jacques Kolb, André Feltz, Hans Kast | Titel= Ausrüstung des gesamten Luxemburger Eisenbahnnetzes mit ETCS Level 1 | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 95 | Nummer= 9 | Jahr= 2003 | Seiten= 18–24 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> 2002 begann die Umrüstung von Triebfahrzeugen.<ref name="sd-98-4-3" /> Zum Einsatz kommt ETCS Level 1 mit Signalabgriff (LEU). Anfang 2004 ging ein 25&nbsp;km langer Pilotstreckenabschnitt mit ETCS Level 1 in Betrieb.<ref name="sd-96-11-16">{{Literatur | Autor= André Feltz, Robert Wietor, Gerhard Hillenbrand | Titel= ETCS-Level-1-Projektierung in Luxemburg | Sammelwerk=[[Signal + Draht]] | Band= 96 | Nummer= 11 | Jahr= 2004 | Seiten= 16–23 | ISSN= 0037-4997 | Online= }}</ref> Die erste von neun Teilstrecken ist seit 1. März 2005 mit ETCS unter Betrieb.<ref name="sd-98-4-3" /><br />
<br />
Ende 2003 vergab die [[Organismos Sidirodromon Ellados|Griechische Staatsbahn]] einen Auftrag zur Ausrüstung der Neubaustrecke Athen – [[Kiato]] mit ETCS Level 1.<ref name="eri-2003-558">Meldung ''ETCS für Griechenland''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 12/2003, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;558.</ref> Die Strecke zum Flughafen Athen wurde zu den Olympischen Spielen 2004 in Betrieb genommen.<ref name="sd-96-10-6" /><br />
<br />
Für die Winterspiele 2014 in Russland sollte die Strecke nach Sotschi mit der ETCS-kompatiblen [[KLUB-U|ITARUS-ATC]]-Zugsicherung (entstanden in einer Kooperation der italienischen Ansaldo STS und der russischen VNIIAS) ausgerüstet werden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.wirtschaftsblatt.at/archiv/italiener-bauen-bahnverbindung-430374/index.do |titel=Italiener bauen Bahnverbindung |werk=[[Wirtschaftsblatt]] |autor=Michael Tillian |datum=2010-07-14|zugriff=2013-07-20}}</ref> Weißrussland bemüht sich um eine Lizenzierung des ITARUS-ATC, um diese ETCS- und KLUB-kompatible Zugsicherung in den [[Paneuropäische Verkehrskorridore|paneuropäischen Verkehrskorridoren]] 2 und 9 einzusetzen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.trans-port.com.ua/index.php?newsid=12251 |titel=Технологии Finmeccanica могут появиться в Беларуси |sprache=uk |werk=Trans-port.com.ua |datum=2010-04-28|zugriff=2013-07-20}}</ref><br />
<br />
Die Arbeitsgruoppe ''Corridor 2007'', bestehend aus CFL, DB, HSL Zuid, Infrabel, RFF und SNCF, setzt sich für die Harmonisierung betrieblicher Regeln in Zusammenhang mit ETCS ein.<ref name="sd-98-12-44" /><br />
<br />
=== ETCS außerhalb von Europa ===<br />
Im Jahr 2000 beschloss das [[Indien|indische]] Verkehrsministerium die Realisierung eines ETCS-Pilotprojekts auf der Strecke [[Delhi]]–[[Mathura]].<ref name="eri-2000-275">Meldung ''ERTMS-Spezifikation festgelegt''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 6/2000, {{ISSN|1421-2811}}, S.&nbsp;275</ref><br />
<br />
In der [[Volksrepublik China]] ging ETCS (Level 1) auf der [[Schnellfahrstrecke Peking–Tianjin]] in Betrieb.<ref name="tslive-2007-10-18">Harald Klein, Ulrike Führmann: ''Tempo, Tempo, Tempo. Erste Hochgeschwindigkeitsstrecke in China''. In: ''tslive'', Ausgabe Oktober 2007, Lokalausgabe Braunschweig, ohne ISSN, S.&nbsp;18</ref><ref name="railwaygazette-2008-07-31">{{Internetquelle|hrsg=[[Railway Gazette International]]|titel=Beijing - Tianjin high speed line opens for business|url=http://www.railwaygazette.com/nc/news/single-view/view/beijing-tianjin-high-speed-line-opens-for-business/browse/5.html |datum=2008-07-31|zugriff=2010-10-04|sprache=Englisch}}</ref> ETCS Level 2 und ERTMS (entsprechend [[Chinese Train Control System]] Level 3) sollen in der [[Volksrepublik China]] auf der fast 1000&nbsp;km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen [[Wuhan]] und [[Guangzhou]] zum Einsatz kommen. Der Mitte 2007 vergebene Auftrag zur Streckenausrüstung hat ein Volumen von 66 Millionen Euro (für Installation, Lieferung, Prüfung und Inbetriebnahme) und umfasst neben der Streckenausrüstung auch die Ausrüstung von 60 Hochgeschwindigkeitszügen. Das System sollte im Januar 2010 in Betrieb genommen werden.<ref name="etr-2007-574">Meldung ''ETCS Level 2 für China''. In: ''[[Eisenbahntechnische Rundschau]]''. 56, Nr.&nbsp;9, 2007, S.&nbsp;574.</ref><br />
<br />
Im Juni 2009 ging ETCS Level 1 auf den beiden Bahnstrecken zwischen der [[Saudi-Arabien|saudi-arabischen]] Hauptstadt [[Riad]] und [[Dammam]] in Betrieb. Die Umrüstung der 556&nbsp;km langen Güterverkehrs- und der 449&nbsp;km langen Personenverkehrsstrecke ist der erste Einsatz von ETCS in der [[Arabische Welt|arabischen Welt]]. Das Auftragsvolumen, einschließlich der Ausrüstung mit GSM-R, lag bei umgerechnet 91 Millionen [[Euro]].<ref>Meldung ''ETCS in Saudi-Arabien''. In: [[Eisenbahn-Revue International]], Heft 8-9/2009, S.&nbsp;422</ref><br />
<br />
In [[Neuseeland]] soll ETCS Level 1 zum Einsatz kommen. [[Ontrack]], der nationale Infrastrukturbetreiber von Neuseeland hat 2009 einen entsprechenden Auftrag vergeben. Ausgerüstet werden Vorortstrecken im Großraum [[Auckland]], die parallel modernisiert und elektrifiziert werden. Dies ist die erste Installation des europäischen Zugsicherungssystems in Neuseeland.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.eurailpress.de/news/technik/single-view/news/neuseeland-installation-von-etcs-level-1-1.html|zugriff=2015-12-07|datum=2009-04-30|hrsg=Eurailpress|titel=Neuseeland: Installation von ETCS Level 1}}</ref><br />
<br />
In [[Mexiko]] ist ETCS Level 1 auf der 27 km langen Vorortbahn (FS1) zwischen den Stationen Buenavista in Mexiko Stadt und Cautitlán im Bundesstaat Mexico seit dem 7. Mai 2008 im Einsatz.<ref>[http://www.caf.es/en/productos-servicios/soluciones-integrales/casos-estudio/suburbano_mexico.php CAF-Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles, your railway solutions<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref><br />
<br />
In [[Brasilien]] rüstet der S-Bahnbetreiber [[SuperVia]] sein 223 km langes Netz mit ETCS Level 1 aus. Betriebsbeginn ist für 2014 geplant.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.ertms.net/?p=261|titel=Rio Suburban network to be equipped with ERTMS|hrsg=ERTMS|zugriff=2015-12-07}}</ref><br />
<br />
Erstmals wird in der Türkei jetzt ETCS Level 2 installiert. Im Auftrag von Yapı Merkezi wird Siemens (ehem. Invensys Rail Dimetronic) das Zugsicherungssystem auf der neuen 212 km langen Strecke Ankara – Konya installieren.<br />
Das Unternehmen liefert nicht nur die Technik für die Strecke sondern auch für die Fahrzeuge. Das Equipment für das GSM-R kommt dagegen von Nortel. Auf der im Dezember 2010 fertig gestellten Strecke erfolgten unter ETCS Level 1 bislang nur Testfahrten mit maximal 120&nbsp;km/h. Künftig sind hier 250&nbsp;km/h zugelassen. Von den 12 CAF-Triebzügen, die derzeit zwischen Ankara und Eskisehir mit ETCS Level 1 eingesetzt werden, sollen sechs das Onboard-Gerät Futur 3000 für den Level 2 erhalten.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.eurailpress.de/news/technik/single-view/news/tuerkei-etcs-level-fuer-hgv-strecke-1.html|hrsg=Eurailpress|zugriff=2015-12-07|datum=2011-02-08|titel=Türkei: ETCS Level für HGV-Strecke}}</ref><br />
<br />
== Kritik ==<br />
=== Vorteile ===<br />
* Die [[Interoperabilität im Schienenverkehr]] erhöht sich. Dadurch soll in Zukunft die Mehrfach-Ausrüstung von verschiedenen Zugsicherungssystemen in nur einer Lok vermieden werden, was wiederum Kosten sparen soll. Grundvoraussetzung hierfür ist allerdings ein durchgängiges ETCS-Streckennetz in Europa, was derzeit (Ende 2012) noch in weiter Ferne liegt.<br />
<br />
* Die [[Abwärtskompatibilität]] zu älteren nationalen Zugsicherungssystemen („Class B-Systeme“) ist durch Level&nbsp;0 und Level&nbsp;STM möglich (optional).<br />
<br />
* Die [[Skalierbarkeit]] ist durch die Level&nbsp;1, 2 und 3 gegeben. Dadurch kann ETCS den Ansprüchen verschiedener Strecken, Nutzungsprofile und Eisenbahnverwaltungen gerecht werden.<br />
<br />
=== Nachteile ===<br />
* Wegen der unterschiedlichen Betriebsverfahren bei den Bahnen sind die Anforderungen an ETCS z.&nbsp;T. recht unterschiedlich. Auf Grund der hohen Kosten bei der Nachentwicklung für Anpassungen besteht die Gefahr, dass die Bahnen nur die Entwicklungen finanzieren, die ihrem eigenen Betriebsverfahren helfen. Dadurch sind bereits ETCS-Varianten entstanden, die nicht kompatibel sind (siehe auch Abschnitt [[#Interoperabilität|„Interoperabilität“]]).<br />
* Während der Einführungsphase müssen Alt- und Neusysteme parallel installiert sein. Je nach dem Vorgehen bei der Einführung wird auf Fahrzeugen oder auf der Strecke doppelt ausgerüstet. Dieses führt zu höheren Kosten.<br />
* Es ist absehbar, dass die für Level&nbsp;2 erforderlichen Funkkanalkapazitäten von GSM-R im Bereich von Rangierbahnhöfen und von Eisenbahn-Knotenpunkten nicht ausreichen. Im Fall von Knoten müssten entweder sehr viele kleine Funkzellen eingerichtet werden, oder das weniger leistungsfähige ETCS Level&nbsp;1 installiert werden. Das Problem lösen würde ein paketbasiertes Funksystem wie [[GPRS]]. Die derzeitigen Spezifikationen erlauben aber nur den Einsatz des verbindungsbasierten GSM-R.<br />
* Für Bahn-Infrastrukturbetreiber, die bereits über leistungsfähige Zugleit- und Zugsicherungssysteme verfügen (DB Netz: [[Linienzugbeeinflussung|LZB]] [[CIR-ELKE]], [[SNCF Réseau]]: [[Transmission Voie-Machine|TVM]]), ist der Gewinn an Leistungsfähigkeit durch ETCS trotz hoher Einführungskosten gering.<br />
<br />
== Kosten ==<br />
Nach einer Betrachtung in der Schweiz entfallen bei der Umrüstung von 25 Fahrzeugen einer Baureihe ungefähr 30 bis 40 Prozent auf die ETCS-Komponenten, 10 Prozent auf deren Einrichtung, 10 bis 20 Prozent auf notwendige technische Anpassungen am Fahrzeug sowie 20 bis 50 Prozent auf die Implementierung.<ref name="sd-98-12-40" /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* UIC (Hrsg.): ''Compendium on ERTMS. European Rail Traffic Management System.'' Eurailpress, Hamburg 2009, ISBN 978-3-7771-0396-9.<br />
* Bin Ning (Hrsg.): ''Advanced Train Control Systems.'' WIT, Southampton u.&nbsp;a. 2010, ISBN 978-1-84564-494-9, [http://books.google.de/books?id=8e0fkqArGUYC Vorschau].<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|European Train Control System|European Train Control System}}<br />
* [http://www.ertms.net/ European Rail Traffic Management – ERTMS]<br />
* [http://www.era.europa.eu/Document-Register/Pages/PresentationsETCS.aspx Technische ETCS-Spezifikationen bei ERA]<br />
* [http://www.uic.org/spip.php?rubrique850 ETCS bei der UIC]<br />
* [http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00570/01501/index.html?lang=de_CH ETCS auf der Seite des Schweizerischen Bundesamtes für Verkehr]<br />
* [http://www.oebb.at/infrastruktur/__resources/llShowDocSec.jsp?nodeId=13261594 Ausbauplan ETCS bei den ÖBB]<br />
* [http://www.thomas-brunnengraeber.de/etcs_intro.html Kurze Einführung in ETCS, insbesondere Betrieb aus Sicht des Triebfahrzeugführers]<br />
* [http://www.bahnorama.com/news/index.php/news,478,European_Train_Control_System ETCS bei der ÖBB] Film auf bahnorama.com<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Zugbeeinflussung}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=7734231-8}}<br />
<br />
[[Kategorie:Zugsicherung]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Turmwagen&diff=146083086Turmwagen2015-09-15T19:10:42Z<p>Linuxfreck: Bild eines moderneren Turmtriebwagens eingefügt</p>
<hr />
<div>Als '''Turmwagen''', auch '''Turmlore''', '''Oberleitungsrevisionswagen''', '''Oberleitungswagen''', '''Fahrleitungswagen''' oder '''Fahrdrahtwagen''', werden [[Eisenbahn]]- und [[Straßenbahn]]fahrzeuge bezeichnet, die speziell für Arbeiten an der [[Oberleitung]] konstruiert sind. Handelt es sich um kleinere Anhänger, so spricht man von einer ''Turm[[Güterlore|lore]]''. Selbstfahrende Fahrzeuge im Eisenbahnbereich werden als '''TVT''' (Turmverbrennungsmotortriebwagen) oder '''ORT''' (Oberleitungsrevisionstriebwagen) bezeichnet. Bei Straßenbahnen (teilweise) und [[Oberleitungsbus]]-Betrieben (ausschließlich) kommen dabei auch Turmwagen auf der Basis von [[Straßenfahrzeug]]en zum Einsatz. In der Regel handelt es sich dabei um [[Lastkraftwagen]] mit speziellen Aufbauten.<br />
<br />
Die ersten Fahrzeuge dieser Art waren einfache antriebslose [[Flachwagen]], auf die eine Leiter oder ein Turm gesetzt wurde (daher der Name), um so an die Oberleitung zu gelangen. Diese Aufbauten waren aus Holz gefertigt, um Stromschlägen vorzubeugen.<br />
<br />
Wegen unterschiedlicher Anforderungen gibt es Turmwagen für Gleich- und Wechselspannungsfahrleitungen. In Gleichspannungsnetzen ist es in gewissen Grenzen möglich, unter Spannung zu arbeiten. Dafür müssen Arbeitsbühne und Zugang isoliert sein, bis zu vollständig aus nichtleitenden Materialien bestehenden Fahrzeugaufbauten. Für Wechselspannungsfahrleitungen, an denen wegen der möglichen Beeinflussungen nicht unter Spannung gearbeitet werden kann, müssen die Arbeitsflächen leitfähig, durchverbunden und geerdet sein.<br />
<br />
Turmwagen kommen auch heute noch vereinzelt zum Einsatz, Standardfahrzeug für Arbeiten an der Oberleitung sind heute aber bei den meisten Bahngesellschaften Turmtriebwagen. Dabei handelt es sich um Spezialfahrzeuge auf der Basis normaler [[Triebwagen]]. Sie verfügen auf dem Dach über eine Arbeitsplattform (meist heb- und schwenkbar) sowie eine kleine Werkstatt im Wageninneren. Für kleinere Arbeiten werden auch [[Zweiwegefahrzeug]]e oder [[Kleinwagen (Eisenbahn)|Schwerkleinwagen]] wie das [[GBM GAF|GAF100R/H]] eingesetzt. Wegen der erschwerten Netzzugangsbedingungen durch zu zahlende Trassenpreise und nicht mehr vorhandene Abstell- und Randgleise gingen viele Bauunternehmen wieder zu den vergleichsweise primitiven, aber leicht straßenfahrzeugtransportierbaren fahrbaren Leitern über.<br />
<br />
<gallery><br />
Datei:Rhein-Haardtbahn turmwagen 100 0304.jpg|Turmwagen der [[Rhein-Haardtbahn GmbH|Rhein-Haardtbahn]]<br />
Datei:2009-04-19-noerdlingen-eisenbahnmuseum-rr-33.jpg|Turmtriebwagen der [[DB-Baureihe 701|Baureihe&nbsp;701]]<br />
Datei:Biela 12.jpg|Obus-Turmwagen bei der [[Bielatalbahn (Oberleitungsbus)|Bielatalbahn]] (1901 bis 1904)<br />
Datei:Vbl NAW 187 Volvo 10.JPG|Obus-Turmwagen bei der Reparatur einer [[Oberleitungsbus#Luftweichen|Luftweiche]] in [[Luzern]]<br />
Datei:Bf Engelsdorf, 708 006 (ORT).jpg|ORT [[DR-Baureihe ORT 135.7|708 006]] im Bahnhof Engelsdorf<br />
Datei:Denzlingen-Gleis5_und_6_mit_Stellwerk_und_Turmtriebwagen.jpg| Moderner Turmtriebwagen der Firma [[Balfour Beatty]] am Bahnhof von [[Denzlingen]]<br />
</gallery><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
*[[Hubarbeitsbühne]]<br />
<br />
[[Kategorie:Schienenfahrzeug]]<br />
[[Kategorie:Oberleitungsbusfahrzeug|!Turmwagen]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Elztalbahn&diff=146083017Elztalbahn2015-09-15T19:08:01Z<p>Linuxfreck: Zustand und Verbleib der Gütergleise in Denzlingen korrigiert.</p>
<hr />
<div>{| class="wikitable float-right"<br />
{{BS-header|Denzlingen–Elzach}}<br />
{{BS-daten<br />
| BILDPFAD_KARTE=Elztalbahn.png <br />
| PIXEL_KARTE=350px<br />
| TEXT_KARTE=<br />
| DE-KBS=726<br />
| DE-STRECKENNR=4311<br />
| LÄNGE=19,3<br />
| SPURWEITE=1435<br />
| STRECKENKLASSE=C2<ref>http://stredax.dbnetze.com/ISRViewer/svg?requestType=getAttrGeneric&userId=1416326596590&lang=de&mapId=&objectId=2132,21726&addRes=GUAB_ID,2014,ALG_DBNETZ_STRECKE,1</ref><br />
| NEIGUNG=<br />
| RADIUS=450<br />
| V-MAX=100<br />
| BILDPFAD_FOTO= Bahnhof Elzach (1).jpg<br />
| PIXEL_FOTO= 350px<br />
| TEXT_FOTO= [[Stadler Regio-Shuttle RS1|Regio-Shuttle]] der [[Breisgau-S-Bahn GmbH|Breisgau-S-Bahn]] im [[Endbahnhof]] [[Elzach]]<br />
}}<br />
{{BS-table}}<br />
{{BS|STR|||[[Rheintalbahn]] von [[Basel]]}}<br />
{{BS|BHF|0,0|[[Denzlingen]]}}<br />
{{BS|ABZlf|||Rheintalbahn nach [[Mannheim]]}}<br />
{{BS|WBRÜCKE|||[[Elz (Rhein)|Elz]]}}<br />
{{BS|HST|3,6|[[Waldkirch|Buchholz (Baden)]]}}<br />
{{BS|HST|5,3|[[Waldkirch|Batzenhäusle]]}}<br />
{{BS|BHF|7,1|[[Waldkirch]]}}<br />
{{BS|WBRÜCKE|||Elz}}<br />
{{BS|HST|8,5|[[Kollnau]]}}<br />
{{BS|HST|10,2|[[Gutach im Breisgau|Gutach (Breisgau)]]}}<br />
{{BS|STR|||Übergang zur [[Gütermann]]-[[Schmalspurbahn]]}}<br />
{{BS|WBRÜCKE|||[[Gutach (Elz)|Gutach]]}}<br />
{{BS|HST|12,0|[[Gutach im Breisgau|Bleibach]]}}<br />
{{BS|HST|14,2|[[Winden im Elztal|Niederwinden]]}}<br />
{{BS|HST|16,4|[[Winden im Elztal|Oberwinden]]}}<br />
{{BS|KHSTe|19,3|[[Elzach]]}}<br />
|}<br />
|}<br />
<br />
Die '''Elztalbahn''' ist eine 19,3 Kilometer lange, eingleisige und [[normalspur]]ige [[Nebenbahn]], die von [[Denzlingen]] an der [[Rheintalbahn]] [[Offenburg]]–[[Freiburg im Breisgau]] abzweigt und im [[Elz (Rhein)|Elztal]] aufwärts in den [[Schwarzwald]] bis nach [[Elzach]] hineinführt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
=== Eröffnung des Abschnitts Denzlingen–Waldkirch ===<br />
Weil sich keine privaten Kapitalgeber zur Finanzierung einer Anbindung des Elztales fanden, ergriff die Stadt [[Waldkirch]] selbst die Initiative und ließ auf eigene Kosten die 7,1 Kilometer lange [[Privatbahn]] von Denzlingen nach Waldkirch bauen. Am 30. März 1872 schuf der badische Staat die gesetzliche Grundlage für den Bau, am 29. August des gleichen Jahres wurde die [[Konzession]] erteilt.<ref name="HandbuchRB">Deutsche Reichsbahn: ''Die Deutschen Eisenbahnen in ihrer Entwicklung 1835 – 1935''. Berlin 1935, S. 109</ref> Den Betrieb, der am 1.&nbsp;Januar 1875 eröffnet wurde, übertrug die Stadt Waldkirch 1887<ref name="greß66">Gerhard Greß: ''Verkehrsknoten Freiburg und seine Umgebung in den fünfziger und sechziger Jahren''. EK-Verlag, Freiburg 1997, ISBN 3-88255-263-8, S. 66</ref> den [[Großherzoglich Badische Staatseisenbahnen|Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen]].<br />
<br />
=== Verlängerung bis Elzach ===<br />
Zwar entwickelte sich der Verkehr&nbsp;– vor allem die Personenbeförderung&nbsp;– zufriedenstellend, jedoch war die finanzielle Belastung für die Stadt Waldkirch auf Dauer zu hoch. So nahm sie das Angebot des Staates dankbar an, die Bahn zum 1.&nbsp;April 1886 käuflich zu erwerben. Am 20.&nbsp;August 1901 wurde die Strecke um 12,2 Kilometer bis nach [[Elzach]] verlängert.<ref name="greß66" /> Am Bahnhof [[Gutach im Breisgau|Gutach]] bestand Verbindung zu einer elektrifizierten [[Schmalspurbahn]] mit 750 Millimeter [[Spurweite (Eisenbahn)|Spurweite]] zur Nähseidenfabrik [[Gütermann]]. Verschiedene Varianten einer Verlängerung über [[Oberprechtal]] nach [[Hausach]] wurden oft – zuletzt in den [[1950er]] Jahren – geplant, aber nie realisiert.<ref name="frneben">''140 Jahre Eisenbahn in Freiburg – Nebenstrecken''. Freiburg 1985</ref><br />
<br />
=== Pilotstrecke der Breisgau-S-Bahn ===<br />
{{Hauptartikel|Breisgau-S-Bahn 2020}}<br />
Im Jahr 1997 wurde die Elztalbahn vom ''Zweckverband Regionalverkehr Breisgau (ZRF)'' zusammen mit der [[Breisacher Bahn]] als Pilotstrecke für das integrierte Regionalverkehrskonzept "Breisgau-S-Bahn 2005" ausgewählt.<ref name="BreisgauSBahn">[http://www.regio-verbund.de/uploads/media/19012006082017_5/021209_Ausbau_Elztalbahn.pdf ''Ausbau der Pilotstrecke „Elztalbahn“ der Breisgau-S-Bahn 2005 geht in die letzte Runde.''] (PDF-Datei; 108&nbsp;kB) Presseerklärung des ZRF vom 2. Dezember 2005</ref> In den folgenden Jahren wurde das Angebot im [[Personenverkehr]] ausgebaut und die Bahnanlagen umfassend saniert und erneuert. Als erster Schritt wurde im Jahr 1997 die Betriebsruhe an Sonntagen aufgehoben. Zwei Jahre später erfolgte die Einführung eines Integralen Taktfahrplanes mit Stundentakt bis Elzach, mit zusätzlichen Zügen zwischen [[Freiburg im Breisgau|Freiburg]] und Waldkirch. Im Dezember 2001 waren die geplanten Angebotsverbesserungen mit werktäglichem Halbstundentakt bis Waldkirch, Stundentakt bis Elzach auch in den Abendstunden sowie Stundentakt bis Elzach auch an Sonn- und Feiertagen umgesetzt.<br />
<br />
Von Mai bis Juni 2009 wurden die Gleise zwischen Waldkirch und Elzach erneuert. Die ursprünglichen trogförmigen Stahlschwellen wurden dabei durch Y-Stahlschwellen ersetzt. Der Oberbau lässt eine Achslast von 22,4 Tonnen zu, die Liegezeit soll 70 bis 80 Jahre betragen<ref name="Badische">[http://www.badische-zeitung.de/waldkirch/die-gleise-der-elztalbahn-werden-komplett-erneuert--15754007.html ''Millionenprojekt: Die Gleise der Elztalbahn werden komplett erneuert.''] In: ''Badische Zeitung.'' 3. Juni 2009, abgerufen am 16. Januar 2011</ref><br />
<br />
== Bahnhöfe und Haltepunkte ==<br />
[[File:Bahnhof Denzlingen (3).jpg|thumb|Bahnhof Denzlingen]]<br />
[[File:Bahnhof Waldkirch 2.jpg|thumb|Bahnhof Waldkirch]]<br />
[[File:Bahnhof Kollnau.jpg|thumb|[[Empfangsgebäude|Stationsgebäude]] des Bahnhofs Kollnau]]<br />
[[File:Bahnhof Elzach (2).jpg|thumb|Bahnhof Elzach]]<br />
<br />
=== Denzlingen ===<br />
Der Bahnhof '''Denzlingen''' ist der Ausgangspunkt der Elztalbahn, wobei die meisten Züge bereits ab [[Freiburg (Breisgau) Hauptbahnhof | Freiburg Hbf]] verkehren. Hier bestehen Anschlüsse an die Regionalzüge Richtung [[Basel Badischer Bahnhof|Basel]] und [[Bahnhof Offenburg|Offenburg]]. Auf Gleis 1, dem [[Hausbahnsteig]], halten die Züge nach Offenburg, auf Gleis 2 die Züge nach Basel und die BSB-Züge nach Freiburg. Das am [[Mittelbahnsteig]] zu Gleis 2 liegende Gleis 3 dient lediglich als [[Ausweichgleis]]. Auf dem von Gleis 1 abzweigenden Gleis 5 halten die BSB-Züge Richtung Waldkirch/Elzach. Die Gleise 6 für den [[Güterverkehr]] sind heute noch sichtbar und werden von der Deutschen Bahn als Abstellgleise für Bauzüge verwendet.<ref>[https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Denzlingen-Gleis5_und_6_mit_Stellwerk_und_Turmtriebwagen.jpg ''Eigene Beobachtung'']</ref> Die Stadt Denzlingen plant, diese Gleise zurückzubauen und für ein [[Parken_und_Reisen|P+R]] Parkhaus zu verwenden.<ref>[http://www.badische-zeitung.de/denzlingen/feilschen-ums-bahngelaende--86657923.html ''Feilschen ums Bahngelände''] In: ''Badische Zeitung'' 26. Juni 2014, abgerufen am 15. September 2016</ref><br />
<br />
=== Waldkirch ===<br />
Der Bahnhof '''Waldkirch''' war bis 1901 Endpunkt der Elztalbahn und blieb bis heute die wichtigste Unterwegsstation. Für den Güterverkehr bestanden umfangreiche Gleisanlagen sowie eine Gleiswaage (35 Tonnen), eine Kopf- und Seitenrampe und ein Überladekran.<ref name="Koch">''Stationsverzeichnis der Eisenbahnen Europas.'' Barthol & Co, Berlin 1939</ref> Am Standort des [[Güterbahnhof]]s wurde mit der Einführung des [[S-Bahn]]-Betriebes eine Abstellanlage für die [[Triebwagen]] errichtet. In Waldkirch sind Zugkreuzungen möglich; im [[Empfangsgebäude]] ist ein [[mechanisches Stellwerk]] der Einheitsbauart untergebracht,<ref name="stellwerke">[http://www.stellwerke.de/liste/seite321.html#WAL ''Liste Deutscher Stellwerke: W.''] auf: ''www.stellwerke.de'', abgerufen am 15. Januar 2010</ref> das als letztes seiner Art in [[Baden (Land)|Baden]] mit vereinfachten Lichtsignalen ausgestattet ist.<br />
<br />
Waldkirch ist ein [[Bahnhof]] der [[Bahnhofskategorie#Kategorie 6|Kategorie 6]] und Verknüpfungspunkt zu mehreren [[Omnibus|Buslinien]] in der Region, die nach [[Emmendingen]], [[Elzach]], [[Freiburg im Breisgau|Freiburg]], [[Siensbach]], [[Furtwangen]] und zum [[Kandel (Berg)|Kandel]] führen.<ref name="Fahrplanauskunft">''EFA-BW Fahrplanauskunft, Aushangfahrplan Waldkirch.'' abgerufen am 15. Januar 2011</ref><br />
<br />
=== {{Anker|Kollnau}}Kollnau ===<br />
Die Haltestelle '''Kollnau''' ging mit der Verlängerung der Elztalbahn 1901 in Betrieb. Die frühere Stationseinrichtung – bestehend aus einem zweistöckigen [[Empfangsgebäude|Stationsgebäude]] mit seitlichen Anbauten ([[Wartehalle]] und [[Güterschuppen]]) – ist heute im Privatbesitz. Ferner gab es ein Nebengebäude und ein [[Ladegleis]] sowie ein [[Anschlussgleis]] zur nahe gelegenen [[Kollnauer Baumwollspinnerei- und Weberei]]. Seit dem Rückbau der Güterverkehrsanlagen und des Anschlussgleises ist Kollnau ein [[Haltepunkt]] und dementsprechend in die Stationsklasse 6 eingeordnet. An der Bushaltestelle ''Kollnau Bahnhof'' halten Busse der [[Südbadenbus]] nach Freiburg, Elzach, [[Siegelau]], Furtwangen und Waldkirch.<br />
<br />
=== Elzach ===<br />
Mit der Verlängerung der Strecke im Jahr 1901 wurde in '''Elzach''' ein neuer [[Endbahnhof]] gebaut. Für den Betriebsmaschinendienst wurde ein zweiständiger [[Lokschuppen]] und ein freistehender [[Wasserturm]] errichtet, für den Güterverkehr standen ein freistehender Güterschuppen, eine Kopf- und Seitenrampe, eine Gleiswaage (35 Tonnen) und ein Überladekran zur Verfügung. Von den Hochbauten ist nur noch das [[Empfangsgebäude]] vorhanden.<br />
<br />
== Betrieb ==<br />
Heute befindet sich die Strecke im Eigentum der [[DB Netz|DB Netz AG]]. Seit dem 15. Dezember 2002 werden die Leistungen im [[Schienenpersonennahverkehr]] von der [[Breisgau-S-Bahn GmbH]] mit [[Stadler Regio-Shuttle RS1|Regio-Shuttle]]-[[Triebwagen]] erbracht. Sie fahren durchgehend von Freiburg im Breisgau bis Elzach im Stundentakt mit Zugkreuzung in Waldkirch zur üblichen [[Symmetrieminute]], das heißt kurz vor der halben Stunde. Ergänzend verkehren werktags zusätzliche Züge nach Waldkirch, so dass sich zwischen Freiburg und Waldkirch ein Halbstundentakt, in Gegenrichtung jedoch nur ein alternierender Takt mit einem 39/21-Minuten-Intervall ergibt.<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|- style="background:#e3e3e3;"<br />
! Zuggattung<br />
! Strecke<br />
|-<br />
| {{Bahnlinie|S||BSB}}<br />
| Freiburg im Breisgau – Gundelfingen – Denzlingen – Buchholz – Waldkirch – Kollnau – Elzach<br />
|-<br />
| {{Bahnlinie|S||BSB}}<br />
| Freiburg im Breisgau – Gundelfingen – Denzlingen – Buchholz – Waldkirch<br />
|}<br />
<br />
== Fahrzeuge ==<br />
Die [[Deutsche Bundesbahn]] und die [[Deutsche Bahn AG]] setzten bis 2002 [[Lokomotive]]n der [[DB-Baureihe 218]] ein, zuvor kamen Lokomotiven der [[DB-Baureihe V 100|DB-Baureihe 212]] mit [[n-Wagen]] samt [[Steuerwagen]] zum Einsatz. Zuvor war ab circa 1960 die Baureihe V 100<sup>10</sup> (211) mit [[Umbau-Wagen#Dreiachswagen, Bauart 3yg(e)|Umbau-Dreiachsern]] im Einsatz, die wiederum die [[Badische VI c|badischen VIc]] (Baureihe 75.4) Tenderloks abgelöst hatten. Seit Dezember 2002 setzt die Breisgau-S-Bahn [[Stadler Regio-Shuttle RS1|Regio-Shuttle]]-Triebwagen ein. Wegen des Fahrzeugmangels kommen auch Triebwagen der [[Südwestdeutsche Verkehrs-Aktiengesellschaft|SWEG]] und der [[Ortenau-S-Bahn]] zum Einsatz.<br />
<br />
== Planungen ==<br />
In der Kooperationsvereinbarung zwischen RVG und [[Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg]] (NVBW) vom 11.&nbsp;März 2009 ist auch ein weiterer Ausbau der Elztalbahn vorgesehen. Geplant ist eine [[Elektrifizierung]] der Strecke, der Bau eines Kreuzungsgleises in Gutach und die Modernisierung der Signaltechnik durch Bau eines [[Elektronisches Stellwerk|elektronischen Stellwerkes]] in Waldkirch bis zum Jahr 2018.{{Zukunft|2018}}<ref name="ZRFDrucksache">[http://www.muellheim-mulhouse.eu/projects/default/modules/redCMS_MediaLibraryDownload/aspx/getmedia.aspx?mediaId=6498&mode=download ''Integriertes regionales Nahverkehrskonzept Breisgau-S-Bahn.''] Zweckverband Regio-Nahverkehr Freiburg, Drucksache ZRF-bA/VV 2009.010, abgerufen am 16. Januar 2011</ref><br />
<br />
== Unfälle ==<br />
Das einzige größere Unglück auf der Strecke geschah am 2. März 1906, als zwischen [[Winden im Elztal|Ober- und Niederwinden]] der durch Hochwasser unterspülte [[Bahndamm]] abrutschte und ein Personenzug in die [[Elz (Rhein)|Elz]] stürzte.<ref name="frneben" /><br />
<br />
Während sich auf dem Abschnitt bis Waldkirch mehrere [[Bahnübergang|Bahnübergänge]] befinden, ist der Abschnitt bis Elzach kreuzungsfrei. Nach einem Beinahe-Unfall an einem beschrankten Bahnübergang bei Batzenhäusle darf dieser von Schienenfahrzeugen nur noch mit 20 km/h befahren werden.<br />
<br />
Während eines Unwetters am 22. Juni 2011 fiel ein [[Baum]] auf die Gleise zwischen [[Denzlingen]] und Buchholz. Der Triebfahrzeugführer hat den umfallenden Baum noch rechtzeitig bemerkt und den Zug gebremst, aber der Zug rollte noch ein Stück weiter und über den Baum. Der vordere Triebwagen wurde beschädigt und eine Person leicht verletzt.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.breisgau-s-bahn.de/index.php?page=fahrplan_elzach Die Elztalbahn auf den Webseiten der Breisgau-S-Bahn GmbH]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Bahnstrecke in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Verkehr (Landkreis Emmendingen)]]<br />
[[Kategorie:Ehemalige Bahngesellschaft (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Ehemaliges Verkehrsunternehmen (Baden-Württemberg)]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kernkraftwerk_Diablo_Canyon&diff=119890867Kernkraftwerk Diablo Canyon2013-06-25T05:56:22Z<p>Linuxfreck: Link zum KKW Three Mile Island hinzugefügt</p>
