https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=ExploitWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-06-10T07:27:22ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.4https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Eimer&diff=178049812Eimer2018-06-05T08:50:00Z<p>Exploit: /* Wortherkunft */ redundantes Satzfragment entfernt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
[[Datei:Sand bucket.jpg|mini|Eimer aus blauem Kunststoff]]<br />
Der '''Eimer, Kübel''' ([[Österreichisches Deutsch|österr.]], [[Schweizer Hochdeutsch|schweiz.]], [[Oberdeutsche Dialekte|süddt.]]), auch der '''Amper''' (österr. [[Umgangssprache|ugs.]]), die '''Kufe''', ''Küfe'', die '''Bütte''', ist ein oben offener, [[Zylinder (Geometrie)|zylindrischer]] oder schwach [[Konus|konischer]] [[Behälter]] mit flachem, seltener gewölbtem Boden, der aus unterschiedlichen Materialien, früher vorzugsweise aus [[Holz]] oder [[Leder]], heute aus [[Metalle|Metall]] oder [[Kunststoff]] besteht. Er ist ein vielseitig einsetzbares Transportmittel. Bevorzugt wird er zum Transport von [[Flüssigkeit]]en oder [[Schüttgut]] verwendet. Zum Tragen ist der Eimer meist mit einem beweglichen [[Henkel (Griff)|Henkel]] versehen, der beim Ausschütten oder Ausgießen des Inhalts heruntergelegt werden kann.<br />
<br />
== Wortherkunft ==<br />
[[Datei:Holzeimer Jungsteinzeit Waldsee-Reute.jpg|mini|Holzeimer aus der Jungsteinzeit, ca. 3700 v. Chr., gefunden in [[Reute (Bad Waldsee)|Reute]]]]<br />
Das Wort ''Eimer'' lässt sich [[Etymologie|etymologisch]] über [[mittelhochdeutsch]] ''e(i)nber'', ''e(i)mber'', [[althochdeutsch]] ''eimpar'' als Lehnbildung auf {{laS}} ''amphora'' „Henkelkrug“ zurückführen (ahd. ''b(h)eran'', ''tragen'' zu {{elS}} ''φερειν'').<ref name="Duden">''Etymologie.'' Duden Bd. 7. Bibliographisches Institut, Mannheim 1997. ISBN 3-411-20907-0</ref><ref name="Grimm-Eimer">{{DWB|GE01310|EIMER, m. situla, amphora, urna, ahd. einpar}}</ref><br />
<br />
Der henkellose [[Bottich]] (althochdeutsch ''botah'', vgl. {{enS}} ''body'', ''Rumpf ohne Gliedmaßen'') wurde im Laufe des Mittelalters zunehmend durch den einhenkeligen ''e(i)n-amber'' und den zweihenkligen ''zuo-amber'', den Zuber, ersetzt. Auch [[norddeutsch]] ''[[Bütte]], Pütz'' oder ''Pütze''<ref>siehe [[Liste seemännischer Fachwörter#P|Liste seemännischer Fachwörter]]</ref> leiten sich etymologisch wie ''Bottich'' ab.<br />
<br />
Das [[bairisch]]-[[Alemannische Dialekte|alemannische]] Wort ''Kübel'' existierte schon im Mittelhochdeutschen und wurde aus [[mittellatein]]isch ''copa'' gebildet, zu dem lateinischen Wort ''cupella, Trinkgefäß, Becher'' bzw. ''cupa, Tonne'' abgeleitet.<ref name="DRW">Eintrag in ''[http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/e/ku/kufe.htm Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen (westgermanischen) Rechtssprache]''. Hrsg. Heidelberger Akademie der Wissenschaften</ref><br />
Zur selben Wurzel steht ''die Kufe'', auch ''der Kufen'', ahd. ''kuofa'' zu ''cupa''.<ref name="Grimm2-Kufe-2">{{DWB|GK15570|KUFE, f. gefäsz|nolink}}</ref><br />
Parallel steht aber der Bezug zur ''[[Kufe]]''<ref name="Grimm2-Kufe-1">{{DWB|GK15569|KUFE, f. schlittenkufe u. ä|kurz}}</ref><br />
als die stark gekrümmten [[Daube (Fassbau)|Dauben]]: ''Küferei'' steht für [[Fassbinderei]].<br />
<br />
== Historisches ==<br />
=== Situlen und römische Eimer ===<br />
Frühe Funde von Eimern in Europa sind die ''[[Situla (Gefäß)|Situlen]]'', verzierte [[Bronze]]<nowiki />eimer, vermutlich zu Kultzwecken verwendet, konisch mit Standfläche und Henkel, die der [[Hallstattzeit]] zugerechnet werden und sich ab dem 6.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. in Slowenien, Oberitalien ([[Etrusker]], [[Italiker]]) und Österreich ([[Hallstattkultur]]: [[Magdalensberg (Berg)|Magdalensberg]], [[Hallstätter Salzberg|Hallstatt]], [[Dürrnberg]]) nachweisen lassen.<ref>Manfred Scheuch: ''Österreich. Provinz, Weltreich, Republik.'' Das Beste und Brandstätter Verlag, Wien 1994, ISBN 3-87070-588-4, S.&nbsp;11, 12f</ref><br />
<br />
Aus der römischen Kaiserzeit<ref>Michael Erdrich: ''Zu den Messingeimern vom Hemmoorer Typ: Verbreitung, Datierung und Herstellung.'' In: ''Rom an der Niederelbe''. Katalog zur Ausstellung, Neumünster 1995, S. 71–80. ISBN 3-529-01836-8.</ref> gibt es einige Fundstücke von Eimern aus Metall (vorwiegend [[Treiben|getrieben]] aus [[Messing]] oder Bronze): Behälter mit einem oben aufgesetzten Henkel, aber einem Standfuß wie ein [[Kelch (Gefäß)|Kelch]]. Die ersten Funde stammen aus Hemmoor westlich von [[Hamburg]], wodurch sich der Ausdruck [[Hemmoorer Eimer]]<ref name="arch.de">''{{Webarchiv | url=http://www.archaeologisch.de/fund_monat.html | wayback=20010205042300 | text=archäologisch entstaubt den Hemmoorer Eimer}}''. Fund des Monats. In: ''archäologisch''. (Kopie im Internet Archive)</ref> durchgesetzt hat. Diese Gefäße wurden vermutlich von den Römern im [[Spätantike|2. und 3.&nbsp;Jahrhundert]] für Wein verwendet. Durch römische Handelsbeziehungen gelangten sie aber auch in Gebiete außerhalb des römischen Reichs, wo sie teilweise als Urnen oder Grabbeigaben verwendet wurden. Als Herkunftsort des Hemmoorer Eimers werden die Erzfelder im westlichen Rheinland bei [[Eschweiler Bergbau#Vorzeitliche Erz- und Kohlebergbaugeschichte|Eschweiler]] vermutet.<br />
Daneben waren in der römischen Kaiserzeit auch Holzeimer mit Metallbeschlägen gebräuchlich.<br />
<br />
=== Der Eimer im Mittelalter und in früher Neuzeit ===<br />
[[Datei:Latrinbärerskor 1820.jpg|mini|[[Latrine]]n-Eimer an einer Tragstange]]<br />
[[Mittelalter]]liche Eimer zeigen sich meist aus hölzernen [[Daube (Fassbau)|Dauben]] mit eisernen [[Beschlag|Beschlägen]] und wurden vom [[Küfer]] (auch: ''Kübler'' oder ''Böttcher'') verfertigt. Der Eimer wurde entweder in der Hand oder aber an einer [[Tragstange]] getragen. Das Grimmsche ''[[Deutsches Wörterbuch|Deutsche Wörterbuch]]'' beschreibt den Eimer als „ein rundes gefäsz, situla, von holz, blech, porzellan mit einem beweglichen grif zum anhängen und tragen“ und merkt an: „Wir verstehen heute unter eimer das enthaltende und enthaltene“<ref name="Grimm-Eimer" />.<br />
Der ''[[Eimer (Volumenmaß)|Eimer]]'' war als [[Hohlmaß]] bis in die [[Neuzeit]] (Beispiel: ''Fünf Eimer Wasser'') gebräuchlich, und entsprach im 19.&nbsp;Jahrhundert entweder etwa 12&nbsp;[[Liter]] − etwa die heute übliche Größe eines 10- oder 15-Liter-Eimers – oder um die 60&nbsp;Liter, dem ''Schankeimer''<ref>Eintrag ''Schankeimer'' in [[Meyers Konversations-Lexikon]]</ref> (vergleiche [[Schankmaß]]). Dieser war dazu vorgesehen, von zwei Personen an einer Stange getragen zu werden.<br />
<br />
Spätmittelalterliche und neuzeitliche Anordnungen dienten auch der Verhütung eines Brandes und der Bevorratung und Benutzung von Feuereimern. So legte etwa 1470 [[Siegmund von Tirol|Herzog Sigmund IV. von Österreich-Tirol]] in einer städtischen Feuerordnung für [[Bozen]] die Anschaffung von 25 [[Schaff|Wasserschaffen]] durch die [[Küfer|Fassbinder]] und bei Verlust der Eimer Schadensersatz seitens des Stadtrats fest.<ref>{{Literatur |Autor=[[Hannes Obermair]] |Titel=Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500 |Sammelwerk=Bozen Süd – Bolzano Nord |Band=2 |Ort=Bozen |Datum=2008 |ISBN=978-88-901870-1-8 |Seiten=139, Nr. 1107 }}</ref> [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Pfalzgraf Karl IV.]] verfügte 1772 für [[Obertiefenbach (Beselich)|Obertiefenbach]], dass stets jeder Hauswirt einen mit Wasser gefüllten [[Zuber (Einheit)|Zuber]] bereitstehen und einen mit Namen versehenen ledernen Feuereimer greifbar hatte. Die jeweilige Gemeinde musste eine bestimmte Anzahl von Eimern vorrätig halten. Es durfte kein Einwohner heiraten oder als [[Untertan]] angenommen werden, der nicht den Gemeindeeimern einen neuen, mit Jahreszahl und Namen versehenen zugeliefert hatte.<ref>{{Literatur |Autor=[[Franz-Josef Sehr]] |Titel=Das Feuerlöschwesen in Obertiefenbach aus früherer Zeit |Sammelwerk=Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 1994 |Verlag=Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg |Ort=Limburg-Weilburg |Datum=1993 |Seiten=151–153}}</ref><br />
[[Datei:DEU Emmerich COA.svg|mini|hochkant=0.6|Eimer als Wappen der Stadt [[Emmerich am Rhein|Emmerich]]]]<br />
<gallery widths="140" heights="180" caption="Verschiedenartige Anwendungen von Eimern" perrow="3"><br />
Wooden bucket.jpg|Holzeimer, hergestellt nach der Art und mit Werkzeugen von 1850 in Nordamerika<br />
Feuerlöscheimer 19 Jh.jpg|Feuerlöscheimer (19. Jh.)<br />
Förderkorb.jpg|[[Förderkübel]] im Bergbau<br />
Well buckets, Ichijodani 200507.jpg|einfache Bretteimer, am Brunnen (Japan, zeitgenössisch)<br />
Maurer 1880-zoom bucket.png|Verwendung des Eimers an der Tragstange <small>(''Der Maurer'', aus ''Was willst du werden'', um 1880)</small><br />
Ponti, Carlo (ca. 1823-1893) - Porteuse d'eau - n. 151 - Venice.jpg|Metallene Eimer am Joch (Venedig, 19. Jh.)<br />
</gallery><br />
<br />
{{Anker|Kufe}}<br />
<br />
=== Die Kufe ===<br />
{| class="float-right"<br />
|- style="vertical-align:top"<br />
|[[Datei:Coat of arms Kufstein.svg|mini|hochkant=0.6|Kufe im Wappen von [[Kufstein]]]]<br />
|[[Datei:AUT Hallein COA.jpg|mini|hochkant=0.6|Perkufen im Wappen von [[Hallein]]]]<br />
|}<br />
Die ''Kufe (Küfe)'' ist insbesondere als ein Salz[[fass]] zur Beförderung von [[Speisesalz|Salz]] in der älteren Literatur enthalten. Die Tragvorrichtung wurde aber in die Kufe eingehängt, das Fass selber hat keinen Henkel. Auch hier ist der Begriff eines Hohlmaßes vorhanden.<ref name="DRW" /> Die Kufen waren unterschiedlich groß. Eine volle Kufe für Pferde hatte ein Gewicht von rund 55&nbsp;kg, große Kufen für den Salztransport auf Wagen hatten rund 74&nbsp;kg.<ref>[http://www.ckrumlov.info/img.php?img=3197&LANG=de Bild eines Salzträgers]</ref><br />
<br />
Als ''Perkufe'' bezeichnet man unten offene, oben mit einem Ablaufloch versehene, kegelstumpfförmige Kufen, die wie ein Trichter mit dem feuchten Salzbrei durch die nun oben befindliche große Öffnung auf der ''Perstatt'' befüllt, nach Ablauf der [[Sole]] und Trocknen des Inhalts gestürzt und abgehoben wurden. Der Salzinhalt blieb als Kegelstumpf zur Weiterverarbeitung stehen. Diese Salzkegel ''(Salzstöcke)'' waren über Jahrhunderte das allgemein übliche Transportgebinde weitgehend normierter Größe.<br />
<br />
Die Kufe war, entsprechend dem Wert des Salzes und der Verlässlichkeit der Abmessung, auch ein Maß für die Steuer und den Zoll.<ref>Krumau: [http://www.ckrumlov.info/docs/de/region_histor_solste.xml Der Salzweg], (abgerufen am 30. Dezember 2008)</ref><br />
<br />
== Bauformen ==<br />
[[Datei:Ice buckets and sparkling wine.jpg|mini|Servierkübel für Eis und Wein/Sekt (''Sektkübel'')]]<br />
Neben einfachen Kübeln gibt es auch solche mit einem Ausguss („Schnabel“) oder mit dicht schließendem [[Deckel (Verschluss)|Deckel]]. Ein in der Lagerung platzsparendes Modell ist der ''[[Falteimer]]''.<br />
<gallery widths="140" heights="180"><br />
MOHAI - leather fire bucket.jpg|Ledereimer, für die Feuerbekämpfung<br />
Pedaalemmer.jpg|Mülleimer, mit Pedalöffner für den Deckel<br />
Bucket.agr.jpg|Kunststoffeimer, mit Gießschnabel, Metallhenkel und Rollgriff<br />
</gallery><br />
<br />
== Verwendung ==<br />
Verwendet wird der Kübel:<br />
* im Alltag etwa als [[Mülleimer]] oder [[Papierkorb]]<br />
* in [[Privathaushalt|Haushalt]], [[Landwirtschaft]], [[Gartenbau]] und [[Bauwesen]] als Transport- und Lagergerät mit vielfältigem Einsatzgebiet<br />
* als ''Pflanzenkübel'' für [[Kübelpflanze]]n<br />
* der ''[[Löscheimer]]'' als [[Kleinlöschgerät]]<br />
* als ''[[Pütz (Schifffahrt)|Pütz]]'' in der Schifffahrt für diverse Aufgaben<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Abortkübel]], eine Bergmanntoilette<br />
* [[Eimerrauchen]], eine Zweckentfremdung der Drogenkultur<br />
* [[Förderkübel]], ein Transportkübel im Bergbau<br />
* [[Schaff]], ein offener, hölzerner Behälter<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Buckets|Eimer}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4342655-4}}<br />
<br />
[[Kategorie:Hausrat]]<br />
[[Kategorie:Tragebehälter]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Quinta_da_Regaleira&diff=169577917Quinta da Regaleira2017-10-01T08:14:59Z<p>Exploit: </p>
<hr />
<div>[[Datei:Palacio-da-Regaleira1 Sintra Set-07.jpg|mini|Das Hauptgebäude von Quinta da Regaleira]]<br />
<br />
'''Quinta da Regaleira''' ist ein Anwesen in der Nähe des historischen Zentrums von [[Sintra]] in [[Portugal]]. Es zählt zum [[Weltkulturerbe]] der [[UNESCO]]. Es wurde im Auftrag von [[António Augusto Carvalho Monteiro]] erbaut. Zusammen mit anderen Schlössern in der Umgebung ist Quinta da Regaleira eine der wichtigsten touristischen Attraktionen von Sintra. Das Anwesen besteht aus einem Hauptgebäude bzw. Palast, einer [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]] und einem großzügigen Park mit Seen, [[Grotte]]n, Brunnen, Brücken, unterirdischen Tunnelsystemen und einem Tennisplatz.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
<br />
{{Coordinate|NS=38.796353|EW=-9.396031|type=landmark|region=PT-11}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=1097296059|VIAF=316600872}}<br />
<br />
[[Kategorie:Kulturlandschaft Sintra]]<br />
[[Kategorie:Palast in Portugal|Regaleira]]<br />
[[Kategorie:Schloss in Portugal|Regaleira]]<br />
[[Kategorie:Schloss in Europa|Regaleira]]<br />
[[Kategorie:Bauwerk des Eklektizismus]]<br />
[[Kategorie:Erbaut im 19. Jahrhundert]]<br />
[[Kategorie:Erbaut im 20. Jahrhundert]]<br />
[[Kategorie:Weltkulturerbe in Portugal]]<br />
[[Kategorie:Weltkulturerbe in Europa]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ant%C3%B3nio_Augusto_Carvalho_Monteiro&diff=169577876António Augusto Carvalho Monteiro2017-10-01T08:13:17Z<p>Exploit: </p>
<hr />
<div>[[Datei:António Augusto Carvalho Monteiro.jpg|miniatur|António Augusto Carvalho Monteiro]]<br />
'''António Augusto de Carvalho Monteiro''', Barão (Baron) de Regaleira, (* [[27. November]] [[1848]] in [[Rio de Janeiro]], [[Brasilien]]; † [[24. Oktober]] [[1920]] in [[Lissabon]], [[Portugal]]) war ein portugiesischer Unternehmer, [[Exzentriker]], Kunstsammler und [[Freimaurer]].<br />
<br />
Er gehörte zu den „Kaffeebaronen“ in Brasilien. Weltbekannt wurde er durch seinen Sitz, dass Schloss [[Quinta da Regaleira]], heute [[UNESCO-Welterbe]]. Er gehörte zu den reichsten Menschen, die jemals in Portugal gelebt haben und erhielt damals schon den Titel „Monteiro, o millionario“ (Monteiro der Millionär).<br />
<br />
== Leben und Wirken ==<br />
<br />
Er entstammte einer Familie, die nach Brasilien ausgewandert war und dort ihr Glück im Kaffeeanbau, Edelsteinabbau und Handel gemacht hatte. Die Familie erlangte damit erheblichen Reichtum. Monteiro studierte [[Rechtswissenschaften]] an der [[Universität Coimbra]] und beendete sein Studium 1871. Nach dem Tod seines Vaters erbte er den Titel eines Barons da Regaleira.<br />
<br />
Zeitlebens mit der Führung der Firma in Brasilien beschäftigt, wo er zwischen 1871 und 1879 lebte, um dann endgültig nach Portugal zurückzukehren, beauftragte er 1892 den italienischen Architekten [[Luigi Manini]] mit dem Bau des Anwesens, das er vorher vom Staat in [[Sintra]] erworben hatte. Es entstand bis 1910 ein Anwesen mit dem Schloss, einer Kapelle, Tempeln, einem riesigen Brunnen und einem sehr großen Park. Das Anwesen gehörte zu den größten in Portugal und wurde nur von den Palästen des Königs übertroffen.<br />
<br />
Der exzentrische Mann, der auch [[Freimaurerei|Freimaurer]] war, ließ die Innenausstattung mit eindeutigen Freimaurersymbolen belegen. Er war Kunstsammler von unschätzbaren Büchern und Gemälden, er sammelte auch Insekten und hatte riesige [[Herbariums]] mit Pflanzen. Er besaß als einziger weltweit eine extra für ihn gefertigte Uhr, die als die komplizierteste in der Geschichte der Uhrmacherei galt. Monteiro liebte Literatur, Naturwissenschaften und insbesondere Musik, vor allem die [[Richard Wagner]]s.<br />
<br />
António Augusto Carvalho Monteiro starb 1920 mit 71 Jahren und wurde er auf dem Prominentenfriedhof [[Cemitério dos Prazeres]] beigesetzt. Er erhielt eine monumentale Grabstätte, ebenfalls von Luigi Maninni geschaffen.<ref>knerger.de: [http://knerger.de/html/carvalhounternehmer_60.html Das Grab von António Augusto Carvalho Monteiro]</ref><br />
<br />
== Quellen ==<br />
* www.gifi.pt/portal/programms/ewpview.apsx?codigo=Regaleira.<br />
* www.historiadeportugal.info/antonio-augusto-carvalho-monteiro<br />
* www.palacio-de-sintra.blogspot.de/2012/04/antonio-augusto-de-carvalho-monteiro<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=117600849|LCCN=n/84/7238|VIAF=72783521}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Monteiro, Antonio Augusto Carvalho}}<br />
[[Kategorie:Unternehmer (Portugal)]]<br />
[[Kategorie:Freimaurer (Portugal)]]<br />
[[Kategorie:Portugiese]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1848]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 1920]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Monteiro, António Augusto Carvalho<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Monteiro, António Augusto de Carvalho (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=portugiesischer Unternehmer, Exzentriker, Kunstsammler und Freimaurer<br />
|GEBURTSDATUM=27. November 1848<br />
|GEBURTSORT=[[Rio de Janeiro]], [[Brasilien]]<br />
|STERBEDATUM=24. Oktober 1920<br />
|STERBEORT=[[Lissabon]], [[Portugal]]<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mohandas_Karamchand_Gandhi&diff=168905183Mohandas Karamchand Gandhi2017-09-08T17:07:30Z<p>Exploit: /* Der „Anarchist anderer Art“, Weggefährten */</p>
<hr />
<div>{{Weiterleitungshinweis|Gandhi|Zu gleichnamigen Personen siehe [[Gandhi (Familienname)]]. Zum Film siehe [[Gandhi (Film)]].}}<br />
<br />
[[Datei:Portrait Gandhi.jpg|mini|Mohandas Karamchand Gandhi (Porträtfotografie etwa Ende der 1930er Jahre)<br />
[[Datei:Mahatma-Gandhi-Signature-Transparent.png|rechts|rahmenlos|Unterschrift von Mahatma Gandhi]]]]<br />
<br />
'''Mohandas Karamchand Gandhi''' ([[Gujarati]]: {{lang|gu|મોહનદાસ કરમચંદ ગાંધી}}, {{hiS|मोहनदास करमचंद गांधी|Mohandās Karamchand Gāndhī}}; genannt '''Mahatma Gandhi'''; * [[2. Oktober]] [[1869]] in [[Porbandar]], [[Gujarat]]; † [[30. Januar]] [[1948]] in [[Neu-Delhi]], [[Delhi]]) war ein [[Indien|indischer]] Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer, Revolutionär, Publizist, Morallehrer, [[Asket]] und [[Pazifismus|Pazifist]].<br />
<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich Gandhi in [[Südafrika]] gegen die [[Apartheid|Rassentrennung]] und für die Gleichberechtigung der Inder ein. Danach entwickelte er sich ab Ende der 1910er Jahre in Indien zum politischen und geistigen Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Gandhi forderte die [[Menschenrechte]] für [[Dalit|Unberührbare]] und Frauen, er trat für die Versöhnung zwischen Hindus und Muslimen ein, kämpfte gegen die koloniale Ausbeutung und für ein neues, autarkes, von der bäuerlichen Lebensweise geprägtes Wirtschaftssystem. Die Unabhängigkeitsbewegung führte mit [[Gewaltfreie Aktion|gewaltfreiem Widerstand]], [[Ziviler Ungehorsam|zivilem Ungehorsam]] und [[Hungerstreik]]s schließlich das Ende der [[Britisches Weltreich|britischen Kolonialherrschaft]] über Indien herbei (1947), verbunden mit der [[Teilung Indiens]]. Ein halbes Jahr danach fiel Gandhi einem Attentat zum Opfer.<br />
<br />
Gandhi musste in Südafrika und Indien insgesamt acht Jahre in Gefängnissen verbringen. Seine Grundhaltung ''[[Satyagraha]]'', das beharrliche Festhalten an der [[Wahrheit]], umfasst neben ''[[Ahimsa]]'', der Gewaltlosigkeit, noch weitere ethische Forderungen wie etwa ''Swaraj'', was sowohl individuelle als auch politische Selbstkontrolle und Selbstbestimmung bedeutet.<br />
<br />
Schon zu Lebzeiten war Gandhi weltberühmt, für viele ein Vorbild und so anerkannt, dass er mehrmals für den [[Friedensnobelpreis]] nominiert wurde. In seinem Todesjahr wurde dieser Nobelpreis symbolisch nicht vergeben. Ebenso wie [[Nelson Mandela]], [[Aung San Suu Kyi]] oder [[Martin Luther King]] gilt er als herausragender Vertreter im [[Befreiungsbewegung|Freiheitskampf]] gegen [[Unterdrückung]] und [[Soziale Ungleichheit|soziale Ungerechtigkeit]].<br />
<br />
== Ehrennamen ==<br />
=== Mahatma ===<br />
Der [[sanskrit]]ische Ehrenname ''Mahatma'' ({{lang|sa|महात्मा}} {{IAST|mahātmā}}, „große Seele“) stammt wahrscheinlich von dem indischen Philosophen und [[Literaturnobelpreis]]träger [[Rabindranath Tagore]], der Gandhi bei seiner Ankunft in [[Bombay]] am 9. Januar 1915 nach seinem Aufenthalt in Südafrika so begrüßte. Gandhi tat sich lange Zeit schwer mit diesem Beinamen, der gegen seinen Willen gebräuchlich wurde, denn er verzichtete strikt auf jede Art von [[Personenkult|Kult]] um seine Person. In seiner Autobiographie mit dem Untertitel ''Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit'' (1927–1929) schreibt er, dass der Titel ''Mahatma'' für ihn nicht nur keinen Wert besitze, sondern ihn oft tief gepeinigt habe.<ref>M. K. Gandhi: ''Eine Autobiographie oder Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit.'' Gladenbach 1977, S. 12.</ref> Später akzeptierte er den Ehrennamen und wollte ihm gerecht werden.<ref>Karen E. James: [http://www.lib.virginia.edu/area-studies/SouthAsia/gandhi.html ''From Mohandas to Mahatma: The Spiritual Metamorphosis of Gandhi'']. Essays in History: Volume Twenty-Eight (1984), S. 5–20; Corcoran Department of History at the University of Virginia. Abgerufen am 8. Februar 2012.</ref> Conrad (2006) zufolge ließ er sich „trotz manchen sympathischen Sträubens“ Mahatma nennen.<ref>Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.'' München 2006, S. 28.</ref> Der Name Mahatma Gandhi ist heute weitaus geläufiger als der Geburtsname.<br />
<br />
=== Bapu – Vater (der Nation) ===<br />
Ein anderer in Indien häufiger Ehrenname, den er allerdings gern trug und mit dem ihn auch seine Frau und seine Freunde anzusprechen pflegten, war ''Bapu'' (Gujarati: {{lang|gu|બાપુ}} {{IAST|bāpu}}, „Vater“). [[Subhash Chandra Bose]] benutzte ihn erstmals in einer Radioansprache (1944). Später wurde der Titel auf ''Vater der Nation'' (''father of the nation)'' ergänzt und von der indischen Regierung offiziell anerkannt.<br />
<br />
== Leben und Wirken ==<br />
[[Datei:Karamchand Gandhi.jpg|mini|hochkant|150px|Sein Vater Karamchand]]<br />
[[Datei:Putlibai Gandhi.jpg|mini|hochkant|150px|Seine Mutter Putali Bai]]<br />
[[Datei:Mohandas K Gandhi, age 7.jpg|mini|hochkant|150px|Der siebenjährige Knabe Mohandas Karamchand Gandhi 1876]]<br />
<br />
=== Kindheit und Jugend ===<br />
Mohandas Karamchand Gandhi wurde am 2. Oktober 1869 als jüngster von vier Söhnen in der vierten Ehe seines Vaters Karamchand Gandhi (1822–1885) mit Putali Bai (1839–1891) geboren. Die anderen Ehefrauen seines Vaters waren früh gestorben. Er wuchs in [[Porbandar]], einer kleinen Hafenstadt im heutigen [[Gujarat|Westgujarat]], auf. Sein Vater Karamchand und sein Großvater Uttamchand waren beide Diwans (Premierminister) von Porbandar,<ref>frieden-gewaltfrei.de: [http://www.frieden-gewaltfrei.de/mahatma.htm ''Mahatma Gandhi'']. Abgerufen am 11. Juli 2008.</ref> das zwar offiziell autonom war, aber unter der Kontrolle der britischen Kolonialmacht stand. Im Haus der Familie wohnten auch die fünf Brüder des Vaters mit ihren Familien.<br />
<br />
Die Familie gehörte der Bania-[[Kaste]] an, die zum Stand der [[Vaishya]], der Kaufleute, gehört. Die Gandhis waren damit in der dritten Kaste, deren Mitglieder die gesellschaftliche und politische Oberschicht bilden. Als Kaufleute arbeiteten die Familienmitglieder jedoch seit mehreren Generationen nicht mehr; schon der Urgroßvater diente den Fürsten als Ratgeber in politischen Angelegenheiten und in der Verwaltung.<br />
<br />
Die Gandhis praktizierten den [[Vishnuismus]], eine eher [[Monotheismus|monotheistische]] Form des [[Hinduismus]], der Gebet und Frömmigkeit hervorhebt. In ihrem Haus verkehrten auch Angehörige anderer hinduistischer Strömungen sowie [[Muslim]]e, [[Parsen]] und Anhänger des [[Jainismus]]. Diese im 6./5. Jahrhundert vor Christus entstandene Religion war in Gujarat weit verbreitet, betont strikte Gewaltlosigkeit im Alltag (das [[Ahimsa]]) und die Verbindung von Geist und Materie. Diese Prinzipien haben Gandhis Philosophie geprägt. Er ging lebenslang davon aus, dass das Verhalten des Individuums metaphysische Konsequenzen nach sich zieht.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 12.</ref> In seinem Elternhaus liegen einerseits die Ursprünge seiner religiösen Toleranz, andererseits übte seine tief religiöse Mutter Putali Bai einen großen Einfluss auf ihren Sohn aus.<br />
<br />
1876 zog die Familie in die Stadt [[Rajkot]], das politische Zentrum von Gujarat. Mohandas Gandhi war zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre alt und wurde in die Grundschule ''Taluka'' eingeschult, die er bis zu seinem zwölften Lebensjahr besuchte. Der Unterricht in englischer Sprache bereitete ihm Schwierigkeiten, da selbst seine Eltern die Sprache kaum beherrschten. Sein Vater Karamchand war Richter am Fürstengericht und außerdem als Mediator tätig. Hier lernte Mohandas, Streit zu schlichten.<br />
<br />
Ein älterer muslimischer Freund soll Gandhi in seiner Jugend überredet haben, Ziegenfleisch zu kosten, obwohl der Verzehr von Fleisch unter Vishnuiten als eine Sünde galt, weil sie jegliche Gewalt gegen Lebewesen ablehnen. Ebenso brach er das Verbot, Zigaretten und Wein zu konsumieren, und stahl seinen Eltern Geld.<ref name="gandhiserve">{{Internetquelle |url=http://www.gandhiserve.org/gss/chrono.doc |titel=Chronologie von Gandhis Leben und Wirken |werk=gandhiserve.org |hrsg=GandhiServe Foundation |format=doc, 130&nbsp;kB |zugriff=2008-07-21}}</ref> Nach eigener Aussage hatte er ein Bordell aufgesucht und sich danach geschämt.<ref>Angelika Franz: [http://www.zeit.de/2005/09/P-Gandhi_?page=all ''Der eitle Asket'']. Kritische Betrachtung Gandhis in der ''[[Die Zeit|Zeit]]'' vom 24. Februar 2005.</ref> Sein schlechtes Gewissen ließ ihn einen Suizid in Erwägung ziehen; letztlich kam er zu dem Entschluss, seinem Vater sein Fehlverhalten schriftlich einzugestehen.<ref name="gandhiserve" /> Gandhi erreichte, indem er sich in seinem späteren Leben mit seinen eigenen Fehlern in der Jugend beschäftigte, eine hohe Selbstdisziplin und erkannte dies als Quelle der Selbsterkenntnis. Seine Lebensgeschichte wird häufig [[Hagiographie|hagiographisch]] überhöht dargestellt.<br />
<br />
1885 starb Gandhis Vater an den Folgen eines Unfalls, und Mohandas` ältester Bruder Lakshmidas wurde Familienoberhaupt.<ref name="gandhiserve" /> Gandhi besuchte die Oberschule ''(Rajkot High School)'' mit großem Erfolg und erwarb 1887 die Zulassung zu Universitäten.<br />
<br />
[[Datei:Gandhi and Kasturbhai 1902.jpg|mini|Gandhi und seine Frau Kasturba 1902]]<br />
<br />
=== Die Ehe mit Kasturba Makthaji ===<br />
Gandhi wurde bereits im Alter von sieben Jahren mit der gleichaltrigen [[Kasturba Gandhi|Kasturba Makthaji]] (auch: ''Kasturbai'' oder einfach: ''Ba)'' verlobt, die ebenfalls aus der Bania-Kaste stammte und deren Familie ein hohes Ansehen genoss.<ref name="gandhiserve" /> 1882 wurde er im Alter von 13 Jahren durch seine Familie mit ihr verheiratet; gleichzeitig wurden aus finanziellen Gründen auch sein Bruder Karsandas und ein Cousin verheiratet.<br />
<br />
Gandhi kritisierte später sowohl in seinen Werken als auch in der Öffentlichkeit die Kinderheirat, die damals in Indien üblich war und auch heute noch existiert. In seiner Autobiographie ''Mein Leben'' schreibt er: „Ich sehe nichts, womit man eine so unsinnig frühe Heirat wie die meine moralisch befürworten könnte.“<ref>Mahatma Gandhi: ''Mein Leben.'' Frankfurt am Main 1983, S. 11.</ref><br />
<br />
Als Ehefrau stand Kasturba in der Familienhierarchie an letzter Stelle, allerdings wurde sie von Gandhis Familie gut behandelt. Mit sechzehn Jahren bekamen sie ihr erstes Kind, welches nach wenigen Tagen verstarb.<ref>Mahatma Gandhi: ''Mein Leben.'' Frankfurt am Main 1983, S. 30.</ref> Weitere Kinder waren [[Harilal Gandhi|Harilal]] (1888–1948), [[Manilal Gandhi|Manilal]] (1892–1956), [[Ramdas Gandhi|Ramdas]] (1897–1969) und [[Devdas Gandhi|Devdas]] (1900–1957).<br />
<br />
Ba Makthaji begleitete ihren Mann bei politischen Aktionen und lebte mit ihm auch gemeinsam in Südafrika, wo sie während der Proteste gegen die Arbeitsbedingungen für indischstämmige Südafrikaner inhaftiert wurde. Zurückgekehrt nach Indien, sprach sie auf politischen Veranstaltungen im Namen ihres Ehemanns. Zudem gab sie Alphabetisierungskurse und vermittelte die Grundlagen der Hygiene.<br />
<br />
Ab 1908 pflegte Gandhi seine Frau während ihrer Krankheit und war auch bei ihrem Tod 1944 bei ihr. Dessen ungeachtet hatte er bereits 1906 ein Gelübde der sexuellen Enthaltsamkeit abgelegt.<ref>vgl. Sigrid Grabner: ''Mahatma Gandhi. Politiker, Pilger und Prophet.'' Hier 1. Aufl., Berlin 1983, S. 103.</ref><br />
<br />
=== Studium in London ===<br />
Seine Mutter sprach sich gegen ein Studium in [[London]] aus, weil es für einen Hindu Sünde sei, den großen Ozean ''(das schwarze Wasser)'' zu überqueren. Außerdem befürchtete sie, dass ihr Sohn der westlichen unmoralischen Lebensart mit Fleisch- und Alkoholkonsum oder der Prostitution verfallen könne.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 16.</ref> Deshalb besuchte Gandhi ab November 1887 ein Semester lang erfolglos das indische ''Samaldas College'' in [[Bhavnagar]].<ref>Robert Payne: ''The Life and Death of Mahatma Gandhi.'' London 1969, S. 45.</ref> Auf Wunsch seines verstorbenen Vaters sollte er Rechtsanwalt werden. Die Familie beriet darüber mit einem Freund des Vaters und kam im Mai 1888 zu dem Entschluss, er solle ein [[Jurastudium]] aufnehmen. Er selbst favorisierte das Studienfach Medizin, was sein Bruder jedoch ablehnte, da den Mitgliedern der Bania-Kaste das „Zerlegen“ von Fleisch und damit die Tätigkeit als Mediziner aus religiösen Gründen untersagt war.<ref name="gandhiserve" /><br />
<br />
[[Datei:Gandhi student.jpg|mini|Gandhi als Student in London (Ende 1880er Jahre)]]<br />
<br />
Das Familienoberhaupt, sein ältester Bruder, lieh ihm das Geld für Reise und Studium. Gandhi legte ein Gelübde ab, während seines Aufenthaltes in England den Hinduismus weiter zu praktizieren, und versprach seiner Mutter, den westlichen Verlockungen zu widerstehen.<ref>Mike Nicholson: ''Mahatma Gandhi.'' Würzburg 1989, S. 13.</ref> Weil bis dahin kein Angehöriger der Bania-Kaste im Ausland gewesen war, wurde am 10. August 1888 eine Kastenversammlung einberufen, um über den Fall zu beraten. Trotz des Verweises auf sein Gelübde beschloss die Versammlung, ihm im Falle einer Auslandsreise die Kastenzugehörigkeit zu entziehen.<ref name="gandhiserve" /> Gandhi hielt jedoch an seiner Entscheidung fest und galt seitdem als [[Kaste#Unberührbare Kasten|Kastenloser]], was einen weitgehenden Ausschluss aus der Gesellschaft bedeutete.<br />
<br />
Vom 4. September bis zum 28. Oktober 1888 dauerte die Seereise nach London in Begleitung von Pranjivan Mehta, einem Bekannten seines Bruders, der ihm während seines Aufenthaltes in England als Ansprechpartner zur Verfügung stand. Gandhi musste feststellen, dass seine Englischkenntnisse noch unzureichend waren.<ref name="gandhiserve" /> Kurz nach seiner Ankunft – indische Beamte hatten ihm in London eine Unterkunft besorgt – meldete er sich an der juristischen Universität [[Inner Temple]] an.<br />
<br />
[[Datei:Gandhi-1890.jpg|mini|Gandhi 1890 in der Vegetarischen Gesellschaft (untere Reihe, Dritter von links)]]<br />
<br />
Wenig später trat er der ''Vegetarischen Gesellschaft'' bei und wurde nach einiger Zeit deren Schriftführer.<ref name="gandhiserve2">[http://www.gandhiserve.org/gss/lebenundwirken.html ''Das Leben und Wirken von Mahatma Gandhi'']. In: ''gandhiserve.org''. Abgerufen am 21. Juli 2008.</ref> Die Angehörigen dieser Organisation vertraten die Auffassung, niemand habe das Recht, die Natur über Gebühr auszunutzen. Grundlage dafür sei eine [[Vegetarismus|vegetarische]] Ernährungsweise. Die Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft veranlasste Gandhi, aus Überzeugung auf den Verzehr von Fleisch zu verzichten, vorher hielten ihn allein Religion und Tradition davon ab. Dort kam er in Kontakt zur [[Theosophische Gesellschaft|Theosophical Society]].<br />
<br />
Gandhi beschäftigte sich in London viel mit religiöser Literatur. In Indien hatte er gegenüber dem [[Christentum]], auch aufgrund des Auftretens christlicher Missionare, Vorbehalte entwickelt. Nun setzte er sich mit dieser Religion inhaltlich auseinander. Das [[Altes Testament|Alte Testament]] stieß ihn zunächst ab; angesprochen fühlte er sich hingegen von der [[Bergpredigt]].<ref>Mohandas Karamchand Gandhi: ''Mein Leben.'' Frankfurt am Main 1983, S. 50.</ref> Er erklärte: „Ich werde den Hindus sagen, dass ihr Leben unvollständig ist, wenn sie nicht ehrerbietig die Lehren Jesu studieren.“<ref>Anand Hingorani (Hrsg.): ''The Message of Jesus Christ by M.&nbsp;K. Gandhi.'' Bharatiya Vidya Bhavan, Bombay 1964, S. 23. Zitat übersetzt von Dean C. Halverson: ''Weltreligionen im Überblick.'' Holzgerlingen 2003, S. 119.</ref> Schwierigkeiten hatte er aber damit, [[Jesus Christus]] als einzigen Sohn Gottes anzuerkennen. Er könne, so der vom [[Hinduismus]] geprägte Gandhi in seiner Autobiographie, nicht glauben, „dass Jesus der einzige fleischgewordene Sohn Gottes sei und dass nur, wer an ihn glaubt, das ewige Leben haben solle. Wenn Gott Söhne haben konnte, dann waren wir alle seine Söhne. Wenn Jesus gottgleich oder selbst Gott war, dann waren wir alle gottgleich und konnten selbst Gott werden.“<ref>M. K. Gandhi: ''Eine Autobiographie oder Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit.'' Gladenbach 1977, S. 12.</ref><br />
<br />
Außerdem las er in dieser Zeit zum ersten Mal die Verse der hinduistischen heiligen Schrift ''[[Bhagavad Gita|Bhagavad Gītā]]'' („der Gesang Gottes“), die ihm sein Leben lang das wichtigste Buch werden sollte, in dem er später täglich las. Er übersetzte den Text in seine Muttersprache [[Gujarati]], schrieb Erläuterungen und widmete ihn den Armen. Überdies beschäftigte er sich mit [[Buddha]] und [[Mohammed]], dem Religionsstifter des [[Islam]]. Er war der Meinung, dass der wahre Glaube die Angehörigen der verschiedenen Glaubensrichtungen vereint.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 19.</ref><br />
<br />
Zudem war Gandhi darum bemüht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, indem er Tanz- und Französischunterricht nahm und sich an die englische Mode anpasste.<ref name="gandhiserve2" /> Das ihm noch recht unbekannte Land beeindruckte Gandhi. Insbesondere faszinierten ihn [[Pressefreiheit]] und [[Streikrecht|Streikkultur]]. Er beschäftigte sich mit politischen und gesellschaftlichen Strömungen wie [[Sozialismus]], [[Anarchismus]], [[Atheismus]] und [[Pazifismus]].<br />
<br />
1889 reiste Gandhi nach Frankreich, um die [[Weltausstellung Paris 1889|Weltausstellung]] in [[Paris]] zu besuchen und den [[Eiffelturm]] zu besteigen.<ref name="eberling20">Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 20.</ref> Im Dezember 1890 legte er erfolgreich das juristische Examen ab und wurde am 10. Juni 1891 nach bestandener Abschlussprüfung als [[Barrister]] an englischen Obergerichten zugelassen.<ref name="gandhiserve" /><br />
Er durfte seinen Beruf als Rechtsanwalt nun überall ausüben, wo das [[Common Law|britische Recht]] Geltung hatte. Am 12. Juni trat er die Heimreise an.<ref name="gandhiserve2" /><br />
<br />
=== Arbeit als Anwalt in Indien ===<br />
Erst als Gandhi 1891 in seine Heimat zurückkehrte, wurde ihm die Nachricht überbracht, dass seine Mutter ein Jahr zuvor gestorben war. In England hatte seine Familie ihm diese tragische Neuigkeit nicht mitteilen wollen. Er hatte nun beide Elternteile verloren und musste mehr Verantwortung für die gesamte Familie übernehmen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 20.</ref><br />
<br />
Von 1891 bis 1893 arbeitete er als Rechtsanwalt in [[Bombay]] und ein halbes Jahr später in seiner Heimatstadt Rajkot. Obwohl er nunmehr gut ausgebildet war und sowohl über ein Anwaltspatent als auch über ein eigenes Büro verfügte, hatte er beruflich wenig Erfolg und konnte seine Familie kaum unterstützen, die sich für sein Studium verschuldet hatte.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 1997, S. 34.</ref> Der Beruf lag ihm nicht. Er verfügte nicht über die notwendige Erfahrung hinsichtlich der Rechtsprechung in Indien. Des Weiteren bereitete ihm seine Schüchternheit große Probleme. Ein halbes Jahr verbrachte er in Bombay und hospitierte die meiste Zeit bei Gerichtsverhandlungen seiner erfahreneren Kollegen. Denn um Mandanten zu gewinnen, war es erforderlich, andere Anwälte zu [[Bestechung|bestechen]], um sie zur Abgabe von Fällen zu bewegen. Gandhi lehnte diese Korruption jedoch ab. Als es ihm 1892 endlich gelang, einen Fall zu übernehmen, verlor er die Nerven, sodass er nicht sprechen konnte und den Gerichtssaal unter dem Gelächter der Anwesenden verließ.<ref>Mike Nicholson: ''Mahatma Gandhi.'' Würzburg 1989, S. 14.</ref> Daraufhin legte er den Fall nieder und zog in seine Heimatstadt Rajkot.<br />
<br />
In London war Gandhi mit dem westlichen [[Lebensstil]] vertraut geworden, den er teilweise übernahm. Seine Ehefrau lernte beispielsweise wie britische Frauen Lesen und Schreiben, und seine Kinder sollten europäisch erzogen werden. Lakshmidas befürwortete dies, während seine Ehefrau zunächst Vorbehalte hatte. Zugleich versuchte er, sich wieder mit seiner Kaste zu versöhnen, und strebte eine Wiederaufnahme an. Er pilgerte an das Ufer des Flusses [[Godavari]], um sich von der Reise über das ''schwarze Wasser'' zu reinigen, und bezahlte die geforderte Buße. Allerdings hatte er mit seiner Sühne nur teilweise Erfolg; viele, unter anderem die Verwandtschaft seiner Ehefrau, hielten seine Wiedergutmachungsversuche für inakzeptabel.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 21&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Drei Vorbilder nannte Gandhi für sein Leben: den indischen Philosophen [[Shrimad Rajchandra]], den russischen Schriftsteller [[Leo Tolstoi]] und den englischen Philanthropen [[John Ruskin]].<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 22&nbsp;f.</ref><br />
<br />
=== Gandhi in Südafrika ===<br />
==== Anlass der Reise und erste Eindrücke ====<br />
Im April 1893 schickte ihn seine Familie zu dem indischen Geschäftsmann und Freund der Gandhis Dada Abdullah nach [[Pretoria]], um einen Rechtsstreit zu lösen. Gandhi eignete sich für diese Aufgabe, weil britische Anwälte dunkelhäutige Mandanten in der Regel recht nachlässig vertraten. Deshalb war es sinnvoll, einen rechtskundigen Landsmann heranzuziehen. Gandhi war davon überzeugt, dass Dada Abdullah im Recht war, und vereinbarte 1894 einen außergerichtlichen [[Vergleich (Recht)|Vergleich]] mit Abdullah und seinem Prozessgegner,<ref name="gandhiserve" /> der ihm 40.000 Pfund schuldete. Bei dem Treffen einigten sie sich auf eine Ratenzahlung der Summe, um Abdullahs Schuldner vor einer vollständigen Insolvenz zu bewahren. Gandhi hatte seinen ersten Fall in Südafrika somit innerhalb eines Jahres erfolgreich abgeschlossen und erfuhr große Anerkennung von den indischen Kaufleuten, die in Südafrika Handel betrieben.<br />
<br />
Ende Mai 1893 kam Gandhi mit dem Schiff an der Küste Südafrikas in der Hafenstadt [[Durban]] an. In seiner Autobiographie berichtet er von einem Erlebnis während seiner Zugfahrt von Durban nach Pretoria, von dem er sehr geprägt wurde. Wie gewohnt wollte er erster Klasse fahren, wurde jedoch als „Farbiger“ von einem Schaffner aufgefordert, in den Gepäckwagen umzusteigen. Als er sich weigerte, warf ihn der Schaffner in [[Pietermaritzburg]] aus dem Zug.<ref>siehe Rau: ''Gandhi'' (1970), S. 30.</ref> Um nach [[Johannesburg]] zu gelangen, fuhr er mit einer Postkutsche, da eine Zugverbindung nicht vorhanden war. Er wurde auf den Kutschbock verwiesen und vom Schaffner aufgefordert, sich auf den Boden zu setzen. Als Gandhi sich dieser Aufforderung widersetzte, schlug der Schaffner ihn und versuchte, ihn vom Kutschbock zu stoßen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 26.</ref><br />
In Johannesburg angekommen, löste er für die Zugreise nach Pretoria trotz seiner schlechten Erfahrungen wiederum eine Fahrkarte für die erste Klasse. Dieses Mal entging er einer weiteren Erniedrigung, weil die weißen Mitreisenden ihn duldeten.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 26.</ref> Mit der Zeit begriff Gandhi, dass er zwar offiziell ein gleichberechtigter Staatsbürger war, aber faktisch trotz seiner Angehörigkeit zur gesellschaftlichen Oberschicht durch seine Herkunft nur als Mensch zweiter Klasse angesehen wurde. Er schreibt:<br />
<br />
{{Zitat|Die Belästigungen, die ich persönlich hier zu dulden hatte, waren nur oberflächlicher Art. Sie waren nur ein Symptom der tiefer liegenden Krankheit des Rassenvorurteils. Ich musste, wenn möglich, versuchen, diese Krankheit auszurotten und die Leiden auf mich zu nehmen, die daraus entstehen würden.|ref=<ref>Mohandas Karamchand Gandhi: ''Mein Leben.'' Frankfurt am Main 1983, S. 70.</ref>}}<br />
<br />
Das Problem der Rassendiskriminierung bezog Gandhi dabei jedoch allein auf die indische Bevölkerung Südafrikas. Für die schwarze Bevölkerung übernahm er den von den Kolonialisten gebräuchlichen abwertenden Ausdruck ''[[Kaffer|Kaffir]]'' und empörte sich darüber, dass Inder von den Europäern „auf die Stufe der ungeschlachten Kaffirs degradiert“ würden. Er stellte fest, es gebe „große Unterschiede ... zwischen British Indians und den Kaffir-Rassen Südafrikas“ und sprach sich wiederholt vehement gegen die Vermischung von Indern mit der lokalen Bevölkerung aus.<ref>Uma Shashikant Meshtrie: ''From Advocay to Mobilization. Indian Opinion 1903–1914.'' In: Les Switzer (Hrsg.): ''South Africa's Alternative Press: Voices of Protest and Resistance, 1880s-1960s'' Cambridge University Press, 1997, S. 107.</ref> Während er die Segregation von Indern gegenüber Europäer ablehnte, war er der Ansicht, eine Separation von Indern und ''kaffirs'' sei eine „physische Notwendigkeit“.<ref>[[David Arnold (Historiker)|David Arnold]]: ''Gandhi''. Routledge, 2014, S. 61.</ref><br />
<br />
==== Erste Widerstandsaktionen ====<br />
Motiviert durch die ihm selbst widerfahrenen Diskriminierungen durch die [[Rassentrennung]], begann er, sich für die Rechte der [[Inder in Südafrika|indischen Minderheit]] von damals etwa 60.000 Menschen in [[Geschichte Südafrikas|Südafrika]] zu engagieren. Die Wut über die Vorfälle half ihm, seine Schüchternheit zu überwinden. Bereits eine Woche nach seiner Ankunft rief er in Pretoria eine Versammlung der dort lebenden Inder ein und schlug die Gründung einer indischen Interessenvertretung vor. Seine Zuhörer stimmten ihm mit Begeisterung zu.<br />
<br />
[[Datei:Natal Indian Congress.jpg|mini|Gandhi (hintere Reihe, Vierter von links) mit den Gründern des Natal Indian Congress (Fotografie aus dem Jahr 1895)]]<br />
Die [[Kolonialregierung]] hatte vor, den Indern das Wahlrecht zu entziehen ''(Franchise Bill)'', weil sie deren Einfluss auf die Politik vermindern wollte. Als Gandhi kurz vor seiner Abreise von dem Vorhaben erfuhr, beschloss er, zur Organisation des Widerstandes gegen dieses Gesetz in Südafrika zu bleiben.<ref name="gandhiserve" /> Er reichte – unterstützt von 500 weiteren Indern – eine [[Petition]] beim Parlament ein. Es gelang ihnen jedoch nicht, die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 28.</ref><br />
<br />
Gandhi gründete im August 1894 den [[Natal Indian Congress]] (kurz: ''NIC)'' in [[Natal (Provinz)|Natal]] nach dem Vorbild des 1885 gegründeten [[Indian National Congress]].<ref>[http://www.bruchsaler-friedensinitiative.de/personen/gandhi_m.html ''Personen der Friedensbewegung: Mahatma Gandhi'']. Abgerufen am 28. Juli 2008.</ref> Die regelmäßigen Versammlungen des Kongresses verbesserten nebenbei die Beziehungen zwischen den Indern der verschiedenen Kasten und Religionen.<br />
<br />
[[Datei:Kasturba and children.jpg|mini|Gandhis vier Söhne mit seiner Ehefrau Kasturba in Südafrika 1902]]<br />
<br />
Am 3. September 1894 wurde Gandhi vom [[Oberster Gerichtshof|Obersten Gerichtshof]] in Natal als erster indischer Anwalt zugelassen.<ref name="gandhiserve" /> Neben den Kaufleuten vertrat Gandhi als Rechtsanwalt auch die [[Kuli (Tagelöhner)|Kulis]].<ref name="gandhiserve" /> Diese Bevölkerungsgruppe bestand aus indischen [[Vertragsarbeiter]]n, die für jeweils fünf Jahre nach Südafrika geholt wurden. Mit Gandhi besaßen sie einen Rechtsanwalt, der sich für ihre Interessen einsetzte. Gandhi erlangte auf diese Weise Popularität und Beliebtheit bei den Kulis, die einen großen Teil der damaligen indischen Bevölkerung Südafrikas bildeten, sich eine Mitgliedschaft im Natal Indian Congress jedoch nicht leisten konnten.<br />
<br />
Von der Regierung wurde ein weiteres diskriminierendes Gesetz geplant, nach dem für Vertragsarbeiter, die nach Vertragsablauf in Natal bleiben wollten, eine jährliche [[Kopfsteuer]] in Höhe von 25 Pfund eingeführt werden sollte. Nach einer öffentlichen Kampagne des Natal Indian Congress wurde die Steuer auf drei Pfund gesenkt. Zwar stellten auch drei Pfund eine Belastung dar, aber eine Steuer in Höhe von 25 Pfund pro Jahr hätte eine Ausweisung nahezu aller Kulis bedeutet, die nach Ablauf ihres Vertrages in Südafrika bleiben wollten, weil sie in der Regel nicht im Stande gewesen wären, die hohe Summe aufzubringen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 29.</ref><br />
<br />
Im Juni 1896 fuhr Gandhi für sechs Monate zurück nach Indien, um Kasturba und seine beiden Kinder [[Harilal Gandhi|Harilal]] und [[Manilal Gandhi|Manilal]] nachzuholen. Er hatte zwei Schriften angefertigt, in denen er die schwierige Situation der Inder in Südafrika schilderte. Seine Schriften, das sogenannte ''Green Pamphlet'',<ref name="gandhiserve" /> wurden von mehreren Tageszeitungen auszugsweise veröffentlicht; die Inder reagierten bestürzt. Gandhi traf sich während seines kurzzeitigen Aufenthaltes mit einflussreichen indischen Politikern, wie dem Reformer [[Gopal Krishna Gokhale]] und dem revolutionswilligen [[Bal Gangadhar Tilak]].<ref name="gandhiserve" /><br />
<br />
Im Dezember 1896 kehrte Gandhi mit seiner Familie nach Südafrika zurück und wurde dort von etwa 5000 weißen Gegnern, die von seinen Schriften empört waren, umringt und niedergeschlagen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 1997, S. 45&nbsp;f., 49&nbsp;ff.</ref> Unter Polizeischutz musste Gandhi zu einem Freund gebracht werden, vor dessen Haus sich wiederholt eine zornige Menge von Menschen versammelte. Obwohl der Lynchversuch in London bekannt wurde und der Kolonialminister [[Joseph Chamberlain]] dazu aufforderte, die Schuldigen zu bestrafen, verzichtete Gandhi, der Namen von Tätern kannte, auf Erstattung einer Anzeige. Er trug damit zur Entspannung der Lage bei, da seine Verfolger seine Haltung respektierten.<ref name="gandhiserve" /><ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 22&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Gandhi mischte sich in häusliche Angelegenheiten sehr stark ein – anders als die traditionelle Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau es vorsah. So ordnete er beispielsweise an, was gekocht wird, und wirkte bei der Erziehung und Pflege seiner Kinder maßgeblich mit. Als 1900 sein vierter Sohn [[Devdas Gandhi|Devdas]] geboren wurde, übernahm er sogar die Aufgabe des Geburtshelfers, da in dem Moment keine Hebamme zugegen war. Des Weiteren ließ er aus Achtung und Rücksicht auf die ''[[Unberührbare]]n'' nicht zu, dass sie die Nachttöpfe seiner Familie entsorgten, und übernahm selbst diese Aufgabe. Er zwang auch Kasturba dazu, die immer mehr an dem ungewöhnlichen Verhalten ihres Ehemannes verzweifelte.<ref>siehe Rau: ''Gandhi'' (1970), S. 41.</ref><br />
<br />
[[Datei:Gandhi Boer war.jpg|mini|Gandhi (oben, Mitte) im Zweiten Burenkrieg (ca. 1899/1900)]]<br />
<br />
==== Zweiter Burenkrieg ====<br />
Während des [[Zweiter Burenkrieg|Zweiten Burenkrieges]] 1899 bewegte Gandhi eine Anzahl von 1100 Indern dazu, die Briten im Krieg zu unterstützen, um ihre Loyalität zu beweisen, die Inder als pflichtbewusste Bürger zu präsentieren und dadurch mehr Anerkennung für sie zu gewinnen.<ref name="gandhiserve" /> Weil Hindus aus Glaubensgründen in keinem Fall Menschen töten dürfen, leisteten die Inder nur Sanitätsdienst. Trotz der Anerkennung ihrer Dienste traten grundlegende Verbesserungen ihrer Situation nicht ein.<ref>[http://www.vaeternotruf.de/mahatma-gandhi.htm ''Mahatma Gandhi'']. Abgerufen am 28. Juli 2008.</ref> Schon kurz nach dem Ende des Burenkrieges 1902 folgte das nächste diskriminierende Gesetz, das Inder zwang, sich vor einer Einreise in die [[Burenrepublik]] registrieren zu lassen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 34.</ref><br />
<br />
Gandhi wollte, dass die Inder als gleichberechtigte britische Bürger von der Gesellschaft angesehen und akzeptiert werden, das Eintreten für Unabhängigkeit stand noch nicht auf seiner Agenda.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 31.</ref><br />
<br />
==== Einjähriger Aufenthalt in Indien ====<br />
Gandhi kam 1902 zu dem Entschluss, nach Indien zurückzukehren, um in [[Bombay]] eine Rechtsanwaltspraxis zu eröffnen und sich für die Rechte der Inder gegenüber der Kolonialmacht einzusetzen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 32.</ref><br />
<br />
Er besuchte Sitzungen des [[Indian National Congress]], lernte dort viele bedeutende indische Politiker kennen und traf seinen politischen [[Mentoring|Mentor]] Gopal Krishna Gokhale<ref>Dietmar Rothermund: [http://www.europa.clio-online.de/site/lang__de-DE/ItemID__141/mid__12188/40208766/Default.aspx ''Mahatma Gandhi und die britische Fremdherrschaft in Indien'']. Abgerufen am 16. Juli 2008.</ref> wieder, der im Vergleich zu Bal Gangadhar Tilak gemäßigtere Ansichten vertrat. Gokhale versuchte, die britischen Politiker durch Petitionen zu beeinflussen und auf diese Weise Indien Schritt für Schritt zu wandeln und das Mitspracherecht der Inder zu erweitern. Gandhi war jedoch vom Indian National Congress enttäuscht, weil der Kongress seiner Ansicht nach keine grundlegenden Verbesserungen für das alltägliche Leben der indischen Bevölkerung herbeiführte.<br />
<br />
In dieser Zeit bereiste Gandhi Indien, und zwar in der dritten Klasse, weil er sich mit dem einfachen Volk vertraut machen wollte.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 33.</ref><br />
<br />
==== Rückkehr nach Südafrika, Phoenix-Siedlung ====<br />
Auf Anfrage seiner Mitstreiter kam Gandhi im Dezember 1902 zurück nach Südafrika, um mit dem britischen Kolonialminister Joseph Chamberlain, der Südafrika besuchte, über die Rechte der Inder zu verhandeln. Es gelang ihm nicht, Chamberlain von seinen Ansichten zu überzeugen, und das Gespräch endete ergebnislos. Daraufhin folgte Gandhi ihm nach Pretoria und bat um ein zweites Gespräch, das ihm allerdings verweigert wurde.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 34.</ref><br />
<br />
Gandhi ließ sich im Februar 1903 in Johannesburg nieder und arbeitete dort als Rechtsanwalt. Weil er bei der indischen Bevölkerung ein hohes Ansehen genoss, gewann er viele Klienten. Obwohl er sich nur von Klienten bezahlen ließ, die es sich leisten konnten, war sein Verdienst recht hoch, und er konnte Geld zurücklegen.<ref>Mike Nicholson: ''Mahatma Gandhi.'' Würzburg 1989, S. 17.</ref> Im Dezember 1903 kam seine Familie nach.<br />
<br />
Zu dieser Zeit brach eine [[Lungenpest]] aus, von der aufgrund der schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen besonders die Bergarbeiter betroffen waren. Gandhi kümmerte sich um die Pflege der Erkrankten und finanzierte die Behandlung.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 34.</ref><br />
<br />
Er gründete 1904 in [[Inanda (KwaZulu-Natal)|Inanda]] die Zeitung ''Indian Opinion'', die auf Englisch sowie in einigen [[Sprachen Indiens|indischen Sprachen]] herausgegeben wurde und sich mit der Zeit zum Sprachrohr der Inder entwickelte. Einen großen Teil der Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Geld des ''Natal Indian Congress'' investierte er in den Druck, denn die Druckkosten waren aufgrund der stark ansteigenden Auflage sehr hoch.<br />
<br />
Inspiriert von dem britischen Schriftsteller John Ruskin, der in seinem Werk ''Unto this last'' Ethik und Wirtschaft verbindet, gründete Gandhi Ende 1904, unterstützt von Freunden und Verwandten, die ''Phoenix-Farm'' in Inanda, wo er und einige seiner Mitstreiter ihr Leben so anspruchslos wie möglich gestalteten. Alles, was sie zum Leben brauchten, versuchten sie in [[Selbstversorgung|eigener Produktion]] herzustellen. Auch die ''Indian Opinion'', für die Gandhi regelmäßig Beiträge schrieb und deren Chefredakteur er war, wurde in der kleinen Siedlung gedruckt. Im Dezember 1904 erschien die erste Ausgabe.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 34&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Askese und ethische Prinzipien ====<br />
[[Datei:Gandhi costume.jpg|mini|Gandhi 1906 in Südafrika]]<br />
<br />
Doch schon bald kehrte er nach Johannesburg zurück, wo seine juristischen Kompetenzen gebraucht wurden. 1905 holte er Kasturba und drei seiner Söhne nach, die sich zwischenzeitlich für einige Zeit in Indien aufgehalten hatten, während der älteste Sohn Harilal in Rajkot blieb. Kasturba litt unter dem ungewohnten spartanischen Leben, das ihr Ehemann in seinem Haus in Johannesburg weiterführte. 1906 legte er nach Diskussionen mit Vertrauten über das Für und Wider ein Keuschheitsgelübde ab und informierte erst danach seine Ehefrau, ohne ihr die Scheidung anzubieten. Er wollte sich vollständig auf seine politischen Aktivitäten konzentrieren.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 36.</ref> Damit erhoffte er, die sexuelle Energie in spirituelle umzuwandeln, und warf sich seit dem grausam niedergemetzelten Zulu-Aufstand häufig vor, Gewalttaten anderer nicht verhindern zu können.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 25.</ref><br />
<br />
Gandhi übte ''[[Brahmacharya]]'' (das „Eine-Wahre“, verbunden mit sexueller Enthaltsamkeit), was sich weniger auf das erste der vier klassischen Lebensstadien im Hinduismus bezieht als vielmehr aus der [[Yoga]]-Lehre stammt und innerhalb von [[Yama]] ein Moralprinzip bildet, wie auch [[Ahimsa]], die Gewaltlosigkeit. Zugleich begann er immer mehr, mit seiner Nahrung zu experimentieren, die nun roh, ungewürzt und so einfach wie möglich zu sein hatte. Dies nannte er ''Swaraj'', was Selbstzucht und Selbstbeherrschung bedeutet und nicht nur individuell, sondern auch politisch gemeint war als Herrschaft über sich selbst.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 85, 96&nbsp;f.</ref> Seine kastenübergreifende religiöse Ausrichtung wird auch als [[Neohinduismus]] bezeichnet.<ref>Peter Antes: ''Grundriss der Religionsgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart.'' Stuttgart 2006, S. 58.</ref><br />
<br />
Ein anderer wichtiger Grundbegriff in Gandhis Ethik war seine Wortschöpfung ''[[Satyagraha]]'' („Festhalten an der Wahrheit“), ein Ausdruck, den er geprägt hatte, um nicht von [[Passiver Widerstand|passivem Widerstand]] zu sprechen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 35.</ref> Er verfolgte damit eine aktive Strategie der Nichtkooperation, d.&nbsp;h. Übertretung ungerechter Gesetze und Anweisungen, Streiks, einschließlich Hungerstreiks, Boykotte und Provokation von Verhaftungen. Satyagraha war für ihn eng verbunden mit Gewaltlosigkeit:<br />
<br />
{{Zitat|Wahrheit schließt die Anwendung von Gewalt aus, da der Mensch nicht fähig ist, die absolute Wahrheit zu erkennen, und deshalb auch nicht berechtigt ist zu bestrafen.|ref=<ref>Madeleine und Romain Rolland (Hrsg.): ''Jung Indien. Aufsätze aus den Jahren 1919 bis 1922.'' Zürich 1924, S. 241.</ref>}}<br />
Die Satyagraha-Bewegung entwickelte sich nach und nach von den Zulu-Aufständen an, über die Kampagne gegen die Meldegesetze bis zum schließlich erfolgreichen Kampf um die Unabhängigkeit Indiens.<br />
<br />
==== Zulu-Aufstand ====<br />
[[Datei:Gandhi Zulu war.jpg|mini|Gandhi (mittlere Reihe, Vierter von links) und seine Sanitätereinheit während des Zulu-Aufstands von 1906]]<br />
<br />
Im Februar 1906 töteten Angehörige der [[Zulu (Volk)|Zulu]] zwei Polizisten, nachdem eine neue [[Kopfsteuer]] erlassen worden war. Daraus entwickelten sich kriegerische Auseinandersetzungen zwischen 1500 nur mit Speeren bewaffneten [[Indigene Völker|Ureinwohnern]] und britischen Kolonialtruppen in Verbindung mit Polizeieinheiten.<br />
<br />
Wie schon während des Burenkrieges forderte Gandhi am 17. März seine Landsleute auf, eine Sanitätereinheit zu bilden. Er rückte mit nur 24 Mann an und half Verwundeten beider Seiten. Gandhi war von der Gewalt der militärisch weit überlegenen Briten bestürzt, die den Aufstand im Juli 1906 brutal niederschlugen und die Überlebenden sowie sympathisierende Zulu inhaftierten oder deportierten.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 34&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Widerstand gegen das Meldegesetz, Beginn der Satyagraha-Bewegung ====<br />
In [[Transvaal]] wurde im März 1907 ein [[Meldegesetz]] ''(Asiatic Law Amendment Act)'' ausschließlich für Inder in Kraft gesetzt.<ref>[http://scnc.ukzn.ac.za/doc/HIST/LAWS.htm ''Segregation and Apartheid Laws as Applied to Indians (1859–1994)'']. Auf der Website des Gandhi-Luthuli Documentation Centre, Durban</ref> Bei der Registrierung nahmen die Meldebüros Fingerabdrücke zur Identifikation und gaben Meldescheine aus, die Inder stets bei sich tragen mussten. Am 1. Januar 1907 war Transvaal politisch unabhängig geworden, und das Gesetz konnte mit einer ausschließlich formalen Zustimmung der britischen Regierung erlassen werden.<br />
<br />
Gandhi organisierte eine Versammlung, auf der etwa 3000 Inder schworen, die Meldepflicht zu ignorieren. Außerdem reiste er nach London und führte Gespräche mit britischen Politikern. Das Ergebnis war für Gandhi dieses Mal befriedigend; das Meldegesetz wurde gestoppt.<br />
<br />
Weil die meisten Inder, die einen Schwur zum Brechen des Gesetzes abgelegt hatten, die Registrierung verweigerten, verlängerte der Innenminister [[Jan Christiaan Smuts]] die Frist. Er drohte bei Nichteinhaltung des Ultimatums mit Gefängnisstrafen und Deportationen. Trotz der Drohungen ließen sich nur wenige weitere Inder registrieren. Mit der Übertretung des ungerechten Meldegesetzes fand die Satyagraha-Bewegung ihren Anfang.<br />
<br />
Ende Dezember 1907 wurden Gandhi und 24 seiner Satyagrahis verhaftet. Viele seiner Anhänger protestierten vor dem Gerichtsgebäude, und weitere Inder ließen sich verhaften, sodass sich Ende Januar bereits 155 Inder im Gefängnis befanden. Während seines zweimonatigen Gefängnisaufenthaltes las Gandhi ein Essay des US-Amerikaners [[Henry David Thoreau]] aus dem Jahr 1849, in dem die Strategie des [[Ziviler Ungehorsam|zivilen Ungehorsams]] behandelt wird. Darin fand Gandhi seine Philosophie wieder.<br />
<br />
Schließlich schlug er die Registrierung der Inder und im Gegenzug die Abschaffung des Meldegesetzes vor. Jan Christiaan Smuts erklärte sich zu dem Kompromiss bereit und entließ Gandhi und seine Anhänger aus dem Gefängnis. Als Gandhi dem Gesetz selbst nachkommen wollte, versuchten einige Inder, die nicht an das Versprechen Smuts’ glaubten, vergeblich, ihn durch Gewalt davon abzuhalten. Obwohl die meisten Inder sich registrieren ließen, wurde das Gesetz dennoch erlassen. Gandhi bemerkte, dass seine Prinzipien von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit von den Briten nicht eingehalten wurden. Gandhi lehnte es ab, seine politischen Pläne geheim zu halten, vielmehr gehörte Transparenz zu seinem Programm. Damit wollte er Anhänger gewinnen, aber auch die Gegner herausfordern, sich selbst infrage zu stellen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 27&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Im August 1908 verbrannten Tausende Inder, angeführt von Gandhi, auf einer Versammlung in Johannesburg ihre Meldescheine. Er und seine Anhänger reisten in Gruppen aus Natal zur Grenze Transvaals, um eine Massenverhaftung zu provozieren. Er selbst sowie 250 seiner Anhänger wurden zu zwei Monaten Haft und Zwangsarbeit verurteilt.<br />
Im Dezember 1908 wurde Gandhi wieder freigelassen und pflegte Kasturba, die zwischenzeitlich schwer erkrankt war. Anschließend fuhr er wiederholt nach Transvaal, um sich erneut inhaftieren zu lassen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 37–40.</ref><br />
<br />
Die Regierung unternahm durch Behinderung des Handels und Verweigerung von Aufenthaltsgenehmigungen Versuche, die Inder wieder besser unter Kontrolle zu bekommen. Nach Ansicht der Händler hatte die Bewegung Gandhis sich zu sehr radikalisiert; schließlich waren auch sie von den Gegenmaßnahmen der Regierung betroffen. Die Folge war, dass viele Geschäftsleute die aktive und finanzielle Unterstützung einstellten. Dadurch ergaben sich für Gandhi finanzielle Engpässe, denn seine Arbeit als Rechtsanwalt hatte er zugunsten der Organisation des Widerstandes bereits aufgegeben.<br />
<br />
Während der Kampagne gegen das Meldegesetz hatte sich Gandhi mit dem Prozess des [[Sokrates]] befasst, Sokrates als verwandten Denker entdeckt und seine [[Apologie (Platon)|Verteidigungsrede]] in die indische Sprache [[Gujarati]] übertragen. Diese Schrift war später in Indien von der Zensur betroffen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 37.</ref><br />
<br />
==== Das Manifest ''Hind Swaraj or Indian Home Rule'' ====<br />
1909 reiste Gandhi nach London und traf dort radikale indische Revolutionäre. Diese Gespräche veranlassten ihn, seine Philosophie nochmals zu überdenken. Sein Buch ''Hind Swaraj or Indian Home Rule'' (deutsch: ''Indiens Freiheit oder Selbstregierung)''<ref>deutschsprachige Ausgabe: Mahatma Gandhi: ''Wege und Mittel.'' Zürich 1996.</ref> ist teilweise [[Zivilisationskritik|zivilisationskritisch]] geprägt. So behauptet er hier, Ärzte und Rechtsanwälte seien in Indien überflüssig, obwohl er noch ein Jahr zuvor indische Ärzte und Rechtsanwälte in Südafrika für unabdingbar erklärt hatte, kritisiert die britische Gesellschaft und Regierung und erklärt, das anspruchslose Leben habe vor dem wirtschaftlichen Fortschritt und Wachstum Vorrang. Der britischen Herrschaft über Indien könne durch [[Kampagne der Nichtkooperation|Verweigerung der Zusammenarbeit]] ein Ende gesetzt werden, weil sie auf die Zusammenarbeit mit den indischen Untertanen angewiesen sei. Da die schädlichen Auswirkungen religiöser Gewalt bereits durchschaut seien und durch Annäherung abgestellt werden könnten, beurteilt er die Schäden durch die Zivilisation weitaus strenger.<ref>Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen.'' München 2006, S. 48.</ref> Die von anderen verlangte Selbstregierung ''(Home Rule)'' sei mit der Übernahme des britischen Politik- und Gesellschaftssystems verbunden und stehe damit im Gegensatz zu Indiens wirklicher Selbstbestimmung ''(Swaraj)''.<br />
<br />
Die Schrift wurde zunächst auf Gujarati in seiner Zeitung ''Indian Opinion'' veröffentlicht, 1910 auf Englisch. Die gujaratische Fassung kam auf die koloniale Verbotsliste, weil sie für viele Inder im Gegensatz zur englischen Ausgabe verständlich war.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 29.</ref> Gandhi schickte die Arbeit auch an Leo Tolstoi, der Gandhi durch seine Schriften, insbesondere durch ''[[Das Reich Gottes ist inwendig in euch]]'' und die ''Kurze Darlegung der Evangelien,'' bereits in jungen Jahren stark beeinflusst hatte. Kurz vor seinem Tod las Tolstoi das Manifest und bestärkte Gandhi in einem Brief.<br />
<br />
==== Die Tolstoi-Farm ====<br />
[[Datei:Tolstoy farm.jpg|220px|mini|Die Tolstoi-Farm 1913]]<br />
<br />
Gandhi ließ sich in Transvaal nieder. Dort verfügte er jedoch weder über eine Unterkunft noch über Einkünfte. Der deutsche Architekt [[Hermann Kallenbach]], Sohn jüdischer Eltern, mit dem er befreundet war, stellte ihm deshalb im Mai 1910 ein Stück Land zur Verfügung. Zusammen mit weiteren Mitstreitern wollte er die in der Phoenix-Siedlung praktizierte Lebensweise fortsetzen und seine Ideale [[Autarkie|wirtschaftlicher Autarkie]] und Besitzlosigkeit verwirklichen. Die Siedlung nannten sie ''Tolstoi''. 1912 verpflichtete sich Gandhi, auf jeglichen Privatbesitz zu verzichten.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 42&nbsp;f.</ref> Im selben Jahr kam Gokhale zur Tolstoi-Farm und fuhr mit Gandhi durch Südafrika, hielt überzeugende faktenreiche Reden, von denen Gandhi viel lernte, und erreichte Zugeständnisse von der Regierung Smuts hinsichtlich der Registrierung und Kopfsteuer, die aber wiederum nicht eingehalten wurden.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 30.</ref><br />
<br />
==== Widerstand gegen das Ehegesetz ====<br />
[[Datei:Transvaal Protest March.jpg|mini|Der Protestmarsch nach Transvaal 1913]]<br />
[[Datei:Gandhi satyagrahi.jpg|mini|Gandhi 1913, als ''Satyagrahi'']]<br />
<br />
Nach einem neuen Gesetz, das 1913 beschlossen worden war, wurden nur noch christlich geschlossene Ehen offiziell als gültig angesehen. Die Inder waren aufgebracht, schließlich lebten sie somit im [[Konkubinat]] und die Kinder galten als unehelich. Gandhi ermutigte seine Landsleute zum [[Gewaltloser Widerstand|gewaltlosen Widerstand]] gegen das Gesetz. Indische Arbeiter streikten, auch die Frauen protestierten. Die Briten reagierten mit Gewalt auf diese Aktionen, und die Frauen wurden verhaftet. Gandhi und seine Anhänger marschierten zur Grenze nach Transvaal, um eine erneute Massenverhaftung auszulösen. Während der Aktion wurde Gandhi mehrmals verhaftet und wieder freigelassen.<ref>Heimo Rau: ''Gandhi.'' 29. Auflage. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50172-4, S. 63.</ref> Als sie schließlich an der Grenze ankamen, kam er ebenso wie seine Satyagrahis, darunter auch Hermann Kallenbach, ins Gefängnis in [[Bloemfontein]]. Weitere Anhänger Gandhis wurden in Bergwerken eingesperrt, weil die Gefängnisse inzwischen ausgelastet waren.<br />
<br />
Auf Druck der Weltöffentlichkeit sah sich Jan Christiaan Smuts gezwungen, eine Untersuchungskommission einzurichten, die jedoch nur aus weißen Mitgliedern bestand. Aus diesem Grund verweigerte Gandhi, der inzwischen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden war, die Zusammenarbeit mit dieser Kommission.<br />
<br />
Zur selben Zeit begannen die Eisenbahnarbeiter zu streiken. Dieser Streik war zwar nicht auf den Widerstand der Inder zurückzuführen, führte aber dazu, dass die Briten mit der Lage überfordert waren, obwohl Gandhi seine Widerstandsaktionen zunächst eingestellt hatte. Die Folge war, dass Anfang 1914 der ''Indian Relief Act'' verabschiedet wurde, der die Situation der indischen Bevölkerung entschieden verbesserte: Nichtchristliche Ehen wurden wieder als gültig anerkannt, sowohl die Kopfsteuer als auch die Registrierungspflicht wurden aufgehoben, und die indische Einwanderung wurde erlaubt.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 43&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Die Satyagrahis hatten ihre Ziele 1914 weitgehend erreicht, und Gandhi trat Ende 1914 die endgültige Heimreise nach Indien an.<br />
<br />
=== Kampf für Indiens Unabhängigkeit ===<br />
==== Harijan Ashram: Vorbild für ein unabhängiges Indien ====<br />
[[Datei:Gandzi.jpg|mini|Gandhis Zimmer im Harijan-Ashram mit Spinnrad]]<br />
<br />
Zurück in Indien, trat er 1915 dem [[Indian National Congress]] (INC) bei und ließ sich von dessen gemäßigtem Leiter [[Gopal Krishna Gokhale]] einführen. Gleichzeitig baute er seinen ''[[Harijan Ashram]]'' auf, wo er auf der Grundlage seiner Interpretation des hinduistischen Prinzips ''[[Ahimsa]]'' (Gewaltlosigkeit) von 1918 bis 1930 lebte. Er formulierte 11 Selbstverpflichtungen für das Leben im Ashram: Liebe zur Wahrheit, Gewaltlosigkeit, Keuschheit, Desinteresse an Materiellem, Furchtlosigkeit, vegetarische Ernährung, nicht stehlen, körperliche Arbeit, Gleichheit der Religionen, Einsatz für die „Unberührbaren“ und ausschließliche Verwendung inländischer Produkte ''(Swadeshi)''.<ref>Giovanni Matazzi: ''Mahatma Gandhi. Die große Seele.'' Berlin 2004, S. 52&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Diese Maximen des ''Satyagraha'' verband er mit der Überzeugung ''(Sarvodaya)'', wonach jeder einzelne Mensch durch Selbstverpflichtung und Selbstbeherrschung zum Wohl aller Menschen beiträgt, sodass sein moralischer Aufstieg und das daraus resultierende Handeln dem Fortschritt aller dient.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 241.</ref> Das einfache, bäuerliche, ethisch und religiös begründete und auf Selbstversorgung beruhende Leben der kleinen Ashram-Gemeinschaft wollte er zum Vorbild für ein freies, auch wirtschaftlich von Großbritannien unabhängiges Indien machen.<br />
<br />
Er bediente selbst ein altes Spinnrad, lehnte den Gebrauch der englischen Sprache mehr und mehr ab und ließ Schüler in seinem Sinne unterweisen.<ref>Heimo Rau: ''Gandhi.'' 29. Auflage. Reinbek b. Hamburg 2005, S. 68&nbsp;ff.</ref> Das Spinnen wurde zum Symbol der indischen Unabhängigkeit. Gandhi erwartete, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligten. Er bediente das Spinnrad selbst in politischen Versammlungen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 53.</ref> Um seine Spinnradkampagne zu finanzieren, unternahm er Bahnreisen in der dritten Klasse durch Indien und sammelte Spenden, die ihm großzügig zuteilwurden. Damit erwarb er Spinnräder für die Bauern, ließ Lehrer für Spinnen und Weben ausbilden und gab Geld für Geschäfte, die Textilien aus den Dörfern verkauften. Das Spinnrad ist noch heute Teil der [[Flagge Indiens|indischen Flagge]].<ref>Louis Fischer: ''Gandhi. Prophet der Gewaltlosigkeit.'' München 1983, S. 108&nbsp;f.</ref><br />
<br />
[[Madeleine Slade]], von Gandhi Mirabehn genannt, die Tochter des britischen Kommandeurs der ostindischen Flottenstation in Bombay, Sir Edmund Slade, schloss sich der Gemeinschaft an und hatte lange Jahre ein sehr enges Verhältnis zu Gandhi.<ref>Sophie Mühlmann: [https://www.welt.de/print-welt/article347809/Gandhi-und-die-Schuelerin.html ''Gandhi und die Schülerin'']. In: [[Welt Online]], 22. Oktober 2004.</ref><br />