<hr />
<div>{{QS-Kernenergie}}<br />
{{Belege fehlen}}<br />
{{Infobox Kernkraftwerk<br />
|BILD = Diablo canyon nuclear power plant.jpg<br />
|BILDBESCHREIBUNG = Luftaufnahme aus westlicher Richtung (Pazifik)<br />
|BREITENGRAD = 35.2106<br />
|LÄNGENGRAD = -120.8540<br />
|REGION-ISO = US-CA<br />
|LAND = [[Vereinigte Staaten|USA]]<br />
|EIGENTÜMER = [[Pacific Gas and Electric]].<br />
|BETREIBER = Pacific Gas and Electric.<br />
|PROJEKTBEGINN = 1966<br />
|BETRIEBSAUFNAHME = 7. Mai 1985<ref name="eia">US Department of Energy, Energy Information Administration: [http://www.eia.gov/nuclear/state/california/ State Nuclear Profiles 2010], 26. April 2010</ref><br />
|STILLLEGUNG = <br />
|REAKTOR = 2<br />
|REAKTOR_MW = 2.300<br />
|S_REAKTOR = <br />
|S_REAKTOR_MW = <br />
|B_REAKTOR = <br />
|B_REAKTOR_MW = <br />
|E_REAKTOR = <br />
|E_REAKTOR_MW = <br />
|EINSPEISUNG = 18.668<br />
|EINSPEISUNG_JAHR = 2011<br />
|GESAMTEINSPEISUNG = 432.950<br />
|WEBSITE = [http://www.diablocanyonpge.com/ PG&E Diablo Canyon]<br />
|STAND = 13. Februar 2013<br />
}}<br />
Das '''Kernkraftwerk Diablo Canyon''' ([[Englische Sprache|engl.]] ''Diablo Canyon Nuclear Power Plant'') ist ein Kernkraftwerk mit zwei [[Westinghouse]]-[[Druckwasserreaktor]]en der 1.100 Megawatt-Klasse. Das Kernkraftwerk liegt im [[San Luis Obispo County]] im US-Bundesstaat [[Kalifornien]], an der [[Pazifik]]küste zwischen [[Los Angeles]] und [[San Francisco]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:Diablo Canyon NPP above.jpg|mini|links|Luftaufnahme aus östlicher Richtung]]<br />
Der Bau des Kraftwerks begann am 23. April 1968. Betrieben wird das Kraftwerk von [[Pacific Gas and Electric]].<br />
Da das Kernkraftwerk sein Kühlwasser direkt aus dem Pazifik bezieht,war es nicht nötig [[Kühltürme]] zu errichten.<br />
<br />
=== Block 1 ===<br />
Block 1 ist ein Druckwasserreaktor von Westinghouse. Der Reaktor hat eine elektrische Nettoleistung von 1.122 Megawatt und wurde am 11. November 1984 in Betrieb genommen. 2011 produzierte der Block 9.917&nbsp;GWh elektrische Energie, was einem [[Jahresnutzungsgrad]] von 100,9&nbsp;% entspricht.<!-- wegen Überlast, siehe Diskussion --><ref name="IAEA" /><br />
<br />
=== Block 2 ===<br />
Block 2 ist auch ein Druckwasserreaktor von Westinghouse. Der Reaktor hat eine elektrische Nettoleistung von 1.118 Megawatt und wurde am 20. Oktober 1985 in Betrieb genommen. 2011 produzierte der Block 8.752&nbsp;GWh elektrische Energie, was einem Jahresnutzungsgrad von 89,4&nbsp;% entspricht.<br />
<div style="clear:left;"></div><br />
<br />
== Öffentliche Opposition und Anti-Atomkraftbewegung ==<br />
Das Kernkraftwerk Diablo Canyon wurde trotz rechtlicher Anfechtungen in Betrieb genommen. Die Firma Pacific Gas and Electric musste zuvor über sechs Jahre lang Anhörungen, Referenden und rechtliche Schritte überstehen, bevor die Anlage genehmigt wurde. Der Hauptkritikpunkt war die Besorgnis über eine mangelnde [[Erdbeben]]sicherheit des Kernkraftwerks. Zur Zeit des Baubeginns im Jahr 1968 hielt man die Erdbebensicherheit für ausreichend, aber zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahre 1973 hatte man eine Erdbebenspalte ungefähr drei Kilometer entfernt im Meer entdeckt. Darauf reagierte das Unternehmen, indem es die strukturelle Integrität der Anlage verbesserte.<ref>{{cite news | author= | title=In The World of Nuclear Power Crisis| url=http://www.mindfully.org/Nucs/TMI-LifeMay79.htm | work=Life Magazine | date=Mai 1979 | pages=23–30 | accessdate=14 Juli 2010}} (englisch)</ref><br />
Am 7. August 1977 gab es die ersten Proteste vor dem Kernkraftwerk mit ca. 1500 Teilnehmern. Im August 1978 fand eine Demontration von ca. 5000 Atomkraftgegner statt, von denen 487 wegen Betretens des Geländes verhaftet wurden. <br />
Nach dem Unfall im [[Kernkraftwerk Three Mile Island]], Harrisburg, Penn., im März 1979 verstärkten sich die Proteste. Im April 1979 demonstrierten in San Francisco ca. 25 000 Teilnehmern gegen Diablo Canyon. Am 30. Juni 1979 schließlich fand eine Groß-Kundgebung mit ca. 40 000 Teilnehmern in San Luis Obispo statt, um gegen die Inbetriebnahme zu protestieren. Neben bekannten Personen der Öffentlichkeit wie den Sängern [[Jackson Browne]], [[Graham Nash]] und [[Peter Yarrow]] und dem Journalisten [[Daniel Ellsberg]] trat auch der damalige Gouverneur von Kalifornien, [[Jerry Brown]] (seit 2011 wieder im Amt), auf. Er bezog sehr eindeutig Position gegen Kernenergie im Allgemeinen und gegen die Inbetriebnahme von Diablo Canyon im Besonderen. Die Proteste wurden kalifornienweit von der Abalone Alliance organisiert, die ein Büro in San Louis Obispo unterhielt. <br />
Am 10 September 1981 kam es schließlich zu einem gewaltfreien Besetzungsversuch. Von den ca 30 000 Unterstützern wurden 1960 verhaftet.<ref>[//en.wikipedia.org/wiki/Abalone_alliance].en.Wikipedia. Abgerufen am 8.Mai 2013.</ref><br />
<br />
== Daten der Reaktorblöcke ==<br />
<br />
Das Kernkraftwerk Diablo Canyon hat zwei [[Kraftwerksblock|Blöcke]]:<br />
{| class="prettytable" style="width:100%;"<br />
|-<br />
!width="17%;" bgcolor="#CFCFCF"| Reaktorblock<ref name="IAEA">[http://pris.iaea.org/public/ Power Reactor Information System] der [[Internationale Atomenergieorganisation|IAEA]]: [http://www.iaea.org/PRIS/CountryStatistics/CountryDetails.aspx?current=US „United States of America: Nuclear Power Reactors - Alphabetic“] (englisch)</ref><br />
!width="19%;" bgcolor="#CFCFCF"| Reaktortyp<br />
!width="10%;" bgcolor="#CFCFCF"| Netto-<br />leistung<br />
!width="10%;" bgcolor="#CFCFCF"| Brutto-<br />leistung<br />
!width="11%;" bgcolor="#CFCFCF"| Baubeginn<br />
!width="11%;" bgcolor="#CFCFCF"| Netzsyn-<br />chronisation<br />
!width="11%;" bgcolor="#CFCFCF"| Kommer-<br />zieller Betrieb<br />
!width="11%;" bgcolor="#CFCFCF"| Abschal-<br />tung<ref name="eia" /><br />
|-<br />
| Diablo Canyon-1 || Druckwasserreaktor || align="right" | 1.122 MW || align="right" | 1.136 MW|| align="right" | 23.04.1968 || align="right" | 11.11.1984 || align="right" | 07.05.1985 || align="right" | 02.11.2024 geplant<br />
|-<br />
| Diablo Canyon-2 || Druckwasserreaktor || align="right" | 1.118 MW || align="right" | 1.164 MW|| align="right" | 09.12.1970 || align="right" | 20.10.1985 || align="right" | 13.03.1986 || align="right" | 20.08.2025 geplant<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste der Kernkraftwerke]]<br />
* [[Kernkraftwerk San Onofre|KKW San Onofre]] (weiteres kalifornisches Kraftwerk mit ähnlicher Erdbebenproblematik)<br />
* [[San-Andreas-Verwerfung]] – eine 1100&nbsp;km lange Linie, an der ein schweres Erdbeben wahrscheinlich ist<br />
* [[:en:Abalone Alliance]] - Proteste gegen die Inbetriebnahme Ende der 70er<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/152833/index.html ''Auf unsicherem Boden: Kraftwerke stehen am San-Andreas-Graben''.] [[3sat]]. Sendungsbeitrag zum KKW Diablo Canyon<br />
* [http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,750946,00.html ''Kalifornien: Banges Warten auf „The Big One“''..] In: ''[[Spiegel Online]]''. Bericht und Video zum KKW Diablo Canyon<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Kernkraftwerke in den Vereinigten Staaten von Amerika}}<br />
<br />
[[Kategorie:Kernkraftwerk in Kalifornien|Diablo Canyon]]<br />
[[Kategorie:San Luis Obispo County]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=The_Scarecrow_(Album)&diff=118989638The Scarecrow (Album)2013-05-29T07:06:40Z<p>Linuxfreck: Namen des Albums im ersten Absatz korrigiert. Scheint ein Cut&Paste Problem zu sein.</p>
<hr />
<div>{{Infobox Musikalbum<br />
| Typ = Studioalbum<br />
| Künstler = [[Avantasia]]<br />
| Titel = The Scarecrow<br />
| Genre = [[Power Metal]], [[Symphonic Metal]]<br />
| Jahr = 2008<br />
| Länge = 63:50<br />
| Label = [[Nuclear Blast]]<br />
| Formate = [[Audio-CD|CD]]<br />
| AnzahlTitel = 11<br />
| Laufzeit = <br />
| Besetzung = <br />
* [[Tobias Sammet]] - Gesang, Bass, Keyboards<br />
* [[Sascha Paeth]] - Gitarre<br />
* [[Eric Singer]]- Schlagzeug<br />
* Miro Rodenberg - Keyboards<br />
| Produzent = [[Sascha Paeth]]<br />
| Studio = Vox-Klangstudio, [[Hamburg]]<br />
| Vorheriges = [[The Metal Opera Part II]] <small>(2002)</small><br />
| Nächstes = [[The Wicked Symphony]]/[[Angel Of Babylon]] <small>(2010)</small><br />
}}<br />
'''The Scarecrow''' ist das dritte Album der deutschen [[Heavy Metal|Metal]]-[[Oper]] [[Avantasia]], das am 25.Januar 2008 erschien. Das Projekt wurde von [[Tobias Sammet]], dem Sänger der [[Power Metal]]-Band [[Edguy]] initiiert. Er schrieb auch alle Lieder und Texte <ref>Booklet von The Scarecrow </ref>. Dieses Album führte zur ersten Tour des Projekts, der [[The Scarecrow World Tour]].<br />
<br />
== Aufbau ==<br />
Wie schon bei den Vorgänger, sind die einzelnen Titel miteinander über eine gemeinsame Geschichte verbunden,jedoch ist die Rolle eines Sängers diesmal nicht definiert. Eine Passage wurde hier eher durch die erzeugte Stimmung mit einem Sänger verbunden. Es wird von einer Person erzählt, die Dinge anders als alle Anderen wahrnimmt und sich dadurch isoliert und unverstanden vorkommt. Es ist davon auszugehen, dass dieses Album autobiographische Elemente enthält.<br />
<br />
== Lieder ==<br />
# Twisted Mind - 6:14<br />
# The Scarecrow - 11:12<br />
# Shelter from the Rain - 6:09<br />
# Carry Me Over - 3:52<br />
# What Kind of Love - 4:56<br />
# Another Angel Down - 5:41<br />
# The Toy Master - 6:21<br />
# Devil in the Belfry - 4:42<br />
# Cry Just a Little- 5:15<br />
# I Don't Believe in Your Love - 5:34<br />
# Lost in Space -3:53<br />
<br />
<br />
-Alle Lieder wurden von [[Tobias Sammet]] geschrieben.<br />
<br />
== Besetzung ==<br />
<br />
Band:<br />
* [[Tobias Sammet]] - Gesang, Bass, Keyboards<br />
* [[Sascha Paeth]] - Gitarre<br />
* [[Eric Singer]]- Schlagzeug<br />
* Miro Rodenberg - Keyboards<br />
<br />
Gastmusiker:<br />
* [[Jørn Lande]] - Gesang bei Lied 2, 6 und 8<br />
* [[Michael Kiske]] - Gesang bei Lied 2, 3 und 5 <br />
* [[Bob Catley]] - Gesang bei Lied 3 und 9<br />
* [[Amanda Somerville]] Gesang bei Lied 5 und 11<br />
* [[Alice Cooper]] Gesang bei Lied 7<br />
* [[Roy Khan]] - Gesang bei Lied 1<br />
* [[Oliver Hartmann]] - Gesang bei Lied 10 <br />
* [[Henjo Richter]] – Gitarre bei Lied 2, 3, 6, 7 und 8<br />
* [[Kai Hansen]] – Gitarre bei Lied 3<br />
* [[Rudolf Schenker]] – Gitarre bei Lied 10<br />
<br />
== Rezension und Erfolg ==<br />
Das Album erreichte in Deutschland Platz 8 und war bis dahin nicht nur das erfolgreichste Avantasia Album bis dahin, sondern auch mit dem [[Edguy]]-Album Rocket Ride (2006) das erfolgreichste Album von Tobias Sammet in den Charts. Auch außerhalb von Deutschland hatte es Positionen in den Charts <ref>www.tobiassammet.com</ref> :<br />
<br />
*Tschechien:#6<br />
*Griechenland:#9<br />
*Schweden:#10<br />
*Ungarn: #10<br />
*Österreich: #16<br />
*Schweiz:#17<br />
*Finnland:#26<br />
*Spanien:#27<br />
*Norwegen:#36<br />
*Japan:#49<br />
*Belgien:#50<br />
*Frankreich:#58<br />
*Niederlande:#65<br />
*Italien:#65<br />
<br />
The Scarecrow wurde von Musikkritikern meist gut bewertet. So schrieb Andreas Schöwe vom Metal hammer z.B. ''"Trotz der Vielzahl der Gastmusiker und seiner vor Abwechslung, Tempowechseln und üppigen Orchestrierungen strotzenden Machart hinterlässt THE SCARECROW einen überaus kompakten, homogenen und flüssigen Eindruck. Alleine dafür kann es nur die höchste Note geben!"''<br />
<ref>http://www.metal-hammer.de/reviews/article80533/avantasia-the-scarecrow-review.html</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Album (Power Metal)]]<br />
[[Kategorie:Album (Symphonic Metal)]]<br />
[[Kategorie:Album 2008]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Flughafen_Gibraltar&diff=108195348Flughafen Gibraltar2012-09-17T18:39:47Z<p>Linuxfreck: Flugplan von bmibaby gelöscht, da die Fluglinie nicht mehr existiert.</p>
<hr />
<div>{{Infobox Flughafen<br />
|Name=Gibraltar Airport<br />RAF Gibraltar<br />
|Bild=Gibraltar-lotnisko.jpg<br />
|IATA=GIB<br />
|ICAO=LXGB<br />
|Koordinate_Breite=N<br />
|Koordinate_Breitengrad=36<br />
|Koordinate_Breitenminute=09<br />
|Koordinate_Breitensekunde=04.39<br />
|Koordinate_Länge=W<br />
|Koordinate_Längengrad=005<br />
|Koordinate_Längenminute=20<br />
|Koordinate_Längensekunde=58.79<br />
|Koordinate_Region=GI<br />
|Koordinate_Typ=airport<br />
|Höhe in Meter=5<br />
|Entfernung in Kilometer1=0,5<br />
|Entfernung Richtung1=nördlich<br />
|Entfernung Ort1=Gibraltar<br />
|Schiene=<br />
|Nahverkehr=<br />
|Straße=<br />
|Eröffnung=[[1939]]<br />
|Betreiber=<br />
|Fläche in Hektar=<br />
|Terminals=<br />
|Passagiere=330.057 <small>(2006)</small><br />
|Fracht=380 <small>(2004)</small><br />
|Bewegungen=<br />
|Kapazität=<br />
|Beschäftigte=<br />
|Bahn1=09/27<br />
|Bahnlänge in Meter1=1829<br />
|Bahnbreite in Meter1=46<br />
|Bahnbelag1=Asphalt<br />
}}<br />
<br />
<!--[[Datei:Gib-es.jpg|rechts|300px]]--><br />
Der '''Gibraltar Airport''' ([[IATA-Code]] '''GIB'''; [[International Civil Aviation Organization|ICAO]]-Code: '''LXGB''') ist ein [[Flughafen|Verkehrs-]] und [[Militärflugplatz|Militärflughafen]] in [[Gibraltar]] ([[Iberische Halbinsel]]). Das Militär bezeichnet die Einrichtung als '''Royal Air Force Station Gibraltar''' (kurz '''RAF Gibraltar'''). Fliegende Einheiten hat die [[Royal Air Force]] hier nicht mehr permanent stationiert.<br />
<br />
Er befindet sich auf einer Höhe von 5 m ü. NN und verfügt über eine Start-/Landebahn (Richtung 09/27, Länge: 1829&nbsp;m, Asphalt). Er ist der größte Flughafen <!--- oder ist er einer der größten? ---> der [[Britische Überseegebiete|Britischen Überseegebiete]]. Der Flughafen befindet sich 500 Meter vom Stadtzentrum entfernt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Der Flughafen wurde 1939 errichtet, als Gibraltar im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] eine immense Bedeutung für die [[Streitkräfte des Vereinigten Königreichs|Streitkräfte Großbritanniens]] hatte und diente zunächst nur als Notlandeplatz für die [[Fleet Air Arm]] der britischen [[Royal Navy]].<br />
<br />
Am 2. Dezember 1987 wurde zwischen Großbritannien und Spanien eine Vereinbarung geschlossen, nach der dem Flughafen auch eine zivile Nutzung zugestanden wird.<ref>[http://web.archive.org/web/20051212103705/http://www.gibraltarnewsonline.com/reference_documents/airport_agreement.html Flughafenvertrag]</ref> Hierbei wurde auch der Bau eines neuen Flugsteiges auf spanischem Territorium (Nordseite des Flughafengeländes) vereinbart ([[La Línea de la Concepción]]). Dieser Vertrag wurde jedoch nie umgesetzt, da die gibraltische Regierung unter [[Joe Bossano]] ihn nicht ratifizierte.<br />
<br />
== Fluggesellschaften und Ziele ==<br />
Gibraltar wird aus deutschsprachigen Ländern nicht direkt bedient: [[British Airways]] fliegt täglich via [[Flughafen London-Heathrow|London-Heathrow]], [[easyJet]] täglich via [[Flughafen London-Gatwick|London-Gatwick]]. [[Monarch Airlines]] fliegt täglich ab [[Flughafen London-Luton]]. <br />
<br />
Lange bestand der einzige [[Linienverkehr]] mit [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]]. Zwischen dem 16. Dezember 2006 und Dezember 2008 verband die [[Spanien|spanische]] [[Fluggesellschaft]] [[Iberia (Fluggesellschaft)|Iberia]] den Flughafen einmal täglich mit Madrid.<!--<ref>Tagblatt.ch: [http://www.tagblatt.ch/index.php?artikelxml=1274619&ressort=tagblattheute/ausland&jahr=2006&ressortcode=tb-au.html ''Flugverbindung zwischen Spanien und Gibraltar''], 18. Dezember 2006</ref>--><ref>http://www.gibnet.com/airport/iberia.htm</ref> Heute ist Gibraltar wie vor 2006 wieder nur via England zu erreichen.<br />
<br />
Im Jahre 2004 wurden 314.375 [[Passagier]]e sowie 380 Tonnen [[Frachtgut]] abgefertigt. <br />
<br />
== Besonderheit ==<br />
<br />
Aufgrund der geringen gibraltischen Fläche kreuzt die Piste die ''Winston Churchill Avenue'', die einzige Straßenverbindung mit Spanien. Diese Straße wird bei jedem [[Start (Luftfahrt)|Start]] und bei jeder [[Landung]] gesperrt. Eine [[Höhengleichheit|derartige]] Kreuzung ist weltweit einmalig für einen internationalen Flughafen. Bei Manövern der RAF kommt es deshalb zu größeren Behinderungen, wie zuletzt im Sommer 2012, als acht [[Tornado]]s 1 Monat lang von hier aus operierten.<br />
<br />
<br />
{{Panorama|Gibraltar Airport panorama.jpg|1800|Start eines Monarch Jets vom Flughafen Gibraltar}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Gibraltar Airport|Flughafen Gibraltar}}<br />
* [http://www.azworldairports.com/cfm/frame.cfm?src=http://azworldairports.com/airports/p1620gib.htm A to Z of World Airports- Gibraltar Airport] (Engl.)<br />
* [http://worldaerodata.com/wad.cgi?id=GI75656&sch=LXGB Technische Flughafendaten von www.worldaerodata.com] (Engl.)<br />
<br />
[[Kategorie:Bauwerk in Gibraltar]] <br />
[[Kategorie:Flughafen in Europa|Gibraltar]]<br />
[[Kategorie:Militärflugplatz (Vereinigtes Königreich)|Gibraltar]]<br />
<br />
[[an:Aeropuerto de Chibraltar]]<br />
[[ar:مطار جبل طارق]]<br />
[[be:Аэрапорт Гібралтар]]<br />
[[cs:Mezinárodní letiště Gibraltar]]<br />
[[da:Gibraltar Lufthavn]]<br />
[[en:Gibraltar International Airport]]<br />
[[es:Aeropuerto de Gibraltar]]<br />
[[eu:Gibraltargo aireportua]]<br />
[[fi:Gibraltarin lentoasema]]<br />
[[fr:Aéroport de Gibraltar]]<br />
[[he:נמל התעופה גיברלטר]]<br />
[[hr:Zračna luka Gibraltar]]<br />
[[hu:Gibraltári repülőtér]]<br />
[[id:Bandar Udara Gibraltar]]<br />
[[it:Aeroporto di Gibilterra]]<br />
[[ja:ジブラルタル空港]]<br />
[[ko:지브롤터 공항]]<br />
[[ms:Lapangan Terbang Gibraltar AB]]<br />
[[nl:Gibraltar Airport]]<br />
[[no:Gibraltar lufthavn]]<br />
[[pl:Port lotniczy Gibraltar]]<br />
[[ru:Гибралтар (аэропорт)]]<br />
[[sk:Gibraltarske letisko]]<br />
[[tr:Cebelitarık Havalimanı]]<br />
[[zh:直布羅陀機場]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Igel_Technology&diff=89102091Diskussion:Igel Technology2011-05-21T13:58:45Z<p>Linuxfreck: </p>
<hr />
<div>Zitat: "Die IGEL Technology GmbH begann 1989 als IGEL GmbH mit der Entwicklung und dem Vertrieb der ersten Multivideo-Grafikkarte für Linux-Umgebungen." - Das kann nicht sein, da Linux erst 1992 das Licht der Welt erblickt hat. Wie kann dann 1989 schon eine Grafikkarte dafür erschienen sein? Sind da Unix-Umgebungen gemeint? <br />
--[[Benutzer:Linuxfreck|Linuxfreck]] 15:58, 21. Mai 2011 (CEST)</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Lecithine&diff=31480707Lecithine2007-05-07T10:37:57Z<p>Linuxfreck: /* Lecithin hat im Körper unterschiedliche Aufgaben */ sprachliche Korrektur: Stichpunkt statt ganzer Satz</p>
<hr />
<div>[[Bild:lec_2.jpg|right|thumb|300px|Lecithin-Varianten]]<br />
'''Lecithin''' (deutsch: Lezithin, [[altgriechische Sprache|altgriechisch: λέκιϑος = Eidotter)]] ist eine Substanz, die im Wesentlichen aus polaren und neutralen [[Lipid|Lipiden]] besteht. Der Anteil der polaren Lipide (unlöslich in [[Aceton]]) muss entsprechend einer EU-Richtlinie mind. 60&nbsp;% im Lecithin ausmachen. Die wichtigste Komponente ist die Gruppe der [[Phospholipide]]&nbsp;– und dabei vor allem die Glycerinphospolipide. Die Wissenschaft versteht unter Lecithin das Phosphatidylcholin (ein Glycerinphospholipid). Lecithin ist ein Fettbegleitstoff.<br />
<br />
Lecithin verbindet Fett und Wasser und ist somit ein natürlicher und wichtiger [[Emulgator]] in Nahrungs- und Futtermitteln. In der Medizin und in der Kosmetik wird es auch als Wirkstoff, in der Diätetik als [[Nahrungsergänzungsmittel]] genutzt.<br />
<br />
Lecithine sind in der [[Europäische Union|EU]] als [[Lebensmittelzusatzstoff]] der Nummer ''E&nbsp;322'' zugelassen. Auf Zutatenlisten werden sie als ''Lecithin'', ''Sojalecithin'' oder eben ''E&nbsp;322'' aufgeführt.<br />
<br />
== Entdeckung und Erforschung ==<br />
[[Bild:Gobley.jpg|thumb|left|180px|Nicolas-Théodore Gobley Entdecker des Lecithins]]<br />
1811 berichtete der französische Apotheker Louis Nicolas Vauquelin erstmals von fetthaltigen Präparaten aus Hirnmasse, die organisch gebundenen [[Phosphor]] enthielten und die bereits 1719 vom Chemiker Hensing gefunden wurden.<br />
<br />
[[Nicolas-Theodore Gobley]] isolierte 1846/1847 aus dem Eigelb eine klebrige, orangefarbene Substanz, in der [[Ölsäure]], [[Margarinsäure]], Glycerinphosphorsäure sowie eine stickstoffhaltige organische Base vorhanden waren. Vergleichbare Stoffe fand er 1847–1858 in Hirnmasse, Karpfeneiern, Blut, Galle und anderen Organen. 1850 gab er seiner Entdeckung den Namen Lecithin nach dem griechischen Wort Lekithos (Eigelb).<br />
<br />
[[Felix Hoppe-Seyler]], Begründer der Biochemie und Molekularbiologie, fand 1867 organisch gebundenen [[Phosphor]] in Pflanzensamen. 1899 isolierten die Chemiker<br />
E. Schulze und E. Steiger aus Pflanzensamen Phospholipide, die sie ebenfalls als Lecithin bezeichneten. Nach ihren Erkenntnissen hatten die Sojabohnen und Lupinen mit 1,5–2,5&nbsp;% den höchsten Lecithin-Gehalt den von ihnen untersuchten Pflanzensamen.<br />
<br />
Die Forscher Diakonow und [[Adolph Strecker]] (1822–1871) isolierten Lecithin, z.&nbsp;B. aus Eigelb, in größerer Reinheit und erkannten, dass der stickstoffhaltige Anteil des Lecithins [[Cholin]] war.<br />
<br />
Johannes Ludwig Wilhelm Thudichum (1829–1901), der Begründer der Gehirnchemie, fand eine analoge Verbindung und nannte sie Kephalin nach dem griechischen Wort Kephalos (Kopf) und konnte das Sphingomyelin separieren.<br />
<br />
Von Anfang 1900 bis in die späten 30iger Jahre sind keine wesentlichen Fortschritte im Wissen um die Phospholipide zu erkennen. Ernst Klenk (1896–1971) und Sakat fanden 1939 im Sojalecithin [[Inosit]] und Inositphosphorsäure. 1944 extrahierte der amerikanische Chemiker Jon Pangborn aus dem Lipid des Rinderherzmuskels [[Cardiolipin]] und 1958 beschrieben Carter und seine Mitarbeiter die komplexen Phytoglykolipide, die nur in pflanzlichen Phospholipidmischungen vorkommen. <br />
<br />
Als 1925 die Hansamühle Hamburg, heute ADM Ölmühle Hamburg AG, das Bollmannsche Extraktionsverfahren einführte, konnten aus rohem Pflanzenöl wirtschaftlich Lecithin isoliert werden. Die industrielle Produktion begann. Hauptquelle für Lecithin wurde das Öl der Sojabohnen. Lecithin aus Eidotter hat in speziellen Anwendungen, z.&nbsp;B. in der Pharmazie und Kosmetik, weiterhin eine Bedeutung.<br />
<br />
Einer der ersten Anwendungsforscher für Lecithin war um 1925 Dr. Bruno Rewald, der als einer der ersten Lecithin-Technologen das Lecithin als Emulgator und [[Dispersion|Dispersionsmittel]] empfahl. <br />
<br />
Hamburg wurde der Ausgangspunkt und das Zentrum für die industrielle Sojabohnen- und Lecithin-Verarbeitung. Der Amerikaner Josef Eichberg war der erste, der 1930 den Wert der Lecithine für die USA erkannte und dort das ‚Hamburger Lecithin‘ der Hansamühle vermarktete. Ab 1935 wurde Lecithin – in guter Qualität – auch in Amerika hergestellt. Es waren die Firmen Pillsbury und Central Soya (beide USA), die sich dieser vielseitigen Substanz annahmen. <br />
<br />
Ab 1948 verschrieb sich Lucas Meyer, Hamburg, der Anwendungstechnik und dem Verkauf von Lecithinen. Mit Rüdiger Ziegelitz und Volkmar Wywiol, die ab 1953 die Vermarktung und Weiterentwicklung des Lecithins vorantrieben, gelang der weltweite Durchbruch für Lecithin als Hilfs- und Wirkstoff. Die Anwendungsvielfalt der Lecithine in den Bereichen Lebensmittel, Futter und Technik wurde von ihnen auf eine breite Basis gestellt. <br />
<br />
In der diätetischen Anwendung leistete der Arzt Dr. Buer Pionierarbeit und brachte 1935 mit dem Produkt ‚Buer-Lecithin‘ eines der ersten Lecithinpräparate auf den Markt. H. Eickermann, A. Nattermann & Cie (heute [[Sanofi-aventis|Sanofi-Aventis Gruppe]]), konzentrierte sich auf die Wirksubstanz Phosphatidylcholin und entwickelte eine Reihe bedeutender pharmazeutische Präparate, die noch heute angeboten werden. <br />
<br />
Dr. Herbert Rebmann entwickelte aus dem Eigelb Phospholipid-Spezialitäten als hochwertige Pharma-Emulgatoren für Fettnährstofflösungen. <br />
<br />
Die Forschung und Anwendungstechnik ist längst noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind z.&nbsp;B. Lecithine aus Meeresalgen, die Verwendung von Liposomen in der Nahrungsmittelindustrie und Phospholipide in der Aquakultur im Focus der Wissenschaft.<br />
<br />
== Vorkommen und Verfügbarkeit ==<br />
[[Bild:So_2.jpg|right|thumb|300px|Erntereifes Sojafeld – Mittlerer Westen (USA)]]<br />
<br />
=== Vorkommen ===<br />
Polare Lipide, besonders Phospholipide, sind wichtige Strukturbestandteile von [[Biomembran|biologischen Membranen]] und kommen in allen Lebewesen (Menschen, Tieren, Pflanzen und Algen) und in vielen Mikroorganismen vor. In der Leber und im Gehirn, in Lunge und Herz sowie im Muskelgewebe finden sich die höchsten Lecithin-Konzentrationen. Auch in manchen Körperflüssigkeiten sind Phospholipide – vor allem im Blutplasma der Wirbeltiere – vorhanden. <br />
<br />
=== Verfügbarkeit ===<br />
Derzeit werden pro Jahr etwa 180.000&nbsp;t Lecithin vorwiegend aus den [[Sojabohne|Sojabohnen]] (2&nbsp;% Lecithin-Gehalt), die in den USA, in Brasilien und Argentinien geerntet werden, hergestellt. Andere Soja-Produzenten, wie China, Indien, Paraguay oder Kanada, haben für die weltweite Lecithin-Gewinnung derzeit wenig Bedeutung. Der Anbau von Soja in Europa ist marginal.<br />
Neben Soja zählen, wenn auch in geringerem Umfang, Raps und Sonnenblumen als Rohstoffquellen.<!-- Darüber hinaus könnte Lecithin aus Organismen an Bedeutung zunehmen. Bitte präzisieren, welche Organismen gemeint sind. Sojapflanzen, Raps und Sonnenblumen sind schließlich auch Organismen.--> <br />
Eigelb, mit seinem hohen Anteil an Lecithin (ca. 10&nbsp;%), kann den Markt wegen der beschränkten Verfügbarkeit kaum versorgen. Die relativ niedrigen Mengen gehen vor allem in die Pharmazie, Medizin und Kosmetik.<br />
<br />
== Lecithin als Wirk- und Hilfsstoff ==<br />
[[Bild:Lipo_1.jpg|thumb|left|200px|Lipid-Doppelschicht O/W]]<br />
Den Lecithinen werden neben ihren strukturbildenden Eigenschaften zahlreiche funktionelle Aufgaben zugeschrieben. Sie sind sowohl am anabolen Lipidstoffwechsel (Synthese und Verteilung von Lipiden) als auch am katabolen Fettstoffwechsel (Abbau und Umbau von Lipiden) aktiv beteiligt.<br />
<br />
=== Wirkung von Lecithin im Körper ===<br />
==== Zellmembran ====<br />
Die Zellmembran fast aller Zellen besteht aus einer Lipiddoppelschicht. Lecithin ist essentiell für die Bildung der Biomembranen. <br />
<br />
==== Fettverdauung ====<br />
Da Fette wasserunlöslich sind, sind zur Fettverdauung verschiedene körpereigene Schritte notwendig, um die mit der Zerlegung von Fetttröpfchen ([[Micellen]]) beginnende Verdauung durchführen zu können. <br />
<br />
==== Export von Fettsäuren aus der Leber ====<br />
Diese Funktion ist insbesondere bei den landwirtschaftlichen Nutztieren wichtig:<br />
Hühner nehmen mit der Nahrung vor allem [[Stärke]] auf, aus der in der Leber Fette für die Eibildung synthetisiert werden müssen; Lecithin ist hier notwendig, um die gebildeten Fette aus der Leber zu exportieren (als very-low-density-Lipoproteins; [[VLDL]]), sonst besteht die Gefahr, dass das Tier an einer Fettleber erkrankt. <br />
Bei Kühen besteht diese Gefahr auch teilweise, allerdings ist dies hier Folge eines anderen Vorganges: Kurz nach der Geburt des Kalbes beginnt die sehr energieaufwendige Milchbildung. Hierzu werden Körperfettreserven mobilisiert, die zunächst in die Leber transportiert werden und von hier wiederum als VLDL in das Blut. Soweit die Versorgung der Kuh mit [[Aminosäure|Aminosäuren]] zu diesem Zeitpunkt nicht adäquat ist (insbesondere: [[Lysin]] und [[Methionin]]), kann es ebenfalls zu einer Fetteinlagerung in der Leber kommen, was letztlich wohl zu einer Leistungsdepression führen kann. Die Forschung auf diesem Gebiet dauert noch an.<br />
<br />
== Gewinnung ==<br />
(am Beispiel des Soja-Lecithins)<br />
<br />
=== Rohstoff: Sojabohne ===<br />
[[Bild:so_1.jpg|thumb|200px|Reife Sojabohne]]<br />
Die Sojabohnen der Haupterzeugerländer stehen als [[nachwachsender Rohstoff]] ausreichend zur Verfügung (Ernte 2005: 214 Mio. t). Ausgereifte und sorgfältig gelagerte Bohnen sind für gute Lecithin-Qualitäten von großer Bedeutung. Die Bohnen müssen zunächst gereinigt, gebrochen und zu Plättchen gewalzt werden.<br />
<br />
=== Rohstoff: Rohes Sojaöl ===<br />
Die Plättchen (2–5&nbsp;mm) werden in einer Extraktionsanlage im Gegenstrom mit [[Hexan]] extrahiert. Das dabei entstehende Gemisch (Miscella) wird destilliert und eingedampft und schließlich im Vakuum durch Zuführen von direktem Dampf vom Lösemittel befreit.<br />
<br />
Das dabei entstandene Rohöl ist das Ausgangsprodukt für das Sojalecithin. Durch Dämpfung der Ölsaaten vor der [[Extraktion]] kann der Lecithingehalt des Rohöles um 50–100&nbsp;% erhöht werden. Dabei sinkt dann der Anteil nicht hydratisierbarer Phospholipide im entschleimten Öl.<br />
<br />
=== Ergebnis: Lecithin ===<br />
[[Bild:Lec_3a.jpg|thumb|200px|Flüssiges Lecithin – raffiniert]]<br />
Das Rohöl, das als Begleitstoff etwa 2&nbsp;% Lecithin enthält, wird in einem Quellbehälter auf 70–90&nbsp;°C erwärmt und mit 1–4&nbsp;% Wasser intensiv vermischt. Dabei quillt das Lecithin auf, fällt als gallertartige Masse aus und wird mit hochtourigen Spezial-Separatoren vom Rohöl abgetrennt. Diesem Lecithin-Nass-Schlamm – mit etwa 12&nbsp;% Öl, 33&nbsp;% Phospholipiden und 55&nbsp;% Wasser – wird in einem Dünnschichtverdampfer das Wasser entzogen. Es entsteht ein Rohlecithin, das 60–70&nbsp;% polare Lipide und 27–37&nbsp;% Sojaöl enthält. Der Wasseranteil beträgt jetzt nur noch 0,5–1,5&nbsp;%.<br />
<br />
Die Hauptbestandteile der durch die Entschleimung gewonnenen Rohlecithine sind: [[Phospholipide ]](auch als Phosphatide bezeichnet), [[Triglyceride]], [[Glykolipide]] und [[Kohlenhydrate]]. Nebenbestandteile: [[Sterine]], freie [[Fettsäuren]], Farbstoffe und eine Reihe anderer Verbindungen.<br />
<br />
Neben der Entschleimung durch das Quellverfahren mit Wasser, gibt es die Entschleimung mit Säuren (Super Degumming) und ein Entschleimungsprozess mit dem Enzym Phospholipase A2. Hierbei werden besonders auch die sonst nicht oder nur schwer erfassbaren sogenannten nicht hydratisierbaren Phospholipide gefällt.<br />
<br />
==== Reinlecithin – Fraktionen – Modifikationen ====<br />
Für viele Anwendungen kann Lecithin in seiner ursprünglichen Form genutzt werden. Vielfach ist es aber sinnvoll, natives (ursprüngliches) Lecithin zu entölen, zu fraktionieren oder zu modifizieren, um für besondere Anwendungen spezifische Lecithine zu erhalten:<br />
* Die Entölung dient zur Herstellung pulverförmiger oder granulierter „Reinlecithine“, indem das Öl und die freien Fettsäuren aus dem nativen Lecithin entfernt werden. Sie sind geschmacksneutral, gut dosierbar, besitzen eine hohe Phospholipidkonzentration und haben verbesserte O/W-Emulgiereigenschaften.<br />
* Fraktionierung bedeutet die Auftrennung des Lecithinkomplexes in eine alkohollösliche und eine alkoholunlösliche Komponente. Aus der alkohollöslichen Fraktion kann durch ein chromatografisches Verfahren eine weitere Aufteilung in zwei Fraktionen mit spezifischen Eigenschaften erfolgen.<br />
* Die Modifizierung beruht auf der Abtrennung eines Fettsäuremoleküls aus dem Phospholipidmolekül. Dies geschieht mit Hilfe der Phospholipase A2. Man nennt den Vorgang enzymatische Hydrolyse. Das dadurch entstandene „Lysolecithin“ ist besonders hydrophil, wodurch die O/W-Emulgiereigenschaften verstärkt werden und die Calciumionenverträglichkeit erhöht wird.<br />
* Die Acetylierung, eine andere Form der Modifizierung, verändert das Phosphatidylethanolamin, indem an die Aminogruppe ein Essigsäuremolekül angelagert wird. Dadurch wird das entstandene „Lysolecithin“ besonders hydrophil.<br />
* Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Emulgieraktivität der Lecithine ist die Hydroxylierung der im Phospholipidmolekül gebundenen ein- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Diese erfolgt durch die Umsetzung mit Wasserstoffsuperoxid.<br />
<br />
== Chemisch-physikalische Eigenschaften ==<br />
Rohe vegetabilische Lecithine sind braune bis gelbliche Substanzen von plastischer und flüssiger Konsistenz. Die Farbe ist abhängig von der Herkunft der Saat, den Ernte- und Lagerbedingungen sowie den Verarbeitungs-Verfahren und -Anlagen.<br />
Die Konsistenz wird durch den Ölgehalt, durch die Menge an freien Fettsäuren und den Feuchtigkeitsanteil bestimmt. Entölte Lecithine sind pulvrig bzw. granuliert.<br />
Gut gereinigte (raffinierte) Lecithine haben einen charakteristischen (bohnigen) bis neutralen Geruch und Geschmack. <br />
<br />
Grundsätzlich sind Lecithine, deren modifizierte Abkömmlinge und die fraktionierten Phospholipide löslich in Ölen und Fetten.<br />
<br />
Pulvrige oder granulierte entölte Lecithine erfordern zur Lösung Temperaturen zwischen 50–60&nbsp;°C und ein Rührgerät.<br />
<br />
In organischen Lösemitteln wie [[Chloroform]], [[Hexan]] und [[Benzol]] sind Lecithine gut löslich. In [[Aceton]] sind sie unlöslich. In [[Ethanol]] nur teillöslich. Die Löslichkeit ist abhängig von der Kettenlänge und dem Sättigungsgrad der Fettsäuren im [[Molekül]]. Zum Beispiel geht die gute Ethanollöslichkeit des Phosphatidylcholins zurück, wenn die Fettsäuren [[gesättigt]] (hydriert) sind. Phosphatidylethanolamin und Phosphatidylinosit sind wenig bis unlöslich in Ethanol.<br />
<br />
Beispiel eines Lecithinmoleküls: die Fettsäurereste variieren (hier als Beispiele Stearin und Ölsäurerest)<br />
<br />
[[Bild:lecithin.png|500px|Struktur von Lecithin|center]]<br />
<br />
Alle Lecithine sind dispergierbar in Wasser. Unterstützende Faktoren bei der Verteilung in Wasser sind die Temperatur (ca. 20&nbsp;°C), der [[pH-Wert]] (7–8) und eine möglichst niedrige Salzkonzentration.<br />
<br />
Bei Zusatz von [[Säuren ]]und [[Basen]] zu wässrigen Lecithindispersionen erfolgt bei pH-Werten <4 und >12 [[Hydrolyse]]. Es resultieren Lyso-Lecithine und freie Fettsäuren.<br />
Lecithine, besonders entölte und fraktionierte Phospholipide, sind äußerst hygroskopisch. An der Luft bilden sie klebrige, wachsartige Massen.<br />
<br />
Bei längerer Erwärmung über 70&nbsp;°C verfärben sich Lecithine dunkelbraun bis schwarz.<br />
<br />
Lecithine sind [[amphiphil]]. Das bedeutet, ihre Moleküle bestehen aus [[hydrophil|hydrophilen]] und aus [[lipophil|lipophilen]] Teilen. Sie entfalten daher grenzflächenaktive Eigenschaften und können die [[Grenzflächenspannung]] zwischen den unterschiedlichsten Substanzen herabsetzen.<br />
<br />
Lecithine bewirken zwischen festen Phasen ausgiebige Benetzung der Oberflächen und sorgen auf diese Weise für homogene Mischungen (z.&nbsp;B. bei Schokolade). Lecithine sind auf Grund dieser Eigenschaft gute [[Trennmittel]], z.&nbsp;B. als Formentrennmittel und als Bestandteil von Schneidölen in der Backindustrie.<br />
<br />
Zwischen festen und flüssigen Phasen ist Lecithin als Netz- und Dispergiermittel aktiv. Auf die Oberfläche fester Substanzen verteilt (gesprüht), reduziert es die Oberflächenspannung der Partikel. So behandelt, kann die feste Phase klumpenfrei in eine flüssige Phase suspendiert werden (Instantisierung).<br />
<br />
Zwischen nicht mischbaren Flüssigkeiten (Öl+Wasser) reduziert Lecithin die Grenzflächenspannung und wirkt als Emulgator. <br />
<br />
Lecithine sind als native, grenzflächenaktive Verbindungen in der Lage, [[Vesikel]] in Form von [[Liposom|Liposomen]] und in höheren Konzentrationen lamellare flüssigkristalline Phasen zu bilden, was von besonderem Interesse für die kosmetische Anwendung ist.<br />
<br />
Zudem sind Lecithine untoxisch, nicht allergen und nicht reizend.<br />
<br />
Lecithine haben ein mittleres [[Molgewicht]] von 787&nbsp;g/mol und einen Schmelzpunktbereich von ca. 160–230&nbsp;°C.<br />
<br />
== Anwendungen von Lecithin ==<br />
Der Einsatz von Lecithin in der Nahrungs- und Futtermittelproduktion, in der Pharmazie und Medizin sowie in kosmetischen Erzeugnissen und im Nonfood-Bereich ist vielfältig. Nachstehen sind einige Verwendungsmöglichkeiten dargestellt. <br />
<br />
=== Lebensmittel ===<br />
<gallery><br />
Bild:FD_1.jpg|Brot und Backwaren<br />
Bild:FD_2a.jpg|Margarine<br />
Bild:FD_3.jpg|Schokolade und Schokoladenüberzug<br />
Bild:FD_4.jpg|Instantgetränk<br />
</gallery><br />
Die größte Menge von industriell erzeugtem Lecithin, vorwiegend aus Sojabohnen, geht in die Lebensmittelwirtschaft. Zunächst war Pflanzen-Lecithin ein Ersatz für Ei-Lecithin. Längst gilt es aber als gleichwertig, teilweise sogar als überlegen.<br />
Ihren festen Platz hat es als Emulgator und Dispersionsmittel, sowohl für hydrophile Stoffe in öligen und hydrophobe in wässrigen Medien als auch als Stabilisierungsmittel von Grenzflächen in gasförmig/wässrigen und gasförmig/festen Nahrungsmittelsystemen.<br />
<br />
==== Lecithin in [[Brot]]- und [[Backware|Backwaren]] ====<br />
Lecithine sind vor allem wichtige Hilfsstoffe bei Backprozessen. Sie erleichtern das Aufschlagen fetthaltiger Teige und ermöglichen die Verwendung kleberarmer Teige. Die höhere Volumensausbeute, feinere Porung und knusprigere Kruste, die erzielt werden können, kommt besonders der Brötchenherstellung zugute. Die Fähigkeit des Lecithins, das Altbackenwerden von Brot- und Backwaren zu verzögern, ist besonders bedeutsam. <br />
<br />
==== Lecithin bei der Herstellung von [[Margarine]] ====<br />
Anfangs hatte Margarine gegenüber der Butter den Nachteil des Spritzens beim Ausbraten sowie das feste Anhaften des Milchcaseins, das unter Geruchsbelästigung verbrannte. Um das zu verhindern, wurde zunächst Lecithin aus Eigelb als Emulgator eingesetzt. Die Probleme ließen sich aber erst mit geschmacksneutralem Sojalecithin wirtschaftlich lösen.<br />
<br />
Neue Verfahrenstechniken und Rezepturen sorgten für eine wesentliche Qualitätssteigerung, die aber zur Abkehr vom nativen Sojalecithin hin zu speziellen Lecithinfraktionen führten. Damit konnte dann auch eine bessere Oxidationsbeständigkeit und Stabilisierung erzielt werden.<br />
<br />
Eine gute Antispritzwirkung bei Halbfettmargarine (40&nbsp;% Fett und 60&nbsp;% Wasser) lässt sich mit Lecithin-Zusatz allein nicht erreichen. Dies gelingt nur in Verbindung mit grenzflächenaktiven Substanzen, wie Sojaproteinkonzentraten.<br />
<br />
==== Lecithin in [[Schokolade]] ====<br />
Wie fast überall hat auch hier Lecithin eine Doppelfunktion: eine Qualitätssteigerung der Schokolade und eine Reihe von Vorteilen bei der Herstellung. Um in der Schokoladenherstellung die richtige Konsistenz zu erzielen und das typische Aroma zu erreichen, bedarf es vielstündiger Mahloperationen in der sogenannten Conche. Durch den Einsatz von Lecithin wird dabei die Viskosität herabgesetzt, die Bearbeitungszeit verkürzt und Kakaobutter eingespart. Aber auch die Eigenschaften werden günstig beeinflusst. Die Schokolade wird widerstandsfähiger gegenüber erhöhten Temperaturen, die Haltbarkeit verlängert, der Glanz der Oberfläche erhöht und ein vorzeitiges Vergrauen vermindert.<br />
<br />
Die Industrie verwendet fast ausschließlich Sojalecithine, aber auch Lecithine aus Raps- und Sonnenblumensaaten werden eingesetzt. Synthetische Lecithine und Lecithin-Kombinationen können sich bei der Produktion als vorteilhaft erweisen. Das gleiche gilt beim Einsatz von Lecithinfraktionen, die eine bessere Verflüssigung der Schokolade beim Conchieren zulassen als native Lecithine.<br />
<br />
==== Lecithin in [[Instant]]-Lebensmitteln ====<br />
Pflanzenlecithine haben sich bei der Instantisierung von Kakao- und Kaffeepulver bewährt. Aber besonders effektiv lassen sie sich bei Voll- und Magermilchpulver einsetzen. Darüber hinaus dienen sie als Dispergiermittel in Sojaproteinerzeugnissen, Kartoffelstärke und Trockensuppen.<br />
<br />
=== Futtermittel ===<br />
==== [[Kalb|Kälber]] und [[Hausrind|Rinder]] ====<br />
[[Bild:tie_1.jpg|left|thumb|200px|Kälbchen]]<br />
In Futtermitteln für Rinder hat Lecithin vornehmlich eine technologische Bedeutung. Lecithin verhindert z.&nbsp;B. bei der Herstellung mehlförmiger Kraftfuttermischungen die Staubbildung. Gleichzeitig sinkt die Gefahr Staubexplosionen bei der Produktion. <br />
<br />
Es verzögert durch seine Emulgierfähigkeit das Aufrahmen des Fettes und die Sedimentation unlöslicher Bestandteile in der Tränke.<br />
Bei den Jungtieren allerdings stehen die physiologischen Aspekte eher im Vordergrund. So werden bei Kälbermilchaustauschern, bei denen die Kuhmilch durch Magermilch ersetzt und mit milchfremden Fetten und Proteinen angereichert werden, sehr gute – der Kuhmilch mindestens vergleichbare – Fütterungsergebnisse erzielt.<br />
<br />
==== [[Hausschwein|Schweine]] ====<br />
[[Bild:tie_2.jpg|right|thumb|200px|Ferkel]]<br />
Bei künstlicher Sauenmilch, die häufig bei der Ferkelaufzucht notwendig wird, hat der Einsatz von Lecithin etwa die gleiche Bedeutung wie bei Kälbermilchaustauschern. Die Zugabe von Lecithin im Mastfutter bewirkt eine wesentlich bessere Fettverwertung, so dass sich die Mastzeit in der Regel verringern lässt.<br />
<br />
==== [[Huhn|Hühner]] ====<br />
Ein schnelleres Wachstum und eine vermehrte Vitamin A-Speicherung in der Leber ließen sich bei Küken, wenn diese mit dem Futter Lecithin aufnahmen, nachweisen. Das Fettlebersyndrom, das seit 1956 in Deutschland beschrieben wird, wird durch die Zugabe von Lecithin – mit seinem hohen Anteil an Cholin und Inosit – im Legehennen-Futter günstig beeinflusst. Die Psoriasis trat ebenfalls nicht mehr auf. Ebenso kann die Legeleistung und das Ei-Gewicht von Hybriden erhöht werden.<br />
<br />
==== [[Aquakultur]] ====<br />
In der Zucht von Forellen und Salmoniden führt die Unverdaulichkeit von Fetten zu Problemen und zu einer erhöhten Todesrate. Auch Seetier-Öle bewirkten Leber- und Nierenschäden und Depigmentierungen, so dass Forellen lange Zeit fettfrei gefüttert wurden. Lecithine sowie Geflügelfett allerdings haben einen günstigen Einfluss auf die Gesundheit und das Wachstum der Fische. Die Linol- und Linolensäure und das Cholin des Lecithins fördern das Wachstum und erhöhen die Futterverwertung. Nieren- und Darmblutungen sowie das Fettlebersyndrom lassen sich vermeiden. <br />
<br />
Die Verwendung von Lecithin in der Aquakultur gewinnt zunehmend an Bedeutung, wie etwa bei der Zucht von Krusten- und Schalentieren und Meeresfrüchten. <br />
<br />
==== [[Pelztier|Pelztiere]] ====<br />
Zuerst vermutete man nur, dass die Verfütterung von Lecithin, z.&nbsp;B. bei Kaninchen und Nerzen, sinnvoll sein könnte, um Lebererkrankungen vorzubeugen - besonders während der Trächtigkeit. Spätere Fütterungsversuche bewiesen es. Das Wachstum ist zügiger, die Pelze der Jungnerze werden größer und von besserer Qualität.<br />
Die Fettleber ist bei Nerzen weit verbreitet. Das liegt einerseits an einer meist einseitigen Ernährung, aber auch an fehlenden Substanzen wie sie im Lecithin vorhanden sind und sich beim Leberstoff-Wechsel bewährt haben.<br />
<br />
=== Lecithin im Non-Food-Bereich === <br />
Heute werden in den unterschiedlichsten Industrien aus wirtschaftlichen Überlegungen statt reinem Öl wässrige Emulsionen aus Ölen, Fetten und Wachsen eingesetzt. Dabei spielt das Lecithin als Emulgator und Wirkstoff eine herausragende Rolle. Etwa 20&nbsp;% des verwendeten Lecithins geht in die technische Industrie.<br />
<br />
Wichtige Anwendungsbereiche sind die Bauindustrie, die Behandlung von Bauholz, der Einsatz bei Chemiefasern, Bekleidungs- und Handschuhleder, Lederpflegemittel, beim Schmälzen von Wolle, Färben oder Bedrucken von Geweben und im Kohletransport durch Rohrleitungen sowie in Farben und Lacken. <br />
<br />
==== Phospholipide in [[Pflanzenschutzmittel]] ====<br />
Pflanzenschutzmittel enthalten neben den Wirkstoffen, Lösungsmittel und Emulgatoren und eventuell noch andere Hilfsstoffe. Ist Lecithin der Emulgator, reduziert er den bioziden Wirkstoffanteil bei gleichzeitiger Erhöhung der Wirksamkeit des verbleibenden Wirkstoffgehaltes. Die wässrige Emulsion bleibt beständig und ermöglicht eine bessere Verteilung der Wirkstoffe.<br />
<br />
=== Lecithin in der Pharmazie und Diätetik ===<br />
Wer „auf Diät lebt“, verzichtet bewusst auf eine normale, ausgewogene, bedarfsangepasste Ernährung. Er hat seinen Speiseplan meist nach eigenen Erfahrungen und Erwägungen zusammengestellt. Eine Diät, so sagt es das Medizin-Lexikon, ist anzusehen als ein „Mittel einer gezielten therapeutischen oder prophylaktischen Beeinflussung des Stoffwechsels“.<br />
<br />
Die besonderen qualitativen und quantitativen Eigenschaften des Lecithins rechtfertigen nicht nur seinen verbreiteten Einsatz in der Lebensmittelherstellung, sondern machen es auch zu einem wichtigen Bestandteil diätetischer Programme.<br />
* Lecithin ist mit seinen mehrfach ungesättigten Fettsäuren ein bedeutender Antagonist zum [[Cholesterin]]; ca. 60&nbsp;% der Fettsäuren des Lecithins sind [[Linolsäure]].<br />
* Lecithin hilft, das ausgewogene Verhältnis [[LDL]] zu [[HDL]] zu stabilisieren.<br />
* Lecithin unterstützt dank seiner lipotropen Komponenten [[Cholin]] und [[Inosit]] die Behandlung von Erkrankungen der [[Leber]].<br />
* Das harmonische Gleichgewicht von Lecithin, Gallensäuren und Cholesterin in der Gallenflüssigkeit ist eine notwendige Voraussetzung dafür, die Bildung von [[Gallenstein|Gallensteinen]] zu verhindern.<br />
* Dank seiner Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, sind Störungen des lebenswichtigen Lecithin-Haushalts im [[Zentralnervensystem]] vergleichsweise selten.<br />
* Störungen im [[Stoffwechsel]] des Acetylcholins sind Ursachen einer Reihe mentaler Erkrankungen. Lecithin ist als positives Hilfsmittel an Heilungsprozessen beteiligt.<br />
* Lecithin wird mit Erfolg in der [[Geriatrie]] eingesetzt. Es fördert das Wohlbefinden älterer Menschen.<br />
* Bei Sportlern wirkt Lecithin als Energiespender für Muskeln und Gehirn. Der Erholungsvorgang nach körperlicher Beanspruchung wird abgekürzt.<br />
<br />
=== Lecithin in der Kosmetik ===<br />
Phospholipide wirken von außen und innen. Sie erhöhen die Atmungsintensität der Haut und regulieren den Zellstoffwechsel. Sie beeinflussen Weichheit und Geschmeidigkeit.<br />
<br />
Phospholipide sind rückfettend. So verhindern sie bei normaler und besonders bei trockener Haut das Austrocknen nach dem Waschen. Diese Eigenschaft wird auch in Haarwaschmitteln genutzt. Sie regulieren den [[pH-Wert]] der Haut und unterstützen den natürlichen Schutzmantel gegen aggressive Umwelteinflüsse.<br />
<br />
Ihr hoher Gehalt an Linol- und Linolensäure wirkt bei Hautkrankheiten positiv.<br />
Relativ jung ist die Anwendung der Phospholipide zur Herstellung kugelförmiger Vesikel, den [[Liposom|Liposomen]]. Die Kugeln sind durch Lipiddoppelmenbranen aus Phospholipiden begrenzt. In ihrem Innern enthalten sie eine wässrige Phase, in der spezielle Wirkstoffe gelöst sind, die auf diese Weise leichter in die Haut eingeschleust werden können.<br />
<br />
== Quellen und Literatur ==<br />
* Hermann Pardun: ''Pflanzenlecithine'' Verlag für chemische Industrie H. Ziolkowsky KG, Augsburg, 1988<br />
* Werner Schäfer, Volkmar Wywiol: ''Lecithin – Der unvergleichliche Wirkstoff'' Strohte Verlag, Frankfurt, 1986, ISBN 3-87795-031-0<br />
* Rüdiger Ziegelitz: ''Lecithine – Eigenschaften und Anwendungen'' Lucas Meyer (Hrsg), Hamburg, 1989<br />
* Jean Pütz, Christine Niklas: ''Schminken, Masken, schönes Haar – Die sanfte Kosmetik'' vgs verlagsges. Köln, 1987; ISBN 3-8025-6151-1<br />
* D. D. Lasic: ''Liposomes: From Physics to Applications'' Elsevier, 1993<br />
* Dietrich Arndt, Iduna Fichtner: ''Liposomen, Darstellung – Eigenschaften - Anwendung'' Akademie-Verlag, Berlin, 1986<br />
* Rüdiger Ziegelitz/Dr. Lutz Popper: ''Lecithin – bewährte Funktionalität'', Hrsg. Backmittelinstitut, www.backmittelinstitut.de, 3. April 2007<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.phytodoc.de/informationen/heilpflanze/lecithin_sojalecithin/ Phytodoc: Lecithin in der Naturheilkunde]<br />
<br />
{{Gesundheitshinweis}}<br />
<br />
[[Kategorie:Stoffgruppe]]<br />
[[Kategorie:Lebensmittelchemie]]<br />
[[Kategorie:Lipid]]<br />
[[Kategorie:Tensid]]<br />
<br />
[[da:Lecitin]]<br />
[[en:Lecithin]]<br />
[[es:Fosfatidilcolina]]<br />
[[fi:Lesitiini]]<br />
[[fr:Phosphatidylcholine]]<br />
[[he:לציטין]]<br />
[[id:Lesitin]]<br />
[[ja:レシチン]]<br />
[[nl:Lecithine]]<br />
[[pl:Lecytyna]]<br />
[[pt:Lecitina]]<br />
[[ru:Соевый лецитин]]<br />
[[su:Lésitin]]<br />
[[sv:Lecitin]]<br />
[[tr:Lesitin]]<br />
[[zh:卵磷脂]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Freiburg_im_Breisgau&diff=25070891Freiburg im Breisgau2006-12-13T12:40:25Z<p>Linuxfreck: /* Chöre */ Freiburg Gospel Choir in die Liste der Chöre hinzugefügt</p>
<hr />
<div>{| cellpadding="2" style="float: right; width: 320px; background: #e3e3e3; margin-left: 1em; border-spacing: 1px;"<br />
! Wappen<br />
! Karte<br />
|- style="background: #ffffff; text-align: center;"<br />
| style="width: 150px;" | [[Bild:Wappen Freiburg im Breisgau.svg|140px|Wappen von Freiburg im Breisgau]]<br />
| style="width: 150px;" | [[Bild:Lage der kreisfreien Stadt Freiburg im Breisgau in Deutschland.png|140px|Lage der kreisfreien Stadt Freiburg im Breisgau in Deutschland]]<br />
|-<br />
! colspan="2" | Basisdaten <br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Bundesland (Deutschland)|Bundesland]]: || [[Baden-Württemberg]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Regierungsbezirk]]: || [[Regierungsbezirk Freiburg|Freiburg]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Regionalverband|Region]]: || [[Region Südlicher Oberrhein|Südlicher Oberrhein]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Landkreis|Kreis]]: || [[Stadtkreis]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Geographische Lage]]: || {{Koordinate Text Artikel|47.9955_N_07.8522_E_region:DE-BW_type:city(210000)|47°&nbsp;59'&nbsp;N, 07°&nbsp;51'&nbsp;O}}<br>''<small>(Münsterplatz)</small>''<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Höhe]]: || 278 m ü. [[Normalnull|NN]]''<small> (Münsterplatz)</small>''<br>''<small>Waltershofen 196 m, <br>Schauinsland 1284 m''<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Fläche]]: || 153,06 [[Quadratkilometer|km²]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Einwohner]]: || 215.966 ''<small>(31. Dez. 2005)</small>'' <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Bevölkerungsdichte]]: || 1411 Einwohner / km²<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Ausländeranteil]]: || 14,1 % <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|---- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Postleitzahl]]en: || 79098 - 79117 <small> (alte PLZ: 7800)</small><br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Telefonvorwahl|Vorwahl]]: || 0761''<br><small>Opfingen, Tiengen, Munzingen 07664''<br />
''<small>Hochdorf, Waltershofen 07665''<br />
<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Kfz-Kennzeichen]]: || FR<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Amtlicher Gemeindeschlüssel|Gemeindeschlüssel]]: || 08 3 11 000<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| Stadtgliederung: || [[Stadtbezirke von Freiburg|41 Stadtbezirke]]<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| Anschrift der <br />Stadtverwaltung: || Rathausplatz 2-4<br />79098 Freiburg<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| Website: || [http://www.freiburg.de/ www.freiburg.de]<br />
|-----<br />
! colspan="2" | Politik <br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
| [[Oberbürgermeister]]: || [[Dieter Salomon]] ([[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]])<br />
|----- bgcolor="#FFFFFF"<br />
|[[Direktmandat]] im <br /> [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]]: || [[Staatsminister]] im [[Auswärtiges Amt|AA]] <br /> [[Gernot Erler]] ([[SPD]])<br />
|}<br />
<br />
'''Freiburg im [[Breisgau]]''' ist nach [[Stuttgart]], [[Mannheim]] und [[Karlsruhe]] die viertgrößte Stadt in [[Baden-Württemberg]] und südlichste [[Großstadt]] Deutschlands. <br />
<br />
==Allgemeines==<br />
[[Bild:Freiburg 017.650.n.jpg|thumb|Luftbild von Freiburg]]<br />
Die [[kreisfreie Stadt]] im gleichnamigen [[Regierungsbezirk Freiburg|Regierungsbezirk]] ist Sitz des [[Region Südlicher Oberrhein|Regionalverbands Südlicher Oberrhein]] und des [[Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald|Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald]], von dem sie nahezu ganz umgeben ist. Die nächstgelegenen Großstädte sind [[Mülhausen|Mulhouse (dt. Mülhausen)]] im [[Elsass]], etwa 40 km südwestlich, [[Basel]], etwa 60 km südlich, und [[Zürich]], etwa 86 km südöstlich, [[Straßburg]], etwa 85 km und [[Karlsruhe]], etwa 140 km nördlich, sowie [[Stuttgart]], etwa 200 km nordöstlich von Freiburg. <br />
Die Einwohnerzahl der Stadt Freiburg im Breisgau überschritt Anfang der [[1930er]] Jahre die Grenze von 100.000, wodurch sie zur Großstadt wurde. Heute leben rund 215.000 Menschen in der Stadt, darunter etwa 30.000 Studentinnen und Studenten der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Albert-Ludwigs-Universität]], der Fachhochschulen und der [[Pädagogische Hochschule Freiburg|Pädagogischen Hochschule]].<br />
<br />
=== Wappen ===<br />
Das [[Wappen]] der Stadt Freiburg im Breisgau zeigt das [[Georgskreuz]], ein rotes durchgehendes Kreuz auf weißem Grund. Es ist das Symbol von [[St. Georg (Heiliger) | St. Georg]], der als ältester [[Stadtpatron]] gilt. Vereinzelt sieht man auch das Stadtsiegel auf einem Wappenschild: eine stilisierte Burg in rot auf weißem Grund mit zwei Turmbläsern auf den äußeren Türmen; Abbildung siehe [http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Stadtsiegel-freiburg.jpg]. Oft wird an historischen Gebäuden oder auf Gemälden das Stadtwappen zusammen mit dem Wappen von [[Österreich]] (weiß-rot-weiß) gezeigt, ein Hinweis auf die lange Zugehörigkeit der Stadt zu Österreich.<br />
<br />
== Geographie ==<br />
[[Image:Freiburg-topographie.png|thumb|300px|right|Topographische Karte Freiburgs mit Schienennetz DB/VAG]]<br />
Freiburg liegt an der Grenze zwischen [[Schwarzwald]] und [[Oberrheingraben]]. Die [[Verwerfung (Geologie)|Verwerfung]] verläuft mitten durch das Stadtgebiet. Die östlichen Stadtteile liegen in einem Verbindungstal zum [[Dreisamtal|Zartener Becken]] zwischen den Bergen Rosskopf im Norden und Brombergkopf im Süden beziehungsweise schon im Schwarzwald selbst ([[Kappel (Freiburg)|Kappel]], [[Günterstal]]). Der [[Schlossberg (Freiburg)|Schlossberg]], ein Ausläufer der Vorbergzone ragt wie eine Nase direkt ins Innenstadtgebiet. Mit dem südöstlich gelegenen [[Schauinsland]] gehört der Gipfel eines der höchsten Berge des Schwarzwaldes zum Freiburger Stadtgebiet. Damit ist Freiburg unter den deutschen Städten die mit dem größten Höhenunterschied innerhalb des Stadtgebiets (mehr als 1000 Meter). Die westlichen Stadtteile liegen weitgehend auf einem [[Schwemmkegel]], der während der letzten [[Eiszeit]] entstand. Im Süden liegt der [[Schönberg (Ebringen)|Schönberg]], der zur Vorbergzone zählt, einem Teil des alten Gebirges, der beim Einbrechen des Oberrheingrabens nur teilweise abgerutscht ist. Durch Freiburg fließt die [[Dreisam]].<br />
<br />
An die ehemalige Stadtmauer erinnert der Straßenname „Auf der Zinnen“. Etwa zweihundert Meter nördlich davon verläuft der 48. nördliche Breitengrad. Die Stelle ist auf beiden Seiten der Nord-Süd-Durchgangsstraße (die hier Habsburgerstraße heißt) durch eine Schrift in Pflastersteinen verschiedener Farben (vorwiegend weiß-schwarz-weiß) hervorgehoben, so dass auch Auswärtige deutlich erkennen können, auf welcher [[Geographische Breite|Breite]] der Erdkugel sie sich hier befinden.<br />
<br />
Die Stadt liegt im „Verdichtungsraum Freiburg“, der neben der Stadt Freiburg im Breisgau die Gemeinden [[Au (Breisgau)]], [[Bötzingen]], [[Gundelfingen (Breisgau)|Gundelfingen]], [[Kirchzarten]], [[March (Breisgau)|March]], [[Merzhausen]] und [[Umkirch]] des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald sowie die Städte und Gemeinden [[Emmendingen]], [[Denzlingen]] und [[Waldkirch (Breisgau)|Waldkirch]] des [[Landkreis Emmendingen|Landkreises Emmendingen]] umfasst.<br />
<br />
Für die Region Südlicher Oberrhein bildet Freiburg das [[Oberzentrum]], von denen für ganz Baden-Württemberg nach dem Landesentwicklungsplan 2002 insgesamt 14 ausgewiesen sind. Das Oberzentrum Freiburg übernimmt für die Gemeinden Au, Bötzingen, [[Buchenbach]], [[Ebringen]], [[Eichstetten am Kaiserstuhl]], [[Glottertal]], [[Gottenheim]], Gundelfingen, [[Heuweiler]], [[Horben]], [[Kirchzarten]], March, Merzhausen, [[Oberried (Breisgau)|Oberried]], [[St. Märgen]], [[St. Peter (Hochschwarzwald)]], [[Schallstadt]], [[Sölden (Schwarzwald)|Sölden]], [[Stegen (Dreisamtal)|Stegen]], Umkirch und [[Wittnau (Breisgau)|Wittnau]] die Funktion eines Mittelbereichs.<br />
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=== Klima ===<br />
[[Bild:Klimadiagramm-Freiburg im Breisgau-Deutschland-metrisch-deutsch.png|thumb|left|Klimadiagramm von Freiburg]]<ref>Geoklima 2.1</ref><br />
Freiburg liegt in einer Zone mit warm- und feucht-gemäßigtem Klima. Wegen der mittleren Durchschnittstemperatur (über drei Jahrzehnte gemessen) von 11,1 °C gilt die Stadt als die wärmste Großstadt Deutschlands. Auch mit der Anzahl von 1800 Sonnenstunden pro Jahr nimmt Freiburg einen vorderen Platz ein. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge (über 30 Jahre gemessen) beträgt 930 mm. <br />
<br />
Eine Spezialität des sommerlichen Stadtklimas ist der „Höllentäler“ (nach dem östlich gelegenen [[Höllental]]), ein kühler [[Fallwind]] von den Höhen des Schwarzwalds, der die Stadt mit hoher Regelmäßigkeit einige Zeit nach Eintritt der Dunkelheit durchlüftet.<br />