<br />
Ab 1928 gab es Auseinandersetzungen im Ashram, da Gandhi seine Lebensprinzipien streng zur Maxime der gesamten Gemeinschaft machen wollte. So sollten beispielsweise nur noch ungewürzte Lebensmittel gegessen werden, private Ersparnisse waren nicht erlaubt. Gandhi entließ bezahlte Arbeitskräfte und verlangte, die Ashramgemeinschaft sollte die Arbeiten selbst übernehmen. Er verließ 1930 den Ashram, in dem sich heute ein Gandhi-Museum befindet.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 60.</ref><br />
<br />
==== Der „Anarchist anderer Art“, Weggefährten ====<br />
Seine erste Rede in Indien hielt Gandhi als Gastredner zur Eröffnung der ''Banaras Hindu University'' im Februar 1916. Auf dem Podium saßen die Gründerin der Universität, [[Annie Besant]], Politiker und Fürsten. Gandhi drückte zunächst sein Bedauern aus, dass er die Rede nicht in einer der indischen Sprachen vortrug, sondern in Englisch halten musste, erklärte die Vorteile der Gewaltlosigkeit gegenüber gewaltsamen Aktionen und bezeichnete sich in diesem Zusammenhang als „[[Anarchismus|Anarchist]] anderer Art“.<ref>[http://www.graswurzel.net/225/gandhi.shtml „Ich selbst bin Anarchist, aber von einer anderen Art.“] M.&nbsp;K. Gandhis Rede zur Einweihung der Hindu-Universität von Benares, 6. Februar 1916, In: ''[[Graswurzelrevolution]].'' 225/Januar 1998.</ref> Annie Besant protestierte, es kam zu einem Tumult, und die Rede musste abgebrochen werden. Die Auseinandersetzungen zwischen Gandhi und Besant wurden auch öffentlich in der Presse ausgetragen. Gandhi kritisierte, dass Besant nur die Mittel- und Oberschicht anspreche, nicht aber die Masse der Bauern. Außerdem war er der Meinung, der indische Unabhängigkeitskampf dürfe nur von Indern ausgetragen werden.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 46&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Gandhis Verhältnis zum Anarchismus war vielschichtig. Er teilte die anarchistische Ansicht, die Macht des Staates unterdrücke das Individuum, das für ihn die „Wurzel allen Fortschritts“ darstellte.<ref name="gier" /> Ebenso stimmte er mit [[Henry David Thoreau]] darin überein, die Regierung sei am besten, die am wenigsten regiere und war der Ansicht, „eine Demokratie basierend auf Gewaltlosigkeit“ sei „die größte Annäherung an reinen Anarchismus“<ref name="ashu">Ashu Pasricha: ''Rediscovering Gandhi Vol 4: Consensual Democracy: Gandhi On State Power And Politics''. Concept Publishing Company, 2010, S. 25ff.</ref> Individuen sollten nach Gandhi basierend auf ihrer selbst erkannten Wahrheit agieren, unabhängig von Beurteilung und Konsequenzen durch andere. Sein Konzept der Dorfrepubliken nannte er selbst eine „erleuchtete Form des Anarchismus“, in der „jeder [sein] eigener Regent“ sei. Gandhi war jedoch (ebenso wie Thoreau) kein Anarchist im üblichen Sinne. Auch stand er im Gegensatz zu [[Libertarismus|libertären]] Theorien, deren Ablehnung staatlicher Regulierung und Eingriffe auf der Betonung gegenseitiger Eigeninteressen beruhen, während seine Prinzipien der Gewaltlosigkeit und Leidensfähigkeit das Eigeninteresse minimieren und Selbstbeschränkung und -disziplinierung vorgeben. Das ''Satyagraha'' bildet ein System der äußeren Eingrenzung in der Zusammenarbeit für das Gemeinwohl. Nicholas Gier ordnet Gandhi daher eher einem [[Kommunitarismus|kommunitaristischen]], reformierten Liberalismus zu.<ref name="gier">Nicholas F. Gier: ''Nonviolence as a Civic Virtue: Gandhi and Reformed Liberalism.'' In: Douglas Allen: ''The Philosophy of Mahatma Gandhi for the Twenty-First Century''. Lexington, 2008, S. 121–142.</ref> Das Konzept des Gewaltverzichts, der persönlichen Wahrheitserkenntnis und Reinheit hat nur teilweise Entsprechung in den Theorien klassischer westlicher Anarchisten wie [[Pierre-Joseph Proudhon|Proudhon]], [[Michail Alexandrowitsch Bakunin|Bakunin]] oder [[Pjotr Alexejewitsch Kropotkin|Kropotkin]]. Das Prinzip der Ausbildung moralischer Gesetze und persönlicher Disziplin in Gandhis Gemeinschaftskonzept setzt andere Schwerpunkte als diese. Seine Überzeugung, das Individuum müsse das Göttliche in sich selbst finden, dann sei es „allen Regierungen überlegen“, ähnelt den Schriften [[Lew Nikolajewitsch Tolstoi|Tolstois]]. Asha Pasricha bezeichnet Gandhi davon ausgehend als „religiösen Anarchisten“.<ref name="ashu" /><br />
<br />
Einer seiner wichtigsten Schüler und Weggefährten seit 1916 bis zu seinem Tod war [[Vinoba Bhave]], der häufig als Gandhis spiritueller Nachfolger angesehen wird. Ein weiterer, mindestens ebenso wichtiger politischer und persönlicher Freund war [[Vallabhbhai Patel|Sadar Patel]], der ihn in allen weiteren Kampagnen maßgeblich unterstützte. 1917 wurde der spätere indische Ministerpräsident [[Jawaharlal Nehru]] sein Sekretär.<br />
<br />
==== Widerstand gegen den Ausnahmezustand ====<br />
[[Datei:Young India Pamphlet, September 1919.djvu|mini|Titelseite von ''Young India'', September 1919]]<br />
<br />
Nachdem viele Inder bereits die von der Kolonialmacht ohne indische Zustimmung dekretierte Teilnahme am Ersten Weltkrieg kritisiert hatten, führte die Verlängerung des Ausnahmezustands und des Kriegsrechts 1919 durch den [[Rowlatt Act]] zu Widerstand unter den politisch interessierten Indern unterschiedlicher Herkunft. Während liberale Politiker partielle Autonomie forderten, setzten sich radikalere wie [[Annie Besant]] für ''[[Home Rule]]'' ein, d.&nbsp;h. die Selbstregierung mit Bindungen zum Britischen Königreich, und wandten sich gegen Gandhi. Gandhi aber, der für Annie Besant eingetreten war, als sie sich in Haft befand, unterstrich die Forderung nach vollständiger Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien mit seinen gewaltfreien Aktionen.<br />
<br />
Anfang April 1919 initiierte der [[Indian National Congress]] (INC) Massenproteste gegen die britische Kolonialregierung, an denen Hindus wie auch die anderen Bevölkerungsgruppen teilnahmen. Bereits am ersten Tag, dem 6. April, kam es zu streikartigen Aktionen von Händlern und Geschäftsleuten, die Gandhi als ''[[Hartal]]'' bezeichnete. Arbeit und Handel lagen für einen Tag brach, die Beteiligten sollten nach Gandhis Vorstellung fasten und beten. Seine verbotenen Schriften ''Hind Swaraj'' und ''Sarvodaya'' wurden verkauft, ohne dass die Briten eingriffen.<br />
<br />
Die Wahl der Mittel war jedoch umstritten. Bei weiteren Aktionen hielten sich viele nicht an die Prinzipien des gewaltfreien ''Satyagraha''. Britische Einrichtungen und Privathäuser gingen in der nordindischen Stadt [[Amritsar]], wo zwei Anführer der Bewegung verhaftet worden waren, in Flammen auf. Daraufhin verbot der Gouverneur des [[Punjab]] alle Manifestationen und erteilte einen Schießbefehl. Britische Soldaten töteten am 19. April 1919 beim [[Massaker von Amritsar]] in einem durch eine Mauer abgegrenzten Park, wo eine friedliche Versammlung stattfand, 379 Männer, Frauen und Kinder, 1200 Menschen wurden verletzt. Die Weltöffentlichkeit wurde aufmerksam, und die Protestbewegung erhielt Auftrieb, doch Gandhi fühlte sich am Tod der Opfer des Blutbads mitschuldig.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 53–55.</ref><br />
<br />
Im selben Jahr gründete Gandhi die zweisprachige Wochenzeitung ''Young India'', in der er seine Weltanschauung verbreitete.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' 2006, S. 79.</ref><br />
<br />
==== Kalifat-Kampagne und Aufstieg im Indischen Nationalkongress ====<br />
Viele indische Muslime waren empört darüber, dass das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]], das zu den Verliererstaaten des Ersten Weltkrieges gehörte, in quasi neokolonialer Manier unter den Siegermächten, zu denen auch Großbritannien gehörte, aufgeteilt werden sollte. Der osmanische Sultan galt vielen Muslimen als [[Kalif]], als religiös-weltlicher Führer aller Muslime weltweit. Gandhi solidarisierte sich 1920/21 mit ihrer [[Khilafatbewegung|Kalifat-Kampagne]] – im Gegensatz zu [[Muhammad Ali Jinnah]], dem eher [[Säkularismus|säkular]] eingestellten Vorsitzenden der [[Muslimliga]]. Dieser Umstand führte 1920 zum Austritt Jinnahs aus dem Indischen Nationalkongress.<br />
<br />
Es ist umstritten, ob Gandhis Engagement für die Kalifat-Kampagne langfristig das friedliche Zusammenleben zwischen Hindus und Muslimen belastete und schließlich zur Teilung des Landes beitrug (die Gandhi vehement ablehnte). [[Dietmar Rothermund|Rothermund]] (2003) bezeichnet es als „Fehler“, dass sich Gandhi ohne fundierte Kenntnisse über panislamische Bewegungen gegen den einflussreichen Jinnah stellte.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 10, S. 44.</ref> Laut Eberling (2006) unterschätzte Gandhi die Gegensätze zwischen Hindus und Muslimen, die nicht nur religiöser, sondern auch politischer Art gewesen seien, denn die Hindus bildeten in Indien die Oberschicht.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 56.</ref> Dieter Conrad (2006) erscheint Gandhis religiös gefärbte Unterstützung der Kalifatsbewegung „äußerst gewagt“. Seinen Versuch, die Unterschiede der beiden Religionen Hinduismus und Islam zu seinem eigenen Anliegen zu machen, sich auf die Seite der streng religiösen Muslime zu stellen mit dem Ziel gegenseitiger religiöser Rücksichtnahme, erwies sich als Fehlkalkulation. So hoffte Gandhi beispielsweise vergeblich auf eine freiwillige Beendigung des rituellen Kuhschlachtens seitens der Muslime. Jinnah hatte Gandhi vor dieser seiner Ansicht nach reaktionären Bewegung mehrmals gewarnt<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 66.</ref> und warf ihm religiösen [[Zelot]]ismus vor.<ref>Ayesha Jalal: ''The Sole Spokesman: Jinnah, the Muslim League and the Demand for Pakistan.'' CUP, Cambridge 1994, ISBN 0-521-45850-1, S. 8.</ref> Conrad zufolge bestätigten sich später diese Warnungen, als blutige Unruhen zwischen Hindus und Muslimen zunahmen.<ref>Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.'' München 2006, S. 43&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Nach der Auseinandersetzung mit Jinnah erlangte Gandhi mehr Einfluss im Indischen Nationalkongress, der bisher eine Gemeinschaft der indischen Gebildeten gewesen war. Unter Gandhis geistiger Anleitung entwickelte er sich zur Massenorganisation und zur wichtigsten Institution der [[Britisch-Indien#Zeit der Unabhängigkeitsbewegung|indischen Unabhängigkeitsbewegung]]. Die indischen Sprachen sollten Vorzug vor dem Englischen bekommen, auch die Landbevölkerung sollte eine Vertretung erhalten.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 46.</ref> Besonders nach der Weltwirtschaftskrise waren die Abgaben an die Kolonialherren für die Bauern sehr stark gestiegen, sodass sie sich dem INC vermehrt zuwandten.<ref>Dietmar Rothermund: ''Der Strukturwandel des britischen Kolonialstaates in Indien 1757–1947.'' In: Wolfgang Reinhard (Hrsg.): ''Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse.'' (= Schriften des Historischen Kollegs. Band 47). R. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-56416-1, S. 78.</ref><br />
<br />
==== Kampagne der Nichtkooperation ====<br />
Um die Briten zu zwingen, den indischen Subkontinent zu verlassen, etablierte Gandhi das Konzept der Nichtzusammenarbeit: Alle indischen Angestellten und Unterbeamten sollten nicht mehr für die Kolonialherrscher tätig werden, jegliche Kooperation sollte gewaltfrei verweigert werden, um so die Briten zu entmachten. Im August 1920 rief Gandhi die [[Kampagne der Nichtkooperation]] offiziell aus. Er glaubte, die Gewaltlosigkeit sei der Gewalt weit überlegen. Einhunderttausend Briten in Indien war es nicht möglich, ein Land von damals dreihundert Millionen Indern zu beherrschen, wenn diese jegliche Zusammenarbeit verweigerten. Zunächst stand dabei [[Subhash Chandra Bose]] an seiner Seite, ein indischer Freiheitskämpfer, der später für den Einsatz militärischer Mittel plädieren sollte.<br />
<br />
[[Datei:Boycott of foreign clothes.jpg|mini|250px|Aufruf zum Boykott ausländischer Kleidung in der Zeitung ''The Bombay Chronicle'' vom 30. Juli 1921]]<br />
<br />
Zum ökonomischen Hintergrund gehörten die außerordentlich hohe Besteuerung des Bodens durch die Kolonialmacht und die anderen Abgaben, die die Inder zu leisten hatten, sowie die fehlenden Schutzzölle gegen Importwaren – Umstände, die der INC möglichst schnell ändern und durch autochthone wirtschaftliche und politische Strukturen ersetzen wollte.<ref>Gita Dharampal-Frick: ''Das unabhängige Indien. Visionen und Realitäten.'' In: ''Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse.'' Hg. Wolfgang Reinhard, Schriften des Historischen Kollegs. R. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-56416-1, S. 88, und Protokoll v. Dharmapal-Fricks Ausführungen, S. 360.</ref> Gandhi propagierte den Boykott von Importwaren, insbesondere aus Großbritannien. Durch die Herstellung selbstgesponnener Kleidung sollte jeder Inder – gleichgültig ob Mann oder Frau, arm oder reich – die Unabhängigkeitsbewegung unterstützen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 55–59.</ref><br />
<br />
Gandhi stand nunmehr auf dem Zenit seines Ruhms. Wo er auftrat, traten Arbeiter, Bauern, Regierungsangestellte und Vertreter von Bildungsinstitutionen in den Streik. Britische Importkleidung wurde öffentlich verbrannt. Die Zahl der politischen Gefangenen erreichte 20.000. Seit 1921 kleidete sich Gandhi wie die Ärmsten nur noch mit einem Lendentuch. 1922 begann er im Bardoli-Distrikt Gujarats mit Unterstützern eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gegen eine massive Steuererhöhung. Es wurden mehrere Ashrams gegründet.<br />
<br />
Doch auch diese Kampagne endete in Gewalt. In dem nordindischen Dorf Chauri Chaura griff eine aufgepeitschte Menge Polizisten an und verbrannte sie in der Polizeistation. Auch zwischen Hindus und Muslimen kam es erneut zu Ausschreitungen. Gandhi brach daraufhin die Kampagne sofort ab, was viele Kongressmitglieder, darunter Nehru, missbilligten. Gandhi nahm in dem folgenden Prozess alle Schuld auf sich, verlor seine Zulassung als Anwalt und wurde zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Offiziell wegen einer Blinddarmoperation, wurde er bereits 1924 entlassen. Ein Grund dafür war, dass im selben Jahr erstmals eine [[Independent Labour Party|Labour-Regierung]] an die Macht gekommen war, die Gandhi positiver beurteilte als die konservativen Regierungen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Stuttgart 2010, S. 62&nbsp;f.</ref><ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 50.</ref><ref>Heimo Rau: ''Gandhi.'' 29. Auflage. Reinbek bei Hamburg 1970, 2005, S. 80&nbsp;f.</ref><ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 56&nbsp;f.</ref> Ende 1924 wurde Gandhi zum Präsidenten des INC gewählt.<br />
<br />
1923 hatte der französische linkspazifistische Literaturnobelpreisträger [[Romain Rolland]] sich mit den geistigen Traditionen Indiens beschäftigt und eine Artikelserie über Gandhi veröffentlicht, woraus das Buch ''Mahatma Gandhi'' entstand, das 1924 erstmals aufgelegt wurde und ein sehr positives Bild Gandhis zeichnete. Er nennt Gandhi den „indischen [[Franz von Assisi|Franziskus]]“.<ref>Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.'' München 2006, S. 49.</ref><br />
<br />
Viele Kongressmitglieder folgten Gandhis Weg nicht, sondern wollten vielmehr Indien zu einem modernen Staat machen. Gandhi gab den Vorsitz der Kongresspartei 1925 turnusgemäß auf und schloss nach einem Gelübde ein Jahr des Schweigens in seinem Ashram an, eine Geste, mit der er sich gegen die „Geschwätzigkeit“ und die „Streitereien“ der Berufspolitiker wenden wollte.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 60&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Gandhis Programm ====<br />
Bereits 1927 veröffentlichte Gandhi seine erste Autobiographie ''Autobiography. The Story of My Experiments with Truth,'' die auf Aufzeichnungen während des Gefängnisaufenthalts 1922 bis 1924 und einer anschließenden Artikelserie in seiner auf Gujarati erschienenen Zeitung beruhte. 1928 folgten seine Lebenserinnerungen über Südafrika unter dem Titel ''Satyagraha in Südafrika''.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 80. 1930 gab Charles Freer Andrews unter dem Titel ''Mahatma Gandhi, His Own Story'' eine gekürzte Zusammenstellung dieser beiden Schriften heraus. (Deutsche Fassung: ''Mahatma Gandhi. Mein Leben.'' Leipzig 1930, Neuaufl. Frankfurt am Main 1983 mit einem Nachwort von Curt Ullerich, siehe S. 262)</ref> Gandhi entwickelte darin seine Vorstellung von Demokratie: Demokratie müsse die gesamten physischen, ökonomischen und spirituellen Quellen aller unterschiedlichen Bereiche des Volkslebens im Dienste für das Gemeinwohl aller mobilisieren.<ref>Gandhi Informationszentrum, zit. nach Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 87.</ref> Das Land solle dezentral organisiert werden, wobei im Mittelpunkt das Dorf mit lokaler Selbstversorgung und -verwaltung stehen sollte. Diese Dörfer und andere Gemeinschaften sollten im Konsensverfahren eigene Vertreter wählen und so – wie Gita Dharampal-Frick es ausdrückt – den Staat als „Gemeinschaft von Gemeinschaften“ bilden, den Gandhi weniger als Nationalstaat denn als soziale und kulturelle Einheit mit nur wenigen ordnungspolitischen Eingriffsmöglichkeiten sah. Dieses Prinzip nannte er laut Eberling „aufgeklärte Anarchie“. Sein Fernziel war eine staatsfreie Gesellschaft.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 87; Gita Dharampal-Frick: ''Das unabhängige Indien.'' In: ''Verstaatlichung der Welt?'' München 1999, S. 92–95.</ref> Beispielsweise plante er, den Palast des britischen Vizekönigs nach der Unabhängigkeit als Krankenhaus zu nutzen. In keinem anderen kolonialisierten Land der Welt habe es so klar formulierte Alternativen zum westlichen Staats- und Wirtschaftskonzept gegeben wie die von Gandhi für Indien entwickelten, schrieb Wolfgang Reinhard 1999.<ref>Wolfgang Reinhard: ''Geschichte der Staatsgewalt und europäische Expansion.'' In: ''Verstaatlichung der Welt?'' München 1999, S. 347.</ref><br />
<br />
Hinsichtlich der Wirtschaft setzte sich Gandhi für einen einheitlichen Lohn für alle Arbeiten ein, Privateigentum sollte von „Treuhandbesitz“ abgelöst werden. Kapitalismus und Sozialismus lehnte er zugunsten einer egalitären, vorindustriellen, wenig bürokratischen Gesellschaft ab.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 88&nbsp;f.</ref> Soziale Ungleichheit wollte er durch allgemeine nichtintellektuelle Bildung überwinden. In religiösen Fragen vertrat er Toleranz. Das indische Kastensystem lehnte Gandhi nicht grundsätzlich ab. Er wollte jedoch die Gleichberechtigung der Kasten herbeiführen und die Kastenlosen befreien. Laut Galtung (1987) schätzte er die<br />
Zuordnung der Menschen in eine Berufsgruppe, die von Geburt an Sicherheit biete, ihnen die Berufswahl erspare und ihre Kräfte auf sittliches und gerechtes Handeln in der Gesellschaft lenke.<ref>Johan Galtung: ''Der Weg ist das Ziel. Gandhi und die Alternativbewegung.'' Peter Hammer Verlag, Wuppertal/ Lünen 1987, S. 16, 81&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Die Inszenierung als religiöse Figur ====<br />
Religion – darunter verstand er jeden religiösen Ausdruck – und Politik trennte Gandhi nicht. Er lehnte es ab, als Heiliger oder Politiker bezeichnet zu werden, betonte aber den sowohl religiösen wie auch politischen Charakter aller seiner Kampagnen.<ref>siehe dazu beispielsweise Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.'' München 2006, S. 28&nbsp;ff.</ref> Wahrheit bedeutete für Gandhi das Gleiche wie Gott, und diese immerwährende individuelle unbeugsame Suche nach Wahrheit bzw. Gott, die auf die Menschheit positiv einwirkt, hielt er für ein menschliches Grundbedürfnis, welches über der Geschichte steht.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 8&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Der Indische Nationalkongress zeichnete seit den 1920er Jahren für die einfachen Bauern ein Bild von Gandhi, das ihn als eine Art Messias zeigte, eine Strategie, die diese Bauern mit der Widerstandsbewegung verbinden sollte. In tausenden von Dörfern wurden Theaterstücke aufgeführt, die Gandhi als [[Reinkarnation]] früherer indischer nationaler Führer oder sogar als Halbgott darstellten. Diese von der Kongresspartei finanzierten religiösen Historienspiele und Zeremonien führten zur Unterstützung des INC durch Bauern, die tief in der alten hinduistischen Kultur verwurzelt und des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren. Ähnliche messianische Anklänge gab es in volkstümlichen Liedern und Gedichten. Gandhi wurde dadurch nicht nur zum Volkshelden, sondern der gesamte INC bekam in den Dörfern oft einen sakralen Anstrich.<ref>Atlury Murali: ''Non-Cooperation in Andhra in 1920–22: Nationalist Intelligentsia and the Mobilization of Peasantry.'' In: ''Indian Historical Review.'' 12 (1/2), Januar 1985, {{ISSN|0376-9836}}, S. 188–217.</ref> Diese Idealisierung Gandhis durch den INC hatte nach Auffassung von Gita Dharampal-Frick auch die Funktion, von seinen konkreten umstürzlerischen sozialen „Experimenten“ abzulenken, denn ein Großteil der indischen Elite lehnte Gandhis indisches „Alternativmodell“ ab und strebte eine Modernisierung durch Weiterentwicklung der vorhandenen politischen Strukturen nach der Unabhängigkeit an.<ref>Gita Dharampal-Frick: ''Das unabhängige Indien.'' In: ''Verstaatlichung der Welt?'' München 1999, S. 96&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Forderung nach sofortiger Unabhängigkeit ====<br />
[[Datei:Gandhi and Sadar Patel Bardoli Satyagraha.jpg|mini|250px|Gandhi (vierte Person von links) und [[Vallabhbhai Patel|Sadar Patel]] (rechts neben ihm) während der Bardoli-Satyagraha]]<br />
<br />
Die Jahre 1928 und 1929 waren bestimmt von Gewalttätigkeiten seitens radikaler Nationalisten. Unter der Führung des nunmehr [[Marxismus|marxistisch]] ausgerichteten Nehru forderten die Mitglieder des INC die sofortige vollständige Unabhängigkeit, die notfalls auch mit Gewalt erreicht werden sollte. Gandhi führte einen Steuerstreik auf dem Lande, den er Jahre zuvor begonnen hatte, mit Hilfe von Sadar Patel erfolgreich zu Ende. Es kam wiederum zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf im Parlament von Neu-Delhi zwei Bomben gezündet wurden. Der INC forderte nunmehr die Unabhängigkeit innerhalb eines Jahres. Als die Briten sich weigerten, forderte er diese mit sofortiger Wirkung.<br />
<br />
Gandhi sollte den gewaltlosen Widerstand leiten, zog sich allerdings zunächst für einige Wochen zur Meditation zurück, bevor er dem britischen Vizekönig brieflich Verhandlungen vorschlug oder bei Weigerung mit weiteren Satyagraha-Aktionen drohte. Er kündigte Maßnahmen gegen die ungerechte Salzsteuer an.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Suhrkamp Taschenbuch 2006, S. 61&nbsp;f.</ref> Zunächst bestimmte er den 26. Januar 1930 zum „Unabhängigkeitstag“, ein Nationalfeiertag, der noch heute als „[[Tag der Republik (Indien)|Tag der Republik]]“ begangen wird. Außerdem legte er den Briten ein 11-Punkte-Programm vor, das wirtschaftliche und politische Forderungen enthielt, u.&nbsp;a. diejenigen nach Abwertung der Rupie, Halbierung des Militärhaushalts, der Grundsteuer und der Beamtenbezüge, Schutzzöllen auf importierte Textilien sowie Streichung der Salzsteuer.<ref>[[Dietmar Rothermund]]: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 63&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Der Salzmarsch ====<br />
[[Datei:Mahatma & Sarojini Naidu 1930.JPG|mini|220px|Gandhi und [[Sarojini Naidu]] beim Salzmarsch, 1930]]<br />
<br />
Anfang März 1930 veranlasste Gandhi – er hatte keine Antwort auf seinen Brief erhalten – eine Kampagne des [[Ziviler Ungehorsam|zivilen Ungehorsams]] und rief zum [[Salzmarsch]] gegen das britische Salzmonopol auf. Der 388&nbsp;km lange Salzmarsch von Ahmedabad nach Dandi in Gujarat dauerte vom 12. März bis zum 6. April. Dieser Marsch, auch als Salz-Satyagraha bezeichnet, war die spektakulärste Kampagne, die Gandhi während seines Kampfes um [[Unabhängigkeit (Politik)|Unabhängigkeit]] initiierte. Er war ein Protest gegen die englischen Steuern auf Salz. Indische Bürger durften weder Salz herstellen noch es selber verkaufen.<br />
<br />
Der Aufruf zur [[Steuerverweigerung]] wirkte auf die indischen Massen wie ein Aufbruchsignal. Weite Teile der Bevölkerung, die sich bisher nicht an Gandhis „Wahrheitssuche“ beteiligt hatten, wurden durch diese auf schnellen Erfolg ausgerichtete Aktion des hochangesehenen verehrten Gandhi und seiner Mitstreiter motiviert, sich der Bewegung anzuschließen.<ref>Curt Ullerich: ''Nachwort.'' In: C. F. Andrews (Hrsg.): ''Mahatma Gandhi: Mein Leben.'' Frankfurt am Main 1983, S. 266.</ref> Als die Menschen begannen, massenweise Salz zu gewinnen, ohne die Steuer zu zahlen, wurden 60.000 Personen inhaftiert, darunter Gandhi und die meisten Kongressmitglieder.<br />
<br />
Es gab ein weltweites Medienecho zugunsten des indischen Freiheitskampfes. Im Februar 1931 gab die Kolonialverwaltung nach. Der Vizekönig Lord Irwin führte Verhandlungen mit Gandhi, bis das [[Gandhi-Irwin-Pakt|Irwin-Gandhi-Abkommen]] geschlossen wurde. Die Salzproduktion für den persönlichen Bedarf ging in indische Hand über und die politischen Gefangenen wurden freigelassen.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 64&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Begegnungen in Großbritannien ====<br />
[[Datei:Gandhi at Darwen with women.jpg|mini|Gandhi mit Textilarbeiterinnen in Darwen, [[Lancashire]], 26. September 1931]]<br />
<br />
An der [[Londoner Konferenz (1930)|ersten Round-Table-Konferenz]] zur indischen Frage nahm die Kongresspartei nicht teil. Ohne Gandhi blieb die Konferenz in London wirkungslos.<ref>{{Literatur |Autor=Arthur Herman |Titel=Gandhi and Churchill: The Rivalry That Destroyed an Empire and Forged Our Age |Verlag=[[Random House (Verlag)|Random House]] |Ort=New York |Datum=2009 |ISBN= |Seiten=349 | Online=[http://books.google.de/books?id=Z8JjbAVs2vUC&pg=PA349#v=onepage&q&f=false Online]}}</ref> Am 17. Februar 1931 kam es zu einem Treffen mit [[Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax|Lord Irwin]], dem Vizekönig von Indien. Nach zweiwöchigen Verhandlungen wurde der [[Gandhi-Irwin-Pakt]] bekannt gegeben. Neben einer Freilassung aller Gefangenen für die Zusage Gandhis, den zivilen Ungehorsam zu beenden, sagte er seine Teilnahme an der [[Indische Round-Table-Konferenzen in London (1930–1932)#Zweite Konferenz (September – Dezember 1931)|zweiten Round-Table-Konferenz]] in London zu.<ref>{{Literatur |Autor=Arthur Herman |Titel=Gandhi and Churchill: The Rivalry That Destroyed an Empire and Forged Our Age |Verlag=[[Random House (Verlag)|Random House]] |Ort=New York |Datum=2009 |ISBN= |Seiten=353, 354 | Online=[http://books.google.de/books?id=Z8JjbAVs2vUC&pg=PA353#v=onepage&q&f=false Online]}}</ref> Bei dieser Gelegenheit traf er [[Charles Chaplin]] und [[George Bernard Shaw]] in London und [[Romain Rolland]] im Dezember 1931 in Genf. Von englischen Textilarbeitern wurde er emphatisch begrüßt. Seine Hoffnung auf Fortschritte in der Unabhängigkeitsfrage blieb unerfüllt.<br />
<br />
==== Hungerstreik ====<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-13884, Mahatma Gandhi.jpg|mini|Gandhi im [[Hungerstreik]], 1932]]<br />
<br />
Wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Europa wurde „der Unbequeme“ am 4. Januar 1932 auf Anordnung des [[Generalgouverneur und Vizekönig von Indien|Generalgouverneurs und Vizekönigs]] inhaftiert. Man befürchtete, dass Gandhi neue Aktionen gegen die Kolonialmacht einleiten würde. Mit ihm wurde die Führungsspitze der Kongresspartei (INC) festgesetzt.<br />
<br />
Als er in der Haft von dem britischen Plan hörte, separate Wahlen der Kastenlosen zu realisieren,<ref>Bereits seit 1915 hatten die Briten separate Wahllisten für Hindus und Muslime eingeführt, eine Maßnahme, die, im kolonialen, streng autoritären Rahmen als Stärkung von Minderheiten gedacht, später Grundlage der Teilung wurde. Denn durch das Mehrheitswahlrecht und das föderale Prinzip von relativ autonomen Provinzen seit 1935 gab es keine adäquate Vertretung der jeweiligen Minderheit. (Dietmar Rothermund, S. 82&nbsp;f., und Wolfgang Reinhard, S. 346. In: ''Verstaatlichung der Welt?'' München 1999)</ref> erklärte er am 20. September 1932 sein erstes „Fasten bis zum Tode“. Das sollte die Briten von separatistischen Bestrebungen, Landesteile nach Religionszugehörigkeit zu bilden, abhalten und den Indern ein Signal zur Integration der Kastenlosen sein. Doch der Vertreter der Dalits („Unberührbare“), [[Bhimrao Ramji Ambedkar]], unterstützte die Briten, weil er davon ausging, dass bei allgemeinen Wahlen die Hinduinteressen überwiegen würden. Sechs Tage später beendete Gandhi den Hungerstreik, weil er sich mit Ambedkar auf einen Kompromiss getrennter Vorwahlen mit anschließender gemeinsamer Wahl geeinigt hatte. Gandhis Hungerstreik hatte zur Folge, dass beispielsweise hinduistische Tempel erstmals den Kastenlosen offenstanden.<ref>Louis Fischer: ''Gandhi. Prophet der Gewaltlosigkeit.'' München 1983, S. 150&nbsp;ff.</ref><ref name="gandhiserve" /><br />
<br />
[[Albert Einstein]], der Gandhi nie persönlich kennenlernte, schrieb ihm Ende Oktober 1932: „Sie haben durch Ihr Wirken gezeigt, dass man ohne Gewalt Grosses selbst bei solchen durchsetzen kann, welche selbst auf die Methode der Gewalt keineswegs verzichtet haben. Wir dürfen hoffen, dass Ihr Beispiel über die Grenzen Ihres Landes hinaus wirken und dazu beitragen wird, dass an die Stelle kriegerischer Konflikte Entscheidungen einer internationalen Instanz treten, deren Durchführung von allen garantiert wird.“<ref>[http://www.gandhiserve.org/streams/einstein.html Brief Einsteins an Gandhi vom 29. Oktober 1932]. The Hebrew University of Jerusalem, GandhiServe Foundation. Abgerufen am 25. Juli 2012.</ref><br />
<br />
==== Engagement für Kastenlose ====<br />
Gandhi verließ 1934 den Indischen Nationalkongress, weil er sich nicht als Politiker verstand, der sich der jeweiligen Mehrheit beugen musste. Die Kongresspartei bezog sich aber weiterhin auf Gandhi als Führer der armen Volksmassen. Die Probleme der Bauern und Kastenlosen traten für ihn in den Vordergrund. Bereits seit 1933 gab er die Zeitschrift ''Harijan'' („Menschen Gottes“, wie er die „Unberührbaren“ nannte) heraus und publizierte darin über seinen Unabhängigkeitskampf. Nicht nur die soziale Frage wollte er lösen, vielmehr setzte er sich nunmehr auch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. Dabei vertrat er weiterhin seinen individualistischen Ansatz, wonach jeder Einzelne sein Leben ändern müsse, indem er diente und nicht befahl. Mit dieser Haltung erwarb er sich nicht nur Freunde in der Kongresspartei. Obwohl seine Gesundheit durch den Hungerstreik gelitten hatte, bereiste Gandhi Indien, um Gelder für die Kastenlosen zu sammeln.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 70.</ref><br />
<br />
Obwohl sich Gandhi für die Rechte der Kastenlosen einsetzte und in seinen Ashrams Kastenunterschiede in den täglichen Arbeiten verbot und zu Hochzeiten zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kasten ermutigte, befürwortete er dennoch generell das Kastensystem. Er glaubte, dieses liefere eine stabile soziale Ordnung und auch eine Begründung für das hinduistische Leben. Die Aufsplitterung in viele Subkasten (''[[Kaste#Jati|Jati]]'') zur sozialen Segregation lehnte er ab und entwarf ein System, das lediglich auf den vier spirituellen Kasten ([[Varna (Kaste)|Varna]]) beruhen sollte, in denen dann auch die bis dato Unberührbaren erfasst sein sollten.<ref>Michael J. Nojeim: ''Gandhi and King: The Power of Nonviolent Resistance''. Greenwood, 2004, S. 56.</ref> Bhimarao Ambedkar widersprach Gandhi und war der Ansicht, das Kastenwesen müsse aufgegeben werden. Er verfasste eine Rede zur [[Annihilation of Caste]] (''Die Vernichtung der Kaste''), die in Buchform erschien und auf die Gandhi in vielen ''Harijan''-Artikeln unter dem Titel „A Vindication of Caste“ (''Eine Rechtfertigung der Kaste'') antwortete. In den folgenden Jahren erschienen mehrere ergänzte Auflagen von ''Annihilation of Caste'', die Auswirkungen der Diskussion zwischen Gandhi und Ambedkar prägen die indische Gesellschaft und Politik bis heute.<ref>Arundhati Roy: ''The Doctor and the Saint''. The Hindu, 1. März 2014.</ref> 1935 einigten sich Gandhi und Ambedkar auf eine Form der Repräsentation der Unberührbaren in der neuen Volksvertretung Indiens und schufen reservierte Parlamentssitze für die Kastenlosen, ein Prinzip, das 1947 in der neuen indischen Verfassung (unter Ambedkar als erstem Justizminister) verankert wurde und bis heute gilt.<ref>Holger Lüttich: ''Die Lehren des Vedischen Religion - ein Einführung''. 2010, S. 122.</ref><br />
<!-- in dem Abschnitt geht es nur um sein Engagement für Kastenlose und das Kastensystem; unklare, syntaktisch unvollständige und unenzyklopädisch formulierte Paraphrasierung von Eberling auskommentiert; Gandhi war FÜR Kastensystem; kein Bezug zum Schleier (BK 24.11.15)<br />
Matthias Eberling (2006) zufolge änderten nach Gandhis nicht nur Kastenlose, sondern auch Frauen, gleich welchen religiösen Bekenntnisses, ihr Leben. Muslimische Inderinnen legten ihren Schleier ab, verließen ihre Häuser und beteiligten sich am Unabhängigkeitskampf. Hindu-Frauen kümmerten sich nicht um das Kastensystem. Doch die Vermittlungsversuche Gandhis zwischen Hindus und Muslimen in den 1930er und 1940er Jahren scheiterten und konnten die spätere Teilung Indiens nicht verhindern.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 101&nbsp;f.</ref> --><br />
<br />
==== Zweiter Ashram: Internationaler Treffpunkt ====<br />
[[Datei:Tagore Gandhi.jpg|mini|Der Literaturnobelpreisträger [[Rabindranath Thakur]] (auch Tagore) und Gandhi 1940]]<br />
<br />
1936 gründete Gandhi erneut einen Ashram, diesmal in [[Sevagram]], einem Dorf in Zentralindien, weil er in den Dörfern und nicht in den Städten die Grundlage des Lebens in Unabhängigkeit und Freiheit sah. Dort führte er mit seiner Frau und einer wachsenden Anhängerschaft ein äußerst asketisches Leben, gab sein Wissen an die Dorfbewohner weiter und empfing Gäste aus aller Welt.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 70&nbsp;f.</ref> Anfang 1937 verbrachte der italienische Dichter und Philosoph [[Lanza del Vasto]] einige Monate als sein Schüler in seiner Nähe und gründete 1948 die [[Die Arche (Gemeinschaft)|Gemeinschaft der Arche]], wo Menschen nach den Prinzipien Gandhis zusammenleben sollten.<br />
<br />
Auch der [[Paschtunen|Paschtune]] [[Abdul Ghaffar Khan]], ein gläubiger Muslim und Pazifist, der im nordwestlichen Grenzgebiet Britisch-Indiens den gewaltlosen Widerstand verbreitete, verbrachte einige Zeit in Gandhis Ashram, als die Briten ihn zeitweise aus seiner Heimat vertrieben. Gandhi besuchte ihn und seine Kämpfer für die Unabhängigkeit ''Khudai Khidmatgars'' („Diener Gottes“) 1938 zweimal, obwohl die Briten ihm die Reise verweigerten. In Indien wurde Abdul Ghaffar Khan „Grenz-Gandhi“ genannt.<ref>Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Heidelberg 2010, S. 126&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
==== Wendungen im Zweiten Weltkrieg ====<br />
Vor Kriegsbeginn war Gandhi der Überzeugung, Großbritannien, Frankreich und die USA könnten kleine Länder nicht vor dem aggressiven Diktator [[Adolf Hitler|Hitler]] schützen. Krieg führe unweigerlich zur Diktatur, nur Gewaltfreiheit münde in Demokratie. Er drückte die Hoffnung aus, dass Hitler mit Widerstandsmethoden, wie er sie in Südafrika angewandt hatte, zu bezwingen sei. Selbst würde er lieber unbewaffnet, ehrenhaft und mit reiner Seele sterben, als sich dem Willen eines Diktators zu unterwerfen.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 1997 (TB), S. 395.</ref><br />
<br />
Er modifizierte jedoch seine Politik gegenüber der britischen Kolonialmacht beim Eintritt Großbritanniens in den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] 1939 zeitweilig:<br />
{{Zitat|Bis zum Ende der [[Luftschlacht um England]] 1941 war die Kolonialmacht aus der Sicht Gandhis unmittelbar durch eine mögliche Okkupation durch die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] bedroht, und so verbot sich eine Ausnutzung der Situation sowohl aus moralischen wie aus antifaschistischen Gründen. Als sich der Krieg jedoch auf anscheinend unbestimmte Zeit hinzog [...] und England nicht mehr unmittelbar bedroht war, erhöhten sich aus Sicht Gandhis auch die ideologischen und praktischen Freiräume für Aktivitäten der indischen Unabhängigkeitsbewegung. In diesem Zusammenhang muss dann die Vorbereitung und schließliche Durchführung der massenhaften ‚Quit-India‘-Bewegung unter Führung Gandhis im August 1942 gesehen werden.|Autor=Lou Martin|Quelle=''„Der Feind meines Feindes ist mein Freund?“''<ref>Lou Martin: [http://divergences.be/spip.php?article629&lang=fr ''„Der Feind meines Feindes ist mein Freund?“] Die Gandhi-Bose-Kontroverse 1939 und die ideologischen Grundlagen der Kollaboration von Subhas Chandra Bose mit den Nazis 1941–43.'' In: ''Divergences – Internationale libertäre Zeitschrift.'' 15. Januar 2008.</ref>}}<br />
<br />
2006 gab die britische Regierung bisher geheime Dokumente frei, denen zufolge [[Winston Churchill]] im Zweiten Weltkrieg äußerte, Gandhi könne beim Hungerstreik ruhig sterben, während andere Politiker fürchteten, dies könne zu einem Aufruhr führen, sodass Indien nicht mehr zu halten sei.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 101.</ref> Bereits sehr viel früher war bekannt geworden, dass die Kolonialmacht [[Agent Provocateur|Agents provocateurs]] eingesetzt hatte, um zunächst gewaltlose Demonstranten zu Gewalttaten anzustacheln.<ref>Dies wird in der Literatur mehrmals beschrieben, beispielsweise von Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.'' München 2006, S. 50.</ref><br />
<br />
==== Quit-India-Bewegung und Haltung zur Atombombe ====<br />
[[Datei:Gandhi and Nehru 1942.jpg|mini|Gandhi (rechts) mit [[Jawaharlal Nehru|Nehru]] 1942]]<br />
<br />
Die [[Quit-India-Bewegung|„Quit India“-Bewegung]] war eine Kampagne des zivilen Ungehorsams, die im August 1942 begann, nachdem Gandhi von Großbritannien die sofortige Unabhängigkeit verlangt hatte. Die Kongresspartei rief zum Massenprotest auf, um den von Gandhi geforderten ordnungsgemäßen Abzug der britischen Truppen zu gewährleisten. Die Bewegung stellte Gandhi unter das Motto „Handeln oder sterben!“, das er am 8. August am ''Gowalia Tank Maidan'' in Bombay ausgab. Fast die gesamte Führung des INC wurde innerhalb weniger Stunden nach Gandhis Rede ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Die meisten blieben bis zum Kriegsende in Haft. Die Briten lehnten die sofortige Unabhängigkeit ab und vertrösteten die Inder auf die Nachkriegszeit. Am Tag nach seiner Rede wurde Gandhi<ref>[http://www.bbc.co.uk/religion/religions/hinduism/people/gandhi_1.shtml ''Mohandas ‘Mahatma’ Gandhi.''] [[BBC]] Religions, 25. August 2009.</ref> von der Kolonialmacht in [[Pune]] inhaftiert und nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Insgesamt befand er sich in Südafrika und Indien acht Jahre lang in Haft.<br />
<br />
Die Festsetzung Gandhis und der Kongressmitglieder führte zu massenweiser Unterstützung seiner Ideen in der Bevölkerung. Den gewaltlosen Widerstand im Sinne Gandhis organisierte sein Schüler [[Jayaprakash Narayan]].<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 109.</ref> Es folgten allerdings auch gewaltsame Ausschreitungen im ganzen Land. Mitglieder des verbotenen INC zerstörten die Infrastruktur und griffen die Regierungsgebäude und Polizeistationen an. Es kam zu Streiks und Demonstrationen. Daraufhin verhafteten die Briten zehntausende politische Aktivisten, 900 wurden getötet.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 72&nbsp;f.</ref> Wegen der brutalen Gewalt, schlechter Vorbereitung und eines unvollkommenen politischen Programms konnten die Forderungen der Aufständischen kurzfristig nicht durchgesetzt werden – doch musste die britische Regierung feststellen, dass Indien langfristig nicht zu halten war. Den Briten stellte sich die Frage, wie sie die Unabhängigkeit gewähren und dennoch den Schutz der verbündeten Muslime und indischen Prinzen gewährleisten sollten.<br />
<br />
Zu den Atombombenabwürfen über [[Hiroshima]] und [[Nagasaki]] im August 1945 äußerte sich Gandhi zunächst trotz vielfacher Aufforderung nicht und sagt zu einem Journalisten, man solle über Dinge schweigen, die man nicht ändern könne. Bezüglich der Gründe seines Schweigens gibt es unterschiedliche Darstellungen. Rothermund (2003) legte dar, Gandhi habe sich hier als [[Verantwortungsethik]]er erwiesen, der [[Harry S. Truman|Truman]], [[Clement Attlee|Attlee]], dem Nachfolger Churchills, und [[Josef Stalin|Stalin]] misstraute und befürchtete, auch Indien könne eine Atombombe treffen. Seit Mitte 1946 verurteilte er den Einsatz mehrmals eindeutig, so beispielsweise mit der Formulierung: „Ich betrachte die Anwendung der Atombombe als die diabolischste Form der Anwendung der Wissenschaft.“<ref>zit. nach: Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 106.</ref> Zu dieser Zeit zeichnete sich die baldige Unabhängigkeit deutlich ab.<ref>Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi.'' München 2003, S. 103&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Auf dem Gebiet der Wirtschaft setzte sich Gandhi kurz vor seinem Tod verstärkt und langfristig vergeblich gegen das gut organisierte britische Bewirtschaftungssystem ein mit Verwaltungsstrukturen, Preisbindungen, Lebensmittelkarten usw., das die Grundlage für die Requirierung indischer Güter für den britischen Bedarf im Zweiten Weltkrieg gebildet hatte.<ref>Dietmar Rothermund: ''Der Strukturwandel des britischen Kolonialstaates in Indien 1757–1947.'' In: ''Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse.'' Hg. Wolfgang Reinhard, Schriften des Historischen Kollegs. R. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-56416-1, S. 85.</ref> Diesen zentralistischen Verwaltungsapparat übernahmen die indischen Führer nach der Unabhängigkeit, förderten aber, weil sie sich öffentlich weiter auf Gandhis Utopie bezogen, Projekte wie Ashrams und dörfliche Industriebetriebe, die bald selbst zum Teil der kapitalistischen Wirtschaft wurden.<ref>Gita Dharampal-Frick: ''Das unabhängige Indien.'' In: ''Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse.'' In: Wolfgang Reinhard (Hrsg.): ''Schriften des Historischen Kollegs.'' R. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-56416-1, S. 105.</ref><br />
<br />
==== Unabhängigkeit durch Zweistaatenlösung ====<br />
[[Datei:Jinnah Gandhi.jpg|mini|Jinnah und Gandhi während einer Verhandlungspause in Bombay, September 1944]]<br />
<br />
Mit der [[Lahore-Resolution]] von 1940 forderte die Muslimliga einen eigenen Staat für die indischen Muslime. Gandhi lehnte dies ab und bemühte sich weiterhin um politische Einheit zwischen Hindus und Muslimen. 1944 führte er erfolglos Verhandlungen mit [[Muhammad Ali Jinnah]], um eine Einheitsfront von Kongresspartei und [[Muslimliga]] zu erreichen.<br />
<br />
Als die Muslimliga im August 1946 zu einem Generalstreik, dem ''Direct Action Day'' aufrief, kam es in der Folge zu den [[Unruhen in Kalkutta 1946|Unruhen in Kalkutta]]. Gandhi begab sich in die Region, um zu Friede und Versöhnung aufzurufen. Als Konsequenz aus diesem Ereignis bestand Jinnah auf der Schaffung eines souveränen Pakistans und lehnte eine föderale Lösung ab.<br />
<br />
[[Datei:Partition of India-en.svg|mini|Konflikte und Flüchtlingsströme bei der Teilung Indiens]]<br />
<br />
Am 3. Juni 1947 verkündete der britische Premierminister [[Clement Attlee]] die Unabhängigkeit und die [[Teilung Indiens]] in zwei Staaten auf Grundlage des [[Mountbattenplan]]s: Das mehrheitlich hinduistische Indien und das mehrheitlich [[Islam|muslimische]] [[Pakistan]]. Gandhi hatte sich dem Teilungsplan stets widersetzt, trat aber nach der Trennung für eine gerechte Aufteilung der Staatskasse ein. Seinem Einfluss war es zu verdanken, dass die [[bürgerkrieg]]sähnlichen Unruhen, die nach der Teilung ausbrachen, relativ rasch eingedämmt wurden.<br />
<br />
=== Tod durch Attentat ===<br />
Am 30. Januar 1948 wurde der 78-jährige Gandhi von dem fanatischen, [[Nationalismus|nationalistischen]] Hindu [[Nathuram Godse]] erschossen, der schon zehn Tage zuvor als Mitglied einer Siebenergruppe ein Attentat auf Gandhi geplant hatte.<br />
<br />
Nach der Einäscherung wurde ein Teil von Gandhis Asche im [[Ganges]] verstreut. In [[Neu-Delhi]] befindet sich das [[Kenotaph]] (Scheingrab) ''Raj [[Ghat (Indien)|Ghat]]'' zu seinen Ehren.<ref>knerger.de: [http://knerger.de/html/gandhipolitiker_9.html Das Grab von Mohandas Karamchand Gandhi]</ref> Andere Teile der Asche wurden auch im [[Pushkar-See]] bei [[Ajmer]]<ref>[http://ecoheritage.cpreec.org/Viewcontall.php?$mFJyBfK$MUznQBkxyWIp ''Gandhis Asche im Pushkar Lake'']</ref>, im [[Nakki Lake]] bei [[Mount Abu]]<ref>[http://journeymart.com/de/india/rajasthan/mount-abu/nakki-lake.aspx ''Gandhis Asche im Nakki Lake'']</ref> und im Chorabari-Lake bei [[Kedarnath]] verstreut; an den Ufern wurde jeweils ein ''Gandhi-Ghat'' erbaut.<br />
<br />
An den Trauerfeierlichkeiten nahmen zahlreiche Staatsoberhäupter teil. Auch die UNO gedachte seiner.<br />
<br />
== Kontroversen ==<br />
=== Inland ===<br />
Der bengalische Historiker [[Nirad Chandra Chaudhuri|Nirad C. Chaudhuri]] warf Gandhi vor, er habe die Gewaltlosigkeit als Vorwand benutzt, um seinen Machthunger zu stillen. So schrieb Chaudhuri, der während der Jahre des Unabhängigkeitskampfes Sekretär von Gandhis Kongresspartei war, in seiner Autobiographie:<br />
<br />
{{Zitat|Nirgends haben sich westliche Autoren in Gandhi gründlicher getäuscht als darin, dass sie seinen unersättlichen und durch nichts zu befriedigenden Machthunger übersehen haben. Darin war er keineswegs anders als Stalin. Nur brauchte er nicht zu töten, denn er konnte sich seiner Gegner genauso gut mit Hilfe seiner gewaltlosen [[Vaishnava]]-Methode entledigen.}}<br />
<br />
Indische Rivalen im Kampf um die Unabhängigkeit habe er in politische Isolation getrieben wie im Fall von [[Subhash Chandra Bose]]. Die Teilung Britisch-Indiens in zwei Staaten, Indien und Pakistan, führte Chaudhuri auf Gandhis Weigerung zurück, in einem geeinten, unabhängigen Indien die Macht mit [[Muhammad Ali Jinnah|Jinnahs]] [[Muslimliga]] zu teilen.<ref>Nirad C. Chaudhuri: ''Thy Great, Hand Anarch! India 1921–1952.'' London 1987, ISBN 0-7012-0854-6. Hier zitiert nach: Benedikt Peters: ''Weltreligionen.'' Lychen 2004, ISBN 3-935955-23-5, S. 101, 102.</ref><br />
<br />
Gandhi wurde vielfach als [[Apologet]] des Kastensystems kritisiert.<ref name="Nanda">B.R. Nanda: ''Gandhi and his Critics''. Oxford University Press, 1994, S. 18ff.</ref> Anlässlich ihres Vorworts der kommentierten Neuauflage von Ambedkars ''Annihilation of Caste'' warf [[Arundhati Roy]] Gandhi vor, seine [[Doktrin]] der Gewaltlosigkeit beruhe „auf einem Fundament von dauernder, brutaler, extremer Gewalt – denn das ist das Kastensystem“.<ref>[http://www.zeit.de/2014/40/arundhati-roy-indien-gandhi-kastensystem/komplettansicht ''Gandhis vergiftetes Erbe'']. In: ''Die Zeit.'' Nr 40/2014, 17. Oktober 2014.</ref> Dieser Ansicht widersprachen neben [[Rajmohan Gandhi]] auch Vertreter von [[Dalit]]-Organisation. Roys Darstellung enthalte viele Ungenauigkeiten und falsche Informationen, sowohl zu Gandhi wie zu Ambedkar.<ref>[http://www.thehindu.com/books/response-to-arundhati-roys-annotated-edition-in-pipeline-rajmohan-gandhi/article6668194.ece ''Response to Arundhati Roy's annotated edition in pipeline: Rajmohan Gandhi'']. In: ''The Hindu.'' 7. Dezember 2014.</ref><ref>[http://www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/features/arundhati-roys-book-on-caste-rejected-by-some-anticaste-activists-9929233.html ''Arundhati Roy’s book on caste rejected by some anti-caste activists'']. In: ''The Independent.'' 16. Dezember 2014.</ref><!-- welche? --><br />
<br />
[[Bal Ram Nanda]] weist darauf hin, dass Gandhi zwar ein idealisiertes Bild der vier [[Varna (Kaste)|Varnas]] in der „altehrwürdigen Vergangenheit“ vertreten habe, aber das herrschende Kastensystem Indiens zu seinen Lebzeiten strikt abgelehnt habe. Aus taktischen Gründen habe er die Unterminierung des Prinzips durch seine konsequente Ablehnung des Systems der Unberührbarkeit gewählt, anstatt die Kastenordnung direkt anzugreifen. Tatsächlich habe niemand mehr zur Reformation der Kasten und zur Verbesserung der Lage der Kastenlosen beigetragen als Gandhi.<ref name="Nanda" /> [[Mark Lindley]] betont, dass sich Gandhis Verhältnis zur Kaste von 1920 bis 1946 stark gewandelt habe und Gandhi selbst viele Fehler in seinen frühen Ansichten (zu verschiedensten Themen) eingestanden habe und der Meinung war, es gebe in jeder Lehre dauerhafte Bestandteile und solche, die sich der jeweiligen Zeit anpassten. Gandhis tatsächliche Sicht auf das Kastenwesen oder seine heutige Einstellung dazu seien daher daraus nicht direkt abzuleiten.<ref>Mark Lindley: [http://www.academia.edu/326347/Changes_in_Mahatma_Gandhi_s_views_on_caste_and_intermarriage ''Changes in Mahatma Gandhi’s views on caste and intermarriage'']. In: ''Hacettepe University Social Sciences Journal.'' Vol. 1, 2002. (abgerufen über http://www.academia.edu/)</ref><br />
<br />
=== Ausland ===<br />
Sein offener Brief ''Die Juden'', den er am 26. November 1938 kurz nach den [[Novemberpogrome 1938|Novemberpogromen]] in der indischen Zeitung ''Harijan'' veröffentlichte und in dem er sich mit der Judenverfolgung im [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen Deutschland]], dem [[Zionismus]] und dem [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästinakonflikt]] auseinandersetzte, wurde besonders in Europa und den USA kontrovers diskutiert und beispielsweise von [[Martin Buber]] und [[Judah Leon Magnes]] mit teilweise scharfen Repliken zurückgewiesen.<br />
<br />
Gandhi war im Vorfeld mehrfach gebeten worden, zu den im Brief behandelten Fragen Stellung zu beziehen. Dabei hatten vor allem jüdische Intellektuelle gehofft, in Gandhi einen Fürsprecher zu finden, der die [[Antisemitismus (bis 1945)|Judenverfolgung]] in Deutschland geißeln und sich vielleicht wohlwollend zur Rückkehr der Juden in ihre biblische Heimat Palästina äußern und damit zumindest indirekt den Zionismus unterstützen würde. Anlass zu dieser Hoffnung gab, dass Gandhi mit dem deutsch-jüdischen Architekten [[Hermann Kallenbach]] einen überzeugten Zionisten zu seinen Vertrauten zählte.<br />
<br />
In seinem Brief betonte Gandhi zunächst seine Sympathien für das jüdische Volk, bezeichnete den Zionismus jedoch als falsch und ungerecht gegenüber den Arabern, denen Palästina ebenso gehöre „wie England den Engländern oder Frankreich den Franzosen“. Die Judenverfolgung in Deutschland scheine „keine Parallele in der Geschichte zu haben [und] wenn es überhaupt einen gerechten Krieg im Namen der Menschlichkeit und für sie geben könnte, wäre ein Krieg gegen Deutschland zur Verhinderung der frevelhaften Verfolgung eines ganzen Volkes völlig gerechtfertigt“. Allerdings sehe er einen Weg, wie die Juden dieser Verfolgung widerstehen könnten: durch organisierten, gewaltfreien und zivilen Widerstand. So sehe er Parallelen zur Lage der „[[Dalit|Unberührbaren]]“ sowie der Inder in Südafrika. Die Juden könnten ihren „zahlreichen Beiträgen zur Zivilisation den außerordentlichen und unübertrefflichen Beitrag der gewaltfreien Aktion hinzufügen“.<ref>Christian Bartolf: ''Wir wollen die Gewalt nicht – Die Buber-Gandhi-Kontroverse.'' Berlin 1998, S. 11–13.</ref><br />
<br />
Besonders an den Vergleichen des nationalsozialistischen Terrors mit der Politik der Briten und Buren und Gandhis Rat, der Gewalt der Nationalsozialisten mit gewaltlosem Widerstand zu begegnen, entzündete sich die Empörung zahlreicher Kommentatoren. In dem wohl ausführlichsten und bekanntesten Antwortschreiben warf [[Martin Buber]] Gandhi Unwissenheit bezüglich der Bedingungen in deutschen [[Konzentrationslager]]n und der Grausamkeit der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] vor und zeigte sich tief enttäuscht, dass ein „Mann des guten Willens“, den er schätze und verehre, so undifferenziert über jene urteile, die er anspreche. Inder seien in Südafrika und Indien verachtet und verächtlich behandelt worden, aber weder vogelfrei und systematisch beraubt und umgebracht worden noch „Geiseln für das erwünschte Verhalten des Auslands“ gewesen. Gandhi sehe nicht, dass tapferer und gewaltloser Widerstand jüdischer Deutscher in Wort und Tat, die jahrelange Erduldung des nationalsozialistischen Unrechts, die sich an zahlreichen Beispielen belegen lasse, die Aggression der Nationalsozialisten nicht gebremst, sondern nur noch verstärkt habe. Bezüglich der Palästinafrage argumentierte Buber, es sei weder historisch noch rechtlich oder moralisch korrekt zu behaupten, Palästina gehöre nur den Arabern. Nur wer beiden oder allen Völkern, deren Wurzeln und Geschichte mit diesem Land verbunden sind, ein Recht auf eine friedliche Existenz dort zugestehe, werde Frieden und Gerechtigkeit erzeugen.<ref>Christian Bartolf: ''Wir wollen die Gewalt nicht – Die Buber-Gandhi-Kontroverse.'' Berlin 1998, S. 16&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
== Nachwirkung ==<br />
[[Datei:Gandhi churchilllaan.jpg|mini|Gandhi-Statue in Amsterdam]]<br />
[[Datei:Raj-ghat-gandhi.jpg|mini|Raj Ghat, Mahatma Gandhi Memorial, Delhi]]<br />
[[Datei:Stamps of Germany (BRD) 1969, MiNr 608.jpg|mini|[[Briefmarken-Jahrgang 1969 der Deutschen Bundespost|Briefmarke der Deutschen Bundespost 1969]]]]<br />
<br />
Gandhi wurde insgesamt zwölf Mal<ref>Nobelprize.org: [http://nobelprize.org/nobel_prizes/peace/nomination/nomination.php?key1=candname&log1=LIKE&string1=Gandhi&action=advsearch&log10=OR&key2=candname&log2=LIKE&string2=&log11=OR&key3=candname&log3=LIKE&string3=&startyear=&endyear=&order1=year&order2=nomname&order3=cand1name The Nomination Database for the Nobel Peace Prize, 1901–1956]</ref> für den [[Friedensnobelpreis]] nominiert, zuletzt in seinem Todesjahr 1948. Da der Preis nicht postum verliehen werden kann, entschied das Komitee, in jenem Jahr keinen Preis zu vergeben.<ref>Die Zeit 41/2009, S. 41.</ref><br />
<br />
Nach Gandhis Tod schuf Nehru, sich dabei häufig auf den „Vater der Nation“ berufend, einen modernen Staat auf Grundlage der von den Briten eingeführten Strukturen und Institutionen. Dieser stand im Gegensatz zu Gandhis moralisch fundierten Anstrengungen für Dezentralisierung, Gewaltlosigkeit und [[Altruismus|selbstlose Lebensweise]].<ref>Gita Dharampal-Frick: ''Das unabhängige Indien.'' In: ''Verstaatlichung der Welt.'' München 1999, S. 88–90.</ref><br />
<br />
Noch heute wird Gandhi in Indien als Nationalheld verehrt. Sein Geburtstag, der 2. Oktober, ist ein als ''[[Gandhi Jayanti]]'' bekannter indischer Nationalfeiertag.<!-- (seit 1948?) --> Man gedenkt ebenfalls jährlich seines Todestages (30. Januar), der als ''Märtyrer-Tag'' begangen wird. Mit seinem Namen sind die jährlichen Feiern zur Unabhängigkeit am 15. August verbunden. Das ''[[Gandhi Smriti]]'' in Neu-Delhi ist ein Museum, das Gandhi gewidmet ist. Der Indische Nationalkongress, den er seit 1920 führte und in den darauffolgenden Jahren stark prägte, galt bis in die 1990er Jahre als gesamtindische Partei und stellte etliche Premierminister. Ausländische Staatsgäste gedenken Gandhis mit Kranzniederlegungen.<ref>Markus Lippold; AP, dpa (Fotos): [http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/politik/Gandhi-article19653.html ''Die „große Seele“ Indiens. Gandhi'']. n-tv mediathek</ref><br />
<br />
Die indische Regierung verleiht seit 1995 den [[Gandhi-Friedenspreis|Internationalen Gandhi-Friedenspreis]].<br />
<br />
Spuren Gandhis in der Außenpolitik Indiens zu finden, ist schwierig; doch was man entdecken kann, ist „eine ritualisierte Verwaltung des Andenkens an den großen Mann in zahlreichen Instituten für Gandhi-Studien, die wenig oder nichts zur Theorie und Praxis der [[Gütekraft]] und nicht viel zu unserem Wissen über Gandhi beitragen. Er bleibt sein eigener bester Biograph.“<ref>[http://www.friederle.de/zivil/galtung.htm ''Mohandas K. Gandhis Real-Politik'']. Arbeitsstelle Frieden ([http://www.guetekraft.net/gkerforschen/gk_erf_01.pdf PDF, 204 KB], Arbeitsgruppe Gütekraft)</ref><br />
<br />
[[Martin Luther King]], Sprecher der [[Bürgerrechtsbewegung|Bürgerrechtsbewegung in den USA]], war von Gandhi stark geprägt; auch die politische Folk-Sängerin [[Joan Baez]], die in den 1960er Jahren sehr populär war, bezieht sich auf Gandhi. Die Arbeit des Friedens- und Konfliktforschers [[Johan Galtung]] beruht nach eigener Aussage auf den ethischen Prinzipien Gandhis. In seinem Buch ''Der Weg ist das Ziel. Gandhi und die Alternativbewegung'' entwickelte er 1987 eine Strategie des Widerstands für die westliche Alternativbewegung, bei der er sich auf Gandhis Lehren und deren praktische Umsetzung bezog.<ref>Johan Galtung: ''Der Weg ist das Ziel. Gandhi und die Alternativbewegung.'' Peter Hammer Verlag, Wuppertal/Lünen 1987, insbesondere S. 8&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
[[Philip Glass]] komponierte 1980 die [[Oper]] ''[[Satyagraha#Musik|Satyagraha]]'', die von Gandhis Werdegang handelt.<br />
<br />
Das Leben des Mahatma Gandhi wurde 1982 von [[Richard Attenborough]] erfolgreich unter dem Titel ''[[Gandhi (Film)|Gandhi]]'' verfilmt. Die [[Hauptrolle]] spielte [[Ben Kingsley]]; der Film wurde mit acht [[Oscar]]s, unter anderem in den Kategorien ''Bester Film'' und ''Bester Hauptdarsteller'' prämiert. Für den aus Indien stammenden Schriftsteller [[Salman Rushdie]] ist dieser Film jedoch eine ''geschichtslose Art westlicher Heiligenschöpfung'', die Gandhi zum [[Mythos]] verklärt und den wirklichen Menschen aus den Augen verliert.<br />
<br />
In Südafrika beriefen sich [[Nelson Mandela]] und der [[Afrikanischer Nationalkongress|Afrikanische Nationalkongress]] (ANC), dessen Name an den INC angelehnt ist, bis zum [[Massaker von Sharpeville]] ausdrücklich auf Gandhi und kämpften mit den Mitteln Gandhis. Erst danach gingen sie zum bewaffneten Kampf über.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 114.</ref> [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Gorbatschow]] und die folgenden friedlichen Revolutionen in einigen Staaten des [[Sowjetunion|real existierenden Sozialismus]], darunter die [[Wende und friedliche Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik|DDR]], waren von Gandhi beeinflusst.<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk und Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 121, 124.</ref><br />
<br />
Ob Gandhis Methoden in jedem Befreiungskampf erfolgreich sein können, ist umstritten. Matthias Eberling (2006) urteilt über Gandhis Rolle für die Unabhängigkeit Indiens vom britischen Weltreich:<br />
{{Zitat|Eine [[Totalitarismus|totalitäre]] Diktatur hätte eine zarte Figur im Lendenschurz wie ihn [Gandhi] einfach zerbrochen und ausgelöscht. Aber in einer Demokratie mit einer kritischen Presse – und wenn sie auch eine rassistische, imperialistische Klassengesellschaft wie das Britische Empire war – konnte dieser stete Tropfen des gewaltfreien Widerstands jedoch letztlich das Joch der englischen Kolonialherrschaft brüchig werden lassen.|ref=<ref>Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk und Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 7.</ref>}}<br />
Anders sieht das Johan Galtung (1987). Er führt als Beleg für den möglichen Erfolg gewaltlosen Widerstands auch im [[Nationalsozialismus]] oder [[Stalinismus]] den [[Rosenstraße-Protest]] an, als 1943 in Berlin „arische“ Ehefrauen nach mehrtägigem massivem gewaltfreiem Protest erreicht hätten, dass ihre bereits verhafteten jüdischen Ehepartner nicht deportiert, sondern freigelassen wurden.<ref>Johan Galtung: ''Der Weg ist das Ziel. Gandhi und die Alternativbewegung.'' Wuppertal/Lünen, S. 72&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Curt Ullerich betont, Gandhi sei klar gewesen, dass er sich im britischen Kolonialreich trotz teils gewaltsamer Unterdrückung von Widerstand relativ frei seinem Gewissen entsprechend für Veränderungen einsetzen konnte. Später habe er seine Methoden auch bei völlig schrankenloser Machtausübung für wirksam gehalten.<ref>Curt Ullerich: ''Nachwort.'' In: Mahatma Gandhi: ''Mein Leben.'' Hg. C.&nbsp;F. Andrews, Frankfurt am Main 1983, S. 276&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Laut Martin Luther King war Gandhi der erste Mensch in der Geschichte, der Jesu Liebesethik zu einer gewaltigen und wirksamen sozialen Macht gesteigert hat,<ref>siehe Heimo Rau: ''Gandhi.'' Reinbek bei Hamburg 2005, S. 136.</ref> und [[Albert Schweitzer]] zufolge führte Gandhi fort, was Buddha begann.<ref>siehe Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Frankfurt am Main 2006, S. 131.</ref><br />
<br />
== Werke ==<br />
<br />
* ''The Collected Works of Mahatma Gandhi.'' Hrsg. vom [[Ministry of Information and Broadcasting]], Government of India, 100 Bde., New Delhi 1956–1994.<br />
* ''Eine Autobiographie oder Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit.'' Verlag Hinder + Deelmann, Gladenbach 1977, ISBN 3-87348-162-6.<br />
* ''Gandhi. Ausgewählte Werke.'' Hrsg. von Shriman Narayan, 5 Bde., Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0651-6.<br />
* ''Mein Leben.'' Hrsg. von C.&nbsp;F. Andrews, Nachwort: Curt Ullerich, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-37453-2, zahlreiche Neuauflagen (englische Erstausgabe: 1930).<br />
* ''Jung Indien: Aufsätze aus den Jahren 1919 bis 1922.'' Hrsg. von Madeleine & [[Romain Rolland]], Rotapfel-Verlag, Zürich 1924.<br />
* ''Wegweiser zur Gesundheit; Die Kraft des [[Ayurveda]].'' Rotapfel-Verlag, Zürich 1925, Nachdruck Eugen Diederichs Verlag, München 1988 (1. Aufl.), 1992 (2. Aufl.), ISBN 3-424-00926-1.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Biographien ===<br />
Einflussreiche ältere Biographien stammen von [[Romain Rolland]] (1924), Louis Fischer (engl. 1950, dt. ''Das Leben des M.&nbsp;G.'' 1953<ref>Umfangreich, in versch. Ausgaben gedruckt. Kürzer ist sein unten angegeb. Werk von 1954, das in Dt. ebenfalls von versch. Verlagen produziert wurde, u.&nbsp;a. mit zahlreichen s/w Abb., auch diese sind in unterschiedlichem Umfang enthalten, z.&nbsp;B. [[Heyne Verlag]], Deutscher Bücherbund</ref>) und Bal Ram Nanda. In deutscher Sprache existieren neben zahlreichen kompakten Biographien, darunter die sehr erfolgreiche von [[Heimo Rau]], auch einige umfangreichere neuere Publikationen, namentlich von [[Sigrid Grabner]], Vanamali Gunturu, Matthias Eberling und [[Dietmar Rothermund]].<br />
<br />
* Richard Deats: ''Mahatma Gandhi. Ein Lebensbild.'' Verlag Neue Stadt, München/ Zürich/ Wien 2005, ISBN 3-87996-639-7. (Amerikan. Originalausg.: ''Mahatma Gandhi. Nonviolent Liberator.'' 2005)<br />
* Louis Fischer: ''Gandhi. Prophet der Gewaltlosigkeit.'' Ins Deutsche übersetzt von Renate Zeschitz. 14. Auflage. Heyne, München 1998, ISBN 3-453-09538-3. (Originaltitel: ''Gandhi. His Life and Message for the World.'' 1954)<br />
* [[Rajmohan Gandhi]]: ''The Good Boatman - A Portrait of Gandhi.'' ISBN 0-670-86822-1.<br />
* Sigrid Grabner: ''Mahatma Gandhi. Politiker, Pilger und Prophet.'' Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2002, ISBN 3-374-01940-4.<br />
* [[Ramachandra Guha]]: ''Gandhi before India: How the Mahatma Was Made''. Alfred A. Knopf, New York City 2014, ISBN 978-0-385-53229-7.<br />
* Vanamali Gunturu: ''Mahatma Gandhi. Leben und Werk.'' Diederichs, München 1999, ISBN 3-424-01481-8.<br />
* [[Joseph Lelyveld]]: ''Great Soul: Mahatma Gandhi and His Struggle With India.''<ref>Hari Kunzru: [http://www.nytimes.com/2011/03/30/books/in-great-soul-joseph-lelyveld-re-examines-gandhi.html ''Appreciating Gandhi Through His Human Side.''] In: ''[[New York Times]].'' 29. März 2011.</ref><ref>Haznain Kazim, Islamabad: [http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,754977,00.html ''Debatte um Gandhi-Biografie. „Das Geschreibsel ist pervers“.''] In: ''[[Spiegel Online]].'' 6. April 2011.</ref> Knopf, New York 2011, ISBN 978-0-307-26958-4.<br />
* Giovanni Mattazzi: ''Mahatma Gandhi. Die große Seele Indiens.'' Parthas, Berlin 2004, ISBN 3-932529-99-5. Original: Mailand 2002.<br />
* Bal Ram Nanda: ''Mahatma Gandhi. A Biography.'' Allen & Unwin, London 1958.<br />
* Pandit Shri Shridhar Nehru: ''Mahatma Gandhi. Sein Leben und Werk.'' 1. Auflage. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1983, ISBN 3-404-61075-X.<br />
* Robert Payne: ''The Life and Death of Mahatma Gandhi.'' The Bodley Head, London 1969, ISBN 0-370-01318-2.<br />
* Heimo Rau: ''Gandhi.'' 29. Auflage. Rowohlt TB, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50172-4.<br />
* Romain Rolland: ''Mahatma Gandhi.'' Zürich 1924.<br />
* Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi. Eine politische Biographie.'' 2. Auflage. C.&nbsp;H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42018-4.<br />
* Dietmar Rothermund: ''Mahatma Gandhi'' (= C.&nbsp;H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe). C.&nbsp;H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48022-5.<br />
* Dietmar Rothermund: ''Gandhi. Der gewaltlose Revolutionär.'' C.&nbsp;H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62460-5.<br />
<br />
=== Zu Werk und Wirkung ===<br />
* [[Christian Bartolf]] (Hrsg.): ''Der Atem meines Lebens: der Dialog von Mahatma Gandhi und [[Bart de Ligt]] über Krieg und Frieden.'' [[Gandhi-Informations-Zentrum]], Berlin 2000, ISBN 3-930093-14-6.<br />
* Andreas Becke: ''Gandhi zur Einführung.'' Junius, Hamburg 1999, ISBN 3-88506-310-7.<br />
* [[Bidyut Chakrabarty]]: ''Social and Political Thought of Mahatma Gandhi.'' (=''Studies in Social and Political Thought''). Routledge, Chapman & Hall, London/ New York 2005, ISBN 0-415-36096-X, ISBN 0-415-48209-7.<ref>annoted edition. Online lesbar im Internet-Handel</ref><br />
* Dieter Conrad: ''Gandhi und der Begriff des Politischen. Staat, Religion und Gewalt.''<ref>Manuskript abgeschlossen 1988.</ref> Hg. Barbara Conrad-Lütt, Einführung [[Jan Assmann]], Wilhelm Fink, München 2006, ISBN 3-7705-4312-2.<br />
* Matthias Eberling: ''Mahatma Gandhi – Leben, Werk, Wirkung.'' Suhrkamp, Frankfurt 2006, ISBN 3-518-18219-6.<br />
* [[Erik H. Erikson]]: ''Gandhis Wahrheit: Über die Ursprünge der militanten Gewaltlosigkeit.'' Frankfurt 1971; wieder Suhrkamp TB Wissenschaft stw, 1988, ISBN 3-518-27865-7, Original: ''Gandhi's Truth.'' 1969.<br />
* Jürgen Lütt: ''Mahatma Gandhis Kritik an der modernen Zivilisation.'' In: ''[[Saeculum (Zeitschrift)|Saeculum, Jahrbuch für Universalgeschichte]].'' Band 37, 1986.<br />
* [[Bernhard Mann (Soziologe)|Bernhard Mann]]: ''Die pädagogisch-politischen Konzeptionen Mahatma Gandhis und Paulo Freires. Eine vergleichende Studie zur entwicklungsstrategischen politischen Bildung in der Dritten Welt.'' In: [[Bernhard Claußen]] (Hrsg.): ''Studien zur Politikdidaktik'' (StzPD). 9. Haag + Herchen, Frankfurt 1979, ISBN 3-88129-237-3.<br />
* Bernhard Mann: ''The Pedagogical and Political Concepts of Mahatma Gandhi and Paulo Freire.'' In: Bernhard Claußen (Hrsg.): ''International Studies in Political Socialization and Political Education'' (ISPSPE). Krämer, Hamburg 1995, ISBN 3-926952-97-0.<br />
* [[Wilhelm Emil Mühlmann]]: ''Mahatma Gandhi. Der Mann, sein Werk, seine Wirkung. Eine Untersuchung zur [[Religionssoziologie]] und politischen Ethik.'' Mohr, Tübingen 1950.<br />
* Ashis Nandy: ''Der Intimfeind – Verlust und Wiederaneignung der Persönlichkeit im Kolonialismus. Zur Rezeption von Mohandas Karamchand Gandhis libertärem Anti-Kolonialismus.'' [[Graswurzelrevolution]], Nettersheim 2008, ISBN 978-3-939045-06-9.<br />
* Dietmar Rothermund: ''Gandhi und Nehru. Zwei Gesichter Indiens.'' Kohlhammer (Urban TB), Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-021342-5.<br />
* [[Salman Rushdie]]: ''Gandhi heute'' (Februar 1998). In: ders.: ''Überschreiten Sie diese Grenze! Schriften 1992–2002.'' Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-498-05773-1 (zuerst deutsch in: ''[[Die Zeit]].'' [http://www.zeit.de/1998/19/titel.txt.19980429.xml/ Nr. 19, 29. April 1998, S. 37&nbsp;f.)].<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Commonscat|Mohandas K. Gandhi|Mohandas K. Gandhi}}<br />
{{Wikiquote|Mahatma Gandhi}}<br />
* {{DNB-Portal|118639145}}<br />
* {{DDB|Person|118639145}}<br />
* {{Pressemappe|GND=118639145}}<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.qhistory.de/2011/03/mahatma-gandhi-%E2%80%93-protest-und-gewaltloser-widerstand/ | wayback=20120118021639 | text=Dietmar Rothermund im Interview "Mahatma Gandhi - Protest und Widerstand"}}<br />
* [http://www.zeit.de/2005/09/P-Gandhi_?page=all ''Der eitle Asket'']. Kritische Betrachtung Gandhis von Angelika Franz in der ''[[Die Zeit|Zeit]]'' vom 24. Februar 2005<br />
* [[Initiative Sozialistisches Forum]]: [http://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/pdf/isf-frieden_lp-gandhi.pdf ''Frieden – Je näher man hinschaut, desto fremder schaut es zurück. Zur Kritik einer deutschen Friedensbewegung'']. ça ira, Freiburg 1984, S. 73–120 (PDF 316 KB)<br />
* [[Wikilivres:Mohandas K. Gandhi|Werke von Gandhi]]<br />
* [http://news.bbc.co.uk/olmedia/1490000/audio/_1492914_india_nehru.ram Audiodatei: Premierminister Nehru verkündet den Tod Gandhis] ([[Real Audio]]; 0&nbsp;kB)<br />
* [http://www.gandhiserve.de/ GandhiServe Foundation – Originalaufnahmen, Fotografien und Informationen zu Mohandas Karamchand Gandhi]<br />
* [http://www.nonviolent-resistance.info/exhibitions/ger/gandhi/index.htm Gandhis Weg zur Gewaltlosigkeit – autobiographische Zitate, Fotos, Originalton] Online-Ausstellung (2008)<br />
* Dietmar Rothermund: [http://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/gandhi-mohandas-karamchand/ ''Gandhi, Mohandas Karamchand''], in: [[Kurt Groenewold]], Alexander Ignor, Arnd Koch (Hrsg.): ''Lexikon der Politischen Strafprozesse'', Online, Stand Juni 2015<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118639145|LCCN=n/79/41626|NDL=00440485|VIAF=71391324}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Gandhi, Mohandas Karamchand}}<br />
[[Kategorie:Mohandas Karamchand Gandhi| ]]<br />
[[Kategorie:Bürgerrechtler]]<br />