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<br style="clear:both"><br />
[[Image:Freiburg-stadtteile.png|thumb|300px|Die [[Stadtbezirke von Freiburg|Freiburger Stadtbezirke]] mit ihren amtlichen Nummern. Stadtteile mit Ortschaftsverfassung in beige.]]<br />
=== Nachbargemeinden ===<br />
<br />
Folgende [[Stadt|Städte]] und [[Gemeinde]]n grenzen an die Stadt Freiburg im Breisgau. Sie werden im [[Uhrzeigersinn]] beginnend im Norden genannt und liegen alle, außer Vörstetten, das zum [[Landkreis Emmendingen]] gehört, im [[Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald]]:<br />
<br />
[[Vörstetten]], [[Gundelfingen (Breisgau)|Gundelfingen]], [[Glottertal]], [[Stegen (Dreisamtal)|Stegen]], [[Kirchzarten]], [[Oberried (Breisgau)]], [[Münstertal (Schwarzwald)]], [[Bollschweil]], [[Horben]], [[Au (Breisgau)]], [[Merzhausen]], [[Ebringen]], [[Schallstadt]], [[Bad Krozingen]], [[Breisach am Rhein]], [[Merdingen]], [[Gottenheim]], [[Umkirch]] und [[March (Breisgau)|March]].<br />
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<br />
=== Stadtgliederung ===<br />
<br />
Das Stadtgebiet von Freiburg ist in [[Stadtbezirke von Freiburg|41 Stadtbezirke]] gegliedert. Diese Einteilung dient zunächst nur statistischen Zwecken. In den erst bei der jüngsten Gemeindereform eingegliederten Stadtteilen [[Ebnet (Freiburg)|Ebnet]], [[Hochdorf (Freiburg)|Hochdorf]], [[Kappel (Freiburg)|Kappel]], [[Lehen (Freiburg)|Lehen]], [[Munzingen (Freiburg)|Munzingen]], [[Opfingen]], [[Tiengen (Freiburg)|Tiengen]] und [[Waltershofen (Freiburg)|Waltershofen]] wurde die Ortschaftsverfassung eingeführt. Damit erhielten diese Orte jeweils einen von der Bürgerschaft der [[Ortschaft]] zeitgleich mit dem Gemeinderat zu wählenden [[Ortschaftsrat]] mit einem [[Ortsvorsteher]] an der Spitze sowie eine örtliche Verwaltung. Die Ortschaftsräte sind zu allen wichtigen die Ortschaft betreffenden Angelegenheiten zu hören. Die endgültige Entscheidung über eine Maßnahme obliegt jedoch dem Gemeinderat der Gesamtstadt Freiburg.<br />
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== Geschichte ==<br />
===Burg- und Stadtgründung===<br />
Südlich der heutigen Stadtteile [[Zähringen (Freiburg)|Zähringen]] und [[Herdern (Freiburg)|Herdern]] kreuzten sich nahe der Dreisam ein Handelsweg durchs Rheintal (heute Zähringer-, Habsburgerstraße und die Kaiser-Joseph-Straße) und eine kaiserliche Reichsstraße durchs Höllental Richtung Breisach/Colmar (heute Salz- und Bertoldstraße). <br />
<br />
Auf dem oberhalb der heutigen Stadt gelegenen [[Schlossberg (Freiburg)|Schlossberg]] erbaut vermutlich [[Berthold II. (Zähringen)|Bertold II.]] von [[Zähringer|Zähringen]] im Jahre [[1091]] eine Burg, das Castrum de Friburch. Dieses bleibt als Herrschaftssitz lange außerhalb des Bereichs der städtischen Gerichtsbarkeit. Die Nachfolger Bertolds II. erheben die Siedlungen der Dienstleute und Handwerker im heutigen Bereich der südlichen [[Altstadt (Freiburg)|Altstadt]] und Oberlinden zur Stadt. Die offizielle Verleihung der Markt- und Stadtrechte erfolgt im Jahre [[1120]]. Als Stadtgründer gilt [[Konrad I. (Zähringen)|Herzog Konrad]], da sein älterer Bruder [[Herzog]] [[Berthold III. (Zähringen)|Bertold III.]] das Kriegshandwerk liebte und darin häufig zusammen mit seinem Herrn Kaiser [[Heinrich V. (HRR)|Heinrich V.]] unterwegs war. <br />
<br />
Bemerkenswert ist die gleich zu Beginn planvoll angelegte Stadtreinigung durch [[Freiburger Bächle|Bächle]]. Mit Beginn weit oberhalb der Stadt (Bifängle nahe der Kartaus) wurde der Gewerbekanal angelegt, der Wasser aus dem Flüsschen [[Dreisam]] außerhalb der südlichen und westlichen Stadtmauer (Kartäuserstraße, Gerberau und Rotteckring) an der Stadt vorbei leitet und nördlich von Zähringen wieder in die Dreisam zurückfließen lässt. Vom Gewerbekanal wurde ein Netz von ''Bächle'' abgezweigt, die durch viele Straßen und Gassen offen fließen. Damals konnten die Anlieger tagsüber Brauchwasser entnehmen und durften nachts Unrat „de Bach nab“ gehen lassen. Damit das Wasser überall das nötige Gefälle bekam, musste man das Niveau des ganzen Stadtgebietes planmäßig aus- und angleichen. Besonders in der Oberstadt musste man viel angekarrtes Material aufschütten. Erkennbare Schichten davon kamen bei der Erneuerung von Kellern nahe dem Platz ''Oberlinden'' wieder zum Vorschein. Besonders deutliche Funde zeigen sich gegenwärtig beim Umbau der Augustinerkirche.<br />
<br />
===Aufstieg der Stadt===<br />
Die am Ende des [[10. Jahrhundert]]s entdeckten reichhaltigen [[Silber]]vorkommen am Westrand des [[Schwarzwald]]s verhelfen der Stadt bald zu Wohlstand. Das Schürfrecht erhielten die Zähringer von den Bischöfen von Basel, die wiederum 1028 das [[Bergregal]] von [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] erhalten hatten. Um [[1200]] beginnt der Bau der [[Gotik|gotischen]] Pfarrkirche, dem [[Freiburger Münster]], unter dem letzten Zähringerherzog [[Berthold V. (Zähringen)|Bertold V.]], der nach seinem Tode [[1218]] dort beigesetzt wird.<br />
<br />
[[Bild:Rappen_pfennig_freiburg_.jpg|thumb|left|Rappenpfennig Freiburg im Breisgau, gräfliche Münze unter städtischer Verwaltung, ca. 1290]]<br />
===Die Grafen von Urach als Grafen von Freiburg===<br />
<br />
Nach dem Aussterben der Zähringer 1218 kam die Herrschaft über die Stadt Freiburg an die [[Grafen von Urach]], die sich fortan Grafen von Freiburg nannten und auf der Burg zu Freiburg residierten. Da die Bürger der neuen Herrschaft zu Recht nicht trauten, gab sich die Stadt eine Ratsverfassung (das Stadtrodel von 1218), nach der 24 aus den alten Geschlechtern stammende Räte Freiburg regieren. Ab [[1248]] kamen ebenso viele jährlich wechselnde Räte hinzu. Ende des 13. Jahrhunderts gelangen dann auch die Handwerker in den Rat.<br />
<br />
[[Heinrich (VII.) (HRR)|Heinrich VII.]] hatte [[1234]] die Grafen von Freiburg mit dem Schürfrecht belehnt. Die Jahre ihrer Herrschaft zeichnen sich durch häufige Fehden zwischen ihnen und der Stadt aus, bei denen es meistens um Geld ging. Im Jahre [[1299]] weigern sich die Freiburger, erneuten Geldforderungen des Grafen [[Egino II.]] nachzukommen und beschießen seine Burg auf dem [[Schlossberg (Freiburg)|Schlossberg]] mit Wurfmaschinen. Darauf ruft Egino seinen Schwager [[Konrad von Lichtenberg]], den Bischof von Straßburg, zu Hilfe. In der anschließenden Schlacht fiel der Bischof – ein Freiburger Metzger namens Hauri soll ihn mit einem Spieß erstochen haben –, was für die Stadt den Sieg bedeutet, doch muss sie dem Grafen jährlich ein beträchtliches Sühnegeld zahlen. Als dann im Jahre [[1366]] Graf [[Egino III.]] versucht, nächtens mit einem Heerhaufen in die Stadt einzudringen, zerstören die Freiburger Bürger die Burg auf dem Schlossberg. Um die Herrschaft der Grafen endlich loszuwerden, erkaufen sich die Freiburger im Jahre [[1368]] ihre Freiheit mit Silber im Gewicht von 20.000 [[Mark (Gewicht)|Mark]]* und unterstellen sich freiwillig dem Hause [[Habsburg]]. Die Stadt gehört damit zu [[Vorderösterreich]] und teilt von nun an Aufstieg und Niedergang mit den Habsburgern bis zur Auflösung des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] im Jahre [[1805]].<br />
<br />
''*Eine Mark hatte ein Gewicht von 237,5 Gramm Silber und galt als Basisgröße mit einer Unterteilung in 678 Pfennig''<br />
<br />
<br />
===Freiburg unter den Habsburgern===<br />
<br />
Die Habsburger nehmen Freiburg gleich in die Pflicht. Für ihre Kriege gegen die Eidgenossenschaft muss die Stadt finanzielle Hilfe leisten und Ritter stellen. So auch [[1386]], als in der blutigen [[Schlacht von Sempach]] die Schweizer siegen und dabei nicht nur den österreichischen Herzog [[Leopold III. (Habsburg)|Leopold III.]] erschlagen, sondern auch fast den gesamten Freiburger Adel auslöschen. Damit übernehmen die Zünfte die Macht in der Stadt.<br />
<br />
Nachdem Herzog [[Friedrich IV. (Tirol)|Friedrich IV.]] dem auf dem [[Konzil von Konstanz]] abgesetzten Papst [[Johannes XXIII.|Johannes XXIII. (Gegenpapst)]] [[1415]] zur Flucht nach Freiburg verholfen hatte, verhängt König Sigismund über den Habsburger die Reichsacht. Damit fällt der Breisgau als Lehen an das Reich zurück und Freiburg ist von [[1415]] bis zur Begnadigung Friedrichs [[1427]] [[Reichsstadt]]. <br />
<br />
Im Jahre [[1448]] stiftet Erzherzog [[Albrecht VI. (Österreich)|Albrecht]] als Herr der habsburgischen Vorlande in Freiburg ein Studium generale, aus dem mit der Gründungsurkunde von [[1457]] die Freiburger [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität]] hervorgeht.<br />
<br />
Ein Höhepunkt der Stadtgeschichte ist der Reichstag, den Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]].[[1498]] in seine geliebte Stadt Freiburg einberuft. Hier verhandeln Kaiser und [[Stände]] die Einleitung des Schweizerfriedens. Daraus aber wird nichts, denn die Eidgenossen lehnen sowohl die Reichssteuer als auch die Zuständigkeit des [[Reichskammergericht]]s ab und scheiden, nachdem sie [[1499]] im [[Schwabenkrieg]] bei [[Dornach]] das kaiserliche Heer entscheidend schlagen, aus ihren Verpflichtungen gegenüber dem [[HRR|Reich]] aus.<br />
<br />
Nach Fertigstellung des Hochchores weiht der zuständige Bischof von Konstanz im Jahre [[1513]] das [[Freiburger Münster]] ein. Im selben Jahr sammeln sich bei Freiburg unter der Fahne des [[Bundschuh]] geknechtete und verarmte Bauern unter ihrem Anführer [[Joß Fritz]]. Der Aufstand wird verraten und endet, bevor er begonnen hatte, mit einer exemplarischen Bestrafung der Teilnehmer.<br />
<br />
Unter der Asche aber glüht es noch. Die [[Reformation]] mit [[Luther]]s falsch verstandener Schrift ''Von der Freiheit eines Christenmenschen'' entfacht erneut die Flamme des Aufruhrs. Am [[23. Mai]] [[1524]] nehmen 18.000 Bauern unter Führung von [[Hans Müller (Bauernkrieg)|Hans Müller]] während des [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernkrieges]] Freiburg ein und zwingen den Stadtrat, einer evangelisch-''christlichen Vereinigung zur Aufrichtung eines gemeinen Landfriedens und Tilgung der unbilligen Beschwerden des gemeinen armen Mannes'' beizutreten. Nach der Niederschlagung des Aufstands beeilt sich die Stadt, dem Hause [[Habsburg]] ihre gut katholische Einstellung zu versichern. Neben Freiburg bleiben auch Breisach, Waldkirch und Endingen der katholischen Sache treu, während Kenzingen, Neuenburg, Rheinfelden, Waldshut und auch Straßburg zum protestantischen Glauben übertreten. Als in [[Basel]] die [[Bilderstürmer]] [[1529]] den Protestantismus fundamental durchsetzen, fliehen der Fürst der Wissenschaft [[Erasmus von Rotterdam]] und das Basler [[Domkapitel]] ins sichere Freiburg. <br />
<br />
[[1608]] wird Freiburg von der [[Pest]] heimgesucht. [[1620]] übernehmen die Jesuiten die Universität.<br />
<br />
===Hexenverfolgungen in Freiburg===<br />
Zwischen 1550 und 1628 wurden von 302 Verurteilten 131 hingerichtet, davon 89 Männer und 3 Frauen in Fällen, die nichts mit Hexerei zu tun hatten. Der Anteil der Frauen, die des „abscheulichen Lasters der Zauber- und Hexerei“ (Aus dem Gutachten des Freiburger Rechtsgelehrten Dr. Thomas Metzger im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Salome Mennin 1603. Zitiert nach ROECKEN, Sully / BRAUCKMANN, Carolina: Margaretha Jedefrau. Freiburg 1989, S. 215) überführt wurden, war dagegen ungleich höher: In dem genannten Zeitabschnitt wurden 37 Frauen/Hexen und nur 2 Männer/Hexenmeister hingerichtet. Zwei große Hexenprozesswellen geschehen in Freiburg 1599 und 1603. Am 24. März [[1599]] wurden u.a. Catharina Stadellmenin, Anna Wolffartin und Margaretha Mößmerin in Freiburg enthauptet und außerhalb der Stadt verbrannt. Eine Plakette am [[Martinstor]] erinnert an diese Opfer der Freiburger [[Hexenprozesse]]. Im Jahr 1603 standen 30 Frauen und vier Männer wegen Hexerei vor Gericht, 13 Frauen wurden zum Tode verurteilt. Etwas mehr als die Hälfte der Angeklagten Frauen wurde nicht hingerichtet (53%), wohingegen 1599 nur etwa ein Drittel (32%) dem Scheiterhaufen entkam. Prozentual gesehen gab es 1603 also weniger Hinrichtungsopfer, dennoch war dieses Jahr das mit der höchsten Hexenprozessaktivität der Freiburger Geschichte.<br />
<br />
===Dreißigjähriger Krieg===<br />
Zu Beginn des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] bleibt der Südwesten des Reiches von den Kampfhandlungen weitgehend verschont. Um nicht nur militärisch, sondern auch geistig religiös gegen den neuen Glauben gerüstet zu sein, übernehmen [[1620]] die [[Jesuiten]] die [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität Freiburg]], nachdem die benachbarten Hochschulen von [[Tübingen]], [[Basel]] und [[Heidelberg]] protestantisch geworden waren. <br />
<br />
Als der Schwedenkönig [[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav Adolf]] den kaiserlichen Truppen unter [[Johann t'Serclaes von Tilly|Tilly]] in der Schlacht bei [[Breitenfeld]] [[1631]] eine vernichtende Niederlage beibringt, steht seinen Truppen ganz Süddeutschland offen. Zu Weihnachten [[1632]] erscheint der schwedische [[Gustaf Graf Horn|General Horn]] vor den Toren Freiburgs, welches sich am [[30. Dezember]] accordiert (ergibt). Mit dem Anrücken der Spanier 1633 unter dem [[Herzog von Feria]] räumen die Schweden die Stadt, um sie im Jahr darauf wieder einzunehmen. Nach dem Sieg der spanischen und kaiserlichen Truppen in der [[Schlacht bei Nördlingen]] [[1634]] über das protestantische Heer unter General Horn und dem Wettiner Herzog [[Bernhard von Sachsen-Weimar]], verlassen die Schweden endgültig Süddeutschland und somit auch Freiburg. <br />
<br />
Durch den häufigen Besatzungswechsel mehrfach ausgeplündert hofft die durch Kriegseinwirkungen und Seuchen dezimierte Freiburger Bevölkerung wie alle Menschen im Reich auf das Ergebnis des [[Prager Frieden]]s, den der junge König [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand III.]] [[1635]] mit den protestantischen Reichsständen ''für das geliebte Vaterland der hochedlen Teutschen Nation'' aushandelt. <br />
<br />
Als [[Armand Jean du Plessis (Herzog von Richelieu)|Richelieu]] [[1635]] im [[Vertrag von St. Germain]] dem landlosen Bernhard von Sachsen-Weimar die dem Hause [[Habsburg]] gehörende Landgrafschaft Elsass überschreibt, schafft er sich in dem Herzog einem treuen [[Vasalle]]n. Wie vom Kardinal erwartet facht Bernard den Krieg wieder an, als er [[1637]] mit einer frischen von Frankreich finanzierten Armee mit 18000 Mann den Rhein überschreitet und den Breisgau überfällt. In rascher Folge nimmt er die Städte [[Säckingen]], [[Waldshut]], [[Rheinfelden]], [[Rötteln]] und [[Laufenburg]] ein und steht in der Osternacht [[1638]] vor den Toren Freiburgs, welches sich nach 11-tägiger Belagerung ergibt. Anschließend erobert Bernard der Festung [[Breisach]] und macht die Stadt zum Sitz seiner ''Fürstlich Sächsischen Regierung''. Mit dem plötzlichen Tod des Herzogs gehen seine eroberten Gebiete an Frankreich.<br />
<br />
Im Sommer [[1644]] kommt es zur [[Schlacht bei Freiburg im Breisgau|Schlacht bei Freiburg]] zwischen einer kaiserlich-bayrischen Armee unter den Generälen [[Franz von Mercy]] und [[Jan van Werth]] und französisch-weimarischen Truppen geführt von den Marschällen [[Turenne]] und [[Ludwig II. von Bourbon, Prinz von Condé|Condé]]. Am Ende der mehrtägigen Schlacht gibt es keinen Gewinner und nur Verluste, die [[Jan van Werth]] kommentierte: ''Seit zweiundzwanzig Jahren mit dem Bluthandwerk vertraut, habe [ich] niemalen so blutigem Treffen beigewohnt''.<br />
<br />
Im Juni 1648 belagert der Breisacher Festungskommandant von Erlach im Auftrag Kardinal [[Jules Mazarin|Mazarin]]s Freiburg, um Frankreichs Verhandlungsposition kurz vor dem Friedensschluss zu verbessern. Wie erleichtert ist die in der Stadt verbliebene Bevölkerung (sie ist in 17 Jahren nach insgesamt fünfmaliger Belagerung von 14000 auf 2000 Seelen geschrumpft), als nach drei langen Wochen des Bangens die Franzosen durch Dauerregen zermürbt unverrichteter Dinge abziehen. <br />
<br />
Als die erlösende Nachricht vom Frieden in Münster und Osnabrück eintrifft, lauschen die verbliebenen Freiburger andächtig dem Geläut der mächtigen bereits 1258 gegossene Angelusglocke im Münsterturm, deren Inschrift lautet: ''Oh König der Herrlichkeit, komme mit Frieden. Erklingt mein frommes Geläut, hilf deinem Volk, Maria.'' Noch heute ertönt die Glocke jeden Freitag um 11 Uhr und mahnt zum Frieden.<br />
<br />
===Freiburg unter der Krone Frankreichs===<br />
Mit dem Verlust des Elsass' und des Sundgaus im [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Frieden]] an Frankreich wird das rechtsrheinische Freiburg an Stelle von [[Ensisheim]] nicht nur Hauptstadt der [[Vorderösterreich|vorderösterreichischen Lande]], sondern auch ''Frontierstatt''. <br />
<br />
Im Jahre [[1661]] übernimmt in Frankreich nach Kardinal [[Jules Mazarin|Mazarin]]s Tod der junge [[Ludwig XIV.]] die Regierung. Ab [[1667]] führt der [[Sonnenkönig]] nach dem Motto: ''Die einem Herrscher angemessenste und angenehmste Beschäftigung ist, sich zu vergrößern'' nacheinander vier [[Eroberungskrieg|Eroberungskriege]] und zwar gegen die [[Spanische Niederlande|spanischen Niederlande]], [[Holland]], die [[Kurpfalz]] und [[Spanien]].<br />
<br />
Der [[Devolutionskrieg]] von [[1667]] bis [[1668]], in dem Ludwig XIV. auf [[Brabant]] Ansprüche geltend macht und mit seinen Truppen in die spanischen Niederlande einfällt, berührt Freiburg nicht. Auch im nächsten [[Holländischer Krieg|holländischen Krieg]] von 1672 bis [[1677]] bleibt die Stadt zunächst verschont, doch als bereits die [[Friedensverträge von Nimwegen|Friedensverhandlungen in Nimwegen]] begonnen haben, schickt Marschall [[François de Créquy|François de Créqui]] entgegen allen Kriegsbrauchs seine Truppen nicht in die Winterquartiere, sondern überschreitet überraschend Anfang November den Rhein und belagert Freiburg. Nach einem ersten Bombardement kapituliert die Stadt auf Anraten des Stadtkommandanten. Der Kaiser kann am Oberrhein keinen Widerstand leisten, zumal wiederum die Türken im stillen Einvernehmen mit Frankreich das Reich an seiner Ostflanke bedrohen. <br />
<br />
In dem endlich ausgehandelten [[Friede von Nimwegen|Nimweger Frieden]] von [[1679]] diktiert Ludwig XIV. [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] seine Bedingungen: Der Kaiser muss Frankreichs Eroberungen im Elsass gutheißen, doch Ludwig überlässt ihm großmütig die Entscheidung, ob Leopold von seinen früheren Besitzungen lieber Freiburg oder eher [[Philippsburg]] zurückhaben möchte. Der Kaiser verzichtet auf die Stadt Freiburg samt [[Lehen]], [[Betzenhausen]] und [[Kirchzarten]].<br />
<br />
Nun besitzt Frankreich neben dem rechtsrheinischen Brückenkopf [[Breisach]] mit der Stadt Freiburg einen Vorposten mitten in den habsburgischen Vorlanden. Ludwig XIV. weist [[Sebastien le Pestre de Vauban]] an, die Stadt zu einer modernen Festung auszubauen. Um ein freies Schussfeld zu gewinnen, lässt Vauban, all das, was Kanoffsky nicht schon hatte niederlegen lassen oder was von den Vorstädten in den Kämpfen des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] noch übrig geblieben war, einebnen. Freiburg gehört jetzt zur französischen Provinz [[Elsass]] mit der Hauptstadt [[Straßburg]]. Als letzte der linksrheinischen im [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Frieden]] garantierten freien [[Reichsstadt|Reichsstädte]] hatte sie Ludwig XIV. [[1681]] besetzen lassen. Im gleichen Jahr auf dem Wege dorthin besucht der französische König auch seine Neuerwerbung Freiburg, um sich über den Fortschritt der Festungsarbeiten zu informieren.<br />
<br />
Von 1688 bis 1697 führt Ludwig XIV. den [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Neunjährigen Krieg]], in dem er u. a. [[Köln]], die [[Kurpfalz]], [[Mainz]], [[Trier]] und erneut Philippsburg einnimmt. Da bietet eine ''[[Große Allianz]]'' zwischen dem Kaiser, [[Spanien]], [[Schweden]], [[England]], [[Holland]], [[Savoyen]], [[Brandenburg]], [[Sachsen]] und [[Hannover]] dem Sonnenkönig die Stirn und beendet sein räuberisches Treiben. Doch der Sieg ist teuer erkauft, denn auf dem Rückzug praktizieren die französischen Truppen das Prinzip der [[Verbrannte Erde|verbrannten Erde]]: [[Heidelberg]] deleta, [[Mannheim]], [[Philippsburg]], [[Koblenz]], [[Worms]] und [[Speyer]] mit seinem [[Reichskammergericht]] werden zerstört. Im [[Frieden von Rijswijk]] [[1697]] darf Ludwig XIV. die spanische [[Freigrafschaft Burgund]], [[Lille]] und die im [[Elsass]] besetzten Gebiete einschließlich der freien Reichsstadt [[Straßburg]] behalten, muss aber Freiburg wieder herausgeben.<br />
<br />
Der [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanische Erbfolgekrieg]] von [[1701]] bis [[1713]] wächst sich zum ersten [[Weltkrieg]] der europäischen Geschichte aus, in dem die große [[Große Allianz|Haager Allianz]] Ludwig XIV. in den [[Niederlande|Niederlanden]], [[Deutschland]], [[Italien]], [[Spanien]] und in den Kolonien gegenübersteht. Gegen Ende des Krieges überqueren die Franzosen unter Marschall [[Claude-Louis-Hector de Villars]] bei [[Neuenburg am Rhein|Neuenburg]] den Rhein und stehen im September vor Freiburg. Zwar ist die Stadt dank Vauban eine der stärksten Festungen in Deutschland, doch den 10.000 Verteidigern stehen etwa 150.000 Angreifer gegenüber. Nach dreiwöchiger Belagerung muss sich die durch Artilleriebeschuss dezimierte Besatzung aus der Stadt in die Festung auf den [[Schlossberg (Freiburg)|Schlossberg]] zurückziehen. Nun ist Freiburg schutzlos den Abgriffen der Franzosen ausgeliefert. In höchster Not steigt der Stadtschreiber Dr. Franz Ferdinand Mayer im Kugelhagel auf eine [[Bastion]] und zeigt eine weiße Fahne schwenkend den Belagerern die Übergabe der Stadt an. Darauf erklärt Villars Freiburg zum Eigentum des französischen Königs. Für seine mutige Tat erhebt der Kaiser Dr. Mayer zum Freiherrn von Fahnenberg. Im [[Frieden von Rastatt]] [[1714]] erhält Kaiser [[Karl VI. (HRR)|Karl VI.]] die italienischen und niederländischen Besitzungen der spanischen Habsburger. Ludwig XIV. behält seine linksrheinischen Erwerbungen, muss jedoch Freiburg, [[Breisach]] sowie [[Kehl]] ''restituieren''.<br />
<br />
Als [[Maria Theresia]] im [[Österreichischer Erbfolgekrieg|zweiten österreichischen Erbfolgekrieg]] [[1744]] die westlichen Vorlande von österreichischen Truppen zum Einsatz im Osten gegen [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich den Großen]] entblößt (in Freiburg verbleibt eine Besatzung von nur 6.000 Mann), rücken französische Soldaten in den Breisgau nach. [[Ludwig XV. (Frankreich)|Ludwig XV.]] persönlich leitet vom Lorettoberg aus die Kanonade der Stadt. Der Freiburger Stadtschreiber notiert: ''En fin, es ware nit anderst, als wann die lebendige Höll offen stunde.'' Nach 6-wöchiger Belagerung ergibt sich Freiburg und die Franzosen besetzen nach [[1638]] und [[1677]] Stadt und Festung Freiburg zum dritten Mal, finden diesmal aber nur einen Trümmerhaufen vor. Im [[Frieden von Breslau]] muss Ludwig XV. die Stadt den [[Habsburg|Habsburgern]] zurückgeben. Vorher aber schleifen die Franzosen ihre vor einem halben Jahrhundert gebauten Festungswerke und sprengen sie so gründlich, ''dass seint alle Häuser rings umb die Statt, so nahe ahn der Fortification gelegen, totaliter ruiniert''. Es herrscht bittere Armut. Im Jahre [[1754]] leben in der Stadt nur noch 1627 männliche und 2028 weibliche Einwohner.<br />
<br />
===Allons enfants...===<br />
Als in Paris im Jahre [[1789]] die Revolution ausbricht, trifft dies Ereignis die über Jahrhunderte gewachsene Dreiständegesellschaft in deutschen Landen unvorbereitet, so auch in Freiburg.<br />
<br />
Im Breisgau ist der erste, geistliche Stand trotz der Säkularisierung eines Teils des Kirchenbesitzes wegen seines Reichtums – man denke an den Besitz der Klöster St. Peter, St. Blasien und St. Trudpert – der bedeutendste. Zum zweiten Stand gehören der alte Reichsadel mit seinen Ländereien aber auch die durch die großzügige [[Nobilitierung|Nobilitierungspraxis]] der Habsburger geschaffenen besitzarmen neuen Ritter. Sie geben als Verwaltungsbeamte, Juristen und Universitätsprofessoren der [[Feudalgesellschaft]] ein festes Gerüst. Als dritter Stand ist die Bürgerschaft, in den [[Zunft|Zünften]] wohl organisiert, zu Wohlstand gekommen. Die Bauern dagegen, auch wenn nicht mehr [[leibeigen]], leben noch immer in der Abhängigkeit der kirchlichen und weltlichen Grundbesitzer. <br />
<br />
Innerlich bleibt es ruhig im Breisgau, ''da unsere Nation ... weder so verdorben, noch so gedrückt, noch so enthusiastisch ist'', wie Kaiser [[Leopold II.]] im fernen Wien findet. Als aber der [[Nationalkonvent]] in Paris [[1792]] zur Sicherung der natürlichen Grenzen Frankreichs eine Durchsetzung der Errungenschaften der Revolution auch in anderen Ländern Europas beschließt, sind die habsburgischen Besitzungen am Oberrhein direkt bedroht. Der Freiburger Regierungspräsident Sumerau wendet sich an seinen Kaiser in Wien: ''Mir blutet das Herz, wenn ich denke, dass diese guten, treuen Untertanen dem Raub und Mord ihrer Nachbarn, dieser Kannibalen, ausgeliefert werden sollen.''<br />
<br />
Nachdem bereits [[1793]] das Revolutionsheer des Reiches Schlüssel [[Breisach|Alt-Breisach]] besetzt hatte, nehmen die Franzosen im Sommer [[1796]] Freiburg ein. Dies jedoch erst nach heldenhaftem Widerstand der [[Miliz|Bürgermilizen]] unter dem Maior und Stadtrath Ignaz Caluri, wie es Sumeraus Schwager General Max Freiherr von Duminique auf einer Tafel, die heute noch am Freiburger Martinstor hängt, bescheinigt. Ein wohl seltener Fall, dass ein General seinen Truppen ein Denkmal setzt.<br />
<br />
Diesmal lassen die Habsburger jedoch ihre rechtsrheinischen Besitzungen nicht im Stich, denn nach drei Monaten befreit der ''Franzosen Schreck'', Erzherzog Karl, Freiburg.<br />
<br />
===Napoleons Wille geschehe===<br />
Nach mehreren Niederlagen der Österreicher in Oberitalien gegen die Revolutionstruppen der Armée des Alpes mit ihrem Befehlshaber [[Napoléon Bonaparte]], fasst dieser [[1797]] im [[Frieden von Campo Formio]] die eroberten Gebiete zur [[Cisalpinische Republik|Cisalpinischen Republik]] zusammen So geht auch der Herzog von Modena Herkules III. seiner italienischen Besitzungen verlustig und erhält als Kompensation den Breisgau. Auch als Herkules nach der erneuten Niederlage Österreichs im [[2. Koalitionskrieg]] [[1801]] zusätzlich die [[Ortenau]] zugesprochen bekommt, erfolgt der Herrschaftswechsel nur zögerlich. <br />
<br />
Da fordert [[1805]] [[Franz II. (HRR)]] (inzwischen als Franz I. österreichischer Kaiser) im [[3. Koalitionskrieg]] den ebenfalls selbsternannten französischen Kaiser Napoleon noch einmal heraus, doch in der [[Schlacht bei Austerlitz]] erleidet Österreich eine vernichtende Niederlage. Noch vom besetzten Wien aus verfügt Napoleon den Anfall des Breisgaus und der Ortenau an Baden. Freiburg findet sich vom Vorposten Habsburgs am Oberrhein zu einer Provinzstadt in einem von Napoleons Gnaden zum [[Großherzogtum]] beförderten [[Pufferstaat]] degradiert. Gnadenlos presst [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] aus den koalierten Staaten Geld und vor allem frische Truppen, die er für seinen Feldzug gegen [[Russland]] braucht. Unter den 412.000 Mann der [[Grande Armée]], die sich [[1812]] bis nach Moskau vorkämpft, befinden sich auch etwa 150.000 Deutsche, doch kehren davon nur rund 1.000 in die Heimat zurück. <br />
<br />
Dieser Blutzoll treibt die antinapoleonische Stimmung in den deutschen Landen hoch, doch während etwa in [[Preußen]] sich [[Freikorps]] gegen die Napoleonische Herrschaft erheben, lässt Großherzog Karl Friedrich noch [[1813]] in der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] badische Söldner im Rahmen seiner Verpflichtungen im [[Rheinbund]] an der Seite [[Napoléon Bonaparte|Bonapartes]] kämpfen. Da wundert es nicht, dass im ehemalig habsburgischen Freiburg vom Regierungsgebäude das badische Wappen heruntergerissen und im Gegenzug am Kreisdirektorium nachts ein K. und K.Doppeladler angebracht wird.<br />
<br />
===Freiburg wird endgültig badisch===<br />
[[Bild:Freiburg_Breisgau_um_1900.jpg|thumb|left|Freiburg um 1900]]<br />
Als die gegen Napoleon verbündeten Truppen im Winter [[1813]] auf dem Wege nach Paris durch Freiburg ziehen, kommt es zu einem Treffen zwischen dem österreichischen Kaiser Franz I. (ehemals römisch-deutscher Kaiser Franz II.), dem russischen Zaren [[Alexander I.]] und dem preußischen König [[Friedrich Wilhelm III.]] Habsburgtreue Freiburger bereiten Franz I. einen begeisterten Empfang. Alte Gefühle brechen auf: Wien und das habsburgisch katholische Österreich sind den Freiburgern näher als Karlsruhe und das protestantische Nordbaden.<br />
<br />