[[Kategorie:Politiker (Indien)]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Person (Hinduismus)]]<br />
[[Kategorie:Gewaltfreiheit]]<br />
[[Kategorie:Ziviler Ungehorsam]]<br />
[[Kategorie:Person der Friedensbewegung]]<br />
[[Kategorie:Revolutionär]]<br />
[[Kategorie:Rechtsanwalt (Indien)]]<br />
[[Kategorie:Rechtsanwalt (Südafrika)]]<br />
[[Kategorie:Person (Durban)]]<br />
[[Kategorie:Person (Johannesburg)]]<br />
[[Kategorie:Indisch-südafrikanische Beziehungen]]<br />
[[Kategorie:Indische Philosophie]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Autobiografie]]<br />
[[Kategorie:Opfer eines Attentats]]<br />
[[Kategorie:Mordopfer]]<br />
[[Kategorie:Kriminalfall 1948]]<br />
[[Kategorie:Namensgeber für eine Stadt]]<br />
[[Kategorie:Inder]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1869]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 1948]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Gandhi, Mohandas Karamchand<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Gandhi, Mahatma; મોહનદાસ કરમચંદ ગાંધી (sa); मोहनदास करमचंद गांधी (sa)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=indischer Rechtsanwalt, Asket, und Pazifist<br />
|GEBURTSDATUM=2. Oktober 1869<br />
|GEBURTSORT=[[Porbandar]], [[Gujarat]]<br />
|STERBEDATUM=30. Januar 1948<br />
|STERBEORT=[[Neu-Delhi]], [[Delhi]]<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Misteln&diff=168456214Misteln2017-08-25T10:26:30Z<p>Exploit: /* Weiterführende Literatur */</p>
<hr />
<div><!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --><br />
{{Taxobox<br />
| Taxon_Name = Misteln<br />
| Taxon_WissName = Viscum<br />
| Taxon_Rang = Gattung<br />
| Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]]<br />
| Taxon2_Name = Sandelholzgewächse<br />
| Taxon2_WissName = Santalaceae<br />
| Taxon2_Rang = Familie<br />
| Taxon3_Name = Sandelholzartige<br />
| Taxon3_WissName = Santalales<br />
| Taxon3_Rang = Ordnung<br />
| Taxon4_Name = Kerneudikotyledonen<br />
| Taxon4_Rang = ohne<br />
| Taxon5_Name = Eudikotyledonen<br />
| Taxon5_Rang = ohne<br />
| Taxon6_Name = Bedecktsamer<br />
| Taxon6_WissName = Magnoliopsida<br />
| Taxon6_Rang = Klasse<br />
| Bild = Weißbeerige_Mistel_am_Apfelbaum_(Schöner_aus_Boskoop).jpg<br />
| Bildbeschreibung = [[Weißbeerige Mistel]] (''Viscum album'')<br />
}}<br />
[[Datei:Viscum album (Düsseldorf-Himmelgeist) 05 ies.jpg|thumb|Weißbeerige Misteln auf winterkahlen Laubbäumen in der [[Gemäßigte Zone|gemäßigten Zone]]]]<br />
[[Datei:Mistel 1.png|thumb|2-jährige Weißbeerige Mistel (grün) und die [[Gewöhnliche Gelbflechte]]]]<br />
[[Datei:Омела 27 апреля Харьков Vizu.JPG|thumb|Weißbeerige Mistel im Frühling]]<br />
[[Datei:Viscum album 003.JPG|thumb|Früchte der [[Weißbeerige Mistel|Weißbeerigen Mistel]]]]<br />
<br />
'''Misteln''' sind Pflanzen der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''Viscum'' aus der [[Familie (Biologie)|Familie]] der [[Sandelholzgewächse]] (Santalaceae). Früher wurden die mehr als drei Dutzend ''Viscum''-Arten und die ihnen nahestehenden Gattungen wie z.&nbsp;B. ''Arceuthobium'' und ''Korthalsella'' in eine Familie namens Viscaceae gestellt. Misteln sind halb[[parasit]]ische, [[epiphyt]]ische Sträucher. Vor allem in den Tropen und Subtropen kommt diese Lebensform auch in anderen Pflanzenfamilien vor, z.&nbsp;B. in den entfernt verwandten, artenreichen [[Riemenblumengewächse]]n (Loranthaceae).<br />
<br />
== Etymologie ==<br />
Der Name ''Mistel'' ([[mittelhochdeutsch|mhd.]] ''mistel'', [[althochdeutsch|ahd.]] ''mistil'') ist mit ''[[Mist]]'' (ahd. ''mist'') verwandt. Mistelsamen werden von Vögeln gefressen und gelangen mit ihren Ausscheidungen („Vogelmist“) wieder auf die Bäume.<ref>Duden online: [http://www.duden.de/rechtschreibung/Mistel ''Mistel'']</ref> Zugrunde liegt eine urgermanische Wurzel „mihst“ (‚Mist; Harn, Kot, Dünger‘), deutbar auch als ‚(klebrige) Ausschwitzung bzw. krankhafter Auswuchs‘ (‚Saft, Pflanzenschleim, Sekretionsstoff‘) auf der Wirtspflanze.<ref>Lars Hermodssin: ''Der Name der Mistel.'' In: ''Studia neophilologica'' 43, 1971, S. 173–179.</ref><ref>[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]] (1967), S. 481 f. (''Mist'' und ''Mistel'').</ref><br />
<br />
Der [[latein]]ische Gattungsname ''Viscum'' ist identisch mit dem lateinischen Wort ''viscum'' für „Leim“. Von den Römern wurde aus den klebrigen Beeren [[Vogelleim]] hergestellt, der dem Vogelfang diente. Der Begriff [[Viskosität]] (Maß für Zähflüssigkeit) geht auf spätlateinisch ''viscosus'' „klebrig“ zurück und damit ebenfalls auf ''viscum'', den klebrigen Schleim der Mistelbeeren (Mistelleim).<ref>Vgl. Duden online: [http://www.duden.de/rechtschreibung/viskos ''viskos'']</ref><br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
{{Belege}}<br />
Misteln sind [[Immergrüne Pflanze|immergrün]]e [[Monözie|ein-]] oder [[Diözie|zweihäusige]] [[Halbschmarotzer]], die auf [[Baum|Bäumen]] oder [[Strauch|Sträuchern]] wachsen. Ihre Äste verzweigen sich oft gabelig. Blätter erscheinen paarig oder in [[Wirtel]]n. Bei einigen Arten, die zusätzlich zum Wasser auch ihre Nährstoffe vorwiegend von ihren [[Wirt (Biologie)|Wirten]] beziehen, sind die grünen, zur [[Photosynthese]] fähigen Teile (Blätter, grüne Äste) sehr klein. Arten, die auf [[sukkulente]]n Wirten wachsen und so mit ihren Wirten saisonalen Wassermangel ertragen müssen, sind selbst sukkulent. Im Extremfall (bei ''[[Zwergmistel|Viscum minimum]]'') befindet sich mit Ausnahme der Blüten die gesamte Pflanze innerhalb des Wirtes. Diese ist also ein Vollparasit.<br />
<br />
Die männlichen oder weiblichen [[Blüte]]n der ''[[Viscum]]''-Arten sind unscheinbar, 1 bis 3 Millimeter im Durchmesser und grünlich gelb. Nach der [[Bestäubung]] durch [[Insekten]] und anschließend erfolgter [[Befruchtung]] entstehen weiße, gelbe oder rote [[Beere]]nfrüchte. In ihnen sind je einzelne [[Same (Pflanze)|Samen]]. <br />
<br />
Eine Besonderheit der Mistel-Früchte und Samen liegt darin, dass keine [[Samenschale]] ausgebildet wird. Stattdessen bildet das [[Mesokarp]] eine klebrige Schicht aus [[Cellulose]], [[Hemicellulose]]n und [[Pektin]]en, die als Viscin bezeichnet wird.<ref name="DOI10.1023/A:1009223730317">Jun-ichi Azuma, Nam-Hun Kim, Laurent Heux, Roger Vuong, Henri Chanzy: ''The cellulose system in viscin from mistletoe berries.'' In: ''Cellulose.'' 7, S.&nbsp;3–19, {{DOI|10.1023/A:1009223730317}}.</ref> Die Samen werden von Vögeln verbreitet, die die Früchte oder wenigstens die Beerenhäute mit ihrer etwas nahrhaften Schleimauskleidung fressen. Die klebrigen Samen können dabei z.&nbsp;B. mit dem Schnabel gezielt an Zweigen abgestreift werden. Oder die Beeren ohne die unverdaulichen Häute passieren den Darm und werden über den After ausgeschieden, während die schleimentleerten Beerenhäute als [[Speiballen]] ausgewürgt werden.<ref>Nierhaus-Wunderwald, Dagmar, Lawrenz, Peter: ''Zur Biologie der Mistel.'' In: Merkblatt für die Praxis 28, 1997, S.&nbsp;1–8. {{ISSN|1422-2876}} Herausgeber: Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Birmensdorf</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.kew.org/science-conservation/plants-fungi/viscum-album-mistletoe|autor=Tony Hall, Steve Davis |titel=Viscum album (mistletoe)|hrsg=Royal Botanic Garden Kew |zugriff=2015-06-07}}</ref><ref>Kahle-Zuber, Doris: ''Biology and evolution of the European mistletoe (Viscum album)'' Doktorarbeit, ETH Zürich, Zürich 2008</ref> Das Viscin wird nicht vollständig verdaut und sorgt dafür, dass die Samen auch nach der Passage durch den Vogeldarm an Zweigen haften. Für die [[Keimung]] der Samen ist das Verschlucken ohne Bedeutung.<ref name="DOI10.1007/s00442-014-3013-8">Ana Mellado, Regino Zamora: ''Generalist birds govern the seed dispersal of a parasitic plant with strong recruitment constraints.'' In: ''Oecologia.'' 176, 2014, S.&nbsp;139–147, {{DOI|10.1007/s00442-014-3013-8}}.</ref><br />
<br />
Bei der [[Keimung]] entsteht unter den winzigen [[Kotyledone|Keimblättern]] ein „Schlauch“ mit endständiger Scheibe, aus der sich bei Kontakt mit einem geeigneten Wirt auf noch glatter Rinde ein [[Haustorium]] entwickelt, durch das der [[Sämling|Keimling]] zu den Leitbahnen der Wirtspflanze vordringen kann.<br />
<br />
== Verbreitung ==<br />
Misteln sind weltweit in den [[Tropen|tropischen]], [[Subtropen|subtropischen]] und [[Gemäßigte Zone|gemäßigten Zonen]] verbreitet. Die Anzahl ihrer anerkannten Arten ist umstritten und beträgt je nach Familienabgrenzung zwischen rund 400 und über 1400.<br />
<br />
== Kulturgeschichte und Populärkultur ==<br />
<br />
Der Mistelzweig hat in der germanischen [[Mythologie]] symbolische Bedeutung. [[Loki]] tötet [[Balder]], den Sohn [[Odin]]s und [[Frigg]]s, indem er dem blinden [[Hödr]] einen Mistelzweig auf den Bogen spannt und auf Balder zielen lässt. Misteln sind Balders „[[Achillesferse]]“, da alle Elemente und Lebewesen der Erde, ausgenommen die Mistel, geschworen haben, dem schönen, jungen Gott nichts zu Leide zu tun.<br />
<br />
Das Küssen unter in Wohnungen aufgehängten Mistelzweigen gehört zu den [[Weihnachten weltweit#Vereinigte Staaten|Weihnachtsbräuchen in den USA]] und England. Der Ursprung des Brauchs ist nicht bekannt.<ref>Vgl. Bettina Meister: ''[http://www.zauberspiegel-online.de/index.php/mythen-aamp-wirklichkeiten-mainmenu-288/aberglaube-mainmenu-294/670-ksse-unter-dem-mistelzweig-update Küsse unter dem Mistelzweig]'' in: zauberspiegel-online.de, 7. Dezember 2007.</ref><br />
<br />
Misteln sind in den [[Asterix]]-[[Comic]]s ein Bestandteil des vom [[Druide]]n Miraculix gebrauten [[Elixier#Zaubertrank|Zaubertranks]]. Erst die Misteln im Trank verleihen den Bewohnern unglaubliche Kräfte zur Verteidigung des letzten von den Römern noch nicht eingenommenen gallischen Dorfes. Die Autoren sind wahrscheinlich inspiriert von dem Bericht des Römers [[Plinius der Ältere|Plinius]], dass die Priester der Gallier, die Druiden, Misteln und die Bäume, auf denen sie wuchsen, als heilig verehrten, besonders wenn es sich um Eichen handelte. Plinius beschreibt, wie die Misteln in einer besonderen Zeremonie von einem weiß gekleideten Druiden mit einer goldenen Sichel geschnitten würden und dann in einen Trank gegeben würden, der unfruchtbare Tiere fruchtbar machen und Vergiftungen heilen solle.<br />
<br />
Volkstümliche Bezeichnungen der Mistel sind: Donnerbesen, Druidenfuß, [[Hexenbesen (Biologie)|Hexenbesen]], Hexenkraut, Wintergrün, Bocksbutter, Albranken, Vogelkraut, Kreuzholz.<br />
<br />
In der alternativen Medizin wird Misteln eine antikarzinogene Wirkung nachgesagt, obwohl dies nach derzeitigem Erkenntnisstand fraglich erscheint.<ref> G. S. Kienle, H. Kiene: ''Influence of Viscum album L. (European Mistletoe) Extracts on Quality of Life in Cancer Patient: A Systematic Review of Controlled Clinical Studies.'' In: ''[[Integrative Cancer Therapies]]'' 2010; 9(2): 142–157</ref><br />
<br />
== Arten (Auswahl) ==<br />
[[Datei:Viscum minimum4 ies.jpg|miniatur|[[Zwergmistel]] (''Viscum minimum''), weibliche Blüten nach der Bestäubung]]<br />
[[Datei:Viscum rotundifolium, a, Uniegeboutuine.jpg|miniatur|''Viscum rotundifolium'' aus Südafrika mit roten Beeren]]<br />
* [[Weißbeerige Mistel]] (''Viscum album'' {{Person|L.}}): eine in Europa, Nordafrika und Asien einheimische Pflanze.<br />
* ''[[Viscum articulatum]]'' {{Person|Burm. f.}}: kommt in Süd- und Südostasien, in China und Australien vor; wächst auch epiparasitisch auf dem Parasiten ''[[Dendrophthoe]]''.<br />
* ''[[Viscum capitellatum]]'' {{Person|Sm.}}: wächst parasitisch auf den Parasiten ''[[Loranthus]]'' sowie auf anderen ''Viscum''-Arten.<br />
* ''[[Viscum coloratum]]'' {{Person|(Kom.) Nakai}}: früher als Unterart der Weißbeerigen Mistel angesehene Art in Ostasien (China, Korea, Japan und Ostrussland).<br />
* ''[[Viscum crassulae]]'' {{Person|Eckl. & Zeyh.}}: sukkulente Art, die auf sukkulenten ''[[Crassula]]''-Arten wächst. <br />
* [[Rotfrüchtige Mistel]] (''Viscum cruciatum'' {{Person|Sieber ex Boiss.}}): im südlichen [[Spanien]] sowie, disjunkt, in Palästina endemisch.<br />
* ''[[Viscum cuneifolium]]'' {{Person|Baker}}: auf [[Madagaskar]] endemische Art.<br />
* ''[[Viscum loranthi]]'' {{Person|Elmer}}: kommt in Indien, [[Nepal]], Indonesien, auf den Philippinen und in China (Yunnan) vor und wächst epiparasitisch auf dem Parasiten ''[[Scurrula]]''.<br />
* [[Zwergmistel]] (''Viscum minimum'' {{Person|Harv.}}): kleinste Viscaceenmistel-Art, einhäusig; bis auf Blüten und Früchte vollkommen endoparasitisch verborgen in sukkulenten ''[[Euphorbia]]''-Arten Südafrikas.<br />
* ''[[Viscum monoicum]]'' {{Person|Roxb. ex DC.}}: kommt in Indien, Bangladesch, Bhutan, Sikkim, Myanmar, Sri Lanka, Thailand, Vietnam und China (Guangxi, Yunnan) vor und wird häufig - autoparasitisch - von den eigenen Sämlingen befallen.<br />
* ''[[Viscum orientale]]'' {{Person|Willd.}}: in [[Asien]] verbreitete Art.<br />
* ''[[Viscum ovalifolium]]'' {{Person|DC.}}: kommt in Indien, Bhutan, Indonesien, Malaysia, Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand, Vietnam, in China und auf den Philippinen vor; recht groß werdende Art<br />
* ''[[Viscum rotundifolium]]'' {{Person|L. f.}}: kommt in Südafrika vor.<br />
* ''[[Viscum triflorum]]'' {{Person|DC.}}: [[afrika]]nische Art, die auf vielen unterschiedlichen Wirten wächst.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Misteltherapie]]<br />
<br />
== Weiterführende Literatur ==<br />
* [[Hans-Heinrich Vogt]]: ''Die Mistel - ein Halbschmarotzer''. In: Seltsames von Tieren und Pflanzen. Ernst Reinhardt Verlag, München 1960<br />
* Hans Christian Weber: ''Parasitismus von Blütenpflanzen'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993<br />
* H. S. Heide-Jorgensen: ''Parasitic Flowering Plants''. Brill Academic Publishers, 2008, ISBN 978-90-04-16750-6.<br />
* Huaxing Qiu, Michael G. Gilbert: ''Viscaceae Batsch''. Flora of China. Vol. 5, S. 240–245, 2004<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Santalaceae|Misteln (''Viscum'')}}<br />
* [http://heimat-pfalz.de/hans-wagners-naturseite/907-die-mistel-eine-alte-zauber-und-heilpflanze.html/ heimat-pfalz.de: ''Die Mistel – eine alte Zauber- und Heilpflanze'']<br />
* [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe]], ''Westfalen Regional'', Wilfried Stichmann, Ursula Stichmann-Marny, [https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Naturraum/Misteln lwl.org: ''Mistellandschaften zwischen Lippe und Haarstrang'']<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Sandelholzgewächse]]<br />
[[Kategorie:Pflanzenparasit]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hans_Heinrich_Vogt&diff=168456197Hans Heinrich Vogt2017-08-25T10:25:47Z<p>Exploit: Exploit verschob die Seite Hans Heinrich Vogt nach Hans-Heinrich Vogt: siehe Eintrag in der DNB http://d-nb.info/gnd/128835206</p>
<hr />
<div>#WEITERLEITUNG [[Hans-Heinrich Vogt]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hans-Heinrich_Vogt&diff=168456196Hans-Heinrich Vogt2017-08-25T10:25:46Z<p>Exploit: Exploit verschob die Seite Hans Heinrich Vogt nach Hans-Heinrich Vogt: siehe Eintrag in der DNB http://d-nb.info/gnd/128835206</p>
<hr />
<div>'''Hans Heinrich Vogt''' (* [[14. Juni]] [[1927]] in [[Breslau]]) war [[Oberstudienrat (Deutschland)|Oberstudienrat]] in [[Ingolstadt]] und [[Alzenau]], Buchautor und Autor naturwissenschaftlicher Rundfunksendungen.<ref>Laut Editorial „Der Nürnberger Trichter“, 1966</ref><br />
<br />
== Leben ==<br />
Geboren in Breslau, studierte er nach dem Krieg Chemie, Biologie und Erdkunde an der [[Universität München]] und arbeitete in Ingolstadt, bis er im September 1968 die Schulleitung in Alzenau übernahm. 1987 Leiter des [[Spessart-Gymnasium Alzenau|Spessart-Gymnasiums Alzenau]]. Daneben schrieb er Artikel für naturwissenschaftliche Zeitungen und verfasste mehr als 20 Bücher, in denen er naturwissenschaftliche Fragen auch für Laien verständlich erklärte. Dafür erhielt er 1968 die Wilhelm-Bölsche-Medaille für populäres wissenschaftliches Schrifttum.<ref>[http://www.main-netz.de/nachrichten/region/alzenau/alzenau-kurz/art3979,2152581 Am 14. Juni ...] Main-Netz 14. Juni 2012</ref><br />
<br />
== Positionen ==<br />
In „Wir Menschen sind ja gar nicht so“ [1964] stellt er, tierische Instinkte vergleichend, populärwissenschaftlich dar, welche angeborenen Instinkte und Reaktionsweisen Menschen aufweisen. Aufgrund dieser Positionen lässt er sich unter die primär biologisch (nicht primär geisteswissenschaftlich) inspirierten Anthropologen einordnen.<ref>Laut Literaturverzeichnis von „Wir Menschen sind ja gar nicht so“ beruft sich Vogt u.&nbsp;a. auf [[Konrad Lorenz]], [[Bernhard Grzimek]], [[Nico Tinbergen]]</ref><br />
Im Anschluss an [[B. F. Skinner]] sprach Vogt [1966] sich für kindliches Lernen unter Zuhilfenahme von Lernmaschinen aus.<br />
<br />
== Werke ==<br />
* Tierpsychologie für Jedermann: eine kleine Einführung in die Verhaltensforschung, München/Basel 1957<br />
* Seltsames von Tieren und Pflanzen. Ernst Reinhardt Verlag, München 1960<br />
* Reiz – Impulse – Gedanken, Stuttgart 1965, (Franckh'sche Verlagshandlung)<br />
* Wir Menschen sind ja gar nicht so, Vom Verhalten der Menschen und Tiere, Stuttgart 1964<br />
* Der Nürnberger Trichter, Lernmaschinen für Ihr Kind? Stuttgart 1966 (Franckh'sche Verlagshandlung)<br />
* Lernen bei Mensch und Tier, 1971<br />
* Wissenschaft von A bis Z, Naturwissenschaften, Medizin, Stuttgart 1971<br />
* Chemiker im Kreuzverhör, Aulis-Verlag, Köln 1979<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
[http://openlibrary.org/authors/OL1091422A/Hans-Heinrich_Vogt Openlibrary]<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=128835206|LCCN=n/87/940206|VIAF=47824423}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Vogt, Hans Heinrich}}<br />
[[Kategorie:Sachbuchautor]]<br />
[[Kategorie:Verhaltensforscher]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1927]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Vogt, Hans Heinrich<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Oberstudienrat und Autor<br />
|GEBURTSDATUM=14. Juni 1927<br />
|GEBURTSORT=[[Breslau]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hans-Heinrich_Vogt&diff=168456138Hans-Heinrich Vogt2017-08-25T10:23:22Z<p>Exploit: /* Werke */</p>
<hr />
<div>'''Hans Heinrich Vogt''' (* [[14. Juni]] [[1927]] in [[Breslau]]) war [[Oberstudienrat (Deutschland)|Oberstudienrat]] in [[Ingolstadt]] und [[Alzenau]], Buchautor und Autor naturwissenschaftlicher Rundfunksendungen.<ref>Laut Editorial „Der Nürnberger Trichter“, 1966</ref><br />
<br />
== Leben ==<br />
Geboren in Breslau, studierte er nach dem Krieg Chemie, Biologie und Erdkunde an der [[Universität München]] und arbeitete in Ingolstadt, bis er im September 1968 die Schulleitung in Alzenau übernahm. 1987 Leiter des [[Spessart-Gymnasium Alzenau|Spessart-Gymnasiums Alzenau]]. Daneben schrieb er Artikel für naturwissenschaftliche Zeitungen und verfasste mehr als 20 Bücher, in denen er naturwissenschaftliche Fragen auch für Laien verständlich erklärte. Dafür erhielt er 1968 die Wilhelm-Bölsche-Medaille für populäres wissenschaftliches Schrifttum.<ref>[http://www.main-netz.de/nachrichten/region/alzenau/alzenau-kurz/art3979,2152581 Am 14. Juni ...] Main-Netz 14. Juni 2012</ref><br />
<br />
== Positionen ==<br />
In „Wir Menschen sind ja gar nicht so“ [1964] stellt er, tierische Instinkte vergleichend, populärwissenschaftlich dar, welche angeborenen Instinkte und Reaktionsweisen Menschen aufweisen. Aufgrund dieser Positionen lässt er sich unter die primär biologisch (nicht primär geisteswissenschaftlich) inspirierten Anthropologen einordnen.<ref>Laut Literaturverzeichnis von „Wir Menschen sind ja gar nicht so“ beruft sich Vogt u.&nbsp;a. auf [[Konrad Lorenz]], [[Bernhard Grzimek]], [[Nico Tinbergen]]</ref><br />
Im Anschluss an [[B. F. Skinner]] sprach Vogt [1966] sich für kindliches Lernen unter Zuhilfenahme von Lernmaschinen aus.<br />
<br />
== Werke ==<br />
* Tierpsychologie für Jedermann: eine kleine Einführung in die Verhaltensforschung, München/Basel 1957<br />
* Seltsames von Tieren und Pflanzen. Ernst Reinhardt Verlag, München 1960<br />
* Reiz – Impulse – Gedanken, Stuttgart 1965, (Franckh'sche Verlagshandlung)<br />
* Wir Menschen sind ja gar nicht so, Vom Verhalten der Menschen und Tiere, Stuttgart 1964<br />
* Der Nürnberger Trichter, Lernmaschinen für Ihr Kind? Stuttgart 1966 (Franckh'sche Verlagshandlung)<br />
* Lernen bei Mensch und Tier, 1971<br />
* Wissenschaft von A bis Z, Naturwissenschaften, Medizin, Stuttgart 1971<br />
* Chemiker im Kreuzverhör, Aulis-Verlag, Köln 1979<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
[http://openlibrary.org/authors/OL1091422A/Hans-Heinrich_Vogt Openlibrary]<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=128835206|LCCN=n/87/940206|VIAF=47824423}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Vogt, Hans Heinrich}}<br />
[[Kategorie:Sachbuchautor]]<br />
[[Kategorie:Verhaltensforscher]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1927]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Vogt, Hans Heinrich<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Oberstudienrat und Autor<br />
|GEBURTSDATUM=14. Juni 1927<br />
|GEBURTSORT=[[Breslau]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Klaus_Reder&diff=167643783Klaus Reder2017-07-27T14:02:48Z<p>Exploit: /* Weblinks */ Regionalwikis nicht relevant</p>
<hr />
<div>'''Klaus Reder''' (* [[1958]] in [[Obereßfeld]]) ist ein deutscher [[Historiker]] und [[Volkskundler]]. Er ist seit 2007 als [[Honorarprofessor]] an der [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg]] und seit 1999 als hauptamtlicher [[Heimatpfleger]] im [[Bezirk Unterfranken]] tätig.<br />
<br />
== Leben und Wirken==<br />
Klaus Reder wurde im Jahr 1958 als einer der Söhne des Ingenieurs, Kommunalpolitikers, Musikers und Heimatforschers Anton Reder (1933-1998) und dessen Ehefrau Inge (geb. Ruck) in [[Obereßfeld]] geboren.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.sulzdorf.rhoen-saale.net/internet/index.php?page=13446&&detailID=17345 | titel=Persönlichkeiten aus Sulzdorf und Umgebung (4): Anton Reder (1933-1998) | datum= | zugriff=2017-03-28}}</ref><br />
<br />
Reder studierte an der [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg]] die Fächer [[Volkskunde]], [[historische Hilfswissenschaften]], [[Vor- und Frühgeschichte]] und fränkische [[Kirchengeschichte]]. Ab 1986 arbeitete er als [[wissenschaftlicher Mitarbeiter]] in der Abteilung Kulturarbeit und Heimatpflege beim [[Bezirk Unterfranken]]. Im Jahr 1994 promovierte er über ''„Die bayerischen Physikatsberichte 1858-1861 als ethnographische Quelle am Beispiel Unterfranken“'' zum Doktor der Philosophie.<br />
<br />
Reder ist seit 1996 [[Lehrbeauftragter]] und seit 2007 [[Honorarprofessor]] am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie /Volkskunde an der Universität Würzburg.<br />
<br />
Neben seiner Lehrtätigkeit ist Reder seit 1999 Bezirksheimatpfleger und Leiter der Kulturabteilung des Bezirks Unterfranken. Das von ihm geleitete Referat Kulturarbeit und Heimatpflege unterstützt und berät Vereine, Verbände und Privatpersonen, die sich in [[Unterfranken]] für Geschichte und Brauchtum engagieren.<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
* 2004 Kulturpreis Grabfeld<ref>{{Internetquelle | url=https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Ein-grosser-Foerderer-der-Heimat;art767,2899476#paywallanchor | titel=Ein großer Förderer der Heimat | datum=2004-11-26 | zugriff=2017-03-28}}</ref><br />
* 2010 Ehren-Gambrinus<ref>{{Internetquelle | url=http://www.b4bmainfranken.de/nachrichten/wuerzburg_artikel,-Gambrinus-fuer-Dotzel-Ehrengambrinus-fuer-fuer-Reder-_arid,56696.html | titel=Gambrinus für Dotzel - Ehrengambrinus für Reder | hrsg=b4bmainfranken.de | datum=2010-12-01 | zugriff=2017-03-28}}</ref><br />
<br />
== Publikationen (Auswahl) ==<br />
* ''„Es ist nicht die glücklichste Zone der Erdoberfläche ...“. Der Physikatsbericht 1858 für das bayerische Landgericht Orb von Dr. Johann Michael Fuchs.'' Verlag Orbensien, Bad Orb im Spessart 2009, ISBN 978-3927176249.<br />
* Zusammen mit Reinhold Albert: ''Rhön und Grabfeld im Spiegel der Beschreibungen der Bezirksärzte Mitte des 19. Jahrhunderts'' (herausgegeben vom Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld). Bad Königshofen 1995. <br />
* Zusammen mit Heidrun Alzheimer [u.&nbsp;a.]: ''Bilder, Sachen, Mentalitäten. Arbeitsfelder historischer Kulturwissenschaften'' (Festschrift anlässlich des 80. Geburtstages von [[Wolfgang Brückner]]). Schnell + Steiner, Regensburg 2010, ISBN 978-3795423230. <br />
* Zusammen mit Heidrun Alzheimer, Inge Weid: ''Volkskunde in Bayern : Institutionen - Namen - Adressen'' (Bayerische Blätter für Volkskunde). 3., völlig neu bearb. Aufl., Würzburg 1998.<br />
* Zusammen mit Hartmut Schötz [u.&nbsp;a.]: ''Festschrift Kurt Töpner zum 60. Geburtstag, gewidmet von Kollegen, Freunden und Mitarbeitern.'' Verlag Wilfred Eppe, Bergatreute 1997, ISBN 978-3890890470.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.volkskunde.uni-wuerzburg.de/mitarbeiter/professoren/prof_dr_klaus_reder/ Seite von Klaus Reder an der Universität Würzburg]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=131566539|LCCN=n/98/014426|VIAF=23275149}}<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Reder, Klaus}}<br />
[[Kategorie:Volkskundler]]<br />
[[Kategorie:Landeshistoriker]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1958]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Reder, Klaus<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Historiker, Volkskundler und Heimatpfleger<br />
|GEBURTSDATUM=1958<br />
|GEBURTSORT=[[Obereßfeld]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Marienkapelle_(W%C3%BCrzburg)&diff=167471912Marienkapelle (Würzburg)2017-07-21T17:58:06Z<p>Exploit: Westportal nicht Nordportal. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Marienkapelle,_W%C3%BCrzburg</p>
<hr />
<div>{{Infobox Kirchengebäude<br />
| Name = Marienkapelle<br />
| Bild = Marienkapelle Würzburg, South-West View 20140107 15.jpg<br />
| Bildunterschrift = Marienkapelle auf dem Würzburger Marktplatz<br />
| Diözese = Würzburg<br />
| Ort = [[Würzburg]]<br />
| Konfession = römisch-katholisch<br />
| Patrozinium = Allerheiligste Jungfrau Maria<br />
| Baustil = Gotik<br />
| Bautyp =<br />
| Bauherr =<br />
| Architekt =<br />
| Vorgängerbau =<br />
| Baubeginn = 1377<br />
| Fertigstellung = um 1480<br />
| Baukosten =<br />
| Einweihung =<br />
| Funktion =<br />
| Breitengrad = 49/47/41.20/N<br />
| Längengrad = 09/55/46.50/E<br />
| Region-ISO = DE-BY<br />
}}<br />
Die '''Marienkapelle''' in [[Würzburg]] ist ein [[Gotik|gotischer]] [[Kirche (Bauwerk)|Kirchenbau]] aus dem 14. Jahrhundert an der Nordseite des Unteren Marktes in Würzburg. Trotz ihrer Größe ist sie [[Codex Iuris Canonici|kirchenrechtlich]] eine [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]], da der Bau als Sühne von der Bürgerschaft errichtet und daher nicht mit [[Pfarrkirche|pfarrkirchlichen]] Rechten ausgestattet wurde. Heute ist die Kapelle eine Nebenkirche der vereinigten Pfarreien [[Würzburger Dom|Dom]] und [[Kollegiatstift Neumünster|Neumünster]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Die Entstehungsgeschichte der Marienkapelle ist eng mit der Ausrottung der ehemals florierenden jüdischen Gemeinde Würzburgs verknüpft. Ein im [[Schwarzer Tod|Pestjahr]] 1349 ausgestreutes Gerücht, die Juden seien durch Brunnenvergiftungen schuld am Ausbruch der Pest, führte am 21. April 1349 zu einem [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes|Pogrom]], bei dem die Würzburger Juden ermordet, das Judenviertel [[Schleifung|geschleift]] und die [[Synagoge]] niedergebrannt wurde. Bald nach dem Pogrom wurde an der Stelle der zerstörten Synagoge der Bau einer Marienkapelle aus Holz begonnen, unter deren Sakristei sich die Reste einer [[Mikwe]] erhalten haben sollen.<br />
<br />
Mit Geld- und Sachspenden der Würzburger Bürger wurde 1377 mit dem Bau der jetzigen Marienkapelle begonnen. Nach der Bauinschrift an der äußeren südlichen Seite des Langhauses legte Bischof [[Gerhard von Schwarzburg]] am 16. Mai 1377 den Grundstein zur heutigen Kirche. Der Chor, mit dessen Bau vermutlich bereits einige Jahre zuvor begonnen wurde, soll am 15. August 1392 geweiht worden sein. Das [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] der Kirche muss 1441 größtenteils fertiggestellt gewesen sein, da der aus dem Würzburger Dom vertriebene Bischof [[Sigismund von Sachsen]] die Marienkapelle für kurze Zeit als [[Kathedrale|Kathedralkirche]] verwendete. Ebenfalls 1441 wurde an der Nordwestecke mit der Errichtung des 70 Meter hohen Turmes als weitgehend eigenständiger Bau begonnen. In der ursprünglichen Planung war der Turm offenbar nicht vorgesehen; er entstand erst durch den Bedeutungswandel zur Rats- und Bürgerkirche als rein städtisches Vorhaben, welches 1479 abgeschlossen war.<br />
[[File:MarienkapelleWürzburg1845PeterGeistL1050207 (2).jpg|thumb|Marienkapelle Würzburg um 1845, Ölgemälde von Peter Geist (Fürstenbaumuseum Würzburg)]]<br />
Schon 1527 befand sich der Kirchenbau in einem schlechten Zustand; ab 1556 bis 1558 fanden Bauarbeiten am Turm statt. Ab 1616 wurde die Westempore im Innenraum eingezogen und Anfang des 18. Jahrhunderts die Dächer erneuert. Im Rahmen dieser Baumaßnahme bekam der Turm eine [[Welsche Haube]] mit der vom Goldschmied Martin Nötzel nach einer Vorlage von Jakob van der Auwera gefertigten bekrönenden Marienfigur. Die 3,45 Meter hohe goldene Doppelmadonna dreht sich mit Hilfe einer drehbaren Eisenkonstruktion wie eine Wetterfahne.<br />
Unter der Leitung des Münchner Bildhauers [[Andreas Halbig]] fanden in den Jahren von 1843 bis 1853 umfängliche Restaurierungsarbeiten statt.<br />
<br />
Beim [[Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945]] wurde die Kapelle schwer beschädigt und brannte vollständig aus; zahlreiche Kunstwerke gingen verloren. Der Wiederaufbau erfolgte unter der Leitung von Eugen Altenhöfer in den Jahren 1948 bis 1961. Dabei wurden, teilweise unter Verwendung verwertbarer [[Trümmer|Überreste]], die Pfeiler und das Gewölbe neu aufgemauert und der Innenraum modern gestaltet. Als eine der letzten durch den [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] zerstörten Würzburger Kirchen wurde die Marienkapelle von Bischof [[Josef Stangl]] am 20. März 1962 geweiht. 1996–2003 erfolgte eine Generalsanierung.<br />
<br />
== Architektur ==<br />
[[Datei:Würzburg Marienkapelle Südportal mit Adam und Eva.JPG|mini|hochkant|Das Südportal mit den Kopien der Sandsteinfiguren von Tilman Riemenschneider]]<br />
[[Datei:Marienkapelle Würzburg - IMG 6733.JPG|mini|hochkant|Westportal mit Kopie der Madonna am ursprünglichen Standort]]<br />
<br />
Die Architektur der rot-weißen Marienkapelle ist eine hauptsächlich in der Spätgotik verbreitete [[Staffelhalle|Mischform]] zwischen [[Basilika (Bautyp)|Basilika]] und [[Hallenkirche]]. An den steilen, langgezogenen [[Chor (Architektur)|Chor]] schließt sich westlich die dreischiffige Halle aus fünf [[Joch (Architektur)|Jochen]] an. An der Südseite zwischen Chor und Langhaus befindet sich in einer Ecke ein [[polygon]]aler [[Treppenturm]], der sogenannte Cyriakusturm, der die Cyriakusglocke beherbergt; auf der Nordseite die Sakristei. An der Westfassade zwischen Strebepfeiler und nördlichem Seitenschiff findet sich ein weiterer kleinerer Treppenturm.<br />
Chor und Seitenschiffe weisen [[Kreuzrippengewölbe|Kreuzrippen]] auf, das Gewölbe des Mittelschiffs ist in der Bauweise eines frühen Vorläufers des [[Gewölbe#Netzgewölbe|Netzgewölbes]] errichtet. Das Äußere des Kirchenbaues wird durch den Wechsel von steilen [[Spitzbogen#Lanzettfenster|Lanzettfenstern]] mit [[Fiale|Fialaufsätzen]], die den Bau umstehen, und [[Strebewerk#Strebepfeiler|Strebepfeilern]] dominiert. Die drei im 15. Jahrhundert entstandenen Portale mit [[Tympanon (Architektur)|Tympanon]] sind zwischen die Strebepfeiler gespannt und der Wand vorgeblendet.<br />
Das Südportal weist die reichste figürliche Ausstattung auf. Das Tympanon zeigt die Krönung Mariens, seitlich stehen die Jungfrauen Barbara und Katharina. Die Sandsteinfiguren „Adam“ und „Eva“ am Südportal sind Kopien des Werks von [[Tilman Riemenschneider]], der 1490 vom Stadtrat einen der letzten großen Aufträge in der Tradition der Kathedralskulptur erhielt. Der Stadtrat forderte von ihm eine „meysterliche“, sprich eigenhändige Fertigung. Die Originale befinden sich im [[Mainfränkisches Museum|Mainfränkische Museum]] auf der [[Festung Marienberg]].<br />
<br />
Der Giebel der Westfassade zeigt eine neugotische Maßwerkrosette, die erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt wurde.<br />
<br />
Um die Kirchenmauer herum befinden sich seit 1437 die sogenannten „Schwalbenlädle“, Kramläden, die der Kirche erhebliche Mieteinnahmen einbrachten und noch heute eine Vorstellung über das Geschäftsleben des Mittelalters vermitteln. Einer dieser Läden beheimatet gegenwärtig (Stand 2016) das kleinste Café Würzburgs.<br />
<br />
<gallery caption="Figuren von Nord- und Südportal der Marienkapelle"><br />
Würzburg Marienberg Mainfränkisches Museum Adam Marienkapelle.JPG|Original des „Adam“ im Mainfränkischen Museum<br />
Würzburg Marienberg Mainfränkisches Museum Eva Marienkapelle.JPG|Original der „Eva“ im Mainfränkischen Museum<br />
Marienkapelle Madonna.JPG|Madonna im Original (um 1430) in der Marienkapelle<br />
</gallery><br />
<br />
== Ausstattung ==<br />
[[Datei:Marienkapelle, Würzburg, Nave 20140929 1.jpg|mini|Das [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] nach Osten]]<br />
Das Grabmal des Ritters Konrad [[Schaumberg (Adelsgeschlecht)|von Schaumberg]] im Innenraum ist das Original Riemenschneiders. Weitere bemerkenswerte Kunstwerke aus der Riemenschneiderwerkstatt sind die Figuren Jesu, der Zwölf Apostel und Johannes des Täufers und die Reliquienbüste des [[Aquilin (Heiliger)|Aquilin]], des einzigen in Würzburg geborenen Heiligen. Zu den Grablegen wichtiger Würzburger Bürger zählt die von [[Balthasar Neumann]].<br />
<br />
<gallery><br />
Datei:Würzburg Marienkapelle Silbermadonna.JPG|Silbermadonna „Maria im Strahlenkranz“<br />
Datei:Konrad von Schaumberg (d. 1499) by Riemenschneider, Marienkapelle Würzburg - IMG 6746.JPG|Ritter Konrad von Schaumberg, Riemenschneider (1499)<br />
Datei:Marienkapelle Epitaph Martin v Seinsheim.JPG|Epitaph des Martin von Seinsheim († 1434), ältestes Grabdenkmal in der Marienkapelle.<br />
</gallery><br />
<br />
=== Orgel ===<br />
[[Datei:Würzburg Marienkapelle Orgel.JPG|mini|Die Orgel]]<br />
Die [[Orgel]] der Marienkapelle wurde im Jahre 1969 von dem Orgelbauer Michael Weise (Plattling) errichtet. Die Geschichte der Orgeln in der Marienkapelle reicht zurück bis in das 17. Jahrhundert. Im Jahre 1987 wurde die Weise-Orgel durch den Orgelbauer Johannes Klais (Bonn) restauriert und erweitert. Das Schleifladen-Instrument hat 20 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.<br />
<br />
{| border="0" cellspacing="0" cellpadding="10" style="border-collapse:collapse;"<br />
| style="vertical-align:top" |<br />
{| border="0"<br />
| colspan=4 | '''I Hauptwerk''' C–g<sup>3</sup><br />
----<br />
|-<br />
| 1. || Principal || 8′<br />
|-<br />
| 2. || Rohrflöte || 8′<br />
|-<br />
| 3. || Oktav || 4′<br />
|-<br />
| 4. || Superoktav || 2′<br />
|-<br />
| 5. || Sesquialtera II || 2<sup>2</sup>/<sub>2</sub>′<br />
|-<br />
| 6. || Mixtur IV-V || 1<sup>1</sup>/<sub>2</sub>′<br />
|-<br />
| 7. || Trompete || 8′<br />
|}<br />
| style="vertical-align:top" |<br />
{| border="0"<br />
| colspan=4 | '''II Brustwerk''' <small>(schwellbar)</small> C–g<sup>3</sup><br />
----<br />
|-<br />
| 8. || Gedackt || 8′<br />
|-<br />
| 9. || Salicional || 8′<br />
|-<br />
| 10. || Principal || 4′<br />
|-<br />
| 11. || Gedacktflöte || 4′<br />
|-<br />
| 12. || Nazard || 2<sup>2</sup>/<sub>2</sub>′<br />
|-<br />
| 13. || Waldflöte || 2′<br />
|-<br />
| 14. || Terznone II || 1<sup>3</sup>/<sub>5</sub>′+<sup>8</sup>/<sub>9</sub>′<br />
|-<br />
| 15. || Scharf IV || 1′<br />
|-<br />
| || ''Tremulant''<br />
|}<br />
| style="vertical-align:top" |<br />
{| border="0"<br />
| colspan=4 | '''Pedalwerk''' C–f<sup>1</sup><br />
----<br />
|-<br />
| 16. || Subbass || 16′<br />
|-<br />
| 17. || Offenbass || 8′<br />
|-<br />
| 18. || Oktav || 4′<br />
|-<br />
| 19. || Mixtur III || 2′<br />
|-<br />
| 20. || Fagott || 16′<br />
|}<br />
|}<br />
<br />
=== Glocken ===<br />
Am 1. Mai 2013 wurden sechs neue Glocken der Passauer Gießerei Perner geweiht. Sie erklingen in den Tönen fis<sup>1</sup>–gis<sup>1</sup>–ais<sup>1</sup>–h<sup>1</sup>–cis<sup>2</sup>–dis<sup>2</sup>.<ref>{{YouTube | id = wm3DohOfpNw | title = Vollgeläute – Einweihung der 6 neuen Glocken der katholischen Marienkapelle Würzburg (15. August 2013) }}.</ref><br />
<br />
== Liedstrophe 1630 ==<br />
Im Marienlied ''Von vnser lieben Frawen Beschützerin deß gantzen Franckenlands'' (''Alte und Newe Geistliche Catholische außerlesene Gesäng'', Würzburg 1630) heißt es in der vierten Strophe:<br />
<poem><br />
''Dich Würtzburg gar im Hertzen hat /<br />
''dein Kirch steht mitten in der Stadt /<br />
''die schöne Kirch Capell genennt /<br />
''sich dein vnd dir geweyht erkennt /<br />
''Darumb O Mutter deine Hand<br />
''halt vber vns in Franckenland.<ref>[[Commons:File:Von unser lieben Frawen Beschützerin deß gantzen Franckenlands.jpg|''Von vnser lieben Frawen Beschützerin deß gantzen Franckenlands'']] ({{Audio|EG344.mid|Melodie}})</ref><br />
</poem><br />
<br />
== Literatur ==<br />
<!-- alte Auflage von ISBN 978-3-7954-4243-9* {{Literatur |Autor= Wolfgang Schneider |Titel= Marienkapelle Würzburg |Auflage=3. |Verlag= Schnell & Steiner |Ort= Regensburg |Jahr=2001 |ISBN= 3-7954-4243-5}} --><br />
* {{Literatur |Autor= Claudia Jüngling |Titel= Kinder entdecken die Marienkapelle |Ort= Würzburg |Jahr= 2008}}<br />
* {{Literatur |Autor=Wolfgang Schneider |Titel= Marienkapelle Würzburg| Reihe=Der kleine Kunstführer Nr. 345|Auflage= 8., überarbeitete |Verlag= Schnell & Steiner |Ort= Regensburg |Jahr=2014 |ISBN= 978-3-7954-4243-9}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Marienkapelle Würzburg}}<br />
* {{HistLexBay|45157|Marienkapelle, Würzburg|Autor=Bernhard Rösch}}<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.bistum-wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/kunst/kirchen/marien_kapelle.html | wayback=20120111063042 | text=Bistum Würzburg: Die Würzburger Marienkapelle}}<br />
* [http://www.sobla.de/nachrichten/index.html/sie-gibt-der-stadt-ein-gesicht/2eaf475e-c2fe-4b42-907e-be111bf19f44?mode=detail Würzburger katholisches Sonntagsblatt] vom 23. Dezember 2013, abgerufen 16. Oktober 2014<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4443927-1|VIAF=241850966}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Wurzburg Marienkapelle}}<br />
[[Kategorie:Kirchengebäude in Würzburg|Marienkapelle]]<br />
[[Kategorie:Baudenkmal in Würzburg|Marienkapelle]]<br />
[[Kategorie:Kirchengebäude im Bistum Würzburg]]<br />
[[Kategorie:Marienkirche]]<br />
[[Kategorie:Gotisches Bauwerk in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Gotische Kirche]]<br />
[[Kategorie:Disposition einer Orgel]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Daniel_Harrich&diff=167106481Daniel Harrich2017-07-09T09:43:21Z<p>Exploit: /* Auszeichnungen */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Ulrich Chaussy, Daniel Harrich 01 (23396818692).jpg|mini|Daniel Harrich (rechts), zusammen mit [[Ulrich Chaussy]] bei der Preisverleihung der [[Deutsche Akademie für Fernsehen|Deutschen Akademie für Fernsehen 2015]]]]<br />
'''Daniel M. Harrich''' (* [[7. August]] [[1983]] in [[München]]) ist ein deutscher [[Regisseur]], [[Filmproduzent]], [[Drehbuchautor]] und [[Sachbuchautor]]. Er wurde bekannt mit seinen Arbeiten im Genre des Investigativen Spielfilms.<br />
<br />
== Biografie ==<br />
Nach dem Abitur am [[Albert-Einstein-Gymnasium München]], studierte Harrich Betriebswirtschaft an der [[Cass Business School]] in London und der Goizueta Business School der [[Emory University]] in Atlanta, USA. Anschließend war er bei der [[Endeavor Talent Agency]] in Los Angeles tätig.<br />
<br />
Daniel Harrich begann im Jahr 2006 eine Ausbildung am renommierten [[American Film Institute]] in Los Angeles. Sein Abschlussfilm „Acholiland“ (2008), über den Verlauf einer Lebensmittellieferung in Nord-Uganda, wurde unter anderem mit drei Student-Emmy-Awards der [[Academy of Television Arts & Sciences Foundation]] sowie dem BAFTA-LA ausgezeichnet.<br />
<br />
In Deutschland war er für mehrere TV-Serien wie „Ungeklärte Morde - Dem Täter auf der Spur“, „Tatort Ausland – Mord im Paradies“ sowie für die Dokumentation „Ziemlich beste Freunde - Was im Leben wirklich zählt“ (2012) des ZDF-Formats „37 Grad“ verantwortlich.<br />
<br />
== Investigativer Spielfilm ==<br />
Daniel Harrich hat das Genre des investigativen Spielfilms in Deutschland etabliert. Inhaltlich decken seine Spielfilme journalistische Recherchenergebnisse auf und haben mehrfach reale Auswirkungen auf aktuelle sowie historische Ereignisse gehabt. Unter anderem die Wiederaufnahme der Ermittlungen zum [[Oktoberfestattentat]] von 1980 durch die Bundesanwaltschaft - mit ausgelöst durch „[[Der blinde Fleck (2013)|Der blinde Fleck]]“<ref>{{Literatur|Autor=Rainer Gansera|Titel=Mit stechendem Blick|Sammelwerk=sueddeutsche.de|Datum=2014-01-22|ISSN=0174-4917|Online=http://www.sueddeutsche.de/kultur/der-blinde-fleck-im-kino-mit-stechendem-blick-1.1869387|Abruf=2017-06-13}}</ref> - und die Enthüllung illegaler Waffenexporte nach Mexiko und Kolumbien durch den Spielfilm „[[Meister des Todes]]“<ref>{{Literatur|Autor=Karoline Meta Beisel|Titel=Mama, Papa und Gewehre|Sammelwerk=sueddeutsche.de|Datum=2015-09-22|ISSN=0174-4917|Online=http://www.sueddeutsche.de/medien/portraet-mama-papa-und-gewehre-1.2658916?reduced=true|Abruf=2017-06-13}}</ref>, die Dokumentationen „Waffen für die Welt“<ref>{{Literatur|Autor=Paul-Anton Krüger|Titel=Weg der Waffen|Sammelwerk=sueddeutsche.de|Datum=2014-02-03|ISSN=0174-4917|Online=http://www.sueddeutsche.de/medien/waffen-fuer-die-welt-exporte-ausser-kontrolle-auf-arte-weg-der-waffen-1.1878392|Abruf=2017-06-13}}</ref> und „Tödliche Exporte“ sowie das Sachbuch „Netzwerk des Todes“ im Heyne Verlag.<ref>{{Literatur|Autor=Susanne Hermanski|Titel=Blut an deutschen Händen|Sammelwerk=sueddeutsche.de|Datum=2015-06-30|ISSN=0174-4917|Online=http://www.sueddeutsche.de/muenchen/filmfest-muenchen-blut-an-deutschen-haenden-1.2543061|Abruf=2017-06-13}}</ref><br />
<br />
{{Zitat|Text=Mit „[[Der blinde Fleck (2013)|Der blinde Fleck]]“ schuf Daniel Harrich das Genre des investigativen Spielfilms. Nun hat er wieder einen Spielfilm und dazu eine Doku gedreht - über illegale Waffengeschäfte der Deutschen mit Mexiko. Themenabend in der ARD: Waffenexporte: Starker Film „Meister des Todes“.|Autor=Marcel Kawentel|Quelle=''[[Neue Osnabrücker Zeitung]]'' Medien vom 23. September 2015}}<br />
<br />
Am 23. September 2015, dem Tag der Erstausstrahlung von [[Meister des Todes]] im Ersten, fand im [[Deutschen Bundestag]] eine „Aktuelle Stunde“ zu den für den Film recherchierten Waffenlieferungen nach Mexiko statt. Wenige Wochen später, am 5. November 2015, erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen sechs ehemalige Mitarbeiter des deutschen Waffenproduzenten Heckler & Koch aufgrund des Verdachts auf Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland bei Exporten nach Mexiko.<br />
<br />
Im April 2016 wurde publik, wie umfassend der Vorwurf tatsächlich ist: Im genauen Wortlaut heißt es in der Anklage, dass die Angeschuldigten „jeweils gemeinschaftlich und durch andere, gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat“ agiert hätten<ref>https://www.merkur.de/tv/heckler-koch-klage-nach-tv-doku-6345804.html</ref>. Dieser Vorwurf gegen Waffenhändler ist ein Präzedenzfall.<br />
<br />
Kurz nach der Verleihung des Grimme Preises wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungsverfahren gegen die Enthüllungsjournalisten führt.<ref>{{Literatur|Titel=Anklagen gegen Heckler & Koch und Regisseur Harrich nach TV-Doku|Sammelwerk=https://www.merkur.de|Datum=2016-04-26|Online=https://www.merkur.de/tv/heckler-koch-klage-nach-tv-doku-6345804.html|Abruf=2017-06-13}}</ref> Dabei soll es um den Vorwurf der Veröffentlichung geheimer Behördendokumente gehen. Ermittelt wird gegen die Autoren des Sachbuchs „Netzwerk des Todes – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“ (Daniel Harrich/Jürgen Grässlin/Danuta Harrich-Zandberg, Heyne Verlag) sowie die Filmemacher hinter dem ARD-Themenabend<ref>{{Literatur|Autor=René Martens|Titel=Pressefreiheit in Deutschland: Enthüller im Visier|Sammelwerk=die tageszeitung|Online=http://www.taz.de/!5298623/|Abruf=2017-06-13}}</ref>. Der Heyne Verlag spricht von einem „Einschüchterungsversuch“<ref>{{Internetquelle|url=http://meedia.de/2016/04/27/einschuechterungsversuch-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-grimme-preistraeger-nach-waffen-doku/|titel=„Einschüchterungsversuch“: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Grimme-Preisträger nach Waffen-Doku › Meedia|datum=2016-04-27|zugriff=2017-06-13}}</ref>.<br />
<br />
Im Mai 2016 wurde bekannt, dass gegen den ehemaligen Heckler & Koch Geschäftsführer und Landgerichtspräsident a.d. Peter Beyerle ein weiteres Ermittlungsverfahren geführt wird.<ref>{{Literatur|Autor=Stuttgarter Zeitung, Stuttgart, Germany|Titel=Nach Anklage wegen illegaler Waffenexporte: Jurist unter Verdacht der Bestechung|Sammelwerk=stuttgarter-zeitung.de|Online=http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-anklage-wegen-illegaler-waffenexporte-jurist-unter-verdacht-der-bestechung.623da9d9-655d-4e61-ab0c-65e1b2082560.html|Abruf=2017-06-13}}</ref> Es geht um den Verdacht der versuchten Bestechung von Amtsträgern in Verbindung mit den Mexiko-Geschäften von Heckler & Koch und den damaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Ernst Burgbacher (FDP).<br />
<br />
== Filmografie ==<br />
* 2009: Acholiland<br />
* 2013: [[Der blinde Fleck (2013)|Der blinde Fleck]]<br />
* 2013: Ein schmaler Grat<br />
* 2014: Waffen für die Welt - Export außer Kontrolle<br />
* 2015: Attentäter. Einzeltäter? Neues vom Oktoberfestattentat<br />
* 2015: Tödliche Exporte - Wie das G36 nach Mexiko kam<br />
* 2015: [[Meister des Todes]]<br />
* 2016: Waffen für den Terror - Die Balkan-Route<br />
* 2016: Waffen für den Terror - Gefahr für den Südwesten?<br />
* 2016: Eine verhängnisvolle Nacht - Gefangen in New York<br />
* 2017: Urlaub im Slum - Eine deutsche Kinderärztin in Indien<br />
* 2017: Gefährliche Medikamente - gepantscht, gestreckt, gefälscht<br />
* 2017: Gift<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
* 2009: College Emmy Award in Gold (First Place) der [[Academy of Television Arts & Sciences Foundation]], Kurzfilmpreis<ref>{{Literatur|Titel=„Acholiland“ gewinnt College Television Awards: FFF Bayern|Sammelwerk=archive.is|Datum=2016-02-11|Online=http://archive.is/mfQCr|Abruf=2017-06-13}}</ref><br />
* 2009: Bricker Humanitarian Award der [[Academy of Television Arts & Sciences Foundation]], Kurzfilmpreis<br />
* 2009: BAFTA Short Film Award der [[British Academy of Film and Television Arts]], Kurzfilmpreis<br />
* 2009: Jimmy Stewart Memorial Crystal Heart Award des [[Heartland Film Festival]], Kurzfilmpreis<br />
* 2013: [[Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke]], Nachwuchspreis<br />
* 2013: Publikumspreis der [[Filmkunstmesse Leipzig]]<br />
* 2014: Stern des Jahres der [[Abendzeitung]]<br />
* 2015: [[Marler Medienpreis Menschenrechte]] für „Waffen für die Welt - Export außer Kontrolle“<ref>{{Literatur|Titel=SWR-Doku erhält Marler Fernsehpreis für Menschenrechte Amnesty International kürt „Waffen für die Welt - Export außer Kontrolle“|Sammelwerk=presseportal.de|Online=http://www.presseportal.de/pm/75892/3156049|Abruf=2017-06-13}}</ref><br />
* 2015: Gewinner in der Kategorie „Fernsehjournalismus“ beim Preis der [[Deutsche Akademie für Fernsehen|Deutschen Akademie für Fernsehen 2015]] zusammen mit [[Ulrich Chaussy]] für ''Attentäter – Einzeltäter? Neues zum Oktoberfestattentat''<br />
* 2016: [[Grimme-Preis]] 2016 an Daniel Harrich und sein Team für die Recherchen zur Dokumentation „Tödliche Exporte“<ref>{{Literatur|Titel=Sechs Grimme-Preise für ARD-Koproduktionen {{!}} DasErste.de|Sammelwerk=Erstes Deutsches Fernsehen (ARD)|Online=https://www.daserste.de/specials/ueber-uns/sechs-grimme-preise-ard-koproduktionen100.html|Abruf=2017-06-13}}</ref><br />
<br />
Beide Filme „Ein schmaler Grat“ und „[[Der blinde Fleck (2013)|Der blinde Fleck]]“ liefen im Wettbewerb des [[Filmfestival Max Ophüls Preis]]. „[[Der blinde Fleck (2013)|Der blinde Fleck]]“ und „[[Meister des Todes]]“ wurden auf dem [[Filmfest München]] uraufgeführt.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{IMDb|nm0364154}}<br />
* {{Filmportal.de Name|http://www.filmportal.de/person/daniel-m-harrich_28fbeb6dbba8416c948fd6e132ffe674}}<br />
* [https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-einsatz-im-urlaub-100.html <!--Video in Mediathek verfügbar bis 13. Juni 2018, 00:23--> Doku ''37Grad - Einsatz im Urlaub''] (verfügbar in ZDF-Mediathek bis 13. Juni 2018)<br />
* [http://www.daserste.de/unterhaltung/film/themenabend-medikamente/index.html <!--Video in Mediathek verfügbar bis 17. August 2017, 00:23--> Doku-Spielfilm ''Gift''] (verfügbar in ARD-Mediathek bis 17. August 2017)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=1051487528|LCCN=no/2014/92145|VIAF=308724736}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Harrich, Daniel}}<br />
[[Kategorie:Filmregisseur]]<br />
[[Kategorie:Filmproduzent]]<br />
[[Kategorie:Drehbuchautor]]<br />
[[Kategorie:Darstellender Künstler (München)]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1983]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Harrich, Daniel<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Harrich, Daniel M.<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Regisseur, Filmproduzent und Drehbuchautor<br />
|GEBURTSDATUM=7. August 1983<br />
|GEBURTSORT=[[München]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Erzengel_Michael&diff=165326643Erzengel Michael2017-05-08T17:53:14Z<p>Exploit: zum damaligen Zeitpunkt Ostfrankenreich</p>
<hr />
<div>[[Datei:Rottmayr-Engelsturz.jpg|mini|[[Höllensturz]], Altarbild in [[Schlosskapelle St. Michael (Tittmoning)|Tittmoning]] von [[Johann Michael Rottmayr|Rottmayr]] 1697]]<br />
'''Michael''' ({{heS|מיכאל}}; {{arS|ميكائيل/ميكال}} [[Deutsche Morgenländische Gesellschaft|DMG]] „Mīkā’īl“ bzw. „Mīkāl“, deutsch „Wer ist wie Gott?“) ist nach dem [[Tanach]] ein [[Erzengel]] und kommt in den Traditionen des [[Judentum]]s, [[Christentum]]s und [[Islam]]s vor. Anders als im Christentum wird der Engel Michael im Judentum nie mit „Attributen der [[Göttlichkeit]]“ versehen.<ref>Max Wiener: ''Die Lehren des Judentums nach den Quellen.'' Bd. II, S. 213ff., neu hrgsg. v. Walter Homolka, Knesebeck, München 1999.</ref> In der [[Neues Testament|neutestamentlichen]] [[Offenbarung des Johannes]] tritt Michael in einem [[Eschatologie|eschatologischen]] Kontext als Bezwinger [[Satan]]s auf, den er auf die Erde hinabstürzt ({{B|Offb|12,7–9}}). Der hl. Michael wurde seit der siegreichen [[Schlacht auf dem Lechfeld]] am 10. August 955 zum [[Schutzpatron]] des [[Ostfrankenreich|Ostfrankenreichs]] und später [[Deutschland]]s erklärt.<br />
<br />
Der [[Koran]] und die [[arabische Literatur]] rezipierten die Gestalt des Erzengels Michael seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. unter den Namen ''Mikal'' bzw. ''Mika'il''.<br />
<br />
== Erwähnungen in der Bibel ==<br />
[[Datei:Erzengel Michael, Schweriner Schloss.jpg|mini|Erzengel Michael, [[Schweriner Schloss]]]]<br />
Das himmlische Wesen ''Michael'' wird sowohl im [[Tanach]] bzw. im [[Altes Testament|Alten Testament]] als auch im [[Neues Testament|Neuen Testament]] erwähnt.<br />
<br />
=== Tanach bzw. Altes Testament ===<br />
In {{B|Dan|10|13 ff.}} kämpft er mit dem „Engelsfürsten des Perserreiches“, darauf erhält [[Daniel]] seine Vision. Darin erscheint Michael wiederum als Verteidiger des Volkes Gottes. {{Bibel|Dan|12|1}}.<br />
<br />
=== Neues Testament ===<br />
In der neutestamentlichen [[Eschatologie]], {{B|Offb|12|7}} nach Johannes, besiegt der ''Erzengel Michael'' den [[Teufel]] in Gestalt eines [[Drache (Mythologie)|Drachen]] und stößt ihn hinab auf die Erde:<br />
<br />
{{Zitat|Im Himmel entbrannte ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satanas heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen.}}<br />
<br />
Der [[Brief des Judas]], ein kurzer Mahn- und Trostbrief des Neuen Testaments, berichtet von einem Disput des ''Erzengels Michael'' mit dem [[Teufel]] über den Leichnam des [[Mose]] ({{B|Jud|9}}).<br />
<br />
{{Zitat|Als der Erzengel Michael mit dem Teufel rechtete und über den Leichnam des Mose stritt, wagte er nicht, den Teufel zu lästern und zu verurteilen, sondern sagte: Der Herr weise dich in die Schranken.}}<br />
<br />
== Apokryphen ==<br />
[[Datei:Michael-SeeleEvas.jpg|links|mini|hochkant|Michael rettet die Seele [[Adam und Eva|Evas]]]]<br />
<br />
Im [[apokryphen]] [[Äthiopisches Henochbuch|1. Buch Henoch]] (1,20) wird Michael als vierter der sieben [[Erzengel]] und Schutzpatron Israels benannt und als „barmherzig und langmütig“ bezeichnet (2,40). Im Vers 1,11 beauftragt Gott Michael damit, den gefallenen Engel [[Samyaza|Semjasa]] und sein Gefolge „für 70 Geschlechter“ zu binden, die „Geister der Verworfenen“ zu vernichten und „alle Gewalttat und Unreinheit von der Erde zu tilgen“. Auch legt er den ''Eid Aqae'', der die Geheimnisse der Schöpfung enthält, in seine Hände (2,69). Außerdem fungiert Michael als Führer und Lehrer des [[Henoch]] und zeigt ihm unter anderem den [[Baum des Lebens]] (1,24) sowie „alle Geheimnisse der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, (…) alle Geheimnisse der Enden des Himmels und alle Behälter aller Sterne und Lichter“ (2,70).<br />
<br />
Eine zentrale Rolle spielt Michael auch in der apokryphen [[Moses-Apokalypse]]. So überbringt er etwa mehrfach Botschaften Gottes an [[Adam und Eva|Adam]] und seinen Sohn [[Set (Bibel)|Seth]] (3,2; 13,2). Nach Vers 22,1 bläst Michael die Trompete zum Gericht Gottes über den sündigen Adam. Michael ist es aber auch, der danach Adam auf Gottes Geheiß in den „dritten Himmel“ bringt (37,4) und dort mit Leinen und Salböl versieht (40,1). Später hilft er Seth bei der Beerdigung seiner Mutter [[Adam und Eva|Eva]] (43,1).<br />
<br />
Auf das apokryphe [[Nikodemusevangelium]] schließlich geht die Vorstellung von Michael als Hüter des Paradiestores zurück.<br />
<br />
Auch wird Michael mit dem „Engel des Angesichts“ in Verbindung gebracht, der nach dem apokryphen [[Buch der Jubiläen]] zunächst von Gott als Chronist der Weltgeschichte eingesetzt worden ist (Jub 1,27), dann aber wiederum auf Gottes Geheiß Mose beauftragt hat, die Schöpfungsgeschichte für die Menschen niederzuschreiben (Jub 2,1).<br />
In den 1947 entdeckten [[Schriftrollen vom Toten Meer]] wird Michael als „Fürst des Lichts“ bezeichnet, der die Heerscharen Gottes gegen die Mächte des Bösen unter [[Belial]] führt. Auch trägt er dort den Titel „Vizekönig des Himmels“.<br />
<br />
== Jüdische Tradition ==<br />
Der Name des himmlischen Wesens ''Michael'' ist eindeutig jüdisch-hebräischer Herkunft. ''Mi kamocha elohim'' bedeutet „wer“ (mi) „ist wie du“ (ka(mocha)), „Gott“ (El(ohim)). Das Judentum wies früh und stetig die mögliche Mittlerrolle der „Erzengel“ zu Gott, z.&#8239;B. als [[Fürbitte]]r zurück. Ebenso verwies es früh und stetig die Vorstellung als falsch, Engel bzw. „Erzengel“ („Himmelsfürst“, „Himmelsprinz“) seien eigenständig handelnde Wesen, wie etwa der gefallene Engel [[Luzifer]] im Christentum. Das Verbot des Götzendienstes wird auf Michael und andere „Erzengel“ ausgedehnt, wie auch die Lehre des Dualismus der zwei ewigen streitenden Mächte, des Reichs des Bösen/der Dunkelheit und des Reichs des Guten/des Lichts, verboten wird.<ref>Mechilta, Abschn. Jitro 10</ref><br />
<br />
Die Verfasser der [[Judentum|jüdischen]] [[Midrasch]]-Texte interpretierten Michael häufig auch in namentlich nicht näher bezeichneten biblischen Engelsgestalten hinein, so etwa<br />
<br />
* im [[Cherub]], der den Menschen die Rückkehr ins [[Garten Eden|Paradies]] verwehrt {{Bibel|Gen|3|24}}<br />
* in einem der Engel, die nach [[Sodom und Gomorra|Sodom]] gingen {{Bibel|Gen|19|1ff.}}, um [[Lot (Bibel und Koran)|Lot]] zu retten<br />
* im Engel, der [[Isaak]] vor dem Opfertod errettet hat {{Bibel|Gen|22|11ff.}}<br />
* im Engel, mit dem [[Jakob (Patriarch)|Jakob]] gekämpft hat ([[1. Buch Mose|Gen 32,25ff.]])<br />
* im Engel, der sich der Eselin des [[Bileam]] in den Weg stellte {{Bibel|Num|22|22}},<br />
* im „Fürst über das Heer des Herrn“ {{Bibel|Jos|5|13–15}},<br />
* im Engel, der die Armee des [[Assyrer]]-Königs [[Sanherib|Sennacherib]] vernichtet hat {{Bibel|2 Kön|19|35}}<br />
* im Engel, der die drei Jünglinge aus [[Nebukadnezar II.|Nebukadnezars]] Feuerofen errettet hat {{Bibel|Dan|3|20}}.<br />
<br />
Im Judentum wird Michael zusammen mit [[Gabriel (Erzengel)|Gabriel]] bildhaft als [[Schutzengel]] des [[Volk Israel|Volkes Israel]] benannt.<br />
Im Buch Daniel wendet sich der Engel Gabriel in einer Vision an den Propheten Daniel: „Vorher aber will ich dir mitteilen, was im Buch der Wahrheit aufgezeichnet ist. Doch keiner hilft mir tatkräftig gegen sie außer eurem Engelfürsten Michael.“ (Dan 10,21)<br />
In den [[Eschatologie|eschatologischen]] Erzählungen des Buches Daniel hat Michael eine Schlüsselfunktion für das Volk Israel. „In jener Zeit tritt Michael auf, der große Engelfürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch dein Volk wird in jener Zeit gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist.“ (Dan. 12, 1) Des Weiteren schreiben die jüdische und christliche Tradition Michael auch die Verrichtung von Diensten im Auftrag Gottes zu. Er führt die himmlischen Bücher und vollzieht die Gerichtsurteile. Nach einer [[Rabbiner|rabbinischen Erzählung]] besteht Michael ganz aus Schnee, weshalb ihm das Metall Silber zugeordnet ist.<br />
<br />
== Christliche Tradition ==<br />
{{Belege fehlen}}<br />
=== Vorstellungen ===<br />
[[Datei:Dürer-Höllensturz.jpg|links|mini|hochkant|[[Höllensturz]] ([[Albrecht Dürer|Dürer]] 1498)]]<br />
[[Datei:Saint Michael and the Dragon.jpg|mini|hochkant|Der Erzengel Michael erschlägt den [[Drache (Mythologie)|Drachen]] (spanische Illustration aus dem späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert)]]<br />
[[Datei:Stift Rein - Bibliothek, Antiphonale Cisterciense, Miniatur Erzengel Michael.jpg|mini|hochkant|Der Erzengel Michael als ''Seelenwäger'', ''Antiphonale Cisterciense'' (2. Hälfte des 15. Jahrhunderts), Stiftsbibliothek, [[Stift Rein]]]]<br />
<br />
Im [[Christentum]] gilt Michael insbesondere als Bezwinger des [[Teufel]]s in Gestalt des [[Drache (Mythologie)|Drachen]] ([[Höllensturz]]) sowie als Anführer der [[Zebaot|himmlischen Heerscharen]] (Archistrátegos dynameon Kyriou), die im Osten vor Gottes Thron stehen. Die letzten Worte, die der Satan vor seinem Sturz hörte, sollen „Wer (ist) wie Gott?“ gewesen sein – eine wörtliche Übersetzung des hebräischen ''Mi-ka-el''. Schon früh wird Michael als Hüter des Paradiestores dargestellt. Nach der kirchlichen Tradition kommt ihm auch die Rolle des [[Partikulargericht|„Seelenwägers“]] am Tag des [[Jüngstes Gericht|jüngsten Gerichts]] zu.<br />
<br />
In den [[Eschatologie|eschatologischen]] Erzählungen des Buches Daniel hat Michael eine Schlüsselfunktion, da er die [[Apokalypse|apokalyptischen]] Visionen des Daniel (im Judentum gilt er nicht als Prophet) entschlüsselt und damit eine Botenfunktion zum [[Israeliten|Volk Israel]] einnimmt. In den Visionen Daniels wird Michael auch als „Schutzengel Israels“ benannt.<ref>John J. Collins: Art. „Daniel/Danielbuch“. In: [[Religion in Geschichte und Gegenwart]]. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage. Hrsg. von Hans Dieter Betz, Don S. Browning, [[Bernd Janowski]], [[Eberhard Jüngel]]. Bd. 2, C–E. Sp. 556–559, hier Sp. 558.</ref> „Und in jener Zeit wird Michael auftreten, der große Fürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Und es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie noch nie gewesen ist, seitdem eine Nation entstand bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, den man im Buch aufgeschrieben findet.“ (Dan. 12, 1) Die Bezeichnung „Söhne“ oder „Kinder deines Volkes“ hat irrtümlicherweise in der christlichen Tradition dazu geführt, dass Michael als Schutzpatron der Kinder galt.<br />
<br />
Daneben spielt Michael eine wichtige Rolle im [[Volksglauben]]. Er ist es, der ein Verzeichnis der guten und schlechten Taten eines jeden Menschen erstellt, das diesem zunächst am Tag des Sterbens ([[Partikulargericht]]), aber auch am Tage des [[Jüngstes Gericht|Jüngsten Gerichts]] vorgelegt wird und auf dessen Basis er über ihn richtet. Er erscheint hier in der wichtigen Position des ''Seelenwägers''. Auch geleitet er die [[Seele#Christentum|Seele]] des Verstorbenen auf ihrem Weg ins [[Jenseits]]. Dementsprechend wird er mit den Attributen [[Seelenwaage|Waage]] und Flammenschwert dargestellt. Die darstellende Kunst ordnet ihm die Farbe [[Rot]] in allen Schattierungen zu (für Feuer, Wärme und Blut).<br />
<br />
Die christliche Vorstellung vom hl. Michael wurde vor allem von der [[Offenbarung des Johannes]] {{Bibel|Offb|12|7}} beeinflusst, aber auch von Gedanken aus dem [[Äthiopisches Henochbuch|1. Buch Henoch]] und anderen [[Apokryphen]]. Dazu bestehen Ähnlichkeiten mit verschiedenen antiken Gottheiten anderer Kulturkreise: Zu nennen ist etwa der [[Ägyptische Mythologie|ägyptische]] Mondgott [[Thot]], der das Ergebnis der Herzenswägung beim Totengericht notiert, der mit dem Planeten [[Merkur (Planet)|Merkur]] verbundene [[Akkader|akkadische]] Weisheitsgott [[Nabu (Gott)|Nabu]], der Schreiber und Inhaber der Schicksalstafeln, sowie dessen [[Sumerer|sumerisches]] Gegenstück, die Göttin [[Nisaba]]. Als Seelenführer und [[Seelenwaage|Seelenwäger]] kann man Michael schließlich mit den [[Zoroastrismus|zoroastrischen]] Göttern [[Sraosha]] und [[Rashnu]], den ägyptischen Göttern [[Horus]] und [[Anubis]] sowie den [[Mandäer|mandäischen]] Göttern [[Hibil]] und [[Abathur]] vergleichen.<br />
<br />
=== Wesen und Natur ===<br />
[[Datei:Francesco Botticini - I tre Arcangeli e Tobias.jpg|mini|Michael, Raphael und Gabriel führen Tobias ([[Francesco Botticini|Botticini]] 1470)]]<br />
<br />
Das Judentum und das Christentum betrachten Michael als einen der vier [[Erzengel]]; die anderen sind [[Gabriel (Erzengel)|Gabriel]], [[Raphael (Erzengel)|Raphael]] und [[Uriel (Engel)|Uriel]]. Umstritten war unter den [[Kirchenväter]]n die Einordnung des hl. Michael in die [[Angelologie|himmlische Hierarchie]]: Während [[Alfonso Salmerón|Salmeron]], [[Robert Bellarmin]] sowie [[Basilius der Große]] und andere griechische Patriarchen ihm den höchsten Rang unter den [[Engel]]n einräumen, betrachtet ihn etwa [[Bonaventura]] lediglich als Haupt der [[Seraph]]im, des ersten der [[Neun Chöre der Engel|neun Engelschöre]]. Nach [[Thomas von Aquin]] steht er der untersten Ordnung vor, den einfachen Engeln. Einer Legende nach entstanden die [[Cherub]]im aus den Tränen des Erzengels Michael, die er über die Sünden der Gläubigen vergoss. Der [[Mozarabischer Ritus|Mozarabische Ritus]] reiht ihn unter die 24 Ältesten ein.<br />
<br />
In der Theologie der [[Mormonen]] hat sich der Erzengel Michael im ersten Menschen [[Adam und Eva|Adam]] verkörpert; er wird hier als Gottes Ebenbild betrachtet. Nach dem Glauben der [[Zeugen Jehovas]] ist Michael sowohl mit dem [[Wort Gottes]] (vgl. {{B|Joh|1|1}}) identisch als auch mit [[Jesus von Nazaret|Jesus]]. Er habe [[Jehova]] bei der [[Schöpfung#Der biblische Schöpfungsbericht|Erschaffung der Welt]] Hilfe geleistet, später als fleischgewordener [[Menschensohn]] ein Leben ohne [[Sünde]] gelebt und sei nach dessen [[Jesus von Nazaret#Kreuzigung und Grablegung|Opfertod]] in seinen ursprünglichen spirituellen Zustand zurückgekehrt. Eine ähnliche Vorstellung findet sich auch bei den [[Siebenten-Tags-Adventisten]]. Hier wird Jesus Christus trotz der Gleichsetzung mit Michael gleichzeitig als „Gott der Sohn“ und damit als Teil der [[Dreieinigkeit]] angesehen.<br />
<br />
=== Erscheinungen ===<br />
[[Datei:146 MS 65 F71 V.jpg|mini|Prozession von Papst Gregor, um das Ende der Pest zu erflehen: Michael erhört ihn und steckt sein Schwert in die Scheide. Miniatur aus den [[Très Riches Heures]] (um 1415)]]<br />
[[Datei:EngelsburgErzengelMichael.jpg|mini|Die bronzene Statue des Erzengels Michael auf der [[Engelsburg]]]]<br />
* Der Überlieferung nach hat der hl. Michael in [[Konstantinopel]] den Kaiser [[Konstantin der Große|Konstantin]] besucht.<br />
* Es gibt mehrere Überlieferungen über eine Erscheinung des hl. Michael im Jahre 490 auf dem [[Monte Sant’Angelo]] im [[Gargano]]gebirge in [[Apulien]]. Dort soll ein reicher Viehzüchter mit Namen Gargano seinen weggelaufenen Stier gesucht haben. Er fand den Stier schließlich auf einem Felsvorsprung vor einer Höhle. Weil das Tier von dort nicht mehr wegkommen konnte, wollte er es mit einem Pfeil erlegen. Der Pfeil drehte sich jedoch in der Luft und traf den Schützen, der nur aufgrund der Gebete des Bischofs von Siponto überlebte. Der Erzengel Michael erschien daraufhin dem Bischof und erklärte, dass er dieses Wunder bewirkt habe, damit ihm in dieser Höhle ein Heiligtum errichtet werde. Bis heute ist die Höhle auf dem Monte Sant'Angelo eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätten Italiens.<br />
* Auf Anrufung des hl. Michaels durch Papst [[Gregor der Große|Gregor]] (590–604) um Befreiung der Stadt [[Rom]] von der [[Pest]], soll der Engel im Jahre 590 über dem [[Engelsburg|Hadriansmausoleum]] erschienen sein und sein Schwert in die Scheide gesteckt haben, worauf die Pest verschwand. Darauf gab der Papst dem Hadriansmausoleum den Namen „[[Engelsburg]]“. 1752 wurde eine bronzene Statue des Erzengels des flämischen Künstlers Pieter Anton Verschaffelt auf der Engelsburg angebracht.<br />
* 708 zeigte der Erzengel Michael sich der Legende nach dem hl. [[Aubert von Avranches|Aubert]], dem Bischof von [[Avranches]] ([[Normandie]]). Hierauf geht die Errichtung der [[Mont-Saint-Michel (Abtei)|Abtei Mont-Saint-Michel]] zurück.<br />
* 1425 soll der Erzengel Michael der [[Jeanne d’Arc|Jungfrau von Orléans]] erschienen sein und sie zur Rettung Frankreichs aufgefordert haben.<br />
* 1429, im Oktober, soll der Erzengel Michael der Sage nach die Sechsstadt [[Bautzen]] vor den anstürmenden [[Hussiten]] errettet haben.<br />
<br />
=== Patron der Soldaten ===<br />
[[Datei:StMichaelAtCathedralCologne.jpg|mini|hochkant|Erzengel Michael am [[Kölner Dom]]]]<br />
[[Datei:Fotothek df roe-neg 0006420 007 St. Michael - Detail des Völkerschlachtdenkmals.jpg|mini|Sankt Michael – Schutzpatron der Deutschen – am [[Völkerschlachtdenkmal]]]]<br />
Der Erzengel Michael wurde gemeinsam mit anderen Heiligen, wie den hll. [[Georg (Heiliger)|Georg]], [[Bakchos und Sergios|Sergius]] und [[Mauritius (Heiliger)|Mauritius]], als Patron der Soldaten und Krieger verehrt. Seit 2002 ist der hl.&nbsp;Michael auch Patron der Schweizer Polizei.<ref>[http://www.jsd.bs.ch/newsdetail?newsid=5826 Jetzt guckt auch ein Heiliger der Polizei über die Schulter] - (Stadt Basel - Justiz- und Sicherheitsdepartement, abgerufen am 15.&nbsp;August 2014)</ref> Er gilt als Symbol der ''ecclesia militans'', der wehrhaften Kirche: ''Princeps militiae coelestis quem honorificant angelorum cives'' („Fürst der himmlischen Heerscharen“; wegen dieses Beinamens gilt er auch als [[Schutzpatron]] der [[Fallschirmjäger]]).<br />
<br />
Der hl. Michael soll auch in verschiedene Schlachten eingegriffen haben:<br />
* So wird etwa der Sieg der [[Langobarden]] von [[Siponto|Sipontum]] (Manfredonia) über die griechischen [[Neapel|Neapolitaner]] am 8. Mai 663 auf sein Eingreifen zurückgeführt – weshalb an diesem Tag ein in weiten Teilen der Westkirche verbreitetes, seit Papst [[Pius V.]] ''Apparitio S. Michaelis'' genanntes zusätzliches Michaelsfest begangen wird.<br />
* Die Stadt Konstantinopel soll der Erzengel gleich zweimal errettet haben: 626 vor den [[Awaren]] und 676 vor den [[Araber]]n.<br />
* Nach der [[Schlacht auf dem Lechfeld]] 955 wurde der hl. Michael zum Schutzpatron des Heiligen Römischen Reiches und später Deutschlands.<br />
* Nach einer russischen Chronik hat sich Großfürst [[Dmitri Donskoi]] vor seiner siegreichen Schlacht gegen den Mongolenkhan Mamaj auf dem [[Schlacht von Kulikowo|Kulikowo-Feld]] 1380 vor einer [[Ikone]] des „Himmlischen Führers und Archistrategen“ Michael niedergeworfen.<br />
* Im [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieg]] zwischen [[England]] und [[Frankreich]] spielt er eine weitere Rolle. So sah die Jungfrau von Orléans ([[Jeanne d’Arc]]) ihn in ihren Visionen, aus denen sie ihre göttliche Sendung ableitete.<br />
Im Spätmittelalter wurde Michael gemeinsam mit dem heiligen Georg zum Patron des [[Rittertum]]s und speziell der ihm geweihten [[Ritterorden]], des [[Ordre de Saint-Michel]] (Frankreich, 1469) und des [[Order of St. Michael and St. George]] (England, 1818), berufen.<br />
<br />
=== Heilkundiger ===<br />
Weiter gilt der hl. Michael auch als Heilkundiger, als himmlischer Arzt und Patron der Kranken. So ließ er unter anderem laut einem Bericht des Patriarchen [[Sisinnios I.|Sisinnios von Konstantinopel]] († 427) im [[Phrygien|phrygischen]] [[Kolossai]], dem späteren [[Chonai]], im 3. Jahrhundert eine wundertätige [[Heilwasser|Heilquelle]] entspringen, woraufhin man dem Erzengel um sie herum eine Kirche errichtete. Etwa hundert Jahre versuchten die [[Heidentum|Heiden]] das Christentum auszulöschen, indem sie die Gebirgsbäche ''Lykokapros'' und ''Kouphos'' in die Heilquelle umleiteten, um sie zu verunreinigen und ihr somit die heilende Kraft zu nehmen. Auf die Fürbitte des heiligen [[Eremit]]en Archippos (vgl. {{B|Kol|4|17}}) fuhr der Erzengel Michael „wie eine Feuersäule“ vom Himmel herab und spaltete einen Felsen, worauf die Wassermassen unterirdisch abflossen und hierbei zwar die frevelnden Heiden mitrissen, der Heilquelle und der Kirche aber keinen Schaden zufügten. Durch das Wunder, dessen die [[orthodoxe Kirche]] am 6. September gedenkt, wurde Chonae zum Mittelpunkt eines ausgeprägten Erzengelkults in ganz Phrygien, dessen Auswüchse das [[Konzil von Laodicea]] (363) zu steuern versuchte. Vermutlich hat er eine vergleichbare vorchristliche Tradition um den antiken Heilgott ''Men-Karoi'' überlagert und ersetzt. Auch in [[Pythia]] in [[Bithynien]] und anderen Orten Kleinasiens gibt es dem heiligen Michael geweihte heiße Quellen.<br />
<br />
=== Lokal- und Regionalpatrozinien ===<br />
[[Datei:Wien Wappen Heiligenstadt.png|mini|140px|Wappen: [[Heiligenstadt (Wien)|Heiligenstadt]]]]<br />
Der hl. Michael ist Patron<br />
<br />
* [[Deutschland]]s (zahlreiche [[Michaeliskirche]]n)<br />
* der Gemeinde [[Steffeln]] (Deutschland)<br />
* der Stadt [[Brüssel]] ([[St. Michel et Gudule|Cathédrale St. Michel]]; Michaelsfigur auf dem Rathausturm)<br />
* der Stadt [[Kiew]]<br />
* der Stadt [[Archangelsk]] (die sogar ihren Namen dem Erzengel verdankt)<br />
* der Stadt [[Andernach]] (der Erzengel hält das Stadtwappen auf dem [[Alter Krahnen (Andernach)|Alten Krahnen]])<br />
* der Stadt [[Biała Podlaska]] in der [[Woiwodschaft Lublin]] in [[Polen]] (Michael im Stadtwappen)<br />
* der Stadt [[Głubczyce]] in der [[Woiwodschaft Opole]] in Polen (Michael im Stadtwappen)<br />
* der Stadt [[Jena]] (Michael im Stadtwappen und auf den Fenstern der ihm geweihten [[St. Michael (Jena)|Stadtkirche]])<br />
* der Stadt [[Ludwigsstadt]] (Michael im Stadtwappen)<br />
* der Stadt [[Zeitz]] (Michael im Stadtwappen)<br />
* der Wiener Stadtteile [[Heiligenstadt (Wien)|Heiligenstadt]] und [[Fünfhaus]]<br />
* der Gemeinde [[Tadten]] (Österreich, Burgenland)<br />
* der [[Kanton Luzern|Luzerner]] Region [[Michelsamt]] mit dem dazugehörigen Chorherrenstift St. Michael in [[Beromünster]]<br />
* der Erzdiözese [[Seattle]]<br />
* des [[Nil]]s<br />
* der Stadt [[Alghero]] ([[Sardinien]])<br />
* der Gemeinde [[Pomarico]] ([[Italien]])<br />
* der Stadt [[Ohrdruf]] (Michael im Stadtwappen und am Rathaus)<br />
* des [[Östringen|Östringer]] Stadtteils Odenheim (Michael im Gemeindewappen und als Patron der Gemeindekirche)<br />
* der Stadt [[Totonicapán]] ([[Guatemala]])<br />
* der Stadt [[Haag (Niederösterreich)|Haag]] in Niederösterreich (Michael im Stadtwappen)<br />
* der Gemeinde [[Waldaschaff]] in Bayern (Aschaffenburg)<br />
* der Stadt [[Schlüchtern]] in Hessen (Michael im Stadtwappen und als Patron der Gemeindekirche)<br />
* Gemeinde St. Michael im [[Bezirk Tamsweg|Lungau]], Österreich (Michael im Gemeindewappen)<br />
* der Stadt [[Šibenik]] ([[Dalmatien]])<br />
* der Stadt [[Schopfheim]] in Baden, alte Michaelskirche und Stadtwappen<br />
* der Gemeinde [[Altendorf SZ|Altendorf]] im Schweizer [[Kanton Schwyz]]<br />
* der Gemeinde [[Steinakirchen am Forst]] (Niederösterreich)<br />
* der Gemeinde [[Gaißach]] (Oberbayern)<br />
* der Insel [[Procida]] im Golf von Neapel<br />
* der Kanareninsel [[La Palma]]<br />
* der Gemeinde [[Natters]] im Tirol<br />
<br />
=== Kirchen und Heiligtümer ===<br />
In [[Konstantinopel]] waren dem hl. Michael zeitweise bis zu fünfzehn Kirchen [[Weihe (Religion)|geweiht]]. Deren wichtigste, das Michaelion, eine von Kaiser Konstantin dem Großen 314 errichtete Basilika, befand sich in [[Sosthenion]], nahe der Stadt. Sie gilt als die älteste dem Erzengel Michael geweihte Kirche der Christenheit. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde sie von den Osmanen abgebrochen, um das Baumaterial für die Errichtung der [[Rumeli Hisarı|Rumelischen Festung]] einzusetzen, die Teil der Vorbereitungen für die Eroberung Konstantinopels war. Eine weitere berühmte Michaelskirche stand innerhalb der Stadtmauern bei den [[Arcadius]]-[[Thermen]]. Nach dem Chronisten [[Prokopios von Caesarea|Prokopios]] wurden sechs Michaelskirchen allein von Kaiser [[Justinian I.]] in Auftrag gegeben. In [[Alexandria]] errichtete man eine Michaelskirche über einen früheren Kleopatratempel.<br />
<br />
Die älteste Michaelskirche im Westen war die Basilika an der Via Salaria nördlich von Rom, deren Reste 2000 wiederentdeckt wurden. Sie entstand laut archäologischen Datierungen zwischen 390 und 410. Die Ersterwähnung erfolgte 435. Ihre Weihedatum am 29. September wurde für die ganze lateinische Kirche zum Datum für das Fest des Erzengels. Von ihr aus verbreitete sich die Verehrung über ganz Europa. Im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen verfiel sie im 6. Jahrhundert. Obwohl sie wieder aufgebaut wurde, konnte sie ihre ursprüngliche Bedeutung nicht wiedererlangen. Die Letzterwähnung der Basilika erfolgte im 9. Jahrhundert. Warum sie verfiel oder zerstört wurde ist nicht bekannt.<ref>{{Literatur|Autor=Marco Bianchini/Massimo Vitti|Titel=La basilica di San Michele Arcangelo al VII miglio della via Salaria alla luce delle scoperte archeologiche|Hrsg=Pontifica Commissione di Archeologia Sacra|Sammelwerk=Rivista di Archeologia Chritsiana|Band=LXXIX|Nummer=|Auflage=|Verlag=Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana|Ort=Città del Vaticano|Datum=2003|Seiten=173-242|ISBN=|Online=http://www.academia.edu/4973222/La_basilica_di_San_Michele_Arcangelo_al_VII_miglio_della_via_Salaria_alla_luce_delle_scoperte_archeologiche}}</ref><br />
<br />
Das Michaels Hauptheiligtum ist seither der [[Monte Sant’Angelo]] in [[Gargano]] ([[Apulien]]), wo der Erzengel 493 erschienen sein soll. Meist wurden ihm Bergheiligtümer geweiht.<br />
<br />
Als älteste bekannte Michaelskirche auf deutschem Boden gilt die 748 errichtete Klosterkirche St. Michael des [[Kloster Mondsee|Benediktinerstiftes Mondsee]] in Oberösterreich. Gestiftet wurde das Kloster von [[Odilo (Bayern)|Herzog Odilo]] von [[Herzogtum Baiern|Baiern]]. Die älteste bekannte Michaelskirche in der heutigen Bundesrepublik Deutschland wurde 913 in [[Hamburg]] errichtet, die bedeutendste ist die [[Michaeliskirche]] in [[Hildesheim]], die kurz nach der Jahrtausendwende (1010 bis 1033) errichtet wurde. Sie ist heute in die [[Liste des UNESCO-Welterbes (Europa)]] aufgenommen und schmückt eine Zwei-Euro-Münze. Bischof [[Bernward von Hildesheim]],<ref>Uwe Wolff. Bischof Bernward. Leben in der Jahrtausendwende. Eine Lese- und Arbeitsbuch. Lax Verlag. Hildesheim 1996 (2. Auflage).</ref> der Erzieher Kaiser [[Otto III. (HRR)|Ottos III.]], ließ sie nach dem Vorbild der neun himmlischen Chöre der Engel errichten und veranlasste zu ihrer Ausgestaltung die berühmten Bronzegüsse der Christustür ([[Bernwardstür]]) und der Christussäule ([[Bernwardssäule]]). Nach der Deutung von [[Uwe Wolff (Kulturwissenschaftler)|Uwe Wolff]] hat Bernward auf der Bronzetür in der Gegenüberstellung von zentralen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament fünf Engel als Lebensbegleiter des Menschen<ref>Uwe Wolff. Bischof Bernward. Leben in der Jahrtausendwende. Eine Lese- und Arbeitsbuch. Lax Verlag. Hildesheim 1996 (2. Auflage).</ref> in Bronze gießen lassen, darunter den Erzengel Michael mit dem Schwert. Die Hildesheimer Michaelskirche wurde von Bernward zu seiner eigenen Grablege bestimmt. Über Jahrhunderte beteten [[Benediktiner]] auf dem Michaelishügel für das Seelenheil des Stifters und aller Menschen, die ihrer Seelsorge anvertraut sind. Auf dem Gelände des alten Klosters, das bei dem verheerenden Luftangriff auf Hildesheim am 22. März 1945 völlig zerstört wurde, steht heute das 1225 gegründete [[Gymnasium Andreanum]].<br />
<br />
Ein weiteres Beispiel einer Kirche, deren Bau in enger Beziehung zur Verehrung des Erzengels Michael gesehen werden muss, ist der [[Speyerer Dom]]. Im Mittelalter wurden Kirchen häufig zur [[Ostung|aufgehenden Sonne]] (einem Christussymbol) hin orientiert. Der [[Chor (Architektur)|Chor]] des Speyrer Doms ist, wie Untersuchungen ergeben haben, nach dem Ort des Sonnenaufgangs am Fest des Erzengels Michael im Jahr 1027 hin ausgerichtet.<ref>[[Erwin Reidinger]]: ''1027: Gründung des Speyerer Domes. Orientierung – Achsknick – Erzengel Michael''. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, Bd. 63 (2011), Speyer, S. 9.37. [http://erwin-reidinger.heimat.eu/HP_Bilder/7Speyer_Plan.pdf Plan vom Kaiserdom zu Speyer]</ref><ref>[http://www.geologie.uni-freiburg.de/root/projekte/geophysik/muensterschwarzach/ostung/ostung.html Die Ostung mittelalterlicher Klosterkirchen des Benediktiner- und Zisterzienserordens] - (Uni Freiburg)</ref> Der hl. Michael ist einer der fünf Patrone des Speyrer Doms.<br />
<br />
[[Datei:200506 - Mont Saint-Michel 03.JPG|mini|[[Le Mont-Saint-Michel|Mont-Saint-Michel]], Normandie]]<br />
<br />
Eines der bekanntesten Michaels-Heiligtümer befindet sich am [[Le Mont-Saint-Michel|Mont-Saint-Michel]] in der [[Normandie]]. [[St. Michael’s Mount]] ist das britische Gegenstück zum Mont-Saint-Michel, das italienische ist die [[Sacra di San Michele]] im Piemont. Zu erwähnen sind weiter die [[St. Michel et Gudule|Cathédrale St. Michel]] in [[Brüssel]], die [[Michaelskirche (Luxemburg)|Michaelskirche]] in [[Luxemburg]], [[Orsanmichele]] in [[Florenz]], die [[St. Michael (Prag)|Michaelskirche]] in [[Prag]], [[St. Michael (München)]] zu [[München]], die [[Michaelskirche (Košice)|Michaelskirche]] in [[Košice|Kaschau]], die [[Erzengel-Michael-Kathedrale (Moskau)|Erzengel-Michael-Kathedrale]] in [[Moskau]], das ''Kloster des Erzengels Michael Panormitis'' in [[Symi]] ([[Griechenland]]), die Engelsburg in Rom und die [[Skellig Michael]] an der [[Irland|irischen]] Westküste.<br />
<br />
{{Siehe auch|Michaelskirche|Michaelskloster}}<br />
<br />
=== Festtag ===<br />
[[Datei:Michael+Fides+Ecclesia.jpg|mini|hochkant|Michael mit [[Allegorie|allegorischen]] Darstellungen von Glauben und Kirche (Miniatur um 1500)]]<br />
<br />
Papst [[Gelasius I.]] legte im Jahr 493 das Fest des hl. Erzengels Michael und aller Engel auf den [[29. September]], den Weihetag der Michaelskirche an der Via Salaria in Rom. Das Fest des hl. Michael wird von der [[römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]], der [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanischen]] und einigen [[Protestantismus|protestantischen]] Kirchen begangen. Die Ostkirche begeht heute das Fest des hl. Michael am 8. November, nachdem im alten [[Byzantinisches Reich|Byzanz]] je nach Kirche unter anderem die Termine 18. Juni, 27. Oktober und 10. Dezember gebräuchlich gewesen waren.<br />
<br />
In Ägypten wird das Fest des Erzengels am 12. November begangen. Daneben verehrt man ihn dort an jedem 12. eines Monats, insbesondere am 12. Juni, wenn der Pegel des [[Nil]]s anzusteigen pflegt.<br />
<br />
Im Volksmund wurde der Gedenktag ''Michaelis'' oder ''Michaeli'' genannt. Traditionell war der Michaelistag ein beliebter Termin für laufende Miet-, Pacht- oder Zinszahlungen und, wie [[Darstellung des Herrn|Mariä Lichtmess]], ein traditioneller Termin für die Verdingung von Knechten oder Mägden sowie der Beginn des Winter[[semester]]s und des akademischen Jahres an Universitäten bzw. des Schulhalbjahres an Schulen, als das [[Schuljahr]] noch von Ostern bis Ostern ging. In [[Augsburg]] gibt es noch heute das traditionelle [[Turamichele]]-Fest.<br />
<br />
Ein Volksglauben der Bauern<ref>[[Heinrich Marzell]]: ''Volkskundliches aus Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts.'' In: ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde.'' Band 24, 1914, S. 1–19, hier: S. 11 f. („Bauernpraktik“ von 1514).</ref> besagte, dass die Beschaffenheit des Inhalts von am oder um den Michaelistag geöffneten [[Gallapfel|Galläpfeln]] die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres voraussehen lasse.<ref>Max Höfler: ''Sankt Michaelsbrot.'' In: ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde'' 11, 1901, S. 193–201, hier: S. 195.</ref><br />
<br />
Bis heute ist regional die Tradition erhalten geblieben, Sankt-Michaels-Brot<ref>Max Höfler: ''Sankt Michaelsbrot.'' In: ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde'' 11, 1901, S. 193–201.</ref> oder Michaelibrot aus frisch gemahlenen Getreidekörnern zu backen.<br />
<br />
{{Siehe auch|Liachtbratlmontag}}<br />
<br />
=== Gebete ===<br />
Bedeutende [[Gebet|Michaelsgebete]] enthielten bereits die [[Sakramentar]]e der Päpste [[Leo der Große|Leo des Großen]] (6. Jh.; „Natale Basilicae Angeli via Salaria“), [[Gelasius I.]] (7.Jh.; „S. Michaelis Archangeli“) und [[Gregor der Große|Gregors des Großen]] (8. Jh.; „Dedicatio Basilionis S. Angeli Michaelis“).<br />
<br />
Am bekanntesten wurde aber das 1880 von Papst [[Leo XIII.]] verfasste Gebet. Ursprünglich war das Gebet am Ende jeder heiligen Messe vorgesehen, 1960 stellte Papst [[Johannes XXIII.]] dies in das Belieben des Priesters, nach dem [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzil]] fand es schließlich in der [[Liturgie]] keine Verwendung mehr. Der Text lautet:<br />
<br />
{| class="wikitable centered" width="70%"<br />
|-<br />
! style="background:#efefef;" width="47%" | lateinisch<br />
! style="background:#efefef;" width="53%" | deutsch<br />
|- align="left"<br />
|<br />
: „Sancte Michael Archangele,<br />
: defende nos in proelio<br />
: contra nequitiam et insidias diaboli<br />
: esto praesidium.<br />
: ‚Imperet illi Deus‘, supplices deprecamur:<br />
: tuque, Princeps militiae coelestis,<br />
: Satanam aliosque spiritus malignos,<br />
: qui ad perditionem animarum<br />
: pervagantur in mundo,<br />
: divina virtute, in infernum detrude.<br />
: Amen.“<br />
|<br />
: „Heiliger Erzengel Michael,<br />
: verteidige uns im Kampfe;<br />
: gegen die Bosheit und die Nachstellungen<br />
: des Teufels, sei unser Schutz.<br />
: ‚Gott gebiete ihm‘, so bitten wir flehentlich;<br />
: du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen,<br />
: stoße den Satan und die anderen bösen Geister,<br />
: die in der Welt umherschleichen,<br />
: um die Seelen zu verderben,<br />
: durch die Kraft Gottes in die Hölle.<br />
: Amen.“<br />
|}<br />
<br />
Aufgrund der wichtigen Aufgabe, die Michael für die Sterbenden zugeschrieben wurde, wenn ihre Seele den Körper verlässt, wurde den Gläubigen nahegelegt, ihn in der Stunde des Todes anzurufen. Er wird in der außerordentlichen Form des römischen Ritus bei der Erteilung der [[Sterbesakrament]]e genannt.<br />
Im [[Offertorium]] des [[Requiem]]s wird Michael als ''signifer'' angerufen, also als Träger des Feldzeichens bzw. der Standarte, der den Verstorbenen ins Jenseits geleiten soll:<br />
<br />
{| class="wikitable centered" width="70%"<br />
|-<br />
! style="background:#efefef;" width="47%" | lateinisch<br />
! style="background:#efefef;" width="53%" | deutsch<br />
|- align="left"<br />
|<br />
: „Domine Jesu Christe, rex gloriae,<br />
: libera animas omnium fidelium defunctorum<br />
: de poenis inferni et de profundo lacu;<br />
: libera eas de ore leonis,<br />
: ne absorbeat eas tartarus,<br />
: ne cadant in obscurum.<br />
: sed signifer sanctus Michael repraesentet<br />
: eas in lucem sanctam,<br />
: quam olim Abrahae promisisti<br />
: et semini eius.“<br />
|<br />
: „O Herr Jesus Christus, ruhmreicher König,<br />
: befreie die Seelen aller verstorbenen Gläubigen<br />
: von den Höllenstrafen und von dem tiefen See:<br />
: Rette sie vor dem Rachen des Löwen,<br />
: auf dass sie nicht die Hölle verschlinge,<br />
: auf dass sie nicht in die Finsternis stürzen:<br />
: Sondern der Feldzeichenträger,<br />
: der heilige Michael,<br />
: führe sie ins heilige Licht,<br />
: wie du es einst [[Abraham]] versprochen hast<br />
: und seinen Nachkommen.“<br />
|}<br />
<br />
=== Orden und Bruderschaften ===<br />
1172 gründete König [[Alfons I. (Portugal)|Alfons I.]] von [[Portugal]] im Zuge des Kampfes gegen die [[Mauren]] den [[Orden vom Flügel des heiligen Michael]]; dieser besteht noch heute als dynastischer Orden des Hauses Bragança. 1469 schuf König [[Ludwig XI.]] von [[Frankreich]] den [[Ritterorden]] [[Ordre de Saint-Michel]]. 1818 folgte in [[England]] der [[Order of St. Michael and St. George]]<br />
<br />
1693 gründete der [[Wittelsbach]]er [[Joseph Clemens von Bayern]], damals Fürsterzbischof von Köln, den nur dem Adel offenstehenden [[Orden vom Heiligen Michael (Bayern-Kurköln)|Orden vom Heiligen Michael]] und als bürgerliches Gegenstück dazu die heute noch bestehende [[Erzbruderschaft St. Michael]], („Bruderschaft des hl. Erzengels und Himmelsfürsten Michael“), der bald ca. 100.000 Mitglieder angehörten.<br />
<br />
Ab Ende des 19. Jahrhunderts existierte der Verein ''St. Michael – Verein deutscher Edelleute zur Pflege der Geschichte und Wahrung historisch berechtigter Standesinteressen'', bei dem [[Friedrich von Gaisberg-Schöckingen|Friedrich Freiherr von Gaisberg-Schöckingen]] Vorsitzender war und zu dem u.&nbsp;a. auch die [[Guttenberg (Adelsgeschlecht)|Guttenberg]] und [[Müllenheim]] gehörten. Der bekannte, deutsche [[Heraldiker]] [[Gustav Adolf Closs]] entwarf für den Verein ein undatiertes [[Exlibris]], welches mit „Sanct Michael“ bezeichnet ist und was in zwei Spalten am linken und am rechten Rand insgesamt die zwölf Wappenschilder der beteiligten Geschlechter zeigt, die Figur des Drachentöters Michael rahmend, der einen goldenen Schild mit schwarzem, deutschen Adler trägt.<br />
<br />
1910 weihte P. [[Bronisław Markiewicz]] seine zunächst vor allem in der Waisenhilfe engagierte „Gesellschaft für Mäßigung und Arbeit“ dem hl. Michael. Seit ihrer [[Päpstliche Approbation|kirchlichen Anerkennung]] im Jahre 1921 trägt sie den Namen [[Kongregation vom Heiligen Erzengel Michael]] (Michaelsorden, Michaeliten).<br />
<br />
Am 29. September 1931 wurde in [[Marburg]] eine Michaelsbruderschaft als Teil der [[Berneuchener Bewegung]] gegründet, sie ist eine evangelische Vereinigung von Theologen und Laien. Die am Michaelistag 1945 gegründete [[Evangelische Akademie Bad Boll]] begeht alljährlich ihren Stiftungstag mit einer Michaelisakademie. Die von [[Paul Kuhn (St. Michaelsvereinigung)|Paul Kuhn]] gegründete [[St. Michaelsvereinigung]] besitzt seit 1971 in [[Dozwil]], [[Kanton Thurgau]], [[Schweiz]] als „Gnadenort“ eine etwa 1000 Personen fassende Kirche.<br />
<br />
1999 gründete der österreichische Generalkonsul Prof. Dr. Helmut Vejpustek, in Anlehnung an den portugiesischen Michaelsorden, den [[Hochlöblicher Orden der freien Herren und Ritter vom Heiligen Michael|Hochlöblichen Orden der freien Herren und Ritter vom Heiligen Michael]].<br />
<br />
== Islamische Tradition ==<br />
[[Datei:Mohammed+4Engel.jpg|mini|[[Mohammed]] auf der Reise nach [[Mekka]], begleitet von den Engeln [[Gabriel (Erzengel)|Gabriel]], Michael, [[Raphael (Erzengel)|Raphael]] und [[Azrail]] (türkische Miniatur 1595)]]<br />
<br />
In der [[Arabische Literatur|arabischen Literatur]] ist Michael als ''Mika'il'' oder – im [[Koran]] – als ''Mikal'' bekannt. Er gilt als einer der vier [[Erzengel]] und rangiert in deren [[Angelologie|Hierarchie]] an zweiter Stelle: [[Gabriel (Erzengel)|Jibrail]] (Gabriel) als Überbringer des Wort Gottes erscheint im Koran immerhin acht Mal; Michael wird nur ein einziges Mal erwähnt ([[Sure]] 2,98); die beiden übrigen Erzengel [[Azrael]] und [[Israfil]] finden sich lediglich in der außerkoranischen Tradition.<br />
<br />
Sure 2,98 enthält Drohungen gegenüber den Feinden [[Allah]]s, seiner Engel und Boten und insbesondere Gabriels und Michaels.<br />
<br />
Als Gott [[Adam und Eva|Adam]] erschuf (Sure 23,13; vgl. auch {{B|Gen|1|27}}), soll er der Legende nach erst Gabriel, dann Michael ausgesandt haben, um den hierfür benötigten Lehm herbeizuschaffen. Beide ließen sich vom vehementen Protest der [[Erde]] abhalten, erst Asrael soll schließlich den Auftrag ausgeführt haben.<br />
<br />
Weiter soll Michael [[Adam und Eva|Eva]] nach der Vertreibung aus dem Paradies (Sure 7,25; vgl. auch {{B|Gen|3|23}}) auf Gottes Geheiß getröstet haben – eine Aufgabe, die bei Adam Gabriel wahrgenommen hat.<br />
<br />
Schließlich sehen moslemische Kommentatoren Michael unter den drei Engeln, die nach {{B|Gen|18|2}} [[Abraham]] besucht haben.<br />
<br />
An seinem Totenbett befahl sich [[Mohammed]] zuerst der Fürbitte Gabriels, dann Michaels.<br />
<br />
Michael wohnt im siebten Himmel und soll smaragdgrüne Flügel besitzen. Nach der Überlieferung hat [[Allah]] im Paradies ein Haus für sich gebaut (al-Bayt al-Ma`mur), zu dem die Engel fünf Mal täglich pilgern, um zu beten und Gott zu lobpreisen. Hierbei fungiert Gabriel als [[Muezzin]], also als Ausrufer, Michael aber als [[Imam]] (Vorbeter).<br />
<br />
== Anthroposophie ==<br />
In der [[Anthroposophie]] Rudolf Steiners steht Michael innerhalb einer Hierarchie von Erzengeln. Rudolf Steiner spricht sogar von einem michaelischen Zeitalter seit dem Jahr 1879.<ref>Rudolf Steiner: ''Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen.'' Vortrag, GA 102, Rudolf Steiner Verlag, Berlin 1908, ISBN 3-7274-1020-5. ''Die Sendung Michaels.'' 12 Vorträge, Dornach 1919, Rudolf Steiner Verlag, 1997, GA 737, ISBN 978-3-7274-7370-8.</ref><br />
<br />
== Der Erzengel Michael in der Ikonographie ==<br />
=== Ostkirche ===<br />
[[Datei:St Michael 1390.jpg|mini|hochkant|[[Ikone]] des Erzengels Michael (Byzanz um 1390)]]<br />
<br />
Die [[Synaxis]] (Versammlung) der Erzengel Michael und [[Gabriel (Erzengel)|Gabriel]] ist der Gedenktag des hl. Michael in der [[Orthodoxe Kirche|orthodoxen]] Kirche (8. November). Am 6. September feiert man das Wunder des Erzengels Michael in [[Chonae]].<br />
<br />
In der [[Ostkirche|ostkirchlichen]] [[Ikonografie]] wird der Erzengel Michael in ganzer Gestalt oder als [[Brustbild]] dargestellt. Ausgerüstet mit mächtigen Flügeln trägt er häufig Soldatenkleidung und Schwert. Zu finden sind aber auch Darstellungen im Halbprofil, so in der [[Deësis]] mit gesenktem Kopf. Als [[Deësis]] flankiert er zusammen mit Gabriel den thronenden Christus [[Pantokrator]] (Allherrscher) oder den [[Präexistenz Christi|präexistenten]] [[Immanuel]], so etwa im berühmten Mosaik über dem Kaiserportal der [[Hagia Sophia]] in [[Konstantinopel]].<br />
<br />
Hauptattribute des Erzengels sind Stab, Schwert und Sphaira (Weltkugel). Der hl. Michael galt als Schutzherr der [[Byzantinisches Reich|byzantinischen Kaiser]], deren Fahnen sein Porträt auch zierte. Die [[Proskynesis]]-Titelikone des Heroon, der Michaelskapelle in der kaiserlichen Grabeskirche zu Konstantinopel, zeigt Michael als „unkörperlichen Erzengel gegenüber dem Erlöser“.<br />
<br />
Beliebt waren in der ostkirchlichen [[Ikonographie]] auch ganze Michaels-[[Vita|Viten]], die eine Vielzahl von Taten und Wundern des Erzengels abbilden, wie etwa den Kampf um die Seele des Mose, die Jakobsleiter, den Kampf mit Jakob, die drei Jünglinge im Feuerofen, die Erscheinung vor Josua, die Rettung Lots aus Sodom, den Sieg über Sanherib, das Chonae-Wunder etc. Häufig befinden sie sich im [[Naos (Architektur)|Naos]] oder den Seitenkapellen orthodoxer Kirchen. Relativ selten finden sich derartige Viten auf [[Ikone]]n; ein Beispiel aus dem Jahr 1399 ist in der [[Erzengel-Michael-Kathedrale (Moskau)|Erzengel-Michael-Kathedrale]] des [[Moskauer Kreml]] zu sehen.<br />
<br />
Nicht seltener als in der Ikonographie der lateinischen Kirche sind Darstellungen Michaels als Bezwinger des Teufels. (Sturz des Engels [[Luzifer]]). In einer apokalyptischen Szenerie reitet er als Archistrategos (Anführer der himmlischen Scharen) auf einem feurigen Pferd und stößt mit Speer, Lanze oder Kreuz in Richtung des sich am Boden kringelnden [[Drache (Mythologie)|Teufelsdrachen]]. Dabei bläst er die Posaune und hält Rauchfass und [[Evangeliar]]. „Auf Gottes Geheiß hat der heilige Erzengel Michael den gefallenen Geist in die Hölle gestoßen.“ lautet etwa die Aufschrift einer südrussischen Ikone der Zeit um 1800.<br />
<br />
Nach griechischem [[Volksglaube]]n können das Gesicht des Seelenführers und -wägers Michael nur Sterbende und die Toten sehen.<br />
<br />
=== Westkirche ===<br />
[[Datei:Tintoretto-Höllensturz.jpg|mini|hochkant|[[Höllensturz]] ([[Jacopo Tintoretto]] 1592)]]<br />
<br />
Auf Darstellungen des Höllensturzes in der [[Lateinische Kirche|lateinischen]] wird der geflügelte Engelsfürst meist im Kampf und in der Luft dargestellt, etwa auf einer Wolke. Seine Kleidung ist von der Rüstung römischer Soldaten inspiriert und besteht zumeist aus kurzem [[Chiton]], Brustpanzer, roter [[Chlamys (Mantel)|Chlamys]] und Stiefeln mit goldenen Beinlingen. Mit (Flammen)schwert oder Lanze rückt er dem sich zu seinen Füßen krümmenden, häufig als Drache, manchmal aber auch in menschlicher Gestalt dargestellten [[Satan]] zu Leibe. Zuweilen steht auf dem [[Schild (Schutzwaffe)|Schild]] seiner Rüstung „Quis ut Deus“ („Wer ist wie Gott?“) oder das Christus-Monogramm „[[IHS]]“.<br />
<br />
Bekannte Darstellungen stammen etwa von [[Albrecht Dürer]] ([[Apokalypse (Dürer)#10. Der Kampf Michaels mit dem Drachen|Holzschnitt von 1498]]), [[Raffael]] (1518), [[Pieter Brueghel der Ältere|Pieter Brueghel dem Älteren]] (1563), [[Jacopo Tintoretto]] (1592), [[Peter Paul Rubens]] (1620), [[Johann Michael Rottmayr]] (1697), [[Giuseppe Castiglione]] (18. Jahrhundert) und [[Eugène Delacroix]] (1861). Plastische Ausführungen dieses Motivs finden sich unter anderem an den Michaelskirchen von [[Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)|Hamburg]] und [[St. Michael (München)|München]], aber auch dem [[Boulevard Saint-Michel]] in [[Paris]].<br />
<br />
[[Datei:Hans Memling 019.jpg|mini|links|Michael als [[Partikulargericht|Seelenwäger]] beim [[Jüngstes Gericht|Jüngsten Gericht]] ([[Hans Memling|Memling]])]]<br />
<br />
Im Mittelalter wurde Michael auch häufig als Seelenwäger mit Schwert und Waage dargestellt, so etwa in der „Elsässischen legenda aurea“ (13. Jh.), auf Gemälden von [[Guariento di Arpo]] (1354), [[Hans Memling]] (1470) und des [[Kartner Meister]]s (15. Jh.), auf einem Altarbild in der Pfarrkirche von [[St. Georgen im Schwarzwald|St. Georgen]] (1523) sowie im [[Palazzo Carrara]] in [[Padua]]. Weiter findet sich das Motiv auf Fresken in den Kirchen ''St. Michel'' in [[Velleron]] und ''Notre-Dame de Benva'' in [[Lorgues]] sowie im Tympanon der Kathedrale von [[Autun]] (Frankreich).<br />
<br />
Gemeinsam mit den beiden anderen Erzengeln Gabriel und Raphael wurde Michael auch von [[Lucas von Leyden]] oder [[Sebastiano Ricci]] gemalt, als Wächter am Eingang des Paradieses von [[Sebald Beham]] (16. Jh.). Auf einem Holzschnitt des [[Ritter von Turn|Ritters von Turn]] von 1493 streitet sich Michael mit dem Satan um die [[Seele#Christentum|Seele]] einer Rittersfrau. Die um 1500 entstandene mittelalterliche Handschrift „Leben, Tod und Wunder des hl. Hieronymus“ enthält eine Miniatur, die Michael mit den Allegorien der [[Ekklesia|Kirche]] und des [[Glaube]]ns zeigt.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
<br />
== Michael in Literatur, Film und Theater ==<br />
Eine zentrale Rolle spielt Michael in [[John Milton]]s Versepos [[Paradise Lost]], wo er als Engelsfürst die himmlischen Heerscharen gegen [[Satan]] in die Schlacht führt.<br />
<br />
In der [[Brandner Kaspar|G’schicht vom Brandner Kasper und dem ewig’ Leben]] von [[Franz von Kobell]] von 1871, vor allem aber in [[Kurt Wilhelm (Regisseur)|Kurt Wilhelms]] Theater- bzw. Fernsehfassung von 1975 erscheint Michael – gespielt von [[Heino Hallhuber]] – als unerbittlich-gestrenger Seelenrichter und damit als dramaturgischer Gegenpart zum etwas liederlich-humoresk geratenen [[Boandlkramer]].<br />
<br />
Der amerikanische [[Jesuit]] [[Raymond Bishop]] berichtet in seinem Tagebuch vom [[Exorzismus]] an einem dreizehnjährigen Knaben, bei dem dem Kind in einer Vision der Erzengel erschienen und den Teufel aus seinem Körper vertrieben haben soll. Die Aufzeichnungen dienten [[William Peter Blatty]] als Inspiration für seinen Roman [[Der Exorzist (Roman)|Der Exorzist]] von 1971 ([[Der Exorzist|verfilmt 1973]]).<br />
<br />
Des Weiteren war der Erzengel Michael Titelfigur der Filmkomödie ''[[Michael (1996)|Michael]]'' aus dem Jahr 1996. [[John Travolta]] spielt hier einen unkonventionellen, auf die Erde herabgestiegenen Engel.<br />
<br />
Im Roman ''[[Michaels Verführung]]'' der österreichischen Schriftstellerin [[Sabine M. Gruber]] aus dem Jahr 2003 ist der Engel Michael ironisch-naiver Erzähler und zugleich Alter Ego der Hauptfigur, eines jungen Dichters, der zum smarten Werbetexter Mike mutiert und als ausgepowerter Mickey endet.<br />
<br />
Ebenso kommt Michael im Buch ''[[Krieg der Engel]]'' von Wolfgang Hohlbein vor, wo er an der Seite eines Jungen Azazel bekämpft.<br />
<br />
2010: Kinofilm [[Legion (Film)|Legion]]. Erzengel Michael (verkörpert von [[Paul Bettany]]) rettet die Menschheit.<br />
<br />
Des Weiteren taucht Michael in der Fernsehserie [[Supernatural]] auf, um Luzifer zurück in die [[Hölle]] zu schicken.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Michaelis]] (Familienname)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Brigitte Groneberg]]: ''Die Götter des Zweistromlandes.'' Artemis und Winkler, Düsseldorf und Zürich 2004, ISBN 3-7608-2306-8, S. 118–129.<br />
* Erich Weidinger: ''Die Apokryphen. Verborgene Bücher der Bibel.'' Augsburg, o.A., S. 311.<br />
* [[Gerhard Bellinger]]: ''Knaurs Lexikon der Mythologie.'' Genehmigte Lizenzausgabe. Augsburg 2000, S. 11, 38, 157, 197, 207, 327, 346, 420, 465, 485–487.<br />
* Heinrich Krauss: ''Kleines Lexikon der Engel. Von Ariel bis Zebaoth.'' Originalausgabe. München 2001, S. 73f., 119–121.<br />
* Johann Siegen: ''Der Erzengel Michael.'' Christiana Verlag, 1996, ISBN 3-7171-0609-0.<br />
* Manfred Müller: ''„St. Michael – der Deutschen Schutzpatron?“ Zur Verehrung des Erzengels in Geschichte und Gegenwart.'' 2. Auflage. Bernhardus-Verlag, Langwaden 2005, ISBN 3-934551-89-0.<br />
* Peter Jezler (Hrsg.): ''Himmel Hölle Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter.'' Ausstellungskatalog. Zürich 1994.<br />
* Wilhelm Lueken: ''Michael. Eine Darstellung und Vergleichung der jüdischen und der morgenländisch-christlichen Tradition vom Erzengel Michael.'' Göttingen 1898.<br />
* ''Culte et pèlerinages à Saint-Michel en occident. Les trois monts dédiés à l'archange.'' Sous la direction de Pierre Bouet (et al.). = Collection de l'Ecole française de Rome, vol. 316. Rome: Ecole française de Rome, 2003, ISBN 2-7283-0670-2.<br />
* Michael Mach: Art. ''Michael.'' In: K. van der Toorn; B. Becking; Pieter W. van der Horst (Hrsg.): ''Dictionary of Deities and Demons in the Bible.'' Leiden, Boston, Köln, <sup>2</sup>1999, 569–572.<br />
* [[Michael Wolffsohn]]: ''Michael biographisch. Wurzel und Karriere eines Namens.'' Aufsatz in der Zeitschrift der Akademie ''zur Debatte'', [[Katholische Akademie in Bayern]], 6/2007.<br />
* [[Wolfgang Urban|Wolfgang Urban (Konservator)]]: Der Erzengel Michael in Glaube und Geschichte. Sadifa-Media, Kehl am Rhein 2010, ISBN 978-3-88786-419-4.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Christliche Symbolik/Michael|Erzengel Michael}}<br />
{{Commonscat|Archangel Michael|Erzengel Michael}}<br />
{{Commons|Archangel Michael structured art gallery|Erzengel Michael in der Kunst}}<br />
{{Commons|Structured gallery of churches dedicated to Archangel Michael|St-Michaels-Kirchen}}<br />
* {{DNB-Portal|118733591|NAME=Michael}}<br />
* [http://www.heiligenlexikon.de/BiographienM/Michael.htm Erzengel Michael] (Ökumenisches Heiligenlexikon)<br />
* {{WiBiLex|Michael|Autoren=Donata Dörfel}}<br />
* [http://www.icon-art.info/topic.php?lng=de&top_id=76 Ikonen des Erzengels Michael]<br />
* [http://www.kirche-in-not.de/kirchengeschichte/2009/09-28-brauchtum-michaelstag: ''Kirche in Not'': ''Fürst Israels und Patron Deutschlands.'']<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Liturgisches Jahr}}<br />
{{Lesenswert|29. Juni 2006|18408757}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118733591|LCCN=n/2001/96929|VIAF=49524228|REMARK=Nicht-GND-Normdaten beziehen sich evtl. nur auf spiritistische Kommunikation}}<br />
<br />
[[Kategorie:Individueller Engel (Judentum)]]<br />
[[Kategorie:Individueller Engel (Christentum)]]<br />
[[Kategorie:Individueller Engel (Islam)]]<br />
[[Kategorie:Person im Tanach]]<br />
[[Kategorie:Person im Neuen Testament]]<br />
[[Kategorie:Person des evangelischen Namenkalenders]]<br />
[[Kategorie:Christliche Kunst]]<br />
[[Kategorie:Literarische Figur]]<br />
[[Kategorie:Drachentöter]]<br />
[[Kategorie:Erzengel Michael| ]]<br />
[[Kategorie:Nationales Symbol (Deutschland)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Geheimbund&diff=165202513Geheimbund2017-05-04T16:53:33Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>'''Geheimbünde''', '''Geheimgesellschaften''' oder auch '''arkane Gesellschaften''' (abgeleitet von {{laS|''arcanum''}} „Geheimnis“) sind [[Organisation]]en oder Vereinigungen, die ihre Mitglieder, ihre Ziele oder ihre Tätigkeit vor ihrer sozialen Umwelt [[Geheimhaltung|geheimhalten]]. Sie unterscheiden sich nach Entstehung, Organisationsform und Ausrichtung voneinander. Allen Geheimbünden gemeinsam ist der Besitz sie charakterisierender „Geheimnisse“, die keinem Außenstehenden bekannt gemacht werden dürfen und die Verfolgung verschiedener Interessen, die etwa von [[Aufklärung|aufklärerischen]], [[Esoterik|esoterischen]], [[Politik|politischen]], oder kriminellen Zielen motiviert sein können.<br />
<br />
Die Geheimhaltung kann sich auf alle oder nur einige der sie betreffenden Aspekte erstrecken, wie Namen und Anzahl der Mitglieder, die hierarchische Gliederung, Absichten und Ziele, Aktivitäten, Treffpunkte, Aufnahme- und Übergangsriten, Glauben, Dokumente und einer zumeist symbolischen Geheimsprache. Seit dem 19. Jahrhundert entstanden politische, meist kämpferische Geheimbünde und terroristische Untergrund- und Partisanenbewegungen verschiedenster Zielrichtung mit bis zu Terror und Mord reichenden Methoden.<br />
<br />
Geheimbünde sind auch verbreitet Gegenstand gesellschaftlicher Imaginationen in [[Verschwörungstheorie]]n und der [[Popkultur]].<br />
<br />
== Begriff ==<br />
Wesentliches Kriterium von Geheimbünden ist eine starke Abschottung in Zielen, Strukturen und Tätigkeit gegenüber der sozialen Umwelt.<ref>[[Karl-Heinz Hillmann]] (Bearb.): ''Wörterbuch der Soziologie''. Kröner, Stuttgart 1972, S. 240.</ref> Geheimbünde sind nicht auf bestimmte Zeitepochen, Regionen oder Kulturen beschränkt. Sie vertreten oder vertraten oftmals Inhalte und Ziele, die den gesellschaftspolitischen [[Soziale Norm|Norm]]en der jeweiligen Zeit in einem jeweiligen Land widersprechen oder sich ihnen widersetzten. Darunter waren auch [[revolution]]äre, in der [[Neuzeit]] auch [[Demokratie|demokratische]], [[Sozialismus|sozialistische]], [[Kommunismus|kommunistische]] und [[Anarchie|anarchistische]] Vereinigungen.<br />
<br />
Dabei sind die politischen, rein weltliche Ziele verfolgenden, exoterische Lehren verbreitenden Geheimbünde von den [[Esoterik|esoterischen]] Geheimbünden zu unterscheiden, die überlieferte, erdachte oder unter „göttlichem Einfluss“ eines „Erleuchteten“ verkündete Lehren verbreiten.<ref name="Frick104">[[Karl R. H. Frick]]: ''Die Rosenkreuzer als erdichtete und wirkliche Geheimgesellschaft.'' In: [[Gerd-Klaus Kaltenbrunner]] (Hrsg.): ''Geheimgesellschaften und der Mythos der Weltverschwörung.'' Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 1987, ISBN 3-451-09569-6, (''Herderbücherei'' 9569), (''Initiative'' 69), S. 104.</ref><br />
<br />
=== Geheimhaltung und Hierarchie ===<br />
Die Geheimhaltung kann etwa die Anzahl und Namen der Mitglieder, die verfolgten Ziele und Absichten, Aktivitäten, Versammlungsorte, Riten und Schriftstücke betreffen. Geheim ist nicht in erster Linie die Vereinigung selbst, sondern das von ihr geheim gehaltene Wissen. Es gibt Bünde und Gruppen mit einer hierarchisch gestaffelten Einweihungsstruktur und bestimmten Aufnahme- und Übergangsriten, bei denen des Öfteren nur die Einweihungsinhalte innerhalb der „höheren“ Grade geheim gehalten werden, mitunter weil diese missverstanden oder, wie die [[Sexualmagie|sexualmagischen]] Lehren und Rituale einiger neomagischer Orden, anstößig erscheinen könnten. In anderen Geheimbünden dient die Geheimhaltung als Schutz vor anderen, wenn etwa die Mitglieder vom Bekanntwerden ihrer Mitgliedschaft Nachteile zu befürchten hätten; sie kann auch vor [[Profanierung]] schützen, also der Entweihung von Ritualen oder Symbolen, die auf Außenstehende pathetisch oder lächerlich wirken.<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 17 ff.</ref><br />
<br />
=== Ursprünge ===<br />
Geheimbünde als organisierte Träger geheimer Lehren sind so alt wie die menschliche Kultur.<ref name=Frick104 /> Bereits in vorchristlicher Zeit existierten kultische Geheimbünde und [[Mysterienkult]]e, die durch Mythen, Maskerade, Geheimriten und Kultfeiern versuchten, Verbindung zu numinosen Wesenheiten aufzunehmen. Die Verpflichtung, Kultgebräuche geheim zu halten, existierte auch im frühen [[Christentum]]. So wurden in der [[Spätantike]] vor Ungetauften die Taufe und das Taufbekenntnis, der Brauch des Abendmahls und das Vaterunser geheim gehalten. Es gab aber keine allgemein anerkannte Festlegung des Umfangs der Geheimhaltungspflicht, und von Strafbestimmungen für den Fall einer Übertretung ist nichts bekannt.<br />
<br />
Historisch berufen sich heutige Geheimgesellschaften der westlichen bzw. christlichen Kulturen mitunter auf die [[Gralsritter]], die [[Templerorden|Templer]], die [[Freimaurerei|Freimaurer]], die [[Rosenkreuzer]] oder den [[Illuminatenorden]]. Darüber hinaus gibt es christliche geheime Laienbruderschaften mit beschränktem Gelübde wie den [[Opus Dei]] oder den [[Orden vom Goldenen Vlies]]. Einige Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts übernahmen Konzepte des [[Neuplatonismus]] der [[Renaissance]], insbesondere das eines gestuften Aufstiegs zur Erkenntnis.<br />
<br />
=== Projektionen ===<br />
Es kommt auch vor, dass einer bestimmten Gruppe, die in Wahrheit offen auftritt und deren Ziele allgemein bekannt sind, unterstellt wird, ein Geheimbund zu sein, der insgeheim ganz andere Ziele verfolge. Häufig sind diese Gruppen Gegenstand von mit erheblichem imaginativem Aufwand ausgeschmückten [[Verschwörungstheorie]]n. Objekt solcher [[Projektion (Psychoanalyse)|Projektionen]] waren oder sind etwa die [[Freimaurer]], die [[Jesuiten]], Opus Dei, die [[Juden]] und zum Teil [[Scientology]]. Hierher gehören auch gänzlich fiktive Gruppen, an deren Existenz zum Teil geglaubt wurde wie etwa die [[Hexe]]n, zum Teil ist sich die Gesellschaft bewusst, dass es sich um reine Imaginationen handelt, wie bei [[Vampir]]en oder der Organisation [[Figuren_aus_James-Bond-Filmen#Blofeld|SPECTRE]] aus den [[James Bond|James-Bond-Filmen]]. Nach dem Religionswissenschaftler [[Marco Frenschkowski]] stellen Erzählungen über solche Geheimbünde in beiden Fällen „eine Angst der [[Moderne]] dar, dass die überschaubare, rational geordnete (eventuell – in der jüngeren Vergangenheit – demokratisch verantwortete) Gesellschaft nur eine Maske für andere Machtverhältnisse sein könnte“.<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 18–25, das Zitat S. 21, zu Scientology S. 213.</ref><br />
<br />
== „Geheimlehren“ und Geheimwissen ==<br />
Bei Geheimbünden als Träger einer „Geheimlehre“ spricht man allgemein von einer [[Esoterik|esoterischen]] Lehre, die nur wenigen in einem inneren Kreis bekannt und zugänglich ist. Der Verrat von esoterischem Geheimwissen wurde in früheren Zeiten, abhängig von der äußerlichen Machtposition der betroffenen Geheimgesellschaft, graduell sehr unterschiedlich bestraft. Heute ist es ungefährlich, sich das Wissen eines Geheimbundes anzueignen, und ein Verrat von Geheimnissen hat lediglich eine nach außen unwirksame moralische Verurteilung durch die „verratene“ Gemeinschaft zur Folge. Das Wissen der gegenwärtigen Geheimgesellschaften ist häufig durch entsprechende materielle Leistungen käuflich zu erwerben, wodurch der Begriff „geheim“ weitgehend als Lockmittel für spekulative und kommerzielle Machenschaften zweckentfremdet wurde.<ref>Karl R. H. Frick: ''Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistische Geheimgesellschaften.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2005, S. 7–8.</ref><br />
<br />
Bei [[profan]]em Geheimwissen handelt es sich um Geheimnisse, die einem anderen nicht mitgeteilt werden dürfen. Ungerechtfertigte Mitteilungen darüber gelten als unehrenhaft und verräterisch. Profane Geheimnisse gehören meist zu den Anliegen politischer Geheimbünde.<ref>Karl R. H. Frick: ''Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistische Geheimgesellschaften.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2005, S.&nbsp;7.</ref><br />
<br />
== Geheimbünde in Geschichte und Gegenwart ==<br />
=== 18. Jahrhundert: Aufkommen aufklärerischer und gegenaufklärerischer Geheimgesellschaften ===<br />
Im [[Zeitalter der Aufklärung]] entfaltete sich im Zuge des [[Strukturwandel der Öffentlichkeit|„Strukturwandels der Öffentlichkeit“]] ([[Jürgen Habermas]]) ein reges Vereinsleben jenseits der vormodernen Vergesellschaftungsformen von [[Hofstaat|Hof]] und [[Kirche (Organisation)|Kirche]], das in Teilen in Form von Geheimbünden ablief. Als Ursache für die verbreitete Arkanpraxis sind vor allem die Repressionen des [[Absolutismus|absolutistischen Staates]] zu nennen, dem alle Treffen verdächtig waren, in denen eine die [[Ständegesellschaft]] transzendierende [[Gleichheit]] und eine das staatliche Deutungsmonopol missachtende [[freie Meinungsäußerung]] praktiziert wurden.<ref>Jürgen Habermas: ''Soziale Strukturen der Öffentlichkeit.'' In: Peter Pütz (Hrsg.): ''Erforschung der deutschen Aufklärung''. Anton Hain Meisenheim, Königstein/Ts. 1980, S. 139–144; [[Michael Voges (Politiker)|Michael Voges]]: ''Aufklärung und Geheimnis. Untersuchungen zur Vermittlung von Literatur- und Sozialgeschichte am Beispiel der Aneignung des Geheimbundmaterials im Roman des späten 18. Jahrhunderts''. De Gruyter, Berlin/New York 1897, S. 12–16.</ref> Nach [[Reinhart Koselleck]] ist die Scheidung von [[privat]]en und „etatistischen“, also der Kontrolle des Staates unterliegenden Lebensbereichen, die im 18. Jahrhundert um sich griff, für die Entstehung des Geheimnisses konstitutiv. Das Spannungsfeld zwischen der Aufklärung, die alles Wissen an die Öffentlichkeit bringen und dort kritisierbar machen wolle, und der Geheimhaltung, die dieses Wissen und diese Kritik vor dem Zugriff des Staates zu schützen trachtete, sei „bereits an der Wurzel des absolutistischen Staates angelegt“.<ref>Reinhart Koselleck: ''[[Kritik und Krise]]. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt.'' Karl Alber, Freiburg, München 1959.</ref><br />
<br />
==== Freimaurer ====<br />
{{Hauptartikel|Freimaurerei}}<br />
Die [[Freimaurerloge|Logen der Freimaurer]] entstanden im frühen 18. Jahrhundert in England; seit 1737 sind sie auch in Deutschland weitverbreitet. Es handelt sich um bürgerliche Vereine, in denen sich die esoterische Symbolik eines [[Mysterienkult]]s und eine strikte [[Hierarchie]] von mindestens drei, im 18. Jahrhundert aber auch von bis zu 60 [[Grad (Freimaurerei)|Graden]] mit einer demokratischen Praxis und einer prinzipiellen Gleichheit aller Mitglieder verbinden, die sich gegenseitig als Brüder bezeichnen. Hinzukommt eine humanistische [[Kosmopolitismus|weltbürgerliche]] Ethik und der Anspruch, an der Vervollkommnung seiner selbst und der Welt zu arbeiten. Politische Diskussionen sind zwar traditionell verboten, doch erlaubte der Geheimbetrieb der Logen und die Pflicht zur Verschwiegenheit, bei den sich an die Kulthandlungen anschließenden geselligen Treffen, im 18. Jahrhundert auch heikle Themen anzuschneiden. Trotz ihres ersatzreligiösen [[Obskurantismus]] und der Gehorsamspflicht gegenüber „Unbekannten Oberen“, die bis zum Ende der [[Strikte Observanz|Strikten Observanz]] 1782 weit verbreitet waren, gelten die Freimaurer des 18. Jahrhunderts als Verbreiter einer bürgerlichen Aufklärungsmentalität.<ref>[[Horst Möller]]: ''Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763–1815''. Siedler, Berlin 1994, S. 503–506; [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära.'' C.H. Beck, 4. Auflage, München 2007, S. 322&nbsp;ff.</ref> Freimaurer-Geheimbünde spielten auch in der Politik eine beachtliche Rolle und wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa zu einem bestimmenden Element von Aufklärung und politischer Neuordnung. Viele Freimaurer engagierten sich im Kampf um die Rechte des Bürgertums gegen den Staat und sympathisierten mit den Idealen der Französischen Revolution.<ref>[[Kocku von Stuckrad]]: ''Was ist Esoterik?'' Beck, München 2004, S. 190.</ref> Obschon die Forschung die Bruderschaft der Freimaurer als Geheimgesellschaft bezeichnet, weil sie ein Geheimnis hüten möchte, lehnen heutige Freimaurer diese Bezeichnung ab, um Angriffen, Vorwürfen oder Verschwörungsdenken entgegenzutreten. Das Gelöbnis zur Wahrung der Geheimhaltung wird in der Freimaurerei als ein wichtiges Erziehungsmittel interpretiert. Der Geheimhaltung unterliegen die Ritualtexte, die in den Einweihungsritualen vermittelten Erkennungsmittel (Wörter, Handgriffe und Zeichen) und die besonderen Umstände der Initiationen.<ref>Matthias Pöhlmann: ''Freimaurer. Wissen was stimmt.'' Verlag Herder, 2008, S.&nbsp;20, 70.</ref><br />
<br />
==== Strikte Observanz ====<br />
{{Hauptartikel|Strikte Observanz}}<br />
Die ''Strikte Observanz'' war ein von 1751 bis 1782 bestehendes elitäres [[Hochgradsystem]] innerhalb der Freimaurerei, das vom Gebot unbedingten Gehorsams gegenüber angeblich „Unbekannten Oberen“ ausging und die nicht belegbare Auffassung vertrat, dass die Freimaurerei in Wirklichkeit auf die [[Templerorden|Templertradition]] zurückgeht. Schon bald rechneten sich bis zu einem Drittel der aktiven deutschen Freimaurer und des benachbarten Auslands dieser Richtung zu. Die ''Strikte Observanz'' war in machtpolitische und ökonomische Ränkespiele verstrickt, quasi-militärisch organisiert und übernahm statt des aufklärerischen, den restaurativen und elitären Part ständepolitischer Interessen.<ref>Gerald Willms: ''Die wunderbare Welt der Sekten: Von Paulus bis Scientology.'' Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Aufl. 2012, S. 152–153.</ref><br />
<br />
==== Illuminatenorden ====<br />
{{Hauptartikel|Illuminatenorden}}<br />
Der Illuminatenorden war der erste moderne, [[konspirativ]] agierende Geheimbund mit eindeutig definierten politischen Zielen<ref name=mai207>Klaus-Rüdiger Mai: ''Geheimbünde. Mythos, Macht und Wirklichkeit.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, S. 207.</ref> Er wurde 1776 von [[Adam Weishaupt]] gegründet und war ein radikalaufklärerischer Ausläufer der politischen Freimaurerei. Weishaupt ging von einer Verschwörung ehemaliger [[Jesuiten]] und Rosenkreuzer gegen die Aufklärung aus.<ref>Matthias Pöhlmann: ''Freimaurer. Wissen was stimmt.'' Verlag Herder, 2008, S. 38.</ref> Der Geheimbund grenzte sich klar von der rosenkreuzerischen „Unterwanderung“ der Freimaurerlogen ab und hatte mit dem [[Illuminismus]] oder christlichen Mystikern nichts zu tun.<ref name=stuck /> <br />
<br />
In seiner weltbürgerlich-republikanischen Orientierung zielte der Orden auf eine radikale politische Umsetzung der rationalistischen französischem Aufklärungsphilosophie und folgte der Vision einer politischen Ordnung ohne Privateigentum und ohne Autoritäten wie Könige und Priester. In letzter Konsequenz [[Anarchismus|anarchistisch]] orientiert,<ref name=stuck>Kocku von Stuckrad: ''Was ist Esoterik?'' Beck, München 2004, S. 190 f.</ref> wollte der Orden als streng hierarchisierte Kader seine Ziele durch die Taktik des „[[Marsch durch die Institutionen]]“ des Staates erreichen, um ihn so zu übernehmen und überflüssig zu machen.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära.'' C.H. Beck, 4. Auflage, München 2007, S. 324&nbsp;f.; Klaus-Rüdiger Mai: ''Geheimbünde. Mythos, Macht und Wirklichkeit.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, S. 185, 196.</ref> Unter dem 1780 beigetretenen Freimaurer [[Adolph Knigge|Knigge]] kam es zu einer Neuordnung des Ordens und einer Ausdehnung des Wirkens auf Nord- und Westdeutschland und das europäische Ausland. Es gelang jedoch nicht unter gemäßigten Freimaurern oder Politikern nennenswert Anklang zu finden. Gegenseitige [[Denunziation]]en führten am 22. Juni 1784 zu einem Verbot des rund 1400 Mitglieder zählenden Ordens durch den bayerischen Kurfürsten [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl Theodor]].<ref>Matthias Pöhlmann: ''Freimaurer. Wissen was stimmt.'' Verlag Herder, 2008, S.&nbsp;38.</ref><ref name=stuck /> Ein Fortbestand des Ordens über 1785 hinaus und eine Wirksamkeit bis in die Gegenwart, wie sie in zahlreichen [[Verschwörungstheorie]]n behauptet werden, sind in den Bereich des [[Geschichtsmythos|Mythos]] zu verweisen.<ref>[[Wolfgang Wippermann]]: ''Agenten des Bösen. Verschwörungstheorien von Luther bis heute''. be.bra. Verlag, Berlin 2007, S. 49–53, 146–149 u. ö.</ref><br />
<br />
==== Orden der Gold- und Rosenkreuzer ====<br />
{{Hauptartikel|Gold- und Rosenkreuzer}}<br />
Der Orden der Gold- und Rosenkreuzer war die erste moderne esoterische Geheimgesellschaft.<ref name=mai207 /> Die Gold- und Rosenkreuzer waren antiaufklärerisch ausgerichtet, entstanden wahrscheinlich 1757 und beschäftigten sich mit [[Kabbalistik]], [[Spiritismus]] und Esoterik. Sie stellten sich in die Tradition eines Ordens, der nach den Werken des (wahrscheinlich legendarischen) [[Christian Rosencreutz]] im Spätmittelalter bestanden haben soll, doch besteht hier keine Kontinuität.<ref>[[Hans-Jürgen Ruppert]]: ''Rosenkreuzer''. In: ''[[Evangelisches Kirchenlexikon]]'', Bd. 3, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1992, Sp. 1720&nbsp;f.</ref> Der ''Orden der Gold- und Rosenkreuzer'' war der erste tatsächlich existierende ordensmäßige Zusammenschluss der den Namen ''Rosenkreuz'' trug. Der ideengeschichtlich in der deutschen Hochgradfreimaurerei verwurzelte Orden<ref>[[Harald Lamprecht]]: ''Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56549-6, S. 47, 59.</ref> war vor allem im protestantischen Norddeutschland erfolgreich und erlangte in den 1780er Jahren erheblichen Einfluss in der deutschen Freimaurerei, wo er als entschiedener Gegner der Illuminaten auftrat.<ref name=Wehler>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära.'' C.H. Beck, 4. Auflage, München 2007, S. 324&nbsp;f.</ref> Der Orden erreichte in Preußen den Höhepunkt seines politischen Einflusses, als auf Einwirken der Minister [[Johann Christoph von Woellner|Johann Wöllner]] und [[Hans Rudolf von Bischoffwerder|Bischhoffswerder]] der damalige Thronfolger und spätere König [[Friedrich_Wilhelm_II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] Mitglied wurde. Nachdem Wöllner 1788 das Amt des Ministers der geistlichen Angelegenheiten angetreten hatte, übte er als Oberhauptdirektor der Gold- und Rosenkreuzer direkten politischen Einfluss aus, was etwa im [[Religionsedikt]] vom Juli 1788 zum Ausdruck kam. Nachdem immer mehr Mitglieder die oberen Grade erreichten und die ihnen durch unangemessene Propaganda versprochenen Wunderkräfte ausblieben, machte sich Enttäuschung breit. Mit der Wandlung der Ordenszwecke von einem mystischen zu einem politischen Geheimbund und durch die Überbetonung der zunehmend als überlebt erkannten [[Alchemie]] schlitterte der Orden immer tiefer die Krise.<ref>Harald Lamprecht: ''Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56549-6, S. 49–50.</ref> In Preußen kam der Orden vorübergehend zu Einfluss und wurde zur Bekämpfung aufklärerischer und [[Französische Revolution|revolutionärer]] Bestrebungen eingesetzt. 1800 wurde er in Preußen verboten.<ref name=Wehler /><br />
<br />
=== 19. Jahrhundert: Hochzeit der politischen Geheimbünde ===<br />
Nach dem Sieg über Napoleon wurden in Italien, Spanien und Frankreich wieder die [[Bourbonen]] eingesetzt, die breite Bevölkerungsschichten gegen sich aufbrachten, weil sie Zug um Zug die Bürgerrechte und die Presse- und Meinungsfreiheit beschnitten. Behinderung und Verbot politischer Meinungsbildungsprozesse führten zu einer Politisierung der Geheimbünde, deren Ziel in der Verwirklichung der Gleichheit bestand. Es formierte sich seit den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts in Frankreich eine Strömung, die eine unübersehbare Zahl geheimer Gesellschaften hervorbrachte, die sich politischen Zielen verschrieben und als deren organisatorische Ikone der im Pariser Exil lebende [[Filippo Buonarroti]] galt.<ref>Klaus-Rüdiger Mai: ''Geheimbünde. Mythos, Macht und Wirklichkeit.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, S. 242–244.</ref><br />
Die Zeit von der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] bis zur Ausbildung regulärer [[politische Partei|politischer Parteien]] in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt als die Hochzeit politischer Geheimbünde. Politik wurde bereits als etwas begriffen, das von Menschen gestaltbar war, gleichzeitig wurden aber politische Bestrebungen, die auf eine Änderung des jeweils herrschenden Regimes setzten, unterdrückt. Daher waren politische Oppositionsbewegungen gezwungen, sich [[konspirativ]] zu organisieren, was wiederum bei den Herrschenden die Furcht vor politischen Geheimbünden wachsen ließ. Nicht nur an [[Verschwörung]]en waren diese Jahre reich, sondern auch an Verschwörungstheorien,<ref>J. M. Roberts: ''Mythology of the Secret Societies''. MacMillan, London 1972, S. 198 ff.</ref> wie etwa über den angeblichen Fortbestand des eine Generation älteren Illuminatenordens.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära.'' C.H. Beck, 4. Auflage, München 2007, S. 324&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Verschwörung der Gleichen ====<br />
{{Hauptartikel|Verschwörung der Gleichen}}<br />
Die Geheimgesellschaft Verschwörung der Gleichen strebte 1795 einen Umsturz in Frankreich an, um eine den gesellschaftlichen Reichtum zugunsten der Unterschichten umzuverteilen. Buonarroti verbreitete die Ideen dieser Verschwörung und vor allem ihre Organisationsweise und wurde so sehr einflussreich, was verschiedene Geheimbünde der [[Restaurationszeit]] und des [[Risorgimento]] betrifft, etwa die [[Junges Italien| Giovine Italia]] oder die [[Carbonari]].<br />
<br />
==== Carbonari und Les Amis de la Vérité ====<br />
{{Hauptartikel|Carbonari}}<br />
Nachdem der italienische Geheimbund der Carbonari eine Verfassung gegen den Bourbonen [[Ferdinand I. (Sizilien)|Ferdinand I.]] durchgesetzt hatten, kam es auch in Frankreich zu den ersten öffentlichen Protesten gegen die Bourbonen. Den Anstoß dazu gab die Geheimorganisation ''[[Les Amis de la Vérité]]'' (''Freunde der Wahrheit''). Nach dem Attentat auf den französischen Thronfolger, den [[Charles Ferdinand d’Artois|Herzog von Berry]], wurden einige Mitglieder des Geheimbundes festgenommen, andere tauchten unter oder gingen nach Italien um die Carbonari zu unterstützen.<ref>Klaus-Rüdiger Mai: ''Geheimbünde. Mythos, Macht und Wirklichkeit.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, S. 242–243.</ref><br />
<br />
==== Deutscher Bund und Bund der Kommunisten ====<br />
{{Hauptartikel|Deutscher Bund (Geheimbund)|Bund der Kommunisten}}<br />
In Deutschland bildete sich 1810 unter Führung [[Friedrich Ludwig Jahn]]s ein [[Deutscher Bund (Geheimbund)|„Deutscher Bund“]] ein kurzlebiger Geheimbund, der die Befreiung der deutschen Staaten von der napoleonischen Besatzung zum Ziel hatte. [[Junges Deutschland (Geheimbund)|Der politische Geheimbund Junges Deutschland]] wurde im April 1834 in Bern von fünf Deutschen, darunter der Publizist [[Carl Theodor Barth]], gegründet. Der [[Bund der Kommunisten]] wurde 1847 in London als Geheimbund gegründet. Er war eine revolutionär-sozialistische Vereinigung mit internationalem Anspruch, bestand bis 1852 und gilt als Keimzelle der späteren sozialistischen und [[Kommunistische Partei|kommunistischen Parteien]] der Welt und als Vorläuferorganisation der (1864 ebenfalls von Marx und Engels inspirierten) 'Internationalen Arbeiterassoziation' (IAA), heute oft „[[erste Internationale]]“ der Arbeiterbewegung genannt.<br />
<br />
=== Politische Geheimbünde im 20. Jahrhundert ===<br />
==== Schwarze Hand ====<br />
{{Hauptartikel|Schwarze Hand}}<br />
Die ''Schwarze Hand'', auch „Ujedinjenje ili Smrt“ (Vereinigung oder Tod) genannt, war eine [[Nationalismus|nationalistische]] [[Serben|serbische]] Geheimgesellschaft, deren Ursprünge auf Kreise im serbischen Offizierskorps zurückreichen und die auch mit [[Terrorismus|terroristischen Mitteln]] für eine Vereinigung aller Serben in einem Nationalstaat [[Großserbien]] kämpfte, mit dem Ziel [[Bosnien und Herzegowina]] mit [[Serbien]] zu vereinen. Mitglieder der Schwarzen Hand und ihrer Vorgängerorganisation waren unter anderem an der Ermordung des [[Königreich Serbien|serbischen Königs]] [[Aleksandar Obrenović]] und dessen Gattin sowie dem [[Attentat von Sarajevo]] beteiligt, das die [[Julikrise]] auslöste, die schließlich zum [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] führte.<ref>Klaus-Rüdiger Mai: ''Geheimbünde. Mythos, Macht und Wirklichkeit.'' Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, S. 308–322.</ref><br />
<br />
Im unruhigen politischen Klima Europas kam der seit 1844 tätige [[Repeal-Club]] am 11. März 1848 in Prag zusammen (ein Geheimbund nach irischem Vorbild, der sich am Befreiungskampf der Iren gegen die Engländer orientierte), um die Bevölkerung aus ihrer Passivität heraustreten zu lassen.<ref>Herwig Wolfram: ''Österreichische Geschichte. Grenzen und Räume.'' Wirtschaftsverlag Ueberreuter, 1995, S. 292.</ref><br />
<br />
==== Thule-Gesellschaft ====<br />
{{Hauptartikel|Thule-Gesellschaft}}<br />
Die völkisch-rassistische Thule-Gesellschaft ging 1918 in München, in der Endphase des Ersten Weltkrieges, aus der 1912 gegründeten deutschen Geheimgesellschaft [[Germanenorden]] hervor. Dieser durch die [[Ariosophie]] inspirierte logenartige, politische Geheimbund, der seinen Namen von der mythischen Nord-Insel [[Thule (Mythos)|Thule]] ableitete, fungierte als Dachverband alldeutscher, vaterländischer und völkischer Münchener Verbände und betrieb unter Federführung [[Rudolf von Sebottendorf|Sebottendorfs]] vor allem antisemitische Propaganda. Nach außen trat man als „Studiengruppe für germanisches Altertum“ auf, während man intern zu einem Hort kurioser okkult gefärbter, rechtsradikaler Ideen wurde und rassistische, antisemitische Gedanken und [[Runen]]mystik pflegte. Zu den rund 1.500 Mitgliedern, die Verbindungen zu weiten Teilen der bayrischen Gesellschaft unterhielten, gehörten [[Julius Streicher]], [[Hans Frank]], [[Alfred Rosenberg]] und [[Rudolf Heß]], die später in der NSDAP Bedeutung erlangten. Über die [[Deutsche Arbeiterpartei]] hatte die Thule-Gesellschaft auch politische Einflussmöglichkeiten.<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 167–168.</ref><ref>[[Nicholas Goodrick-Clarke]]: ''Der „Germanenorden“'' in: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus''. Wiesbaden, Marix Verlag 2004, ISBN 3-937715-48-7, S. 112–120, 121&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
==== Propaganda Due (P2) ====<br />
{{Hauptartikel|Propaganda Due}}<br />
Die Propaganda Due war ursprünglich eine [[italien]]ische irreguläre [[Freimaurerloge]], die 1877 bis 1981 tätig war. In den 1970er Jahren wurde die P2 unter Federführung von [[Licio Gelli]] zur Tarnung einer politischen [[Konspiration|Geheimorganisation]] zweckentfremdet. Nach dem Zusammenbruch der [[Banco Ambrosiano]] nach einem Verlust von 1,4 Milliarden US-Dollar, für den die P2 maßgeblich verantwortlich war, wurde die Loge enttarnt. In Gellis Haus wurden die Mitgliederlisten mit über 900 Namen und Pläne zur Änderung der italienischen Verfassung, zur Unterdrückung der Gewerkschaften und zur [[Gleichschaltung]] der Medien, entdeckt. An der P2-Verschwörung waren Militärs, Parlamentarier, Großindustrielle, mehrere Minister (darunter der spätere Ministerpräsident [[Silvio Berlusconi]]), 19 Richter und 58 Universitätsprofessoren beteiligt. Gerichtliche Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass der Geheimbund einen [[Putsch|Staatsstreich]] geplant hatte und mit den unter [[Falsche Flagge|„falscher Flagge“]] inszenierten [[Strategie der Spannung (Italien)|Terroranschlägen der 1970er Jahre]] in Zusammenhang stand. Das zentrale Führungspersonal der italienischen Geheimdienste wurde als Teil des [[Konspiration|konspirativen]] P2-Netzwerks entlassen. Die P2 wurde 1982 aufgelöst und verboten.<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 188–190.</ref><br />
<br />
=== Moderne esoterische Geheimgesellschaften ===<br />
Der deutschsprachige Teil Mitteleuropas bildete den Nährboden für diverse okkulte Untergrundbewegungen, die darauf bedacht waren, nicht viel Aufsehen zu erregen. Darunter waren vom 17. bis zum 19. Jahrhundert auch mehrere Geheimgesellschaften, die sich mit den Lehren der Rosenkreuzer, der [[Theosophie]] und der [[Alchimie]] beschäftigten.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus'', Marixverlag, 2009, S. 23.</ref> Einige dieser neureligiösen Geheimgesellschaften werden seit dem frühen 20. Jahrhundert auch im [[Rechtsextremismus|rechtsextremistischen]] Milieu rezipiert, mit dem ideologische und personelle Schnittmengen bestehen. Zu ihnen zählt der Historiker [[Helmut Reinalter]] die Rosenkreuzer, arische Zirkel, theosophische und [[Anthroposophie|anthroposophische]] Gesellschaften und die [[Thule-Gesellschaft]].<ref>[[Helmut Reinalter]]: ''Die Weltverschwörer: Was Sie eigentlich alles nie erfahren sollten''. Ecowin Verlag, Salzburg 2010, S. 131–132.</ref><br />
<br />
==== Golden Dawn ====<br />
{{Hauptartikel|Hermetic Order of the Golden Dawn}}<br />
Der ''[[Hermetic Order of the Golden Dawn]]'' (GD) war eine 1888 durch Mitglieder der englischen Großloge und der ''[[Societas Rosicruciana in Anglia|SRIA]]'' gegründete Geheimgesellschaft, die kurzzeitig eine erhebliche kulturelle Bedeutung besaß. Der GD machte die zeremonielle Magie gesellschaftsfähig. Durch Werbung in der Zeitschrift ''Lucifer'' schlossen sich bis 1892 bereits 150 Mitglieder an, die in die Praxis der Magie zwecks Transformation eindringen wollten, um sich auf die offerierte [[Unsterblichkeit]] vorzubereiten. Dazu wurde der geheime innere Orden ''Ordo Rosae Rubeae et Aureae Crucis'' gegründet, in dem das praktisch-magische Element zentral stand. Im Rahmen der [[Initiation]]srituale hatten die Mitglieder Kenntnisse alchimistischer, astrologischer, kabbalistischer, rosenkreuzerischer Überlieferungen nachzuweisen. Elaborierte Meditationstechniken wurden mit Symboltraditionen kombiniert um in transzendenten Zuständen Zugang zum [[Das Unbewusste|Unbewussten]] zu erschließen. Ab 1891 wurden magische Gruppenrituale praktiziert. 1898 trat Crowley bei, dem man allerdings den Eintritt in den inneren Orden verwehrte. Das prominente Mitglied [[William Butler Yeats]] wechselte nach den folgenden Streitigkeiten die zum Zerfall des Ordens führten in den spiritistischen Ableger [[Stella Matutina (Orden)|Stella Matutina]].<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 146–153.</ref><br />
<br />
==== Ordo Templi Orientis ====<br />
{{Hauptartikel|Ordo Templi Orientis}}<br />
Zirka 1896 wurde der Ordo Templi Orientis (OTO) gegründet dessen System [[Karl Kellner (Chemiker)|Carl Kellner]] entwickelte. Zwischen 1896 und 1904 begann Kellner die Zusammenarbeit mit [[Franz Hartmann]], Heinrich Klein und Theodor Reuß, die Kontakte zur progressiv-utopischen Untergrundkolonie [[Monte Verità]] in der Schweiz unterhielten.<ref>Stephen Flowers: ''Feuer und Eis. Die magischen Geheimlehren des deutschen Geheimordens Fraternitas Saturni''. Ins Deutsche übertragen von Michael DeWitt, Edition Ananael, Wien 1993, ISBN 3-901134-03-4, S. 24–25.</ref> Nach der 1912 von Reuß autorisierten Neugründung wurde der OTO auch öffentlich bekannter. Gemäß §&nbsp;4 des „Manifest des OTO“ wurden hermetische Wissenschaft oder verborgenes Wissen gelehrt.<ref>[[Horst E. Miers]]: ''Lexikon des Geheimwissens'' (=&nbsp;''Esoterik.'' Bd. 12179). Original-Ausgabe; sowie 3. aktualisierte Auflage, beide Goldmann, München 1993, ISBN 3-442-12179-5, S. 465–467.</ref> Das Geheimnis des OTO ist die Praxis der [[Sexualmagie]] und Sexualmystik. Zu einer Neuausrichtung des OTO kam es ab 1922 durch den von Reuß zum Nachfolger bestimmten [[Aleister Crowley]].<ref>[[Stephen Flowers]]: ''Feuer und Eis. Die magischen Geheimlehren des deutschen Geheimordens Fraternitas Saturni''. Ins Deutsche übertragen von Michael DeWitt. Edition Ananael, Wien 1993, ISBN 3-901134-03-4, S. 25–26, 32.</ref><br />
<br />
==== Weltbund der Illuminaten ====<br />
[[Theodor Reuß]] gründete Ende des 19. Jahrhunderts einen „Illuminatenorden“ (IO), um mit dem „modernen“ Rosenkreuzertum an den gleichnamigen, radikalaufklärerischen Orden des 18. Jahrhunderts anzuknüpfen. Die ideologische Widersprüchlichkeit zwischen Weishaupts Illuminaten und Reuß' Rosenkreuzertum und Illuminismus hat Reuß dabei entweder nicht verstanden oder ignoriert. Zwecks Legitimation der Ordensgründung verwies Reuß auf ein in seinem Besitz befindliches Patent, welches angeblich von einem [[Hochgradmaurer]] im 18. Grad des Memphis-Ritus, bzw. im 46. Grad des ''Misraim-Ritus'' namens Louis Gabriel stammte, der es bei einem Besuch am 19. November 1786 von Adam Weishaupt in Regensburg persönlich erhalten habe. Nach diesem Patent sei der jeweilige Inhaber befugt „Schottische Logen“ zu gründen. [[Leopold Engel]] trat dem IO am 9. November 1896 bei und verfasste dessen „Geschichte“. Kurz darauf kam es zum Verwürfnis mit Reuß, weil er die Echtheit des Patents von Lebauche anzweifelte. Engel gründete deshalb 1897 zunächst einen eigenen IO, der sich jedoch von 1899 bis 1901 mit dem IO Reußscher Prägung vorübergehend wieder vereinte. Als Engel Reuß' Behauptungen über seine Legitimation zur Ordensgründung als Schwindel titulierte kam es am 3. Juli 1901 zur endgültigen Trennung der beiden Orden.<br />Lehrplan und Organisationsstruktur wurden von Engel neu entwickelt. Führende Mitglieder waren [[Franz Hartmann]], [[Krumm-Heller]], [[Julius Meyer (Okkultist)|Julius Meyer]], [[Herbert Fritsche (Homöopath)|Herbert Fritsche]], [[Karl Germer]] und andere. Engels IO wurde 1924 aus dem Vereinsregister Dresden gelöscht. 1927 versuchte er mit dem „Weltbund der Illuminaten“ ein [[Comeback]]. 1936 wurde der Orden von den Nationalsozialisten verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte in Zürich eine Neugründung unter dem Namen „Weltbund der Illuminaten“, der auch unter den Namen ''[[O.T.O.]]'', ''[[Ordo_Templi_Orientis#Gnostisch-Katholische_Kirche|GKK]]'', ''Kompturei [[Thelema]]'' und ''[[Fraternitas Rosicruciana Antiqua]]'' firmierte.<ref>Karl R. H. Frick: ''Licht und Finsternis. Gnostisch-theosophische und freimaurerisch-okkulte Geheimgesellschaften bis zur Wende des 20. Jahrhunderts'', Bd. 2, Marix Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-044-7, S. 465–468&nbsp;f.</ref><br />
<br />
==== Rosenkreuzer ====<br />
{{Hauptartikel|Rosenkreuzer}}<br />
„Die Rosenkreuzer“ sind besonders als Geheimbund in die Geschichte eingegangen haben jedoch nie existiert und sind eine literarische Fiktion zweier politischer Programmschriften ([[Fama]] und [[Confessio]]) und einer romanhaften [[Allegorie]] ([[Chymische Hochzeit]]). Ab dem 18. Jahrhundert entwickelten sich mehrere „Rosenkreuzer“-Bewegungen, die die ''[[Manifest]]e der Rosenkreuzer'' in jeweils eigener Weise interpretierten. Die aktiven geheimbündlerisch organisierten, mit mehr oder weniger ausgeprägter Arkandisziplin strukturierten Gruppen der Gegenwart, neigen sehr zur [[Legenden]]bildung bezüglich ihrer angeblichen Abstammungslinien, wobei Dichtung und Wahrheit so unlösbar verbunden sind, dass auch durch deren [[Esoterik|esoterische]] Sichtweisen veränderte Realitätskriterien, die Darstellung und Ermittlung historischer Fakten erschwert wird.<ref>Harald Lamprecht: ''Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56549-6, S. 16, 18, 41–42.</ref> 1907 entwickelte [[Rudolf Steiner]], nachdem er eine Gründungsurkunde vom OTO erhalten hatte, ein Rosenkreuzertum, das den Anspruch erhob eine esoterische Version des Christentums zu sein. Steiner vertrat die Ansicht, dass die fiktive Romanfigur [[Christian Rosencreutz]] leibhaftig existiert habe, und als großer Meister seiner verborgenen Bruderschaft seinen Lieblingsschüler [[Buddha]] auf den [[Mars (Planet)|Mars]] geschickt hat, wo er den Planeten wiederbelebte, wie es analog Christus mit der Erde getan habe.<ref>[[James Webb (Historiker)|James Webb]]: ''Das Zeitalter des Irrationalen. Politik, Kultur & Okkultismus im 20. Jahrhundert.'' Marix, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-86539-152-0, S. 102.</ref> [[Max Heindel]] nahm an Steiners geheimen Vorlesungen teil und gründete 1909 die [[Rosicrucian Fellowship]]. Daraufhin beschuldigte ihn Steiner als Plagiator der als sein Geheimschüler seinen Eid gegenüber Steiners Esoterischer Sektion gebrochen habe. 1915 entstand der [[AMORC]]. Eine [[Gnosis|gnostische]] Richtung verkörpert das [[Lectorium Rosicrucianum]].<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 112.</ref><ref>Harald Lamprecht: ''Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56549-6, S. 16, 18, 200&nbsp;ff., 205, 249&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Kriminelle Geheimgesellschaften ===<br />
Zu den kriminellen und politischen Geheimgesellschaften mit verschiedenen Zielrichtungen zählen die [[Carbonari]], die [[Charbonnerie]], die Kalderari, die spanischen Comuneros, die irländischen Fenier, die [[Irische Republikanische Bruderschaft]], die chinesischen [[Boxeraufstand|Boxer]], der [[Ku Klux Klan]], die Triaden, Yakuza, Mafia, [[Camorra]] und der [[Propaganda Due]]. An diesem Ende der Skala ist der Übergang zu terroristischen Gruppierungen fließend.<br />
<br />
==== Thuggee ====<br />
{{Hauptartikel|Thuggee}}<br />
Die Thuggee waren eine seit dem 12. Jahrhundert in Indien geheimbündlerisch organisierte [[Kaste]] von Raubmördern. Die durch die Verehrung der blutdürstigen Göttin [[Kali (Göttin)|Kali]] religiös motivierte Mörder- und Straßenräuber-Bruderschaft wurde in den 1830er und 1840er Jahren durch die [[Britische Kolonien und Protektorate|Britische Kolonialmacht]] zerschlagen. Die Anzahl der von den Thuggee verübten Morde wurde bislang von keiner anderen kriminellen Gruppierung erreicht. Im Laufe ihrer jahrhundertelangen Geschichte wird von Opferzahlen zwischen 50.000 und zwei Millionen ([[Guinness-Buch der Rekorde]]) ausgegangen.<br />
<br />
==== Mafia ====<br />
{{Hauptartikel|Mafia}}<br />