Alle politischen Bemühungen des Freiburger Stadtrats nützen nichts. Freiburg und der Breisgau bleiben bei Baden. Mit dem endgültigen Verzicht auf die ehemaligen österreichischen Vorlande auf dem [[Wiener Kongress]] legt Metternich den Jahrhunderte alten französisch-habsburgischen Interessenkonflikt am Rhein bei aber einen potentiellen französisch-preußischen an, als [[Preußen]] statt Österreich mit seinen Neuerwerbungen am [[Niederrhein]] [[die Wacht am Rhein]] übernimmt.<br />
<br />
In den folgenden Jahren entwickelte sich die Stadt zu einem wirtschaftlichen und politischen Zentrum am [[Oberrhein]]. Innerhalb Badens wird Freiburg Sitz eines Stadtamtes und zweier Landämter, die [[1819]] zu einem Landamt vereinigt wurden. Gleichzeitig wurden die Gemeinden des aufgelösten Amtes St. Peter dem Landamt Freiburg eingegliedert. Im Jahr [[1827]] wird Freiburg Sitz des neu gegründeten [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums Freiburg]]. Das [[Freiburger Münster]] wird Bischofskirche. Freiburg wird [[1832]] Sitz des Oberrheinkreises, zu dem mehrere Ämter gehören. [[1845]] wurde der Bahnhof eingeweiht, ein erster Zug fuhr nach [[Offenburg]]. <br />
<br />
Die Revolution von 1848/49 ging auch in Freiburg nicht spurlos vorüber: vor und in der Stadt gab es Kämpfe zwischen [[Freischärler|Freischärlern]] und Regierungstruppen. Die liberalen Politiker [[Karl von Rotteck]] und [[Carl Theodor Welcker]] lehrten an der Freiburger Universität. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs Freiburg stark, Stadtteile wie der [[Stühlinger (Freiburg)|Stühlinger]] jenseits der Bahnlinie und große Teile der [[Wiehre]] entstanden neu. [[1864]] werden Stadt- und Landamt Freiburg zum Bezirksamt Freiburg vereinigt. Zum neuen Großkreis Freiburg gehören die Amtsbezirke [[Breisach]], [[Emmendingen]], [[Ettenheim]], Freiburg, [[Kenzingen]] (1872 aufgelöst), [[Titisee-Neustadt|Neustadt im Schwarzwald]] und [[Staufen]]. Im gleichen Jahr gründet sich mit dem [[Schwarzwaldverein]] der erste deutsche [[Wanderverein]] in der Stadt. [[1899]] immatrikulierte die Freiburger Universität als erste in Deutschland eine Frau.<br />
<br />
===Das 20. Jahrhundert===<br />
[[Bild:Kopie_von_1_Freiburg.JPG|thumb|Freiburg im Grünen: Sicht von Herdern auf das Zentrum]]<br />
[[Bild:P4301088.JPG|thumb|Blick vom Aussichtsturm auf dem Schlossberg auf die Altstadt und das Münster]]<br />
Als aufstrebende und dem Modernen zugeneigte Stadt plante Freiburg eine elektrische [[Straßenbahn]], nachdem es schon vor der Jahrhundertwende eine Pferdestraßenbahn gegeben hatte. Zu diesem Zweck wurde eigens ein [[Elektrizitätswerk]] errichtet. [[1901]] fuhr die erste Linie A vom Rennweg zur Wonnhalde, noch heute Teilstück der Linie 2. Im Jahre [[1910]] wurde das neue Stadttheater am Westrand der Innenstadt eingeweiht, dem [[1911]] die Eröffnung des neuen Universitäts-Hauptgebäudes (heute Kollegiengebäude I) schräg gegenüber folgte. Der [[1. Weltkrieg]] hinterlässt in Freiburg Spuren: Bei einem französischen Fliegerangriff am 15. April 1917 gab es auch Todesopfer zu beklagen. Nach Ende des Krieges wird [[1918]] auch in Freiburg zur Revolution aufgerufen. <br />
<br />
Im Jahr [[1923]] kamen auf Initiative des fransösischen Parlamentsabgeordneten und Pazifisten Marc Sangnier beim 3. Internationalen Friedenskongress in Freiburg etwa 7.000 Menschen aus 23 Nationen zusammen, um über Wege zum Abbau des Hasses zwischen den Nationen, zur Völkerverständigung und zur Überwindung des Krieges zu beraten. Einer der deutschen Teilnehmer war der spätere Friedensnobelpreisträger [[Ludwig Quidde]]. – Im Zuge einer Bezirksreform wird [[1924]] der Bezirk Breisach aufgelöst und seine Gemeinden zum Großteil dem Bezirksamt Freiburg zugeordnet. – Bei einem Besuch Hitlers 1932 im Möslestadion kommt es im Stadion zu Protestkundgebungen der Freiburger Bevölkerung. Hitler soll die Stadt seither immer gemieden haben und diese nicht mehr besucht haben.<br />
<br />
[[1933]] geben sich auch viele Freiburger nahezu widerstandslos dem nationalsozialistischen Regime hin. Oberbürgermeister Bender, seit 1922 im Amt, wurde nach der Machtübernahme als Folge einer Hetzkampagne der nationalsozialistischen Zeitung „Der Alemanne“ unter Franz Kerber im April 1933 zum Rücktritt gedrängt. Kerber wird zu seinem Nachfolger ernannt und erst beim Einmarsch der Franzosen 1945 abgelöst. Von der Freiburger Universität aus versucht [[Martin Heidegger]] den [[Nationalsozialismus]] kulturell anzuleiten. Wie vielerorts in Deutschland wird auch in Freiburg im November 1938 die jüdische Synagoge in Brand gesteckt und zerstört. Im Jahr [[1939]] wird das Bezirksamt Freiburg in [[Landkreis Freiburg]] umbenannt. Die Stadt Freiburg scheidet aus dem Landkreis aus und wird kreisfrei. [[1940]] werden aus Freiburg wie aus ganz Baden alle Juden deportiert (zunächst in das französische Konzentrationslager [[Gurs]] in der Nähe der spanischen Grenze, später von dort in die Vernichtungslager).<br />
<br />
Am 10. Mai [[1940]] wird Freiburg durch Flugzeuge der Deutschen Luftwaffe versehentlich bombardiert. Zeitlicher Ablauf damals: kurz vor 16 Uhr identifizierte die Flugwache die über der Stadt gesichteten Flugzeuge eindeutig als Flugzeuge der Deutschen Luftwaffe anhand Kennzeichnung und Flugzeugtyp. Eine Alarmierung durch Sirenen erfolgt deshalb nicht – erst nachdem die Bomben gefallen waren, waren sie zu hören. Die Flugabwehr Freiburgs wurde auf Grund der eindeutigen Identifizierung nicht aktiv. Die deutschen Flugzeuge gehörten zu einem Verband von Flugzeugen aus dem oberbayerischen [[Landsberg am Lech]], die Dijon bombardieren sollten. Wegen Navigationsfehlern erreichten drei Flugzeuge allerdings weder Dijon noch das befohlene „Ausweichziel“ Dôle-Taveaux. Zum Zeitpunkt des Bombenabwurfes wähnten sich die Piloten über einer französischen Stadt. Die Bewölkung am 10. Mai 1940 wurde für Freiburg um 16 Uhr mit „7/10-8/10“ rekonstruiert, d.h., dass zu diesem Zeitpunkt der Himmel fast vollständig bedeckt war. Die abweichenden Zeugenaussagen zu diesem Tag sind darauf zurückgeführt worden, dass sich das Wetter vom Vormittag zum Nachmittag von geringer Bewölkung zu starker Bewölkung hin verändert hatte. Die deutschen Flugzeuge warfen insgesamt 69 Bomben auf Freiburg ab – 57 Menschen starben. Die Ermittlungen zu diesem tragischen Ereignis wurden noch am gleichen Tag begonnen, allerdings wurden sie sofort fallengelassen, als sich die nationalsozialistische Propagandamaschinerie des Themas bemächtigt hatte. Schnell wurden die Franzosen oder auch die Briten des Angriffes beschuldigt. Auch Vertuschungsversuche wurden unternommen. So gaben die Piloten der 3 Flugzeuge zu Papier, das „Ausweichziel“ Dôle-Taveaux angegriffen zu haben, obwohl dies nicht am 10. Mai sondern erst später im Jahr 1940 erfolgte. Verschiedene Mythen zum 10. Mai 1940 hielten sich noch lange Zeit im Bewusstsein der Freiburger. Mehrjährige wissenschaftliche Forschung hat diese als falsch widerlegen können.<br />
<br />
Am Abend des [[27. November]]s [[1944]] wird Freiburg von alliierten Truppen im Zuge der [[Operation Tigerfish]] bombardiert, wobei 2797 Menschen getötet und etwa 9600 verletzt werden. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die britische [[Royal Air Force]] bis zu 150000 Sprengköpfe auf die Altstadt, die in großen Teilen verwüstet wurde, abwarf. Nur dem Zufalle ist es wohl zu verdanken, dass das Münster inmitten des Trümmerfeldes praktisch unbeschädigt bleibt.<br />
<br />
Im April [[1945]], noch vor Kriegsende, wird die Stadt von der französischen Armee besetzt. Im Oktober hält Genral [[de Gaulle]] hier eine Siegesparade ab. Freiburg gehört zur französisch besetzten Zone Baden. In den Jahren bis zur Währungsreform von 1948 geht der Wiederaufbau nur sehr schleppend voran. Im Winter 1947/48 herrscht große Not, auch Hungersnot. Von [[1946]] bis [[1952]] ist Freiburg in Folge der Aufteilung der Besatzungszonen die [[Hauptstadt]] des Landes (ab 1949 des [[Bundesland (Deutschland)|Bundeslandes]]) [[Baden (Südbaden)|Baden]]. Nach Bestrebungen, die Länder [[Württemberg-Baden]], [[Württemberg-Hohenzollern]] und [[Baden (Südbaden)|Baden]] zu einem leistungsfähigen Bundesland, dem „Südweststaat“ zu vereinigen, kommt es 1951 zur Abstimmung, bei der eine Mehrheit in diesen Ländern den Zusammenschluss billigt, nicht aber die Mehrheit in Baden. Freiburg war unter Ministerpräsident [[Leo Wohleb]] das Zentrum des Widerstands gegen diese Vereinigung. Man wollte lieber das alte Land [[Baden (Land)|Baden]] entlang des Oberrheins von Konstanz im Süden bis Mannheim im Norden wieder hergestellt sehen. Trotz heftiger Proteste von hier wird das Bundesland [[Baden-Württemberg]] gebildet, [[Stuttgart]] wird die Hauptstadt. Bei einer gerichtlich erzwungenen Wiederholung der Abstimmung im Jahre 1970 sprechen sich nur noch 18 % der Wahlberechtigten für die Selbständigkeit von Baden aus. Heute ist Freiburg Sitz des gleichnamigen [[Regierungsbezirk Freiburg|Regierungsbezirks]], der dem ehemaligen Bundesland (Süd-)[[Südbaden|Baden]] entspricht.<br />
<br />
Nach kontinuierlichem [[Wiederaufbau]] der Innenstadt, weitgehend in den alten Maßen, hat Freiburg auch zu feiern: [[1957]] wird die [[Universität Freiburg|Universität]] 500 Jahre alt, [[1959]] wird mit der französischen Universitätsstadt [[Besançon]] die erste [[Städtepartnerschaft]] begründet, [[1964]] liegt Freiburg an der Strecke der [[Tour de France]] und [[1970]] feiert die Stadt mit zahlreichen Veranstaltungen ihr 850-Jahre-[[Jubiläum]].<br />
<br />
[[1973]] wird im Zuge der Kreisreform zum 1. Januar der Landkreis Freiburg Bestandteil des neuen [[Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald|Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald]]. Freiburg wird wieder Sitz des neuen Großkreises, bleibt selbst aber kreisfrei. Mit [[Ebnet]] und [[Kappel]] werden zum 1. Juli [[1974]] die letzten beiden Randgemeinden eingemeindet; die Gebietsreform ist damit abgeschlossen. <br />
<br />
In den [[1970er]] Jahren entwickelte sich Freiburg zu einem Zentrum der [[Alternativkultur]] und [[Umweltbewegung]]. Ausgangspunkt waren die Auseinandersetzungen um das geplante [[Atomkraftwerk]] bei Wyhl am Kaiserstuhl, an denen sich auch zahlreiche Freiburger Einzelpersonen und Gruppen beteiligten. Die erfolgreiche Verhinderung der Planungen gab entscheidende Impulse für die entstehende Umweltbewegung in Deutschland. <br />
<br />
[[1980]]/81 tobt in der Stadt der „Häuserkampf“. Da immer noch Wohnungsknappheit herrscht, werden z.T. aus Spekulationsgründen leerstehende Häuser besetzt und durch starke Polizeikräfte geräumt. Studenten und Anhänger der starken [[Autonome|Autonomen Szene]] liefern sich mehrere Wochen lang ausgedehnte Straßenkämpfe mit der Polizei. Erst durch das Engagement einer Bürgerschaftsgruppierung beruhigt sich die Situation allmählich.<br />
<br />
[[1983]] wird das erste Zelt-Musik-Festival, damals noch in der Innenstadt, veranstaltet. [[1984]] führt Freiburg als erste deutsche Stadt nach dem Vorbild des benachbarten Basel erfolgreich eine übertragbare preisgünstige Umweltkarte ein. Sie ist seit 1991 im Rahmen des neu geschaffenen Regio Verkehrsverbundes als RegioUmweltkarte im Stadtgebiet und den benachbarten Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen gültig. [[1986]] ist Freiburg Gastgeber der siebten [[Landesgartenschau]] Baden-Württemberg. Ihr Gelände, der Seepark, ist heute ein Naherholungsgebiet im Westen der Stadt.<br />
[[Bild:Flückiger See.jpg|thumb|800px|center|Der Flückiger See – Ein Teil des ehemaligen Landesgartenschaugeländes]]<br />
<br />
=== Eingemeindungen und Erweiterungen ===<br />
Ehemals selbständige Gemeinden beziehungsweise Gemarkungen, die in die Stadt Freiburg im Breisgau eingegliedert wurden. Vor der ersten Eingemeindung umfasste das Stadtgebiet lediglich 3.005 ha.<br />
<br />
{| <br />
<br />
| valign="top" |<br />
{| {{prettytable}}<br />
!bgcolor=ececec| Jahr<br />
!bgcolor=ececec| Orte<br />
!bgcolor=ececec| Zuwachs in ha<br />
|-<br />
| 1457 || [[Herdern (Freiburg)|Herdern]] || align="right" | ?<br />
|-<br />
| 1826 || [[Wiehre (Freiburg)|Wiehre]] || align="right" | 723<br />
|-<br />
| 1890 || [[Günterstal]] || align="right" | 520<br />
|-<br />
| 1890 || [[Haslach (Freiburg)|Haslach]] || align="right" | 912<br />
|-<br />
| 1906 || [[Zähringen (Freiburg)|Zähringen]] || align="right" | 1.169<br />
|-<br />
| 1908 || [[Betzenhausen (Freiburg)|Betzenhausen]] || align="right" | 865<br />
|-<br />
| 1914 || [[Littenweiler (Freiburg)|Littenweiler]] || align="right" | 1.561<br />
|-<br />
| 1938 || [[Sankt Georgen (Freiburg)|St. Georgen]] || align="right" | 761<br />
|-<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| {{prettytable}}<br />
!bgcolor=ececec| Jahr<br />
!bgcolor=ececec| Orte<br />
!bgcolor=ececec| Zuwachs in ha<br />
|-<br />
| 1. 09. 1971 || [[Lehen (Freiburg)|Lehen]] || align="right" | 358<br />
|-<br />
| 1. 12. 1971 || [[Opfingen]] || align="right" | 1.461<br />
|-<br />
| 1. 07 1972 || [[Waltershofen (Freiburg)|Waltershofen]] || align="right" | 758<br />
|-<br />
| 1. 01. 1973 || [[Tiengen (Freiburg)|Tiengen]] || align="right" | 838<br />
|-<br />
| 1. 07. 1973 || [[Munzingen (Freiburg)|Munzingen]] || align="right" | 677<br />
|-<br />
| 1. 09. 1973 || [[Freiburg-Hochdorf|Hochdorf]] || align="right" | 1.010<br />
|-<br />
| 1. 07. 1974 || [[Ebnet (Freiburg)|Ebnet]] || align="right" | 687<br />
|-<br />
| 1. 07. 1974 || [[Kappel (Freiburg)|Kappel]] || align="right" | 1.381<br />
|-<br />
| 1. 01. 1978 || [[Tiergehege Mundenhof|Mundenhof]] || align="right" | 323<br />
|}<br />
|}<br />
Freiburg wuchs nicht nur durch Eingemeindungen, sondern auch durch neue Stadtteile. In den 1960er-Jahren waren dies die Stadtteile [[Weingarten (Freiburg)|Weingarten]] und [[Landwasser (Freiburg)|Landwasser]], in den 1990er-Jahren wurden die Stadtteile [[Rieselfeld (Freiburg)|Rieselfeld]] und [[Vauban (Freiburg)|Vauban]] neu entwickelt.<br />
<br />
[[Bild:Population Statistics Freiburg im Breisgau.png|thumb|280px|Bevölkerungsentwicklung]]<br />
<br />
=== Einwohnerentwicklung ===<br />
<br />
<br />
1895 hatte Freiburg mehr als 50.000 Einwohner. 1933 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Grenze von 100.000, was sie zur [[Großstadt]] machte. Bis 1996 verdoppelte sich diese Zahl auf 200.000. Ende 2005 lebten in Freiburg nach amtlicher Fortschreibung rund 216.000 Menschen mit Hauptwohnsitz – historischer Höchststand. Mit einem Wachstum von 24 % im Zeitraum von 1980-2006 wächst die Stadt unter den Großstädten Baden-Württembergs am schnellsten. Die Stadt gehört zu den wenigen Großstädten in Deutschland, die auch nach dem Jahr 2000 noch einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen haben.<br />
<br />
Mit einem Durchschnittsalter seiner Bewohner von 40,3 Jahren ist Freiburg die Stadt mit der jüngsten Bevölkerung in Baden-Württemberg.<br />
<br />
Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1833 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um [[Volkszählung]]sergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter beziehungsweise der Stadtverwaltung selbst. <br />
<br />
Die Angaben beziehen sich ab 1843 auf die „Ortsanwesende Bevölkerung“, ab 1925 auf die [[Wohnbevölkerung]] und seit 1987 auf die „Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung“. Vor 1843 wurde die Einwohnerzahl nach uneinheitlichen Erhebungsverfahren ermittelt.<br />
<br />
{| <br />
| valign="top" |<br />
{| {{prettytable}}<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohner<br />
|-----<br />
| [[1385]] || align="right" | 9.000<br />
|-----<br />
| [[1450]] || align="right" | 6.136<br />
|-----<br />
| [[1500]] || align="right" | 6.000<br />
|-----<br />
| [[1620]] || align="right" | 10.000<br />
|-----<br />
| [[1670]] || align="right" | 5.300<br />
|-----<br />
| [[1754]] || align="right" | 6.655<br />
|-----<br />
| [[1800]] || align="right" | 9.050<br />
|-----<br />
| [[1818]] || align="right" | 10.200<br />
|-----<br />
| [[1830]] || align="right" | 14.115<br />
|-----<br />
| 3. Dezember [[1858]] ¹ || align="right" | 16.700<br />
|-----<br />
| 3. Dezember [[1861]] ¹ || align="right" | 16.900<br />
|-----<br />
| 3. Dezember [[1864]] ¹ || align="right" | 19.200<br />
|-----<br />
| 3. Dezember [[1867]] ¹ || align="right" | 20.800<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1871]] ¹ || align="right" | 24.668<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1875]] ¹ || align="right" | 30.600<br />
|-----<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| {{prettytable}}<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohner<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1880]] ¹ || align="right" | 36.231<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1885]] ¹ || align="right" | 41.310<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1890]] ¹ || align="right" | 48.909<br />
|-----<br />
| 2. Dezember [[1895]] ¹ || align="right" | 53.118<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1900]] ¹ || align="right" | 61.504<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1905]] ¹ || align="right" | 74.098<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1910]] ¹ || align="right" | 83.324<br />
|-----<br />
| 1. Dezember [[1916]] ¹ || align="right" | 69.795<br />
|-----<br />
| 5. Dezember [[1917]] ¹ || align="right" | 67.423<br />
|-----<br />
| 8. Oktober [[1919]] ¹ || align="right" | 87.946<br />
|-----<br />
| 16. Juni [[1925]] ¹ || align="right" | 90.475<br />
|-----<br />
| 16. Juni [[1933]] ¹ || align="right" | 99.122<br />
|-----<br />
| 17. Mai [[1939]] ¹ || align="right" | 110.110<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1945]] || align="right" | 89.275<br />
|-----<br />
| 29. Oktober [[1946]] ¹ || align="right" | 93.075<br />
|-----<br />
|}<br />
| valign="top" |<br />
{| {{prettytable}}<br />
! style="background:#efefef;" | Jahr<br />
! style="background:#efefef;" | Einwohner<br />
|-----<br />
| 13. September [[1950]] ¹ || align="right" | 109.717<br />
|-----<br />
| 25. September [[1956]] ¹ || align="right" | 128.401<br />
|-----<br />
| 6. Juni [[1961]] ¹ || align="right" | 145.016<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1965]] || align="right" | 154.240<br />
|-----<br />
| 27. Mai [[1970]] ¹ || align="right" | 174.377<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1975]] || align="right" | 175.371<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1980]] || align="right" | 175.106<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1985]] || align="right" | 184.230<br />
|-----<br />
| 25. Mai [[1987]] ¹ || align="right" | 178.672<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1990]] || align="right" | 191.029<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[1995]] || align="right" | 199.273<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[2000]] || align="right" | 205.102<br />
|-----<br />
| 31. Dezember [[2005]] || align="right" | 215.966 <!-- Quelle: Statistisches Landesamt B-W. --><br />
|}<br />
|}<br />
¹ Volkszählungsergebnis<br />
<br />
== Religionen ==<br />
[[Bild:Kopie_von_2_Freiburger_Münster.JPG|thumb|[[Freiburger Münster|Münster]]: Wahrzeichen der Stadt Freiburg]]<br />
=== Christentum ===<br />
Da Freiburg bis [[1805]] zu Österreich gehörte, blieb die Stadt eine katholische Stadt. Die Bevölkerung gehörte kirchlich zum [[Bistum Konstanz]], das mit dem Ende des alten Reiches aufgelöst wurde. [[1821]] wurde Freiburg Sitz eines eigenen [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] [[Erzbischof|Erzbischofs]], der jedoch erst [[1827]] sein Amt antreten konnte. Die Grenzen des [[Erzbistum Freiburg|Erzbistums ''Freiburg'']] decken sich mit den Grenzen des ehemaligen Landes [[Baden (Land)|Baden]] und des (später [[Preußen| preußischen]]) Fürstentums [[Hohenzollern]]. Bischofskirche ist das Freiburger Münster. Zur [[Kirchenprovinz]] Freiburg gehören die beiden [[Suffraganbistum|Suffraganbistümer]] [[Bistum Mainz|Mainz]] und [[Bistum Rottenburg-Stuttgart|Rottenburg-Stuttgart]] (bis 1929 auch die Bistümer Limburg und Fulda). Der Erzbischof von Freiburg trägt den Titel eines [[Metropolit]]en. Der ''Deutsche [[Caritas]]verband'' hat seinen Sitz in Freiburg.<br />
<br />
Im [[19. Jahrhundert]] zogen auch Protestanten in die Stadt, die später eigene Kirchen erhielten. Die ehemals markgräflich-badischen Teilorte Haslach, Opfingen und Tiengen sind traditionell evangelisch. Die Freiburger Protestanten gehören heute, sofern sie nicht Glieder einer [[Freikirche]] sind, zum Dekanat Freiburg innerhalb des Kirchenkreises Südbaden der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]]. In Freiburg befindet sich auch der Sitz der [[Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden|Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden]], einer lutherischen Freikirche.<br />
<br />
Seit dem späten [[19. Jahrhundert]] besteht in Freiburg eine [[altkatholische Kirche| altkatholische]] Gemeinde. Den [[Griechisch-orthodoxe Kirche|griechisch-]], [[Serbisch-orthodoxe Kirche|serbisch-]], [[Russisch-orthodoxe Kirche|russisch-]] und [[Rumänisch-Orthodoxe Kirche|rumänisch-orthodoxen]] Gemeinden wurde eine katholische Kirche für ihre Gottesdienste zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es in Freiburg eine [[Anglikanische Kirche|Anglikanische Gemeinde]] und die [[Neuapostolische Kirche]], die [[Heilsarmee]] sowie die [[Zeugen Jehovas]].<br />
<br />
=== Judentum ===<br />
Nachdem der jüdischen Gemeinde in Freiburg am 12. Oktober 1338 ein umfassender Sicherungs- und Freiheitsbrief ausgestellt wurde, der auch mit umfangreichen Rechten verbunden war, wurden die [[Juden]] im Jahre [[1424]] „auf ewig“ vertrieben. Die Bürgerschaft duldete bis ins [[19. Jahrhundert]] keine Ansiedlung von Juden. 1863 wurde wieder eine jüdische Gemeinde gegründet. In der [[Reichskristallnacht|Pogromnacht]] [[1938]] wurde die 1870 errichtete [[Synagoge]] zerstört. Am 22. Oktober [[1940]] wurden die im Lande verbliebenen badischen und pfälzer Juden vom Annaplatz aus nach [[Gurs]] in Südfrankreich deportiert. Nach 1945 konstituierte sich wieder eine kleine jüdische Gemeinde. Sie errichtete von [[1985]] bis [[1987]] zwischen Münsterplatz und Stadtgarten eine neue Synagoge. Im Pflaster der Innenstadt erinnern [[Stolpersteine]] an Opfer der Judenverfolgung während der Naziherrschaft.<br />
<br />
=== Islam ===<br />
Mehrere [[Islam|islamische]] Organisationen unterschiedlicher Herkunft und religiöser Ausrichtung unterhalten in Freiburg Gebetsstätten, eine richtige [[Moschee]] wurde bisher nicht errichtet.<br />
<br />
== Politik ==<br />
[[Bild:Freiburg-im-Breisgau-Luftaufnahme-16072004.jpg|thumb|Luftaufnahme [[Altstadt (Freiburg)|Innenstadt]]]]<br />
Im früher katholisch-konservativen Freiburg gab es [[1962]] mit der erstmaligen Wahl eines Sozialdemokraten zum Oberbügermeister (Dr. [[Eugen Keidel]]) einen „Linksruck“. Bis zum Ausscheiden von Dr. [[Rolf Böhme]] im Jahr [[2002]] hatte Freiburg durchgehend sozialdemokratische Oberbürgermeister. Mittlerweile gilt die Stadt jedoch als eine Hochburg der [[Bündnis 90/Die Grünen|Grünen]].<br />
Dies äußert sich nicht nur in der Wahl des ersten grünen [[Oberbürgermeister]]s einer deutschen Großstadt, sondern auch in durchgehend überdurchschnittlich hohen Wahlergebnissen. Bei den Bundestagswahlen [[Bundestagswahl 2002|2002]] und [[Bundestagswahl 2005|2005]] wurde der Wahlkreis Freiburg mit 25,0 beziehungsweise 22,8 Prozent der Zweitstimmen bundesweit bester Wahlkreis dieser Partei, bei der [[Europäisches Parlament|Europawahl]] am [[13. Juni]] [[2004]] erreichten sie im Stadtkreis sogar 36,8 Prozent. Bei der jüngsten Landtagswahl vom 26.&nbsp;März 2006 setzte sich allerdings die CDU mit 30,3% wieder als stärkste politische Kraft in der Stadt durch. Das [[Direktmandat]] im [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] für den Wahlkreis Freiburg hat jedoch seit [[1998]] der Sozialdemokrat [[Gernot Erler]], heute [[Staatsminister]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]], inne.<br />
<br />
===Oberbürgermeister===<br />
[[Bild:Kopie_von_12_Gerberau.JPG|thumb|Gerberau]]<br />
[[Bild:Kopie_von_15_Konviktstraße.JPG|thumb|Konviktstraße neben Schwabentor]]<br />
<br />
An der Spitze der Stadtverwaltung stand früher der [[Schultheiß]] als Vorsitzender des Gerichts. Nach dem Übergang an Baden wurde die badische Städteverfassung eingeführt mit einem direkt gewählten [[Bürgermeister]], später [[Oberbürgermeister]] an der Spitze der Verwaltung, der aber gleichzeitig stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderates ist.<br />
<br />
Die Oberbürgermeister seit [[1806]]:<br />
{| width = "55%"<br />
|- valign = "top"<br />
| width = "50%" |<br />
*[[1806]]–[[1824]]: [[Johann Josef Adrians]]<br />
*[[1826]]–[[1827]]: [[Fidel Andre]]<br />
*[[1828]]–[[1832]]: [[Raimund Bannwarth]]<br />
*[[1833]]–[[1839]]: [[Joseph von Rotteck]]<br />
*[[1839]]–[[1840]]: [[Friedrich Wagner]]<br />
*[[1848]]–[[1849]]: [[Joseph von Rotteck]]<br />
*[[1850]]–[[1852]]: [[Johann Baptist Rieder]]<br />
*[[1852]]–[[1859]]: [[Friedrich Wagner]]<br />
*[[1859]]–[[1871]]: [[Eduard Fauler]]<br />
*[[1871]]–[[1888]]: Karl Schuster<br />
|<br />
*[[1888]]–[[1913]]: [[Otto Winterer]]<br />
*[[1913]]–[[1922]]: [[Emil Thoma]]<br />
*[[1922]]–[[1933]]: Karl Bender<br />
*[[1933]]–[[1945]]: [[Franz Kerber]]<br />
*[[1945]]–[[1946]]: Max Keller<br />
*[[1946]]–[[1956]]: [[Wolfgang Hoffmann]]<br />
*[[1956]]–[[1962]]: Josef Brandel<br />
*[[1962]]–[[1982]]: [[Eugen Keidel]]<br />
*[[1982]]–[[2002]]: [[Rolf Böhme]]<br />
*seit [[2002]]: [[Dieter Salomon]]<br />
|}<br />
<br />
===Gemeinderat===<br />
[[Image:Rathaus_Freiburg.JPG|thumb|Rathaus von Freiburg]]<br />
Der Gemeinderat besteht aus 48 gewählten Mitgliedern. Den Vorsitz (mit Stimmrecht) hat der Oberbürgermeister. Die Wahl zum [[Stadtrat]] vom [[13. Juni]] [[2004]] ergab folgendes Ergebnis:<br />
<br />
#[[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] 26,1% (-5,0) – 13 Sitze (-3)<br />
#[[Bündnis 90/Die Grünen|GRÜNE]] 25,8% (+6,1) - 13 Sitze (+3)<br />
#[[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] 17,1% (-3,7) – 8 Sitze (-3)<br />
#[[FWV|FWV]] 8,2% (-0,4) – 4 Sitze (=)<br />
#Linke Liste – Solidarische Stadt 6,3% (+2,1) – 3 Sitze (+1)<br />
#[[Freie Demokratische Partei|FDP]] 5,0% (-0,1) – 2 Sitze (=)<br />
#Kulturliste 4,4% (+4,4) - 2 Sitze (+2)<br />
#[[Junges Freiburg]] 4,1% (+0,3) – 2 Sitze (=)<br />
#Unabhängige Frauen 3,0% (+0,2) – 1 Sitz (=)<br />
#Andere 0,0 (-3,9) – 0 Sitze (=)<br />
<br />
Grüne und Junges Freiburg bilden eine Fraktionsgemeinschaft, ebenso die Linke Liste mit der Kulturliste und den Unabhängigen Frauen.<br />
<br />
Mit 35 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zum Stadtrat stellt der Bäckermeister Alfred Kalchthaler (Freie Wähler) im November 2006 einen Nachkriegsrekord auf.<br />
<br />
=== Städtepartnerschaften ===<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren [[Städtepartnerschaft|Städtepartnerschaften]] in [[Europa]] ein Weg, um die Verständigung unter Menschen verschiedener Nationen im direkten Kontakt zu ermöglichen und damit den Frieden zu stabilisieren. In diesem Geist wurde [[1959]] die Partnerschaft mit [[Besançon]] geschlossen, der mit [[Innsbruck]], [[Padua]] und [[Guildford]] weitere folgten. Die kontinentalen Städte dieser Phase sind nicht ganz zufällig von etwa gleicher Größe und Struktur, sind auch touristisch attraktive Universitätsstädte und alte Habsburgerstädte mit reicher Vergangenheit. Das gilt auch für die später hinzugekommene Stadt [[Granada]]. Auch für [[Lemberg]] hat diesen Charakter, auch wenn die Stadt erheblich größer ist, mit der aber eine besonders solidarische Verbundenheit besteht.<br />
<br />
Später, als moderne Verkehrsmittel und die weltweit verbesserte Telekommunikation die Welt kleiner werden ließen, kamen auch Städte in Übersee, [[Madison]] in den [[USA]] und [[Matsuyama]] in [[Japan]], hinzu. Die Partnerschaft mit der Stadt [[Isfahan]] im [[Iran]] schließlich ist die erste und bisher einzige Partnerschaft einer deutschen mit einer iranischen Stadt. Sie ist eine der lebendigsten mit vielfältigem Austausch auf kulturellem Gebiet. Was mit den Partnerschaften Madison und Lemberg ''auch'' beabsichtigt war, eine Überwindung des damaligen Blockdenkens, das soll hier ebenfalls versucht werden: ein Austausch zwischen sehr unterschiedlichen Kulturen soll zum besseren Verständnis und zu einem friedlicheren Nebeneinander beitragen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass diese Partnerschaft aufgrund der politischen Lage auch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, was aber in Freiburg den Wunsch, diese Partnerschaft fortzusetzen, eher stärkt. <br />
<br />
Die Partnerstädte Freiburgs im Überblick:<br />
<br />
{| <br />
|{{border|[[Bild:Flag of France.svg|20px]]}}||[[Besançon]] in [[Frankreich]] seit [[1959]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Austria.svg|20px]]}}||[[Innsbruck]] in [[Österreich]] seit [[1963]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Italy.svg|20px]]}}||[[Padua]] in [[Italien]] seit [[1967]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of the United Kingdom.svg|20px]]}}||[[Guildford]] im [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] seit [[1979]] <br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of the United States.svg|20px]]}}||[[Madison (Wisconsin)]] in den [[USA]] seit [[1987]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Japan.svg|20px]]}}||[[Matsuyama]] in [[Japan]] seit [[1988]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Ukraine.svg|20px]]}}||[[Lemberg]] (Lwiw) in der [[Ukraine]] seit [[1989]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Spain.svg|20px]]}}||[[Granada]] in [[Spanien]] seit [[1991]]<br />
|-<br />
|{{border|[[Bild:Flag of Iran.svg|20px]]}}||[[Isfahan]] in [[Iran]] seit [[2000]]<br />
|}<br />
Außerdem besteht eine Städtefreundschaft mit <br />
{|<br />
|[[Bild:Flag of Nicaragua.svg|20px]] [[Wiwilí]] in [[Nicaragua]] seit [[1988]].<br />
|}<br />
Traditionell freundschaftliche Beziehungen, die nicht schriftlich fixiert sind aber dennoch gepflegt werden, gibt es zu den anderen vom Geschlecht der [[Zähringer]] gegründeten Städten in der [[Schweiz]] und in Süddeutschland: zu [[Bern]], [[Thun]], [[Burgdorf BE|Burgdorf]], [[Freiburg im Uechtland]], [[Murten]], [[Rheinfelden AG|Rheinfelden]], [[Neuenburg am Rhein|Neuenburg]], [[Villingen]], [[Bräunlingen]] und [[Weilheim an der Teck]] sowie zum Klosterort [[St. Peter (Hochschwarzwald)|St. Peter auf dem Schwarzwald]], der [[Grablege]] der meisten [[Zähringer]].<br />
<br />
== Wirtschaft und Infrastruktur ==<br />
[[Bild:Kopie von 5 Kaiser-Josephs-Straße.JPG|thumb|Einkaufsmeile in Freiburg: Kaiser-Joseph-Straße]]<br />
[[Bild:Kopie_von_9_Markt_auf_Münsterpflatz.JPG|thumb|Markt am Münsterplatz]]<br />
Freiburg ist ein regionales Wirtschaftszentrum. Es dominiert der [[Dienstleistung]]ssektor sowie der öffentliche Dienst. Größter Arbeitgeber der Stadt ist die [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität]] mit dem [[Universitätsklinikum Freiburg|Universitätsklinikum]], gefolgt von zahlreichen Landes- und untergeordneten Behörden. Durch die Nähe zur Universität haben sich kleinere Unternehmen aus den Bereichen [[Solartechnik]], Informations- und Medientechnologie sowie [[Medizintechnik]] und [[Biotechnologie]] hier angesiedelt.<br />
<br />
Freiburg ist für sein sonniges, warmes Klima, für die Forschung und Produktion im Bereich [[Solarenergie]] bekannt. Selbst das Stadion des SC Freiburg verfügt über [[Solarthermische Anlage|solarthermische]] und [[Photovoltaikanlage|photovoltaische]] Anlagen.<br />
Die besondere Bedeutung der Solarenergie für Stadt und Region spiegelt sich auch in der Fachmesse ''Intersolar'' (jährlich) wieder, die für die recht kleine Messegesellschaft ''Messe Freiburg'' (Teil der städtischen Gesellschaft FWTM) eine ungewöhnlich hohe internationale Bedeutung hat. Eine weitere internationale Fachmesse ist die ''INTERbrossa-BRUSHexpo'', die alle vier Jahre für ihre Branchen Weltleitmesse ist. Zahlreiche weitere Fach- und Publikumsmessen machen Freiburg zu einem wichtigen regionalen Messestandort. Dem wurde im Jahr 2000 Rechnung getragen, indem die Messe Freiburg auf ein neues Gelände mit moderner Hallen-Infrastruktur umzog. Im Sommer 2006 konnte als Erweiterung eine neue Mehrzweckhalle (dann 4 Messehallen), die auch für Großveranstaltungen wie Fernsehshows, Pop-Konzerte u.ä. geeignet ist, eingeweiht werden.<br />
<br />
Mit den zwei Großverlagen [[Haufe]] und [[Herder]], einer Vielzahl von kleineren Verlagen sowie dem Sitz der Badischen Zeitung ist Freiburg ein bedeutender Verlags- und Medienstandort.<br />
<br />
Darüber hinaus spielt der [[Fremdenverkehr]] eine herausragende Rolle. Die Stadt gilt als Tor zum [[Schwarzwald]] und gehört zu den beliebtesten Reisezielen in Südwestdeutschland. Die Stadt liegt an der Badischen Weinstraße und an der „Grünen Straße – Route verte“, einer touristischen Straßenverbindung von den Vogesen im Elsass in den Schwarzwald.<br />
<br />
Etwa 43 % der Freiburger Gemarkung sind mit [[Wald]] unterschiedlicher Ausprägung (Mooswald, [[Mittelwald]] und [[Bergwald]]) bedeckt, rund ein Drittel davon ist Eigentum der Stadt, die damit zu den größten kommunalen Waldbesitzern in Deutschland gehört. Die wichtigsten Baumarten, die auch wirtschaftlich genutzt werden, sind [[Buche]], [[Stieleiche]], [[Gemeine Fichte|Fichte]], [[Tanne]] und [[Douglasie]]. Über die wirtschaftliche Nutzung hinaus hat der Wald aber auch ökologische Bedeutung und ist ein wichtiger Bestandteil des Erholungs- und Freizeitangebots. Eine der beiden Forstdirektionen des Landes Baden-Württemberg sowie die hier ansässige Forstliche Versuchsanstalt des Landes zeugen von der Bedeutung des Waldes für die Stadt.<br />
<br />
Auch der [[Weinbau]] spielt in Freiburg eine nicht unbedeutende wirtschaftliche Rolle. Die Stadt grenzt an drei badische Weinbaubereiche: [[Markgräfler Land]], [[Tuniberg]] und [[Kaiserstuhl]] mit jeweils unterschiedlichen typischen Rebsorten. Mit rund 650 ha Rebfläche ist Freiburg die größte Weinbaustadt und eine der größten Weinbaugemeinden in Deutschland – dies vor allem durch die Eingemeindung mehrer Weinbaugemeinden im Westen der Stadt in den 1970er Jahren. Aber auch auf kleinen Flächen der Innenstadt wird noch heute Wein angebaut. Die Bedeutung des Weinbaus für die Stadt wird unterstrichen durch das hier ansässige Staatliche Weinbauinstitut und den Sitz des Badischen Weinbauverbandes. Auch die Universität baut seit 1985 wieder eigenen Wein an, nachdem diese Tradition seit 1806 unterbrochen war. Davor hing das Gehalt der Professoren direkt vom Ertrag des Weinbaus ab.<br />
<br />
=== Verkehr ===<br />
[[Image:Freiburg-tramnetz.png|right|thumb|300px|Freiburger Stadtbahnnetz seit 29. April 2006. Stadtbahnlinien in rot, grün, gelb, blau; Haltestellen violett, Bezirksgrenzen in türkis, bebaute Fläche im Stadtgebiet grau. Bebauung im Umland ist nicht dargestellt.]]<br />
<br />
Freiburg liegt verkehrsgeographisch günstig an der großen europäischen Verkehrsmagistrale Rhein-Saône-Rhône-Mittelmeer. Die [[Autobahn (Deutschland)|Bundesautobahn]] [[Bundesautobahn 5|A 5]] ([[Alsfeld]] – [[Weil am Rhein]]) verbindet Freiburg Richtung Norden mit [[Straßburg]] (–[[Paris]]), [[Karlsruhe]] (–[[Stuttgart]]-[[München]]), [[Mannheim]], [[Frankfurt am Main]] (–[[Köln]]) und Richtung Süden mit [[Mülhausen]] (Mulhouse) (–[[Dijon]]-[[Lyon]]–[[Marseille]]), [[Basel]] (–[[Bern]]–[[Genf]]/ –[[Zürich]]–[[Mailand]]). Freiburg verfügt über drei Autobahnausfahrten: Nord, Mitte und Süd. Außerdem liegt Freiburg an den [[Bundesstraße]]n [[Bundesstraße 3|B 3]] ([[Buxtehude]] – [[Weil am Rhein]]), [[Bundesstraße 31|B 31]] ([[Breisach]] – [[Lindau (Bodensee)|Lindau]]) und [[Bundesstraße 294|B 294]] (nach [[Freudenstadt]]).<br />
<br />
Freiburg war in den 1970er Jahren eine der ersten Städte, die durch die Sperrung der [[Innenstadt]] für den KFZ-Verkehr eine [[Fußgängerzone]] schufen. Heute verfügt die Stadt über ein dynamisches [[Parkleitsystem]], das auf die Anzahl der verfügbaren freien Parkplätze in den zahlreichen [[Parkhaus|Parkhäusern]] am Rande der autofreien Innenstadt hinweist.<br />
<br />
Die [[Rheintalbahn]] [[Karlsruhe]]&mdash;Freiburg&mdash;[[Basel]] befindet sich zur Zeit im viergleisigen Ausbau, da sie zukünftig als Zubringer zur [[Neue Eisenbahn-Alpentransversale|Neuen Eisenbahn-Alpentransversale]] (NEAT) dienen soll. Im Eisenbahngüterverkehr ist Freiburg kein [[Eisenbahnknoten]] mehr, der [[Güterbahnhof]] dient jedoch als Terminal für die [[Rollende Landstraße]] nach [[Novara]] ([[Italien]]). Die [[Höllentalbahn (Schwarzwald)|Höllentalbahn]] verbindet Freiburg mit [[Donaueschingen]]. Kleinere Eisenbahnlinien, die das Umland erschließen, führen ins [[Elztal]] und nach [[Breisach]] (mit Anschluss an die rund um den [[Kaiserstuhl]] führenden Kaiserstuhlbahn, beide bedient durch die [[Breisgau-S-Bahn]], und ins Münstertal (Betreiber: [[SWEG]]).<br />
<br />
Die Stadt und teilweise das nahe Umland wird von vier Stadtbahnlinien (erste Inbetriebnahme: [[1901]]) und durch 21 Busverbindungen der [[Freiburger Verkehrs AG]] erschlossen. Extra für die Stadt Freiburg wurde von der Waggonfabrik Düwag der [[Düwag GT8 Typ Freiburg]] konstruiert, der bis heute fährt. Die Stadt gehört dem [[Regio-Verkehrsverbund Freiburg]] an. Ebenfalls von der [[Freiburger Verkehrs AG]] betrieben wird die Schauinslandbahn, [[Deutschland|Deutschlands]] längste (3,6 km) Kabinen-Umlauf-[[Seilbahn]], mit der die Höhen des [[Schauinsland|Schauinslands]], Freiburgs Hausberg (1.284 m), gut zu erreichen sind.<br />
<br />
Der seit 1907 bestehende [[Flugplatz Freiburg|Flugplatz in Freiburg]] ist als Verkehrslandeplatz für Flugzeuge bis 10.000 t zugelassen. Er befindet sich im Westen der Stadt, nahe dem neuen Messegelände. Der meiste Flugverkehr wird jedoch über den [[Flughafen Basel Mulhouse Freiburg|EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg]] im benachbarten [[Elsass|Oberelsass]] abgewickelt. Zum EuroAirport besteht vom Freiburger Busbahnhof aus eine Shuttle-Busverbindung (Fahrzeit 55 Minuten). Eine Alternative dazu ist der ähnlich weit entfernte, aber weniger gut erreichbare Flughafen [[Straßburg]]. Hervorragende Bahn-Direktverbindungen bestehen zu den Flughäfen [[Zürich]] (150 km) und [[Frankfurt am Main]] (ca. 270 km).<br />
<br />
[[Image:Freiburg_Hauptbahnhof.JPG|thumb|181px|Hauptbahnhof Freiburg]]<br />
=== Ansässige Unternehmen ===<br />
[[Image:Combino_Freiburg.jpg|thumb|Straßenbahn in der Salzstraße]]<br />
====Gegenwart====<br />
Zu den größeren privaten Arbeitgebern zählen der Halbleiterhersteller [[Micronas]], die zum amerikanischen Northrop Grumman-Konzern gehörende [[LITEF GmbH]] sowie ein Werk des französischen Rhodia-Konzerns, das Materialien für [[Zigarettenfilter]] herstellt. Daneben haben in Freiburg mehrere kleine und mittlere Verlage wie der Herder Verlag oder das Badische Verlagshaus, Herausgeber der regionalen [[Badische Zeitung|Badischen Zeitung]] ihren Sitz. Größte ansässige Brauerei ist die [[Brauerei Ganter]]. Seit 12. Januar [[1996]] ist Freiburg im Breisgau auch Sitz des [[Briefzentrum]]s 79 der [[Deutsche Post|Deutschen Post AG]]. Die [[Fortschritt Büromöbel]] GmbH ist seit 1901 in Freiburg ansässig. Seit 1962 ist Freiburg Standort des [[Arzneimittel]]herstellers [[Gödecke]]. Im Jahr 1863 wurde die Firma Raimann gegründet, um Maschinen für die Holzbearbeitung herzustellen.<br />
====Geschichte====<br />
In Freiburg hatte achtzig Jahre lang die Firma [[M. Welte & Söhne|Michael Welte & Söhne]] ihren Firmensitz (gegründet 1832 in Vöhrenbach im Schwarzwald, verlegt nach Freiburg 1872, zerstört beim Fliegerangriff 1944, erloschen 1952). Sie stellte pneumatisch gesteuerte Musikautomaten, vor allem [[Orchestrion|Orchestrien]] her, seit 1905 auch das [[Welte-Mignon]]-Reproduktions-Klavier.<br />
<br />
=== Behörden ===<br />
<br />
===== Kommunalverwaltung =====<br />
Die [[Stadtverwaltung]] Freiburg ist eingeteilt in fünf [[Dezernat|Dezernate]], denen jeweils eine Reihe von städtischen Ämtern unterstehen. Dezernat I wird von Oberbürgermeister [[Dieter Salomon|Dr. Salomon]] ([[GRÜNE]]) geleitet und ist zuständig für die Haupt- und Personalverwaltung und für Organisation, Recht, Regionales und Öffentlichkeitsarbeit. Dezernat II wird geleitet von Bürgermeisterin Gerda Stuchlik ([[GRÜNE]]) und ist das Dezernat für Umwelt, Schule und Bildung. Beim Dezernat III unter Bürgermeister Ulrich von Kirchbach ([[SPD]]) geht es um Kultur, Jugend und Soziales. Dezernat IV unter der Leitung von Bürgermeister Matthias Schmelas ([[CDU]]) kümmert sich um die Bereiche Bauen und Verkehr. Erster Bürgermeister Otto Neideck ([[CDU]]), der auch Stellvertreter des Oberbürgernmeisters ist, leitet das Dezernat V für Finanz-, Wirtschafts- und Wohnungswesen, zentrale IT, öffentliche Ordnung, Bürgerservice, Feuerwehr und Sport.<br />
<br />
Das Landratsamt [[Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald|Breisgau-Hochschwarzwald]] hat seinen Sitz in der kreisfreien Stadt Freiburg, verwaltet aber den die Stadt umgebenden Landkreis.<br />
<br />
===== Landesbehörden =====<br />
*Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg<br />
*[[Finanzamt|Finanzämter]]: Freiburg-Stadt und Freiburg-Land<br />
*Forstdirektion Freiburg<br />
*Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg<br />
*Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde<br />
*Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg<br />
*Landespolizeischule Baden-Württemberg<br />
*Oberschulamt Freiburg<br />
*[[Regierungspräsidium]] im Basler Hof<br />
*Staatliches [[Weinbau]]institut<br />
*Das [[Staatsarchiv Freiburg]] bewahrt seit 1806 die schriftliche Überlieferung der staatlichen Behörden im Gebiet des [[Regierungsbezirk Freiburg|Regierungsbezirks Freiburg]] auf. Seit 2005 ist es eine Abteilung des [[Landesarchiv Baden-Württemberg|Landesarchivs Baden-Württemberg]].<br />
<br />
=====Bundesbehörden=====<br />
*[[Agentur für Arbeit]]<br />
<br />
*Wasser- und Schifffahrtsamt Freiburg<br />
*Eine ''Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit'' (MKÜ) des Bundespolizeiamtes [[Weil am Rhein]], das dem [[Bundespolizei (Deutschland)|Bundespolizeipräsidium]] Süd ([[München]]) untersteht.<br />
<br />
===== Körperschaften des öffentlichen Rechts =====<br />
<br />
*[[Handwerkskammer]] Freiburg [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|K. d. ö. R.]]<br />
*[[IHK]] Südlicher Oberrhein [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|K. d. ö. R.]]<br />
*Regionalverband Südlicher Oberrhein [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|K. d. ö. R.]]<br />
<br />
===Gerichte===<br />
Freiburg verfügt über ein [[Amtsgericht]] und ein [[Landgericht]], die jeweils zum [[OLG]]-Bezirk [[Karlsruhe]] gehören. Einige Zivilsenate des OLG Karlsruhe haben ebenfalls ihren Sitz in Freiburg. Außer den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es in Freiburg auch je ein [[Finanzgericht]], [[Arbeitsgericht]] (sowie eine Kammer des [[Landesarbeitsgericht]]es), [[Sozialgericht]] (zuständig auch für das Gebiet der Landkreise [[Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald|Breisgau-Hochschwarzwald]], [[Ortenaukreis]], [[Landkreis Emmendingen|Emmendingen]], [[Landkreis Lörrach|Lörrach]] und [[Landkreis Waldshut|Waldshut]]) und [[Verwaltungsgericht]] (zuständig für den [[Regierungsbezirk Freiburg]]).<br />
<br />
===Medien===<br />
====Printmedien====<br />
In Freiburg gibt es nur eine einzige regionale [[Tageszeitung]], nämlich die kostenpflichtige [[Badische Zeitung]], deren Verbreitungsgebiet sich von Offenburg im Norden bis zum Hochrhein im Süden und in den Hochschwarzwald hinein erstreckt. Sie erscheint Montag bis Samstag außer an Feiertagen. Am Sonntag kommt aus dem gleichen Verlagshaus kostenlos „Der Sonntag in Freiburg“ beziehungsweise in Lörrach und Basel „Der Sonntag im Dreiland“, sodass der Badische Verlag als Herausgeber ein [[Monopol]] an den Tageszeitungen hält.<br />
<br />
Des weiteren gibt es das offizielle „Amtsblatt der Stadt Freiburg“, das zweiwöchentlich erscheint und in dem sowohl Bekanntmachungen der Stadt Freiburg als auch normale Zeitungsartikel abgedruckt sind.<br />
<br />
Jeweils mittwochs erscheint mit einer Auflage von derzeit (Juni 2006) 113.500 Exemplaren der "Freiburger Wochenbericht", das älteste noch bestehende deutsche Anzeigenblatt. Es wird kostenlos an alle Haushalte verteilt und enthält ebenfalls normale Zeitungsartikel. Donnerstags erscheint in ähnlicher Aufmachung seit 1983 der "Freiburger Stadtkurier". Er hat derzeit (Juni 2006) eine Auflage von 113.300 Exemplaren, die ebenfalls an alle Haushalte kostenlos verteilt werden.<br />
<br />
Außer diesen fünf größeren Zeitungen gibt es noch einige weitere kleinere Zeitungen und Zeitschriften aus und für Freiburg.<br />
<br />
Die jeweils mittwochs und samstags erscheinende "Zypresse" ist ein Blatt für private Kleinanzeigen, ebenso die donnerstags erscheinende und auch der Badischen Zeitung beiliegende "schnapp".<br />
<br />
Außer diesen Anzeigenblättern gibt es noch weitere Kultur- und Veranstaltungsmagazine, darunter die beiden [[Stadtmagazin]]e "[[FRIZZ]] Freiburg Das Magazin – das Eventmagazin für Freiburg und Region" und "Plan 14" und die zwei Kulturmagazine "Freiburg aktuell" und "[[Chilli – das freiburger stadtmagazin]]".<br />
<br />
====Audiovisuelle Medien====<br />
In Freiburg gibt es ein Funkhaus des [[Südwestrundfunk]]s, das SWR Studio Freiburg, in dem unter anderem Sendungen für [[SWR4 Baden-Württemberg]] und das [[Südwest Fernsehen]] produziert werden. Des weiteren ist das [[SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg]] im [[Konzerthaus Freiburg]] ansässig.<br />
<br />
Zu der gleichen Firma gehören das Regionalradio [[106.0 Antenne Südbaden]] sowie das Regionalfernsehen [[TV Südbaden]], welche beide als Privatsender werbefinanziert sind.<br />
<br />
Das dritte Freiburger Radio ist das [[Radio Dreyeckland]], das in der Nähe der Innenstadt produziert wird.<br />
<br />
Außer diesen speziell auf Freiburg konzentrierten Medien gibt es noch unter anderem das [[Radio Regenbogen]] für die gesamte Region [[Baden (Land)|Baden]].<br />
<br />
Im Ortsteil [[Lehen (Freiburg)|Lehen]] betreibt der SWR eine Sendeanlage für [[Mittelwelle]] (Frequenz 828 kHz, Sendeleistung 10 kW, Geographische Koordinaten des Senderstandorts: {{Koordinate Text|48_00_48_N_07_47_38_E_type:landmark|48° 00' 48" n. Br., 07° 47' 38" ö. L}}) und UKW-Hörfunk, welche als Antennenträger einen 92 Meter hohen, gegen Erde isolierten Stahlfachwerkmast mit viereckigem Querschnitt verwendet. Der Senderstandort Freiburg-Lehen ist einer der ältesten in Deutschland.<br />
<br />
=== Bildung und Forschung ===<br />
[[Bild:Universität Freiburg Kollegiengebäude I (Altbau).jpg|thumb|Kollegiengebäude I und historisches Hauptgebäude der Albert-Ludwigs-Universität]]<br />
[[Image:Uni Freiburg.JPG|thumb| Juristische (l.) und Wirtschaftswissenschaftliche (r.) Fakultäten der Universität]]<br />
[[Image:Freiburgs_Cafes.JPG|thumb|Studentenstadt Freiburg]]<br />
===== Schulen =====<br />
<br />
Ein breites Angebot an Schulen in Freiburg kann sehr vielfältigen Ausbildungsansprüchen gerecht werden:<br />
<br />
*34 [[Grundschule|Grund]]- und [[Hauptschule|Hauptschulen]] flächendeckend, von denen einige in privater Trägerschaft sind<br />
*10 [[Sonderschule|Sonderschulen]], darunter 4 Förderschulen (für lernbehinderte Kinder und Jugendliche), 4 Schulen für geistig oder mehrfach behinderte Kinder, darunter 2 private, eine Schule für Erziehungshilfe und eine [[Sprachheilschule]]<br />
*10 [[Berufsschule|berufliche Schulen]] für den kaufmännischen und gewerblichen Bereich sowie die Jazz- und Rockschule für eine Ausbildung in Musik<br />
*8 [[Realschule|Realschulen]], darunter 2 private,<br />
*11 allgemeinbildende [[Gymnasium|Gymnasien]] unterschiedlicher Ausprägung, darunter auch einige in privater Trägerschaft, sowie seit 1972 das [[Deutsch-Französisches Gymnasium|Deutsch-Französische Gymnasium]], eine von zwei solcher Schulen in Deutschland mit binationalem Abschluss (die andere ist in [[Saarbrücken]])<br />
*4 berufliche Gymnasien<br />
*5 [[Gesamtschule|Gesamtschulen]], von denen eine die öffentlich [[Hermann Staudinger|Staudinger]]-[[Gesamtschule]] ist, die vier anderen der [[Waldorf-Pädagogik]] zuzurechnen sind.<br />
<br />
===== Hochschulen =====<br />
*Die [[1457]] gegründete [[Albert-Ludwigs-Universität]] ist eine der ältesten und renommiertesten Hochschulen Deutschlands mit etwa 20.000 Studierenden (alle Hochschulen zusammen: knapp 30.000). Sie prägt nachhaltig das Leben der Stadt: So finden sich rund um die Universität viele gut besuchte Cafes und Kneipen. Die Universität ist aber nicht nur wegen der Studierenden relevant, sie ist mit ihren circa 13.000 Arbeitsplätzen (einschließlich [[Universitätsklinikum Freiburg|Klinikum]]) auch einer der wichtigsten Arbeitgeber in Südbaden. <br />
*Die [[Pädagogische Hochschule Freiburg]] (PH) wurde [[1962]] aus den früheren Akademien für Lehrerbildung I und II gebildet und hat seit [[1971]] den Status einer wissenschaftliche Hochschule.<br />
*Die [[Hochschule für Musik Freiburg|Staatliche Hochschule für Musik]] wurde [[1946]] von der Stadt Freiburg gegründet und später vom Land Baden-Württemberg als staatliche Hochschule weitergeführt.<br />
*[[Evangelische Fachhochschule Freiburg|Evangelische Fachhochschule Freiburg]] – Hochschule für Soziale Arbeit, Diakonie und Religionspädagogik<br />
*[[Katholische Fachhochschule Freiburg]] – Hochschule für Sozialwesen, Heilpädagogik, Religionspädagogik und Pflege<br />
<br />
Ferner gibt es drei Seminare für Didaktik und Lehrerbildung, und zwar je eines für Berufliche Schulen, für Gymnasien und für Realschulen.<br />
<br />
===== Forschungseinrichtungen =====<br />
<br />
In Freiburg befinden sich auch mehrere Forschungsinstitute:<br />
*Zwei Institute der [[Max-Planck-Gesellschaft]] (MPI): <br />
**Max-Planck-Institut für [[Immunbiologie]]; <br />
**Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales [[Strafrecht]].<br />
*Institute der [[Fraunhofer-Gesellschaft]]: <br />
**Fraunhofer-Institut für Angewandte [[Festkörperphysik]] (IAF); <br />
**Fraunhofer-Institut für [[Kurzzeitdynamik]] (Ernst-Mach-Institut, EMI); <br />
**Fraunhofer-Institut für [[Physikalische Messtechnik]] (IPM); <br />
**Fraunhofer-Institut für [[Sonnenenergie|Solare Energiesysteme]] (ISE, mit Labor und Servicecenter in [[Gelsenkirchen]]); <br />
**Fraunhofer-Institut für [[Werkstoffmechanik]] (IWM, mit Institutsteil in [[Halle (Saale)]]).<br />
*weitere Forschungseinrichtungen: <br />
**Das [[Kiepenheuer]]-Institut für [[Sonnenphysik]] betreibt ein Sonnenobservatorium auf dem [[Schauinsland]]. <br />
**Das [[Öko-Institut|Öko-Institut e. V. – Institut für angewandte Ökologie]] ist aus der in Freiburg starken Umweltbewegung hervorgegangen. <br />
**Das [[Walter Eucken Institut]] ist eine 1954 gegründete sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschungseinrichtung im Umfeld der [[Albert-Ludwigs-Universität]]. <br />
**Das [[Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene]] widmet sich der Erforschung [[Parapsychologie|parapsychologischer]] Phänomene. <br />
**Das [[Arnold Bergstraesser|Arnold-Bergstraesser]]-Institut befasst sich mit [[Kulturwissenschaft|kulturwissenschaftlichen]] und [[Entwicklungspolitik|entwicklungspolitischen]] Fragen.<br />
**Das Alemannische Institut Freiburg will die fächer- und grenzüberschreitende landeskundliche Erforschung des alemannisch-schwäbischen Sprach- und Siedlungsraumes fördern.<br />
**Das Deutsche Volksliedarchiv ist ein selbständiges wissenschaftliches Forschungsinstitut des Landes Baden-Württemberg. Es beschäftigt sich mit der Sammlung, Erforschung und Edition populärer und traditioneller Lieder aus dem deutschsprachigen Raum.<br />
<br />
=== Sonstige Institutionen ===<br />
*[[Architekturforum Freiburg]]<br />
*badenova: der Energieversorger für Freiburg und die Region – Strom, Gas, Wasser<br />
<br />
== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==<br />
<br />
=== Dialekte ===<br />
Durch die südlichen Stadtteile von Freiburg verläuft die Mundartgrenze zwischen [[Niederalemannisch|nieder]]- und [[Hochalemannisch|hochalemannisch]]. Freiburgs [[Alemannische Dialekte|alemannisch]]er Name lautet – wie zur Zeit der Stadtgründung – ''Friburg''.<br />
[[Image:Freiburger Stadttheater.JPG|thumb|Stadttheater Freiburg]]<br />
[[Image:Konzerthaus_Freiburg.JPG|thumb|Konzerthaus]]<br />
=== Theater ===<br />
Zahlreiche Bühnen machen Freiburg zu einer Theaterstadt. <br />
*Die '''Städtischen Bühnen''' spielen in den die Sparten Schauspiel, Musiktheater und Ballett auf drei Bühnen. Sein Philharmonisches Orchester spielt auch im '''[[Konzerthaus Freiburg|Konzerthaus]]'''. <br />
<br />
Weiter gibt es eine Vielzahl kleinerer Theater:<br />
<br />
*Die Alemannische Bühne Freiburg, spielt Stücke in alemannischer Mundart.<br />
*Das Theater im Marienbad Freiburg ist das Freiburger ([[Theater für Kinder|Kinder- und Jugendtheater]]) und spielt in der ehemaligen kleinen Schwimmhale eines aufgegebenen Bades.<br />
*Das Wallgraben-Theater Freiburg; ist ein einstmals studentisches Kellertheater und ist vor allem bekannt für seine [[Loriot]]-Aufführungen mit [[Heinz Meier]]. Heute spielt es im Keller des Neuen Rathauses.<br />
*Das Vorderhaus Freiburg - Kultur in der Fabrik ist hauptsächlich eine Kabarettbühne<br />
*Galli-Theater Freiburg<br />
*KIEW – Kammerspiele im E-Werk Freiburg<br />
*Theater am Martinstor Freiburg<br />
*[[Hans -Dürr-Theater]] Laientheater bekannt durch die Shakespeare Company und Inszenierungen im schwarzen Kloster.<br />
<br />
In Freiburg gibt es eine lebendige [[Improvisationstheater]]-Szene mit ca. 10 Freiburger professionellen und Laiengruppen, die an unterschiedlichen Orten auftreten.<br />
<br />
=== Festivals ===<br />
<br />
Im Lauf des Jahres finden in Freiburg viele Kulturfestivals statt, z. B. im Winter das Diavortrag-Festival Mundologia, ein Open Air Theatersport Festival, im Sommer seit 1983 das Internationale [[Zelt-Musik-Festival]], das Fest der Innenhöfe mit einem breiten Spektrum von Alter Musik, klassischer Musik bis zu Weltmusik sowie viele weitere besondere Freiburger Veranstaltungen.<br />
<br />
=== Musik ===<br />
Freiburg hat ein äußerst reges Musikleben aufzuweisen, was sich in der Existenz zahlreicher Orchester und Chöre, darunter einige mit internationalem Ruf, niederschlägt. Wichtige Impulsgeber sind – in unterschiedlicher Richtung – die seit 1946 bestehende Musikhochschule mit Studenten und Meisterschülern aus der ganzen Welt und die Freiburger Jazz & Rockschule. Darüber hinaus gibt es das Experimentalstudio für akustische Kunst e.V. im Funkhaus des [[Südwestrundfunk|Südwestrundfunks]], das seit seiner Gründung 1969 einer der wichtigsten Impulsgeber für Neueste Musik ist.<br />
<br />
===== Orchester =====<br />
<br />
* Das [[SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg]] hat seinen Sitz seit 1996 im [[Konzerthaus Freiburg]]. Das Orchester wurde 1946 gegründet und gilt als eines der führenden deutschen (Rundfunk-)[[Orchester|Sinfonieorchester]].<br />
* Das [[Freiburger Barockorchester]] (FBO) unter der Leitung von [[Gottfried von der Goltz]] gilt als einer der besten Klangkörper für Alte Musik weltweit.<br />
* Das Balthasar-Neumann-Ensemble wird von Thomas Hengelbrock geleitet.<br />
* Das Philharmonisches Orchester der Stadt Freiburg ist das Hausorchester der Städtischen Bühnen.<br />
* [[Akademisches Orchester Freiburg e. V.]], gegründet 1963<br />
* Das Consortium Classicum wurde [[1966]] von den Klarinettisten Dieter Klöcker gegründet und widmet sich vor allem der Musik des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhundert.<br />
* Holst-Sinfonietta e. V. Freiburg<br />
* ORSO - The Rock Symphony Orchestra<br />
* Musikverein Freiburg-Kappel e. V.<br />
* Musikverein Freiburg St. Georgen e. V.<br />
<br />
===== Chöre =====<br />
<br />
* Anton-Webern-Chor<br />
* Balthasar-Neumann-Chor, Leitung: [[Thomas Hengelbrock]]<br />
* Camerata Vocale Freiburg<br />
* Freiburger Bach-Chor<br />
* Freiburger Domchor<br />
* [[Freiburger Domsingknaben]]<br />
* Freiburg Gospel Choir<br />
* Freiburger Kammerchor<br />
* Heinrich-Schütz-Kantorei Freiburg<br />
* [[Jazzchor Freiburg]]<br />
* John Sheppard Ensemble, Leitung: Johannes Tolle<br />
* Kantorei der Christuskirche<br />
* Madrigalchor der KHG<br />
* QueerFlöten e. V. – Freiburgs lesbisch-schwuler Chor<br />
* Romanischer Chor<br />
* [[Russischer Chor]] der Universität (seit 1930)<br />
* [[Studentenkantorei Freiburg]]<br />
* [[Voice Event]] – Auswahlchor der Freiburger Schulen<br />
<br />
=== Film und Kino ===<br />
Freiburg hat ein besonders kinobegeistertes Publikum. Bezogen auf die Einwohnerzahl gibt es hier die meisten Kinogänger in Deutschland. Im [[CinemaxX]] eines bundesweit vertretenen Kinobetreibers als [[Multiplex-Kino]] und in der ''Harmonie'', die zum gleichen Unternehmen gehört, werden überwiegend [[Hollywood]]-Mainstream-Filme gezeigt. Daneben hat Freiburg mit den ''Friedrichsbau/Apollo''-Kinos und dem ''Kandelhof'' fünf Säle eines ortsansässigen Betreibers, die als [[Programmkino]] bespielt werden. Diese Kinos sind in den letzten Jahren durchgängig für ihr anspruchsvolles Programm ausgezeichnet worden. <br />
<br />
Das nicht-kommerzielle [[Kommunales Kino Freiburg|Kommunale Kino]] Freiburg ist in den letzten Jahren ebenfalls mehrfach für seine Programmarbeit ausgezeichnet worden. Alle zwei Jahre veranstaltet das Kommunale Kino das [[Freiburger Film Forum]] mit Schwerpunkt auf dem ethnographischen Film. Es gilt als eines der wichtigsten [[Filmfestival]]s dieses Schwerpunkts in Deutschland. <br />
<br />