Die Mafia ist ursprünglich ein Geheimbund mit Wurzeln im Sizilien des 19. Jahrhunderts, der heute auch als ''[[Cosa Nostra]]'' bezeichnet wird und zu einem [[Synonym]] organisierter Kriminalität geworden ist. Erst in den 1990er Jahren konnten die später von der Mafia ermordeten Richter [[Giovanni Falcone]] und [[Paolo Borsellino]] die inneren Strukturen der weltweit operierenden so genannten „Familien“ der Cosa Nostra aufdecken. Kennzeichen der in vieler Hinsicht altertümlich-paternistischen Geheimbundstruktur der zuweilen vernetzten mafiosen „Familien“, bei denen die leibliche Verwandtschaft nicht vorrangig ist, sind streng hierarchische, [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchale]] Verbände, deren Mitglieder einen festen Verhaltens- und [[Ehrenkodex]] zu befolgen haben. Die Nichteinhaltung dieses Kodex, zu der die Schweigepflicht der Mitglieder ([[Omertà]]) gehört, wird mit disziplinarischen Maßnahmen bis hin zum Tod bestraft.<ref name=frensch177 /> Die Mafia strebt eine [[Symbiose]] mit der herrschenden Politik an.<ref>[[Regine Igel]]: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien. Herbig, München 2006, ISBN 3-7766-2465-5. </ref><br />
<br />
==== Triaden ====<br />
{{Hauptartikel|Triaden}}<br />
Zu den berühmtesten Formen der asiatischen organisierten, bandenartigen Kriminalität zählen die chinesischen Triaden, deren Wurzeln bis in die [[Mandschu-Dynastie]] zurück reichen und die mit der Mafia nur entfernt vergleichbar sind. Eine Gemeinsamkeit von Triaden und Mafia ist das gemeinsame Bedürfnis Initiationen und geheime Rituale durchzuführen, die auch für andere kriminelle Geheimgesellschaften typisch sind.<ref name=frensch177 /><br />
<br />
==== Yakuza ====<br />
{{Hauptartikel|Yakuza}}<br />
Die strikt hierarchisch organisierten japanischen Yakuza haben ähnlich wie die chinesischen Triaden eine einige Jahrhunderte zurückreichende Vorgeschichte. Die Yakuza besitzen eine innere Struktur, die ähnlich wie die Mafia, gemäß einer Familienmetaphorik organisiert ist. Dabei haben sich die Mitglieder gegenüber einem die absolute Autorität besitzenden Oyabun (japan. Vater) zu striktem Gehorsam zu verpflichten und Loyalität bis in den Tod zu schwören. Aufnahmerituale werden in traditioneller Bekleidung durchgeführt und zur Kommunikation werden überlieferte Chiffren verwendet. Die kriminellen Aktivitäten der Yakuza umfassen Prostitution, Glücksspiel, Schutzgelderpressung, illegale Geldgeschäfte und Geldwäsche in exorbitantem Ausmaß. Mit Europa wird ein florierender [[Amphetamin]]-Handel unterhalten.<ref name="frensch177">[[Marco Frenschkowski]]: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 177–186.</ref><br />
<br />
==== Ku-Klux-Klan ====<br />
{{Hauptartikel|Ku-Klux-Klan}}<br />
[[Datei:Ku Klux Klan Virgina 1922 Parade.jpg|mini|Drei Ku-Klux-Klan-Mitglieder bei einer Parade 1922]]<br />
Der Name [[Ku-Klux-Klan]] (KKK) bezeichnet zwei [[Rassismus|rassistische]] terroristische Organisationen im Süden der [[Vereinigte Staaten|USA]]. Der erste K.K.K. wurde 1866 in [[Pulaski (Tennessee)]] als Geheimbund weißer Farmer gegründet, die für eine Aufrechterhaltung der kolonialen Lebensreform in den Südstaaten kämpften. Ihr insbesondere gegen emanzipierte [[Schwarze]] und radikale Republikaner gerichteter Aktionismus bestand u.&nbsp;a. aus [[Brandstiftung]]en, [[Auspeitschung]]en und [[Fememord]]en. Die wenige Jahre später aufgelöste Gruppe war durch einen hierarchischen Aufbau, Rituale, das symbolische Flammenkreuz und eine tracht aus weißen Kutten und spitze Kapuzen gekennzeichnet.<br />
<br />
Ein zweiter KKK wurde 1915 bei Atlanta als [[Nativismus (Sozialwissenschaften)|nativistische]] Massenorganisation mit bis zu vier Millionen Mitgliedern (1924) gegründet, dessen Aktionsradius über die Südstaaten hinausging. In den 1920er Jahren übte dieser KKK immensen politischen Einfluss aus. Im Mittelpunkt stand die Verfolgung rassischer, religiöser und ethnischer Minderheiten (Schwarze, Juden, Katholiken, Iren) aber auch Intellektueller und Gegner der Prohibition. Wegen Nazibeziehungen einiger KKK-Anführer ging die Mitgliederzahl während der [[Wirtschaftskrise#Weltwirtschaftskrise 1929|Weltwirtschaftskrise]] drastisch zurück. Seit 1928 agierte der K.K.K. nicht mehr als Geheimbund und versuchte die Durchsetzung der Bürgerrechtsgesetze im Süden mit Gewalt zu unterlaufen. Die gegenwärtigen militanten etwa 150 Restgruppen zählen einige tausend Mitglieder, die sich teilweise mit rechtsextremen Neonazi-Organisationen verbündet haben.<br />
<br />
=== Geheimbünde in anderen Kulturen ===<br />
Geheimgesellschaften finden sich auch bei vielen anderen Völkern in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Für die Geschichte der ostasiatischen Hochkulturen sind das etwa die [[Gelaohui]] und [[Highbinder]] bei den Chinesen und die [[Shishi (Aktivisten)|Shishi]] in Japan. Im Kulturraum Ozeanien kamen früher etliche Geheimbünde vor: So die [[Arioi]] in Polynesien oder diverse Bünde in den [[Melanesier#Traditionelle Religionen|traditionellen Religionen Melanesiens]]. Hier ist besonders der [[Duk-Duk]]-Bund der Tolai-Papua Neuguineas bekannt. Ebenfalls bei den schwarzafrikanischen Ethnien spielen spirituell motivierte Geheimorganisationen seit jeher eine wichtige Rolle. Das gilt zum Beispiel für die [[Leopardenmenschen]], die<br />
[[Nyau]] in Südostafrika und die [[Poro (Geheimbund)|Poro]] in Westafrika. Die [[Abakuá]] sind ein Beispiel für Geheimbünde unter afrikanischen Sklaven. Schließlich finden sich auch unter einigen nordamerikanischen Stämmen zahlreiche Geheimgesellschaften, die zum Teil heute noch Bestand haben. Das gilt etwa für die [[Medizinbünde der Irokesen]], den [[Anishinabe#Religion, Kosmologie und Totemismus|Midewiwin-Bund der Anishinabe]] und benachbarter Algonkin-Stämme, sowie für die [[Pueblo-Kultur#Lebensweise, Kultur und Religion|Patowa-Geheimbünde der Pueblo-Kulturen]].<br />
<br />
== Rechtsprechung ==<br />
Im deutschen Strafgesetz wurden Delikte mit dem Straftatbestand der [[Geheimbündelei]], namentlich der Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden sollte, oder in welcher gegen ''unbekannte Obere'' Gehorsam oder gegen ''bekannte Obere'' unbedingter Gehorsam versprochen werden musste, gemäß §&nbsp;128 [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] bis 1968 strafrechtlich verfolgt. So konnten Mitglieder eines Geheimbundes mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, und Stifter und Vorsteher der Verbindung mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahr bestraft werden.<br />
<br />
Da nach dem Skandal um die ''Propaganda Due '' eine Anklage wegen Verschwörung gegen den Staat fallen gelassen werden musste und es nur selten gelang die individuelle Beteiligung von Mitgliedern an bestimmten Vorgängen des Geheimbundes P2 zu beweisen, beschäftigt sich die italienische [[Legislative]] mit Möglichkeiten, die Machtentfaltung von Geheimgesellschaften in Zukunft zu unterbinden.<ref>Marco Frenschkowski: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marixverlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7, S. 189–190.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Marco Frenschkowski]]: ''Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse.'' Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-926-7 (=&nbsp;''marixwissen'').<br />
* [[Karl R. H. Frick]]: ''Die Erleuchteten: gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'', Marix Verlag GmbH, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-006-4<br />
* Karl R. H. Frick: ''Licht und Finsternis. Gnostisch-theosophische und freimaurerisch-okkulte Geheimgesellschaften bis zur Wende des 20. Jahrhunderts.'' Marix Verlag GmbH, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-044-7.<br />
* [[Frank Jacob (Historiker)|Frank Jacob]] (Hrsg.): ''Geheimgesellschaften: Kulturhistorische Sozialstudien / Secret Societies: Comparative Studies in Culture, Society and History'', Königshausen & Neumann, Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4908-8 (=&nbsp;''Globalhistorische Komparativstudien'', Band 1, teilweise deutsch und englisch).<br />
* Brad Steiger, Sherry Steiger: ''Conspiracies and Secret Societies. The Complete Dossier.'' Visible Ink Press, Canton MI 2006, ISBN 1-57859-174-0 (englisch).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|Geheimbund}}<br />
* [http://www.julianeherrmann.com/man-among-men/ Fotografien zu Freimaurern und anderen Männerbünden]<br />
* [http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/epoche/klausnitzer_kirche.pdf Ralf Klausnitzer: Unsichtbare Kirche, unsichtbare Hand. Zur Imaginationsgeschichte geheimer Gesellschaften in der Vorromantik und bei Ludwig Tieck] (PDF; 296 KB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4125847-2}}<br />
<br />
[[Kategorie:Geheimbund| ]]<br />
[[Kategorie:Organisationsform]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=David_Icke&diff=164878901David Icke2017-04-24T16:49:43Z<p>Exploit: /* Werke */ Verlagsangaben rein, korrigiert, DVDs raus</p>
<hr />
<div>[[Datei:David Icke by Stef (cropped).jpg|miniatur|David Icke, 2008]] <br />
'''David Vaughan Icke''' [{{IPA|ˈde̯ɪvɪd a̯ɪk}}] (* [[29. April]] [[1952]] in [[Leicester]], [[England]]) ist ein [[Vereinigtes Königreich|britischer]] Publizist und ehemaliger [[Fußball]]-Profi. Seit Mitte der 1990er Jahre vertritt er als Buchautor und Redner [[Rechtsextremismus und Esoterik|rechtsesoterische]] [[Verschwörungstheorie]]n.<br />
<br />
== Leben ==<br />
Icke spielte in seiner Jugend zunächst als [[Torwart]] für [[Coventry City]] und bis 1973 für den viertklassigen Profiverein [[Hereford United]]. Im Alter von 21 Jahren musste er die Fußballkarriere wegen [[Arthritis]] beenden. Kurz darauf wurde er Sportreporter für die [[BBC]]. Nachdem er sich im Unfrieden vom Sender getrennt hatte, wurde er [[Pressesprecher]] der [[Green Party of England and Wales|Green Party]].<ref>[[Michael Barkun]]: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America.'' University of California Press, Berkeley 2013, S. 104.</ref><br />
<br />
1990 begab sich Icke wegen seiner Arthritis in Behandlung bei einem esoterischen Heiler, der ihn während einer therapeutischen Sitzung in Kontakt mit Geistwesen gebracht haben soll. Diese teilten Icke angeblich mit, er werde „die Erde heilen und weltberühmt sein“. Icke reiste daraufhin nach [[Peru]], wo er nach eigenen Angaben intensive spirituelle Erfahrungen machte. Nun begann er eine neue Karriere, diesmal als Autor und Vortragsreisender zu Themen des [[New Age]] und zu Verschwörungstheorien.<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America.'' University of California Press, Berkeley 2013, S. 104.</ref> Icke bezeichnete sich öffentlich als „[[Sohn Gottes]]“,<ref name="guardian">Janet Tappin Coelho: ''[https://www.theguardian.com/theguardian/2006/dec/21/features11.g2 So was David Icke right?]'' In: ''[[The Guardian]].'' 21. Dezember 2006</ref> was ihm großen Spott in der britischen Öffentlichkeit einbrachte. Jahre später erklärte er, dass er damit seine emotional empfundene Einheit mit allem [[Sein (Philosophie)|Sein]], das man auch [[Gott]] nennen könne, habe ausdrücken wollen. Ende 2006 stand Icke auf Grund von Copyright-Streitigkeiten mit einem Geschäftspartner in den USA kurz vor dem finanziellen Bankrott.<ref name="guardian" /><br />
<br />
Icke hat einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Seine ehemalige Frau leitet seinen Verlag ''Bridge of Love Publications'' in England und organisiert auch teilweise seine Vortragsreisen. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und wohnt auf der [[Isle of Wight]].<br />
<br />
== Werk und Thesen ==<br />
Icke verbindet die Thesen vieler verschiedener Autoren aus Esoterik, [[Ufologie]] und Verschwörungsliteratur zu einer „Superverschwörungstheorie“.<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 6.</ref> In seinem Buch ''Die Rebellion der Roboter'', das im englischen Original 1994 erschien,<ref>David Icke: ''The Robots' Rebellion. The Story of the Spiritual Renaissance''. Gateway Books, 1994.</ref> verknüpft Icke ein antielitäres, ökologisches und spirituelles Weltbild mit einer breiten Palette [[Rechtsextremismus|rechtsextremer]] Verschwörungstheorien, Glaubenssätzen und paranoider Klischees der Verschwörungskulte und Ängste der amerikanischen [[Milizbewegung]]. Er vertritt die Ansicht, dass ein großer Teil der Zivilisation von einer geheimen und pyramidenartigen Organisationsstruktur namens „The Brotherhood“ kontrolliert wird, die er mit den [[Illuminatenorden|Illuminaten]] identifiziert, einer in Wahrheit [[Aufklärung|radikalaufklärerischen]] [[Geheimgesellschaft]], die nach ihrem Verbot 1785 ihre Tätigkeit einstellte. Icke glaubt, der Orden bestehe bis heute, sein Ziel sei die Errichtung einer [[Neue Weltordnung (Verschwörungstheorie)|„neuen Weltordnung“]], in der die ganze Welt versklavt würde. Dazu zitiert er zustimmend die [[Protokolle der Weisen von Zion]], eine [[Antisemitismus (bis 1945)|antisemitische]] [[Fälschung]] vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die Beweise für eine [[jüdische Weltverschwörung]] liefern sollte, betont aber, dass es darin gar nicht um Juden gehe, sondern um die Illuminaten. Gleichwohl kündigte ihm sein Verlag wegen seiner antisemitischen Untertöne die Zusammenarbeit auf.<ref>[[Nicholas Goodrick-Clarke]]: ''Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2009, S. 552–553; Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 105 und 109.</ref><br />
<br />
In seinem 1999 erschienenen Werk ''The Biggest Secret''<ref>David Icke: ''The Biggest Secret. The Book That Will Change the World''. Bridge of Love Publications 1999; deutsch unter dem Titel ''Das größte Geheimnis. Das Buch, das die Welt verändern wird''. (2 Teile) Mosquito-Verlag, Immenstadt 2004 und 2005.</ref> und den Büchern und Vorträgen seitdem verbreitet sich Icke genauer über die Gruppe, die an der Spitze dieser Organisation stünde: Eine Minderheit mit besonderen [[Genetik|genetischen]] Merkmalen, die durch Kreuzung von Menschen mit [[Außerirdisches Leben|außerirdischen]] [[reptiloid]]en Rassen entstanden seien, wovon angeblich {{B|1 Mos|6|4}} berichte. Anknüpfend an Thesen der [[Prä-Astronautik]] nimmt er an, dass die Menschen nicht auf dem Wege der Evolution entstanden, sondern von den außerirdischen [[Anunnaki]] [[Gentechnik|gentechnisch]] erschaffen worden seien, um für sie als Sklaven zu arbeiten. Die Anunnaki benötigten nämlich „monoatomisches“ Gold für ihre transdimensionalen Reisen. Mischlinge zwischen ihnen und den Menschen identifiziert Icke als [[Arier]]: Sie seien ursprünglich die Aufseher über die Menschheit gewesen. Da ihre Gene instabil seien, würden ihre Körper auch eine reptiloide Form annehmen können (Icke bezeichnet sie als ''shapeshifts'', „[[Formwandler]]“). Um die menschliche Gestalt bewahren zu können, seien sie auf den Konsum von menschlichem Blut und Fleisch angewiesen, sie seien also [[Vampir]]e.<ref>Tyson Lewis und Richard Kahn: ''The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory''. In: ''Utopian Studies'' 16, 1 (2005), S. 51 ff.</ref> Dies sei das wahre Motiv des in diesen Kreisen angeblich praktizierten [[Satanismus]]. Der Großteil der europäischen [[Aristokratie]] stamme von Blutlinien ab, die sich bis ins [[Altertum|Frühaltertum]] und insbesondere in den [[Sumerer|sumerischen]] Kulturkreis zurückverfolgen lasse. Die [[Römisch-katholische Kirche|katholische Kirche]] sei nur eine Tarnorganisation für einen Jahrtausende alten [[babylon]]ischen Kult, der [[Menschenopfer]] und [[Inzest]] umfasse. Zu den [[Reptiloide]]n zählt Icke führende Politiker und Hochadlige wie das [[Haus Windsor|britische Königshaus]] und nahezu alle [[Präsident der Vereinigten Staaten|Präsidenten der Vereinigten Staaten]]. Die Außerirdischen würden sich in [[Theorie der hohlen Erde|Hohlräumen im Innern der Erde]] verborgen halten und die Menschheit durch absichtlich ausgelöste Furcht zu kontrollieren versuchen: Dies sei der Hintergrund der [[Attentat auf John F. Kennedy|Mordanschläge auf John F. Kennedy]] und auf [[Diana, Princess of Wales|Prinzessin Diana]].<ref>Asbjørn Dyrendal: ''Hidden Knowledge, Hidden Powers. Esotericism and Conspiracy Culture''. In: Egil Asprem und Kennet Granholm (Hrsg.): ''Contemporary Esotericism''. Equinox, Sheffield 2013, S. 212–215.</ref> Auch würden sie den Menschen einen [[RFID|RFID-Chip]] [[Implantat#Funktionelle Implantate|implantieren]], um sie so in einem globalen allumfassenden [[Überwachungsstaat]] besser kontrollieren und durch eine zentralistische [[Weltregierung]] beherrschen zu können;<ref>Tyson Lewis und Richard Kahn: ''The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory''. In: ''Utopian Studies'' 16, 1 (2005), S. 53.</ref> außerdem wollten sie das Bargeld abschaffen, sodass jeder mit seinem implantierten Chip zahlen müsse. Diese Vorstellung geht auf die im [[evangelikal]]en [[Dispensationalismus]] verbreitete Deutung des [[Malzeichen des Tieres]] {{Bibel|Offb|13|17}} zurück.<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 44 f., 107−110, 124 und 134 ff.</ref> Die [[Terroranschläge am 11. September 2001]] erklärte Icke als Versuch der Illuminaten, die „neue Weltordnung“ zu erzwingen: Ein interdimensionales Wesen habe ihm [[Medium (Person)|gechannelt]], dass Präsident [[George W. Bush]] und Premierminister [[Tony Blair]] schon [[Verschwörungstheorien zum 11. September 2001#Von der Regierung zugelassen (LIHOP)|vor den Anschlägen Bescheid gewusst hätten]]; er sagte voraus, dass sich in nächster Zeit zahlreiche Prominente [[Schönheitsoperation]]en unterziehen würden, die in Wirklichkeit der Gedankenkontrolle dienen würden; Ziel sei es, diese „genetisch manipulierten […] [[Zombie]]s“ zu benutzen, um die Akzeptanz der neuen Herrschaft bei den Massen zu erhöhen.<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 164 f.</ref><br />
<br />
Seit 2003 vertritt Icke auch die These, die [[Aschkenasim]], die die übergroße Mehrzahl der Juden ausmachen, würden nicht wie die [[Sepharden]] von den [[Israeliten]] der Antike abstammen, sondern von den [[Chasaren]], einem Turkvolk, das im Mittelalter an der Nordküste des [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meeres]] siedelte. Diese Hypothese, die eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Juden ermöglicht, ist in antisemitischen und rechtsradikalen Kreisen verbreitet.<ref>David Icke: ''Tales from the Time Loop. The Most Comprehensive Expose of the Global Conspiracy Ever Written and All You Need to Know to Be Truly Free''. David Icke Books, 2003, S. 98; Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 145.</ref><br />
<br />
Um der totalitären Versklavung zu entkommen, müsse die Menschheit ein Bewusstsein umfassender [[Liebe]] entwickeln, das selbst die reptiloiden Außerirdischen umfasse: „Wir sind die Reptilien und die ‚[[Dämon]]en‘, und wir sind gleichzeitig die, die sie manipulieren, denn wir sind alle dasselbe ‚Ich‘“. Die Befreiung liege darin, dass man lerne, auch die verdrängten Teile des eigenen Selbst zu akzeptieren und zu lieben.<ref>„We are the reptilians and the ‚demons‘ and, at the same time, we are those they manipulate because we are all the same ‚I‘“. David Icke: ''Children of the Matrix. How an Interdimensional Race has Controlled the World for Thousands of Years-and Still Does''. Bridge of Love Publications, 2001, S. 424, zitiert bei Tyson Lewis und Richard Kahn: ''The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory''. In: ''Utopian Studies'' 16, 1 (2005), S. .56 f</ref><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
=== Kommerzieller Erfolg ===<br />
Während anfangs seine Bücher und Reden kaum Beachtung fanden, konnte Icke etwa ab der Jahrtausendwende auch Säle mit mehreren hundert Zuschauern füllen. Im Mai 2006 war sein siebenstündiger Vortrag „Freedom Or Fascism: The Time To Choose“ in Londons [[Brixton Academy]], welche knapp 5000 Zuschauer fasst, im Vorfeld ausverkauft. Auch seine Bücher gehören seit ca. 2000 zu den populärsten des Genres. Mit zunehmender Bekanntheit wuchs die Zahl der Menschen, die mit seiner Hilfe Informationen veröffentlichen. So zeigt er in seinen Vorträgen und Filmen selbstaufgenommene Interviews mit [[Vusamazulu Credo Mutwa]], Arizona Wilder oder [[Cathy O’Brien (Schriftstellerin)|Cathy O’Brien]]. Ickes Bücher wurden ins Französische und ins Deutsche übersetzt und erlebten mehrere Auflagen, seine Website wird angeblich 600.000 Mal pro Woche angeklickt.<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 106; Ulrike Heß-Meining: ''Right Wing Esotericism in Europe'', in: [[Uwe Backes]] und [[Patrick Moreau]], ''The Extreme Right in Europe. Current Trends and Perspectives'', Schriften des Hannah-Arendt-Instituts, Band 46, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, Seite 398 und 400.</ref><br />
<br />
=== Einordnung ===<br />
David Icke wird zumeist in den Zusammenhang der [[Rechtsextremismus und Esoterik|rechtsextremen Esoterik]] eingeordnet. Die österreichischen Journalisten Eduard Gugenberger, Franko Petri und Roman Schweidlenka führen ihn 1998 in ihrem Buch ''Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von Rechts'' als „Paradebeispiel“ für dieses Denken an, das Elemente des New Age, des Glaubens an das [[Supranaturalismus|Übersinnliche]] und an UFOs mit klassischen Versatzstücken des Rechtsextremismus wie Judenfeindschaft und Verschwörungstheorie verknüpft.<ref>Eduard Gugenberger, Franko Petri und Roman Schweidlenka: ''Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von Rechts''. Deuticke, Wien 1998, S. 268.</ref> Nach dem Journalisten Chip Berlet bringt Icke [[Politische Rechte (Politik)|rechten]] Antisemitismus in [[Politische Linke|linke]] und [[Neue Soziale Bewegungen#Alternative Lebens- und Wirtschaftsformen|alternative]] Subkulturen.<ref>Chip Berlet: ''Right-Wing Populism in America. Too Close for Comfort.'' The Guilford Press, New York 2000, S. 341.</ref> Die [[Anti-Defamation League]] bezeichnete ihn wegen seiner Zustimmung zu [[Verschwörungstheorien zum 11. September 2001]] als [[Anarchismus|anarchistischen]] bzw. linksgerichteten Antisemiten.<ref>[http://archive.adl.org/terrorism_america/saying_100101.html ''Terrorism Strikes America: What They are Saying''] auf adl.org, 1. Oktober 2001, Zugriff am 24. Mai 2015.</ref> Nachforschungen der Journalisten Matthew Kalmans und John Murray vom ''Open-Eye-Magazin'' fanden Indizien für eine Instrumentalisierung des leichtgläubigen Icke durch rechtsradikale und [[Neonazi]]-Gruppen, die im Rahmen einer Infiltrationsstrategie versuchen würden, auf diesem Wege ihre Weltanschauung im grünen und New-Age-Milieu zu verbreiten.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2009, S. 553.</ref> Das New-Age-Magazin ''Rainbow Ark'' kooperiert eng mit Icke. Es besitzt eine große Zahl rechtsextremer Kontakte und Unterstützer, druckt Ickes Verschwörungstheorien auszugsweise ab und organisiert seine Vorträge und Meetings.<ref>Nicholas Goodrick-Clarke: ''Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung.'' Marix Verlag, Wiesbaden 2009, S. 554.</ref><br />
<br />
Die amerikanischen Philosophen Tyson Lewis und Richard Kahn halten es für möglich, dass Icke nicht an seine eigenen Verschwörungstheorien glaube. Sie könnten daher gelesen werden als [[Satire]] im Sinne [[Jonathan Swift]]s, als [[postmoderne]] Meta-Erzählung, die einen narrativen Rahmen zur Kritik des Bestehenden zur Verfügung stelle. Dieser „[[Utopie|utopische]] Impuls“ müsse allerdings erst ausgegraben werden unter all dem [[reaktionär]]en Bodensatz seiner Phantasien über formwandelnde Reptiloide, denn tatsächlich müsse [[George W. Bush]] etwa für seinen [[Militarismus]] kritisiert werden, nicht dafür, dass er angeblich gar kein Mensch wäre.<ref>Tyson Lewis und Richard Kahn: ''The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory''. In: ''Utopian Studies'' 16, 1 (2005), S. 45–74.</ref><br />
<br />
Der amerikanische Politikwissenschaftler [[Michael Barkun]] verweist auf Ickes Herkunft aus der politischen Linken und auf die Inkompatibilität seiner New-Age-Spekulationen über transdimensionale Reisen mit den Überzeugungen des amerikanischen Rechtsextremismus; zudem bestreite Icke, Antisemit zu sein. Die Vorwürfe der Anti-Defamation League werte er aber als Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein, da er sie als Werkzeug der Verschwörer ansehe, mit dem zum Schweigen gebracht werden solle, wer der Wahrheit zu nahe komme. Auch habe er sich immer auch auf rechtsextreme Quellen gestützt wie [[Milton William Cooper]] und andere Quellen aus der amerikanischen Milizbewegung oder auf die Zeitschrift ''[[The Spotlight]]''. Zudem scheue er sich nicht, mit Vertretern der amerikanischen Waffenlobby und Antisemiten auf einer Tagung aufzutreten, wie 1996 in [[Reno (Nevada)]]. Zusammenfassend ordnet Barkun Icke in den „improvisationalen [[Millenarismus]]“ ein. Dieser zeichne sich durch [[Endzeit]]szenarios, [[Eklektizismus|eklektizistische]] Quellenauswahl aus religiösen, säkularen und sogar fiktionalen Texten sowie eine Neigung zu „stigmatisiertem Wissen“ aus: Die bloße Tatsache, dass eine Information allgemein als abwegig angesehen werde, wird dabei als Argument dafür genommen, dass sie wahr sein müsse – warum würden sich die Verschwörer sonst solche Mühe geben, sie als abwegig hinzustellen?<ref>Michael Barkun: ''A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America''. University of California Press, Berkeley 2013, S. 106–110 und 144 f.</ref><br />
<br />
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Heß-Meining argumentiert, dass Icke klar in den Rechtsextremismus eingeordnet werden müsse. Dabei verweist sie neben seiner Verwendung der ''Protokolle der Weisen von Zion'' auf seine Argumentation, wonach das Bankhaus [[Rothschild]] (das nach Icke gar nicht jüdisch sei, sondern außerirdisch-reptiloid: „eine der berüchtigtsten schwarz-okkulten Blutlinien des mittelalterlichen Deutschland“<ref>„One of the most notorious black occult bloodlines of middle age Germany“. David Icke: [http://www.bibliotecapleyades.net/sociopolitica/esp_sociopol_rothschild04.htm ''Was Hitler a Rothschild?''], zitiert bei Ulrike Heß-Meining: ''Right Wing Esotericism in Europe'', in: Uwe Backes und Patrick Moreau: ''The Extreme Right in Europe. Current Trends and Perspectives'', Schriften des Hannah-Arendt-Instituts, Band 46, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, Seite 399.</ref>) [[Adolf Hitler]] an die Macht gebracht hätte und somit für den [[Holocaust]] verantwortlich sei. Zwar glaube niemand, was Icke behaupte, doch bestehe die Gefahr, dass er durch das Internet rechtsextreme Ideologeme popularisiere.<ref>Ulrike Heß-Meining: ''Right Wing Esotericism in Europe'', in: Uwe Backes und Patrick Moreau: ''The Extreme Right in Europe. Current Trends and Perspectives'', Schriften des Hannah-Arendt-Instituts, Band 46, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, Seite 398 ff.</ref><br />
<br />
== Werke ==<br />
* ''Bruderschaft des Bösen'', Kubiak-Verlag, Recklinghausen 1994, ISBN 978-3-9804767-2-0<br />
* ''Das größte Geheimnis - Teil 1.'' Mosquito-Verlag, Potsdam 2004 ISBN 3-928963-09-0<br />
* ''Das größte Geheimnis - Teil 2'', Mosquito-Verlag, Potsdam 2005 ISBN 3-928963-10-4<br />
* ''Alice im Wunderland und das World Trade Center Desaster : warum die offizielle Geschichte des 11. September eine monumentale Lüge ist.'' Mosquito-Verlag, Potsdam 2005, ISBN 978-3-928963-11-4 <br />
* ''Unendliche Liebe ist die einzige Wahrheit - Alles andere ist Illusion'', Mosquito-Verlag, Potsdam 2006, ISBN 978-3-928963-12-1<br />
* ''... und die Wahrheit wird euch frei machen, Teil 1: aktualisierte Ausgabe für das 21. Jahrhundert ; [das unglaubliche Exposé einer verdeckten Tagesordnung hinter der globalen Politik]'' Mosquito-Verlag, Potsdam 2007, ISBN 978-3-928963-13-8<br />
* ''... und die Wahrheit wird euch frei machen, Teil 2: aktualisierte Ausgabe für das 21. Jahrhundert ; [das unglaubliche Exposé einer verdeckten Tagesordnung hinter der globalen Politik]'' Mosquito-Verlag, Potsdam 2007, ISBN 978-3928963169<br />
* ''Das Größte Geheimnis: Dieses Buch verändert die Welt '', 2009, ISBN 978-3928963176<br />
* ''Der Löwe erwacht: Jetzt wird die Menschheit endlich frei.'' Mosquito-Verlag, Immenstadt 2011, ISBN 978-3928963459<br />
* ''Die Wahrnehmungsfalle, Teil 1: Oder ... alles nur Mumpitz - ja, alles ; die umfassendste Bloßstellung der "Welt", die jemals verfasst wurde.'' Mosquito-Verlag, Immenstadt 2015, ISBN 978-3-943238-40-2 (eBook <nowiki>ISBN 978-3-943238-39-6</nowiki>)<br />
* ''Die Wahrnehmungsfalle, Teil 1: Oder ... alles nur Mumpitz - ja, alles ; die umfassendste Bloßstellung der "Welt", die jemals verfasst wurde.'' Mosquito-Verlag'','' Immenstadt 2016, ISBN 978-3-943238-42-6<br />
<br />
== Vorträge ==<br />
Icke hat im Laufe der Zeit einige Vorträge gehalten, die zum Teil kostenlos im Internet zu finden sind. Andere sind als DVD erhältlich.<br />
<br />
* ''Speaking Out: Who Really Controls the World and What We Can Do About It''<br />
* ''David Icke: Turning of the Tide'' (1996)<br />
* ''The Reptilian Agenda'' (1999) (DVD)<br />
* ''David Icke: Revelations of a Mother Goddess''<br />
* ''David Icke: The Freedom Road'' (2003)<br />
* ''David Icke: Secrets of the Matrix'', Parts 1–3 (2003) (DVD)<br />
* ''David Icke, Live in Vancouver: From Prison to Paradise'' (2005) (DVD)<br />
* ''Freedom or Fascism: The Time to Choose'' (2006) (DVD)<br />
* ''David Icke: Big Brother, the Big Picture'', (2008) umsonst verfügbares Internet Video<br />
* ''Beyond The Cutting Edge'' (2008) (DVD)<br />
* ''David Icke Live at the Oxford Union Debating Society''<br />
* ''Secret Space''<br />
* ''Secret Space 2''<br />
* ''Human Race, Get Off Your Knees!'', Zürich 2009, Vortrag mit deutschem Voice Over (2010) (nexworld.TV 3er-DVD-Edition)<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commonscat}}<br />
* {{DNB-Portal|1018723730}}<br />
* [http://www.davidicke.com/ Website von David Icke]<br />
* [http://www.mosquito-verlag.de/Autoren/David-Icke/Interview Ausführliches Interview mit David Icke (deutsch)]<br />
* {{IMDb|nm1079801}}<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Tyson Lewis und Richard Kahn: ''The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory''. In: ''Utopian Studies'' 16, 1 (2005), S. 45–74.<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=1018723730|LCCN=nr/91/17265|NDL=00819203|VIAF=5769309}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Icke, David}}<br />
[[Kategorie:Pressesprecher]]<br />
[[Kategorie:Person der Anti-Freimaurerei]]<br />
[[Kategorie:Esoterik]]<br />
[[Kategorie:Sachliteratur]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Englisch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Vereinigtes Königreich)]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Fußballtorhüter (Hereford United)]]<br />
[[Kategorie:Vertreter einer Verschwörungstheorie]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Engländer]]<br />
[[Kategorie:Person des Antisemitismus]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1952]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Icke, David<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Icke, David Vaughan (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=britischer Publizist und Fußballspieler<br />
|GEBURTSDATUM=29. April 1952<br />
|GEBURTSORT=[[Leicester]], [[England]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mari%C3%A4_Heimsuchung&diff=164576929Mariä Heimsuchung2017-04-15T07:27:07Z<p>Exploit: /* Patrozinien */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|erläutert Bibelgeschichte und Fest, zu Kirchen siehe [[Mariä-Heimsuchung-Kirche]].}}<br />
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -16- - Visitation.jpg|mini|[[Giotto di Bondone]]: Mariä Heimsuchung, um 1305]]<br />
[[Datei:Ulm-Muenster-KramerFensterDetail-061209.jpg|mini|''Die Heimsuchung'' im [[Ulmer Münster]], [[Peter Hemmel von Andlau]], um 1480]]<br />
Am Fest '''Mariä Heimsuchung''' ([[Lateinische Sprache|lateinisch]]: ''Visitatio Mariae'') gedenken die [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] und die [[altkatholische Kirche]] sowie teilweise die [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanischen]] und die [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|lutherischen]] Kirchen der Episode, die in {{B|Lk|1|39}} im Anschluss an die [[Verkündigung des Herrn|Verkündigungsszene]] erzählt wird: Die schwangere [[Maria, Mutter Jesu|Maria]] macht sich auf den Weg, um ihre Verwandte [[Elisabet]] zu besuchen (daher „Heimsuchung“) und die Freude mit ihr zu teilen. Elisabet, selbst im sechsten Monat schwanger (siehe [[Johannes der Täufer]]), grüßt sie mit den Worten: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ Maria antwortet mit ihrem berühmten Loblied, dem ''[[Magnificat]]''.<br />
<br />
== Datum ==<br />
Das alte Datum dieses Festes ist der 2. Juli. Das Fest wurde 1263 vom Ordensgeneral der [[Franziskanische Orden|Franziskaner]] [[Johannes Bonaventura|Bonaventura]] für seinen Orden eingeführt. Durch das schnelle Wachsen des Ordens fand es in der ganzen Westkirche rasch Verbreitung. Unter Papst [[Pius V.]] wurde der Festtag am 2. Juli in den allgemeinen römischen Kalender aufgenommen. Da der 2. Juli ''nach'' dem [[Johannistag|Geburtsfest Johannes des Täufers]] (24. Juni) liegt (genau einen Tag nach dem Oktavtag des Johannesfestes), zog die [[Zweites Vatikanisches Konzil|nachkonziliare]] [[Liturgiereform]] Mitte der 1960er Jahre das Fest auf den 31. Mai vor (bis dahin Termin des Fests [[Maria Königin]]), so dass es zugleich zum Abschluss des traditionellen [[Maiandacht|Marienmonats]] wurde. Der [[Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet|deutsche Regionalkalender]] verzeichnet es weiterhin am 2. Juli. So wird in [[Werl]] weiterhin am 2. Juli das [[Patronatsfest]] der [[Wallfahrtsbasilika Werl|Wallfahrtsbasilika]] gefeiert. Mehrere tausend Pilger aus der näheren und weiteren Umgebung besuchen dann den drittgrößten deutschen [[Wallfahrtsort]].<br />
<br />
In der altkatholischen und lutherischen Kirche wird das Fest am 2. Juli begangen.<br />
<br />
== Patrozinien ==<br />
* ''[[Salesianerinnen]], Orden von der Heimsuchung Mariens'' (Ordo Visitatio Mariae, OVM)<br />
Kirchen:<br />
* [[Mariä-Heimsuchung-Kirche]]<br />
<br />
== Kirchenmusik ==<br />
Das als [[Advent|adventliches]] Chorstück oft gesungene ''Übers Gebirg Maria geht'' von [[Johann Eccard]] ist ursprünglich ein Festgesang zu Mariä Heimsuchung.<br />
<br />
[[Johann Sebastian Bach]] komponierte für dieses Fest zwei [[Bachkantate|Kantaten]], 1723 ''[[Herz und Mund und Tat und Leben]]'', [[Bach-Werke-Verzeichnis|BWV]] 147, mit der bekannten Choralbearbeitung ''[[Herz und Mund und Tat und Leben|Jesus bleibet meine Freude]]'', und 1724 ''[[Meine Seel erhebt den Herren]]'', BWV 10. Eine weitere Vertonung des Themas durch Bach ist sein lateinisches ''[[Magnificat (Bach)|Magnificat]]''.<br />
<br />
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vielleicht auch deutlich früher) entstand vermutlich im [[Eichsfeld]] das geistliche Volkslied ''[[Maria durch ein Dornwald ging|Maria durch ein’ Dornwald ging]]'', das die biblische Erzählung von Marias Reise zu Elisabeth mit dem legendarischen Motiv vom Dornwald verbindet, der sieben Jahre abgestorben war und beim Kommen Marias mit dem göttlichen Kind in ihrem Schoß zu blühen beginnt. Das Lied wurde im 20. Jahrhundert zu einem der populärsten Adventslieder.<br />
<br />
== Bauernregeln ==<br />
* „Wenn et op Maria Eendrooep räjend, werde m'r veerzig Dag jesäejend“ – „Wenn es auf Maria Heimsuchung regnet, werden wir vierzig Tage [mit Regen] gesegnet“ (aus [[Krefeld]]).<ref>Heinz Webers: ''Morje es vandag al jister!'', Krefeld 2015 </ref><br />
* ''Maria Sief'' ist der Name für Mariä Heimsuchung im [[Köln]]<ref>[http://www.koelsch-woerterbuch.de/wenn-es-auf-mariae-heimsuchung-regnet-auf-koelsch-11935.html Kölsch-Wörterbuch] abgerufen am 3.&nbsp;Juli 2016</ref>-[[Aachen]]er<ref>[https://books.google.de/books?id=7t9IAAAAcAAJ&pg=PA227&lpg=PA227&dq=maria+sief&source=bl&ots=GcFcRrOTDu&sig=fHpR4P3andgWTFXl1azO3E7XKhU&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj1nszUwtfNAhVmOJoKHZUeCtAQ6AEIOzAE#v=onepage&q=maria%20sief&f=false Die Aachener Mundart: Idiotikon nebst einem poetischen Anhange] abgerufen am 3.&nbsp;Juli 2016</ref> Raum, weil es noch 40 Tage regnen soll, wenn es an diesem Tage regnet.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Visitation (Bible)|Heimsuchung}}<br />
* {{B|Lk|1}} Das erste Kapitel des Lukasevangeliums<br />
* [http://glauben-singen.de/Heimsuchung_.htm Lied]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Fest (Liturgie)]]<br />
[[Kategorie:Marienfest]]<br />
[[Kategorie:Magnificat]]<br />
[[Kategorie:Gedenk-, Feier- oder Aktionstag im Mai]]<br />
[[Kategorie:Gedenk-, Feier- oder Aktionstag im Juli]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mari%C3%A4_Heimsuchung&diff=164576917Mariä Heimsuchung2017-04-15T07:26:05Z<p>Exploit: /* Patrozinien */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|erläutert Bibelgeschichte und Fest, zu Kirchen siehe [[Mariä-Heimsuchung-Kirche]].}}<br />
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -16- - Visitation.jpg|mini|[[Giotto di Bondone]]: Mariä Heimsuchung, um 1305]]<br />
[[Datei:Ulm-Muenster-KramerFensterDetail-061209.jpg|mini|''Die Heimsuchung'' im [[Ulmer Münster]], [[Peter Hemmel von Andlau]], um 1480]]<br />
Am Fest '''Mariä Heimsuchung''' ([[Lateinische Sprache|lateinisch]]: ''Visitatio Mariae'') gedenken die [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] und die [[altkatholische Kirche]] sowie teilweise die [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanischen]] und die [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|lutherischen]] Kirchen der Episode, die in {{B|Lk|1|39}} im Anschluss an die [[Verkündigung des Herrn|Verkündigungsszene]] erzählt wird: Die schwangere [[Maria, Mutter Jesu|Maria]] macht sich auf den Weg, um ihre Verwandte [[Elisabet]] zu besuchen (daher „Heimsuchung“) und die Freude mit ihr zu teilen. Elisabet, selbst im sechsten Monat schwanger (siehe [[Johannes der Täufer]]), grüßt sie mit den Worten: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ Maria antwortet mit ihrem berühmten Loblied, dem ''[[Magnificat]]''.<br />
<br />
== Datum ==<br />
Das alte Datum dieses Festes ist der 2. Juli. Das Fest wurde 1263 vom Ordensgeneral der [[Franziskanische Orden|Franziskaner]] [[Johannes Bonaventura|Bonaventura]] für seinen Orden eingeführt. Durch das schnelle Wachsen des Ordens fand es in der ganzen Westkirche rasch Verbreitung. Unter Papst [[Pius V.]] wurde der Festtag am 2. Juli in den allgemeinen römischen Kalender aufgenommen. Da der 2. Juli ''nach'' dem [[Johannistag|Geburtsfest Johannes des Täufers]] (24. Juni) liegt (genau einen Tag nach dem Oktavtag des Johannesfestes), zog die [[Zweites Vatikanisches Konzil|nachkonziliare]] [[Liturgiereform]] Mitte der 1960er Jahre das Fest auf den 31. Mai vor (bis dahin Termin des Fests [[Maria Königin]]), so dass es zugleich zum Abschluss des traditionellen [[Maiandacht|Marienmonats]] wurde. Der [[Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet|deutsche Regionalkalender]] verzeichnet es weiterhin am 2. Juli. So wird in [[Werl]] weiterhin am 2. Juli das [[Patronatsfest]] der [[Wallfahrtsbasilika Werl|Wallfahrtsbasilika]] gefeiert. Mehrere tausend Pilger aus der näheren und weiteren Umgebung besuchen dann den drittgrößten deutschen [[Wallfahrtsort]].<br />
<br />
In der altkatholischen und lutherischen Kirche wird das Fest am 2. Juli begangen.<br />
<br />
== Patrozinien ==<br />
* ''[[Salesianerinnen]], Orden von der Heimsuchung Mariens'' (Ordo Visitatio Mariae, OVM)<br />
Kirchen:<br />
* [[Mariä-Heimsuchung-Kirche]]<br />
* [[Käppele (Würzburg)]]<br />
<br />
== Kirchenmusik ==<br />
Das als [[Advent|adventliches]] Chorstück oft gesungene ''Übers Gebirg Maria geht'' von [[Johann Eccard]] ist ursprünglich ein Festgesang zu Mariä Heimsuchung.<br />
<br />
[[Johann Sebastian Bach]] komponierte für dieses Fest zwei [[Bachkantate|Kantaten]], 1723 ''[[Herz und Mund und Tat und Leben]]'', [[Bach-Werke-Verzeichnis|BWV]] 147, mit der bekannten Choralbearbeitung ''[[Herz und Mund und Tat und Leben|Jesus bleibet meine Freude]]'', und 1724 ''[[Meine Seel erhebt den Herren]]'', BWV 10. Eine weitere Vertonung des Themas durch Bach ist sein lateinisches ''[[Magnificat (Bach)|Magnificat]]''.<br />
<br />
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vielleicht auch deutlich früher) entstand vermutlich im [[Eichsfeld]] das geistliche Volkslied ''[[Maria durch ein Dornwald ging|Maria durch ein’ Dornwald ging]]'', das die biblische Erzählung von Marias Reise zu Elisabeth mit dem legendarischen Motiv vom Dornwald verbindet, der sieben Jahre abgestorben war und beim Kommen Marias mit dem göttlichen Kind in ihrem Schoß zu blühen beginnt. Das Lied wurde im 20. Jahrhundert zu einem der populärsten Adventslieder.<br />
<br />
== Bauernregeln ==<br />
* „Wenn et op Maria Eendrooep räjend, werde m'r veerzig Dag jesäejend“ – „Wenn es auf Maria Heimsuchung regnet, werden wir vierzig Tage [mit Regen] gesegnet“ (aus [[Krefeld]]).<ref>Heinz Webers: ''Morje es vandag al jister!'', Krefeld 2015 </ref><br />
* ''Maria Sief'' ist der Name für Mariä Heimsuchung im [[Köln]]<ref>[http://www.koelsch-woerterbuch.de/wenn-es-auf-mariae-heimsuchung-regnet-auf-koelsch-11935.html Kölsch-Wörterbuch] abgerufen am 3.&nbsp;Juli 2016</ref>-[[Aachen]]er<ref>[https://books.google.de/books?id=7t9IAAAAcAAJ&pg=PA227&lpg=PA227&dq=maria+sief&source=bl&ots=GcFcRrOTDu&sig=fHpR4P3andgWTFXl1azO3E7XKhU&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj1nszUwtfNAhVmOJoKHZUeCtAQ6AEIOzAE#v=onepage&q=maria%20sief&f=false Die Aachener Mundart: Idiotikon nebst einem poetischen Anhange] abgerufen am 3.&nbsp;Juli 2016</ref> Raum, weil es noch 40 Tage regnen soll, wenn es an diesem Tage regnet.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Visitation (Bible)|Heimsuchung}}<br />
* {{B|Lk|1}} Das erste Kapitel des Lukasevangeliums<br />
* [http://glauben-singen.de/Heimsuchung_.htm Lied]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Fest (Liturgie)]]<br />
[[Kategorie:Marienfest]]<br />
[[Kategorie:Magnificat]]<br />
[[Kategorie:Gedenk-, Feier- oder Aktionstag im Mai]]<br />
[[Kategorie:Gedenk-, Feier- oder Aktionstag im Juli]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Main-Post&diff=163767428Main-Post2017-03-20T10:50:12Z<p>Exploit: /* Online-Angebote */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Publikation<br />
| titel = Main-Post<br />
| bild = [[Datei:Main-Post-Logo.svg|190px|Logo]]<br />
| beschreibung = Deutsche Tageszeitung<br />
| verlag = Main-Post GmbH<br />
| land = <br />
| hauptsitz = Berner Str. 2<br />97084 Würzburg<br />
| erstausgabe_jahr = 1945<br />
| erstausgabe_tag = 24. November<br />
| erscheint = täglich außer sonntags<br />
| auflage_zahl = {{FormatZahl|{{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}}}<br />
| auflage_quelle = {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|Quartalstext|Liste und Infobox}}, {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Er}}<br />
| reichweite_zahl = <br />
| reichweite_quelle = <br />
| chefred = Michael Reinhard<br />
| herausgeber = <br />
| herausgeberin = <br />
| geschäftsführer = David Brandstätter<br />
| weblink = [http://www.mainpost.de/ mainpost.de]<br />
| issn-print = <br />
| zdb = 534863-8<br />
}}<br />
<br />
[[Datei:Verlagsgebäude.jpg |thumb|Gebäude der Main-Post in [[Würzburg]]]]<br />
Die Mediengruppe '''Main-Post''' mit Sitz in [[Würzburg]] (Stadtteil [[Heuchelhof]]) gehört zur [[Mediengruppe Pressedruck]] und verlegt Zeitungen für die Region [[Unterfranken]] und den Main-Tauber-Kreis in Baden-Württemberg.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Augsburger-Mediengruppe-Pressedruck-uebernimmt-Main-Post-_arid,2325003_regid,2_puid,2_pageid,4289.html |titel=Augsburger Allgemeine: Mediengruppe Pressedruck übernimmt die Main-Post |datum=20. Dezember 2010 |zugriff=2010-12-20}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.wuv.de/nachrichten/medien/holtzbrinck_trennt_sich_von_main_post |titel=W&V: Holtzbrinck trennt sich von "Main Post" |datum=20. Dezember 2010 |zugriff=2010-12-20}}</ref> Das Unternehmen gehörte bis Ende April 2011 zur [[Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck]]. <br />
<br />
Die [[Auflage (Publikation)|verkaufte Auflage]] der gesamten Mediengruppe beträgt {{IVW-Text|Zeitungen|1710|Exemplare, ein Minus von {{FormatZahl|{{#expr: (({{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} - {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}) / {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} * 100) round 1 }}}} Prozent seit 1998.}} <br />
<br />
== Zeitungen ==<br />
<br />
Zur Mediengruppe Main-Post gehören die früher selbstständigen Tageszeitungen ''Main-Post'', ''Schweinfurter Tagblatt'', ''Schweinfurter Volkszeitung'', ''Bote vom Haßgau'' und ''Volksblatt'' (früher<ref>[http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45016 Artikel „Fränkisches Volksblatt“], in: Historisches Lexikon Bayerns, abgerufen am 30. Januar 2010</ref> ''Fränkisches Volksblatt''). <br />
<br />
Ebenfalls gibt der Verlag das Magazin ''Tiepolo'' sowie die Verbrauchermagazine ''markt am Sonntag'' und ''markt am Mittwoch'' mit wöchentlich über 590.000 kostenlosen Exemplaren (neun verschiedene Ausgaben) heraus.<br />
<br />
Seit 2015 hat die Main-Post auch die Werntal-Zeitung (Wochenzeitung) der Großgemeinde Arnstein übernommen.<br />
<br />
Rund 1000 Personen arbeiten in den Abteilungen Redaktion, Anzeigenabteilung, Vertrieb, Technik und Verwaltung.<br />
<br />
=== Geschichte ===<br />
<br />
Vorläufer der ''Main-Post'' war der von den Würzburger Brüdern Carl und August Richter im Mai 1883 gegründete ''Würzburger General-Anzeiger''. 1941 musste der ''Würzburger General-Anzeiger'' auf Druck der Nationalsozialisten sein Erscheinen einstellen. Die braunen Machthaber stellten es so dar, als ob das Blatt mit ihrem NS-Gauorgan vereinigt worden sei und ließen von nun an die ''Mainfränkische Zeitung'' in den Produktionsstätten des ''Würzburger General-Anzeigers'' drucken. Die NSDAP-Zeitung erschien letztmals am 31. März 1945, zwei Wochen nach der Zerstörung Würzburgs durch die Alliierten. <br />
<br />
Die erste Ausgabe der ''Main-Post'' erschien am 24. November 1945.<ref>http://www.dgb-schweinfurt.de/sw/aktuelles/1234.Aktiv_lokal_und_aktuell_.html</ref> Unter diesem Namen lizenzierten die Alliierten in Würzburg eine überparteiliche Zeitung. Lizenznehmer waren [[Heinrich G. Merkel]] und Richard Seubert.<br />
<br />
In den folgenden Jahrzehnten wuchs die ''Main-Post'' immer mehr, Lokalausgaben kamen hinzu und deckten bald ganz Mainfranken ab. Im Stammsitz in der Würzburger Innenstadt wurde es zu eng. Im neu erschlossenen Stadtteil Heuchelhof entstand Anfang der 1970er Jahre Verlagsgebäude und Druckhallen für Zeitung und Fremdprodukte. Seit 1974 wird dort die ''Main-Post'' gedruckt.<br />
<br />
Die Töchter von Karl Richter veräußerten das Unternehmen 1991 an die Stuttgarter [[Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck]]. Diese wiederum verkaufte das Medienhaus mit Wirkung zum 1. Mai 2011 an die [[Mediengruppe Pressedruck]] in [[Augsburg]] (Augsburger Allgemeine).<br />
<br />
=== Verbreitungsgebiet ===<br />
[[Datei:Main-Post.JPG|miniatur|Main-Post-Leser in Nepal]]<br />
In den Regionen Würzburg und Schweinfurt besitzt die Mediengruppe bei den Tageszeitungen eine Monopolstellung.<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Main-Post'' erscheint in den Städten und Landkreisen:<br />
[[Würzburg]], [[Ochsenfurt]], [[Kitzingen]], [[Tauberbischofsheim]], [[Lohr_am_Main|Lohr]], [[Gemünden am Main|Gemünden]], [[Karlstadt]], [[Marktheidenfeld]], [[Bad Brückenau]], [[Hammelburg]], [[Bad Kissingen]], [[Bad Bocklet]],<br />
[[Bad Neustadt]], [[Mellrichstadt]] und [[Bad Königshofen]].<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Schweinfurter Tagblatt'' erscheint im Raum [[Schweinfurt]]/[[Gerolzhofen]].<br />
<br />
Die Zeitung ''Bote vom Haßgau'' erscheint im Raum [[Hofheim in Unterfranken]]/[[Königsberg in Bayern]].<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Volksblatt'' erscheint im Raum Würzburg, drei Ausgaben der ''Volkszeitung'' erscheinen in der Region Main-Rhön.<br />
<br />
=== Redaktion ===<br />
<br />
Alle Zeitungsseiten der Main-Post entstehen in drei großen Redaktionseinheiten, den so genannten Newsdesks – dem Newsdesk-Mantel, dem Newsdesk Süd (beide in Würzburg) und dem Newsdesk Main-Rhön (in Schweinfurt).<br />
<br />
==== Chefredaktion ====<br />
<br />
* Chefredakteur (seit 2001): Michael Reinhard<br />
<br />
==== Mantelredaktion ====<br />
<br />
Der Newsdesk-Mantel plant und baut die Seiten der früher eigenständigen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Journal, Franken und Bayern sowie das Wochenendmagazin. Hier werden die überregional interessanten Themen bearbeitet. Diese Seiten sind in allen Ausgaben von ''Main-Post'', ''Schweinfurter Tagblatt'' und ''Bote vom Haßgau'' gleich.<br />
<br />
==== Lokalredaktionen ====<br />
<br />
Die Lokalteile erscheinen nur in den jeweiligen Lokalausgaben. Einige Artikel werden – meist in gekürzter Form – im allgemeinen Teil an geeigneter Stelle wiederholt, sofern diesen Artikeln überregionale Bedeutung zuerkannt wird.<br />
<br />
Für folgende Regionen gibt es Lokalteile: Würzburg, Ochsenfurt, Tauberbischofsheim, Main-Spessart (für Lohr, Karlstadt, Gemünden und Marktheidenfeld jeweils eigener Lokalteil mit zum Teil voneinander übernommenen Artikeln), Kitzingen, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen, Haßberge, Gerolzhofen und Bad Königshofen.<br />
<br />
== Auflage ==<br />
Die ''Main-Post'' hat wie die meisten [[Liste deutscher Zeitungen|deutschen Tageszeitungen]] in den vergangenen Jahren an [[Auflage (Publikation)#Zeitungen und Zeitschriften|Auflage]] eingebüßt. {{Auflagen-Vergleich|Zeitungen|1710|Verk}} Sie beträgt gegenwärtig {{IVW-Text|Zeitungen|1710|Exemplare,}} davon {{IVW-Text|Zeitungen|2053|im Gebiet Würzburg}} und {{IVW-Text|Zeitungen|1642|im Raum Schweinfurt (inklusive ''Bote vom Haßgau'').}} Das entspricht einem Rückgang von {{FormatZahl|{{#expr: {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} - {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}}}}} Stück. Der Anteil der [[Abonnement]]s an der verkauften Auflage liegt bei {{FormatZahl|{{#expr: {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Abo}} / {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}} * 100}}}} Prozent. <br />
{{Auflagen-Diagramm|Zeitungen|1710|Verk|175000}}<br />
<br />
== Online-Angebote ==<br />
[[Datei:IPad-App.jpg |thumb|iPad-App der Zeitung]]<br />
Die Mediengruppe Main-Post produziert, betreibt und vermarktet die Online-Plattformen ''mainpost.de'', ''mediengruppe-mainpost.de'', ''main-ding.de'', ''fraenkischer-weinfestkalender.de und'' ''pfiffikus.mainpost.de.''<br />
<br />
Am 21. Oktober 2006 wurde ein überregionales, familienorientiertes Onlineangebot gestartet, das nach einem einem Relaunch im Jahr 2008 über die Domain ''familieninsel.de'' abrufbar war. Zum Angebot gehörten neben redaktionellen Artikeln unter anderem ein ''Familien-Wiki'' zum Aufbau eines Online-Lexikons zu familienrelevanten Themen, ein Forum und eine Community. Seit dem 2. Mai 2012 war die Seite über die Subdomain www.main.de/familieninsel abrufbar.<ref>''familieninsel.de'', [http://web.archive.org/web/20120418045951/http://familieninsel.de/ Momentaufnahme vom 18. April 2012 im Internet] [http://web.archive.org/web/20120418045951/http://familieninsel.de/ Archive] (abgerufen am 20. März 2017)</ref> Das Angebot wurde eingestellt.<br />
<br />
Seit 2010 bietet die Main-Post ihren Lesern die Möglichkeit, die Tageszeitungen auf dem [[iPhone]], seit 2011 auf dem [[iPad]] zu lesen (mobil.mainpost.de).<br />
<br />
=== Kennzahlen ===<br />
<br />
* 400.000 Unique User pro Monat (4. Quartal 2010, AGOF-geprüft)<br />
* 1.793.000 Visits pro Monat <ref name="laut IVW">[http://ivwonline.de/ausweisung2/index.php IVW], Durchschnitt 1. Quartal 2011</ref><br />
* 19.953.000 PIs pro Monat <ref name="laut IVW" /><br />
<br />
== Projekte und Produkte für junge Menschen ==<br />
<br />
* ''Pfiffikus'': Die Main-Post bietet zur Förderung von Kindern zwischen vier und zwölf Jahren [[Crossmedia]]-Nachrichten an, darunter täglich für diese Zielgruppe aufbereitete Artikel und wöchentliche Kinderseiten in der Tageszeitung, eine monatlich erscheinende Kinderzeitung und ein speziell darauf zugeschnittenes Online-Angebot ''pfiffikus.mainpost.de''<br />
<br />
* KLASSE!-Projekt: KLASSE! ist seit 1995 das Zeitungsprojekt der Mediengruppe Main-Post. Mitmachen können Schulen aller Schularten in Mainfranken. Pro Schuljahr nehmen etwa 1250 Klassen mit über 25.000 Schülern teil.<br />
<br />
== Tochterunternehmen ==<br />
<br />
=== Main-PostLogistik GmbH ===<br />
<br />
[[Datei:Münnerstadt Briefkästen.jpg|thumb|Briefkasten der Main-PostLogistik (rechts) in [[Münnerstadt]]]]<br />
<br />
Das Tochterunternehmen ''Main-PostLogistik GmbH'' ist ein privater Briefdienstleister mit rund 100 Mitarbeitern. Zunächst war es nur möglich, innerhalb Unterfrankens Briefe zu versenden. Heute funktioniert der Versand über die Main-PostLogistik deutschland- und weltweit.<br />
<br />
2001 ins Leben gerufen, hat sich das Unternehmen vom reinen Briefzusteller zum Post-Full-Service-Dienstleister entwickelt. Zum Service-Angebot gehören unter anderem die Abwicklung von Mailings, komplette Inhouse-Lösungen, Botentouren und Poststellenorganisation.<br />
<br />
Mittlerweile zählt die Main-PostLogistik über 6000 Kunden (darunter auch alle bayerischen Behörden wie Polizei, Gerichte und Finanzämter). Seit ihrer Geburtsstunde wurden über 150 Millionen Sendungen mit der Main-PostLogistik verschickt.<br />
<br />
Briefmarken heißen bei der Main-PostLogistik „Labels“. Hierbei handelt es sich um Aufkleber, die mit einem Barcode versehen sind. Durch diesen Barcode wird eine genaue Sendungsverfolgung der Briefe gewährleistet.<br />
<br />
== Soziales Engagement ==<br />
<br />
Über die seit 1945 bestehende Aktion Patenkind sammelt das Unternehmen jährlich etwa 300.000 Euro. Die Spenden, die zu 100 Prozent weitergereicht werden, kommen Bedürftigen im Verbreitungsgebiet der Main-Post zugute. Die Verwaltungskosten trägt die Main-Post.<br />
<br />
Die Fair-ist-mehr-Trophäe wird seit 1991 für besonders faire Gesten im unterfränkischen Sport vergeben. Schirmherr ist seit 2004 IOC-Präsident [[Thomas Bach]].<br />
<br />
Mit der Aktion „Zeichen setzen“ wird seit 2003 herausragendes freiwilliges bürgerliches Engagement ausgezeichnet. Unterstützt wird die Aktion vom Erwachsenenbildungshaus Lernwerk Volkersberg.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* [http://www.mainpost.de/ Webseite der Mediengruppe]<br />
* [http://www.mainpostlogistik.de/art96,32 Webseite der Main-PostLogistik]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Deutschsprachige Tageszeitung]]<br />
[[Kategorie:Zeitung (Bayern)]]<br />
[[Kategorie:Unternehmen (Würzburg)]]<br />
[[Kategorie:Mediengruppe Pressedruck]]<br />
[[Kategorie:Lizenzzeitung]]<br />
[[Kategorie:Ersterscheinung 1945]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Main-Post&diff=163767346Main-Post2017-03-20T10:47:32Z<p>Exploit: /* Online-Angebote */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Publikation<br />
| titel = Main-Post<br />
| bild = [[Datei:Main-Post-Logo.svg|190px|Logo]]<br />
| beschreibung = Deutsche Tageszeitung<br />
| verlag = Main-Post GmbH<br />
| land = <br />
| hauptsitz = Berner Str. 2<br />97084 Würzburg<br />
| erstausgabe_jahr = 1945<br />
| erstausgabe_tag = 24. November<br />
| erscheint = täglich außer sonntags<br />
| auflage_zahl = {{FormatZahl|{{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}}}<br />
| auflage_quelle = {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|Quartalstext|Liste und Infobox}}, {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Er}}<br />
| reichweite_zahl = <br />
| reichweite_quelle = <br />
| chefred = Michael Reinhard<br />
| herausgeber = <br />
| herausgeberin = <br />
| geschäftsführer = David Brandstätter<br />
| weblink = [http://www.mainpost.de/ mainpost.de]<br />
| issn-print = <br />
| zdb = 534863-8<br />
}}<br />
<br />
[[Datei:Verlagsgebäude.jpg |thumb|Gebäude der Main-Post in [[Würzburg]]]]<br />
Die Mediengruppe '''Main-Post''' mit Sitz in [[Würzburg]] (Stadtteil [[Heuchelhof]]) gehört zur [[Mediengruppe Pressedruck]] und verlegt Zeitungen für die Region [[Unterfranken]] und den Main-Tauber-Kreis in Baden-Württemberg.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Augsburger-Mediengruppe-Pressedruck-uebernimmt-Main-Post-_arid,2325003_regid,2_puid,2_pageid,4289.html |titel=Augsburger Allgemeine: Mediengruppe Pressedruck übernimmt die Main-Post |datum=20. Dezember 2010 |zugriff=2010-12-20}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.wuv.de/nachrichten/medien/holtzbrinck_trennt_sich_von_main_post |titel=W&V: Holtzbrinck trennt sich von "Main Post" |datum=20. Dezember 2010 |zugriff=2010-12-20}}</ref> Das Unternehmen gehörte bis Ende April 2011 zur [[Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck]]. <br />
<br />
Die [[Auflage (Publikation)|verkaufte Auflage]] der gesamten Mediengruppe beträgt {{IVW-Text|Zeitungen|1710|Exemplare, ein Minus von {{FormatZahl|{{#expr: (({{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} - {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}) / {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} * 100) round 1 }}}} Prozent seit 1998.}} <br />
<br />
== Zeitungen ==<br />
<br />
Zur Mediengruppe Main-Post gehören die früher selbstständigen Tageszeitungen ''Main-Post'', ''Schweinfurter Tagblatt'', ''Schweinfurter Volkszeitung'', ''Bote vom Haßgau'' und ''Volksblatt'' (früher<ref>[http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45016 Artikel „Fränkisches Volksblatt“], in: Historisches Lexikon Bayerns, abgerufen am 30. Januar 2010</ref> ''Fränkisches Volksblatt''). <br />
<br />
Ebenfalls gibt der Verlag das Magazin ''Tiepolo'' sowie die Verbrauchermagazine ''markt am Sonntag'' und ''markt am Mittwoch'' mit wöchentlich über 590.000 kostenlosen Exemplaren (neun verschiedene Ausgaben) heraus.<br />
<br />
Seit 2015 hat die Main-Post auch die Werntal-Zeitung (Wochenzeitung) der Großgemeinde Arnstein übernommen.<br />
<br />
Rund 1000 Personen arbeiten in den Abteilungen Redaktion, Anzeigenabteilung, Vertrieb, Technik und Verwaltung.<br />
<br />
=== Geschichte ===<br />
<br />
Vorläufer der ''Main-Post'' war der von den Würzburger Brüdern Carl und August Richter im Mai 1883 gegründete ''Würzburger General-Anzeiger''. 1941 musste der ''Würzburger General-Anzeiger'' auf Druck der Nationalsozialisten sein Erscheinen einstellen. Die braunen Machthaber stellten es so dar, als ob das Blatt mit ihrem NS-Gauorgan vereinigt worden sei und ließen von nun an die ''Mainfränkische Zeitung'' in den Produktionsstätten des ''Würzburger General-Anzeigers'' drucken. Die NSDAP-Zeitung erschien letztmals am 31. März 1945, zwei Wochen nach der Zerstörung Würzburgs durch die Alliierten. <br />
<br />
Die erste Ausgabe der ''Main-Post'' erschien am 24. November 1945.<ref>http://www.dgb-schweinfurt.de/sw/aktuelles/1234.Aktiv_lokal_und_aktuell_.html</ref> Unter diesem Namen lizenzierten die Alliierten in Würzburg eine überparteiliche Zeitung. Lizenznehmer waren [[Heinrich G. Merkel]] und Richard Seubert.<br />
<br />
In den folgenden Jahrzehnten wuchs die ''Main-Post'' immer mehr, Lokalausgaben kamen hinzu und deckten bald ganz Mainfranken ab. Im Stammsitz in der Würzburger Innenstadt wurde es zu eng. Im neu erschlossenen Stadtteil Heuchelhof entstand Anfang der 1970er Jahre Verlagsgebäude und Druckhallen für Zeitung und Fremdprodukte. Seit 1974 wird dort die ''Main-Post'' gedruckt.<br />
<br />
Die Töchter von Karl Richter veräußerten das Unternehmen 1991 an die Stuttgarter [[Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck]]. Diese wiederum verkaufte das Medienhaus mit Wirkung zum 1. Mai 2011 an die [[Mediengruppe Pressedruck]] in [[Augsburg]] (Augsburger Allgemeine).<br />
<br />
=== Verbreitungsgebiet ===<br />
[[Datei:Main-Post.JPG|miniatur|Main-Post-Leser in Nepal]]<br />
In den Regionen Würzburg und Schweinfurt besitzt die Mediengruppe bei den Tageszeitungen eine Monopolstellung.<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Main-Post'' erscheint in den Städten und Landkreisen:<br />
[[Würzburg]], [[Ochsenfurt]], [[Kitzingen]], [[Tauberbischofsheim]], [[Lohr_am_Main|Lohr]], [[Gemünden am Main|Gemünden]], [[Karlstadt]], [[Marktheidenfeld]], [[Bad Brückenau]], [[Hammelburg]], [[Bad Kissingen]], [[Bad Bocklet]],<br />
[[Bad Neustadt]], [[Mellrichstadt]] und [[Bad Königshofen]].<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Schweinfurter Tagblatt'' erscheint im Raum [[Schweinfurt]]/[[Gerolzhofen]].<br />
<br />
Die Zeitung ''Bote vom Haßgau'' erscheint im Raum [[Hofheim in Unterfranken]]/[[Königsberg in Bayern]].<br />
<br />
Der Zeitungstitel ''Volksblatt'' erscheint im Raum Würzburg, drei Ausgaben der ''Volkszeitung'' erscheinen in der Region Main-Rhön.<br />
<br />
=== Redaktion ===<br />
<br />
Alle Zeitungsseiten der Main-Post entstehen in drei großen Redaktionseinheiten, den so genannten Newsdesks – dem Newsdesk-Mantel, dem Newsdesk Süd (beide in Würzburg) und dem Newsdesk Main-Rhön (in Schweinfurt).<br />
<br />
==== Chefredaktion ====<br />
<br />
* Chefredakteur (seit 2001): Michael Reinhard<br />
<br />
==== Mantelredaktion ====<br />
<br />
Der Newsdesk-Mantel plant und baut die Seiten der früher eigenständigen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Journal, Franken und Bayern sowie das Wochenendmagazin. Hier werden die überregional interessanten Themen bearbeitet. Diese Seiten sind in allen Ausgaben von ''Main-Post'', ''Schweinfurter Tagblatt'' und ''Bote vom Haßgau'' gleich.<br />
<br />
==== Lokalredaktionen ====<br />
<br />
Die Lokalteile erscheinen nur in den jeweiligen Lokalausgaben. Einige Artikel werden – meist in gekürzter Form – im allgemeinen Teil an geeigneter Stelle wiederholt, sofern diesen Artikeln überregionale Bedeutung zuerkannt wird.<br />
<br />
Für folgende Regionen gibt es Lokalteile: Würzburg, Ochsenfurt, Tauberbischofsheim, Main-Spessart (für Lohr, Karlstadt, Gemünden und Marktheidenfeld jeweils eigener Lokalteil mit zum Teil voneinander übernommenen Artikeln), Kitzingen, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen, Haßberge, Gerolzhofen und Bad Königshofen.<br />
<br />
== Auflage ==<br />
Die ''Main-Post'' hat wie die meisten [[Liste deutscher Zeitungen|deutschen Tageszeitungen]] in den vergangenen Jahren an [[Auflage (Publikation)#Zeitungen und Zeitschriften|Auflage]] eingebüßt. {{Auflagen-Vergleich|Zeitungen|1710|Verk}} Sie beträgt gegenwärtig {{IVW-Text|Zeitungen|1710|Exemplare,}} davon {{IVW-Text|Zeitungen|2053|im Gebiet Würzburg}} und {{IVW-Text|Zeitungen|1642|im Raum Schweinfurt (inklusive ''Bote vom Haßgau'').}} Das entspricht einem Rückgang von {{FormatZahl|{{#expr: {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE 19984|1710|Verk}} - {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}}}}}} Stück. Der Anteil der [[Abonnement]]s an der verkauften Auflage liegt bei {{FormatZahl|{{#expr: {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Abo}} / {{Metadaten Auflagen Zeitungen DE|1710|Verk}} * 100}}}} Prozent. <br />
{{Auflagen-Diagramm|Zeitungen|1710|Verk|175000}}<br />
<br />
== Online-Angebote ==<br />
[[Datei:IPad-App.jpg |thumb|iPad-App der Zeitung]]<br />
Die Mediengruppe Main-Post produziert, betreibt und vermarktet die Online-Plattformen ''mainpost.de'', ''mediengruppe-mainpost.de'', ''main-ding.de'', ''fraenkischer-weinfestkalender.de und'' ''pfiffikus.mainpost.de.''<br />
<br />
Am 21. Oktober 2006 wurde ein überregionales, familienorientiertes Onlineangebot gestartet, das nach einem einem Relaunch im Jahr 2008 über die Domain ''familieninsel.de'' abrufbar war. Zum Angebot gehörten neben redaktionellen Artikeln unter anderem ein ''Familien-Wiki'' zum Aufbau eines Online-Lexikons zu familienrelevanten Themen, ein Forum und eine Community. Seit dem 2. Mai 2012 war die Seite über die Subdomain www.main.de/familieninsel abrufbar.<ref>''familieninsel.de'', [http://web.archive.org/web/20120209222639/http://www.tirili.de/news?page=1 Momentaufnahme vom 18. April 2012 im Internet] [http://web.archive.org/web/20120418045951/http://familieninsel.de/ Archive] (abgerufen am 20. März 2017)</ref> Das Angebot wurde eingestellt.<br />
<br />
Seit 2010 bietet die Main-Post ihren Lesern die Möglichkeit, die Tageszeitungen auf dem [[iPhone]], seit 2011 auf dem [[iPad]] zu lesen (mobil.mainpost.de).<br />
<br />
=== Kennzahlen ===<br />
<br />
* 400.000 Unique User pro Monat (4. Quartal 2010, AGOF-geprüft)<br />
* 1.793.000 Visits pro Monat <ref name="laut IVW">[http://ivwonline.de/ausweisung2/index.php IVW], Durchschnitt 1. Quartal 2011</ref><br />
* 19.953.000 PIs pro Monat <ref name="laut IVW" /><br />
<br />
== Projekte und Produkte für junge Menschen ==<br />
<br />
* ''Pfiffikus'': Die Main-Post bietet zur Förderung von Kindern zwischen vier und zwölf Jahren [[Crossmedia]]-Nachrichten an, darunter täglich für diese Zielgruppe aufbereitete Artikel und wöchentliche Kinderseiten in der Tageszeitung, eine monatlich erscheinende Kinderzeitung und ein speziell darauf zugeschnittenes Online-Angebot ''pfiffikus.mainpost.de''<br />
<br />
* KLASSE!-Projekt: KLASSE! ist seit 1995 das Zeitungsprojekt der Mediengruppe Main-Post. Mitmachen können Schulen aller Schularten in Mainfranken. Pro Schuljahr nehmen etwa 1250 Klassen mit über 25.000 Schülern teil.<br />
<br />
== Tochterunternehmen ==<br />
<br />
=== Main-PostLogistik GmbH ===<br />
<br />
[[Datei:Münnerstadt Briefkästen.jpg|thumb|Briefkasten der Main-PostLogistik (rechts) in [[Münnerstadt]]]]<br />
<br />
Das Tochterunternehmen ''Main-PostLogistik GmbH'' ist ein privater Briefdienstleister mit rund 100 Mitarbeitern. Zunächst war es nur möglich, innerhalb Unterfrankens Briefe zu versenden. Heute funktioniert der Versand über die Main-PostLogistik deutschland- und weltweit.<br />
<br />
2001 ins Leben gerufen, hat sich das Unternehmen vom reinen Briefzusteller zum Post-Full-Service-Dienstleister entwickelt. Zum Service-Angebot gehören unter anderem die Abwicklung von Mailings, komplette Inhouse-Lösungen, Botentouren und Poststellenorganisation.<br />
<br />
Mittlerweile zählt die Main-PostLogistik über 6000 Kunden (darunter auch alle bayerischen Behörden wie Polizei, Gerichte und Finanzämter). Seit ihrer Geburtsstunde wurden über 150 Millionen Sendungen mit der Main-PostLogistik verschickt.<br />
<br />
Briefmarken heißen bei der Main-PostLogistik „Labels“. Hierbei handelt es sich um Aufkleber, die mit einem Barcode versehen sind. Durch diesen Barcode wird eine genaue Sendungsverfolgung der Briefe gewährleistet.<br />
<br />
== Soziales Engagement ==<br />
<br />
Über die seit 1945 bestehende Aktion Patenkind sammelt das Unternehmen jährlich etwa 300.000 Euro. Die Spenden, die zu 100 Prozent weitergereicht werden, kommen Bedürftigen im Verbreitungsgebiet der Main-Post zugute. Die Verwaltungskosten trägt die Main-Post.<br />
<br />
Die Fair-ist-mehr-Trophäe wird seit 1991 für besonders faire Gesten im unterfränkischen Sport vergeben. Schirmherr ist seit 2004 IOC-Präsident [[Thomas Bach]].<br />
<br />
Mit der Aktion „Zeichen setzen“ wird seit 2003 herausragendes freiwilliges bürgerliches Engagement ausgezeichnet. Unterstützt wird die Aktion vom Erwachsenenbildungshaus Lernwerk Volkersberg.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* [http://www.mainpost.de/ Webseite der Mediengruppe]<br />
* [http://www.mainpostlogistik.de/art96,32 Webseite der Main-PostLogistik]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Deutschsprachige Tageszeitung]]<br />
[[Kategorie:Zeitung (Bayern)]]<br />
[[Kategorie:Unternehmen (Würzburg)]]<br />
[[Kategorie:Mediengruppe Pressedruck]]<br />
[[Kategorie:Lizenzzeitung]]<br />
[[Kategorie:Ersterscheinung 1945]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gau_Mainfranken&diff=163693237Gau Mainfranken2017-03-18T10:19:43Z<p>Exploit: /* Geschichte und Struktur */</p>
<hr />
<div>[[Datei:NS administrative Gliederung 1944.png|mini|Gaue des Deutschen Reiches 1944]]<br />
<br />
Der [[Parteigau|Gau]] '''Mainfranken''' war eine Verwaltungseinheit der [[Struktur der NSDAP|NSDAP]]. Bis 1935 hieß er '''Gau Unterfranken'''.<br />
<br />
== Geschichte und Struktur ==<br />
Am 27. Juni 1927 wurde der „Gau Unterfranken“ gegründet.<ref>[http://wuerzburgwiki.de/wiki/W%C3%BCrzburg_im_Dritten_Reich wuerzburgwiki mit Angabe der Zehnjahresfeier 1937]</ref> [[Gauleiter]] war offiziell seit 1928 Dr. [[Otto Hellmuth]], der bisher der Schriftleiter von Gauzeitungen („Nationale Stimme“) gewesen war und der sich vom Nürnberger Gauleiter [[Julius Streicher]] abzuheben versuchte. 1933 zog er als Abgeordneter in den [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|nationalsozialistischen Reichstag]] ein. Im [[Freistaat Bayern]] wurde 1933 [[Ritter von Epp]] als [[Reichsstatthalter]] eingesetzt, dem die sechs bayerischen Gaue auf der staatlichen Ebene unterstanden. Zu Hellmuths bisherigen Rängen und Titeln als Gauleiter, [[Sturmabteilung|SA]]-Standartenführer und [[Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps|NSKK]]-Obergruppenführer kam am 1. Juli 1934 noch der des Regierungspräsidenten im [[Regierungsbezirk Unterfranken]] und [[Aschaffenburg]] bzw. (nach Umbenennung des Regierungsbezirks am 1. Juli 1937) [[Mainfranken]]. Mit gut 840.000 Einwohnern war der Gau einer der kleinsten, die Gauleitung saß in [[Würzburg]], Adolf-Hitler-Str. 24.<ref>[https://www.findbuch.at/tl_files/data/adressbuecher/1940_dr_od_ak/3__Grossdeutschland_NSDAP_Verbaende_und_Reichsregierung.pdf Adreßbuch]</ref><ref>[http://www.fkg-wuerzburg.de/inhalte/schule/faecher/geschichte/facharbeiten/kiesel/data/gauhaus.htm Bild des Gauhauses]</ref> Daneben waren viele weitere Gauämter in Würzburg ansässig.<ref>Peter Weidisch: ''Würzburg im Dritten Reich''. In: ''Geschichte der Stadt Würzburg. Band III.'' Hrsg. Ulrich Wagner, Theiss-Verlag Stuttgart 2007, S. 196–289</ref> Eine [[Gauführerschule]], die Gauschulungsburg „[[Florian Geyer]]“, bestand in Schloss [[Gelchsheim]].<br />
<br />
Hellmuth wollte aus „seinem“ Gau einen Mustergau machen und der Bevölkerung eine Art mainfränkische Identität geben. Er sah Mainfranken als „Bauerngau“ und den mainfränkischen „Stamm“ in der Tradition der Bauern, die 1525 für ihre Freiheit gekämpft hatten. Neben [[Florian Geyer]] (um 1490-1525), dem Bauernführer von 1525, wurden Künstler und Dichter wie [[Wolfram von Eschenbach]] (1170/75-nach 1220) und [[Balthasar Neumann]] (1687-1753) zum Vorbild. Hellmuth schuf einen Mainfränkischen Kunstpreis; der Beiname „Mainfranken“ wurde vielen Namen gegeben ([[Mainfränkisches Museum]], Parteizeitung 1934-1945 [[Mainfränkische Zeitung]]). Die Gau-Ausstellung „Mainfranken wie es strebt und schafft“ 1939 sollte eine umfassende Leistungsschau sein.<br />
<br />
Schon drei Wochen vor der ersten großen [[Judenboykott|reichsweiten Boykottaktion gegen Juden]] am 1. April erzwang Hellmuth am 11. März 1933 in Würzburg die zeitweise Schließung jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Praxen. Der [[Gauwirtschaftsberater]] Kurt Hasslinger plante die „[[Arisierung]]“ jüdischer Unternehmen voranzutreiben, vor allem sein Nachfolger ab 1937/38 Dr. Hans Vogel griff massiv in die Zwangsverkäufe ein, besonders im Viehhandel im Raum [[Bad Kissingen]]/[[Hammelburg]].<ref>Axel Decroll: ''Der Fiskus als Verfolger: Die steuerliche Diskriminierung der Juden in Bayern 1933-1941/42'' (Studien zur Zeitgeschichte, Band 78), Oldenbourg, München 2009, S. 56 u. 85ff ISBN 978-3486588651</ref> Die [[Novemberpogrome 1938]] zerstören zahlreiche [[Synagoge]]n und Geschäfte. Im November 1941 setzen die Deportationen der jüdischstämmigen Bevölkerung in den Osten ein. <br />
<br />
Der Gauleiter wurde 1939 enttäuscht, als ihm aufgrund der „Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren“ vom 1. September 1939 das neue Amt des [[Reichsverteidigungskommissar]]s nicht übertragen wurde, da der Gau keinem der 18 [[Wehrkreis]]e entsprach. Erst mit der „Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung“ vom 16. November 1942 wurden die Parteigaue zu Reichsverteidigungsbezirken und damit jeder Gauleiter zum Reichsverteidigungskommissar gemacht. Daneben war er seit 1940 Gauwohnungskommissar. Am 6. April 1942 wurde er Beauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, am 25. September 1944 Führer des [[Deutscher Volkssturm|Volkssturms]] im Gau Mainfranken.<br />
<br />
Im [[Dr.-Hellmuth-Plan]] wurde eine Besiedlung der Höhenlagen der [[Rhön]] und im [[Spessart]] mit einer speziell ausgelesenen Menschengruppe geplant, die letztlich scheiterte bis auf die Anlage des [[Rhönhof]]s 1937. Der Würzburger Professor und Leiter des Rassenpolitischen Amtes im Gau [[Ludwig Schmidt (Mediziner)]] nahm rassenbiologische Erhebungen der Bevölkerung vor. Vom 3. bis 6. Oktober 1940 wurden auf Anordnung des Gauleiters insgesamt 777 Patienten aus der Heilanstalt Schloss [[Werneck]] verlegt. Davon kam die Hälfte in die Heil- und Pflegeanstalt [[Lohr am Main]], die andere Hälfte über verschiedene Zwischenanstalten in die Tötungsanstalten der als „Euthanasie“ bezeichneten Ermordung von Geisteskranken und Behinderten im [[NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein|Schloss Sonnenstein bei Pirna]] und [[NS-Tötungsanstalt Hartheim|Schloss Hartheim bei Linz]], wo sie [[Gaskammer (Massenmord)|vergast]] wurden.<br />
<br />
Hellmuth flüchtete mit seiner Familie und der Gauleitung am 2. April 1945 zunächst nach [[Untermerzbach]] bei Ebern und dann über [[Haßfurt]] am 9. April 1945 nach [[Eggolsheim]] bei Forchheim in der Fränkischen Schweiz. Am 14. April 1945 löste sich die NSDAP in Mainfranken offiziell auf. <br />
<br />
Gauleiter war <br />
* Dr. [[Otto Hellmuth]] (3. Sept. 1928 – April 1945) <br />
Stellvertreter waren <br />
** [[Ludwig Pösl]] (1. Oktober 1931 – September 1937)<br />
** [[Friedrich Kühnreich]] (20. September 1937 – 1945)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* ''Die Entmannungen in Mainfranken in den Jahren 1934-1936'', 1937<br />
* Astrid Freyeisen: ''Verbohrt bis zuletzt – Gauleiter Dr. Otto Hellmuth und das Ende des Nationalsozialismus in Unterfranken''. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst. Bd. 57, 2005, ISSN 0076-2725, S. 280–328.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.verwaltungsgeschichte.de/gau_main.html Deutsche Verwaltungsgeschichte mit allen Kreisleitungen]<br />
* [http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/uebersicht-der-nsdap-gaue-der-gauleiter-und-der-stellvertretenden-gauleiter-zwischen-1933-und-1945/ Übersicht über die Gaue]<br />
<br />
== Einzelbelege ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=5126229-0|VIAF=153946918}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Gaue im NS-Staat}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Mainfranken}}<br />
[[Kategorie:Gau (NSDAP)]]<br />
[[Kategorie:Bayerische Geschichte (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1927]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Würzburg)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gau_Mainfranken&diff=163693224Gau Mainfranken2017-03-18T10:19:05Z<p>Exploit: /* Geschichte und Struktur */ http://www.wuerzburger-briefmarkenverein.de/Sammeln/Sonderstempel/Sonderstempel.html</p>
<hr />
<div>[[Datei:NS administrative Gliederung 1944.png|mini|Gaue des Deutschen Reiches 1944]]<br />
<br />
Der [[Parteigau|Gau]] '''Mainfranken''' war eine Verwaltungseinheit der [[Struktur der NSDAP|NSDAP]]. Bis 1935 hieß er '''Gau Unterfranken'''.<br />
<br />
== Geschichte und Struktur ==<br />
Am 27. Juni 1927 wurde der „Gau Unterfranken“ gegründet.<ref>[http://wuerzburgwiki.de/wiki/W%C3%BCrzburg_im_Dritten_Reich wuerzburgwiki mit Angabe der Zehnjahresfeier 1937]</ref> [[Gauleiter]] war offiziell seit 1928 Dr. [[Otto Hellmuth]], der bisher der Schriftleiter von Gauzeitungen („Nationale Stimme“) gewesen war und der sich vom Nürnberger Gauleiter [[Julius Streicher]] abzuheben versuchte. 1933 zog er als Abgeordneter in den [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|nationalsozialistischen Reichstag]] ein. Im [[Freistaat Bayern]] wurde 1933 [[Ritter von Epp]] als [[Reichsstatthalter]] eingesetzt, dem die sechs bayerischen Gaue auf der staatlichen Ebene unterstanden. Zu Hellmuths bisherigen Rängen und Titeln als Gauleiter, [[Sturmabteilung|SA]]-Standartenführer und [[Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps|NSKK]]-Obergruppenführer kam am 1. Juli 1934 noch der des Regierungspräsidenten im [[Regierungsbezirk Unterfranken]] und [[Aschaffenburg]] bzw. (nach Umbenennung des Regierungsbezirks am 1. Juli 1937) [[Mainfranken]]. Mit gut 840.000 Einwohnern war der Gau einer der kleinsten, die Gauleitung saß in [[Würzburg]], Adolf-Hitler-Str. 24.<ref>[https://www.findbuch.at/tl_files/data/adressbuecher/1940_dr_od_ak/3__Grossdeutschland_NSDAP_Verbaende_und_Reichsregierung.pdf Adreßbuch]</ref><ref>[http://www.fkg-wuerzburg.de/inhalte/schule/faecher/geschichte/facharbeiten/kiesel/data/gauhaus.htm Bild des Gauhauses]</ref> Daneben waren viele weitere Gauämter in Würzburg ansässig.<ref>Peter Weidisch: ''Würzburg im Dritten Reich''. In: ''Geschichte der Stadt Würzburg. Band III.'' Hrsg. Ulrich Wagner, Theiss-Verlag Stuttgart 2007, S. 196–289</ref> Eine [[Gauführerschule]], die Gauschulungsburg „[[Florian Geyer]]“, bestand in Schloss [[Gelchsheim]].<br />
<br />
Hellmuth wollte aus „seinem“ Gau einen Mustergau machen und der Bevölkerung eine Art mainfränkische Identität geben. Er sah Mainfranken als „Bauerngau“ und den mainfränkischen „Stamm“ in der Tradition der Bauern, die 1525 für ihre Freiheit gekämpft hatten. Neben [[Florian Geyer]] (um 1490-1525), dem Bauernführer von 1525, wurden Künstler und Dichter wie [[Wolfram von Eschenbach]] (1170/75-nach 1220) und [[Balthasar Neumann]] (1687-1753) zum Vorbild. Hellmuth schuf einen Mainfränkischen Kunstpreis; der Beiname „Mainfranken“ wurde vielen Namen gegeben ([[Mainfränkisches Museum]], Parteizeitung 1934-1945 [[Mainfränkische Zeitung]]). Die "Gau-Ausstellung Mainfranken wie es strebt und schafft" 1939 sollte eine umfassende Leistungsschau sein.<br />
<br />
Schon drei Wochen vor der ersten großen [[Judenboykott|reichsweiten Boykottaktion gegen Juden]] am 1. April erzwang Hellmuth am 11. März 1933 in Würzburg die zeitweise Schließung jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Praxen. Der [[Gauwirtschaftsberater]] Kurt Hasslinger plante die „[[Arisierung]]“ jüdischer Unternehmen voranzutreiben, vor allem sein Nachfolger ab 1937/38 Dr. Hans Vogel griff massiv in die Zwangsverkäufe ein, besonders im Viehhandel im Raum [[Bad Kissingen]]/[[Hammelburg]].<ref>Axel Decroll: ''Der Fiskus als Verfolger: Die steuerliche Diskriminierung der Juden in Bayern 1933-1941/42'' (Studien zur Zeitgeschichte, Band 78), Oldenbourg, München 2009, S. 56 u. 85ff ISBN 978-3486588651</ref> Die [[Novemberpogrome 1938]] zerstören zahlreiche [[Synagoge]]n und Geschäfte. Im November 1941 setzen die Deportationen der jüdischstämmigen Bevölkerung in den Osten ein. <br />
<br />
Der Gauleiter wurde 1939 enttäuscht, als ihm aufgrund der „Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren“ vom 1. September 1939 das neue Amt des [[Reichsverteidigungskommissar]]s nicht übertragen wurde, da der Gau keinem der 18 [[Wehrkreis]]e entsprach. Erst mit der „Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung“ vom 16. November 1942 wurden die Parteigaue zu Reichsverteidigungsbezirken und damit jeder Gauleiter zum Reichsverteidigungskommissar gemacht. Daneben war er seit 1940 Gauwohnungskommissar. Am 6. April 1942 wurde er Beauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, am 25. September 1944 Führer des [[Deutscher Volkssturm|Volkssturms]] im Gau Mainfranken.<br />
<br />
Im [[Dr.-Hellmuth-Plan]] wurde eine Besiedlung der Höhenlagen der [[Rhön]] und im [[Spessart]] mit einer speziell ausgelesenen Menschengruppe geplant, die letztlich scheiterte bis auf die Anlage des [[Rhönhof]]s 1937. Der Würzburger Professor und Leiter des Rassenpolitischen Amtes im Gau [[Ludwig Schmidt (Mediziner)]] nahm rassenbiologische Erhebungen der Bevölkerung vor. Vom 3. bis 6. Oktober 1940 wurden auf Anordnung des Gauleiters insgesamt 777 Patienten aus der Heilanstalt Schloss [[Werneck]] verlegt. Davon kam die Hälfte in die Heil- und Pflegeanstalt [[Lohr am Main]], die andere Hälfte über verschiedene Zwischenanstalten in die Tötungsanstalten der als „Euthanasie“ bezeichneten Ermordung von Geisteskranken und Behinderten im [[NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein|Schloss Sonnenstein bei Pirna]] und [[NS-Tötungsanstalt Hartheim|Schloss Hartheim bei Linz]], wo sie [[Gaskammer (Massenmord)|vergast]] wurden.<br />
<br />
Hellmuth flüchtete mit seiner Familie und der Gauleitung am 2. April 1945 zunächst nach [[Untermerzbach]] bei Ebern und dann über [[Haßfurt]] am 9. April 1945 nach [[Eggolsheim]] bei Forchheim in der Fränkischen Schweiz. Am 14. April 1945 löste sich die NSDAP in Mainfranken offiziell auf. <br />
<br />
Gauleiter war <br />
* Dr. [[Otto Hellmuth]] (3. Sept. 1928 – April 1945) <br />
Stellvertreter waren <br />
** [[Ludwig Pösl]] (1. Oktober 1931 – September 1937)<br />
** [[Friedrich Kühnreich]] (20. September 1937 – 1945)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* ''Die Entmannungen in Mainfranken in den Jahren 1934-1936'', 1937<br />
* Astrid Freyeisen: ''Verbohrt bis zuletzt – Gauleiter Dr. Otto Hellmuth und das Ende des Nationalsozialismus in Unterfranken''. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst. Bd. 57, 2005, ISSN 0076-2725, S. 280–328.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.verwaltungsgeschichte.de/gau_main.html Deutsche Verwaltungsgeschichte mit allen Kreisleitungen]<br />
* [http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/uebersicht-der-nsdap-gaue-der-gauleiter-und-der-stellvertretenden-gauleiter-zwischen-1933-und-1945/ Übersicht über die Gaue]<br />
<br />
== Einzelbelege ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=5126229-0|VIAF=153946918}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Gaue im NS-Staat}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Mainfranken}}<br />
[[Kategorie:Gau (NSDAP)]]<br />
[[Kategorie:Bayerische Geschichte (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1927]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Würzburg)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Information_Control_Division&diff=163691439Information Control Division2017-03-18T09:09:14Z<p>Exploit: /* Lizenzierte Medien und Produktionen (Auswahl) */</p>
<hr />
<div>'''Information Control Division''' (ICD) war eine Propaganda- und Zensurabteilung der [[Amerikanische Besatzungszone|amerikanischen Besatzungszone]] in Deutschland mit dem Ziel der Redemokratisierung nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Die ICD wurde durch Umbenennung der [[Psychological Warfare Division]] des [[Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force|SHAEF]] unter [[Robert A. McClure]] gegründet. McClure beschrieb es als "Übergang von der Propaganda- zur Kontrollphase". Sie arbeitete zunächst selbstständig mit dem [[Office of Military Government for Germany (U.S.)|OMGUS]] zusammen, wurde im Februar 1946 jedoch eingegliedert.<br />
<br />
Ziel der ICD war anfangs die „Konsolidierung der Propaganda“, um die deutsche Bevölkerung zur Mitarbeit beim Wiederaufbau notwendiger Infrastruktur zu bewegen (Kommunikation) und eine öffentliche Meinung zu erzeugen, die den Nachkriegszielen der Alliierten entsprachen (Kontrolle und Wiederherstellung). Gemäß [[Potsdamer Abkommen]] bestanden diese Ziele aus [[Demilitarisierung]], Re-[[Demokratisierung]], [[Entnazifizierung]] und [[Zentralismus|Dezentralisierung]]. Die [[Reeducation|Umerziehung]] wurde dreiphasig geplant: Nach kompletter Schließung aller Medien begann der Betrieb einzelner Informationsinstrumente durch die [[United States Army|U.S. Army]], die zuletzt durch Lizenzvergabe an sorgfältig ausgewählte Deutsche zu übergeben waren.<br />
<br />
Die ICD war integraler Bestandteil der US-Militärregierung [[United States European Command|USFET]] und bestand aus fünf Kontrolleinheiten, die jeweils für Radio, Presse, Film, Theater und Musik sowie Publikationen zuständig waren. Eine sechste Einheit, die ''Intelligence Branch'', beobachtete die öffentliche Meinung mit den Schwerpunkten Kirche, Jugend und deutsche Verwaltung. Unterhalten wurden zwei Hauptfeldagenturen: das ''Theater Information Services Control Command'' (TISCC) und die ''Information Control Section'' im [[Amerikanischer Sektor|amerikanischen Sektor Berlins]].<br />
<br />
Anfangs publizierte man acht deutsche Tageszeitungen mit einer Million Exemplaren Auflage täglich sowie fremdsprachige Tageszeitungen für [[Displaced Person]]s und [[Kriegsgefangene]] in doppelter Höhe. Im Juli 1946 schrieb McClure an seinen Freund und Berufskollegen [[Charles Douglas Jackson]], dass die ICD nun 37 Tageszeitungen, 6 Radiostationen, 314 Theater, 642 Kinos, 101 Journale, 7384 Buchhändler und Druckereien sowie 237 Buchverlage kontrolliere. Selbst führte sie 15 [[Meinungsumfrage]]n monatlich durch, publizierte eine Zeitung mit 1,5 Mio. Exemplaren täglich sowie 3 Magazine. Sie betrieb die [[Deutsche Nachrichtenagentur|DANA]], den Vorläufer der [[Deutsche Presse-Agentur|dpa]], und 20 Bibliothekszentren. Presselizenzen waren zu der Zeit an 73 Deutsche, überwiegend Sozialdemokraten, vergeben worden. Ab August 1945 wechselte die ICD von der Vor- zur Nachzensur der Medien.<ref>[http://www.carlisle.army.mil/DIME/documents/GoldsteinEngMarApr08.pdf Cora Sol Goldstein, A strategic failure: American information control policy in occupied Iraq] (PDF; 751&nbsp;kB), Military Review, März/April 2008.</ref><br />
<br />
Um die gewünschten Ziele zu erreichen, produzierte die ICD auch propagandistische Kurzfilme, etwa über deutsche [[Konzentrationslager]] und die [[Nürnberger Prozesse]], die meist über ''Newsreel'' verbreitet wurden und die [[politische Bildung]] beeinflussen sollten. Wirklichen Erfolg brachten jedoch erst Unterhaltungsfilme, die die amerikanische [[Lebensart]] vermittelten.<br />
<br />
Auf einer schwarzen Liste der ICD befanden sich unter anderen [[Norbert Schultze]] und [[Wilhelm Furtwängler]], ''Siegfrieds Trauermarsch'' aus Wagners [[Götterdämmerung (Oper)|Götterdämmerung]], Strauss' [[Ein Heldenleben]] (Spielverbot an Hitlers Geburtstag), Sibelius [[Finlandia]] oder [[Chopin|Chopins]] ''Revolutionsetüde''.<ref>[http://www.history.army.mil/books/wwii/Occ-GY/ch20.htm ICD Organization and Policy], Earl F. Ziemke: ''The U.S. Army in the Occupation of Germany''. Center of Military History. United States Army, Washington D.C. 1990.</ref><br />
<br />
Mit dem [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] begann eine interne Auseinandersetzung über Mitarbeiter wie [[Saul Kussiel Padover|Saul K. Padover]] und [[Cedric Belfrage]], die selbst Kommunisten waren und Lizenzen oder Funktionen an solche vergeben hatten. Begünstigt worden waren etwa [[Wilhelm Gerst]] (Editor, Frankfurter Rundschau), [[Emil Carlebach]], [[Hans Mayer (Literaturwissenschaftler)|Hans Mayer]] (politischer Chef bei Radio Frankfurt), [[Rudolf Agricola (Wirtschaftswissenschaftler)|Rudolf Agricola]] (DENA) und [[Heinz Norden]]. Einige flohen daraufhin in die [[Sowjetische Besatzungszone]], andere mussten sich vor dem [[Komitee für unamerikanische Umtriebe]] verantworten.<ref>[[Freda Utley]]: ''The High Cost of Vengeance''. H. Regenry Comp., Chicago 1949.</ref><br />
<br />
== Lizenzierte Medien und Produktionen (Auswahl) ==<br />
* [[Aachener Nachrichten]], [[Frankfurter Rundschau]], ''Die Mitteilung'', [[Rhein-Neckar-Zeitung]], [[Süddeutsche Zeitung]], [[Der Tagesspiegel]], [[Stuttgarter Zeitung]], [[Badische Neueste Nachrichten]], [[Die Neue Zeitung]], [[Heilbronner Stimme]], [[Main-Post]]<br />
* [[Radio Stuttgart]], [[Radio München]], [[Radio Frankfurt]] (alle drei mit Programmen von [[Radio Luxemburg]])<br />
* ''[[Die Todesmühlen]]/Death Mills'', Kurz-Dokumentarfilm, Drehbuch: [[Hanuš Burger]]; Kommentar: [[Oskar Seidlin]]; Schnitt-Überwachung: [[Billy Wilder]]<br />
* [[Deutsche Nachrichtenagentur]] (DENA)<br />
<br />
== Publikationen und Dokumente der ICD ==<br />
* ''Fair Practice Guide for German Journalists''/''Wegweiser zu gutem Journalismus''. ''An Informal Document''. Hrsg. vom Office of Military Government for Bavaria, Information Control Division, Press Control Branch, München 1947 (22 S., in Englisch und Deutsch).<br />
* ''Fair Practice Guide for Bavarian Newspapers. An Informal Document''. Hrsg. vom Office of Military Government for Bavaria, Information Control Division, Press Control Branch, München 1947 (31 S.).<br />
* ''Coburger Presse-Tagung 1947. Ansprachen und Diskussionsreden. Treffen deutscher Zeitungsverleger der amerikanischen Zone mit Vertretern der ausländischen Presse''/''Coburg Press Convention''. Office of Military Government for Bavaria, Information Control Division, Press Branch, München 1947 (53, 46 S.). <br />
* Brewster S. Chamberlin (Hrsg.): ''Kultur auf Trümmern. Berliner Berichte der amerikanischen Information Control Section Juli–Dezember 1945''. DVA, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01918-5 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 39).<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Eva-Juliane Welsch: ''Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen''. Dortmund 2003 ({{URN|nbn|de:101:1-201103291535}}, Dissertation, Dortmund 2002).<br />
* Bernd R. Gruschka: ''Der gelenkte Buchmarkt. Die amerikanische Kommunikationspolitik in Bayern und der Aufstieg des Verlages Kurt Desch 1945 bis 1950''. Buchhändler-Vereinigung, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-7657-1880-7 (zugleich Dissertation, München 1993).<br />
* Ulrich M. Bausch: ''Die Kulturpolitik der US-amerikanischen Information Control Division in Württemberg-Baden von 1945 bis 1949. Zwischen militärischem Funktionalismus und schwäbischem Obrigkeitsdenken''. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91369-6 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 55; zugleich Dissertation, Tübingen 1991).<br />
* Rüdiger Liedtke: ''Die verschenkte Presse. Die Geschichte der Lizenzierung von Zeitungen nach 1945''. Berlin 1982.<br />
* Harold Hurwitz: ''Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945–1949''. Köln 1972.<br />
* Lawrence Raymond Hartenian: ''Propaganda and the Control of Information in Occupied Germany. The US Information Control Division at Radio Frankfurt 1945–1949''. University Microfilms International, Ann Arbor 1987 (zugleich Dissertation, New Brunswick 1984).<br />
* Edward C. Breitenkamp: ''The U.S. Information Control Division and its Effect on German Publishers and Writers 1945–1949''. University Station, Grand Forks, N.D. 1953 (101 S.).<br />
<br />
==Weblinks==<br />
*[http://www.psywarrior.com/mcclure.html Major General Robert Alexis McClure: Forgotten Father of US Army Special Warfare], Colonel Alfred H. Paddock, Jr., www.psywarrior.com<br />
<br />
==Einzelnachweise==<br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Amerikanische Besatzungszone]]<br />
[[Kategorie:Politische Bildungseinrichtung]]<br />
[[Kategorie:Propaganda]]<br />
[[Kategorie:Ehemalige militärische Einrichtung der Vereinigten Staaten in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Zensur]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Abraham_Firkowitsch&diff=163575252Abraham Firkowitsch2017-03-14T14:03:12Z<p>Exploit: /* Leben und Wirken */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Фиркович.JPG|miniatur|Abraham Firkowitsch]]<br />
'''Abraham Samuilowitsch Firkowitsch''' ([[Russische Sprache|russisch]] Авраам Самуилович Фиркович, wiss. Transkription Avraam Samuilovič Firkovič, hebräisch אברהם בן שמואל פירכוויץ, auch '''Ewen Reschef''', hebräisch אבן רשף; geb.&nbsp;[[2. September]] [[1787]] in [[Luzk]]; gest.&nbsp;[[29. Juni]] [[1874]] in [[Çufut Qale|Tschufut-Kale]], [[Russisches Kaiserreich]], heute [[Ukraine]]) war geistliches Oberhaupt ([[Chasan|Chassan]]) der [[Karäer]], Manuskriptsammler und Autor.<br />
<br />
== Leben und Wirken ==<br />
Zeit seines Lebens widmete sich Abraham Firkowitsch der wissenschaftlichen Erforschung der Karäer, insbesondere ihrer altjüdischen Denkmäler auf der Halbinsel [[Krim]]. Allerdings werden ihm bezüglich seiner Erringung karäischer Gleichberechtigung einige [[Urkundenfälschung|Fälschungen]] nachgesagt. So entstand um die Bedeutung seiner 1839–1843 entdeckten Dokumente eine der heftigsten wissenschaftlichen Diskussionen. Die Dokumente sollen ein Nachweis für die Verschmelzung der Karäer mit dem seiner Ansicht nach [[Turkvölker|turkstämmigen]] [[Chasaren]]volk und dessen Übertritt zum [[Jüdische Religion|jüdischen Glauben]] um 740 darstellen, das seit dem 4. Jh. an [[Don (Asowsches Meer)|Don]], [[Wolga]], [[Kaspisches Meer|Kaspischem Meer]] und [[Schwarzes Meer|Schwarzem Meer]] ein Reich bildete und im 10.–12. Jh. den [[Byzantinisches Reich|Byzantinern]] und [[Russen]] erlag. Beispielsweise wird die Echtheit des Briefes des [[Chasdai ibn Schaprut]] an den Chasaren-König Josef im 10. Jh. angezweifelt.<br />
<br />
Firkowitsch suchte Fachleute des Russischen Kaiserreiches davon zu überzeugen, dass die ersten Karäer bereits vor der Geburt [[Jesus von Nazaret|Jesu]] auf der Krim ansässig waren, und somit nicht für seine Kreuzigung verantwortlich gemacht werden könnten. Nicht zuletzt versuchte Firkowitsch damit seine Glaubensgemeinschaft vor [[Antisemitismus (bis 1945)|antisemitischen]] Ausschreitungen im zaristischen Russland zu bewahren. Seine Recherchen führten ihn nach [[Palästina (Region)|Palästina]] und [[Konstantinopel]] (1830–1831), aber auch um 1839 in den [[Kaukasus]] und nach [[Ägypten]]. Im Jahr 1864 besuchte er die [[Geniza]] der Ben-Esra-Synagoge in Kairo und nahm von dort Manuskripte mit auf die Krim. <br />
<br />
Ein Großteil seiner Schriftensammlung befindet sich in der [[Russische Nationalbibliothek|Russischen Nationalbibliothek]].<br />
<br />
Firkowitsch gilt damit als erster Verfechter der Theorie eines nicht-semitischen Ursprungs der jüdischen Karäer.<br />
<br />
== Publikationen (Auswahl)==<br />
* Hotam tokhnit (Siegel der Exzellenz, 1835)<br />
* Masa u-Meriva (heb. מַסָה וּמְרִיבָה – Prüfungen und Auseinandersetzungen, Jewpatorija 1838)<br />
* Avne-Zikkaron (heb. אבני זכרון – Gedenksteine; russ. Übersetzung v. David Markovich Gumush, Jewpatorija 1872)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* John F. Oppenheimer (Red.): ''Lexikon des Judentums.'' Einträge ''Chasaren,'' ''Karäer.'' Bertelsmann-Lexikon-Verlag, Gütersloh, Berlin, München, Wien. ISBN 3-570-05964-2<br />
* ''Altjüdische Denkmäler aus der Krim, mitgetheilt von Abraham Firkowitsch (1839–1872) und geprüft von [[Abraham Harkavy|Albert Harkavy]]'', 1923, Faksimile 2010, S. 302, Kessinger Pub Co., ISBN 1169760902<br />
* [http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/407208?lang=de ''A. Firkowitsch und seine Entdeckungen : ein Grabstein den hebräischen Grabschriften der Krim''] / von [[Hermann Leberecht Strack|Hermann L. Strack]], Leipzig : Hinrichs, 1876, 44 S. <br />
* А. Geiger: ''A. Firkowitsch.'' In: ''Jüdische Zeitschrift. für Wissenschaft und Leben'', 1875<br />
* А. Jellinek: ''A. Firkowitsch''. Wien, 1875<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=|LCCN=|NDL=|VIAF=}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Firkowitsch, Abraham}}<br />
[[Kategorie:Person (Judentum)]]<br />
[[Kategorie:Volkskundler]]<br />
[[Kategorie:Publizist]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Historiker]]<br />
[[Kategorie:Fälscher]]<br />
[[Kategorie:Person (Russisches Kaiserreich)]]<br />
[[Kategorie:Person (Ukraine)]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1787]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 1874]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Firkowitsch, Abraham<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Firkowitsch, Abraham Samuilowitsch (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=Geistliches Oberhaupt (Chassan) der Karäer, Manuskriptsammler und Autor<br />
|GEBURTSDATUM=2. September 1787<br />
|GEBURTSORT=[[Luzk]]<br />
|STERBEDATUM=29. Juni 1874<br />
|STERBEORT=[[Çufut Qale|Tschufut-Kale]], [[Russisches Kaiserreich]], heute [[Ukraine]]<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Simon_von_Geldern&diff=163574879Diskussion:Simon von Geldern2017-03-14T13:47:47Z<p>Exploit: </p>
<hr />
<div>Im rahmen einer Heine-Stadtführung hab ich am Freitag von diesem Onkel erfahren. Bitte nicht Heines humoristisch übertriebene Darstellung unreflektiert als glaubwürdige Quelle werten, sondern primär auf ''Heymann, Fritz Der Chevalier von Geldern. Geschichten jüdischer Abenteurer.'' verlassen. --[[Benutzer:Feliks|Feliks]] 21:34, 10. Aug. 2009 (CEST)<br />
<br />
= Aus Geldern?=<br />
<br />
Ob die Familie aus Geldern kommt, ist mehr als fraglich, da es jahrhundertelang in der Stadt Geldern keine Juden gab. Man kann vermuten, daß sie ursprünglich aus der niederländischen Provinz Gelderland stammt, aber auch das ist nicht gesichert. Tatsache ist nur, daß sie im 17. Jahrhundert plötzlich in Düsseldorf auftaucht. Anschließend war sie die einflußreichste jüdische Familie von Jülich-Berg. (Dr. Ralf G. Jahn) <small>(''nicht [[Hilfe:Signatur|signierter]] Beitrag von'' [[Benutzer:2003:6E:4B62:AE98:8514:DAEC:F673:D982|2003:6E:4B62:AE98:8514:DAEC:F673:D982]] ([[Benutzer Diskussion:2003:6E:4B62:AE98:8514:DAEC:F673:D982|Diskussion]]&nbsp;&#124;&nbsp;[[Spezial:Beiträge/2003:6E:4B62:AE98:8514:DAEC:F673:D982|Beiträge]])<nowiki/> 00:46, 16. Jan. 2014 (CET))</small><br />
<br />
== [[Geniza]] ==<br />
In diesem Artikel steht, dass er die Geniza durchsucht hat. Widersprüchlich.--[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 14:47, 14. Mär. 2017 (CET)</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gott_vergibt_%E2%80%93_Django_nie!&diff=163452857Gott vergibt – Django nie!2017-03-10T13:13:52Z<p>Exploit: /* Synchronisation */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Film<br />
|DT = Gott vergibt… Django nie!<br />
|OT = Dio perdona… io no!<br />
|PL = [[Italien]], [[Spanien]]<br />
|PJ = 1967<br />
|FSK = 16<br />
|LEN = 109<br />
|OS = [[Italienische Sprache|Italienisch]]<br />
|REG = [[Giuseppe Colizzi]]<br />
|DRB = Giuseppe Colizzi<br />[[Gumersindo Mollo]]<br />
|PRO = [[Enzo D’Ambrosio]]<br />
|MUSIK = [[Carlo Rustichelli]]<br />
|KAMERA = [[Alfio Contini]]<br />
|SCHNITT = [[Sergio Montanari]]<br />
|DS = <br />
* [[Terence Hill]]: Cat Stevens/Django<br />
* [[Bud Spencer]]: Hutch Bessy/Dan<br />
* [[Frank Wolff (Schauspieler)|Frank Wolff]]: Bill San Antonio<br />
* [[Gina Rovere]]: Rose<br />
* [[José Manuel Martín]]: Bud<br />
* [[Tito García]]: Tam Tam<br />
* [[Remo Capitani]]: Barkeeper<br />
* [[Luis Barboo]]: Mann von San Antonio<br />
* [[Frank Braña]]: Lou<br />
* [[Juan Olaguivel]]: Dargo<br />
* [[José Canalejas]]: Frederick<br />
* [[Rufino Inglés]]: Miguel<br />
* [[Franco Gulà]]: Großvater<br />
|SYN = ja<br />
}}<br />
'''Gott vergibt… Django nie!''' (Originaltitel: ''Dio perdona… io no!'', [[Italienische Sprache|italienisch]] für „''Gott vergibt… ich nicht!''“), auch unter ''Gott vergibt – wir beide nie!'' oder ''Zwei vom Affen gebissen'' bekannt, ist ein Film aus dem Jahr 1967. Es ist der erste Film, in dem [[Bud Spencer]] und [[Terence Hill]] gemeinsam in den Hauptrollen zu sehen sind. <br />
<br />
== Handlung ==<br />
Ein Zug fährt in einen Bahnhof ein. Alle Passagiere außer einem, der im Sterben liegt, sind tot. Der Zug hat neben den Passagieren noch 300.000 Dollar in Goldmünzen transportiert, die offensichtlich von jemandem geraubt wurden. Durch die Aussage des einen Passagiers, der letztendlich ebenfalls verstirbt, kann Versicherungsagent Hutch „Dan“ Bessy den Tathergang rekonstruieren. Für die Aufklärung benötigt er aber die Hilfe von seinem alten Freund und Glücksspieler Cat „Django“ Stevens. Dan erklärt Django, dass der Überfall sehr professionell stattfand und der Einzige, der zu so etwas fähig wäre, ein Verbrecher namens Bill San Antonio ist. Django glaubt Dan zunächst kein Wort, da er San Antonio vor geraumer Zeit in einem [[Duell]] erschossen hat, lässt aber in der Nacht einige Ereignisse von damals Revue passieren und kommt zum Schluss, dass der seinen Tod vielleicht nur vorgetäuscht hat.<br />
<br />
Am nächsten Tag bricht Django allein auf und befragt verschiedene Zeugen von damals. Der Verdacht des vorgetäuschten Todes erhärtet sich, weswegen Django sich auf den Weg zu San Antonios früherem Lager macht. Dort tappt er zwar in eine Falle, wird aber von Dan gerettet. Die beiden finden das gestohlene Gold in einer Holzkiste, die sie vor San Antonios Verbrecherbande vorerst in den Bergen verstecken. An einem strömungsreichen Fluss werden sie gefasst und zurück in das Lager gebracht wo San Antonio sie bereits erwartet.<br />
<br />
Um den Standort seiner Beute zu erfahren, lässt San Antonio die beiden foltern, jedoch ohne Erfolg. Bud – einer von San Antonios Leuten, der als der Dümmste gilt – lässt sich von Django dazu verleiten, ihm zur Flucht zu verhelfen. Eine Entscheidung, die er mit seinem Leben bezahlt. In der Zwischenzeit schafft es Dan, sich aus eigener Kraft zu befreien und seine Bewacher zu töten.<br />
<br />
Wieder in Freiheit fordert Django San Antonio zum Duell mit den Goldmünzen als Einsatz. Im Gegensatz zum letzten Mal, wo sie sich in einer Holzhütte duellierten, in der der vermeintliche Leichnam San Antonios verbrennen sollte, hat Django eine Schlucht ausgesucht und eine [[Zündschnur]] zu [[Dynamit|Dynamitfässern]] angezündet, um den Verlierer unter den Felsmassen zu begraben. Gerade als sie anfangen wollen kommt Dan dazwischen, wird aber von San Antonio schwer verwundet. Im Duell ist Django der Schnellere und zerschießt San Antonios Arme und Beine, sodass er nur noch auf dem Bauch kriechen kann. Während Django Dan weit genug weg von den Dynamitfässern trägt, versucht San Antonio vergeblich, die Zündschnur zu unterbrechen, und stirbt durch die Explosion.<br />
<br />
Am Ende sieht man Django und Dan in einer Kutsche mit den gestohlenen Goldmünzen. Auf Dans Frage, was nun mit dem Gold geschehen soll, antwortet Django, dass Dan damit machen könne, was er will. Er selbst habe durch die Abrechnung mit San Antonio bereits bekommen was er wollte.<br />
<br />
== Hintergrund ==<br />
Der erste Film einer langen Reihe erfolgreicher Western mit Bud Spencer und Terence Hill ist im Gegensatz zu den nachfolgenden Filmen ein ernstes Werk, voll von verschlagenen Gangstern, schäbigen Räubern und brutaler Gewalt.<br />
<br />
In ''[[Vier für ein Ave Maria]]'' wird die Handlung unmittelbar fortgesetzt. ''[[Hügel der blutigen Stiefel]]'' ist der dritte und letzte Teil der Reihe.<br />
<br />
== Synchronisation ==<br />
Der Film wurde zweimal deutsch synchronisiert. Die erste Fassung wurde 1969 in den ''Aventin-Studios'' von [[Horst Sommer]] erstellt und ist um ca. zehn Minuten gekürzt.<ref>{{Synchronkartei|film|3973|zugriff=2017-03-02}}</ref> Zunächst kam der Film unter dem Titel ''Gott vergibt… Django nie!'' in die Kinos. Vier Jahre später wurde er erneut unter dem Titel ''Gott vergibt… wir beide nie!'' gezeigt. In dieser Fassung wird Cat Stevens [[Django (1966)|Django]] genannt, um an den Erfolg dieses Filmes mit [[Franco Nero]] anzuschließen.<ref>Tobias Hohmann: Bud Spencer & Terence Hill– Zwei Himmelhunde mit vier Fäusten. MPW-Verlag 2001. ISBN 978-3-931608-98-9, S. 59–67</ref><br />
<br />
1981 wurde, aufgrund des mittlerweile großen Erfolges des Duos mit ihren Western- und Actionkomödien, der Film – in der Absicht ihn witzig zu machen und dem Stil dieser Filme anzupassen – nochmals synchronisiert. Der Film wurde dazu bei der [[Deutsche Synchron|Deutschen Synchron Berlin]] mit einer [[Schnodderdeutsch|Schnoddersynchronisation]] versehen und die teilweise harten Szenen, die nun nicht mehr passten, wurden geschnitten.<ref>{{synchronkartei|film|5844}}</ref> <br />
<br />
Vollständig ist keine der beiden Fassungen; in der ersten Fassung fehlen 13 Minuten, in der Comedy-Fassung 27 Minuten.<ref>[http://www.schnittberichte.com/schnittbericht.php?ID=697567 Vergleich der beiden deutschen Fassungen]</ref><ref>[http://www.schnittberichte.com/schnittbericht.php?ID=1326 Vergleich Originalfassung und erste deutsche Fassung]</ref> Aufgrund der trotzdem noch vorhandenen Härte erhielt er eine FSK-16-Freigabe. Beide Fassungen sind auf DVD erhältlich.<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Darsteller!! Rollenname !! Gott vergibt – Django nie<br /><small>ernste Fassung</small> !! Zwei vom Affen gebissen<br /><small>Comedy-Fassung</small><br />
|-<br />
| Terence Hill|| Django/Cat Stevens || [[Reinhard Glemnitz]] || [[Thomas Danneberg]]<br />
|-<br />
| Bud Spencer|| Dan/ Hutch Bessy || [[Benno Hoffmann]] || [[Martin Hirthe]]<br />
|-<br />
| Frank Wolff || Bill St. Antonio || [[Arnold Marquis]] || [[Arnold Marquis]]<br />
|-<br />
| José Canalejas || Bandit || [[Wolfgang Hess (Synchronsprecher)|Wolfgang Hess]] || [[Heinz-Theo Branding]]<br />
|}<br />
<br />
== Kritik ==<br />
:{{Zitat|Effektvoll und spannend inszenierter, seine gelungenen Gags aber brutal ausspielender Italo-Western, der die langjährige Partnerschaft des Duos Spencer/Hill einleitete. Der in der ursprünglichen Fassung rücksichtslos gewalttätige Film wurde nachträglich zum vergleichsweise harmlosen, inhaltlich wie charakterlich von Grund auf geänderten ‚Spaß-Western‘ umproduziert und kam unter den Titeln ''Zwei vom Affen gebissen'' bzw. ''Gott vergibt&nbsp;– wir beide nie!'' erneut in die Kinos.|[[Lexikon des internationalen Films]]<ref>{{LdiF|42713|zugriff=2017-03-02}}</ref>}}<br />
<br />
==Trivia==<br />
Der für Hills Rolle ursprünglich vorgesehene [[Peter Martell]] musste aufgrund einer Verletzung absagen.<ref>[http://www.budspencer.de/news/detail.php?newsid=597&searchfield=spenc.. Notiz anlässlich des Todes Martells]</ref> Er brach sich den Fuß, und Hill wurde für die Rolle vorgeschlagen. Dieser hatte erst kurz zuvor ''[[Blaue Bohnen für ein Halleluja]]'' abgedreht und wurde somit als Ersatzmann für Martell verpflichtet.<br />
<br />
Ursprünglich sollte der Film ''Il cane, il gatto, il volpe'' heißen.<ref>http://heyse-online.de/spencerhilldb/film.php?film=2</ref> Um auf der Erfolgswelle der Django-Filme mitzuschwimmen, wurde kurz vor der Premierenvorstellung der Titel ''Gott vergibt… Django nie!'' gewählt, ohne dass tatsächlich ein Bezug zu Django besteht.<br />
<br />
== DVD-Veröffentlichung ==<br />
Der Film erschien mehrfach auf DVD: Die Western- und die Comedy-Version wurden erstmals 2003 von ''[[KSM (Unternehmen)|KSM]]'' einzeln herausgegeben. 2004 folgte ein Doppelpack mit beiden Versionen und verbessertem Bild unter dem Titel ''Zwei vom Affen gebissen''.<br />
<br />
Die ungekürzte Langfassung wurde, teilweise untertitelt, 2008 von ''NewKSM'' veröffentlicht.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{IMDb|tt0061576}}<br />
* [http://www.schnittberichte.com/svds.php?Page=Titel&ID=724 ''Gott vergibt – wir beide nie!''] bei [[Schnittberichte.com]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Filme mit Bud Spencer und Terence Hill}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Gott Vergibt Django Nie}}<br />
[[Kategorie:Filmtitel 1967]]<br />
[[Kategorie:Italienischer Film]]<br />
[[Kategorie:Spanischer Film]]<br />
[[Kategorie:Italowestern]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Giesh%C3%BCgel_(Volkach)&diff=163199474Gieshügel (Volkach)2017-03-02T18:11:44Z<p>Exploit: /* Geschichte */</p>
<hr />
<div>'''Gieshügel''' (auch Gießhügel, Gizubel) ist eine [[Wüstung]] auf der Gemarkung des Volkacher Ortsteils [[Gaibach]]. Das Dorf war bis ins 15. Jahrhundert besiedelt, bevor die Bewohner den Ort verließen. Die Aufgabe erfolgte wohl im Zuge von Missernten.<br />
<br />
== Geografische Lage ==<br />
Die Stelle an der sich das Dorf befand, wird heute von der Flur „Gieshügel“ eingenommen. Sie befindet sich im Norden des [[Volkach]]er Gemeindegebietes und im Westen der Gaibacher Gemarkung. Südlich fließt in einiger Entfernung der [[Main]] vorbei. Im Osten ist der [[Eschbachgraben]] zu finden. Weiter westlich beginnt die Gemarkung der Volkacher Ortsteils [[Fahr (Volkach)|Fahr]]. Teile des ehemaligen Ortes werden heute von Wald eingenommen. Die Höhe der ehemaligen Siedlung beträgt 265 m.<ref>Dorsch, Mario: ''Verschwundene mittelalterliche Siedlungen''. S. 140</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Erstmals erwähnt wurde Gieshügel im Jahr 1340. Damals tauchte es in den Quellen des [[Kloster Ebrach|Klosters Ebrach]] als „allodium Dictum Gizubel“ (lat. [[Allodial]]gut genannt Gizubel) auf. Es war zu diesem Zeitpunkt der Kurie [[Elgersheimer Hof|Elgersheim]] zugeteilt, die Teil des Steigerwaldklosters war. Ursprünglich war das Dorf wohl bereits im 11. Jahrhundert gegründet worden, im 14. Jahrhundert war es weitgehend verlassen. Lediglich ein Hof war noch bewohnt.<br />
<br />
Im Jahr 1344 tauchten dann erste Streitigkeiten zwischen der Bürgerschaft des nahen [[Volkach]] und dem Kloster Ebrach auf, die vom Würzburger Bischof [[Otto II. von Wolfskeel]] geschlichtet werden mussten. 1370 wurde das Gut erneut erwähnt, im Jahr 1381 verkaufte Bischof [[Gerhard von Schwarzburg]] seine Rechte im Ort. Damals wurde das Dorf „Gyzzvbel“ genannt. Bis ins Jahr 1417 war der Hof an die Gaibacher Gemarkung übergegangen. Bereits 1432 war der Hof als Wüstung verzeichnet. <br />
<br />
Noch 1738 tauchte „Gissubel“ als ehemalige Ebracher [[Grangie]] in den Büchern auf. Die Aufgabe des Ortes erfolgte wohl aufgrund von [[Missernte]]n. Woher der Name Gieshügel stammt, ist unklar. Schneider vermutete zunächst, dass es sich ursprünglich um einen Wartturm gehandelt haben muss. Die Urkataster des 19. Jahrhunderts gehen allerdings davon aus, dass sich an der Stelle des Dorfes ein sumpfiges Gebiet befunden haben muss. Dafür würde die Silbe ''Gies-'' sprechen.<ref>Dorsch, Mario: ''Verschwundene mittelalterliche Siedlungen''. S. 141</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Mario Dorsch: ''Verschwundene mittelalterliche Siedlungen. Wüstungen zwischen Steigerwald, Main und der Volkach''. Haßfurt 2013<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Coordinate|NS=49.883|EW=10.197|type=landmark|region=DE-BY}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Gieshugel}}<br />
[[Kategorie:Wüstung im Landkreis Kitzingen|Gieshugel]]<br />
[[Kategorie:Geographie (Volkach)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fridolin_von_Sandberger&diff=163186430Fridolin von Sandberger2017-03-02T13:07:02Z<p>Exploit: /* Schriften */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Fridolin Sandberger.jpg|mini|Fridolin Sandberger]]<br />
'''Carl Ludwig Fridolin Ritter von Sandberger''' (* [[22. November]] [[1826]] in [[Dillenburg]]; † [[12. April]] [[1898]] in [[Würzburg]]) war ein deutscher [[Geologie|Geologe]], [[Paläontologie|Paläontologe]] und [[Mineralogie|Mineraloge]].<br />
<br />
== Leben ==<br />
Der Sohn des Theologen und Botanikers [[Johann Philipp Sandberger]] (1782–1844) studierte in [[Bonn]], [[Gießen]], [[Heidelberg]] und [[Marburg]]. Er wurde 1843 Mitglied der ''[[Burschenschaft]] Fridericia Bonn'' und später in Heidelberg Mitglied der ''Burschenschaft Teutonia''.<ref>Franz Richarz: ''Mitgliederverzeichnis der Burschenschaft Fridericia zu Bonn (18. Februar 1843 bis Herbst 1847) sowie der Burschenschaft Arminia zu Bonn (1847 bis 1849) und der burschenschaftlichen Verbindung Germania zu Bonn (1843 bis 1849).'' Bonn 1894, S. 15.</ref> Er wurde im Wintersemester 1845/46 Mitglied der ''[[Burschenschaft]] Allemannia Gießen''.<ref>[[Paul Wentzcke]]: ''Burschenschafterlisten.'' Zweiter Band: Hans Schneider und Georg Lehnert: ''Gießen – Die Gießener Burschenschaft 1814 bis 1936.'' Görlitz 1942, ''L. Allemannia.'' Nr. 145.</ref><br />
1849 übernahm er die Leitung des [[Museum Wiesbaden#Naturhistorische Sammlungen|Naturhistorischen Museums in Wiesbaden]]. 1855 trat er eine Professur für Mineralogie und Geologie am [[Karlsruher Institut für Technologie|Polytechnikum Karlsruhe]] an; 1863 folgte er dem Ruf als Nachfolger von [[Ludwig Rumpf]] an die [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg|Universität Würzburg]]. Er publizierte umfangreich auf den Gebieten der Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Er war mit [[Thomas Rupert Jones]] befreundet, dem er auch [[Muschelschaler|Conchostraken]] aus eigenen Aufsammlungen sowie aus der Sammlung [[Ernst Hassencamp]] (Umgebung von Fulda) zur Bearbeitung übersandte.<br />
<br />
1856 wurde Sandberger mit der Organisation der „''Geologischen Landesaufnahme im Großherzogthum Baden''“ im Maßstab 1:50.000 beauftragt. Die erste amtliche [[geologische Karte]] von Baden, das Blatt „''Sektion 40 Müllheim (Umgebungen von Badenweiler)''“ wurde von Sandberger selbst aufgenommen und konnte 1858 gedruckt werden.<br />
<br />
Sandberger war jahrzehntelang mit [[Joseph Victor von Scheffel]] befreundet und hat diesen zu mehreren geologischen und paläontologischen Gedichten veranlasst, die als Studentenlieder bekannt geworden sind. Beispiele sind „''Der Granit''“ und „''Der Ichthyosaurus''“. Seine Nachfolge an der Universität Würzburg übernahm der Mineraloge [[Jakob Beckenkamp]].<br />
<br />
Sein Bruder [[Guido Sandberger]] war ebenfalls Geologe, sein Sohn [[Adolf Sandberger]] war Musikwissenschaftler und Komponist.<br />
<br />
== Erstbenennungen ==<br />
* Carneolschicht (1864, S. 21)<br />
<br />
== Erstbeschreibungen ([[valide]]) ==<br />
* ''Estheria laxitexta'', heute: ''Laxitextella laxitexta'' (SANDBERGER in JONES 1890)<br />
<br />
== Ehrungen ==<br />
* 1849: Aufnahme als Mitglied (lfd. Nr. 133 von 170 Mitgliedern) in die Ende Dezember 1848 neu gegründete [[Deutsche Geologische Gesellschaft]]<ref>Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 1, Heft 1, 1849, S.40 [http://www.biodiversitylibrary.org/item/36913#page/52/mode/1up BHL]</ref><br />
* 1852: Ehrenmitglied [[Pollichia]]<br />
* 1854: Ehrenmitglied [[Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier]]<br />
* 1855: Ehrenmitglied [[Nassauischer Verein für Naturkunde|Verein für Naturkunde im Herzogthum Nassau]]<br />
* 1858: Mitglied der [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]]<ref>[https://archive.org/stream/amtlicherbericht33gese#page/4/mode/2up Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 1858]</ref> <br />
* 1858: Ehrenmitglied [[Verein für Naturkunde zu Mannheim]]<br />
* 1863: Ehrenmitglied [[Naturwissenschaftlicher Verein zu Karlsruhe]]<br />
* 1865: Ehrenmitglied [[Naturforschende Gesellschaft Bamberg]]<br />
* 1868: Mitglied der [[Gelehrtengesellschaft]] [[Leopoldina]]<ref>{{Leopoldina|6340|Name=Fridolin von Sandberger|Datum=19. Oktober 2015}}</ref><br />
* 1868: Ehrenmitglied [[Allgemeine schweizerische naturforschende Gesellschaft]]<br />
* 1870: korr. Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]], 1870 korrespondierendes, 1875 auswärtiges und 1896 ordentliches Mitglied der Akademie<ref>{{BAdW|2679|Name=Prof. Dr. Fridolin Ritter von Sandberger|Kommentar=mit Bild|Datum=8. Februar 2016}}</ref><br />
* 1875: Ehrenmitglied [[Geological Society of London]], seit 1863 korr. Mitglied<br />
* 1876: [[Cothenius-Medaille]] der Leopoldina<br />
* 1878: Ehrenmitglied [[Physikalisch-medizinische Gesellschaft zu Erlangen]]<br />
* 1879: Ehrenmitglied [[Naturforschende Gesellschaft zu Halle]]<br />
* 1881: Ehrenmitglied [[Physikalischer Verein]]<br />
* 1889: Ehrenmitglied [[Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg]] seit 1852 korr. Mitglied<br />
* 1896: Ehrenmitglied [[Wetterauische Gesellschaft|Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau]], seit 1850 korr. Mitglied<br />
<br />
== Schriften ==<br />
* ''Übersicht der geologischen Verhältnisse des Herzogtums Nassau.'' (Wiesbaden, 1847)<br />
* ''Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems.'' (Wiesbaden, 1848-52)<br />
*mit Guido Sandberger: ''Die Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau.'' Kreidel & Niedner, Wiesbaden 1850-1856 [[doi:10.5962/bhl.title.52349]]<br />
* ''Untersuchungen über das Mainzer Tertiärbecken und dessen Stellung im geologischen Systeme.'' Verlag von Kreidel und Niedner, Wiesbaden 1853 [[doi:10.5962/bhl.title.14988]]<br />
* ''Die Konchylien des Mainzer Tertiärbeckens.'' (Wiesbaden, 1858-64) [[doi:10.5962/bhl.title.13953]]<br />
* ''Beobachtungen in der Würzburger Trias, Ein Vortrag in der mineralogischen Section der deutschen Naturforscher-Versammlung zu Giessen 1864.'' Würzburger naturwiss. Z., 5, 201 – 231, Druck und Verlag der Stahel´schen Buch- und Kunsthandlung, Würzburg 1864<br />
* ''Zur Erläuterung der geologischen Karte der Umgebung von Karlsruhe'', Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins zu Karlsruhe (Durlach), 1, 20-29, 1 Kt., Karlsruhe 1864 [https://books.google.de/books?id=yZI5AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false google books]<br />
* ''Die Stellung der Raibler Schichten in dem fränkischen und schwäbischen Keuper.'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1866, 34 – 43, Stuttgart 1866<br />
* ''Bemerkungen über einige Versteinerungen aus Muschelkalk und Lettenkohle.'' Würzburger naturwiss. Z., 6, 209 – 210, Taf. XI (= XIII), Druck und Verlag der Stahel´schen Buch- und Kunsthandlung, Würzburg 1867<br />
* ''Die Gliederung der Würzburger Trias und ihrer Aeqivalente.'' Würzburger naturwiss. Z., 6, I, 131- 155, Taf. VIII und IX, ''II Der Muschelkalk'', S. 157 – 191, Taf. X, ''III Lettenkohlengruppe'', S. 192 – 208, Druck und Verlag der Stahel´schen Buch- und Kunsthandlung, Würzburg 1867<br />
* ''Neue Petrefacten in der fränkischen Trias und dem mittleren Oolithe Oberbadens.'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1870, 604 – 606, Stuttgart 1870<br />
* ''Die Land- und Süßwasserkonchylien der Vorwelt.'' (Wiesbaden, 1870-76)<br />
* ''Die Estherien-Bank des Keupers in Südfrankreich.'' Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, 16, S. 48, 1871<br />
* ''Untersuchungen über Erzgänge'' (2 Hefte, Wiesbaden, 1881 u. 1885)<br />
* ''Die Flora der tiefsten Schichten des Infralias (Rhät) von Burgpreppach bei Hassfurt (Unterfranken).'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1892, 141 – 142, Stuttgart 1891<br />
* ''Geologische Skizze der Umgebung von Würzburg. Nebst einem idealen Profil. Würzburg, insbesondere seine Einrichtungen für Gesundheitspflege und Unterricht.'' Festschrift zur 18. Versammlung des deutsch. Ver. f. öffentl. Gesundheitspflege, S. 1 – 12, 1892<br />
* ''Widdringtonia keuperina Heer im untersten Keupergypse bei Windsheim (Mittelfranken).'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1893, 50, Stuttgart 1893<br />
* ''Ueber die Gerölle des Buntsandsteins, besonders jenes des nördlichen Schwarzwaldes und deren Herkunft.'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1894, II, 96 – 100, Stuttgart 1894<br />
* ''Zanclodon im obersten Keuper Unterfrankens.'' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1894, 203 – 204, Stuttgart 1894<br />
* ''Die Bohrung auf dem Gieshügel, Gemarkung Gerbrunn''. In: Sitzungs-Berichte der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg 1895, Stürtz (in Kommission), Würzburg 1895<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jakob Beckenkamp]]: Professor Fridolin von Sandberger. Gedächtnisrede gehalten in der Festsitzung der Physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg am 24. November 1898, Stahel´sche Verlags-Anstalt, Würzburg 1899 [http://storage.lib.uchicago.edu/pres/2015/pres2015-0159.pdf PDF]<br />
* {{ADB|53|701|702|Sandberger: Fridolin|[[August Rothpletz]]|ADB:Sandberger, Fridolin von}}<br />
* [[Klaus-Peter Kelber]] & [[Martin Okrusch]]: ''Die geologische Erforschung und Kartierung des Würzburger Stadtgebietes von den Anfängen bis 1925''. Mainfränkische Hefte, 105: 71–115; Würzburg 2006. [http://www.equisetites.de/kelber_okrusch_2006.pdf PDF]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.mwnh.de/samm021.html Sandberger] im [[Museum Wiesbaden]]<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=116780436|VIAF=27831428|LCCN=n/2015/180998}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Sandberger, Fridolin}}<br />
[[Kategorie:Geologe (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Mineraloge]]<br />
[[Kategorie:Paläontologe]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Leopoldina (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Geological Society of London]]<br />
[[Kategorie:Ehrenmitglied des Physikalischen Vereins]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]]<br />
[[Kategorie:Burschenschafter (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1826]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 1898]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Sandberger, Fridolin<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Sandberger, Carl Ludwig Fridolin von (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Geologe, Paläontologe und Mineraloge<br />
|GEBURTSDATUM=22. November 1826<br />
|GEBURTSORT=[[Dillenburg]]<br />
|STERBEDATUM=12. April 1898<br />
|STERBEORT=[[Würzburg]]<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=The_Ridgeway&diff=163155669The Ridgeway2017-03-02T06:40:48Z<p>Exploit: Änderungen von Sänger (Diskussion) auf die letzte Version von Crazy1880 zurückgesetzt</p>
<hr />
<div>{{Infobox Wanderweg<br />
|Name = The Ridgeway<br />
|Foto = Ridgeway mongwell.jpg<br />
|Bildunterschrift = Bei Grim's Ditch<br />
|Karte = <br />
|Länge = 139&nbsp;km<br />
|Lage = zentrales [[England]]<br />
|Markierungszeichen = stilisierte aufrechte weiße Eichel auf braunem Grund<br />[[Datei:Acorn Britain National Trails Symbol.svg|zentriert|20px]]<br />
|Startpunkt = Overton Hill ([[Wiltshire]])<br />
|Start-Breitengrad = 51/25/0/N<br />
|Start-Längengrad = 1/50/0/W<br />
|Start-Region = GB-WIL<br />
|Zielpunkt = [[Ivinghoe Beacon]]<br />
|Ziel-Breitengrad = 51/50/31/N<br />
|Ziel-Längengrad = 0/36/29/W<br />
|Ziel-Region = GB-BKM<br />
|Typ = Fernwanderweg<br />
|Höhenunterschied = <br />
|Höchster Punkt = [[Liddington Castle]], 276&nbsp;m<br />
|Niedrigster Punkt = <br />
|Schwierigkeitsgrad = leicht<br />
|Jahreszeit = ganzjährig<br />
|Monate = <br />
|Aussichtspunkte = [[Ivinghoe Beacon]], [[Liddington Castle]], [[Uffington Castle]]<br />
|Besonderheiten = Folgt dem Kamm der [[North Wessex Downs]] und der [[Chiltern Hills]]<br />
}}<br />
'''The Ridgeway''', [[Englische Sprache|englisch]] für [[Bergkamm]] und [[Weg]], ist eine [[Altstraße]] im südlichen [[England]]. Der Weg erstreckt sich über eine Länge von 135 km, beginnt in [[Overton Hill]] ([[Wiltshire]]) im Westen und endet in [[Ivinghoe Beacon]] ([[Buckinghamshire]]) im Osten.<br />
<br />
Heute ist die Strecke als ''The Ridgeway [[Fernwanderweg (Vereinigtes Königreich)|National Trail]]'' ausgewiesen. Entlang dieser Strecke befinden sich eine Reihe von Sehenswürdigkeiten aus der [[Steinzeit]], [[Bronzezeit]] und [[Eisenzeit]], darunter [[Grim’s Ditch]] und [[Liddington Castle]] sowie das [[White Horse Hill|Uffington White Horse]] und [[Uffington Castle]]. Vor 5000 Jahren könnte The Ridgeway ein Teil einer Strecke gewesen sein, die von der Küste von [[Dorset]] bis [[The Wash]] in [[Norfolk]] führte.<br />
<br />
== Fotografien ==<br />
<gallery><br />
Ivinghoe Beacon seen from The Ridgeway.jpg|Der Weg bei Ivinghoe Beacon<br />
Ridgeway National Trail signpost.JPG|Wegweiser<br />
The Wessex Ridgway - geograph.org.uk - 776132.jpg|Zwischen Ludwell und Win Green<br />
The Ridgway Footpath on Moneybury Hill, Ashridge - geograph.org.uk - 1480173.jpg|Bei Moneybury Hill<br />
</gallery><br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* [[Imogen Herrad]]: ''Zu Fuß in die Steinzeit: Der Ridgeway Fernwanderweg.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-N69A4H/160306_0905_radioReisen_radioReisen-spezial-Englands-Sueden.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 35:33, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/england-suedengland-garten-eisenbahn-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Anthony Burton: ''The Ridgeway'' (= ''National Trail Guide.''). Aurum Press, London 2005, ISBN 1-84513-063-4.<br />
* National Trails Office: ''Ridgeway Information Pack – Set of leaflets about the history, geology and wildlife of The Ridgeway.''<br />
* John R. L. Anderson, Fay Godwin: ''The Oldest Road. An Exploration of the Ridgeway.'' Whittet Books Ltd, London 1987, ISBN 0-905483-52-9.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Ridgeway National Trail}}<br />
* [http://www.nationaltrail.co.uk/Ridgeway/index.asp?PageId=1 The Ridgeway National Trail]<br />
* [http://www.pegasusarchive.org/ancientbritain/ridgeway.htm The Pegasus Archive: ''The Ridgeway'']<br />
* [http://www.bbc.co.uk/wiltshire/moonraking/landscape_ridgeway.shtml BBC: ''The Ridgeway'']<br />
* [http://www.ridgewayfriends.org.uk/ The friends of the Ridgeway]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Fernwanderwege im Vereinigten Königreich}}<br />
<br />
[[Kategorie:Altstraße]]<br />
[[Kategorie:Fernwanderweg]]<br />
[[Kategorie:Wanderweg im Vereinigten Königreich]]<br />
[[Kategorie:Geographie (Wiltshire, Unitary Authority)]]<br />
[[Kategorie:Geographie (Oxfordshire)]]<br />
[[Kategorie:Geographie (Buckinghamshire)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Freie_Arbeiter*innen-Union&diff=163155585Freie Arbeiter*innen-Union2017-03-02T06:30:11Z<p>Exploit: /* Organisation */</p>
<hr />
<div>{{Infobox gemeinnützige Organisation<br />
| Non-profit_name = Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union<br />
| Non-profit_logo = <br />
| Non-profit_type = Gewerkschaft (Deutschland)<br />
| founded_date = 1977<br />
| founder = <br />
| location = [[Halle (Saale)]]<ref>{{Internetquelle|titel=FAU-IAA: Geschäftskommission|url=http://www.fau.org/ortsgruppen/art_030809-141508|zugriff=2015-09-21}}</ref><br />
| key_people = <br />
| area_served = Deutschland<br />
| focus = <br />
| method = [[direkte Aktion]]<br />
| revenue = <br />
| endowment = <br />
| num_volunteers = <br />
| num_employees = <br />
| num_members = 500 (2010)<ref name="Guth">Felix Guth: [http://www.fr-online.de/politik/fau-iaa-berlin-basisgewerkschaft-siegt-vor-gericht,1472596,4475238.html FAU-IAA Berlin: Basisgewerkschaft siegt vor Gericht], [[Frankfurter Rundschau]], 11. Juni 2010</ref><br />
| owner = <br />
| Non-profit_slogan = Mehr als nur Gewerkschaft<br />
| homepage = [https://www.fau.org/ www.fau.org]<br />
| dissolved = <br />
| footnotes = <br />
}}<br />
Die '''Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union''' (FAU) ist eine 1977 gegründete [[Anarchosyndikalismus|anarchosyndikalistische]] Gewerkschaftsföderation, bestehend aus lokalen Einzel- und Branchengewerkschaften.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:FAU Demo 2010.jpg|mini|Demonstration der FAU vor dem [[Kino Babylon]] Mitte 2009]]<br />
Die Föderation wurde 1977 zunächst als ''Initiative FAU'' (I-FAU) gegründet. Vorangegangen war die Wiedergründung der spanischen Basisgewerkschaft [[Confederación Nacional del Trabajo]] (CNT) nach dem Tod [[Francisco Franco|Francos]]. An der Gründung der FAU waren maßgeblich auch Exilmitglieder der CNT beteiligt. Die FAU will die Tradition der [[Freie Arbeiter-Union Deutschlands|Freien Arbeiter-Union Deutschlands]] (FAUD) fortsetzen, die 1933 aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgelöst wurde. <br />
<br />
Im Herbst 2007 produzierte im thüringischen [[Nordhausen]] die auch von FAU-Anhängern inspirierte Belegschaft einer Fahrradfabrik das ''StrikeBike'' in [[Kollektive Selbstverwaltung|Selbstverwaltung]], nachdem die Firma [[Biria]] nach einer Übernahme geschlossen worden war.<ref>Hans-Gerd Öfinger: ''Das Strike Bike lebt.'' In: [[Christoph Links]], Kristina Volke: ''Zukunft erfinden: kreative Projekte in Ostdeutschland.'' Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-542-3, S. 104–114; {{Google Buch|BuchID=fHD9MoJTLJQC|Seite=104}}</ref><ref>Oliver Haustein-Tessmer, Dirk Nolde: [https://www.welt.de/wirtschaft/article1230010/Der-knallrote-Aufstand-der-Fahrradwerker.html Fabrikbesetzung: Der knallrote Aufstand der Fahrradwerker], [[Die Welt]], 2.Oktober 2007</ref><br />
<br />
Seit 2008 existiert die unabhängige ''[[Anarcho-Syndikalistische Jugend]]'' als Jugendvernetzung.<br />
<br />
Nach einem Prozess der Betreiber des [[Kino Babylon|Kino Babylon Mitte]] gegen die FAU Berlin in Zusammenhang mit dem Arbeitskampf der Beschäftigten des Kinos wurde vom 10. Senat des Berliner Landesgerichtes im Urteil vom 6. Januar 2010 eine einstweilige Verfügung vom 11. Dezember 2009<ref>[http://www.fau.org/verbot/Einstweilige_Verfuegung_FAU_Berlin_2009-12-11.pdf ''Einstweilige Verfügung vom 11. Dezember 2009''.] (PDF; 3,28&nbsp;MB) Pressemitteilung der FAU Berlin, 14.&nbsp;Juli 2008, abgerufen 11.&nbsp;Juli 2010.</ref> bestätigt, in der es der FAU Berlin wegen fehlender Wirkmächtigkeit<ref>Jörn Boewe: ''Noch nicht tarifmächtig'' In: ''[[Junge Welt]]'', 17. Februar 2010</ref> bis auf Weiteres verboten wurde, sich Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu nennen. Die einstweilige Verfügung wurde am 10. Juni 2010 vom Kammergericht Berlin wieder aufgehoben.<ref>[http://www.fau.org/artikel/art_100610-140555 ''FAU Berlin gewinnt Prozess um Gewerkschaftsfreiheit''.] Pressemitteilung der FAU Berlin, 10. Juni 2010 (abgerufen am 14. Juli 2010).</ref><ref name="Guth"/> Mit diesem Konflikt beschäftigt sich der Film ''Babylon System – Prekäre Organisierung mit Vorführ-Effekt''.<ref>[http://de.labournet.tv/video/5837/babylon-system-arbeitskampf-im-kino-babylon ''Babylon System – Prekäre Organisierung mit Vorführ-Effekt''.] Film zum Arbeitskampf im Kino Babylon Mitte, abgerufen 8. März 2014.</ref><br />
<br />
2015 starteten Mitglieder der „Foreigner Section“ der FAU Berlin einen Arbeitskampf gegen Unternehmer und Subunternehmer, die das Bauprojekt [[Mall of Berlin]] betreuten. Konkret geht es dabei um eine größere Gruppe rumänischer Bauarbeiter, die ihren Lohn für mehrere Monate nicht bekommen haben sollen.<ref>Sarah Emminghaus: [https://m.taz.de/Justiz/!158159;m/ ''Ein Fall, der zum Himmel stinkt''.] In: [[taz.de]], 14. April 2015, abgerufen am 26. April 2015.</ref><br />
<br />
Die FAU war Mitglied der [[Internationale ArbeiterInnen-Assoziation|Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation]] (IAA). Im Dezember 2016 wurde sie gemeinsam mit der CNT und der [[Unione Sindacale Italiana]] (USI) aus der IAA ausgeschlossen, nachdem sich diese drei Mitgliedssektionen für eine "Neuformierung des Anarchosyndikalismus auf internationaler Ebene" ausgesprochen hatten.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.iwa-ait.org/content/statement-xxvi-congress|titel=Statement of the XXVI Congress|autor=Secretariat|hrsg=|werk=|datum=2016-12-05|sprache=en|zugriff=2016-12-07}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=http://www.fau.org/artikel/art_160517-093532|titel=Erklärung des FAU-Kongress 2016|autor=FAU|hrsg=|werk=|datum=2016-05-17|sprache=de|zugriff=2016-12-31}}</ref><br />
<br />
== Ausrichtung ==<br />
[[Datei:FAU-Aufkleber.JPG|mini|rechts|Aufkleber der FAU, gesehen in Dortmund]]<br />
Die Gewerkschaftsföderation lehnt den [[Parlamentarismus]] und die [[Repräsentative Demokratie|Volksvertretung]] als Tätigkeitsfelder ab. Laut eigenen Darstellungen sollen realpolitische Ziele nicht über das Parlament, sondern direkt durch das Engagement der betroffenen Gewerkschaftsmitglieder erreicht werden. Gegenüber [[Betriebsratswahl]]en hat sie ein taktisches Verhältnis.<ref name="betriebsrat">Die FAU und Betriebsratswahlen: Pro-Contra-Diskussion in der ''[[Direkte Aktion (Zeitung)|Direkten Aktion]]'' in den Ausgaben [http://www.direkteaktion.org/185/wer-sich-nicht-in-gefahr-begibt Januar/Februar] und [http://www.direkteaktion.org/186/etwas-besseres-als-einen-betriebsrat.. März/April 2008] (abgerufen am 26. Januar 2011).</ref> Das Prinzip der [[Sozialpartnerschaft]] und freigestellte oder bezahlte Funktionäre werden abgelehnt.<br />
<br />
Mit dem Anarchosyndikalismus gehen, je nach Ortsvereinigung, auch Theorien und Praxis der [[Autonome]]n sowie des [[Operaismus]] einher. Mit ihrer Aktivität will die FAU neben einer konkreten Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen die ''soziale Revolution'' vorbereiten, mit der die klassen- und herrschaftslose Gesellschaft mittels [[Generalstreik]] erreicht werden soll.<br />
<br />
Die FAU wurde durch den [[Verfassungsschutz Niedersachsen]] im Verfassungsschutzbericht 2013 im Abschnitt [[Linksextremismus]] geführt.<ref>[http://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de/download/90313/Verfassungsschutzbericht_2013.pdf ''Verfassungsschutzbericht 2013''.] (PDF; 3,2&nbsp;MB) Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport; S. 141</ref> Sie wurde im [[Verfassungsschutzbericht|Bundesverfassungsschutzbericht 2010]] als ''Traditionelle Anarchisten'' geführt und seit 2012 nicht mehr erwähnt.<br />
<br />
== Struktur ==<br />
Die Organisation ist entsprechend der Theorie des [[Anarchosyndikalismus]] eine [[Basisdemokratie|basisdemokratische]], die föderalistisch aufgebaut ist. Sie organisiert sich bundesweit mittels eines [[Delegierter|Delegiertensystems]]. Ein wesentliches Merkmal ist das [[Imperatives Mandat|imperative Mandat]], das heißt, die Delegierten der FAU sind der Organisation nicht nur rechenschaftspflichtig, sondern können auch jederzeit abgewählt werden.<br />
<br />
Die Grundlage der Gewerkschaftsföderation bilden die sogenannten Syndikate, unabhängige Basisgewerkschaften einer [[Wirtschaftszweig|wirtschaftlichen Branche]]. Sie sind in ihren Entscheidungen autonom von der restlichen Struktur. Die Syndikate der einzelnen Branchen eines Ortes schließen sich vor Ort zu sogenannten Lokalföderationen zusammen. Die Syndikate einer Branche verschiedener Orte wiederum bilden bundesweite Branchenföderationen. Lokale Entscheidungen werden in der Regel durch Vollversammlungen herbeigeführt.<br />
<br />
Die Lokalföderationen ihrerseits, also der Zusammenschluss der einzelnen branchenspezifischen Basisgewerkschaften (Syndikate) eines Ortes, bilden die bundesweite FAU. Diese tritt einmal jährlich zu einem Kongress zusammen. Auf diesem werden bundesweite Beschlüsse gefasst sowie die bundesweiten Mandatsträger wie zum Beispiel eine ehrenamtliche Geschäftskommission gewählt – in der Regel für die Dauer von maximal zwei Jahren ([[Rotationsprinzip]]).<br />
<br />
Die Kassen der Gewerkschaftsföderation, also deren finanzielle Töpfe wie Rechtsmittel- oder Streikfonds, sind so aufgebaut, dass sie sich möglichst weit an der Basis befinden. Das heißt, sie sind genauso wie die organisatorischen Strukturen der FAU von unten nach oben aufgebaut ([[Lokalisten (gewerkschaftliche Fachvereine)|lokalistisches Prinzip]]), zuerst nach Syndikaten, dann Lokalföderationen, Regionen und dann Bundes-FAU.<br />
<br />
Mitglieder der FAU beteiligen sich am Aufbau von Betriebsgruppen. Diese stehen auch Nichtmitgliedern offen und dienen in erster Linie als Plattform für die betriebliche Arbeit.<br />
<br />
== Organisation ==<br />
Die Mitglieder der FAU sind in rund 40 Lokalföderationen und Syndikaten organisiert.<ref>[http://www.fau.org/ortsgruppen/art_030809-141508 ''FAU Gewerkschaften – Lokalföderationen und Syndikate''.] Website der FAU, abgerufen 28. Juli 2011.</ref><br />
<br />
Branchenorganisationen der FAU gibt es im Bereich der Kultur- und Medienarbeit (Berlin), im [[Informations- und Kommunikationstechnologie|IT-Sektor]] (Berlin, Frankfurt am Main, Hannover, Hamburg) und in den Gesundheitsberufen (Hannover, Berlin, München). Die Organisation im Bildungsbereich –&nbsp;vor allem im universitären Sektor&nbsp;– als Bildungssyndikate konnte nur teilweise (Berlin) aufrechterhalten werden.<br />
<br />
Die Gewerkschaftsföderation ist Herausgeber der anarchosyndikalistischen Zeitung ''[[Direkte Aktion (Zeitung)|Direkte Aktion]]'', die bis 2016 alle zwei Monate erschien und nach Angaben des Verfassungsschutzes im Jahr 2011 eine Auflage von 3000 Exemplaren hatte.<ref name="vs-2011">{{Internetquelle | url=https://www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht-2011.pdf#page=165 | titel=Traditionelle Anarchisten – FAU-IAA | werk=Verfassungsschutzbericht 2011 | hrsg=[[Bundesministerium des Innern]] | format=PDF; 2,53&nbsp;MB | datum=2013-07-23 | seiten=165–167 | zugriff=2013-11-17}}</ref><br />
<br />
=== Publikationen ===<br />
* FAU. ''Die ersten 30 Jahre (1977–2007)''. erschienen bei Syndikat-A, ISBN 978-3-86841-004-4. (Inhalt: Kapitel I - Der Anarchosyndikalismus in der BRD im Vorfeld der Gründung der FAU | Kapitel II - Konsolidierung der FAU in den 1980er Jahren. | Kapitel III - Gewerkschaft oder Propagandaorganisation? Die FAU in den 1990er Jahren. | Kapitel IV - Die Entwicklung seit 2000 und die FAU heute | Kapitel V - Die IAA und ihre deutsche Sektion FAU. | Kapitel VI - 100 Jahre Syndikalismus in Deutschland von 1878 bis 1978 | Anhang. 256 Seiten, mehr als 300 Fotos und Dokumente).<br />
* A.G Amsterdam/FAU Bremen (Hrsg.): ''Notes From The Class Struggle. Small group workplace organising in present-day Germany and the Netherlands''. Amsterdam/Bremen 2007.<br />
* FAU-Bremen (Hrsg.): ''Kurze Einführung in die Geschichte des Anarcho-Syndikalismus und der FAU-IAA'', Bremen 1998.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Hansi Oostinga: ''Für eine Handvoll Dollar? Der Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon.'' In: ''emanzipation – Zeitschrift für sozialistische Praxis und Theorie'', Jahrgang 2, Nummer 2 (Dezember 2012), {{ISSN|2192-2837}}, S. 32–43; [http://www.emanzipation.org/articles/em_2-2/e_2-2_oostinga.pdf online]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|3=S}}<br />
* [https://www.fau.org/ Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=10053041-2|LCCN=nr/90/22250|VIAF=131134447}}<br />
<br />
[[Kategorie:Geschichte der Arbeiterbewegung]]<br />
[[Kategorie:Internationale ArbeiterInnen-Assoziation]]<br />
[[Kategorie:Gewerkschaft (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1977]]<br />
[[Kategorie:Verein (Berlin)]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=ARD-Alpha&diff=163109177ARD-Alpha2017-02-28T17:25:10Z<p>Exploit: AZ: Weiterleitung nach ARD-alpha erstellt</p>
<hr />
<div>#redirect [[ARD-alpha]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=H%C3%A4nsel_und_Gretel&diff=163109156Hänsel und Gretel2017-02-28T17:24:37Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
<br />
[[Datei:Hänsel und Gretel2.jpg|mini|Hänsel und Gretel, Darstellung von [[Alexander Zick]]]]<br />
[[Datei:1903 Ludwig Richter.jpg|mini|Illustration von [[Ludwig Richter]], 19.&nbsp;Jahrhundert]]<br />
<br />
'''Hänsel und Gretel''' ist ein [[Märchen]] ([[Aarne-Thompson-Index|ATU]] 327A). Es steht in den [[Grimms Märchen|Kinder- und Hausmärchen]] der [[Brüder Grimm]] an Stelle 15 (KHM 15). Dort schrieb sich der Titel ab der 2. Auflage ''Hänsel und Grethel''. [[Ludwig Bechstein]] übernahm es zeitweise in sein [[Deutsches Märchenbuch]] als ''Vom Hänschen und Gretchen, die in die roten Beeren gingen''.<br />
<br />
== Inhalt nach der Fassung von 1812 ==<br />
Hänsel und Gretel sind die Kinder eines armen Holzfällers, der mit seiner Frau im Wald lebt. Als die Not zu groß wird, überredet sie ihren Mann, die beiden Kinder im Wald auszusetzen. Der Holzfäller führt die beiden am nächsten Tag in den Wald. Doch Hänsel hat die Eltern belauscht und legt eine Spur aus kleinen weißen Steinen, anhand derer die Kinder zurückfinden. So kommt es, dass der Plan der Mutter scheitert. Doch der zweite Versuch, die Kinder auszusetzen, gelingt: Dieses Mal haben Hänsel und Gretel nur eine Scheibe Brot dabei, die Hänsel zerbröckelt, um eine Spur zu legen. Die wird jedoch von Vögeln aufgepickt. Dadurch finden die Kinder nicht mehr nach Hause und verirren sich. Am dritten Tag finden die beiden ein Häuschen, das ganz aus Brot, Kuchen und Zucker hergestellt ist. Zunächst brechen sie Teile des Hauses ab, um ihren Hunger zu stillen. In diesem Haus lebt jedoch eine [[Hexe]], die eine Menschenfresserin ist. Sowohl in der Urfassung der Märchen von 1812 als auch in den späteren Ausgaben bis zur „Ausgabe letzter Hand“ von 1857 ruft sie in einer Art von [[Onomatopoesie|Lautmalerei]]: <!-- Originalzitat, bitte nicht ändern -->„Knuper, knuper, kneischen, wer knupert an meinem Häuschen?“<ref>Originalzitat der Brüder Grimm, gleichlautender Text in den Ausgaben der KHM 1812, 1819, 1837, 1840, 1843, 1850 und 1857, ''[[s:Hänsel und Gretel|Hänsel und Gretel]]'' auf Wikisource. Siehe auch „Ausgabe letzter Hand“ von 1857, Philipp Reclam, Stuttgart 2007, S. 104.</ref><br />
<br />