Als einer der ältesten studentischen Filmclubs Deutschlands zeigt der 1957 gegründete Akademischer Filmclub Freiburg ein eigenes Programm. Dieses wird während des Semesters bis zu viermal pro Woche mit einem 35mm-Projektor in einem großen Hörsaal des Kollegiengebäudes II der Universität vorgeführt.<br />
<br />
Im Juli und August findet in Freiburg auch ein tägliches [[Freilichtkino|Open-Air-Kino]] statt.<br />
<br />
=== Museen ===<br />
<br />
Freiburg beherbergt mehrere städtische Museen, die sich größtenteils aus den früheren "Städtischen Sammlungen" entwickelt haben. Das größte Museum der Stadt ist das [[Augustinermuseum]] (Museum für Kunst- und Kulturgeschichte am Oberrhein) am Augustinerplatz, eines der bedeutendsten Museen in Südbaden. Seit geraumer Zeit befinden sich Teile des Museumsgebäudes (ehem. Kirchenschiff) in einer umfassenden Sanierungsphase, so dass einige Ausstellungsräume und Exponate bis auf weiteres nicht oder nur mit größeren Einschränkungen zu besichtigen sind.<br />
Eine Abteilung des Augustinermuseums ist das seit [[1994]] im [[Wentzingerhaus]] am Münsterplatz untergebrachte [[Museum für Stadtgeschichte Freiburg|Museum für Stadtgeschichte]], das sich vornehmlich mit der Entwicklung Freiburgs und dem Bau des Freiburger Münsters beschäftigt.<br />
<br />
Ebenfalls am Augustinerplatz liegt das [[Adelhausermuseum|Adelhausermuseum – Natur- und Völkerkunde]], in dem ein Überblick zur Geologie und Mineralogie sowie zur heimischen Tier- und Pflanzenwelt gegeben wird. Nicht nur bei Kindern äußerst beliebt ist die Schau "Vom Ei zum Küken", die jährlich in den Wochen vor Ostern präsentiert wird.<br />
Dieses im Jahre [[1895]] gegründete und auf zwei historische Gebäudekomplexe verteilte Museum muss aus Gründen des vorbeugenden [[Brandschutz]]es am 30. Dezember 2006 komplett schließen. Eine Neukonzeption für das Museumsgebäude an der Gerberau ist in Arbeit, der Termin für eine Neueröffnung in Form eines modernen, familienorientierten Museums ist derzeit jedoch noch unbekannt.<br />
[[Bild:Freiburg Schwabentor.jpg|thumb|Schwabentor]]<br />
Ein weiteres städtisches Museum ist das [[1985]] eröffnete [[Museum für Neue Kunst|Museum für Neue Kunst]] in der Marienstraße, in dem moderne und zeitgenössische Kunst, angefangen vom [[Expressionismus]] Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zu den aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre, ausgestellt werden.<br />
<br />
Das [[Archäologische Museum Colombischlössle]] (ehem. Museum für Ur- und Frühgeschichte) befindet sich seit 1983 im Colombipark am Rotteckring. Schwerpunkte der Dauerausstellung liegen auf der frühgeschichtlichen bis mittelalterlichen Entwicklung an Ober- und Hochrhein. Im Museum werden auch mehrmals im Jahr Aktionen für Kinder angeboten, bei denen sie selbst ausprobieren können, wie in der [[Steinzeit]] zum Beispiel Feuer gemacht oder Tongefäße gebrannt wurden.<br />
<br />
Seit Oktober 2004 betreibt die Stadt das Kunsthaus L6 im Stadtteil Zähringen. Dort gibt es Ateliers für bildende Künstler, Proberäume für Bands, ein Wohnatelier für Gastkünstler, eine Künstlerwerkstatt und eine Halle für Ausstellungen aktueller Kunst aus der Region Freiburg.<br />
<br />
Der [[Kunstverein]] Freiburg e.V., gegründet 1827 und damit einer der ältesten Kunstvereine in Deutschland, präsentiert aktuelle Kunst in seiner Ausstellungshalle, der ehemaligen Schwimmhalle eines aufgegebenen Schwimmbads.<br />
<br />
Des Weiteren gibt es noch einige privat betriebene Museen in Freiburg: Im Kunstraum Alexander Bürkle wird seit 2004 internationale zeitgenössische Kunst ausgestellt. Dort ist in einer Dauerausstellung auch die "Sammlung Rosskopf" zeitgenössischer bildender Kunst zu sehen. – Die "Stiftung für konkrete Kunst Roland Phleps" zeigt in ihrer Skulpturenhalle im Stadtteil Zähringen insbesondere Stahlskulpturen des Namensgebers und in wechselnden Ausstellungen Arbeiten verwandter Künstler. – In der Turmstrasse befindet sich das Freiburger Fasnetmuseum, in dem Masken und Kostüme (alemannisch "''Häs''") und die Geschichte der "Freiburger Fasnet" ausgestellt werden. – Im Schwabentor befindet sich die Zinnfiguren-Klause, in der man historische [[Diorama|Dioramen]] (z.B. zu Martin Luther oder den Bauernkriegen) aus Zinnfiguren besichtigen kann. <!-- Bitte erweitern, ich war noch nie da... du schreibst auch Käse, und nicht nur da--><br />
<!-- da war ich ebenfalls nicht --><br />
<br />
Im "Freiburger Hausberg"; dem [[Schauinsland]] befindet sich das [[Schauinsland#Museumsbergwerk|Museums-Bergwerk Schauinsland]]. Es handelt sich dabei um ein stadtgeschichtlich wichtiges Bergwerk, in dem Silber-, Blei- und Zinkerze abgebaut wurden. Es liegt am "[[Schauinsland|Erzkasten]]" oberhalb von [[Oberried_(Breisgau)|Hofsgrund]]. Heute wird es von einer privaten Forschergruppe betrieben. In den Wintermonaten bleibt es geschlossen.<br />
<br />
=== Bäder ===<br />
In Freiburg gibt es insgesamt 9 städtisch betriebene [[Schwimmbad|Schwimmbäder]], davon 3 [[Freibad|Freibäder]].<br />
<br />
Das größte Freiburger Bad ist das Eugen-Keidel-Bad, ein Mineral-Thermalbad mit einer großen Bade- und Saunalandschaft. Über eine Buslinie ist es an den ÖPNV angeschlossen, dennoch ist die Lage weit vor den Toren der Stadt im Wald gelegen eher autogerecht (aber idyllisch).<br />
<br />
Im Westen Freiburgs in unmittelbarer Nachbarschaft des Seeparks befindet sich das Westbad, das vor allem als Sportbad ausgelegt ist. Es besitzt ein durch eine bewegliche Trennwand teilbares 50m-Becken, ein Nichtschwimmer- und ein Babybecken sowie ein 5m tiefes Sprungbecken mit zugehöriger Sprunganlage (bis 10m). Im Außenbereich befinden sich Liegewiesen, Spielbereiche, Kinderbecken und seit längerem und auf längere Zeit nicht in Betrieb befindliche Außenschwimmbecken (Finanznot der Stadt). <br />
<br />
In Innenstadtnähe befindet sich das Faulerbad, das als Freizeitbad mit 25m-Schwimmerbecken, Liegewiese und 2 Saunakabinen, aber ohne Rutsche konzipiert ist und im Winterhalbjahr am ersten Samstag im Monat große Mitternachtspartys mit Lichtshow, Barbetrieb und DJs anbietet. Im Sommer geschlossen.<br />
<br />
Im Stadtteil [[Haslach (Freiburg)|Haslach]] befindet sich das Gartenhallenbad Haslach mit mehreren Becken, darunter einem Nichtschwimmer- und einem Sprungbecken bis 5m und einer Liegewiese. Sehr beliebt bei der jüngeren Bevölkerung.<br />
<br />
Weitere Sportbäder befinden sich in Lehen mit einem 17m-Becken und Hochdorf.<br />
<br />
Unter den Freibädern das größte ist das Strandbad in direkter Nachbarschaft des [[Badenova-Stadion]]s auf der Grenze der östlichen Stadtteile Waldsee und Ebnet. Es hat ein unbeheiztes Nichtschwimmerbecken mit einer 91m-Rutsche, ein Plantschbecken und ein beheiztes 50m-Becken sowie großzügige Liegeflächen, Umkleiden und Verpflegungseinrichtungen. Hüpfburg und Beachvolleyballfelder runden das breite Angebot ab.<br />
<br />
Im Stadtteil [[Wiehre]] befindet sich das älteste deutsche Schwimmbad mit separatem Frauenteil, das Lorettobad. Die ganze Anlage mit den historischen Umkleideräumen und dem dicht umbauten Schwimmerbecken hat seinen ganz eigenen Charme.<br />
<br />
Das dritte Freibad ist schließlich das Freibad St. Georgen mit einem 25m-Becken in Verbindung mit einem Nichtschwimmerbereich mit Breitrutsche. Die reizvolle, teilweise in Hügeln geschwungene Anlage (rund um das Kleinkinderbecken) und der ausgedehnte Sportbereich (inklusive Hüpfburg) machen das Bad besonders für den entspannten Familienausflug empfehlenswert.<br />
<br />
Die Freibäder sind nur während der Sommersaison geöffnet, im Jahr 2006 öffnete das Strandbad am 11. Mai, die beiden anderen Freibäder am 25. Mai. Die übrigen 6 Schwimmbäder sind mit unterschiedlichen Pausen ganzjährig geöffnet.<br />
=== Bauwerke ===<br />
<br />
In Freiburg gibt es bemerkenswerte Gebäude aus allen Epochen der Stadtgeschichte. Ein großer Teil der historischen Altstadt wurde beim Bombenangriff am 27. November 1944 zerstört. Erstaunlicherweise blieben das Münster, die Südostecke des Münsterplatzes mit Historischem Kaufhaus, Wentzingerhaus und Alter Wache sowie die beiden noch erhaltenen mittelalterlichen Stadttore nahezu unversehrt. Nach dem Krieg wurde die Altstadt weitgehend in den historischen Proportionen (Grundstücksgröße, Traufhöhe) wieder aufgebaut. Zu den beachtensweten Gebäuden gehören:<br />
*Das [[Freiburger Münster]] ist das [[Wahrzeichen]] der Stadt und sicher ihr bedeutendstes Gebäude. Es wurde als Bürgerkirche errichtet und enthält zahlreiche Kunstwerke, unter anderem den Hochaltar von [[Hans Baldung Grien]] sowie einige sehr schöne mittelalterliche Glasfenster, die zum Teil Stiftungen der [[Zunft|Handwerkerzünfte]] waren. Der 116 Meter hohe [[Gotik|gotische]] Turm des Münsters wurde schon von dem [[Kunsthistoriker]] [[Jacob Burckhardt]] als „schönster Turm der Christenheit“ bezeichnet und überragt alle Gebäude der Stadt. Er wurde als einziger Turm einer größeren [[Kathedrale]] in Deutschland schon im [[Mittelalter]] fertig gestellt. Besucher sollten auch den ''Markt'' rund um das Freiburger Münster genießen.<br />
*Am Münsterplatz: Das [[Historisches Kaufhaus (Freiburg)|Historische Kaufhaus]] von [[1532]] mit prächtigen Skulpturen habsburgischer Kaiser aus dem 16. Jahrhundert fällt auf durch seine ochsenblutrote Farbe, die mit farbigen Ziegel gedeckten Ecktürmchen und seine Treppengiebel. Das Haus zum „Zum Schönen Eck“ von [[1761]] ([[Wentzingerhaus]]) wurde von [[Johann Christian Wentzinger]] als eigenes Wohn- und Atelierhaus im spätbarocken Stil errichtet. Seit 1994 beherbergt es das [[Museum für Stadtgeschichte Freiburg|Museum für Stadtgeschichte]]. Die Alte Wache, als Hauptwache der Österreichischen Wachgarnison im Jahre 1733 erichtet, dient nach unterschiedlichsten Nutzungen heute als „Haus der Badischen Weine“.<br />
[[Bild:Freiburg Martinstor.jpg|thumb|Martinstor]]<br />
*In der näheren Umgebung des Münsters stehen drei sehr unterschiedliche Gebäude, die mit der Kirche zu tun haben. Die Alte Münsterbauhütte ist das einzige aus dem Mittelalter erhaltene Gebäude der Altstadt mit Sichtfachwerk. Es wurde als Gebäude der „Münsterfabrik“ errichtet, die seit dem 13. Jahrhundert für den Bau der Freiburger Pfarrkirche zuständig war. Später wurde das Gebäude um das Fachwerkgeschoss aufgestockt, das dann eine Wohnung für den Turmwächter bot. Heute unterhält die Münsterpfarrei hier einen kleinen Laden sowie ein Begegnungs- und Beratungszentrum. – Gegenüber liegt das Erzbischöfliche Ordinariat, der Verwaltungsbau des katholischen Bistums Freiburg. Der 1903-1906 in historisierender Form errichtete Bau hat eine im spätromanischen Stil reich ornamentierte Natursteinfassade und wirkt damit als ziemlicher Fremdkörper in dieser Umgebung. Das Innere weist auch byzantinisch anmutende Stilelemente auf. – Nicht weit davon entfernt steht das 2002 erbaute Erzbischöfliche Archiv, ein kubischer, mit dunklem Sandstein verkleideter, fast fensterloser Zweckbau, der etwas über die Baugesinnung des beginnenden 21. Jahrhunderts aussagen kann.<br />
*Zwei Kirchen der historischen Altdtadt verdienen Beachtung. Die gotische Kirche St. Martin (Franziskanerkirche) am Rathausplatz ist im Innern von betonter Schlichtheit und hatte ursprünglich als Bettelsordenskirche keinen Turm. Die barocke [[Universitätskirche]] ([[Jesuitenkirche]]) neben der Alten Universität wurde im 2. Weltkrieg fast völlig zerstört und wurde nach dem Wiederaufbau nicht wieder farbig gefasst.<br />
*Im [[Kloster der Augustinereremiten]], dessen älteste Teile aus dem 14. Jahrhundert stammen, ist das [[Augustinermuseum]] untergebracht.<br />
[[Image:Freiburg Schlossberg Aussichtsturm.jpg|thumb|Aussichtsturm auf dem Schlossberg]]<br />
*Die beiden noch von der mittelalterlichen Stadtbefestigung erhaltenen Tortürme prägen das Bild der Innenstadt entscheidend. Das ältere Martinstor wurde 1901 um fast das Dreifache auf 60 Meter erhöht und erhielt einen Dachaufbau im Stil des 15. Jahrhunderts. Das Schwabentor wurde ebenfalls 1901 auf fast doppelte Höhe aufgestockt und mit durchbrochenen Treppengiebeln im Stil norddeutscher Stadttürme versehen. Diese wurden 1954 wieder abgebaut und der Torturm erhielt ein Pyramidendach nebst Glockentürmchen mit Zwiebelhaube.<br />
*Das [[1515]] fertiggestellte „Haus zum Walfisch“ wurde durch Jakob Villinger von Schönenberg, Großschatzmeister des römischen Königs und Kaisers [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]], deutscher Kaiser ab 1493 und Landesherr Freiburgs ([[1490]] - [[1519]]) erbaut. Darüberhinaus wohnte der bekannte Humanist und Philosoph [[Erasmus von Rotterdam]] in den Jahren [[1529]] - [[1531]], nach seiner durch die protestantische Reformation begründeten Flucht aus Basel in diesem Haus. Nach zahlreichen Umbauten brannte das Haus 1944 ab. Nach seinem Wiederaufbau diente es [[Dario Argento]] für seinen Film ''Suspiria'' als Szenerie und gehört heute zum Hauptsitz der Sparkasse Freiburg.<br />
*Das Hotel/Restaurant ''Zum Roten Bären'' in Freiburg gilt als ältester Gasthof Deutschlands. Die Fundamente stammen aus der Zeit vor [[1120]].<br />
*Zwischen dem westlichen Rand der Altstadt und dem Hauptbahnhof befinden sich ebenfalls interessante Gebäude aus verschiedenen Epochen: Das so genannte [[Colombischlößle]] am Rotteckring, 1869-71 auf der Bastion „St. Louis“ der einstigen Vaubanschen Befestigung als herrschaftliche Villa in neugotischen Stil erbaut, liegt in einem kleinen Park, in dem zu Schauzwecken Weinstöcke mitten in der Stadt zu finden sind. 1947-1951 war hier der Sitz der (süd-)badischen Landesregierung. Seit 1983 ist das Museum für Ur- und Frühgeschichte hier untergebracht. – Das Stadttheater wurde 1905-1910 auf der Bastion „Dauphin“ der schon erwähnten Befestigung mit [[Jugendstil]]elementen errichtet. Es wurde 1944 fast völlig zertört und nach dem 2. Weltkrieg relativ rasch wieder aufgebaut. Am Platz der Alten Synagoge bildet es mit den Kollegiengebäuden I und II der Universität ein eindrucksvolles Enemble. – Daneben liegt die [[Universitätsbibliothek Freiburg]], die [[1978]] an der Stelle eines Gymnasiumsgebäudes aus der Zeit des [[Historismus]] als klotziges Betongebäude errichtet wurde. Nach 30 Jahren muss das Bauwerk grundlegend saniert werden und wird dann eine völlig veränderte Fassade nach Plänen der Architekten [[Herzog & de Meuron]] erhalten. – Das Konzerthaus Freiburg liegt nahe dem Hauptbahnhof. Seine Reailisierung war in der Bürgerschaft heftig umstritten. <br />
*[[Aussichtsturm Schlossberg]]<br />
*Der Bahnhofsturm Freiburg ist mit 19 Stockwerken und einer Höhe von 60 Metern nach dem Freiburger Münster das höchste Gebäude der Stadt. Es wurde 1999 errichtet. Im Inneren befinden sich Büros sowie im 19. Stockwerk die Disco KAGAN. Das Hochhaus wird auch Solar Tower genannt, da ein Teil der Fassade mit Solarzellen bestückt ist. Zusammen mit dem Inter City Hotel und dem Planetarium bildet der Bahnhofsturm eine kleine Skyline.<br />
[[Bild:Freiburg Muensterplatz Kaufhaus.jpg|thumb|Münsterplatz mit historischem Kaufhaus]]<br />
[[Bild:Kopie_von_13_Augustiner_Platz.JPG|thumb|Blick in die Gerberau]]<br />
[[Image:Freiburg Rathaus.jpg|thumb|Neues und Altes Rathaus am Rathausplatz mit der Statue von [[Berthold Schwarz]], angeblich Erfinder des [[Schwarzpulver|Schwarzpulvers]]]]<br />
=== Bedeutende Plätze der Stadt ===<br />
*Der '''Münsterplatz''' ist der größte gepflasterte Platz in Freiburg. Hier ist jeden Vormittag außer Sonntag Markt, auf der Nordseite der Bauernmarkt, auf dem nur Selbsterzeuger anbieten dürfen, und auf der Südseite der Händlermarkt. Im Mittelalter befand sich hier der Friedhof. Im Pflaster auf der Nordseite sind die Umrisse der ersten Kirche der Stadt zu sehen.<br />
*Der '''Augustinerplatz''' ist einer der zentralen Plätze der Freiburger Altstadt. Umgeben vom ehemaligen [[Augustiner (Orden)|Augustinerkloster]] - dem heutigen Augustinermuseum - und den Resten der ehemaligen Stadtmauer, ist der Platz ein beliebter Treffpunkt der Freiburger Bevölkerung. An der unterschiedlichen Bodenpflasterung kann man den Verlauf der alten Stadtmauer erkennen. Nach dem Abbruch der ehemals benachbarten Feierling-Brauerei und der Neugestaltung des Platzes hat sich ein Freiburger Phänomen entwickelt, das scherzhaft mit den [[Rom|römischen]] Verhältnissen an der Spanischen Treppe verglichen wird. Auf der Treppenanlage des Augustinerplatzes genießen in den Sommernächten viele junge und junggebliebene Menschen das städtische Leben mit mediterranem Flair.<br />
*Der '''Holzmarkt''', schon nicht mehr zur Altstadt gehörend, ist heute Schulhof des angrenzenden Goethe-Gymnasiums.<br />
*Den '''Platz der Alten Synagoge''' (frühere Bezeichnungen: Theaterplatz, Europaplatz) entlang der westlichen Seite der ehemaligen Stadtbefestigung begrenzen jetzt die Kollegiengebäude I und II der [[Albert-Ludwigs-Universität]], die Universtitätsbibliothek und das Freiburger Stadttheater. Auf einem Teil des jetzt freien Rasenplatzes vor dem Kollegiengebäude II stand bis zur [[Novemberpogrome 1938|Pogromnacht]] im November 1938 die [[Synagoge]]; der Name des Platzes und eine Gedenkplatte erinnern daran, ebenso ein Wegschild nach [[Gurs]], den Ort, an den 1940 die meisten Juden aus Freiburg verschleppt wurden. Der Platz soll im Zusammenhang mit einem neuen Verkehrskonzeption der Stadt Freiburg eine besondere Bedeutung zur westlichen Erweiterung der Innenstadt übernehmen.<br />
*Der '''Rathausplatz''' hieß früher Franziskanerplatz nach dem ehemaligen Kloster dort, von dem nur noch die gotische Martinskirche und ein Teil des Kreuzgangs erhalten ist. Auf der anderen Seite begrenzen den Platz das Alte und Neue Rathaus. Zur Zeit der Universitätsgründung im Jahr 1457 waren hier ihre ersten Räumlichkeiten. Auf dem Platz steht ein Brunnen mit dem Denkmal für den Mönch Berthold Schwarz aus dem ehemals benachbarten Kloster, der angeblich das Schießpulver ([[Schwarzpulver]]) erfunden hat. <br />
*'''Oberlinden''' und '''Unterlinden''' sind beschauliche Plätze in unterschiedlichen Vierteln der Altstadt mit je einer namengebenden alten Linde.<br />
*Auch der '''Kartoffelmarkt''' ist ein beliebter Altstadt-Platz, der nach Abbau eines Behelfsgebäudes der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung stehen soll.<br />
*Der '''Adelhauser-Platz''' gilt vielen Freiburgern als der schönste Platz, klein, verträumt, abseits von größeren Fußgängerströmen. Er trägt seinen Namen nach dem dort ansässig gewesenen Kloster Adelhausen, von dem die Kirche noch erhalten ist. Auf dem Klosterareal sind, nach zahlreichen Umbauten der vergangenen Jahrhunderte, die das Kloster kaum mehr erkennen lassen, einige Museen untergebracht.<br />
<br />
Alle Plätze außer dem Augustinerplatz sind mit Brunnen bestückt. <br />
*Die '''Sternwaldwiese''' liegt im Stadtteil [[Wiehre]] und ist vor allem im Sommer ein beliebter Treffpunkt zum Grillen für Familien, Jugendliche und Studenten. Bei gutem Wetter sind dort an mehreren Dutzend Feuern bis zu mehrere hundert Menschen beim Gitarrespielen, Grillen, Feiern und Biertrinken anzutreffen.<br />
<br />
<!--=== Kunst im öffentlichen Raum ===--><br />
[[Image:Baechle2.jpg|thumb|Freiburger Bächle, typischer Wegbegleiter in der Altstadt]]<br />
=== Sonstige Sehenswürdigkeiten ===<br />
*Der [[Arlesheimer See]], ehemaliger Baggersee, ist heute ein Naturschutzgebiet im Mooswald am westlichen Stadtrand.<br />
*Den [[Schlossberg (Freiburg)|Schlossberg]] krönt ein 2002 fertiggestellter Aussichtsturm. Eine 1968 gebaute Luftseil- Gondelbahn führt auf halbe Höhe.<br />
*Der [[Schauinsland]] ist der "Hausberg" der Stadt. Sein Gipfel (1284 m) liegt noch auf städtischer Gemarkung. Die [[Schauinslandbahn]] wurde 1930 eröffnet und war die erste Seilbahn nach dem Umlaufprinzip; der Aussichtsturm trägt den Namen des ehemaligen Oberbürgermeisters Dr. Eugen Keidel. Das Schaubergwerk gibt einen Einblick in den Erzbergbau, der hier seit dem Mittelalter bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts betrieben wurde.<br />
*Die [[Freiburger Bächle]], kleine Wasserinnen am Straßenrand findet man in den meisten Gassen und Straßen der Altstadt. Sie sind ein Wahrzeichen der Stadt.<br />
*Viele [[Gehweg|Gehwege]] (Bürgersteige) der Innenstadt sind mit Rheinkieselmosaiken gepflastert. An vielen Stellen sind Ornamente oder, z.B. vor Geschäften, symbolische Darstellungen eingearbeitet. Vor dem [[Rathaus]] sind die [[Wappen]] aller [[Partnerstädte]] auf diese Weise eingelassen.<br />
*Im [[Badenova-Stadion]] (''Dreisamstadion'') ist der Sportclub Freiburg, ein Verein der 2. Fußball-Bundeliga (2006/07) zu Hause.<br />
*Das [[Planetarium]] in der Nähe des Hauptbahnhofs zeigt in wechselnden Programmen kosmische Zusammenhänge.<br />
*Das [[Tiergehege Mundenhof]] ist als Kleinzoo ein beliebtes Ziel von Familien mit Kindern. Auf dem benachbarten Gelände des Stadtgutes findet jährlich im Frühsommer das [[Zelt-Musik-Festival]] (ZMF) mit bekannten Solisten aus unterschiedlichen Musiksparten (von Klassik bis Pop) statt (Stand Nov. 2006).<br />
*Der [[Botanischer Garten|Botanische Garten]] ist Teil der Biologischen Fakultät an der Universität, ein Forschungs- und Lehrgarten sowie ein Schau-Platz der Botanik; er ist auch der Öffentlichkeit zugänglich.<br />
*Auf dem Alten [[Friedhof]] steht eine [[Kapelle]] mit [[Totentanz]] aus dem achtzehnten Jahrhundert (nach Kriegs- und Wetterschäden erneuert); hier befinden sich einige schöne Gräber historisch bemerkenswerter Personen.<br />
*Der Seepark ist das ehemaliges Gelände der [[Landesgartenschau]] von 1986 im Westen der Stadt.<br />
*Auch der jüdische [[Friedhof]] liegt in einem der westlichen Stadtteile (Mooswald).<br />
*Zwei alte Linden (1729 gepflanzt), jede mit einem verzierten Brunnen, geben zwei kleinen Plätzen ihren Namen: „Oberlinden“ und „Unterlinden“.<br />
* Das [[Holbeinpferd]]le, eigentlich „Stehendes Fohlen“, ist eine Skulptur in Betonguss des Bildhauers [[Werner Gürtner]], das auf einem kleinen Rasenstück an der Straßenbahnstation „Holbeinstraße“ steht. Es wird seit [[1980]] in unregelmäßigen Abständen heimlich von Unbekannten mit immer neuen Farbanstrichen, oft recht phantasievoll, dekoriert.<br />
* Das [[Jesuitenschloss]] liegt am Hang des Schönbergs und bietet eine gute Aussicht über Freiburg, die Vogesen, den Kaiserstuhl, die Rheinebene und den südlichen Schwarzwald.<br />
<br />
=== Panorama von Freiburg ===<br />
<br />
{{Großes_Bild|Panorama_Schlossbergturm_Freiburg_im_Breisgau.jpg|2000px|360° Panorama von Freiburg im Breisgau, fotografiert vom Schlossbergturm}}<br />
<br />
=== Regelmäßige Veranstaltungen ===<br />
*Januar: ''Internationale Kulturbörse Freiburg'' (seit 1989)<br />
*Januar: ''freiburger-grenzenlos-festival'' (seit 2002)<br />
*Februar: ''Automobil'' (Neuwagen-Messe, seit 1985)<br />
*Februar/ März: Die Freiburger Fasnet beschreiben Volkskundler als Mischung der [[Schwäbisch-alemannische Fastnacht|schwäbisch-alemannischen Fastnacht]] und des rheinischen [[Karneval|Vereinskarneval]].<br />
*März: ''Camping Freizeit Touristik'' mit ''bike aktiv'' und ''Ferienmesse'' (Verbraucherausstellung mit Schwerpunktthema Freizeit, seit 1972)<br />
*April: ''Freiburg Marathon'' (seit 2004)<br />
*Mai: ''Freiburger Frühjahrsmess′'' (Kirmes, Jahrmarkt)<br />
*Mai: ''[[Freiburger Film Forum]] ethnologie'' (Filmfestival zu Ethnologie, Afrika, Amerika, Asien, Ozeanien, zweijährlich seit 1985) <br />
*Juni: ''Intersolar'' (Europas größte Fachmesse und Kongress für Photovoltaik und Solarthermie)<br />
*Juni: ''Herdermer Hock''<br />
*Sommer: Open-Air-Kinos (Innenhof Schwarzes Kloster sowie Freigelände im [[Brühl (Freiburg)|Industriegebiet Nord]])<br />
*Juli: ''Freiburger Weinfest'' (seit 2001)<br />
*Juli: [[Zelt-Musik-Festival]]<br />
*Juli: ''Münstersommer'' (seit 2000, mit Fest der Innenhöfe, Museumsnächten, Le Gipfel du Jazz u. v. m.)<br />
*Juli / August: ''Rathaushofspiele'' des Wallgraben Theater<br />
*Juli / August: ''Seenachtsfest'' (Freiburgs größtes Volksfest im Seepark-Gelände)<br />
*September: ''Baden Messe'' (Freiburgs größte Verbraucherausstellung)<br />
*September: ''Freiburger Herbstmess′'' (Kirmes, Jahrmarkt)<br />
*Oktober: ''Internationale Mineralien- und Fossilientage Freiburg im Breisgau'' (seit 1978, Neue Messe)<br />
*November: ''Plaza Culinaria'' (kulinarische Messe)<br />
*November: ''Brettlemarkt'' (Messe für Wintersport)<br />
*November: ''Freiburger Spielzeug- und Modellbahnbörse''<br />
*November: ''Freiburger Literaturgespräch'' (seit 1986)<br />
*November/Dezember: ''Freiburger Weihnachtsmarkt'' (seit 1972)<br />
*Dezember: ''Jahresgala der Tanzschule Gutmann'', eine der größten Tanzveranstaltungen Deutschlands<br />
*Dezember/Januar: Weihnachtszirkusfestival<br />
<br />
=== Sport ===<br />
[[Bild:Badenova-Stadion_Außenansicht.JPG|left|thumbnail|right|[[Badenova-Stadion|Badenova-Stadion (ehemals Dreisamstadion)]] Außenansicht ]]<br />
[[Bild:Badenova-Stadion_Überblick.JPG|left|thumbnail|right|[[Badenova-Stadion|Badenova-Stadion (ehemals Dreisamstadion)]] Überblick]]<br />
Die Stadt ist Heimat des [[Fußball]]-Clubs [[SC Freiburg]]. Der Sport-Club stieg [[2003]] zum dritten Mal aus der 2. Liga auf, musste aber [[2005]] erneut in die 2. Bundesliga absteigen. Langjähriger Trainer ist [[Volker Finke]], auf dessen Initiative auch die Fußballschule des Clubs zurückgeht. 2004 feierte der SC Freiburg sein 100-jähriges Bestehen. Die Frauenmannschaft spielt in der ersten Bundesliga und schloss die Saison 2004/05 mit einem 8. Platz ab.<br />
<br />
Neben dem SC Freiburg gibt es auch den [[Freiburger FC|Freiburger Fußball-Club]], welcher 1907 [[Deutscher Fußballmeister|Deutscher Meister]] wurde.<br />
<br />
Im Eishockey spielte der [[Wölfe Freiburg|EHC Freiburg]] (die Wölfe) in der [[DEL 2003/04|Saison 2003/2004]] in der höchsten Liga ([[Deutsche Eishockey Liga|DEL]]), stieg aber am Saisonende wieder in die [[2. Bundesliga (Eishockey)|2. Eishockey-Bundesliga]] und darauf folgend sogar in die Oberliga ab.<br />
<br />
Durch die Eisvögel [[USC Freiburg]] ist Freiburg auch in der ersten Basketballliga der Frauen repräsentiert. In der Saison 2005/2006 belegten die Eisvögel den 2. Platz nach dem Ende der Rückrunde.<br />
<br />
Ebenfalls ist American Football in Freiburg zu finden. Die [[Freiburg Sacristans]] spielen in der Oberliga Baden-Württemberg des [[American Football Verband Baden-Württemberg e.V.|AFV-BaWü]].<br />
<br />
[[Jenische]] aus Freiburg gewannen in einer gemischten Mannschaft das weltweit erste [[Bootschen|Bootsch-Turnier]] 2005 in [[Singen (Hohentwiel)|Singen]].<br />
<br />
Eine weitere bedeutende Sportart ist der Radsport. Im Jahr [[2000]] war Freiburg zum vierten Mal Etappenort der [[Tour de France]]. Im Juni 2004 wurde hier die Deutsche Radsportmeisterschaft ausgetragen, im November 2005 wurde mit den [[Hallenradsport]] Weltmeisterschaften ein internationaler Wettbewerb ausgerichtet.<br />
<br />
Freiburg ist Sitz des [[Olympische Spiele|Olympia]]-Stützpunkts Freiburg-Schwarzwald, der verschiedene Leistungszentren in der Region unterhält: [[Ski Nordisch]], [[Radsport]], [[Leichtathletik]] u.a. In Freiburg selbst ist das Leistungszentrum für [[Ringen]] und ein [[Sportinternat]] ansässig. Es besteht eine enge Kooperation zur [[Sportmedizin]] und zur [[Sportwissenschaft]] an der Universität.<br />
<br />
Im März 2004 fand erstmals der ''Freiburg-[[Marathonlauf]]'' als Breitensportveranstaltung statt.<br />
<br />
Mit der Freiburger Turnerschaft von 1844 e.V. hat der größte Sportverein Südbadens seine Heimat in Freiburg.<br />
<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
Die [[Ehrenbürger]] der Stadt Freiburg im Breisgau, aufgelistet nach dem Jahr der Verleihung der Ehrenbürgerwürde:<br />
{| width = "100%"<br />
|- valign = "top"<br />
| width = "50%" |<br />
*[[1812]]: [[Johann Baptist Lingg von Linggenfeld]], Stadtkommandant<br />
*[[1923]]: Fritz Geiges, Künstler und Lokalhistoriker<br />
*[[1947]]: [[Conrad Gröber]], Erzbischof von Freiburg<br />
*[[1947]]: [[Robert Grumbach]], Stadtrat, Rechtsanwalt<br />
*[[1947]]: [[Benedikt Kreutz]], Prälat<br />
*[[1949]]: [[Martha Walz-Birrer]]<br />
*[[1949]]: [[Franz Christian Blum]], Pfarrer<br />
*[[1949]]: [[Harry Pfund]], Professor<br />
*[[1950]]: [[Paul Uhlenhuth]], Professor der Medizin<br />
*[[1951]]: [[Karl Noeggerath]], Professor der Kinderheilkunde<br />
*[[1954]]: [[Hermann Staudinger]], Professor der Chemie, Nobelpreisträger<br />
|<br />
*[[1957]]: Karl Bender, Oberbürgermeister a.D.<br />
*[[1957]]: Alois Eckert, Caritaspräsident<br />
*[[1959]]: [[Heinrich Brenzinger]], Fabrikant<br />
*[[1971]]: [[Anton Dichtel]], Regierungspräsident<br />
*[[1979]]: [[Gertrud Luckner]]<br />
*[[1982]]: [[Eugen Keidel]], Oberbürgermeister a. D.<br />
*[[1985]]: Philomene Steiger<br />
*[[1985]]: [[Franz Büchner]], Professor<br />
*[[1991]]: [[Georg Hüssler]], Prälat<br />
*[[2002]]: [[Rolf Böhme]], Oberbürgermeister a. D.<br />
*[[2006]]: Eugen Martin, Unternehmer<br />