In Ludwig Bechsteins ''Deutschem Märchenbuch 1856'' lautet der Text, abweichend von den Brüdern Grimm: „''Knusper, knusper, kneischen! Wer knuspert mir am Häuschen?''“.<ref>Originalzitat Ludwig Bechstein: ''Sämtliche Märchen.'' 1983, S. 62, siehe auch beispielsweise den [http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/brueder-grimm/haensel-und-gretel-1.html#Bechstein Textabdruck im Goethezeitportal].</ref> Die Antwort der Kinder dagegen ist bei Bechstein und in der erweiterten Fassung der Brüder Grimm von 1819 identisch: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“.<ref>Bechstein: ''Sämtliche Märchen.'' 1983, S. 62.</ref><br />
<br />
Die Hexe lässt sich nicht täuschen, fängt die beiden, macht Gretel zur Dienstmagd und mästet Hänsel in einem Käfig, um ihn später aufzuessen. Hänsel wendet jedoch eine List an: Um zu überprüfen, ob der Junge schon dick genug ist, befühlt die halbblinde Hexe jeden Tag seinen Finger. Hänsel streckt ihr nun jedes Mal einen kleinen Knochen entgegen, um sie zu täuschen. Als sie erkennt, dass der Junge anscheinend nicht fett wird, verliert sie die Geduld und will ihn sofort braten. Die Hexe befiehlt Gretel, in den Ofen zu sehen, ob dieser schon heiß sei. Gretel aber behauptet, zu klein dafür zu sein, sodass die Hexe selbst nachsehen muss. Als sie den Ofen öffnet, schiebt Gretel die böse Hexe hinein. Die Kinder nehmen Schätze aus dem Hexenhaus mit und finden den Weg zurück zum Vater. Die Mutter ist inzwischen gestorben. Nun leben sie glücklich und leiden keinen Hunger mehr.<br />
<br />
<gallery class="center" caption="[[Briefmarken-Jahrgang 1961 der Deutschen Bundespost|Briefmarken der Deutschen Bundespost (1961)]]"><br />
DBP 1961 369 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Hänsel wirft Brotkrümel auf den Weg.<br />
DBP 1961 370 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Hänsel und Gretel treffen die Hexe.<br />
DBP 1961 371 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Die Hexe versucht Hänsel zu mästen.<br />
DBP 1961 372 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Der Vater freut sich über die Rückkehr von Hänsel und Gretel.<br />
</gallery><br />
<br />
== Die zweite Fassung von 1819 ==<br />
[[Datei:Hänsel und Gretel.jpg|mini|Hänsel und Gretel, Darstellung von Alexander Zick]]<br />
In dieser Fassung erfährt das Märchen eine Erweiterung. Nach dem Tod der Hexe finden die Kinder zunächst nicht nach Hause, sondern geraten an ein Gewässer, das sie nicht überqueren können. Schließlich schwimmt eine Ente herbei, die die Kinder über das Wasser trägt. Anschließend kommt ihnen die Gegend bekannt vor, und die Kinder kehren zurück. Ludwig Bechstein folgt in seinem „Deutschen Märchenbuch“ weitgehend dieser zweiten Fassung der Brüder Grimm, erweitert aber die Handlung um einen dankbaren weißen Vogel, der die Krümel aufgepickt hat und den Kindern nach dem Tod der Hexe den Weg nach Hause zeigt.<br />
<br />
Seit der Fassung der Brüder Grimm von 1840 ist es nicht mehr die eigene Mutter, auf deren Betreiben die Kinder im Wald ausgesetzt werden, sondern eine [[Stiefmutter]].<br />
<br />
== Herkunft ==<br />
Die Quellen für Wilhelm Grimms handschriftliche Urfassung von 1810 sind unbekannt. Seine Anmerkung von 1856 notiert zur Herkunft: „Nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen.“ In Schwaben sitze im Zuckerhäuschen ein Wolf. Er nennt noch [[Karoline Stahl|Stahl]] „S. 92 das Häuschen von Zuckerwerk“; [[Heinrich Pröhle|Pröhle]] Nr. 40; [[Ludwig Bechstein|Bechstein]] 7, 55; [[August Stöber|Stöbers]] ''Das Eierkuchenhäuschen'' in ''elsaß. Volksbuch S. 102''; dänisch ''Pandekagehuset''; schwedisch bei [[Gunnar Olof Hyltén-Cavallius|Cavallius]] S. 14. 26; ungarisch bei [[Heinrich Christoph Gottlieb Stier|Stier]] S. 43; albanisch bei [[Johann Georg von Hahn|Hahn]] 164. 165; serbisch bei [[Vuk Stephanović Karadžić|Vuk]] Nr. 35; [[Ignaz Vinzenz Zingerle|Zingerles]] ''Das Märchen von den Fanggen'' in ''Kinder- und Hausmärchen''; ein Stück in [[Jakob Jeremias Oberlin|Oberlins]] ''Essai sur le patois''; [[Pentameron]] 5,8; [[Marie-Catherine d’Aulnoy|Aulnoy]] Nr. 11 ''Finette Cendron''; Zingerle S. 138; Cavallius 31. Grimm sieht in deutschen Erzählungen einen Zusammenhang zum [[Däumling]] (KHM [[Daumesdick|37]], [[Daumerlings Wanderschaft|45]]), bei Zingerle ''S. 235 der daumlange Hansel'' und ''[[Altdeutsche Wälder]]'' 3, 178. 179.<ref>Brüder Grimm. ''Kinder- und Hausmärchen. Mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm.'' Band 3. 1994, S. 37–38, 448.</ref><br />
<br />
Verglichen mit der Urfassung von 1810 ist die Erstausgabe von 1812 v.a. in den Dialogen im Hexenhaus ausführlicher. Die Namen der Kinder wurden entsprechend dem neuen Titel in den Text eingefügt, sowie die frommen Redensarten „schlaf nur, lieb Gretel, der liebe Gott wird uns schon helfen“ und „Gott gab es aber Gretel ein“.<ref>Rölleke (Hrsg.): ''Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm.'' 1975, S. 70–81.</ref> Ab der 2. Auflage bindet der Vater einen Ast an den Baum, um durch den Wind die Axtschläge vorzutäuschen. Das passt zu „der Wind ! der Wind ! das himmlische Kind !“, wie die Kinder nun der Hexe antworten (laut Wilhelm Grimms Notiz von [[Henriette Dorothea Wild]]<ref>Uther: ''Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.'' 2008, S. 33.</ref>). Ein schneeweißes Vöglein bringt die Kinder zum Hexenhaus (ab 5. Aufl.), eine weiße Ente trägt sie übers Wasser heim (ab 2. Aufl.; vgl. KHM [[Jorinde und Joringel|69]] bzw. [[Die drei Männlein im Walde|13]], [[Die weiße und die schwarze Braut|135]]). Ab der 5. Auflage wird die Stiefmutter mit der Hexe durch ähnliche Rede parallelisiert („steht auf, ihr Faulenzer…“), sie schimpft die Kinder, als wären sie mutwillig lange im Wald geblieben, dazu kommen die Redensarten „hernach hat das Lied ein Ende“; „Wer A sagt, muss auch B sagen“. Wurde Hänsel in der Urfassung als Schweinchen und ab der Erstausgabe als „Hühnlein“ eingesperrt, so kommt er jetzt einfach in einen Stall, „er mochte schreien, wie er wollte“. Wilhelm Grimm ergänzt ab der 6. Auflage die Charakterisierung der Hexe wohl in Anlehnung an KHM 69 ''[[Jorinde und Joringel]]'': „Die Hexen haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine feine Witterung, wie die Tiere, und merkens, wenn Menschen herankommen.“<br />
<br />
Wilhelm Grimm nahm Anleihen von [[August Stöber]]s ''Das Eierkuchenhäuslein'' (1842), das aber selbst auf Grimms Text beruht. [[Walter Scherf]] meint, dass in Grimms Kreisen eher mit literarischer als mit mündlicher Überlieferung zu rechnen ist, auch angesichts der Verbreitung von [[Charles Perrault|Perraults]] und [[Marie-Catherine d’Aulnoy|d'Aulnoys]] Märchen. Das Zuckerhäuschen scheint eine Erfindung biedermeierlicher Romantik und könnte auf Arnims Erwähnung eines Märchens zurückgehen, das F.D. Gräter kannte.<ref>Scherf: ''Hänsel und Gretel.'' In: ''Enzyklopädie des Märchens.'' Band 6. 1990, S. 500.</ref><br />
<br />
Das Märchen zeigt eine Polarisierung von Gut und Böse, unterstützt durch Oppositionen: Eltern- und Hexenhaus, Innen- und Außenraum, Hunger und Mästung, Trennung und Wiedersehen. Die Kinder steigen vom Tod wieder auf, der ihnen von Stiefmutter und Hexe zugedacht war.<ref>Uther: ''Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.'' 2008, S. 34.</ref> Vgl. in [[Giambattista Basile]]s [[Pentameron]] I,10 ''[[Die geschundene Alte]]'', V,8 ''[[Ninnillo und Nennella]]''. Zum Flug über das Wasser vgl. [[Styx]] oder [[Evangelium nach Matthäus|Mt]] 14,29.<br />
<br />
== Einflüsse und Vorläufer ==<br />
Das Märchen stammt aus mündlicher Überlieferung und wurde außer von den Brüdern Grimm und Bechstein von [[Franz von Pocci]] nacherzählt und illustriert. Es erschien auch 1844 im „Deutschen Volkskalender“ von [[Friedrich Wilhelm Gubitz]].<br />
In der Eingangsmotivik ist das Märchen von [[Charles Perrault|Perraults]] ''[[Der kleine Däumling|Le petit poucet]]'', einem [[Däumling]]smärchen abhängig, wo neben dem Ausstreuen von Kieselsteinen und Brot auch das Motiv der Menschenfresserei vorkommt.<ref>Anhang mit Kommentaren zum Deutschen Märchenbuch von Ludwig Bechstein, S. 786f.</ref><br />
<br />
Die Namen „Hänsel“ und „Gretel“ greifen die verbreitetsten Taufnamen Johannes und Margarete auf und begegnen in dieser Zusammenstellung in der Frühen Neuzeit häufig als fiktive Platzhalternamen.<ref>Vgl. Hans und Grete im ''[[Kirchliche Trauung|Traubüchlein]]'' (1529) von [[Martin Luther]] oder die Kölner Sage von [[Johann von Werth#Sage von Jan un Griet|Jan und Griet]].</ref><br />
<br />
== Zur Motivik ==<br />
In der Urfassung der Brüder Grimm, ebenso wie in Ludwig Bechsteins Märchensammlung, ist es statt einer [[Stiefmutter]] noch die eigene Mutter, was dem Märchen eine eher sozialkritische Bedeutung gibt. Die Kinder werden ausgesetzt, weil die Familie verhungert. Bei Bechstein stirbt die Mutter nicht, sondern macht sich zusammen mit dem Vater Sorgen um die Kinder und bereut, sie fortgeschickt zu haben. In diesem Moment betreten die Kinder das Haus, und die Not hat ein Ende.<br />
<br />
In der späten Fassung der Brüder Grimm ähnelt das Märchen in seinem Ausgangsmotiv vielen [[Stiefmutter#Die Stiefmutter im Märchen|Stiefmuttermärchen]].<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
Nach [[Hedwig von Beit]] tritt die nahrungsspendende Hexe als [[Mutterarchetyp|Große Mutter]] auf, hier Blendwerk in kindlichen Wunschphantasien. Ein Vogel leitet zu ihr, d.h. intuitives Hinausträumen. Die Wandlung erfolgt im inneren Feuer der Leidenschaft (vgl. KHM [[Frau Trude|43]], [[Schneewittchen|53]]). Dabei ist der Ofen ebenfalls Symbol der Großen Mutter, sie vernichtet sich also selbst und damit auch ihr Gegenbild der versagenden Stiefmutter.<ref>Hedwig von Beit: ''Symbolik des Märchens.'' 1952, S. 133–135.</ref><br />
<br />
Laut [[Bruno Bettelheim]] passt die Ausgangssituation zur verbreiteten kindlichen Angst, von den Eltern verstoßen zu werden und verhungern zu müssen. Hänsels Wegmarkierung mit Kieselsteinen ist noch angemessen, doch beim zweiten Mal erliegt er oraler Regression, "Brot" als Bild für Nahrung drängt sich in den Vordergrund. Das zeigt sich auch daran, dass die Kinder vom Lebkuchenhaus essen können. Zugleich ist das Lebkuchenhaus auch ein Bild des (Mutter-)Leibes, der das Kind vor und nach der Geburt ernährt. Doch die Kinder müssen lernen, sich davon zu emanzipieren. Das große Wasser, das die Kinder bei der Rückkehr überqueren, ohne ihm zuvor begegnet zu sein, symbolisiert den Reifungsschritt, den die Kinder machen, als sie planend ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Gretel weiß, dass man das allein tun muss. Indem zu Beginn des Märchens einmal Hänsel der Retter ist und zum Ende nun Gretel, lernen die Kinder, auf sich selbst, auf einander und auf Altersgenossen zu vertrauen. Jetzt sind sie dem Elternhaus eine Stütze und tragen durch die mitgebrachten Schätze sogar zum Ende der Armut bei.<ref>Bruno Bettelheim: ''Kinder brauchen Märchen.'' 31. Auflage 2012. dtv, München 1980, ISBN 978-3-423-35028-0, S. 183–191.</ref><br />
<br />
Auch für [[Eugen Drewermann]] beschreibt ''Hänsel und Gretel'' orales Mangelerleben als Ursache depressiver Schuldgefühle und Essstörungen.<ref>Eugen Drewermann: ''Die erschöpfte Seele – von Chancen und Schicksal der Depression.'' Seminar 7.–8. März 2008, Nürnberg, Auditorium, CD 1/4.</ref> [[Johannes Wilkes]] berichtet, magersüchtige Mädchen sprächen oft von ''Hänsel und Gretel'' oder ''[[Tischlein deck dich]]'' an.<ref>Johannes Wilkes: „Märchen und Psychotherapie“ in: Kurt Franz (Hrsg.): ''Märchenwelten. Das Volksmärchen aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen.'' 2003.</ref> Der Psychiater [[Wolfdietrich Siegmund]] nimmt an, dass das Märchen [[Schizophrenie|Schizophrenen]] in ihrer Ratlosigkeit über Gut und Böse helfe.<ref>Frederik Hetmann: ''Traumgesicht und Zauberspur. Märchenforschung, Märchenkunde, Märchendiskussion. Mit Beiträgen von Marie-Louise von Franz, Sigrid Früh und Wolfdietrich Siegmund.'' Fischer, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-596-22850-6, S. 123.</ref><br />
<br />
Der [[Homöopathie|Homöopath]] [[Herbert Pfeiffer]] denkt beim Motiv materiellen Mangels an ''Calcium carbonicum'', [[Martin Bomhardt]] an ''Medorrhinum''.<ref>Herbert Pfeiffer: ''Die Umwelt des kleinen Kindes und seine Arznei.'' In: Uwe Reuter, Ralf Oettmeier (Hrsg.): ''Die Wechselwirkung von Homöopathie und Umwelt. 146. Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte.'' Erfurt 1995, S. 53–56.; Martin Bomhardt: ''Symbolische Materia medica.'' 3. Auflage. Verlag Homöopathie + Symbol, Berlin 1999, ISBN 3-9804662-3-X, S. 878.</ref> Nach [[Wilhelm Salber]] haben sich wiederholende Handlungen mit der Kontrolle des Überlebens zu tun, und werden durch Schwärmerei (Hexenhaus) nur überdeckt, während neue Zufälle (die Ente als Transportmittel) echte Entwicklung einleiten. Immer wieder sich ereignende Grundsituationen bringen ihre eigene Umwandlung mit sich.<ref>[[Wilhelm Salber]]: ''Märchenanalyse'' (= Wilhelm Salber: ''Werkausgabe.'' Bd. 12). 2., erweiterte Auflage. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 53, 95–97.</ref> [[Ortrud Stumpfe]] konstatiert, dass in ''Hänsel und Gretel'' eine wirksame Entfaltung fehle: Die Kinder überlisten zwar die dumpfe Naturgewalt, kehren aber dann einfach ins Kindermilieu zurück.<ref>Ortrud Stumpfe: ''Die Symbolsprache der Märchen.'' 7., verbesserte und erweiterte Auflage. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1992, ISBN 3-402-03474-3, S. 211.</ref><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
[[Datei:Haensel und Gretel 3778-Peralta.jpg|mini|hochkant=1.35|Humperdincks Oper an der [[Staatsoper Wien]], 2015]]<br />
Vgl. ''[[Der goldne Rehbock]]'' und ''[[Der kleine Däumling]]'' in [[Ludwig Bechstein]]s [[Deutsches Märchenbuch]] (in der Ausgabe von 1845 auch ''[[Fippchen Fäppchen]]'' und ''[[Der Garten im Brunnen]]'') und ''[[Vom Knaben, der das Hexen lernen wollte]]'' in [[Neues deutsches Märchenbuch]].<br />
<br />
''Hänsel und Gretel'', ein Kindermärchen und vielleicht bekanntestes Märchen überhaupt, passt gut zum Ideal der [[Einfache Form|einfachen Form]]. Parodien bewegen sich immer wieder auf sehr einfachem Niveau. [[Roland Lebl]] hält moderne Kinder für so sachlich, dass die erzählende Oma Reißaus nimmt.<ref>Roland Lebl: ''Es war einmal ...'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 91–93 (zuerst erschienen in: ''Simplicissimus.'' Nr. 12, 21. März 1959, S. 182; Autorenangabe „Lebl, Roland“ bei Mieder mit „?“ markiert.).</ref> ''[[Meister Eder und sein Pumuckl|Pumuckl auf Hexenjagd]]'' schlägt bei Meister Eder Alarm, weil er das Märchen der Nachbarin glaubt. [[Julius Neff]] schrieb eine Parodie.<ref>Julius Neff: ''Hansl & Gretl.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 99–101 (zuerst erschienen in: Ludwig Merkle (Hrsg.): ''Gans, du hast den Fuchs gestohlen. Lustiges für Kinder.'' Fischer, Frankfurt 1969, S. 32–33; Julius Neff laut Mieder Pseudonym von Ludwig Merkle).</ref> Parodien wie [[Josef Wittmann]]s kurzes Gedicht<ref>Josef Wittmann: ''Hänsel und Gretel.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 44 (1976; zuerst erschienen in: Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.): ''Neues vom Rumpelstilzchen und andere Haus-Märchen von 43 Autoren.'' Beltz & Gelberg, Weinheim/Basel 1976, S. 196.).</ref> oder [[Wolfgang Sembdner]]s „Alphabetisch“ (von „Armut“ bis „Zack“)<ref>Wolfgang Sembdner: ''Alphabetisch.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 44–49 (1977; zuerst erschienen in: Wolfgang Sembdner: ''Grimmskrams. Parodistische Hänseleien.'' Nürnberg 1981, S. 5.).</ref> greifen die Sozialkritik mit Kinderaussetzen und Hexentötung in sehr einfacher Form auf, so auch [[Fritz Vahle]] („Der Backofen dort / Die Alte muß fort …“).<ref>Fritz Vahle: ''Hänsel und Gretel.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 46 (1986; zuerst erschienen in: Fritz Vahle: ''Märchen. Der Zeit angepaßt und in Verse gefasst.'' Justus von Liebig, Darmstadt, S. 10.).</ref> [[Karin Struck]] deutet ironisch die Hexe im Backofen als Mutterhass.<ref>Karin Struck: ''Erinnerungen an Hänsel und Gretel.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 94–98 (zuerst erschienen in: Jochen Jung (Hrsg.): ''Bilderbogengeschichten. Märchen, Sagen, Abenteuer. Neu erzählt von Autoren unserer Zeit.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, S. 203–206.).</ref> [[Wolfgang Sembdner]] erzählt die Geschichte mit lauter Dichternamen: „...da lebte ein [[Thomas Mann]]. Er hatte zwei [[Frank Wedekind|Wedekinder]] aber kein [[Max Brod]] im [[Gottfried Keller]]…“.<ref>Wolfgang Sembdner: ''Dichter-Wald.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 45 (1977; zuerst erschienen in: Wolfgang Sembdner: ''Grimmskrams. Parodistische Hänseleien.'' Nürnberg 1981, S. 11.).</ref> Bei [[Josef Reding]] streut das Kind unterwegs den teuren Torf aus dem Auto, weil es das Märchen geglaubt hat.<ref>Josef Reding: ''Reste einer gestrigen Mitteilung.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 102–108 (zuerst erschienen in: Josef Reding (Hrsg.): ''Schonzeit für Pappkameraden.'' Bitter, Recklinghausen 1977, S. 52–57.).</ref> Bei [[Rudolf Otto Wiemer]] finden die Pflegekinder ihre nicht-arische Großmutter im Wald und werden abgeholt, damit der Vater bei der NSDAP befördert wird.<ref>Rudolf Otto Wiemer: ''Hänsel und Gretel oder: Die richtige Großmutter.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 47–54 (1987; zuerst erschienen in: Rudolf Otto Wiemer: ''Der dreifältige Baum. Waldgeschichten.'' Quell, Stuttgart 1987, S. 182–190.).</ref> [[Beate Mitzscherlich]] und [[Ulla Hahn]] parodierten die Handlung aus Sicht von Stiefmutter bzw. Hexe.<ref>Beate Mitzscherlich: ''Weggeschafft.'' Ulla Hahn: ''Liebe Luzifera.'' In: ''Die Horen.'' Bd. 1/52, Nr. 225, 2007, {{ISSN|0018-4942}}, S. 8, 205–210.</ref> [[Otto Waalkes]] parodierte mehrfach das Lied, auch mit Fast-Food-Restaurant oder als Parodie auf den Schlager ''[[Alles nur geklaut (Lied)|Alles nur geklaut]]'' („Knusperhaus im Wald / ohne Mietkaution, na wo gibt’s das schon …“). ''Hänsel und Gretel'' kommen auch in [[Kaori Yuki]]s [[Manga]] ''[[Ludwig Revolution]]'' vor.<br />
<br />
=== Parodien ===<br />
* [[Iring Fetscher]]: ''Hänsel und Gretels Entlarvung oder Eine Episode aus der Geschichte des Präfaschismus.'' In: Iring Fetscher: ''Wer hat Dornröschen wachgeküßt? Das Märchen-Verwirrbuch.'' Fischer, Frankfurt&nbsp;a.&nbsp;M. 1974.<br />
* Iring Fetscher: ''Streit um „Hänsel und Gretel“.'' Edler von Goldeck berichtet vom dritten Internationalen Märchendeuterkongress in Oil Lake City, Texas (1975). In: Iring Fetscher: ''Der Nulltarif der Wichtelmänner. Märchen und andere Verwirrspiele.'' Fischer, Frankfurt a.&nbsp;M. 1984.<br />
* [[Dieter Harder]]: ''Hanselus Gretulaque.'' In ''Der altsprachliche Unterricht.'' 29, 4/1986, S. 70.<br />
* [[Paul Maar]]: ''Die Geschichte vom bösen Hänsel, der bösen Gretel und der Hexe.'' In: Paul Maar: ''Der tätowierte Hund,'' 1967. Süddeutsche Zeitung Verlag, München.<br />
* [[Hans Traxler]]: ''Die Wahrheit über Hänsel und Gretel'', 1963. Neuere Auflage: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002. Neuste Auflage: Reclam, Stuttgart 2007. („Traxlers Buch parodiert investigativen Wissenschaftsjournalismus.“)<br />
* [[Michael Ende]]: ''Ein sehr kurzes Märchen.''<br />
: ''Hänsel und Knödel, die gingen in den Wald.<br />Nach längerem Getrödel rief Hänsel plötzlich: „Halt!“<br />Ihr alle kennt die Fabel, des Schicksals dunklen Lauf:<br />Der Hänsel nahm die Gabel und aß den Knödel auf.''<br />
* [[Walter Moers]]: ''[[Ensel und Krete]]. Ein Märchen aus Zamonien von Hildegunst von Mythenmetz mit Erläuterungen aus dem Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Professor Dr. Abdul Nachtigaller.'' Eichborn, Frankfurt&nbsp;a.&nbsp;M. 2000.<br />
* ''[[I, Robot (Film)|I, Robot]]:'' In dem Film ''I, Robot'' (u.&nbsp;a. mit [[Will Smith]]) wird die Geschichte durch das „Krümel für Krümel“-Schema hervorgehoben, der Drehbuchautor deutet so darauf hin, dass dieses Märchen auch in „Zukunft“ seine Bekanntheit nicht verlieren werde.<br />
<br />
=== Puppenspiel-Adaption ===<br />
* [[Piccolo Puppenspiele]]: ''Hänsel und Gretel'' (mit Gerd J. Pohl als Puppenspieler und [[Charles Regnier]] als Erzähler); Uraufführung: 1999 in [[Bonn]]<br />
<br />
=== Musikalische Bearbeitungen ===<br />
{{Hauptartikel|Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald}}<br />
* Kinderreim/-lied:<br />
*:<small>&nbsp;[[Anonymität|Anonym]] – Volksweise um 1900</small><br />
<poem style="margin-left:2em;"><br />
Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.<br />
Es war so finster und auch so bitter kalt.<br />
Sie kamen an ein Häuschen von Pfefferkuchen fein.<br />
Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein.<br />
<br />
Hu, hu, da schaut eine alte Hexe raus!<br />
Lockte die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.<br />
Sie stellte sich gar freundlich, o Hänsel, welche Not!<br />
Ihn wollt’ sie braten im Ofen braun wie Brot.<br />
<br />
Doch als die Hexe zum Ofen schaut hinein,<br />
Ward sie gestoßen von unserm Gretelein.<br />
Die Hexe musste braten, die Kinder geh’n nach Haus.<br />
Nun ist das Märchen von Hans und Gretel aus.<br />
</poem><br />
* [[Engelbert Humperdinck]]: ''[[Hänsel und Gretel (Oper)|Hänsel und Gretel]]'', Oper (Uraufführung: 23. Dezember 1893 in [[Weimar]]).<br />
** Hans-Joachim Drechsler, Schweriner Blechbläser-Collegium: ''Hänsel und Gretel'', nach dem Märchenspiel von Engelbert Humperdinck, bearbeitet für einen Erzähler und neun Blechbläser<br />
* Henri Rene: ''Hansel And Pretzel'', Jazz-Tune<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
Die erste Verfilmung von ''Hänsel und Gretel'' stammt aus dem Jahr 1897; Filmpionier [[Oskar Messter]] verfilmte es als [[Stummfilm]]<ref>[http://www.filmportal.de/film/haensel-und-gretel_45cf47c5940e4a3ea2d16ab7c2b09ede ''Hänsel und Gretel'' – Stummfilm von 1897]</ref>. Es folgten mehrere weitere Stummfilm-Verfilmungen, unter anderem 1921 von Hans Walter Kornblum<ref>[http://www.filmportal.de/institution/colonna-film-gmbh-hanns-walter-kornblum-berlin_344fd8d62aaf4a93a2425de2cf0a2562 ''Hänsel und Gretel'' – Stummfilm von 1921]</ref> und 1932 von [[Alf Zengerling]]. 1940 folgte die erste von mehreren Verfilmungen als [[Tonfilm]]:<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1940)|Hänsel und Gretel]]'', D 1940, Regie: [[Hubert Schonger]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Myerberg)|Hänsel und Gretel]]'', USA 1954, Regie: [[Michael Myerberg]], [[John Paul (Regisseur)|John Paul]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Genschow)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1954, Regie: [[Fritz Genschow]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Janssen)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1954, Regie: [[Walter Janssen (Schauspieler)|Walter Janssen]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1971)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1971, Regie: [[Rudolf Jugert]]<br />
* ''[[Cannon Movie Tales: Hänsel und Gretel]]'' (Original: ''Cannon Movie Tales – Hansel and Gretel''), USA 1987, Regie: [[Len Talan]]<br />
* ''Ossegg oder Die Wahrheit über Hänsel und Gretel'', BRD 1987, Regie: [[Thees Klahn]] (Verfilmung einer Parodie)<br />
* [[Grimms Märchen (Anime)|Gurimu Meisaku Gekijō]], japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 2: ''Hänsel und Gretel''<br />
* [[SimsalaGrimm]], deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 1, Folge 3: ''Hänsel und Gretel''<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (2006)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 2006, Regie: [[Anne Wild]]<br />
* ''Hänsel und Gretel – Ein Fall für die Supergranny'', Parodie in der Reihe ''[[Die ProSieben Märchenstunde]]'' (Deutschland/Österreich; 2007)<br />
* ''Hansel und Gretel (헨젤과 그레텔)'', südkoreanischer Horrorfilm 2007, Regie: [[Pil-Sung Yim]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (2012)|Hänsel und Gretel]]'' D 2012, Regie: [[Uwe Janson]]<br />
* ''Hänsel und Gretel'', USA 2013, [[Mockbuster]] von [[The Asylum]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel: Hexenjäger]]'' (Original: ''Hansel and Gretel: Witch Hunters''), USA 2013, Regie: [[Tommy Wirkola]]<br />
* ''Hänsel und Gretel – Black Forest'' (Original: ''Hänsel & Gretel Get Baked''), USA 2013, Regie: [[Duane Journey]]<br />
* ''Hänsel und Gretel'' - Opernverfilmung, [[Wiener Staatsoper]], D 2015, Regie: Agnes Méth<br />
<br />
=== Sonstiges ===<br />
[[Datei:Gingerbreadhouse.jpg|mini|Knusperhäuschen mit Hexe]]<br />
* Das [[Lungenkräuter|Lungenkraut]] wird auch als ''Hänsel und Gretel'' bezeichnet.<br />
* Als ''Hänsel und Gretel'' werden zwei Häuser am [[Großer Ring|Großen Ring]] in [[Breslau]] bezeichnet.<br />
* ''Hans und Grete'' waren die Codenamen der RAF-Terroristen [[Andreas Baader]] und [[Gudrun Ensslin]].<br />
* ''Hänsel und Gretel'' ist eine Stiftung, die Kinder vor Übergriffen schützen soll, s. [[Notinsel]]<br />
* Die Stadt [[Bergisch Gladbach]] benannte eine Straße nach ''Hänsel und Gretel''.<br />
* In Wald bei [[Lüdersen]] ([[Region Hannover]]) befindet sich ein Hänsel-und-Gretel-Hexenhaus.<br />
* [[Hanzel und Gretyl]] ist eine US-amerikanische Metal-Band.<br />
* Die [[Lebkuchen]]häuschen (auch ''Pfefferkuchenhäuschen'' oder ''Knusperhäuschen'') der [[Weihnachtsgebäck|Weihnachtsbäckerei]] beziehen sich in ihrer Darstellung auf das Märchen.<br />
* Hänsel und Gretel von [[Lorenzo Mattotti]]. Umsetzung als Grafische Erzählung, Carlsen Verlag 2011, ISBN 978-3-551-51762-3.<br />
* Das [[Browsergame]] und [[Adventure]] [[Gretel and Hansel]] der Firma Newgrounds erzählt das Märchen mit zahlreichen Horrorelementen nach.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Ludwig Bechstein: ''Sämtliche Märchen. (Vollständige Ausgabe der Märchen Bechsteins nach der Ausgabe letzter Hand unter Berücksichtigung der Erstdrucke).'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983.<br />
* [[Hedwig von Beit]]: ''Symbolik des Märchens.'' Band 1: ''Versuch einer Deutung.'' Francke, Bern u. a. 1965, S. 133–135.<br />
* Brüder Grimm: ''Kinder- und Hausmärchen. Mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm.'' Band 3: ''Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort'' (= ''Universal-Bibliothek'' 3193). Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichten Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von [[Heinz Rölleke]]. Nachdruck, durchgesehene und bibliografisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 37–38, 448.<br />
* Heinz Rölleke (Hrsg.): ''Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812'' (= ''Bibliotheca Bodmeriana. Texte.'' Bd. 1, {{ZDB|750715-x}}). Fondation Martin Bodmer, Cologny-Genève 1975, S. 70–81, 355–356.<br />
* [[Walter Scherf]]: ''Hänsel und Gretel.'' In: ''[[Enzyklopädie des Märchens]].'' Band 6: ''Gott und Teufel auf Wanderschaft – Hyltén-Cavallius.'' de Gruyter, Berlin u. a. 1990, ISBN 3-11-011763-0, S. 498–509.<br />
* [[Hans-Jörg Uther]]: ''Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation.'' de Gruyter, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 33–37.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource}}<br />
{{Commonscat|Hansel and Gretel}}<br />
* [http://www.archive.org/download/grimm_maerchen_1_librivox/grimm_185_haensel_und_gretel_64kb.mp3 Hänsel und Gretel als mp3-Hörbuch] auf [[LibriVox]]<br />
* [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6516 Texte von Grimm und Bechstein mit zahlreichen Illustrationen]<br />
* [http://www.maerchenlexikon.de/at-lexikon/at327.htm Märchenlexikon.de zu ''Die Kinder bei der Hexe'' AaTh 327]<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.musik-theater.com/02c6d7986c0bd9a49/02c6d7986c1036101/02c6d7986c0f57466/index.html | wayback=20081202102630 | text=Hänsel und Gretel – Die Oper von E. Humperdinck}}<br />
* [http://www.piccolo-puppenspiele.de/ Puppenspielfassung]<br />
* [http://www.maerchenatlas.de/grimms-marchen/hansel-und-gretel/ Märchenatlas.de zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.maerchenapfel.de/haensel-und-gretel/interpretation.html Märchenapfel.de zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.heinrich-tischner.de/50-ku/marchen/marchen/hansel.htm Heinrich Tischner zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.erzaehlkarawane-ammersee.de/geschichtenundinterpretationen/bruedergrimm/haensel_und_gretel/haensel_und_gretel_interpretation.php Interpretation von Daniela Tax zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.surlalunefairytales.com/hanselgretel/index.html SurLaLuneFairyTales.com: Illustrationen, Textfassungen und Interpretationen zu ''Hansel and Gretel'']<br />
* [http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/koehlmeiers-maerchen/maerchen-michael-koehlmeier-haensel-und-gretel100.html Hänsel und Gretel] erzählt von [[Michael Köhlmeier]] in der Sendung [[Köhlmeiers Märchen]] auf [[ARD-Alpha]].<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=w|GND=4193296-1|LCCN=n/82/078774|VIAF=179428515}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Hansel und Gretel}}<br />
[[Kategorie:Hänsel und Gretel| ]]<br />
[[Kategorie:Grimms Märchen]]<br />
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Fiktives Paar]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Liste_der_ARD-alpha-Sendungen&diff=163109106Liste der ARD-alpha-Sendungen2017-02-28T17:22:58Z<p>Exploit: /* Derzeit ausgestrahlte Sendungen */</p>
<hr />
<div>[[Datei:ARD_alpha.svg|miniatur|Logo von ARD-alpha]]<br />
{{Navibox ARD-Sendungen}}<br />
Die '''Liste der ARD-alpha-Sendungen''' ist eine unvollständige Zusammenstellung von Sendungen, die im [[Bildungsfernsehen|Fernseh-Bildungskanal]] [[ARD-alpha]] laufen.<br />
<br />
== Derzeit ausgestrahlte Sendungen ==<br />
{| width="80%"<br />
|- valign="top"<br />
| width="50%" |<br />
* [[alpha-Campus]]<br />
* [[alpha-Centauri]]<br />
* [[alpha-Forum]]<br />
* [[alpha-Jazz]]<br />
* [[alpha-Österreich]]<br />
* [[Anna, Schmidt & Oskar]]<br />
* [[Anschi, Karl-Heinz & Co.]]<br />
* [[Avanti! Avanti!]]<br />
* [[bäckstage Volksmusik]]<br />
* [[Bibliothek der Sachgeschichten]]<br />
* [[Bon Courage]]<br />
* [[BR-Klassik]] im TV<br />
* [[Campus Magazin]]<br />
* [[Denkzeit]]<br />
* [[Deutsch Klasse]]<br />
* [[Die Fernsehtruhe]]<br />
* [[Englisch für Anfänger (Fernsehsendung)|Englisch für Anfänger]]<br />
* [[Geist & Gehirn]]<br />
* [[GRIPS Lernprogramm|GRIPS]]<br />
* [[Heimatbilder]]<br />
* [[Ich mach’s!]]<br />
* [[Jugendbilder aus sechs Jahrzehnten]]<br />
* [[Kant für Anfänger]]<br />
* [[KlickKlack]]<br />
* [[Köhlmeiers Märchen]]<br />
* [[Kunstraum (Fernsehsendung)|Kunstraum]]<br />
* [[Landschaft des Glaubens]]<br />
* [[Lógos (Fernsehsendung)|Lógos]]<br />
| width="50%" |<br />
* [[Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik]]<br />
* [[MORA – Gib Dir echtZeit]]<br />
* [[musica viva – Forum der Gegenwartsmusik]]<br />
* [[Nano (Sendung)|nano]]<br />
* [[Pauk mit: Latein]]<br />
* [[Phase 3]]<br />
* [[Ping Pong (Fernsehsendung)|Ping Pong – Die Familienreportage]]<br />
* [[Planet Wissen]]<br />
* [[Playtime (Sprachkurs)|Playtime]]<br />
* [[punkt.]]<br />
* [[Ralphi – Der Schlaubär aus der Augsburger Puppenkiste]]<br />
* [[Russisch, bitte!]]<br />
* [[Schulfernsehen]]<br />
* [[Space Night]]<br />
* [[Startrampe (Musikmagazin)|Startrampe]]<br />
* [[Stil-Epochen]]<br />
* [[Tagesgespräch]]<br />
* [[Tagesschau (ARD)|Tagesschau]]<br />
* [[Tagesschau vor … (ARD)|Tagesschau vor 25 Jahren]]<br />
* [[Telekolleg]]<br />
* [[The Joy of Painting]]<br />
* [[Viens jouer avec nous]]<br />
* [[Vom Ahorn bis zur Zwiebel]]<br />
* [[Was macht die Zeit, wenn sie vergeht?]]<br />
* [[Was wir noch nicht wissen]]<br />
* [[Wissen macht Ah!]]<br />
* [[Wissenschaft für Schlaflose]]<br />
* [[W wie Wissen]]<br />
|}<br />
<br />
== Ehemals ausgestrahlte Sendungen ==<br />
* [[Blaateen]]<br />
* [[on3-südwild]]<br />
* [[Rückblende (Fernsehsendung)|Rückblende]]<br />
<br />
[[Kategorie:ARD-alpha|!]]<br />
[[Kategorie:Liste (Fernsehsendungen)|ARD-alpha]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Nachtigall_und_die_Rose&diff=163109082Die Nachtigall und die Rose2017-02-28T17:22:13Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>'''Die Nachtigall und die Rose''' ({{enS|''The Nightingale and the Rose''}}) ist ein [[Kunstmärchen]] von [[Oscar Wilde]]. Es erschien 1888 in der Prosasammlung [[Der glückliche Prinz und andere Märchen]]. Von diesen ist es eins der bekannteren, es gibt mehrere Adaptionen für [[Ballett]] und [[Oper]].<br />
<br />
== Inhalt ==<br />
Ein junger Student will mit der Tochter eines Professors auf einem Ball tanzen. Sie willigt aber nur ein, wenn er ihr eine [[Rosen|rote Rose]] mitbringt. Der Student ist unglücklich, da er keine Rose im Garten hat, denn er liebt die Tochter des Professors.<br />
<br />
Eine [[Nachtigall]] hat Mitleid mit ihm und ist beeindruckt von seiner tiefen Liebe, also begibt sie sich auf die Suche nach einer roten Rose. Sie bittet verschiedene Rosensträucher, ihr eine Rose zu überlassen, aber keiner von ihnen ist rot. Als sie den roten Rosenstrauch nach einer Rose fragt, erklärt er, der Winter sei zu hart gewesen und er habe nicht in Blüte gestanden. Er könne aber mit Hilfe des Herzbluts der Nachtigall eine Blüte hervorbringen und rot färben. Die Nachtigall ist dazu bereit, da sie dem Studenten unbedingt helfen will.<br />
<br />
Nachts unterzieht sie sich der schrecklichen Prüfung: sie sticht sich einen Dorn des Rosenstrauchs so tief in die Brust, dass er ihr Herz durchbohrt und singt die ganze Nacht für den Strauch – als die rote Rose am Ende der Nacht erblüht, stirbt sie. Der Student entdeckt am nächsten Morgen die Rose und bringt sie überglücklich sofort der Professorstochter. Diese aber weist ihn ab, weil der Neffe des Kammerherren ihr Schmuck versprochen hat. Enttäuscht wirft der Student die Rose fort und zieht sich in seine Studien zurück.<br />
<br />
== Bearbeitungen fürs Musiktheater ==<br />
{{Belege fehlen}}<br />
*[[Renzo Rinaldo Bossi]] (1883–1965): ''Rosa rossa'' (''L’Usinguolo e la rosa''; op. 18; 1910). Poemetto lirico (Oper) in einem Akt<ref>[http://www.groveopera.com/ groveopera.com]</ref>. [[Libretto]]: Renzo Bossi. UA 1938 Turin<br />
*[[Henry Hadley]] (1871–1937): ''The Nightingale and the Rose'' (op. 54; 1911). Kantate für Sopran, Frauenchor (SSAA) und Orchester. Libretto: E. W. Grant. UA 1911 New York<br />
*[[Hooper Brewster-Jones]] (1887–1949): ''The Nightingale and the Rose'' (1927). Oper. Libretto: ? (nur Orchestersuite erhalten)<br />
*[[Harold Fraser-Simson]] (1872–1944): ''The Nightingale and the Rose'' (1927). Ballett. Libretto: ?<br />
*[[Jānis Kalniņš]] (1904–2000): ''The Nightingale and the Rose'' (1938). Ballett. Libretto: ?<br />
*[[Margaret Garwood]]: ''The Nightingale and the Rose'' (1973). Oper. Libretto: ?<br />
*Friedrich Voss (* 1930): ''Die Nachtigall und die Rose'' (1961). Ballett. Libretto: ?. UA 1962 Oberhausen<br />
*[[Jonathan Rutherford]]: ''The Nightingale and the Rose''. Oper (1966). Libretto: ?<ref>[http://www.argonet.co.uk/users/jonruth/ argonet.co.uk]</ref><br />
*[[Roger Hannay]]: ''The Nightingale and the Rose'' (1986). Multi-Media-Stück. Libretto: ?<br />
*[[Elena Firsova]]: ''The Nightingale and the Rose'' (op. 46; 1990/91). Kammeroper<ref>[http://www.boosey.com/pages/opera/moreDetails.asp?musicId=5752 boosey.com]</ref>. Libretto: Elena Firsova (unter Verwendung von Gedichten von [[Christina Rossetti]])<br />
*[[Jan Müller-Wieland]]: ''Die Nachtigall und die Rose'' (1996). Kammeroper in einem Akt. UA 1996 Darmstadt<br />
*[[Bruce Sled]] (* 1975): ''The Nightingale and the Rose'' (1998). Oper. Libretto: ?. UA 6.&nbsp;November 1998 Vancouver (Chan Center for the Performing Arts; [[Irene Kurka]] [Nightingale], [[University of British Columbia|UBC]] Opera Ensemble; Dirigent: Richard Epp; Regie: Nancy Hermiston)<br />
* [[Wendelin Bitzan]]: ''Die Nachtigall und die Rose''. Ein Märchen in Tönen in zwei Bildern (2004) für vier Gesangssolisten, Erzähler und Klavier, Libretto von [[Dirk Schmeding]], UA: 2006 in Bückeburg<br />
* [[Michael Starke]]: ''Die Nachtigall und die Rose'', Kammeroper in 4 Szenen (2005–2006/2008), UA: 2010 in Bayreuth<br />
<br />
== Hörbuch ==<br />
* ''Die Nachtigall und die Rose'', gelesen von Anna R. von [[Rosenstolz]], Verlag: der sprachraum<br />
<br />
== Sonstiges ==<br />
* [[Chris de Burgh]] verwendete den Stoff für den Song ''The Nightingale'' in seinem Album ''[[Moonfleet & Other Stories]]''.<ref>[http://www.magistrix.de/lyrics/Chris%20de%20Burgh/The-Nightingale-Uebersetzung-1096602.html ''The Nightingale'' – Übersetzung] auf magistrix.de</ref><br />
* In dem 2011 erschienenen Album ''Sturm aufs Paradies'' von [[Saltatio Mortis]], einer Mittelalter-/Folk-Rock Band, gibt es ein Lied namens ''Nachtigall und Rose'', das die Geschichte nacherzählt.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.artpassions.net/wilde/nightingale.html Onlinetext mit Originalillustrationen]<br />
* [http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/koehlmeiers-maerchen/maerchen-nachtigall-rose100.html Die Nachtigall und die Rose] erzählt von [[Michael Köhlmeier]] in der Sendung Köhlmeiers Märchen auf [[ARD-alpha]].<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Oscar Wilde}}<br />
{{SORTIERUNG:Nachtigall und die Rose, Die}}<br />
[[Kategorie:Märchen]]<br />
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Englisch)]]<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Werk von Oscar Wilde]]<br />
<br />
[[en:The Happy Prince and Other Tales#"The Nightingale and the Rose"]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=H%C3%A4nsel_und_Gretel&diff=163091652Hänsel und Gretel2017-02-28T07:24:00Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
<br />
[[Datei:Hänsel und Gretel2.jpg|mini|Hänsel und Gretel, Darstellung von [[Alexander Zick]]]]<br />
[[Datei:1903 Ludwig Richter.jpg|mini|Illustration von [[Ludwig Richter]], 19.&nbsp;Jahrhundert]]<br />
<br />
'''Hänsel und Gretel''' ist ein [[Märchen]] ([[Aarne-Thompson-Index|ATU]] 327A). Es steht in den [[Grimms Märchen|Kinder- und Hausmärchen]] der [[Brüder Grimm]] an Stelle 15 (KHM 15). Dort schrieb sich der Titel ab der 2. Auflage ''Hänsel und Grethel''. [[Ludwig Bechstein]] übernahm es zeitweise in sein [[Deutsches Märchenbuch]] als ''Vom Hänschen und Gretchen, die in die roten Beeren gingen''.<br />
<br />
== Inhalt nach der Fassung von 1812 ==<br />
Hänsel und Gretel sind die Kinder eines armen Holzfällers, der mit seiner Frau im Wald lebt. Als die Not zu groß wird, überredet sie ihren Mann, die beiden Kinder im Wald auszusetzen. Der Holzfäller führt die beiden am nächsten Tag in den Wald. Doch Hänsel hat die Eltern belauscht und legt eine Spur aus kleinen weißen Steinen, anhand derer die Kinder zurückfinden. So kommt es, dass der Plan der Mutter scheitert. Doch der zweite Versuch, die Kinder auszusetzen, gelingt: Dieses Mal haben Hänsel und Gretel nur eine Scheibe Brot dabei, die Hänsel zerbröckelt, um eine Spur zu legen. Die wird jedoch von Vögeln aufgepickt. Dadurch finden die Kinder nicht mehr nach Hause und verirren sich. Am dritten Tag finden die beiden ein Häuschen, das ganz aus Brot, Kuchen und Zucker hergestellt ist. Zunächst brechen sie Teile des Hauses ab, um ihren Hunger zu stillen. In diesem Haus lebt jedoch eine [[Hexe]], die eine Menschenfresserin ist. Sowohl in der Urfassung der Märchen von 1812 als auch in den späteren Ausgaben bis zur „Ausgabe letzter Hand“ von 1857 ruft sie in einer Art von [[Onomatopoesie|Lautmalerei]]: <!-- Originalzitat, bitte nicht ändern -->„Knuper, knuper, kneischen, wer knupert an meinem Häuschen?“<ref>Originalzitat der Brüder Grimm, gleichlautender Text in den Ausgaben der KHM 1812, 1819, 1837, 1840, 1843, 1850 und 1857, ''[[s:Hänsel und Gretel|Hänsel und Gretel]]'' auf Wikisource. Siehe auch „Ausgabe letzter Hand“ von 1857, Philipp Reclam, Stuttgart 2007, S. 104.</ref><br />
<br />
In Ludwig Bechsteins ''Deutschem Märchenbuch 1856'' lautet der Text, abweichend von den Brüdern Grimm: „''Knusper, knusper, kneischen! Wer knuspert mir am Häuschen?''“.<ref>Originalzitat Ludwig Bechstein: ''Sämtliche Märchen.'' 1983, S. 62, siehe auch beispielsweise den [http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/brueder-grimm/haensel-und-gretel-1.html#Bechstein Textabdruck im Goethezeitportal].</ref> Die Antwort der Kinder dagegen ist bei Bechstein und in der erweiterten Fassung der Brüder Grimm von 1819 identisch: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“.<ref>Bechstein: ''Sämtliche Märchen.'' 1983, S. 62.</ref><br />
<br />
Die Hexe lässt sich nicht täuschen, fängt die beiden, macht Gretel zur Dienstmagd und mästet Hänsel in einem Käfig, um ihn später aufzuessen. Hänsel wendet jedoch eine List an: Um zu überprüfen, ob der Junge schon dick genug ist, befühlt die halbblinde Hexe jeden Tag seinen Finger. Hänsel streckt ihr nun jedes Mal einen kleinen Knochen entgegen, um sie zu täuschen. Als sie erkennt, dass der Junge anscheinend nicht fett wird, verliert sie die Geduld und will ihn sofort braten. Die Hexe befiehlt Gretel, in den Ofen zu sehen, ob dieser schon heiß sei. Gretel aber behauptet, zu klein dafür zu sein, sodass die Hexe selbst nachsehen muss. Als sie den Ofen öffnet, schiebt Gretel die böse Hexe hinein. Die Kinder nehmen Schätze aus dem Hexenhaus mit und finden den Weg zurück zum Vater. Die Mutter ist inzwischen gestorben. Nun leben sie glücklich und leiden keinen Hunger mehr.<br />
<br />
<gallery class="center" caption="[[Briefmarken-Jahrgang 1961 der Deutschen Bundespost|Briefmarken der Deutschen Bundespost (1961)]]"><br />
DBP 1961 369 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Hänsel wirft Brotkrümel auf den Weg.<br />
DBP 1961 370 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Hänsel und Gretel treffen die Hexe.<br />
DBP 1961 371 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Die Hexe versucht Hänsel zu mästen.<br />
DBP 1961 372 Wohlfahrt Hänsel und Gretel.jpg|Der Vater freut sich über die Rückkehr von Hänsel und Gretel.<br />
</gallery><br />
<br />
== Die zweite Fassung von 1819 ==<br />
[[Datei:Hänsel und Gretel.jpg|mini|Hänsel und Gretel, Darstellung von Alexander Zick]]<br />
In dieser Fassung erfährt das Märchen eine Erweiterung. Nach dem Tod der Hexe finden die Kinder zunächst nicht nach Hause, sondern geraten an ein Gewässer, das sie nicht überqueren können. Schließlich schwimmt eine Ente herbei, die die Kinder über das Wasser trägt. Anschließend kommt ihnen die Gegend bekannt vor, und die Kinder kehren zurück. Ludwig Bechstein folgt in seinem „Deutschen Märchenbuch“ weitgehend dieser zweiten Fassung der Brüder Grimm, erweitert aber die Handlung um einen dankbaren weißen Vogel, der die Krümel aufgepickt hat und den Kindern nach dem Tod der Hexe den Weg nach Hause zeigt.<br />
<br />
Seit der Fassung der Brüder Grimm von 1840 ist es nicht mehr die eigene Mutter, auf deren Betreiben die Kinder im Wald ausgesetzt werden, sondern eine [[Stiefmutter]].<br />
<br />
== Herkunft ==<br />
Die Quellen für Wilhelm Grimms handschriftliche Urfassung von 1810 sind unbekannt. Seine Anmerkung von 1856 notiert zur Herkunft: „Nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen.“ In Schwaben sitze im Zuckerhäuschen ein Wolf. Er nennt noch [[Karoline Stahl|Stahl]] „S. 92 das Häuschen von Zuckerwerk“; [[Heinrich Pröhle|Pröhle]] Nr. 40; [[Ludwig Bechstein|Bechstein]] 7, 55; [[August Stöber|Stöbers]] ''Das Eierkuchenhäuschen'' in ''elsaß. Volksbuch S. 102''; dänisch ''Pandekagehuset''; schwedisch bei [[Gunnar Olof Hyltén-Cavallius|Cavallius]] S. 14. 26; ungarisch bei [[Heinrich Christoph Gottlieb Stier|Stier]] S. 43; albanisch bei [[Johann Georg von Hahn|Hahn]] 164. 165; serbisch bei [[Vuk Stephanović Karadžić|Vuk]] Nr. 35; [[Ignaz Vinzenz Zingerle|Zingerles]] ''Das Märchen von den Fanggen'' in ''Kinder- und Hausmärchen''; ein Stück in [[Jakob Jeremias Oberlin|Oberlins]] ''Essai sur le patois''; [[Pentameron]] 5,8; [[Marie-Catherine d’Aulnoy|Aulnoy]] Nr. 11 ''Finette Cendron''; Zingerle S. 138; Cavallius 31. Grimm sieht in deutschen Erzählungen einen Zusammenhang zum [[Däumling]] (KHM [[Daumesdick|37]], [[Daumerlings Wanderschaft|45]]), bei Zingerle ''S. 235 der daumlange Hansel'' und ''[[Altdeutsche Wälder]]'' 3, 178. 179.<ref>Brüder Grimm. ''Kinder- und Hausmärchen. Mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm.'' Band 3. 1994, S. 37–38, 448.</ref><br />
<br />
Verglichen mit der Urfassung von 1810 ist die Erstausgabe von 1812 v.a. in den Dialogen im Hexenhaus ausführlicher. Die Namen der Kinder wurden entsprechend dem neuen Titel in den Text eingefügt, sowie die frommen Redensarten „schlaf nur, lieb Gretel, der liebe Gott wird uns schon helfen“ und „Gott gab es aber Gretel ein“.<ref>Rölleke (Hrsg.): ''Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm.'' 1975, S. 70–81.</ref> Ab der 2. Auflage bindet der Vater einen Ast an den Baum, um durch den Wind die Axtschläge vorzutäuschen. Das passt zu „der Wind ! der Wind ! das himmlische Kind !“, wie die Kinder nun der Hexe antworten (laut Wilhelm Grimms Notiz von [[Henriette Dorothea Wild]]<ref>Uther: ''Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.'' 2008, S. 33.</ref>). Ein schneeweißes Vöglein bringt die Kinder zum Hexenhaus (ab 5. Aufl.), eine weiße Ente trägt sie übers Wasser heim (ab 2. Aufl.; vgl. KHM [[Jorinde und Joringel|69]] bzw. [[Die drei Männlein im Walde|13]], [[Die weiße und die schwarze Braut|135]]). Ab der 5. Auflage wird die Stiefmutter mit der Hexe durch ähnliche Rede parallelisiert („steht auf, ihr Faulenzer…“), sie schimpft die Kinder, als wären sie mutwillig lange im Wald geblieben, dazu kommen die Redensarten „hernach hat das Lied ein Ende“; „Wer A sagt, muss auch B sagen“. Wurde Hänsel in der Urfassung als Schweinchen und ab der Erstausgabe als „Hühnlein“ eingesperrt, so kommt er jetzt einfach in einen Stall, „er mochte schreien, wie er wollte“. Wilhelm Grimm ergänzt ab der 6. Auflage die Charakterisierung der Hexe wohl in Anlehnung an KHM 69 ''[[Jorinde und Joringel]]'': „Die Hexen haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine feine Witterung, wie die Tiere, und merkens, wenn Menschen herankommen.“<br />
<br />
Wilhelm Grimm nahm Anleihen von [[August Stöber]]s ''Das Eierkuchenhäuslein'' (1842), das aber selbst auf Grimms Text beruht. [[Walter Scherf]] meint, dass in Grimms Kreisen eher mit literarischer als mit mündlicher Überlieferung zu rechnen ist, auch angesichts der Verbreitung von [[Charles Perrault|Perraults]] und [[Marie-Catherine d’Aulnoy|d'Aulnoys]] Märchen. Das Zuckerhäuschen scheint eine Erfindung biedermeierlicher Romantik und könnte auf Arnims Erwähnung eines Märchens zurückgehen, das F.D. Gräter kannte.<ref>Scherf: ''Hänsel und Gretel.'' In: ''Enzyklopädie des Märchens.'' Band 6. 1990, S. 500.</ref><br />
<br />
Das Märchen zeigt eine Polarisierung von Gut und Böse, unterstützt durch Oppositionen: Eltern- und Hexenhaus, Innen- und Außenraum, Hunger und Mästung, Trennung und Wiedersehen. Die Kinder steigen vom Tod wieder auf, der ihnen von Stiefmutter und Hexe zugedacht war.<ref>Uther: ''Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.'' 2008, S. 34.</ref> Vgl. in [[Giambattista Basile]]s [[Pentameron]] I,10 ''[[Die geschundene Alte]]'', V,8 ''[[Ninnillo und Nennella]]''. Zum Flug über das Wasser vgl. [[Styx]] oder [[Evangelium nach Matthäus|Mt]] 14,29.<br />
<br />
== Einflüsse und Vorläufer ==<br />
Das Märchen stammt aus mündlicher Überlieferung und wurde außer von den Brüdern Grimm und Bechstein von [[Franz von Pocci]] nacherzählt und illustriert. Es erschien auch 1844 im „Deutschen Volkskalender“ von [[Friedrich Wilhelm Gubitz]].<br />
In der Eingangsmotivik ist das Märchen von [[Charles Perrault|Perraults]] ''[[Der kleine Däumling|Le petit poucet]]'', einem [[Däumling]]smärchen abhängig, wo neben dem Ausstreuen von Kieselsteinen und Brot auch das Motiv der Menschenfresserei vorkommt.<ref>Anhang mit Kommentaren zum Deutschen Märchenbuch von Ludwig Bechstein, S. 786f.</ref><br />
<br />
Die Namen „Hänsel“ und „Gretel“ greifen die verbreitetsten Taufnamen Johannes und Margarete auf und begegnen in dieser Zusammenstellung in der Frühen Neuzeit häufig als fiktive Platzhalternamen.<ref>Vgl. Hans und Grete im ''[[Kirchliche Trauung|Traubüchlein]]'' (1529) von [[Martin Luther]] oder die Kölner Sage von [[Johann von Werth#Sage von Jan un Griet|Jan und Griet]].</ref><br />
<br />
== Zur Motivik ==<br />
In der Urfassung der Brüder Grimm, ebenso wie in Ludwig Bechsteins Märchensammlung, ist es statt einer [[Stiefmutter]] noch die eigene Mutter, was dem Märchen eine eher sozialkritische Bedeutung gibt. Die Kinder werden ausgesetzt, weil die Familie verhungert. Bei Bechstein stirbt die Mutter nicht, sondern macht sich zusammen mit dem Vater Sorgen um die Kinder und bereut, sie fortgeschickt zu haben. In diesem Moment betreten die Kinder das Haus, und die Not hat ein Ende.<br />
<br />
In der späten Fassung der Brüder Grimm ähnelt das Märchen in seinem Ausgangsmotiv vielen [[Stiefmutter#Die Stiefmutter im Märchen|Stiefmuttermärchen]].<br />
<br />
== Interpretation ==<br />
Nach [[Hedwig von Beit]] tritt die nahrungsspendende Hexe als [[Mutterarchetyp|Große Mutter]] auf, hier Blendwerk in kindlichen Wunschphantasien. Ein Vogel leitet zu ihr, d.h. intuitives Hinausträumen. Die Wandlung erfolgt im inneren Feuer der Leidenschaft (vgl. KHM [[Frau Trude|43]], [[Schneewittchen|53]]). Dabei ist der Ofen ebenfalls Symbol der Großen Mutter, sie vernichtet sich also selbst und damit auch ihr Gegenbild der versagenden Stiefmutter.<ref>Hedwig von Beit: ''Symbolik des Märchens.'' 1952, S. 133–135.</ref><br />
<br />
Laut [[Bruno Bettelheim]] passt die Ausgangssituation zur verbreiteten kindlichen Angst, von den Eltern verstoßen zu werden und verhungern zu müssen. Hänsels Wegmarkierung mit Kieselsteinen ist noch angemessen, doch beim zweiten Mal erliegt er oraler Regression, "Brot" als Bild für Nahrung drängt sich in den Vordergrund. Das zeigt sich auch daran, dass die Kinder vom Lebkuchenhaus essen können. Zugleich ist das Lebkuchenhaus auch ein Bild des (Mutter-)Leibes, der das Kind vor und nach der Geburt ernährt. Doch die Kinder müssen lernen, sich davon zu emanzipieren. Das große Wasser, das die Kinder bei der Rückkehr überqueren, ohne ihm zuvor begegnet zu sein, symbolisiert den Reifungsschritt, den die Kinder machen, als sie planend ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Gretel weiß, dass man das allein tun muss. Indem zu Beginn des Märchens einmal Hänsel der Retter ist und zum Ende nun Gretel, lernen die Kinder, auf sich selbst, auf einander und auf Altersgenossen zu vertrauen. Jetzt sind sie dem Elternhaus eine Stütze und tragen durch die mitgebrachten Schätze sogar zum Ende der Armut bei.<ref>Bruno Bettelheim: ''Kinder brauchen Märchen.'' 31. Auflage 2012. dtv, München 1980, ISBN 978-3-423-35028-0, S. 183–191.</ref><br />
<br />
Auch für [[Eugen Drewermann]] beschreibt ''Hänsel und Gretel'' orales Mangelerleben als Ursache depressiver Schuldgefühle und Essstörungen.<ref>Eugen Drewermann: ''Die erschöpfte Seele – von Chancen und Schicksal der Depression.'' Seminar 7.–8. März 2008, Nürnberg, Auditorium, CD 1/4.</ref> [[Johannes Wilkes]] berichtet, magersüchtige Mädchen sprächen oft von ''Hänsel und Gretel'' oder ''[[Tischlein deck dich]]'' an.<ref>Johannes Wilkes: „Märchen und Psychotherapie“ in: Kurt Franz (Hrsg.): ''Märchenwelten. Das Volksmärchen aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen.'' 2003.</ref> Der Psychiater [[Wolfdietrich Siegmund]] nimmt an, dass das Märchen [[Schizophrenie|Schizophrenen]] in ihrer Ratlosigkeit über Gut und Böse helfe.<ref>Frederik Hetmann: ''Traumgesicht und Zauberspur. Märchenforschung, Märchenkunde, Märchendiskussion. Mit Beiträgen von Marie-Louise von Franz, Sigrid Früh und Wolfdietrich Siegmund.'' Fischer, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-596-22850-6, S. 123.</ref><br />
<br />
Der [[Homöopathie|Homöopath]] [[Herbert Pfeiffer]] denkt beim Motiv materiellen Mangels an ''Calcium carbonicum'', [[Martin Bomhardt]] an ''Medorrhinum''.<ref>Herbert Pfeiffer: ''Die Umwelt des kleinen Kindes und seine Arznei.'' In: Uwe Reuter, Ralf Oettmeier (Hrsg.): ''Die Wechselwirkung von Homöopathie und Umwelt. 146. Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte.'' Erfurt 1995, S. 53–56.; Martin Bomhardt: ''Symbolische Materia medica.'' 3. Auflage. Verlag Homöopathie + Symbol, Berlin 1999, ISBN 3-9804662-3-X, S. 878.</ref> Nach [[Wilhelm Salber]] haben sich wiederholende Handlungen mit der Kontrolle des Überlebens zu tun, und werden durch Schwärmerei (Hexenhaus) nur überdeckt, während neue Zufälle (die Ente als Transportmittel) echte Entwicklung einleiten. Immer wieder sich ereignende Grundsituationen bringen ihre eigene Umwandlung mit sich.<ref>[[Wilhelm Salber]]: ''Märchenanalyse'' (= Wilhelm Salber: ''Werkausgabe.'' Bd. 12). 2., erweiterte Auflage. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 53, 95–97.</ref> [[Ortrud Stumpfe]] konstatiert, dass in ''Hänsel und Gretel'' eine wirksame Entfaltung fehle: Die Kinder überlisten zwar die dumpfe Naturgewalt, kehren aber dann einfach ins Kindermilieu zurück.<ref>Ortrud Stumpfe: ''Die Symbolsprache der Märchen.'' 7., verbesserte und erweiterte Auflage. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1992, ISBN 3-402-03474-3, S. 211.</ref><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
[[Datei:Haensel und Gretel 3778-Peralta.jpg|mini|hochkant=1.35|Humperdincks Oper an der [[Staatsoper Wien]], 2015]]<br />
Vgl. ''[[Der goldne Rehbock]]'' und ''[[Der kleine Däumling]]'' in [[Ludwig Bechstein]]s [[Deutsches Märchenbuch]] (in der Ausgabe von 1845 auch ''[[Fippchen Fäppchen]]'' und ''[[Der Garten im Brunnen]]'') und ''[[Vom Knaben, der das Hexen lernen wollte]]'' in [[Neues deutsches Märchenbuch]].<br />
<br />
''Hänsel und Gretel'', ein Kindermärchen und vielleicht bekanntestes Märchen überhaupt, passt gut zum Ideal der [[Einfache Form|einfachen Form]]. Parodien bewegen sich immer wieder auf sehr einfachem Niveau. [[Roland Lebl]] hält moderne Kinder für so sachlich, dass die erzählende Oma Reißaus nimmt.<ref>Roland Lebl: ''Es war einmal ...'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 91–93 (zuerst erschienen in: ''Simplicissimus.'' Nr. 12, 21. März 1959, S. 182; Autorenangabe „Lebl, Roland“ bei Mieder mit „?“ markiert.).</ref> ''[[Meister Eder und sein Pumuckl|Pumuckl auf Hexenjagd]]'' schlägt bei Meister Eder Alarm, weil er das Märchen der Nachbarin glaubt. [[Julius Neff]] schrieb eine Parodie.<ref>Julius Neff: ''Hansl & Gretl.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 99–101 (zuerst erschienen in: Ludwig Merkle (Hrsg.): ''Gans, du hast den Fuchs gestohlen. Lustiges für Kinder.'' Fischer, Frankfurt 1969, S. 32–33; Julius Neff laut Mieder Pseudonym von Ludwig Merkle).</ref> Parodien wie [[Josef Wittmann]]s kurzes Gedicht<ref>Josef Wittmann: ''Hänsel und Gretel.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 44 (1976; zuerst erschienen in: Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.): ''Neues vom Rumpelstilzchen und andere Haus-Märchen von 43 Autoren.'' Beltz & Gelberg, Weinheim/Basel 1976, S. 196.).</ref> oder [[Wolfgang Sembdner]]s „Alphabetisch“ (von „Armut“ bis „Zack“)<ref>Wolfgang Sembdner: ''Alphabetisch.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 44–49 (1977; zuerst erschienen in: Wolfgang Sembdner: ''Grimmskrams. Parodistische Hänseleien.'' Nürnberg 1981, S. 5.).</ref> greifen die Sozialkritik mit Kinderaussetzen und Hexentötung in sehr einfacher Form auf, so auch [[Fritz Vahle]] („Der Backofen dort / Die Alte muß fort …“).<ref>Fritz Vahle: ''Hänsel und Gretel.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 46 (1986; zuerst erschienen in: Fritz Vahle: ''Märchen. Der Zeit angepaßt und in Verse gefasst.'' Justus von Liebig, Darmstadt, S. 10.).</ref> [[Karin Struck]] deutet ironisch die Hexe im Backofen als Mutterhass.<ref>Karin Struck: ''Erinnerungen an Hänsel und Gretel.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 94–98 (zuerst erschienen in: Jochen Jung (Hrsg.): ''Bilderbogengeschichten. Märchen, Sagen, Abenteuer. Neu erzählt von Autoren unserer Zeit.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, S. 203–206.).</ref> [[Wolfgang Sembdner]] erzählt die Geschichte mit lauter Dichternamen: „...da lebte ein [[Thomas Mann]]. Er hatte zwei [[Frank Wedekind|Wedekinder]] aber kein [[Max Brod]] im [[Gottfried Keller]]…“.<ref>Wolfgang Sembdner: ''Dichter-Wald.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 45 (1977; zuerst erschienen in: Wolfgang Sembdner: ''Grimmskrams. Parodistische Hänseleien.'' Nürnberg 1981, S. 11.).</ref> Bei [[Josef Reding]] streut das Kind unterwegs den teuren Torf aus dem Auto, weil es das Märchen geglaubt hat.<ref>Josef Reding: ''Reste einer gestrigen Mitteilung.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 102–108 (zuerst erschienen in: Josef Reding (Hrsg.): ''Schonzeit für Pappkameraden.'' Bitter, Recklinghausen 1977, S. 52–57.).</ref> Bei [[Rudolf Otto Wiemer]] finden die Pflegekinder ihre nicht-arische Großmutter im Wald und werden abgeholt, damit der Vater bei der NSDAP befördert wird.<ref>Rudolf Otto Wiemer: ''Hänsel und Gretel oder: Die richtige Großmutter.'' In: Johannes Barth (Hrsg.): ''Texte und Materialien für den Unterricht. Grimms Märchen - modern. Prosa, Gedichte, Karikaturen.'' Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-015065-8, S. 47–54 (1987; zuerst erschienen in: Rudolf Otto Wiemer: ''Der dreifältige Baum. Waldgeschichten.'' Quell, Stuttgart 1987, S. 182–190.).</ref> [[Beate Mitzscherlich]] und [[Ulla Hahn]] parodierten die Handlung aus Sicht von Stiefmutter bzw. Hexe.<ref>Beate Mitzscherlich: ''Weggeschafft.'' Ulla Hahn: ''Liebe Luzifera.'' In: ''Die Horen.'' Bd. 1/52, Nr. 225, 2007, {{ISSN|0018-4942}}, S. 8, 205–210.</ref> [[Otto Waalkes]] parodierte mehrfach das Lied, auch mit Fast-Food-Restaurant oder als Parodie auf den Schlager ''[[Alles nur geklaut (Lied)|Alles nur geklaut]]'' („Knusperhaus im Wald / ohne Mietkaution, na wo gibt’s das schon …“). ''Hänsel und Gretel'' kommen auch in [[Kaori Yuki]]s [[Manga]] ''[[Ludwig Revolution]]'' vor.<br />
<br />
=== Parodien ===<br />
* [[Iring Fetscher]]: ''Hänsel und Gretels Entlarvung oder Eine Episode aus der Geschichte des Präfaschismus.'' In: Iring Fetscher: ''Wer hat Dornröschen wachgeküßt? Das Märchen-Verwirrbuch.'' Fischer, Frankfurt&nbsp;a.&nbsp;M. 1974.<br />
* Iring Fetscher: ''Streit um „Hänsel und Gretel“.'' Edler von Goldeck berichtet vom dritten Internationalen Märchendeuterkongress in Oil Lake City, Texas (1975). In: Iring Fetscher: ''Der Nulltarif der Wichtelmänner. Märchen und andere Verwirrspiele.'' Fischer, Frankfurt a.&nbsp;M. 1984.<br />
* [[Dieter Harder]]: ''Hanselus Gretulaque.'' In ''Der altsprachliche Unterricht.'' 29, 4/1986, S. 70.<br />
* [[Paul Maar]]: ''Die Geschichte vom bösen Hänsel, der bösen Gretel und der Hexe.'' In: Paul Maar: ''Der tätowierte Hund,'' 1967. Süddeutsche Zeitung Verlag, München.<br />
* [[Hans Traxler]]: ''Die Wahrheit über Hänsel und Gretel'', 1963. Neuere Auflage: Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002. Neuste Auflage: Reclam, Stuttgart 2007. („Traxlers Buch parodiert investigativen Wissenschaftsjournalismus.“)<br />
* [[Michael Ende]]: ''Ein sehr kurzes Märchen.''<br />
: ''Hänsel und Knödel, die gingen in den Wald.<br />Nach längerem Getrödel rief Hänsel plötzlich: „Halt!“<br />Ihr alle kennt die Fabel, des Schicksals dunklen Lauf:<br />Der Hänsel nahm die Gabel und aß den Knödel auf.''<br />
* [[Walter Moers]]: ''[[Ensel und Krete]]. Ein Märchen aus Zamonien von Hildegunst von Mythenmetz mit Erläuterungen aus dem Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Professor Dr. Abdul Nachtigaller.'' Eichborn, Frankfurt&nbsp;a.&nbsp;M. 2000.<br />
* ''[[I, Robot (Film)|I, Robot]]:'' In dem Film ''I, Robot'' (u.&nbsp;a. mit [[Will Smith]]) wird die Geschichte durch das „Krümel für Krümel“-Schema hervorgehoben, der Drehbuchautor deutet so darauf hin, dass dieses Märchen auch in „Zukunft“ seine Bekanntheit nicht verlieren werde.<br />
<br />
=== Puppenspiel-Adaption ===<br />
* [[Piccolo Puppenspiele]]: ''Hänsel und Gretel'' (mit Gerd J. Pohl als Puppenspieler und [[Charles Regnier]] als Erzähler); Uraufführung: 1999 in [[Bonn]]<br />
<br />
=== Musikalische Bearbeitungen ===<br />
{{Hauptartikel|Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald}}<br />
* Kinderreim/-lied:<br />
*:<small>&nbsp;[[Anonymität|Anonym]] – Volksweise um 1900</small><br />
<poem style="margin-left:2em;"><br />
Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.<br />
Es war so finster und auch so bitter kalt.<br />
Sie kamen an ein Häuschen von Pfefferkuchen fein.<br />
Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein.<br />
<br />
Hu, hu, da schaut eine alte Hexe raus!<br />
Lockte die Kinder ins Pfefferkuchenhaus.<br />
Sie stellte sich gar freundlich, o Hänsel, welche Not!<br />
Ihn wollt’ sie braten im Ofen braun wie Brot.<br />
<br />
Doch als die Hexe zum Ofen schaut hinein,<br />
Ward sie gestoßen von unserm Gretelein.<br />
Die Hexe musste braten, die Kinder geh’n nach Haus.<br />
Nun ist das Märchen von Hans und Gretel aus.<br />
</poem><br />
* [[Engelbert Humperdinck]]: ''[[Hänsel und Gretel (Oper)|Hänsel und Gretel]]'', Oper (Uraufführung: 23. Dezember 1893 in [[Weimar]]).<br />
** Hans-Joachim Drechsler, Schweriner Blechbläser-Collegium: ''Hänsel und Gretel'', nach dem Märchenspiel von Engelbert Humperdinck, bearbeitet für einen Erzähler und neun Blechbläser<br />
* Henri Rene: ''Hansel And Pretzel'', Jazz-Tune<br />
<br />
=== Verfilmungen ===<br />
Die erste Verfilmung von ''Hänsel und Gretel'' stammt aus dem Jahr 1897; Filmpionier [[Oskar Messter]] verfilmte es als [[Stummfilm]]<ref>[http://www.filmportal.de/film/haensel-und-gretel_45cf47c5940e4a3ea2d16ab7c2b09ede ''Hänsel und Gretel'' – Stummfilm von 1897]</ref>. Es folgten mehrere weitere Stummfilm-Verfilmungen, unter anderem 1921 von Hans Walter Kornblum<ref>[http://www.filmportal.de/institution/colonna-film-gmbh-hanns-walter-kornblum-berlin_344fd8d62aaf4a93a2425de2cf0a2562 ''Hänsel und Gretel'' – Stummfilm von 1921]</ref> und 1932 von [[Alf Zengerling]]. 1940 folgte die erste von mehreren Verfilmungen als [[Tonfilm]]:<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1940)|Hänsel und Gretel]]'', D 1940, Regie: [[Hubert Schonger]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Myerberg)|Hänsel und Gretel]]'', USA 1954, Regie: [[Michael Myerberg]], [[John Paul (Regisseur)|John Paul]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Genschow)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1954, Regie: [[Fritz Genschow]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1954, Janssen)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1954, Regie: [[Walter Janssen (Schauspieler)|Walter Janssen]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (1971)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 1971, Regie: [[Rudolf Jugert]]<br />
* ''[[Cannon Movie Tales: Hänsel und Gretel]]'' (Original: ''Cannon Movie Tales – Hansel and Gretel''), USA 1987, Regie: [[Len Talan]]<br />
* ''Ossegg oder Die Wahrheit über Hänsel und Gretel'', BRD 1987, Regie: [[Thees Klahn]] (Verfilmung einer Parodie)<br />
* [[Grimms Märchen (Anime)|Gurimu Meisaku Gekijō]], japanische Zeichentrickserie 1987, Folge 2: ''Hänsel und Gretel''<br />
* [[SimsalaGrimm]], deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 1, Folge 3: ''Hänsel und Gretel''<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (2006)|Hänsel und Gretel]]'', BRD 2006, Regie: [[Anne Wild]]<br />
* ''Hänsel und Gretel – Ein Fall für die Supergranny'', Parodie in der Reihe ''[[Die ProSieben Märchenstunde]]'' (Deutschland/Österreich; 2007)<br />
* ''Hansel und Gretel (헨젤과 그레텔)'', südkoreanischer Horrorfilm 2007, Regie: [[Pil-Sung Yim]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel (2012)|Hänsel und Gretel]]'' D 2012, Regie: [[Uwe Janson]]<br />
* ''Hänsel und Gretel'', USA 2013, [[Mockbuster]] von [[The Asylum]]<br />
* ''[[Hänsel und Gretel: Hexenjäger]]'' (Original: ''Hansel and Gretel: Witch Hunters''), USA 2013, Regie: [[Tommy Wirkola]]<br />
* ''Hänsel und Gretel – Black Forest'' (Original: ''Hänsel & Gretel Get Baked''), USA 2013, Regie: [[Duane Journey]]<br />
* ''Hänsel und Gretel'' - Opernverfilmung, [[Wiener Staatsoper]], D 2015, Regie: Agnes Méth<br />
<br />
=== Sonstiges ===<br />
[[Datei:Gingerbreadhouse.jpg|mini|Knusperhäuschen mit Hexe]]<br />
* Das [[Lungenkräuter|Lungenkraut]] wird auch als ''Hänsel und Gretel'' bezeichnet.<br />
* Als ''Hänsel und Gretel'' werden zwei Häuser am [[Großer Ring|Großen Ring]] in [[Breslau]] bezeichnet.<br />
* ''Hans und Grete'' waren die Codenamen der RAF-Terroristen [[Andreas Baader]] und [[Gudrun Ensslin]].<br />
* ''Hänsel und Gretel'' ist eine Stiftung, die Kinder vor Übergriffen schützen soll, s. [[Notinsel]]<br />
* Die Stadt [[Bergisch Gladbach]] benannte eine Straße nach ''Hänsel und Gretel''.<br />
* In Wald bei [[Lüdersen]] ([[Region Hannover]]) befindet sich ein Hänsel-und-Gretel-Hexenhaus.<br />
* [[Hanzel und Gretyl]] ist eine US-amerikanische Metal-Band.<br />
* Die [[Lebkuchen]]häuschen (auch ''Pfefferkuchenhäuschen'' oder ''Knusperhäuschen'') der [[Weihnachtsgebäck|Weihnachtsbäckerei]] beziehen sich in ihrer Darstellung auf das Märchen.<br />
* Hänsel und Gretel von [[Lorenzo Mattotti]]. Umsetzung als Grafische Erzählung, Carlsen Verlag 2011, ISBN 978-3-551-51762-3.<br />
* Das [[Browsergame]] und [[Adventure]] [[Gretel and Hansel]] der Firma Newgrounds erzählt das Märchen mit zahlreichen Horrorelementen nach.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Ludwig Bechstein: ''Sämtliche Märchen. (Vollständige Ausgabe der Märchen Bechsteins nach der Ausgabe letzter Hand unter Berücksichtigung der Erstdrucke).'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983.<br />
* [[Hedwig von Beit]]: ''Symbolik des Märchens.'' Band 1: ''Versuch einer Deutung.'' Francke, Bern u. a. 1965, S. 133–135.<br />
* Brüder Grimm: ''Kinder- und Hausmärchen. Mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm.'' Band 3: ''Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort'' (= ''Universal-Bibliothek'' 3193). Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichten Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von [[Heinz Rölleke]]. Nachdruck, durchgesehene und bibliografisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 37–38, 448.<br />
* Heinz Rölleke (Hrsg.): ''Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812'' (= ''Bibliotheca Bodmeriana. Texte.'' Bd. 1, {{ZDB|750715-x}}). Fondation Martin Bodmer, Cologny-Genève 1975, S. 70–81, 355–356.<br />
* [[Walter Scherf]]: ''Hänsel und Gretel.'' In: ''[[Enzyklopädie des Märchens]].'' Band 6: ''Gott und Teufel auf Wanderschaft – Hyltén-Cavallius.'' de Gruyter, Berlin u. a. 1990, ISBN 3-11-011763-0, S. 498–509.<br />
* [[Hans-Jörg Uther]]: ''Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation.'' de Gruyter, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 33–37.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource}}<br />
{{Commonscat|Hansel and Gretel}}<br />
* [http://www.archive.org/download/grimm_maerchen_1_librivox/grimm_185_haensel_und_gretel_64kb.mp3 Hänsel und Gretel als mp3-Hörbuch] auf [[LibriVox]]<br />
* [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6516 Texte von Grimm und Bechstein mit zahlreichen Illustrationen]<br />
* [http://www.maerchenlexikon.de/at-lexikon/at327.htm Märchenlexikon.de zu ''Die Kinder bei der Hexe'' AaTh 327]<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.musik-theater.com/02c6d7986c0bd9a49/02c6d7986c1036101/02c6d7986c0f57466/index.html | wayback=20081202102630 | text=Hänsel und Gretel – Die Oper von E. Humperdinck}}<br />
* [http://www.piccolo-puppenspiele.de/ Puppenspielfassung]<br />
* [http://www.maerchenatlas.de/grimms-marchen/hansel-und-gretel/ Märchenatlas.de zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.maerchenapfel.de/haensel-und-gretel/interpretation.html Märchenapfel.de zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.heinrich-tischner.de/50-ku/marchen/marchen/hansel.htm Heinrich Tischner zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.erzaehlkarawane-ammersee.de/geschichtenundinterpretationen/bruedergrimm/haensel_und_gretel/haensel_und_gretel_interpretation.php Interpretation von Daniela Tax zu ''Hänsel und Gretel'']<br />
* [http://www.surlalunefairytales.com/hanselgretel/index.html SurLaLuneFairyTales.com: Illustrationen, Textfassungen und Interpretationen zu ''Hansel and Gretel'']<br />
* [http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/koehlmeiers-maerchen/maerchen-michael-koehlmeier-haensel-und-gretel100.html Hänsel und Gretel in der Sendung Köhlmeiers Märchen im Bayerischen Rundfunk]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=w|GND=4193296-1|LCCN=n/82/078774|VIAF=179428515}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Hansel und Gretel}}<br />
[[Kategorie:Hänsel und Gretel| ]]<br />
[[Kategorie:Grimms Märchen]]<br />
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Fiktives Paar]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Exploit&diff=162660450Benutzer Diskussion:Exploit2017-02-15T07:48:22Z<p>Exploit: /* Du wurdest auf der Seite Vandalismusmeldung gemeldet (2017-02-15T07:34:39+00:00) */</p>
<hr />
<div>== Literatur ==<br />
<br />
=== Allgemeine Literatur ===<br />
* [[Irene Reif]]: ''Dort unten wandelt an dem Bach... : Romantische Winterreise durchs Fichtelgebirge.'' In: Franken - meine Liebe, Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1989, S. 24f, ISBN 3-291615-91-7<br />
<br />
==== Nachschlagewerke ====<br />
* Dietmar Herrmann, Helmut Süssmann: ''Fichtelgebirge, Bayerisches Vogtland, Steinwald, Bayreuther Land : Lexikon.'' Ackermannverlag, Hof 2000, ISBN 3-929364-18-2<br />
<br />
=== Bildbände ===<br />
* [[Reinhard Feldrapp]] (Fotos), Günter Hertel: ''Das Fichtelgebirge''. H. Stürtz, Würzburg 1984, ISBN 3-8003-0220-9<br />
* Gerhard Bayerl, Manfred Schultes (Fotos), [[Bernhard Setzwein]]: ''Steinmeer und Siebenstern.'' Buch- und Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2000, ISBN 3-924350-84-1<br />
* Reinhard Feldrapp (Fotos), Bernd Häuser: ''Fichtelgebirge. Streifzüge durch das granitene Hufeisen.'' Echter Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-429-02539-7<br />
* Franz X. Bogner: ''Das Fichtelgebirge im Luftbildporträt''. Ellwanger, Bayreuth 2008, ISBN 978-3-925361-68-5, [http://d-nb.info/990951391/04 Inhaltsverzeichnis]<br />