|}<br />
<br />
=== Söhne und Töchter der Stadt ===<br />
Die folgende Übersicht enthält bedeutende, in Freiburg im Breisgau geborene, Persönlichkeiten chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Freiburg hatten oder nicht ist dabei unerheblich. Viele sind nach ihrer Geburt oder später von Freiburg weggezogen und sind andernorts bekannt geworden. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
<br />
*um [[1040]], [[Hermann I. (Baden)|Hermann I. von Baden]], † 25. April 1074 in Cluny, selig gesprochener Begründer der Linie der Markgrafen von Baden<br />
* Erste Hälfte des [[14. Jahrhundert]]s, [[Berthold Schwarz]], Franziskaner-Mönch, angeblich in Freiburg geboren, angeblich Erfinder des [[Schwarzpulver]]s<br />
*etwa [[1470]]/[[1472]], [[Martin Waldseemüller]], † etwa 1522 in St. Dié, Kartograf, Benennung des von [[Christoph Kolumbus|Kolumbus]] entdeckten Erdteils mit "Amerika"<br />
*[[1671]], [[17. Januar]], [[Euseb Anton Adalbert]], Bischof in Temeschwar, Rumänien<br />
*[[1710]], [[10. Dezember]], [[Johan Christian Wentzinger]], † 1. Juli 1797, Bildhauer und Architekt des [[Barock]] (bedeutende Werke in Freiburg, [[St. Gallen (Stadt)|St. Gallen]], [[Kloster St. Blasien (Schwarzwald)|Kloster St. Blasien]]).<br />
*[[1775]], [[18. Juli]], [[Karl von Rotteck]], † 26. November 1840 in Freiburg, Historiker und liberaler Politiker<br />
*[[1793]], [[17. Mai]], [[Vincenz Ferreri Dominikus Kuenzer]], † 11. Mai 1853 in Konstanz, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung<br />
*[[1798]], [[25. August]], [[Joseph von Auffenberg|Joseph Freiherr von Auffenberg]], † 25. Dezember 1857, Dramatiker und Dichter<br />
*[[1831]], [[12. Mai]], [[Friedrich Wilhelm Schmidt]], † 6. Februar 1902 in Karlsruhe, evangelischer Theologe und Prälat der [[Evangelische Landeskirche in Baden|Evangelischen Landeskirche in Baden]]<br />
*[[1853]], [[30. Juni]], [[Adolf Furtwängler]], † 11. Oktober 1907 in [[Athen]], [[Klassische Archäologie|klassischer Archäologe]]<br />
*[[1866]], [[26. März]], [[Carl Christian Mez]], † 8. Januar 1944 in Freiburg, [[Botaniker]]<br />
*[[1876]], [[28. März]], [[Edwin Welte]], † [[4. Januar]] [[1958]] in Freiburg, Erfinder und Industrieller<br />
*[[1879]], [[6. September]], [[Joseph Wirth]], † 3. Januar 1956 in Freiburg i.Br., Politiker ([[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]]), [[MdR]], [[Reichskanzler]], [[Auswärtiges Amt (Weimarer Republik)|Reichsaußenminister]], [[Reichsinnenminister]]<br />
*[[1879]], [[26. Dezember]], [[Julius Weismann]], † 22. Dezember 1950 in Singen, Komponist<br />
*[[1881]], [[4. September]], [[Engelbert Krebs]], † [[29. November]] [[1950]] in Freiburg, römisch-katholischer Theologe<br />
*[[1883]], [[8. Oktober]], [[Otto Heinrich Warburg]], † 1. August 1970 in [[Berlin]], [[Biochemie|Biochemiker]], Arzt und [[Physiologie|Physiologe]], Nobelpreisträger<br />
*[[1888]], [[2. September]], [[Leo Wohleb]], † 12. März 1955 in Frankfurt am Main, Politiker ([[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]], [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]), [[MdL]] ([[Baden (Land)|Baden]]), Ministerpräsident des Landes Baden (1947-1952)<br />
*[[1891]], [[16. Februar]], [[Hans Friedrich Karl Günther]], &dagger; 25. September 1968, Rassenforscher und Germanist<br />
*[[1893]], [[3. Dezember]], [[Julius Bissier]], † 18. Juni 1965 in Ascona ([[Tessin]]), Maler (Vorläufer des [[Tachismus]])<br />
*[[1894]], [[22. Mai]], [[Friedrich Pollock]], 1970 in Montagnola ([[Tessin]]), Sozialwissenschaftler<br />
*[[1895]], [[6. Februar]], [[Sepp Allgeier]], † 11. März 1968, Kameramann und Fotograf<br />
*[[1898]], [[11. September]], [[Werner Höll]], † 14. April 1984, Kunstmaler und Holzschneider<br />
*[[1901]], [[29. Mai]], [[Hermann Kopf]], &dagger; 5. Mai 1991, deutscher Politiker ([[CDU]]), [[MdB]]<br />
*[[1903]], [[10. Februar]], [[Waldemar Hoven]], † 2. Juni 1948 in [[Landsberg am Lech]], [[KZ]]-Arzt<br />
*[[1904]], [[5. März]], [[Karl Rahner]], † 30. März 1984 in Innsbruck/Österreich, kath. [[Dogmatik]]er<br />
*[[1905]], [[26. März]], [[Erich Oberdorfer]], † 23. September 2002 in Freiburg, Biologe und ein Pionier der [[Pflanzensoziologie]]<br />
*[[1907]], [[5. Februar]], [[Hans Bender (Psychologie)|Hans Bender]], † 7. Mai 1991 in Freiburg, Psychologe und Leiter des [[Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene|Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene]]<br />
*[[1910]], [[12. November]], [[Kurt Hoffmann]], † 25. Juni 2001 in München, Regisseur ([[Das Wirtshaus im Spessart]])<br />
*[[1911]], [[20. Juni]], [[Paul Pietsch]], Rennfahrer und Verleger<br />
*[[1913]], [[25. Januar]], [[Jürgen Aschoff]], † 11. Oktober 1998 in Freiburg, Direktor am [[Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie]] in [[Andechs]] und Mitbegründer der [[Chronobiologie]]<br />
*[[1914]], [[1. Januar]], [[Edith Picht-Axenfeld]], † 19. April 2001 in Freiburg, Cembalistin<br />
*[[1915]], [[2. September]], [[Hans-Joachim Koellreutter]], deutsch-brasilianischer Komponist, Flötist, Dirigent und Musikpädagoge<br />
*[[1926]], [[14. April]], [[Helmut Engler]], deutscher Jurist und Politiker der CDU<br />
*[[1927]], [[24. Dezember]], [[Angelika Schrobsdorff]], Schriftstellerin<br />
*[[1929]], [[3. April]], [[Klaus Hemmerle]], † 23. Januar 1994 in Aachen, Bischof von Aachen 1975-1994<br />
*[[1934]], [[29. September]], [[Hugo Leicht]], † 2. Juni 2000 in Pforzheim, deutscher Politiker der CDU<br />
*[[1935]], [[11. Februar]] [[Alfonso Hüppi]], Maler, Bildhauer, Grafiker<br />
*[[1937]], [[1. Juni]], [[Peter Nestler]], Schauspieler und Dokumentarfilmer<br />
*[[1942]], [[18. September]], [[Wolfgang Schäuble]], Politiker ([[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]), [[MdB]], Bundesminister für besondere Aufgaben (1984-1989), Bundesinnenminister (1989-1991, 2005-) ehem. Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und ehem. Vorsitzender der [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]<br />
*[[1943]], [[4. November]], [[Ingeborg Schäuble]], Vorsitzende der [[Deutsche Welthungerhilfe|Deutschen Welthungerhilfe]]<br />
*[[1944]], [[14. März]], [[Peter-Paul Zahl]], Schriftsteller<br />
*[[1944]], [[15. September]], [[Jürgen Schrempp]], Vorstandsvorsitzender von [[DaimlerChrysler]]<br />
*[[1945]], [[2. Januar]], [[Adolf Seger]], ein bekannter deutscher Ringer mit Weltmeistertitel und Medaillen-Gewinner bei den [[Olympische Spiele|Olympischen Spielen]] 1972 in [[München]] und 1976 in [[Montreal]]<br />
*[[1951]], [[Wieland Speck]], seit 1992 Programmleiter der Sektion Panorama der Internationalen Filmfestspiele Berlin ([[Berlinale]])<br />
*[[1952]], [[12. April]], [[Christof Wetterich]], deutscher theoretischer Physiker<br />
*[[1952]], [[20. Mai]], [[Christian Klar]] zu sechsmal lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteiltes führendes Mitglied der [[Rote Armee Fraktion|RAF]].<br />
*[[1953]], [[Herbert Schillinger]], Geschäftsführer der [[Deutsche Rentenversicherung Bund|Deutschen Rentenversicherung Bund]]<br />
*[[1955]], [[Ulrich Kutschera]], Evolutionsbiologe und Pflanzenphysiologe<br />
*[[1963]], [[19. Dezember]], [[Til Schweiger]], Schauspieler ([[Der bewegte Mann]])<br />
*[[1964]], [[Monika Baer]], Malerin<br />
*[[1969]], [[23. September]] , [[Michael Rich]], Radrennfahrer<br />
*[[1971]], [[29. September]] , Sören Bühler alias Ferris Bueller, Musiker ([[Scooter (Band)|Scooter]])<br />
*[[1973]], [[21. April]], [[Nadeshda Brennicke]], Schauspielerin<br />
*[[1975]], [[3. März]], [[Johanna Wokalek]], Schauspielerin (Aimeé & Jaguar)<br />
*[[1975]], [[8. September]], [[Frank Schmidt (Moderator)|Franklin]], Moderator und Magier<br />
*[[1977]], [[24. März]], [[Corneille (Sänger)|Corneille]], Sänger<br />
*[[1981]], [[21. Januar]], [[Dany Heatley]], Eishockeyspieler ([[Ottawa Senators]], Kanadische Nationalmannschaft)<br />
*[[1983]], [[27. Oktober]], [[Joana Zimmer]], Sängerin<br />
*[[1988]], [[5. Oktober]], [[Bahar Kizil]], Sängerin (Monrose)<br />
<!--*auch [[Bernhard Villinger]] gehört dazu | Dann schreibe ihn so dorthin, wie die Anderen, nur der Hinweis "gehört dazu" reicht nicht! --><br />
<br />
=== Weitere Persönlichkeiten ===<br />
* [[Ulrich Zasius]], Jurist, lebte von [[1494]] bis [[1535]] in Freiburg. Vater des Freiburger Stadtrechts von [[1520]].<br />
* [[Michael Sattler]] ([[1495]] - [[1527]]), ehemaliger [[Benediktiner]], [[Täufer|führender Täufer]] und [[Märtyrer]] studierte in Freiburg.<br />
* [[Johannes Hartung]] ([[1505]] - [[1579]]), Humanist und Philologe, lehrte von [[1546]] bis [[1579]] in Freiburg.<br />
* [[Hans Baldung]], Maler, Zeichner und Kupferstecher, schuf zwischen [[1512]] und [[1516]] den Hochaltar des Münsters.<br />
* [[Glarean|Heinrich Loriti, genannt Glarean]], (1488-1563), Humanist und Universalgelehrter, lebte von 1529 bis 1563 in Freiburg.<br />
* [[Erasmus von Rotterdam]], Humanist, lebte von [[1529]] bis [[1535]] in Freiburg.<br />
* [[Hermann von Greiffenegg]], letzter österreichischer Regierungspräsident, lebte von [[1749]] bis [[1807]] in Freiburg.<br />
* [[Bartholomä Herder]] ([[1774]] - [[1839]]), Verlagsgründer des Freiburger Herderverlages, der auch in Basel und in Wien ansässig ist.<br />
* [[Johann Georg Jacobi]] war von [[1784]] bis [[1814]] Professor für schöne Künste und Wissenschaft an der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Universität Freiburg]].<br />
* [[Carl Mez]], Industrieller und Politiker, lebte von [[1830]] bis [[1877]] in Freiburg.<br />
* [[Alfred Hegar]], Arzt und Gynäkologe, lebte von [[1864]] bis [[1914]] in Freiburg.<br />
* [[August Weismann]], Evolutionsbiologe, lebte von [[1873]] bis [[1914]] in Freiburg.<br />
* [[Heinrich Hansjakob]], Politiker und Schriftsteller, arbeitete von [[1884]] bis [[1913]] als Pfarrer in Freiburg.<br />
* [[Friedrich Ernst Fehsenfeld]],1853-1933, erster Verleger von [[Karl May]], lebte ab 1890 in Freiburg und Umgebung, begraben in [[Ehrenstetten]]<br />
* [[Max Weber]], 1864-1920, war 1894-1897 Professor für Nationalökonomie in Freiburg<br />
* [[Konrad Adenauer]], der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, studierte von [[1894]] bis [[1897]] in Freiburg<br />
* [[Alfred Döblin]], Arzt und Schriftsteller ([[Berlin Alexanderplatz]]) studierte und promovierte 1904-1905 in Freiburg und schrieb hier auch, † 1957 im nahen [[Emmendingen]]<br />
* [[Konstantin Fehrenbach]], Reichskanzler (1920/21) lebte von [[1882]] bis [[1926]] in Freiburg<br />
* [[Fritz Mauthner]], Philosoph, lebte von [[1905]] bis [[1909]] in Freiburg<br />
* [[Romano Guardini]], studierte 1906 und 1912 und promovierte 1915 in Freiburg, 1954 Ehrendoktorwürde der Universität<br />
* [[Walter Benjamin]], Philosoph, lebte von [[1912]] bis [[1913]] in Freiburg<br />
* [[Edith Stein]], Philosophin, lebte von [[1916]] bis [[1922]] in Freiburg<br />
* [[Edmund Husserl]], Philosoph, lebte von [[1916]] bis [[1938]] in Freiburg<br />
* [[Michail Prodan]] ([[1912]]-[[2002]]), Begründer des Fachgebietes "Forstliche [[Biometrie]]" in Deutschland und an der Universität Freiburg <br />
* [[Walter Eucken]], Nationalökonom, kam 1927 als Professor nach Freiburg und lebte dort bis zu seinem Tod 1950 <br />
* [[Hans Spemann]], Biologe und Nobelpreisträger, lebte von [[1919]] bis [[1941]] in Freiburg<br />
* [[Martin Heidegger]], Philosoph, lebte von [[1928]] bis [[1976]] in Freiburg<br />
* [[Bernhard Welte]], Religionsphilosoph, wirkte von [[1934]] bis [[1983]] in Freiburg<br />
* [[Reinhold Schneider]], Schriftsteller, lebte von [[1938]] bis [[1958]] in Freiburg<br />
* [[Christoph Meckel]], Schriftsteller und Grafiker, lebte von 1947 bis 1955 in Freiburg<br />
* [[Peter Schneider (Schriftsteller)]] lebte von 1950-1962 in Freiburg<br />
* [[Arnold Bergstraesser]], Politologe, wurde 1954 Professor an der Universität und lebte in Freiburg bis zu seinem Tod 1964<br />
* [[Heribert Fischer-Geising]], Maler und Grafiker, lebte von 1961-84 in Freiburg<br />
* [[Friedrich August von Hayek]], Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, lebte von [[1962]] bis [[1992]] in Freiburg<br />
* [[Hans Karl Filbinger]], Ministerpräsident a.D., Freiburger Stadtrat von 1953 bis 1960, Freiburger Landtagsabgeordneter von 1960 bis 1980, lebt seit den Dreißiger Jahren in Freiburg<br />
* [[Volker Finke]] ist seit 1991 Trainer des [[SC Freiburg]]<br />
* [[Robert Zollitsch]], geboren 1938, seit 2003 der 14. [[Erzbischof]] der [[Erzbistum Freiburg|Erzdiözese Freiburg]]<br />
* [[Joachim Löw]], [[Bundestrainer|Fußballbundestrainer]], Trainer der [[Deutsche_Fußballnationalmannschaft|deutschen Fußballnationalmannschaft]] und langjähriger Spieler des [[SC Freiburg]], lebt in Freiburg-[[Sankt Georgen (Freiburg)|Sankt Georgen]]<br />
* [[Joachim Dauer]], geboren [[1961]], kath. Theologe und [[Priester]], lebte von [[1980]] bis [[1982]] als [[Student]] und wieder von [[2000]] bis [[2006]] als [[Direktor]] des [[Collegium Borromaeum]] in Freiburg <br />
* [[Judith Holofernes]], * 1976, Musikerin ([[Wir sind Helden]]) und Autorin, lebte von 1982 bis 1995 in Freiburg<br />
* [[Rafael Alfaro Kotte]], geboren 1962, Musiker und Komponist, lebte von 1982 bis 2005 in Freiburg<br />
* [[Philipp Rauenbusch]], Bassist bei der erfolgreichen Gruppe "[[Reamonn]]" wohnt zurzeit in Freiburg.<br />
<!-- == Sonstiges == --><br />
<br />
== Literatur ==<br />
<references/><br />
* Walter Vetter, ''Freiburg - Ein Führer zu Kunst und Geschichte'', Freiburg (Rombach) 1986<br />
* Peter Kalchthaler, ''Freiburg im Breisgau. Ein Rundgang zur Stadtgeschichte'' mit 20 meist farbigen Abb., March-Neuershausen 1986 <br />
* Peter Kalchthaler, ''Freiburg und seine Bauten. Ein kunsthistorischer Stadtrundgang'', 264 S., 187 hist. Fotos, Freiburg (Promo-V.) 1991 <br />
* ''Badisches Städtebuch''; Band IV 2. Teilband aus Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte - Im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft der historischen Kommissionen und mit Unterstützung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städtebundes und des Deutschen Gemeindetages, hrsg. von Erich Keyser, Stuttgart, 1959<br />
* ''Das Land Baden-Württemberg'' - Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden (in acht Bänden); Hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg; Band VI: Regierungsbezirk Freiburg; Stuttgart, 1982, ISBN 3-17-007174-2<br />
* ''Geschichte der Stadt Freiburg'', Herausgegeben im Auftrag der Stadt Freiburg i. Br. von Heiko Haumann und Hans Schadek (ISBN 3-8062-1635-5)<br />
* ''Handbuch der historischen Stätten Deutschlands - Bd.6: Baden-Württemberg'' Stuttgart 1965<br />
* ''Bomben und Legenden. Die schrittweise Aufkl&auml;rung des Luftangriffs auf Freiburg am 10. Mai 1940.'' - Uebersch&auml;r, Gerd R./ Wette, Wolfram (1981),Rombach, Freiburg i. Brsg. (Sig. Stadtarchiv Freiburg: HB Dwc 3902).<br />
* ''Freiburg im Luftkrieg 1939 - 1945.'', Uebersch&auml;r, Gerd R. (1990), Freiburg i. Brsg., Würzburg.<br />
* ''Die Akte im Stadtarchiv Freiburg: C 4/ XI/ 31/ 3'', der st&auml;dt. Hauptverwaltung Freiburg i. Br., Rubrik: Milit&auml;rwesen, Betreff: Luftangriff am 10.5.1940, Heft 1 Jahr 40/43.<br />
* Hoch, Anton (1956): Vierteljahresschrift f&uuml;r Zeitgeschichte 4, S. 115 - 144.<br />
* Hoch, Anton (1956): Aus Parlament und Zeitgeschichte, Nr. B XXI/ 56 vom 23.4.1956, S. 321 - 332.<br />
* ''Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau'', Haumann, Heiko; Schadek, Hans, Bd. 3, S. 359 ff. (Sig. Stadtarchiv Freiburg: Dwc 555 Bd. 3 Ex. 4 Hb Dr. Sch.).<br />
* ''Freiburg im Breisgau 1504 - 1803, Holzschnitte und Kupferstiche'', Wehrens, H.G., Freiburg 2004, ISBN 3-451-20633-1.<br />
* ''Kleine Freiburger Stadtgeschichte'', Kalchthaler, Peter, Regensburg 2006, ISBN 978-3-7917-2009-8<br />
* ''Freiburger Münzblätter'',Veröffentlichungen zum Münzwesen der Stadt Freiburg 1368-1739. Rommel,Klaus.Lingen 2000.ISBN 3-9807091-1-6<br />
* Wolf Hart, ''Das Freiburger Münster''. Mit einem Beitr. v. Ernst Adam, Freiburg 1978<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikinews|Portal:Freiburg im Breisgau|Freiburg im Breisgau}}<br />
{{Commons|Freiburg im Breisgau|{{PAGENAME}}}}<br />
* [http://www.freiburg.de Offizielle Seite der Stadt Freiburg]<br />
* {{Vorlage:Dmoz|World/Deutsch/Regional/Europa/Deutschland/Baden-W%C3%BCrttemberg/St%C3%A4dte_und_Gemeinden/F/Freiburg_im_Breisgau/|Freiburg im Breisgau}}<br />
* [http://www.ub.uni-freiburg.de/dipro/fz.html Geschichte Freiburgs in der digitalisierten ''Freiburger Zeitung'' (ab 1784)]<br />
* [http://www.ub.uni-freiburg.de/olix/wwwolix.cgi?db=ubfr&links=1&nd=25246008 Urkundenbuch der Stadt Freiburg im Breisgau]<br />
* [http://regiowebcam.de Freiburg Webcams]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Landkreise und kreisfreie Städte in Baden-Württemberg}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ort in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Freiburg im Breisgau| ]]<br />
[[Kategorie:Reichsstadt]]<br />
[[Kategorie:Ehemalige deutsche Landeshauptstadt]]<br />
<br />
[[af:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[als:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[bg:Фрайбург]]<br />
[[ca:Friburg de Brisgòvia]]<br />
[[da:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[el:Φράιμπουργκ]]<br />
[[en:Freiburg]]<br />
[[eo:Freiburg]]<br />
[[es:Friburgo de Brisgovia]]<br />
[[et:Freiburg]]<br />
[[fa:فرایبورگ]]<br />
[[fi:Freiburg]]<br />
[[fr:Fribourg-en-Brisgau]]<br />
[[hr:Freiburg]]<br />
[[id:Freiburg]]<br />
[[io:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[it:Friburgo in Brisgovia]]<br />
[[ja:フライブルク]]<br />
[[mk:Фрајбург]]<br />
[[nl:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[no:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[oc:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[pl:Fryburg Bryzgowijski]]<br />
[[pt:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[ro:Freiburg]]<br />
[[ru:Фрайбург]]<br />
[[simple:Freiburg]]<br />
[[sv:Freiburg]]<br />
[[tr:Freiburg im Breisgau]]<br />
[[vo:Freiburg (Badän)]]<br />
[[zh:弗莱堡]]</div>Linuxfreckhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Lein%C3%B6l&diff=24584733Leinöl2006-12-02T16:32:57Z<p>Linuxfreck: Defekter Link durch wahrscheinlich neue Version auf derselben Seite ausgetauscht</p>
<hr />
<div>'''Leinöl''' ist ein [[Pflanzenöl]], das aus [[Leinsamen]], den reifen [[Same (Pflanze)|Same]]n von [[Flachs]] (''Linum usitatissimum'' L.), gewonnen wird.<br />
Als Rohleinöl (rohes Leinöl) bezeichnet man Leinöl, dem keine anderen Öle oder sonstigen Stoffe zugesetzt sind. Kaltgepresstes Leinöl besteht zu ca. 48-58% aus &alpha;-[[Linolensäure]], 13-24 % [[Ölsäure]] 14-22% [[Linolsäure]], 2-4% [[Stearinsäure]] und 4-6 % [[Palmitinsäure]] sowie ca. 1% anderer Öle.<br />
<br />
== Nahrungs- und Heilmittel ==<br />
Leinöl war früher ein beliebtes Hausmittel gegen [[Husten]], [[Verbrennung (Erste Hilfe)|Verbrennungen]] und Magenbeschwerden. Seine heutige geringe Verbreitung hängt wohl mit dem gewöhnungsbedürftigen [[Geschmack]] zusammen. Leinöl ist gesund und enthält größtenteils (90% und mehr) ungesättigte [[Fettsäure]]n. Der hohe Gehalt an der dreifach ungesättigten &alpha;-[[Linolensäure]] (einer [[Omega-3-Fettsäure]]) kann einen positiven Einfluss auf chronische [[Entzündung]]en ausüben, da sie ein Konkurrenzsubstrat zur [[Arachidonsäure]] bei der Herstellung von im Entzündungsprozess wichtigen [[Eikosanoid]]en darstellt.<br />
<br />
Insbesondere in der [[Lausitz]] und in [[Schlesien]] wird Leinöl als würzige Soße für [[Quark (Lebensmittel)|Quark]] und [[Kartoffeln]] bzw. Pellkartoffeln verwendet.<br />
<br />
== Herstellung ==<br />
Leinöl wird ähnlich wie [[Kürbiskernöl]] hergestellt. Die getrockneten [[Leinsamen]] werden zu Mehl gewalzt, mit heißem [[Wasser]] vermengt und in einer Knetmaschine solange bearbeitet, bis eine feste, bröselige Masse entsteht, die unter Rühren geröstet wird. Anschließend wird das Öl in einer hydraulischen Presse von den Feststoffen separiert. Aus vier Kilogramm Leinsamen kann ein Liter Öl gewonnen werden.<br />
<br />
Eine andere Form der Leinölgewinnung ist die Pressung durch eine Schneckenpresse. Hierbei wird der Leinsamen im schonenden '''Kaltpressverfahren''' mit Hilfe einer Schneckenwalze bei geringem Druck durch den Presszylinder gedrückt. Verschiedene Düsen am Ende des Auslaufs wie auch eine Veränderung der Pressgeschwindigkeit haben Einfluss auf den Ölertrag. Bei der Kaltpressung werden Öltemperaturen von maximal 40 °C erreicht.<br />
<br />
== Farb- und Anstrichmittel ==<br />
In der Malerei wird Leinöl neben anderen trocknenden Ölen ([[Mohnöl]], [[Walnussöl]]) als Bindemittel verwendet. Leinöl war und ist noch immer das wichtigste Bindemittel für [[Ölfarbe|Ölfarben]]. Es wird von alters her in der Kunstmalerei, neuerdings aber auch wieder zur Holzkonservierung verwendet (z.B. Fachwerk, Fenster, Türen, Holzfassaden). Es ist wasserabweisend, aber dampfdiffusionsoffen und von daher auch im Außenbereich bei starker Wetterbelastung geeignet. Bei hohem Pigmentanteil sind besonders helle Farbtöne auch ein guter UV-Schutz. Leinölfarben können mit bis zu 10 Volumenprozenten kaltgepresstem Leinöl verdünnt werden.<br />
<br />
Aufgrund des hohen Gehalts an einfach und mehrfach ungesättigten [[Fettsäure|Fettsäuren]] (ca. 17 bis 23,5% Ölsäure, 13,8 bis 17,5% Linolsäure und 50 bis 60% Linolensäuren) trocknen Leinöle gut auf und sind für die Zwecke der Malerei hervorragend geeignet. Die Trocknung ist ein oxidativer Polymerisationsprozess, der sich in Abhängigkeit von Sauerstoff, Licht, Temperatur und Zuschlagstoffen mit katalytischen Eigenschaften ([[Sikkativ|Sikkative]]) über Jahre bis Jahrzehnte hinziehen kann. Dabei lagert sich an die Doppelbindung der ungesättigten Säuren Luftsauerstoff an und es kommt im Weiteren zu einem komplexen Ablauf [[Reaktion|chemischer Reaktionen]], der die Vernetzung der einzelnen Moleküle zur Folge hat. Das polymere Endprodukt heißt [[Linoxyn]] und ist vielen auch als wesentlicher Bestandteil des [[Linoleum]]s bekannt.<br />
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Über den chemischen Prozess hinaus ist für den (Öl-)Maler noch von Bedeutung, dass das Volumen von Ölfarbe durch die Oxydation (Aufnahme von Sauerstoff) zunimmt, in Gegensatz zu trocknender Acryl-Farbe, die von Volumen her beim Trocknen abnimmt. Das macht sich insofern bemerkbar, als bindemittelreiche Farbschichten darüber liegende bindemittelarme Farbschichten sprengen können. Es kommt dann zu typischer [[Rissbildung|Rissbildung]]. Man kann sie daran erkennen, dass nur jeweils die obere Farbschicht gerissen und die darunterliegene unversehrt zu sehen ist. Das sind so genannte „Schwundrisse“ im Gegensatz zu „Altersrissen“, die bis zum Malgrund (Holzplatten oder [[Leinwand]]) durchgehen. Oft ist auch bei allzu hohem [[Bindemittel|Bindemittelanteil]] ein „speckig“ werden zu beobachten. Gemeint ist, dass sich die Malschicht auf Grund ihrer Ausdehnung in Falten aufwirft, also Runzeln bildet. Dies ist zumeist in den dunkleren Partien von Bildern zu beobachten, da die gebräuchlichen dunklen Farbpigmente (braune Erden, Ruß oder Kohle) eine relativ geringe Teilchengröße aufweisen und dadurch einen höheren Bindemittelbedarf haben.<br />
Der Bindemittelbedarf eines Pigments wird durch die Ölzahl ausgedrückt. Die Ölzahl ist eine genormte Kennziffer, die beschreibt, wieviel Gramm Lackleinöl benötigt werden, um 100 g eines Pigments zu einer zusammenhaltenden, kittartigen Substanz anzuteigen.<br />
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== Korrosionsschutzmittel ==<br />
Schon im Mittelalter wurde Leinöl als [[Korrosionsschutzmittel]] für Rüstungen und Waffen verwendet ([[Brünieren]]). Man verwendete es auch früher im Fahrzeugbau und kehrt heute in [[Oldtimer]]kreisen wieder zu dieser ungiftigen und lösemittelfreien Art der Konservierung zurück. Das Öl bildet eine wasserunlösliche Verbindung mit Fe<sup>3+</sup>-Ionen im Rost. Zusätzlich bildet das Öl nach dem Abbinden einen rissfreien Überzug. Durch den Zusatz von Bleioxid (Pb<sub>3</sub>O<sub>4</sub>) entsteht [[Bleimennige]], ein klassisches Korrosionsschutzmittel, das selbst von modernen Rostschutzprodukten nicht übertroffen wird.<br />
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==Leinöl zur Holzkonservierung==<br />
Leinöl ist ein natürlicher Holzschutz und wird seit Jahrhunderten für die Imprägnierung von Holz, Putz und Mauerwerk verwendet. <br />
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Leinöl dringt ins Holz ein und polymerisiert im Innern des Holzes zu einer unlöslichen Verbindung. Dazu sättigt man das Holz durch nass-in-nass-Auftrag und lässt das Öl aushärten. Besonders tief dringt reines, kalt gepresstes, rohes (also nicht gekochtes) Leinöl ein. Gekochtes Leinöl eignet sich am besten für den Schlussanstrich und zur Farbenherstellung, da es schneller trocknet und stärker glänzt.<br />
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Um den Trockenvorgang (d.h. die Polymerisation) zu beschleunigen wird Leinöl unter Luftabschluss verkocht. Dadurch entsteht eine anpolymerisierte Form des Öls, das sog. Hartöl. Werden diesem zusätzlich Trocknungsstoffe beigesetzt, erhält man [[Leinölfirnis]].<br />
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Durch den Zusatz von Bleioxid (Pb<sub>3</sub>O<sub>4</sub>) entsteht Bleimennige (fälschlich oft: Bleinmenninge), ein klassisches (aber giftiges) Holzkonservierungsmittel, das schon von den Phöniziern um 700 v.Chr. zur Konservierung von Schiffen sowohl innen wie außen angewendet wurde. Dabei wirkt das Blei giftig und bewuchshemmend in der Außenschicht und als Fungizid im Innenbereich. Heute wird eher Eisenoxid beigegeben, was die ungiftige Eisenmennige ergibt.<br />
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== Leinöl als Treibstoff/Energieträger==<br />
Leinöl hat durch seinen niedrigen [[Stockpunkt]] [http://www.inaro.de/Deutsch/ROHSTOFF/ENERGIE/Oele/kennoele.htm] bessere Kaltstarteigenschaften als [[Rapsöl]]. Allerdings führt die hohe [[Iodzahl]] zu einem sehr schnellen Antrocknen an Luft (durch den Luftsauerstoff), was die Verwendung im Treibstoffsystem erheblich erschwert [http://www.tis-gdv.de/tis/ware/oele/leinoel/leinoel.htm].<br />
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== Sonneneingedicktes Leinöl ==<br />
Eine besondere Form ist das sonneneingedickte Leinöl. Es wird der Sonne über mehrere Monate ausgesetzt und dabei immer wieder umgerührt, damit sich kein Film bildet. Um für die [[Oxidation]] eine große Oberfläche zu haben, werden entweder flache Wannen benutzt oder ein Belüfter, wie er für [[Aquarium|Aquarien]] Verwendung findet, der durch das ständige Umwälzen auch die Filmbildung verhindert. <br />
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Diese Behandlung hat vier Ziele. Erstens wird die Konsistenz dadurch zähflüssiger, zweitens wird das Leinöl dabei gebleicht (also heller), drittens die Trockenzeit verkürzt und viertens die Volumenzunahme beim Trocknen verringert, was die Gefahr der Runzel- und Rissbildung vermindert. Verwendung findet das sonneneingedickte Leinöl in erster Linie im [[Geigenbau]] und in der [[Malerei]], besonders der flämischen [[Barock]]-Malerei. Beim Geigenbau wird das Leinöl so stark eingedickt, dass die Masse zur [[Homogenisierung]] durch einen [[Fleischwolf]] gedreht werden muss.<br />
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== Selbstentzündung ==<br />
Leinöl neigt bei einem überaus hohen Zerstäubungsgrad zu [[Selbstentzündung]] bei Raumtemperatur. Unsachgemäße Handhabung mit Leinöl getränkter Lappen und Pinsel verursacht in Schreinereien und Malerwerkstätten häufig Brände. <br />
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Die Selbstentzündung geschieht wahrscheinlich durch Autooxidation von Doppelbindungen bei großer Oberfläche und somit hoher Verfügbarkeit von Luftsauerstoff. Mit einem Flammpunkt von ca. 315 °C (Marcusson) und einem Siedepunkt von > 350°C ist Leinöl ansonsten eher schwer entzündlich. <br />
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'''Vorsichtsmaßnahmen:''' Mit Leinöl getränkte Lappen in einem luftdichten Schraubglas aufbewahren oder kontrolliert verbrennen. Pinsel mit Leinölseife auswaschen.<br />
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==Weblinks==<br />
*[http://www.seilnacht.com/Lexikon/Leinoel.htm Thomas Seilnacht: Leinöl]<br />
*[http://www.leinoelpro.de/lp_verarbeitung.html Leinöl, Leinölfarbe, Verarbeitungshinweise]<br />
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[[Kategorie:Pflanzenöl]]<br />
[[Kategorie: Malerei]]<br />
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[[da:Linolie]]<br />
[[en:Linseed oil]]<br />
[[fi:Pellavaöljy]]<br />
[[fr:Huile de lin]]<br />
[[nl:Lijnzaadolie]]<br />
[[pl:Olej lniany]]<br />
[[sv:Linolja]]<br />
[[tr:Keten yağı]]</div>Linuxfreck