<br />
=== Wander- und Reiseführer ===<br />
* Gernot Messarius: ''Fichtelgebirge : Naturpark zwischen Bayreuth, Hof und Selb ; Städte, Orte und Strecken.'' (= Goldstadt-Reiseführer Nr. 2318) Goldstadtverlag, Pforzheim 1982, ISBN 3-87269-318-2 (aktuelle Ausgabe: ''Fichtelgebirge : Steinwald, Bayreuth, Kulmbach, Hof ; Reisen und Wandern, Kunst und Kultur.'' Späthling, Weißenstadt-Ruppertsgrün 2014, ISBN 978-3-942668-14-9 [http://d-nb.info/1050002326/04 Inhaltsverzeichnis])<br />
* [[Friedrich Wilhelm Singer]], Georg Pöhlein: ''Fichtelgebirge : das granitene Hufeisen.'' Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1983, ISBN 3-921615-54-2<br />
* Werner A. Widmann, Wilkin Spitta: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land.'' (= HB-Bildatlas Nr. 64), HB und Pegasus, Hamburg und Stuttgart 1987, ISBN 3-616-06064-8 (aktualisierte Neuausgabe: Helga Schnehagen: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land : vom oberen Maintal bis zum Vogtland: Lichtenfels, Kulmbach, Kronach, Hof, Selb ; Bayreuth mit Stadtplan.'' (= HB-Bildatlas Nr. 190), HB und Mairs Geographischer Verlag, Hamburg und Ostfildern 1998, ISBN 3-616-06290-X)<br />
* [[Godehard Schramm]], Bernd-Heinz Häuser: ''Fichtelgebirge-Frankenwald-Steinwald. Die schönsten Ausflugsziele.'' Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1992, ISBN 3-475-52732-4<br />
* Reinhard Müller, Horst Ruhl: ''Mit Kindern im Fichtelgebirge. Wo Wandern zum Erlebnis wird.'' Fleischhauer & Spohn Verlag, Bietigheim 1994, ISBN 3-87230-520-4<br />
<br />
=== Bergbau ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Vom Bergbau im Fichtelgebirge.''<br />
:: ''Teil 1: ''Kohler, Wunsiedel 1989 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 11, {{ISSN|0175-5048}})<br />
:: ''Teil 2: ''Kohler, Wunsiedel 1990 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 12, {{ISSN|0175-5048}})<br />
<br />
=== Forstgeschichte ===<br />
* Karl-Heinz Mayer: ''Die Forstgeschichte des Fichtelgebirges.'' (= Forstliche Forschungsberichte München Nr. 167), Frank, München 1998<br />
<br />
=== Hydrologie ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Gewässerkunde Fichtelgebirge.'' In: ''Der Siebenstern ; Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz '' Wunsiedel 2003, S. 4f {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
=== Zeitschriften ===<br />
* ''[[Der Siebenstern]]. Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz.'' Erscheint seit 1927 in Wunsiedel. {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
== Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten ==<br />
<br />
Hallo Exploit! Ich habe gesehen, dass du in den vergangenen Tagen in vielen Artikel einen Ein-Satz-Absatz mit Weblinks zu Radiomitschnitten ergänzt hast. Allerdings habe wir hier in der Wikipedia die Regel, dass innerhalb des Artikeltextes keine Weblinks gesetzt werden (dürfen), wogegen du nun reihenweise verstoßen hast (siehe [[Wikipedia:Weblinks#Wo können Weblinks eingefügt werden?]]). Bitte ändere deine Einfügungen also alle dahingehend, dass du diesen einen Satz unter die Weblinks verschiebst, denn nur dort (und im Belege-Abschnitt) werden Weblinks auf externe Seiten geduldet. Dankeschön. -- Gruß [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 17:36, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Mach es doch selbst, Du scheinst ja nix besseres zu tun zu haben.--[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 18:10, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:::Du hast Bockmist gebaut, also räum gefälligst selbst auf. -- [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 18:31, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
::::Müll meine Seite nicht zu und lass mich in Ruhe du Wichtigtuer. --[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 18:44, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
<br />
== Du wurdest auf der Seite [[Wikipedia:Vandalismusmeldung#Benutzer:Exploit|Vandalismusmeldung]] gemeldet (2017-02-15T07:34:39+00:00) ==<br />
Hallo Exploit, Du wurdest auf der o.&nbsp;g. Seite gemeldet. Weitere Details kannst du dem '''[[Wikipedia:Vandalismusmeldung#Benutzer:Exploit|dortigen Abschnitt entnehmen]]'''. Wenn die Meldung erledigt ist, wird sie voraussichtlich [[Wikipedia:Vandalismusmeldung/Archiv/2017/02/15#Benutzer:Exploit|hier]] archiviert werden.<br /><br />
Wenn du zukünftig nicht mehr von diesem Bot informiert werden möchtest, trage dich [[Benutzer:Euku/Opt-out: VM-Nachrichtenempfänger|hier]] ein. – [[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 08:34, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
: Ich habe mit sehr viel AGF die VM ohne Sanktionen geschlossen. Bitte lies dir [[WP:KPA]] und [[WP:Weblinks]] durch. Danke & Gruß --[[Benutzer:Mikered|Mikered]] ([[Benutzer Diskussion:Mikered|Diskussion]]) 08:45, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Was steht denn da über Radiobeiträge? --[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 08:48, 15. Feb. 2017 (CET)</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Steuergerechtigkeit&diff=162660193Steuergerechtigkeit2017-02-15T07:44:16Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>Die '''Steuergerechtigkeit''' ist ein wesentlicher Grundsatz des [[Steuerrecht]]s und spezieller Ausdruck des grundrechtlich zugesicherten [[Gleichheitssatz]]es.<br />
<br />
== Historische Grundlagen ==<br />
Ein moderner Staat benötigt zur Finanzierung seiner vielfältigen [[Staatsausgaben|Aufgaben]] [[Staatseinnahmen|Einnahmen]], die im Wesentlichen durch die Besteuerung seiner Bürger erzielt werden. Bereits im Altertum verlangte die jeweilige Obrigkeit Abgaben. Der [[Ökonom]] [[Adam Smith]] vertrat bereits 1776 die Ansicht, dass die Bürger eines jeden Staates „zum Unterhalt der Regierung möglichst genau im Verhältnis zu ihren jeweiligen Fähigkeiten beitragen“ sollen und galt damit als erster Verfechter der Steuergerechtigkeit. In seinem Buch [[Der Wohlstand der Nationen]] warnte er 1776 vor der [[Steuerflucht]], wenn die Besitzer beweglichen Kapitals bei hohen Steuern ihr „Vermögen in irgendein anderes Land bringen“.<ref>Adam Smith, ''Der Wohlstand der Nationen'', 1776, Book 5, Chapter 26</ref> Er stellte hierin die [[Besteuerungsgrundsätze]] der [[Gleichmäßigkeit der Besteuerung|Gleichmäßigkeit]] ({{enS|''equality''}}), [[Staatsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz (Deutschland)|Bestimmtheit]] ({{enS|''certainty''}}), [[Bequemlichkeit]] ({{enS|''convenience''}}) und [[Billigkeit]] ({{enS|''economy''}}) auf.<br />
<br />
Der preußische Finanzminister [[Johannes von Miquel]] entwickelte 1891 ein modernes [[Einkommensteuer]]system. Aufgrund der Einführung einer allgemeinen [[Steuererklärung]]spflicht und der progressiven Besteuerung diente es anderen deutschen Ländern als Vorbild. In einem demokratischen Gemeinwesen müssen die Besteuerungsgrundsätze wegen der Legitimationsproblematik offengelegt werden, da die Durchsetzung und die praktische Umsetzung allgemeiner Besteuerungsregeln eng mit der Akzeptanz der [[Steuergesetz]]e durch den Bürger verknüpft ist. Das wiederum berührt die Steuergerechtigkeit und der damit zusammenhängenden steuerlichen Auswirkungen auf das Einkommensgefüge.<br />
<br />
== Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung ==<br />
Die Steuergerechtigkeit fordert, dass sich die Steuer an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers orientiert ([[Leistungsfähigkeitsprinzip]]) und dass sie in sich schlüssig ausgestaltet ist ([[Gebot der Folgerichtigkeit|Folgerichtigkeitsprinzip]]).<ref>{{BVerfGE|66|214}} [223]</ref><br />
<br />
Als fundamentaler Besteuerungsgrundsatz ist sie unverzichtbarer Bestandteil des [[Steuersystem (Steuerrecht)|Steuersystems]]. Auch unter dem Aspekt der Akzeptanz der jeweiligen Besteuerung, ist eine möglichst gerechte Verteilung der Steuerlast erforderlich. Ein Steuersystem, das den gesellschaftlichen Interessengruppen ausgeliefert ist, wird von den Bürgern als ungerecht empfunden und zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Steuerumgehungsmöglichkeiten können das Rechtsempfinden mit der Bedrohung der Einnahmeerzielung (Abwanderung ins Ausland) erheblich stören.<br />
<br />
Die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hängt als Maß für die Steuerlast von der wirtschaftlichen Position des Steuerzahlers ab. Hier wird unterschieden zwischen:<br />
<br />
* Horizontaler Steuergerechtigkeit:<br /> Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit sind auch gleich hoch zu besteuern<br />
* Vertikaler Steuergerechtigkeit:<br /> Steuerpflichtige mit ungleicher Leistungsfähigkeit müssen auch unterschiedlich besteuert werden<br />
<br />
Daraus ergeben sich drei Probleme:<br />
* Woran soll die Leistungsfähigkeit gemessen werden (Indikatorenproblem),<br />
* wie soll der [[Steuertarif]] ausgestaltet werden und<br />
* wie soll das Gerechtigkeitspostulat in den [[Steuergesetz]]en umgesetzt werden?<br />
<br />
Als Indikator der Leistungsfähigkeit gelten das [[Einkommen]], der [[Konsum]] und in gewissem Umfang auch das [[Vermögen (Wirtschaft)|Vermögen]]. Die [[Einkommensteuer]] und die [[Körperschaftsteuer]] besteuern das Einkommen, die [[Umsatzsteuer]] den Konsum, die [[Erbschaftsteuer]] und die [[Vermögensteuer]] das Vermögen.<br />
<br />
Probleme zeigen sich bei der Eingrenzung des steuerpflichtigen Einkommens.<br />
Nach der ''Reinvermögenszugangstheorie'' sollen alle erzielten Einnahmen und Wertsteigerungen bzw. Vermögensmehrungen zwischen zwei Stichtagen besteuert werden.<br />
Nach der ''Quellentheorie'' sollen nur regelmäßig zufließende Einnahmen besteuert werden.<br />
<br />
Weiterhin wurden die sogenannte ''Opfertheorie'' entwickelt, die von einem sinkenden [[Grenznutzen]] des Einkommens ausgeht. Grenznutzen: Je mehr Geld ein Individuum besitzt, desto geringer ist der Nutzen des einzelnen Euros. Man vergleiche z.B. eine Person, die mit 100 Euro einen ganzen Monat überleben muss mit einer Person, die im Monat 10.000 Euro zur Verfügung hat. Bei ersterer ist der Nutzen jedes einzelnen Euros groß, bei letzterer kommt es auf einen Euro mehr oder weniger nicht an. Die Opfertheorie wird jedoch nicht als eindeutiges und schlüssiges Konzept zur Ausgestaltung der vertikalen Leistungsfähigkeit verstanden.<br />
<br />
== Selbstständige und Nichtselbstständige ==<br />
Ein besonderer Fall ist die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichheit der Besteuerung bei der Besteuerung von [[Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Deutschland)|Einkünften aus selbständiger Arbeit]] einerseits und den [[Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Deutschland)|Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit]] andererseits.<br />
<br />
Das [[Nettoeinkommen]] eines Selbständigen repräsentiert zum einen die Entlohnung für das [[Unternehmerrisiko]], welches er eingegangen ist, sowie eine [[Rendite]] für das Kapital, welches er investiert hat und ggf. auch die Entlohnung für seinen persönlichen Einsatz. Stattdessen könnte er seine Arbeitskraft auch auf dem [[Arbeitsmarkt]] anbieten und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die beiden [[Einkunftsart]]en gleich besteuert werden sollten.<br />
<br />
Wenn ein [[Steuersystem (Steuerrecht)|Steuersystem]] Begünstigungen für Selbständige vorsieht, kann das ein Anreiz sein, eine selbständige Tätigkeit anzustreben. Die Folge könnten Neugründungen von kleineren Firmen und „Subcontracting“ -Firmen sein. Andererseits kann eine deutlich höhere Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit die Produktivkräfte in ein Angestelltenverhältnis drängen. Neben nur unwesentlich höheren, gleich hohen oder sogar niedrigeren Einkünften aus selbständiger Arbeit, nimmt hier der Faktor der [[Risikoaversion]] vor Jobverlust proportional zu und führt zu einer höheren individuellen Bewertung des Angestelltenverhältnisses im Vergleich zur Selbständigkeit.<br />
<br />
Unter Annahme einer gleichen Besteuerung von selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit, also gleichem x und mind. <math>r > 0</math> oder <math>i > 0</math> ergibt sich ein proportional höheres Nettoeinkommen aus selbständiger Arbeit im Vergleich zum Nettoeinkommen aus nichtselbständiger Arbeit. Kapitaleinkommen sind zur Vergleichbarkeit vernachlässigt.<br />
<br />
<math>E_1 = (1+r) \cdot\ (1+i) \cdot\ L(1-x_1) \,</math><br />
<br />
<math>E_2 = L \cdot\ (1-x_2) \,</math><br />
<br />
* <math>E_1</math> = Nettoeinkommen aus selbständiger Arbeit<br />
* <math>E_2</math> = Nettoeinkommen aus nichtselbständiger Arbeit<br />
* <math>r</math> = fiktive Entlohnung für Unternehmerwagnis<br />
* <math>i</math> = fiktiver Zinssatz für Eigenkapital / Entschädigung für Zinszahlungen für Fremdkapital<br />
* <math>L</math> = Lohn für Arbeitsleistung<br />
* <math>x_1, x_2</math> = Steuersätze<br />
* <math>RG</math> = Reservationsgrenze<br />
<br />
Muss ein [[Individuum]] entscheiden, ob es Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus nichtselbständiger Arbeit beziehen will, kann dies nicht objektiv beurteilt werden aufgrund der individuellen Reservationsgrenze und der individuellen Bewertung der Einkunftssicherheit.<br />
<br />
<math>E_1 > RG < E_2</math><br />
<br />
Festzustellen ist aber, dass mit einem niedrigeren <math>x_1</math>, also Steuerbegünstigungen für Einkünfte aus selbständiger Arbeit, <math>E_1</math> proportional größer wird als <math>E_2</math> und die Wahrscheinlichkeit, dass bei mehr Individuen die Reservationsgrenze überschritten wird, proportional auch größer wird.<br />
Andererseits wird aber auch deutlich, dass ein hoher Steuersatz <math>x_1</math>, das Individuum direkt in ein Angestelltenverhältnis drängt. Neben nur unwesentlich höheren, gleichen oder sogar niedrigeren Einkünften <math>E_1</math>, nimmt hier auch der Faktor der Risikoaversion vor Jobverlust proportional zu, und lässt das Individuum, das Angestelltenverhältnis noch höher bewerten, also die <math>RG</math> nach oben verschieben.<br />
<br />
== Minimalvorgaben ==<br />
In Deutschland haben sich durch Rechtsprechung des [[Bundesverfassungsgericht]]s die folgenden Minimalvorgaben zur Bestimmung der steuerlichen Leistungsfähigkeit herausgebildet:<br />
<br />
* Steuerfreiheit des [[Existenzminimum]]s:<br />Dem Steuerzahler muss nach der Besteuerung genügend Geld für ein menschenwürdiges Leben bleiben. Als Untergrenze dieses Mindestbedarfs wird der [[Sozialhilfe (Deutschland)|Sozialhilfesatz]] für Bedürftige verwendet.<br />
<br />
* Familiensteuergerechtigkeit:<br />Die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber Angehörigen muss berücksichtigt werden.<br />
<br />
* Gleichmäßigkeit der Besteuerung, [[Rechtsformneutralität]]:<br />Unabhängig davon, welche [[Rechtsform]] für ein [[Unternehmen]] gewählt wird, sollten vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte eine gleiche steuerliche Belastung erzeugen.<br />
<br />
* Soziale Steuergerechtigkeit:<br />Anreize zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit, zum Sparen und zur Eigentumsbildung. Allerdings darf durch eine zu scharfe [[Steuerprogression]] mit dem Ziel der [[Umverteilung]]<ref>[http://www.destatis.de/basis/d/fist/fisttab4.php Statistisches Bundesamt: Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2001]</ref><ref>[http://luaforge.net/frs/?group_id=49&release_id=347 Einkommen 2001, Berechnung der Umverteilung durch Steuern]</ref> die Leistung nicht so stark „bestraft“ werden, dass Leistungsträger ins Ausland abwandern.<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Iska Schreglmann: ''Gespräch mit Dr. Laura Seelkopf - Steuern und Gerechtigkeit.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-bf/_-iS/_ArP9-gp571S/170112_0905_radioWissen_Gespraech-mit-Dr-Laura-Seelkopf---Steuern-u.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioWissen auf Bayern 2] , [http://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/sendung-1502366.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jürgen Borchert]]: ''Sozialstaatsdämmerung'', Riemann Verlag, München 2013, ISBN 9783570501603<br />
* [[Ulrich Schneider]]: ''Mehr Mensch! Gegen die Ökonomisierung des Sozialen'', Frankfurt/M. 2014<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<references /><br />
<br />
<br />
[[Kategorie:Finanzwissenschaft]]<br />
[[Kategorie:Steuern und Abgaben]]<br />
[[Kategorie:Rechtsphilosophie]]<br />
[[Kategorie:Steuerrecht]]<br />
{{Rechtshinweis}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schl%C3%B6sser_der_Loire&diff=162660102Schlösser der Loire2017-02-15T07:38:53Z<p>Exploit: Änderungen von Sir Gawain (Diskussion) auf die letzte Version von Exploit zurückgesetzt</p>
<hr />
<div>[[Datei:AzeyParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|[[Schloss Azay-le-Rideau]] an der Indre]]<br />
[[Datei:RiveauCastle.jpg|thumb|upright=1.4|Ehemalige [[Burg Le Rivau]] ]]<br />
Zu den '''Schlössern der Loire''' zählen über 400 Schlossanlagen, die entlang der [[Loire]] und ihrer Nebenflüsse in den französischen Regionen [[Pays de la Loire]], [[Centre-Val de Loire]] und [[Burgund]] stehen. Das Tal der Loire ab [[Orléans]] bis zur Mündung des Flusses in den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] stellt zusammen mit den Nebentälern von [[Indre (Fluss)|Indre]] und [[Cher (Fluss)|Cher]] eines der beliebtesten Reiseziele in [[Frankreich]] dar. Hier entstand vom [[Mittelalter]] an eine einmalige Ansammlung von [[Burg]]en und [[Schloss (Architektur)|Schlössern]] aus allen Epochen der europäischen Kunstgeschichte.<br />
<br />
Im [[Miniaturpark Loireschlösser]] (französisch: Mini-Châteaux Val de Loire) in [[Amboise]] sind Modelle von 44 der bekanntesten Schlösser der Loire im Maßstab 1:25 zu sehen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Während des [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieges]], der von 1337 bis 1453 dauerte, bildete die Loire zeitweise die Grenze zwischen den von England besetzten Gebieten im Norden und dem französischen Kernland. Während dieser Zeit wurde hier ein massiver Ausbau der Burgen und Festungen betrieben, die als Bollwerke gegen die Engländer dem Schutz der Anwohner dienen sollten. Nach dem Ende des Krieges verloren die zumeist [[Gotik|gotischen]] Burganlagen ihre strategische Bedeutung, so dass einige verfielen und aufgegeben wurden. Auf den Fundamenten anderer wurden hier allerdings seit dem Beginn der [[Renaissance]] im 16. Jahrhundert die heutigen Schlösser errichtet. Wegen der Schönheit des Tales ließ sich der [[Adel]] bevorzugt an der Loire nieder, die [[Feudalismus|Feudalherren]] hielten hier Hof und herrschten von hier über ihre [[Lehnswesen|Lehen]]. Im 15. und 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der [[Loire-Könige]], trug sich hier ein Großteil der französischen Politik zu, so dass [[Paris]] zeitweise provinziellen Charakter annahm. <br />
<br />
Das Loiretal behielt seine kulturelle und politische Bedeutung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit der 1528 erfolgten Rückkehr des Hofes nach Paris begann dann der politische und kulturelle Bedeutungsverlust des Loiretals, obwohl unter dem Einfluss der aus [[Italien]] stammenden Königin [[Katharina von Medici]] hier noch einmal französische Kultur und Lebenskunst gepflegt wurden. Während der Krise der [[Hugenottenkriege]] zog sich der Hof zwar an die Loire zurück, ohne dass aber eine neue Blütezeit einsetzte. Mit dem Thronantritt [[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrichs IV.]] verlagerte sich der Mittelpunkt des politischen und kulturellen Lebens in Frankreich endgültig zurück in den Pariser Raum. Insbesondere nach dem Bau des [[Schloss Versailles|Schlosses Versailles]] zeigte sich mehr und mehr, dass die Loire-Schlösser nun in der Provinz lagen und eine große Hofhaltung des Adels hier zu aufwändig wurde. Doch wurden viele der Schlossanlagen nicht gänzlich verlassen, sondern weiterhin bewohnt und manchmal auch erweitert; so dass man heute alle Baustile von der Renaissance über das [[Barock]] und den [[Klassizismus]] bis zum [[Historismus]] antreffen kann. Viele Schlösser wurden auch als [[Jagdschloss|Jagdschlösser]] oder [[Sommerresidenz]]en weiter genutzt. <br />
<br />
Die Schlösser und Burgen liegen zum Teil nur wenige Kilometer voneinander entfernt, das Loiretal liegt in einer der schönsten Landschaften Frankreichs, ist meist recht eben und wie geschaffen zum Radfahren. Die gesamte Region ist touristisch hervorragend erschlossen.<br />
<br />
Im [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs Berry]] finden sich viele Bildnisse der Loireschlösser in ihrer Gestalt aus dem 15. Jahrhundert.<br />
<br />
[[Datei:Châteaux de la Loire - Karte.jpg|mini|750px|center|Schlösser an der Loire]]<br />
<br />
== Kulturhistorisch herausragende Bauwerke ==<br />
<br />
=== Amboise ===<br />
<br />
[[Datei:AmboiseHofseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Amboise, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Amboise]]''<br />
<br />
Das Schloss von Amboise gilt als „die Wiege der Renaissance in Frankreich“. Nach seiner Rückkehr aus den italienischen Feldzügen beschloss der junge [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl VIII.]], das Schloss im Stil der [[Renaissance]] zu verzieren und zu erweitern. Am 7. April 1498 kam er bei einem Unfall ums Leben: Er stieß sich den Kopf an einem niedrigen Türrahmen heftig an und verstarb kurz darauf an seinen Verletzungen. [[Leonardo da Vinci]] verbrachte im [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] [[Schloss Clos Lucé|Clos-Lucé]] unterhalb des Schlosses die letzten drei Jahre seines Lebens, vom Frühling 1516 bis zum 2. Mai 1519. Heute ist das Haus ein Museum, in dem man Fresken des Malers sowie Modelle nach seinen Entwürfen finden kann. <br />
<br />
In der Nähe von Amboise steht eine 40&nbsp;Meter hohe [[Pagode]] als letzter Überrest des [[Schloss Chanteloup|Schlosses Chanteloup]], das dem Herzog von [[Étienne-François de Choiseul|Choiseul]] gehörte, der Minister [[Ludwig XV.|Ludwigs des XV.]] war.<br />
<br />
=== Blois ===<br />
<br />
[[Datei:Blois LouisXII interior.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Blois, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Blois]]''<br />
<br />
Außer an Chambord baute Franz I. auch am Schloss Blois, das ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Planungs- und Arbeitsschritten errichtet wurde. Am Bau macht sich der architektonische Einfluss Italiens bemerkbar. Unter [[Schiefer]]dächern und verzierten Schornsteinen findet man eine lange [[Galerie (Architektur)|Galerie]] und zahlreiche [[Loggia|Loggien]], die mehr zum milden Klima Italiens passen als zum strengen französischen Winter des 16. Jahrhunderts. <br />
<br />
Blois hat eine besonders blutige Geschichte: Hier ließ [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich III.]] am 23. Dezember 1588 seinen Rivalen, den [[Henri I. de Lorraine, duc de Guise|Herzog von Guise]], „den Vernarbten“, ermorden. Katharina von Medici starb einige Tage später. [[Ludwig XII.]] wurde in Blois geboren. Als er König wurde, war Blois für ein paar Jahre die alleinige [[Residenz]] und damit politisches Zentrum Frankreichs. Dank aufwendiger [[Restaurierung]]en kann man heute nicht nur die prachtvolle [[Täfelung|Holzvertäfelung]], sondern auch ein ausgetüfteltes System von Geheimfächern bestaunen.<br />
<br />
=== Chambord ===<br />
<br />
[[Datei:ChambordParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Chambord, Parkansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chambord]]''<br />
<br />
Chambord ist das wohl berühmteste Schloss der Loire. Es besitzt 440 Zimmer und fast 400 Kamine. Die Fassade ist 156 Meter breit und das reich verzierte Dach ist geschmückt mit einer Vielzahl von Erkern, Türmchen und Schornsteinen. 18000 Handwerker sollen für König [[Franz I. (Frankreich)|Franz I.]] an diesem Schloss gearbeitet haben. Der Bau wurde im Jahre 1519 begonnen. Das Schloss gilt als Vorläufer von [[Schloss Versailles|Versailles]], war jedoch für Franz I. nur [[Jagdschloss]] für den [[Hofstaat]], Dekor für Empfänge und für die Prachtentfaltung eines Königs, der seine politischen und wirtschaftlichen Misserfolge mit baulichen Glanzleistungen wettmachen wollte. Vergeblich hatte der [[Haus Valois|Valois]] Franz I. die [[Kurfürst]]en bei der [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaiserwahl]] 1519 mit Unsummen zu kaufen versucht, um auf den deutschen Kaiserthron zu gelangen. Nun baute er mit "triumphalem Ungestüm" und der Hilfe italienischer Künstler ein Schloss, das nach dem Urteil seines habsburgischen Rivalen, [[Karl V. (HRR)|Karl V.]], „Inbegriff dessen war, was menschliche Kunst vermag“. Der Bau der Schlossanlage brachte den zeitweiligen Ruin der Hoffinanzen mit sich.<br />
<br />
Eine Besonderheit ist die möglicherweise von [[Leonardo da Vinci]] entworfene doppelläufige Wendeltreppe, die man auf zwei sich nirgends kreuzenden Wegen besteigen kann. Zum Schloss gehört eine Parkanlage mit einer 32&nbsp;Kilometer langen Mauer, der längsten Frankreichs, die den [[Schlosspark]] umschließt. Sechs Tore und sechs Alleen bieten Zugang zum Schloss, in dem das Wappentier Franz I., ein Feuer speiender [[Salamander]], mehr als 800 Mal zu finden ist; es wurde daher auch als „Salamanderschloss“ bezeichnet. 1947 übernahm der französische Staat die im Laufe der Jahrhunderte verfallene Anlage. Er leitete eine Restaurierung ein, die 30 Jahre dauern sollte.<br />
<br />
=== Chenonceau ===<br />
<br />
[[Datei:Schloss Chenonceau.JPG|thumb|upright=1.4|Schloss Chenonceau]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chenonceau]]''<br />
<br />
Das Schloss Chenonceau ist auf einer mehrbogigen Brücke über dem [[Cher (Fluss)|Cher]] gebaut, einem Nebenfluss der Loire, und ist umgeben von einem großen Park. Man erreicht es über eine Platanenallee aus jahrhundertealten Bäumen.<br />
<br />
Das Schloss, das auf den Fundamenten einer alten Mühle steht, war ein Geschenk König [[Heinrich II. (Frankreich)|Heinrichs II.]] an seine Geliebte [[Diana von Poitiers|Diane de Poitiers]]. Erst nach dem Tod des Königs erweiterte es seine Witwe Katharina von Medici durch eine dreistöckige Galerie auf der Brücke, die im 16. Jahrhundert unter anderem als Festsaal diente. Heute sind im Schloss viele wertvolle Gemälde von Rubens, Tintoretto und anderen Alten Meistern ausgestellt.<br />
<br />
1914 wurde die Galerie des Schlosses vorübergehend in ein Lazarett umgewandelt, in dem bis zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] über 2000 Kriegsversehrte untergebracht wurden. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war dieses Schloss für viele Menschen ein Schlupfloch vor der deutschen Besatzungsmacht: Der Haupteingang des Schlosses lag im besetzten Gebiet, die Südtür der Galerie auf der Rückseite aber öffnete sich zur freien Zone hin.<br />
<br />
== Weitere bekannte Schlösser ==<br />
<br />
=== Im Tal der Loire ===<br />
; Alphabetisch:<br />
[[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Serrant|Serrant]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]]<br />
<br />
; Dem Flusslauf folgend:<br />
[[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]], [[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Serrant|Serrant]] [[Datei:Castle Le Lude 2007 02.jpg|thumb|Schloss Le Lude]]<br />
<br />
=== Im Tal des Cher ===<br />
[[Schloss Ainay-le-Vieil|Ainay-le-Vieil]], [[Schloss Valençay|Valençay]], [[Schloss Villandry|Villandry]]<br />
<br />
=== Im Tal der Indre ===<br />
[[Schloss Azay-le-Rideau|Azay-le-Rideau]], [[Schloss Loches|Loches]], [[Schloss Ussé|Ussé]]<br />
<br />
=== Im Tal der Vienne ===<br />
[[Burg Chinon|Chinon]], <br />
[[Burg Le Rivau|Le Rivau]]<br />
[[Datei:Angers Castle Royal mansion 2007.jpg|thumb|Königlicher Wohntrakt Angers]]<br />
<br />
=== Im Tal des Loir ===<br />
[[Schloss Châteaudun|Châteaudun]], [[Schloss Le Lude|Le Lude]], [[Schloss Le Plessis-Bourré|Le Plessis-Bourré]]<br />
<br />
=== Im Tal der Maine ===<br />
[[Schloss Angers|Angers]]<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* [[Thomas Grasberger]]: ''Loireschlösser.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-NP_2bH/160313_0905_radioReisen_Schloesser-und-andere-Prachtbauten-in-Frank.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 36:03, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/frankreich-schloesser-prachtbaueten-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Commons|Châteaux de la Loire|Schlösser an der Loire}}<br />
* [http://www.chateaux-de-la-loire.fr/schloesser_der_loire.htm Portalseite für die Schlösser der Loire]<br />
* [http://www.weinbrand24.de/Fotogalerie/Loire/Frankreich-Loire.htm Eine Sammlung von Fotos, Videos und ein Reisebericht zu den Schlössern der Loire]<br />
<br />
[[Kategorie:Schloss in Frankreich|!]]<br />
[[Kategorie:Loire|~Schlosser]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Vandalismusmeldung&diff=162660095Wikipedia:Vandalismusmeldung2017-02-15T07:38:27Z<p>Exploit: /* Benutzer:Exploit */</p>
<hr />
<div>{{Weiterleitungshinweis|WP:VM|Siehe auch: [[Wikipedia:Vermittlungsausschuss]].}}<br />
{{/Intro}}<!-- Beachte bitte, dass Anzahl Tage („Alter=“) mit „Wikipedia:Vandalismusmeldung/Intro“ übereinstimmen soll. --><br />
<br />
== [[Benutzer:Peter neuhaus]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|Peter neuhaus}} Friedjof. --[[Benutzer:Gridditsch|Gridditsch]] 23:35, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:ja, das ist er; Es ist aber kein offensichtlicher Vandalismus ersichtlich; der Artikel ist ausnahmsweise sogar mit Belegen ausgestattet und enthält kaum Rechtschreibfehler... Vom bloßen Sperrumgehungen jagen wird die WP nicht inhaltreicher, lieber MW-ähh, Griddisch. Gruß, --[[Benutzer:Foreign Species|Foreign Species]] ([[Benutzer Diskussion:Foreign Species|Diskussion]]) 02:59, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Tja, ich sag schon lange: Socken dicht machen und Hauptaccount mit Auflagen freigeben. Spart ne Menge Arbeit. --[[Benutzer_Diskussion:Zxmt|Zxmt]] <sup>[[Benutzer:Zxmt|Nutze Dein Stimmrecht!]]</sup> 08:25, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<br />
== [[Benutzer:Aalfons]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|Aalfons}} wegen der [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Auskunft&diff=162628205&oldid=162628182 Diffamierung von Menschen] und dem Versuch, eine konstruktive Diskussion zu stören. Der Beitrag ist nicht im geringsten hilfreich und ich finde ihn persönlich ehrverletzend. Es geht in der Debatte überhaupt nicht um irgendwelche Steuern. Das ist eine von Aalfons herbeiphantasierte Unterstellung. Es geht einfach darum, dass zu Lebzeiten eine Lösung gefunden werden soll, die späteren Streit vermeidet. Und die Wikipedia-Auskunft ist ein Anlaufort für Menschen, die Rat suchen. Und dann kommen Menschen wie dieser Aalfons unterstellen, ohne auch nur irgend etwas über die Familie zu wissen, ehrabschneidende Motive. Und nein, es geht überhaupt nicht um Beträge, bei denen solche Steuern anfallen würden. Wobei ihn das einen feuchten Kehricht angeht. Ich plädiere für eine Sperre zum Nachdenken über die [[Wikipedia:Wikiquette|Wikiquette]]. Mindestens die ersten vier Punkte sind anscheinend nicht seine Stärke. Wie wäre es mit einer Entschuldigung? --[[Spezial:Beiträge/2.247.251.3|2.247.251.3]] 23:48, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
: Große Welle, kleine Ursache, hätte auch auf der Seite klargestellt werden können und war nicht ad personam. Bezog sich auf den vom Melder verwendeten Begriff "[[vorweggenommene Erbfolge]]" und auf sein deutlich erkennbares Interesse an einem möglichst hohen Wertpotenzial des Grundstücks, damit da später bloß niemandem etwas entgeht. Wenn das [[Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz]] auf den Fall nicht zur Anwendung kommt, tut es mir leid, wobei das beim Reizwort "vorweggenommene Erbfolge" auch hätte klarer ausgedrückt werden können. Wenn aber doch, dann natürlich nicht. --[[Benutzer:Aalfons|Aalfons]] ([[Benutzer Diskussion:Aalfons|Diskussion]]) 01:55, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
Kein Vandalismus erkennbar. Gruß --[[Benutzer:Mikered|Mikered]] ([[Benutzer Diskussion:Mikered|Diskussion]]) 07:14, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<br />
== [[Benutzer:Jonny Contrellotti]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|Jonny Contrellotti}} Löschsocke, wohl Vorratsaccount. Außerdem ungeeigneter Benutzername, da Verwechslungsgefahr mit [[Benutzer:Johnny Controletti]]. MfG, --[[Benutzer:Brodkey65|Brodkey65|<small>''...Am Ende muß Glück sein.''</small>]] 02:42, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>Jonny Contrellotti wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Kurator71}} Kurator71]</span> ''unbeschränkt'' gesperrt, Begründung war: ''[[WP:UBN|Ungeeigneter Benutzername]]: da Verwechslungsgefahr mit [[Benutzer:Johnny Controletti]], außerdem Meta/Diskussionsaccount''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 08:19, 15. Feb. 2017 (CET)</div><br />
== [[Benutzer:84.162.136.181]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|84.162.136.181}} Schule zum Unterrricht [[Benutzer:Eingangskontrolle|Eingangskontrolle]] ([[Benutzer Diskussion:Eingangskontrolle|Diskussion]]) 08:12, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>84.162.136.181 wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Ot}} Ot]</span> für ''6 Stunden'' gesperrt, Begründung war: ''Erstellen unerwünschter Einträge; vergleiche dazu [[Wikipedia:Artikel]]''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 08:18, 15. Feb. 2017 (CET)</div><br />
<br />
== Benutzer:217.228.129.238 (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|217.228.129.238}} - [[Rheiderland|Rheiderländer]] Schulschwänzer erwischt: Unsinnige Bearbeitungen. [[Benutzer:GregorHelms|GregorHelms]] ([[Benutzer Diskussion:GregorHelms|Diskussion]]) 08:21, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>217.228.129.238 wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Ot}} Ot]</span> für ''6 Stunden'' gesperrt, Begründung war: ''[[WP:Vd|Unsinnige Bearbeitungen]]''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 08:25, 15. Feb. 2017 (CET)</div><br />
<br />
== [[Benutzer:Exploit]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|Exploit}} mag sich nicht an unsere Regeln halten und versucht seine Vorstellung von Textgestaltung per Editwar in Artikeln durchzudrücken [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schl%C3%B6sser_der_Loire&action=history]. Wenig schön. -- [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 08:34, 15. Feb. 2017 (CET)<br />
<br />
== [[Benutzer:Sir Gawain]] ==<br />
Wiederholter Vandalismus durch unsinniges verschieben von Radiobeiträgen (analog Literatur) in Weblinks wo sie absolut nicht hinpassen. Wenig schön.--[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 08:38, 15. Feb. 2017 (CET)</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Bremer_Stadtmusikanten&diff=162660046Die Bremer Stadtmusikanten2017-02-15T07:35:49Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Stadtmusikanten Bremen.png|mini|hochkant|''Die Bremer Stadtmusikanten'' von [[Gerhard Marcks]] (1953) vor dem [[Bremer Rathaus]]]]<br />
<br />
'''Die Bremer Stadtmusikanten''' ist der Titel eines [[Volksmärchen]]s, das von den [[Brüder Grimm|Brüdern Grimm]] aufgezeichnet und 1819 in den [[Grimms Märchen|Kinder- und Hausmärchen]] erstmals veröffentlicht wurde.<br />
Es erzählt von vier im Alter schlecht behandelten Haustieren, die fortlaufen, in Bremen Stadtmusikanten werden wollen, dort aber nie hinkommen, weil es ihnen auf dem Wege gelingt, die Beute einer Räuberbande zu erobern und in deren Haus fortan zu bleiben.<br />
<br />
== Der Grimm’sche Märchenstoff ==<br />
<br />
=== Der Märcheninhalt ===<br />
Das Märchen ''Die Bremer Stadtmusikanten'' erzählt von vier Tieren (Hahn, Katze, Hund und Esel), die ihren Besitzern infolge ihres Alters nicht mehr nützlich sind und daher getötet werden sollen. Es gelingt den Tieren zu entkommen, worauf sie sich zufällig treffen. Alle folgen dem Vorschlag des Esels, in Bremen Stadtmusikanten zu werden, und brechen nach Bremen auf. Auf ihrem Weg müssen sie im Wald übernachten. Sie entdecken dort ein Räuberhaus, erschrecken die Räuber, vertreiben sie mit lautem „Gesang“ und übernehmen das Haus als Nachtlager. Ein Räuber, der später in der Nacht erkundet, ob das Haus wieder betreten werden kann, wird von den Tieren nochmals und damit endgültig verjagt. Den Bremer Stadtmusikanten gefällt das Haus so gut, dass sie nicht wieder fort wollen und dort bleiben.<br />
<br />
=== Bedeutung ===<br />
Die Geschichte ist dem Literaturtyp der [[Fabel|Tierfabel]] verwandt, sie zeigt die Merkmale einer Gesindeerzählung: Die Tiere entsprechen den im Dienst bei der Herrschaft alt gewordenen, abgearbeiteten und durch den Verlust an Leistungskraft nutzlos gewordenen Knechten und Mägden. Mit ihrem Aufbruch, ihrem Zusammenhalt und Mut schaffen sie das fast Unmögliche. Sie überlisten die Bösen, schaffen sich ein Heim und somit ein neues Leben. Es ist eines der Märchen in der Grimm’schen Sammlung, „das auf die sozialutopischen Wünsche der Unterschicht in der bürgerlichen Gesellschaft“<ref>Richter, S. 27</ref> eingeht.<br />
Die Botschaft sowohl des Grimm’schen Märchens als auch der meisten späteren Adaptionen ist optimistisch und suggeriert die Möglichkeit nachhaltiger Lösungswege auch aus prekären Situationen heraus.<br />
<br />
In [[Psychoanalyse|psychoanalytischen]] Untersuchungen wurde vielen Erzählmustern aus den überlieferten Märchen auf den Grund gegangen, doch die Stadtmusikanten fanden dabei wenig Beachtung, gaben für diese Methoden vielleicht auch wenig her.<ref>Ein Versuch von Marie-Louise von Franz (''Die Bremer Stadtmusikanten.'' In: ''Zeitschrift für Analytische Psychologie und ihre Grenzgebiete'' 2, 1970, S. 4–22) wurde von Uther (Röpcke/Hackel-Stehr, S. 47) methodisch kritisiert.</ref><br />
<br />
=== Die Edition der Brüder Grimm ===<br />
Die ''Bremer Stadtmusikanten'' wurde von den Brüdern Grimm 1819 als 27.&nbsp;Märchen in die 2.&nbsp;Auflage ihrer ''Kinder- und Hausmärchen'' (KHM) aufgenommen. Als Quelle wird die Familie [[Haxthausen (Adelsgeschlecht)|von Haxthausen]] aus dem Paderborner Land angegeben,<ref>In den Anmerkungen zur Ausgabe von 1856</ref> als Vermittler kann Freiherr [[August Franz von Haxthausen]] angenommen werden. Auf eine von [[Dorothea Viehmann]] aus einem Dorf bei Kassel beigesteuerte Variante geht das von den Grimms stark veränderte Motiv der Musik und des gedeckten Tisches im Räuberhaus zurück. Man weiß, dass auch sonst die Grimms das zugetragene Material überarbeiteten und mit Motiven und Redensarten anreicherten. So wird beispielsweise in der Ausgabe von 1857 ein Müller als ursprünglicher Besitzer des Esels neu in die Geschichte eingeführt.<ref>Zum ganzen Abschnitt: Hans-Jörg Uther: ''Zur Entstehung, Bildgeschichte und Bedeutung des Märchens.'' In: Andreas Röpcke und Karin Hackel-Stehr: ''Die Stadtmusikanten in Bremen.'' Bremen 1993, S. 18–52, mit Abb.</ref><br />
<br />
Der Text enthält schon seit dem Erstdruck viele sprichwörtliche Redensarten, vor allem zu Beginn und teils in wörtlichen Reden: ''merkte, daß kein guter Wind wehte;'' ''wenn’s einem an den Kragen geht;''<ref>(vgl. KHM [[Der Teufel mit den drei goldenen Haaren|29]], [[Der Gevatter Tod|44]], [[Der Zaunkönig|171]], [[Der Stiefel von Büffelleder|199]])</ref> ''nun ist guter Rat teuer;'' ''durch Mark und Bein;'' ''aßen, als wenn sie vier Wochen hungern sollten;'' ''ins Bockshorn jagen lassen;'' ''und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm''<ref>(wohl aus der Variante zu KHM [[Allerleirauh|65]], vgl. [[Grimms Märchen|KHM]] [[Die sechs Diener|134]])</ref>. Ab der kleinen Ausgabe von 1825 macht die Katze ''ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter,'' ab 1840 ist der Hund ''Packan,'' die Katze ''Bartputzer'' benannt.<ref>Lothar Bluhm und Heinz Rölleke: ''„Redensarten des Volks, auf die ich immer horche“. Märchen – Sprichwort – Redensart. Zur volkspoetischen Ausgestaltung der Kinder- und Hausmärchen durch die Brüder Grimm.'' Neue Ausgabe. S.&nbsp;Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1997, ISBN 3-7776-0733-9, S.&nbsp;64–67.</ref><br />
<br />
=== Märchenforschung und Bremer Stadtmusikanten ===<br />
Die zeitliche Entwicklung und die regionalen Wanderungen der europäischen [[Volkserzählung]]en sind vor allem von der [[Märchenforschung]] untersucht und klassifiziert worden: Die älteste Fassung des Motivs ''Tiere im Nachtquartier''<ref>Im [[Aarne-Thompson-Index]], einem Standardwerk der Märchenforschung, wird es als Typ 130 klassifiziert.</ref> ist in dem lateinischen Tier[[epos]] mit dem Titel ''[[Ysengrimus]]'' eines [[Genf]]er Klerikers (um 1148) enthalten. [[Hans Sachs]] mit ''Der Kecklein'' (1551) und die schon von Grimm genannten Werke nutzten diesen Stoffkreis<ref>Siegfried Neumann: ''Tiere auf Wanderschaft.'' In: ''Enzyklopädie des Märchens.'' Bd. 13, Berlin/New York 2010, Sp. 587.</ref> ebenso wie in der Nachfolge von Grimm [[Ludwig Bechstein]] mit ''Undank ist der Welt Lohn'' in ''[[Neues deutsches Märchenbuch]]'' (1856). Den neuesten Forschungsstand zum Thema vermittelt Hans-Jörg Uther.<ref>Hans-Jörg Uther: ''Zur Entstehung, Bildgeschichte und Bedeutung des Märchens.'' In: Andreas Röpcke und Karin Hackel-Stehr (Hrsg.): ''Die Stadtmusikanten in Bremen.'' Temmen, Bremen 1993, S. 18–51.</ref><br />
<br />
Wenig seriös sind dagegen die zahlreichen, methodisch unbrauchbaren Versuche, Orte und topographische Situationen in den absolut [[Fiktion|fiktiven]] Tiermärchen mit konkreten Plätzen oder Baulichkeiten in Verbindung zu bringen.<br />
<br />
[[Datei:English Caricaturists, 1893 - The Waits of Bremen and the Borders.png|mini|Illustration George Cruikshanks in ''German Popular Stories'']]<br />
[[Datei:Herrfurth Bremer Stadtmusikanten.jpg|mini|Die Bremer Stadtmusikanten, Märchenillustration von [[Oskar Herrfurth]]]]<br />
[[Datei:DBP 1982 1120 Bremer Stadtmusikanten.jpg|mini|110px|Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost von 1982]]<br />
<br />
=== Rezeption ===<br />
==== Bildtradition ====<br />
Unter den Bildschöpfungen zu Märchenthemen gehören die Bremer Stadtmusikanten zu den am häufigsten ausgewählten Figurationen, und die Situation am dramatischen Höhepunkt der Erzählung mit den zum Schrecken der Räuber eine Figurenpyramide bildenden Tieren ist das weitaus bevorzugte Motiv aus dieser Erzählung.<br />
Sein visuelles Wiedererkennungspotential und seine Unverwechselbarkeit sind einzigartig.<br />
<br />
===== Buchillustrationen =====<br />
Als frühestes Beispiel lieferte der berühmte englische [[Karikatur]]ist [[George Cruikshank]] die Vorlage für einen Kupferstich in der 1823 erschienenen Ausgabe der ''German Popular Stories''.<br />
<br />
Da das Märchen in der Folgezeit so populär wurde, dass es in kaum einer Märchensammlung fehlte, es zudem seit der Erfindung der [[Schnelldruckpresse]] immer mehr illustrierte Märchenbücher gab, wuchs die Zahl der Darstellungen ins Unüberschaubare. Neben die Bücher traten [[Bilderbogen]], [[Sammelbilder]], [[Glanzbild]]er, [[Reklamemarke]]n, [[Ansichtskarte]]n, [[Notgeld]]scheine, [[Briefmarke]]n<ref>Sondermarke der [[Briefmarken-Jahrgang 1982 der Deutschen Bundespost|Deutschen Bundespost (1982)]] ''Bremer Stadtmusikanten'' – Mit dem Motiv ''Bremer Stadtmusikanten'' gab [[Briefmarken-Jahrgang 1971 der Deutschen Post der DDR|1971]] die [[Deutsche Post der DDR]] sechs Sondermarken im [[Märchenmotive auf Kleinbogen der Deutschen Post der DDR|Kleinbogen]] aus und brachte die [[Deutsche Bundespost]] eine [[Sondermarke]] im Wert zu 30 Pfennigen an die Schalter. [[Briefmarken-Jahrgang 1982 der Deutschen Bundespost|1982]] folgte eine weitere Sondermarke der Bundespost zu 40&nbsp;Pfennigen mit einem [[Scherenschnitt]] der ''Bremer Stadtmusikanten'' (siehe Abbildung).</ref> und viele andere Medien, die sich nicht nur an Kinder wenden, sondern auch als [[Marke (Marketing)|Marketingelement]] Erwachsene ansprechen.<ref>Zum ganzen Abschnitt: Andreas Röpcke und Karin Hackel-Stehr (Hrsg.): ''Die Stadtmusikanten in Bremen.'' Bremen 1993, S. 32–45 und 93–123, mit Abb.</ref><br />
<br />
===== Die Stadtmusikanten von Gerhard Marcks als Bremer Wahrzeichen und Stadtlogo =====<br />
Schon um 1938 gab es in Bremen im Hinblick auf den sich entwickelnden Städtetourismus Überlegungen, eine Art Denkmal für die Bremer Stadtmusikanten zu errichten, doch erst 1951 gab ein Besuch von [[Gerhard Marcks]], einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer seiner Generation, den Anlass zu einer Realisierung. Das vom Verkehrsverein betriebene Auftragsprojekt und die für ein Jahr probeweise geplante Aufstellung der Gruppe (30. September 1953) vor der linken Stirnseite des [[Bremer Rathaus]]es war von einer regen und anhaltenden öffentlichen Kontroverse um Kosten und fehlende Berücksichtigung Bremer Künstler begleitet. Manchem Bremer war zunächst die Gruppe nicht bewegt und „lustig“ genug. Doch gerade seine Zeichenhaftigkeit, seine formale Strenge und zurückhaltende Stilisierung, also das Nichtanekdotische, hat sicher dazu beigetragen, dass die deutlich unterlebensgroße Bronzeplastik neben dem [[Bremer Roland]] zum heimlichen Wahrzeichen Bremens wurde und für Touristen zum obligatorischen Besichtigungsprogramm gehört. Gern wird den Besuchern dabei erzählt, wenn man die Vorderbeine des Esels anfasse, gehe ein Wunsch in Erfüllung.<br />
<br />
2009 wurde die Standortfrage neu angestoßen,<ref>Aufgrund der Bedeutung des Märchens für das Image der Stadt Bremen startete der Bremer Bürgermeister [[Jens Böhrnsen]] Ende Februar 2009 eine Umfrage, ob die Marcks-Statue an einen prominenteren Ort in der Stadt versetzt werden solle, da der momentane Standort relativ versteckt an der Rathauswand gelegen sei ([http://www.blogspan.net/presse/weser-kurier-brgerbefragung-zu-den-stadtmusikanten/mitteilung/41135/ Weser-Kurier: Bürgerbefragung zu den Stadtmusikanten]). NA Presseportal am 28. Februar 2009.</ref> die Initiative verlief jedoch im Sande.<br />
<br />
Die Skulptur steht unter Denkmalschutz.<ref>{{WP-HB LfD|0066,T005|Denkmaldatenbank des LfD}}. - {{WP-HB k:|die-bremer-stadtmusikanten.html|k: kunst im öffentlichen raum bremen (zur Plastik von G. Marcks in Bremen)}}</ref><br />
Zweitgüsse der Plastik von Gerhard Marcks stehen seit 1973 im [[Busch-Reisinger Museum]] der [[Harvard-University]] in [[Cambridge (Massachusetts)]] und in [[Milwaukee]].<br />
<br />
Das Bildschema der im Profil gesehenen Gruppe ist inzwischen zur offiziellen „Standort-[[Corporate Identity|Corporate-Identity]]“ avanciert und hat das traditionsreiche Schlüsselbild aus dem [[Bremer Wappen|Stadtwappen]] im Bremer Stadtmarketing abgelöst.<ref>Seit 2009 im Design-Manual der Bremer Wirtschaftsförderung: [http://www.designtagebuch.de/cd-manuals/Bremen-Design-Manual.pdf Bremen-Logo]</ref><br />
<br />
===== Weitere plastische Darstellungen =====<br />
[[Datei:Riga - Saint Peter's Church - Town Musicians of Bremen.jpg|mini|hochkant|''Die Bremer Stadtmusikanten'' vor der [[Petrikirche (Riga)|Petrikirche]] in [[Riga]]]]<br />
* Figurengruppe von [[Bernhard Hoetger]] aus Bronze, seit 1926 am [[Sieben Faulen|Sieben-Faulen-Brunnen]] in der Bremer [[Böttcherstraße (Bremen)|Böttcherstraße]]<br />
* Bronzestatue in Bremen von [[Gerhard Marcks]], seit 1953 als Leihgabe am Westportal des Bremer Rathauses; 1955 durch Spenden für Bremen erworben (siehe den vorigen Abschnitt)<br />
* Brunnenaufsatz von Karl Lemke (Usedom, 1979) vor dem [[Färberwaid|Waidspeicher]] in [[Erfurt]]<ref>http://www.erfurt.de/mam/ef/service/mediathek/publikationen/2002/erfurt_denkmale.pdf</ref><br />
* Bronzebrunnen ''Die Bremer Stadtmusikanten'', seit 1984 in [[Ense]] (Bremen-Ense) im [[Kreis Soest]] vor dem Enser Rathaus mit den Tieren der Region: Hahn, Schwein, Ente, Katze und Taube<br />
* Bronzestatue von [[Christa Baumgärtel]] in [[Riga]] hinter der [[Petrikirche (Riga)|Petrikirche]], 1990 gestiftet von der Partnerstadt Bremen<ref>http://www.liveriga.com/de/3123-die-bremer-stadtmusikanten</ref><br />
* Plastik in [[Leipzig]] bei N 51° 19.878', O 012° 23.315', wo die vier Tiere den letzten Räuber bedrängen<br />
* Erinnerungsplakette ''Syker Helden'' in [[Syke]]-Suurend mit den in Bronze verewigten „Spuren“ von Esel, Hund, Katze und Hahn, die hier um 1250 entstanden und 1976 wieder aufgefunden worden seien<br />
* Kupferplastik von Edmund Hopf an einer Häuserwand in Bremen-[[Huchting (Bremen)|Huchting]], Kirchhuchtinger Landstraße; Stiftung der [[GEWOBA|Gewoba]]<br />
* Plastik auf den Anton Pieck Platz im Holländischen 'Efteling'.<br />
* Tiergruppe von Heinrich Möller (1835–1929), seit Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts im Senatszimmer des Bremer Ratskellers<br />
* Messingplastik von August Tölken (1892–1975), seit 1926 im Haus St. Petrus in der Böttcherstraße in Bremen<br />
* Kupferplastik von Karl Ehrentraut in Bremen; seit 1950 mit Unterbrechungen an der ''Herrlichkeit'' auf der [[Teerhof (Bremen)|Teerhof]]-Halbinsel<br />
* Medaille des Bremer Senats von 1965<br />
* In [[Japan]] wurde 1985 in Osaka eine Steinskulptur geschaffen<ref>http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13519368.html</ref>, und 1998 fertigte die Bremer Künstlerin Kirsten Brünjes eine Plastik für die Stadt Kawasaki.<ref>http://www.kuenstlerinnenverband.de/kunst/bruenjes/bio.php</ref> In Kawasaki ist das Symbol in verschiedenen Ausprägungen vertreten.<ref>http://www.bremen-st.com/english/index.html</ref><br />
[[Datei:Kozyra K piramida.jpg|mini|100px|Arbeit von Katarzyna Kozyra]]<br />
* Die polnische Künstlerin Katarzyna Kozyra stellte 1993 als Diplomarbeit je ein Exemplar der vier Spezies in Form einer Pyramide der getöteten, ausgestopften Tiere aufeinander. Das Werk wurde wegen eines drastischen Videos von der Tötung des Pferdes Gegenstand einer heftigen Diskussion um ethische Grenzen der Kunst. Es befindet sich in der Warschauer [[Galeria Zachęta|Zachęta-Galerie]].<ref>Magdalena Ziomek-Beims: ''Freiheit? – Die polnische Kunst nach 1989.'' Bundeszentrale für politische Bildung, 8. September 2009 ([http://www.bpb.de/themen/FK87HK,0,0,Freiheit_Die_polnische_Kunst_nach_1989.html Online])</ref><br />
* Beim [[Bremer Solidaritätspreis]] wird seit 1988 eine Skulptur der Stadtmusikanten (Künstler [[Bernd Altenstein]]) überreicht.<br />
<br />
==== Literarische Rezeption ====<br />
Auf das Zitat ''… etwas Besseres als den Tod findest du überall …'' greift [[Carl Zuckmayer]] in seinem Werk ''[[Hauptmann von Köpenick|Der Hauptmann von Köpenick]]'' zurück, denn nichts schien ihm geeigneter als dieser Satz aus den ''Bremer Stadtmusikanten'', um zu verdeutlichen, dass aus jeder schier aussichtslosen Lage Kraft für einen Neuanfang geschöpft werden könne. [[Günter Bruno Fuchs]]’ Roman ''Bericht eines Bremer Stadtmusikanten'' spielt auf das Märchen an, indem der entlassene Straßenfeger sich oft einen alten Esel nennt ''(etwas Besseres als den Tod findest du überall)'' und zum Schluss träumt, wie der Polier als Hahn ein Räuberhaus stürmen lässt.<ref>Günter Bruno Fuchs: ''Bericht eines Bremer Stadtmusikanten.'' Rowohlt Taschenbuch Verlag, München 1970, ISBN 3-499-11276-0 (Copyright 1968 Carl Hanser Verlag, München).</ref><br />
<br />
In [[Janosch]]s [[Parodie]] werden die hungrigen Tiere überall weggejagt, bis eine Plattenfirma mit teurer Werbung aus ihrem letzten Heulen in Hunger und Kälte einen Hit macht.<ref>Janosch: ''Die Bremer Stadtmusikanten.'' In: ''Janosch erzählt Grimm’s Märchen. Fünfzig ausgewählte Märchen, neu erzählt für Kinder von heute. Mit Zeichnungen von Janosch.'' 1. Auflage [von vielen weiteren, daraus ''Die Bremer Stadtmusikanten'' auch als Einzelveröffentlichung in vielen Übersetzungen]. Beltz und Gelberg, Weinheim und Basel 1972, ISBN 3-407-80213-7, S. 147–155.</ref> [[Iring Fetscher]] deutet den Text ironisch im Hinblick auf Hausbesetzer als Vertreibung von Immobilienspekulanten durch arme Rentner (Hafenarbeiter, Soldat, Freudenmädchen und Tenor),<ref>Iring Fetscher: ''Wer hat Dornröschen wachgeküßt? Das Märchen-Verwirrbuch.'' Claassen Verlag, Hamburg und Düsseldorf 1974, ISBN 3-596-21446-7, S. 105–108.</ref> ähnlich [[Siegfried Stadler]].<ref>Siegfried Stadler: ''Marx’ Märchen.'' In: ''Die Horen.'' Bd. 1/52, Nr. 225, 2007, {{ISSN|0018-4942}}, S. 211–216.</ref> Auch [[Nicolas Born]] erzählt das Märchen nach.<ref>Nicolas Born: ''Die Bremer Stadtmusikanten.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 158–162 (zuerst erschienen in: Jochen Jung (Hrsg.): ''Bilderbogengeschichten. Märchen, Sagen, Abenteuer. Neu erzählt von Autoren unserer Zeit.'' Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, S. 43–46.).</ref> In [[Wolfram Siebeck]]s ''Die Bonner Stadtmusikanten'' vertreiben die Tiere mit NS-Parolen die Bürger, die sie gewähren lassen und lieber in den Urlaub fahren.<ref>Wolfram Siebeck: ''Die Bonner Stadtmusikanten.'' In: Wolfgang Mieder (Hrsg.): ''Grimmige Märchen. Prosatexte von Ilse Aichinger bis Martin Walser.'' Fischer Verlag, Frankfurt (Main) 1986, ISBN 3-88323-608-X, S. 163–164 (zuerst erschienen in: ''Wolfram Siebecks beste Geschichten.'' Fischer, Frankfurt 1979, S. 219.).</ref> 1998 untersucht Uwe Heilemann in der Glosse ''Die Bremer Stadtmusikanten und die gesetzliche Rentenversicherung'' die Frage, ob die vier Protagonisten des Märchens mit Aussicht auf Erfolg einen Antrag auf Alters- oder Erwerbsminderungsrente stellen könnten.<ref>Die Sozialgerichtsbarkeit 1998, S. 208. {{ISSN|0943-1462}}.</ref> Ein [[Manga]] erschien 2012 von [[Reyhan Yildirim]].<ref>Grimms Manga. Sonderband. Tokyopop, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8420-0638-6.</ref><br />
[[Eugen Drewermann]] setzte im Jahr 2007 das Märchen in Bezug zur Tagespolitik. Die Tiere gründen hier eine Gemeinschaft als Straßenmusikanten, um noch etwas wert zu sein und nicht geschlachtet zu werden, so ungeeignet ihre Stimmen dafür auch sein mögen. Die Politik, so Drewermann, solle aufhören, das Vertrauen einfacher Menschen zu missbrauchen, die ihr Leben nicht in Existenzangst, sondern in Liebe und Dankbarkeit führen wollen.<ref>Eugen Drewermann: ''Von der Macht des Geldes oder Märchen zur Ökonomie.'' Patmos Verlag, Düsseldorf 2007. ISBN 978-3-491-21002-8, S. 123–151.</ref><br />
<br />
==== Bühnenwerke ====<br />
Bühnenfassungen des Märchens stammen von:<br />
* [[Richard Mohaupt]]: ''Die Bremer Stadtmusikanten''. Buffo-Oper in 2 Akten (Prolog und 4 Bilder) (1949)<ref>{{DNB|1004432712}}</ref><br />
* [[Gertraude Röhricht]]: ''Die Bremer Stadtmusikanten: Nach dem Märchen der Gebrüder Grimm''. Märchenspiel in 3 Bildern (1953)<ref>Gertraude Röhricht: ''Die Bremer Stadtmusikanten: Nach dem Märchen der Gebrüder Grimm. Märchenspiel in 3 Bildern.'' VEB Friedrich Hofmeister Verlag, Leipzig, 1953. 52&nbsp;S.: 6&nbsp;Bl.&nbsp;Abb.;&nbsp;8</ref><br />
* [[Robert Bürkner (Schauspieler)|Robert Bürkner]]: ''Die Bremer Stadtmusikanten''. Weihnachtsmärchen in 3 Bildern (1960)<ref>https://books.google.co.il/books/about/Die_Bremer_Stadtmusikanten.html?id=Z4WztgAACAAJ&hl=de</ref><ref>Am 13. November 2010 auch als [[Kinderoper]] in der [[IGS Roderbruch]] in [[Hannover]] aufgeführt.</ref><br />
* [[Hans Bergese]], Mitautor am [[Orff-Schulwerk]] und [[Anneliese Schmolke]], die beide das Märchen als Kinderoper schrieben, die von Kindern dargestellt werden kann.<br />
<br />
==== Verfilmungen (Auswahl) ====<br />
* 1922: ''The Four Musicians of Bremen'', [[USA]], Regie: [[Walt Disney]], 7 min.<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0013149/ Eintrag in imdb.com (engl.)]</ref><br />
* 1935: ''Die Bremer Stadtmusikanten'', [[deutscher]] Trickfilm, [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutsches Reich]], Regie: [[Ferdinand Diehl]], ca. 15 min.<ref>[http://www.imdb.com/title/tt1013531/?ref_=nmbio_mbio imdb.com: Die Bremer Stadtmusikanten]</ref><br />
* 1935: ''The Brementown Musicians (1935)'', [[USA]], Regie: [[Ub Iwerks]], Musik: [[Carl W. Stalling]], Animations-Kurzfilm<br />
* 1954: ''Die Bremer Stadtmusikanten'', [[DDR]], [[DEFA]], [[Silhouetten-Animation|Silhouettenfilm]], Regie: Bruno J. Böttge, 19 min.<ref>[http://www.defa.de/DesktopDefault.aspx?TabID=412&FilmID=Q6UJ9A003GBI&qpn=0 DEFA-Datenbank]</ref><br />
* 1959: ''[[Die Bremer Stadtmusikanten (1959)]]'', [[Bundesrepublik Deutschland]], Regie: [[Rainer Geis]], mit [[Peter Thom]], [[Max Bößl]], [[Christa Welzmüller]], [[Toni Mang]], [[Peter Brand (Schauspieler)|Peter Brand]], 77 min.<br />
* 1969: ''Bremenskie musykanty'' (Бременские музыканты, ''Die Bremer Stadtmusikanten''), [[Sowjetunion|sowjetisches]] Zeichentrick-Musical, [[Sojusmultfilm]], Regie: [[Wassili Borissowitsch Liwanow|Wassili Liwanow]], 21 min.<br />
* 1972: ''The Muppet Musicians of Bremen'', Regie: [[Jim Henson]]<ref>[http://muppet.wikia.com/wiki/The_Muppet_Musicians_of_Bremen Muppet Wiki]</ref><br />
* 1973: ''Po sledem bremenskich musykantow'' (По следам бременских музыкантов, ''Auf den Spuren der Bremer Stadtmusikanten''), [[Sowjetunion]], [[Sojusmultfilm]], Regie: [[Wassili Borissowitsch Liwanow|Wassili Liwanow]], 19 min.<br />
* 1979: ''Die Bremer Stadtmusikanten'', [[DEFA]], [[DDR]], Regie: [[Uwe Detlef Jessen]], 60 min.<br />
* 1987: ''Die Bremer Stadtmusikanten'', [[DEFA]]-Trickfilm, [[DDR]], Regie: [[Peter Pohler]], 25 min.<br />
* 1987: ''Burēmen no ongakutai'' (ブレーメンの音楽隊, ''Die Bremer Stadtmusikanten''), [[Japan]], ca. 25 min., Folge 1 von 47 in der Reihe [[Grimms Märchen (Anime)|Gurimu Meisaku Gekijō]] ''(Grimms Märchen)''<br />
* 1989: ''[[Die Abenteuer der Bremer Stadtmusikanten]]'', spanische Zeichentrickserie. Originaltitel: „Los Trotamúsicos“.<br />
* 1997: ''[[Die furchtlosen Vier]]'', deutscher Zeichentrickfilm 1997<br />
* 1999: ''[[SimsalaGrimm]]'', deutsche Zeichentrickserie 1999, Staffel 2, Folge 1: ''Die Bremer Stadtmusikanten''<br />
* 2001: ''Nowyje bremenskije'' (Новые бременские, ''Die neuen Bremer''), [[Russland]], 2001, Regie: Alexander Gorlenko, 56 min.<br />
* 2009: ''[[Die Bremer Stadtmusikanten (2009)|Die Bremer Stadtmusikanten]]'', Spielfilm, [[BRD]], [[ARD]]-Film, Regie: [[Dirk Regel]], 60 min.<br />
<br />
== Stadtmusik und Ratsmusikanten im alten Bremen ==<br />
<br />
[[Datei:Hochzeitszug Musik.jpg|mini|hochkant|Ratsmusiker führen 1618 einen Hochzeitszug an. Gemälde (Ausschnitt) im [[Focke-Museum]] Bremen]]<br />
Bei den wirklichen Bremer Stadtmusikanten, auf die sich der Wunsch der vier Märchenfiguren nur als vage Vorstellung bezieht, handelte es sich um Spielleute, die von den städtischen Obrigkeiten mehr oder weniger fest angestellt wurden. 1339 wird in Bremen ein Ratstrompeter urkundlich erwähnt. Später waren es in den norddeutschen Städten meist um die vier Musiker, um 1500 gehörten zwei [[Trompete]]r, ein [[Posaunist]] und zwei [[Pfeifer (Musikant)|Pfeifer]] zu den Bremer Ratsmusikern. Sie begleiteten [[Gesandter|Gesandtschaften]] unter anderem nach [[Deventer]] und nach [[Hamburg]] und spielten bei Senatsempfängen und Hochzeiten. Vier Bläser begleiten auch die auf mehreren bremischen Ölgemälden des 17.&nbsp;Jahrhunderts dargestellten Hochzeitszüge. 1751 wurden die Stadtmusikanten in das städtische Musikkorps eingegliedert.<ref>Zum ganzen Abschnitt: Andreas Röpcke: ''Zur Geschichte der Stadtmusikanten in Bremen.'' In: Andreas Röpcke und Karin Hackel-Stehr: ''Die Stadtmusikanten in Bremen.'' Bremen 1993, S. 8–17, mit Abb. - Oliver Rostek: ''Bremische Musikgeschichte von der Reformation bis zur Mitte des 18.&nbsp;Jahrhunderts.'' Lilienthal 1999., S. 20–84.</ref> Im 19.&nbsp;Jahrhundert führte der städtische Musikdirektor die Tradition der Stadtmusik weiter, die zu den heutigen, städtisch subventionierten Orchestern führte.<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* ''Die Bremer Stadtmusikanten'' erzählt von Michael Köhlmeier [http://cdn-storage.br.de/mir-live/MUJIuUOVBwQIb71S/bLWCMUJIuUOVBwQIb71S/_2rp9U1S/_-QS/_-8d5moyBKdS/120828_2300_Koehlmeiers-Maerchen_Folge-34---Die-Bremer-Stadtmusikanten.mp4 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung ARD-alpha - Köhlmeiers Märchen], [http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/koehlmeiers-maerchen/index.html Homepage der Sendung]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
=== Primärliteratur ===<br />
* ''Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe.'' Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. Artemis & Winkler Verlag, Patmos Verlag, Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999, ISBN 3-538-06943-3, S. 180–189.<br />
* ''Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm.'' Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Reclam-Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 59–66, 454.<br />
* ''Brüder Grimm: Die Bremer Stadtmusikanten.'' Illustriert von Markus Lefrançois, Reclam, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-15-010984-7.<br />
<br />
=== Sekundärliteratur ===<br />
* Andreas Röpcke und Karin Hackel-Stehr (Hrsg.): ''Die Stadtmusikanten in Bremen.'' Bremen 1993.<br />
* Hans-Jörg Uther: ''Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.'' de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 69–74.<br />
* Lothar Bluhm und Heinz Rölleke: ''„Redensarten des Volks, auf die ich immer horche“. Märchen – Sprichwort – Redensart. Zur volkspoetischen Ausgestaltung der Kinder- und Hausmärchen durch die Brüder Grimm. Neue Ausgabe.'' S. Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1997, ISBN 3-7776-0733-9, S. 64–67.<br />
* Eugen Drewermann: ''Von der Macht des Geldes oder Märchen zur Ökonomie.'' Patmos Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-491-21002-8, S. 123–151.<br />
* [[Dieter Richter]]: ''Die „Bremer Stadtmusikanten“ in Bremen. Zum Weiterleben eines Grimmschen Märchens.'' In: Hans-Jörg Uther (Hrsg.): ''Märchen in unserer Zeit.'' München 1990, S. 27–38.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource}}<br />
{{Commonscat|Town musicians of Bremen|}}<br />
* Illustrationen von [[Oskar Herrfurth]] und Originaltext [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=4169 Die Bremer Stadtmusikanten.] In: goethezeitportal.de. Abgerufen am 6. Mai 2016.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Coordinate |NS=53.076181|EW=8.807528 |type=landmark |dim=20 |region=DE-HB}}<br />
{{Normdaten|TYP=w|GND=4225766-9}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Bremer Stadtmusikanten #Die}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Grimms Märchen|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Kultur (Bremen)|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Literarische Figur|Bremer Stadtmusikanten, Die]]<br />
[[Kategorie:Esel in der Kunst]]<br />
[[Kategorie:Skulptur in Bremen]]<br />
[[Kategorie:Kulturdenkmal in Bremen]]<br />
[[Kategorie:Skulptur (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Mitte (Bremen)]]<br />
[[Kategorie:Bremen als Namensgeber]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schl%C3%B6sser_der_Loire&diff=162659985Schlösser der Loire2017-02-15T07:31:54Z<p>Exploit: Änderung 162643941 von Sir Gawain rückgängig gemacht; Vandalismus unterlassen!</p>
<hr />
<div>[[Datei:AzeyParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|[[Schloss Azay-le-Rideau]] an der Indre]]<br />
[[Datei:RiveauCastle.jpg|thumb|upright=1.4|Ehemalige [[Burg Le Rivau]] ]]<br />
Zu den '''Schlössern der Loire''' zählen über 400 Schlossanlagen, die entlang der [[Loire]] und ihrer Nebenflüsse in den französischen Regionen [[Pays de la Loire]], [[Centre-Val de Loire]] und [[Burgund]] stehen. Das Tal der Loire ab [[Orléans]] bis zur Mündung des Flusses in den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] stellt zusammen mit den Nebentälern von [[Indre (Fluss)|Indre]] und [[Cher (Fluss)|Cher]] eines der beliebtesten Reiseziele in [[Frankreich]] dar. Hier entstand vom [[Mittelalter]] an eine einmalige Ansammlung von [[Burg]]en und [[Schloss (Architektur)|Schlössern]] aus allen Epochen der europäischen Kunstgeschichte.<br />
<br />
Im [[Miniaturpark Loireschlösser]] (französisch: Mini-Châteaux Val de Loire) in [[Amboise]] sind Modelle von 44 der bekanntesten Schlösser der Loire im Maßstab 1:25 zu sehen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Während des [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieges]], der von 1337 bis 1453 dauerte, bildete die Loire zeitweise die Grenze zwischen den von England besetzten Gebieten im Norden und dem französischen Kernland. Während dieser Zeit wurde hier ein massiver Ausbau der Burgen und Festungen betrieben, die als Bollwerke gegen die Engländer dem Schutz der Anwohner dienen sollten. Nach dem Ende des Krieges verloren die zumeist [[Gotik|gotischen]] Burganlagen ihre strategische Bedeutung, so dass einige verfielen und aufgegeben wurden. Auf den Fundamenten anderer wurden hier allerdings seit dem Beginn der [[Renaissance]] im 16. Jahrhundert die heutigen Schlösser errichtet. Wegen der Schönheit des Tales ließ sich der [[Adel]] bevorzugt an der Loire nieder, die [[Feudalismus|Feudalherren]] hielten hier Hof und herrschten von hier über ihre [[Lehnswesen|Lehen]]. Im 15. und 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der [[Loire-Könige]], trug sich hier ein Großteil der französischen Politik zu, so dass [[Paris]] zeitweise provinziellen Charakter annahm. <br />
<br />
Das Loiretal behielt seine kulturelle und politische Bedeutung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit der 1528 erfolgten Rückkehr des Hofes nach Paris begann dann der politische und kulturelle Bedeutungsverlust des Loiretals, obwohl unter dem Einfluss der aus [[Italien]] stammenden Königin [[Katharina von Medici]] hier noch einmal französische Kultur und Lebenskunst gepflegt wurden. Während der Krise der [[Hugenottenkriege]] zog sich der Hof zwar an die Loire zurück, ohne dass aber eine neue Blütezeit einsetzte. Mit dem Thronantritt [[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrichs IV.]] verlagerte sich der Mittelpunkt des politischen und kulturellen Lebens in Frankreich endgültig zurück in den Pariser Raum. Insbesondere nach dem Bau des [[Schloss Versailles|Schlosses Versailles]] zeigte sich mehr und mehr, dass die Loire-Schlösser nun in der Provinz lagen und eine große Hofhaltung des Adels hier zu aufwändig wurde. Doch wurden viele der Schlossanlagen nicht gänzlich verlassen, sondern weiterhin bewohnt und manchmal auch erweitert; so dass man heute alle Baustile von der Renaissance über das [[Barock]] und den [[Klassizismus]] bis zum [[Historismus]] antreffen kann. Viele Schlösser wurden auch als [[Jagdschloss|Jagdschlösser]] oder [[Sommerresidenz]]en weiter genutzt. <br />
<br />
Die Schlösser und Burgen liegen zum Teil nur wenige Kilometer voneinander entfernt, das Loiretal liegt in einer der schönsten Landschaften Frankreichs, ist meist recht eben und wie geschaffen zum Radfahren. Die gesamte Region ist touristisch hervorragend erschlossen.<br />
<br />
Im [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs Berry]] finden sich viele Bildnisse der Loireschlösser in ihrer Gestalt aus dem 15. Jahrhundert.<br />
<br />
[[Datei:Châteaux de la Loire - Karte.jpg|mini|750px|center|Schlösser an der Loire]]<br />
<br />
== Kulturhistorisch herausragende Bauwerke ==<br />
<br />
=== Amboise ===<br />
<br />
[[Datei:AmboiseHofseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Amboise, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Amboise]]''<br />
<br />
Das Schloss von Amboise gilt als „die Wiege der Renaissance in Frankreich“. Nach seiner Rückkehr aus den italienischen Feldzügen beschloss der junge [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl VIII.]], das Schloss im Stil der [[Renaissance]] zu verzieren und zu erweitern. Am 7. April 1498 kam er bei einem Unfall ums Leben: Er stieß sich den Kopf an einem niedrigen Türrahmen heftig an und verstarb kurz darauf an seinen Verletzungen. [[Leonardo da Vinci]] verbrachte im [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] [[Schloss Clos Lucé|Clos-Lucé]] unterhalb des Schlosses die letzten drei Jahre seines Lebens, vom Frühling 1516 bis zum 2. Mai 1519. Heute ist das Haus ein Museum, in dem man Fresken des Malers sowie Modelle nach seinen Entwürfen finden kann. <br />
<br />
In der Nähe von Amboise steht eine 40&nbsp;Meter hohe [[Pagode]] als letzter Überrest des [[Schloss Chanteloup|Schlosses Chanteloup]], das dem Herzog von [[Étienne-François de Choiseul|Choiseul]] gehörte, der Minister [[Ludwig XV.|Ludwigs des XV.]] war.<br />
<br />
=== Blois ===<br />
<br />
[[Datei:Blois LouisXII interior.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Blois, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Blois]]''<br />
<br />
Außer an Chambord baute Franz I. auch am Schloss Blois, das ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Planungs- und Arbeitsschritten errichtet wurde. Am Bau macht sich der architektonische Einfluss Italiens bemerkbar. Unter [[Schiefer]]dächern und verzierten Schornsteinen findet man eine lange [[Galerie (Architektur)|Galerie]] und zahlreiche [[Loggia|Loggien]], die mehr zum milden Klima Italiens passen als zum strengen französischen Winter des 16. Jahrhunderts. <br />
<br />
Blois hat eine besonders blutige Geschichte: Hier ließ [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich III.]] am 23. Dezember 1588 seinen Rivalen, den [[Henri I. de Lorraine, duc de Guise|Herzog von Guise]], „den Vernarbten“, ermorden. Katharina von Medici starb einige Tage später. [[Ludwig XII.]] wurde in Blois geboren. Als er König wurde, war Blois für ein paar Jahre die alleinige [[Residenz]] und damit politisches Zentrum Frankreichs. Dank aufwendiger [[Restaurierung]]en kann man heute nicht nur die prachtvolle [[Täfelung|Holzvertäfelung]], sondern auch ein ausgetüfteltes System von Geheimfächern bestaunen.<br />
<br />
=== Chambord ===<br />
<br />
[[Datei:ChambordParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Chambord, Parkansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chambord]]''<br />
<br />
Chambord ist das wohl berühmteste Schloss der Loire. Es besitzt 440 Zimmer und fast 400 Kamine. Die Fassade ist 156 Meter breit und das reich verzierte Dach ist geschmückt mit einer Vielzahl von Erkern, Türmchen und Schornsteinen. 18000 Handwerker sollen für König [[Franz I. (Frankreich)|Franz I.]] an diesem Schloss gearbeitet haben. Der Bau wurde im Jahre 1519 begonnen. Das Schloss gilt als Vorläufer von [[Schloss Versailles|Versailles]], war jedoch für Franz I. nur [[Jagdschloss]] für den [[Hofstaat]], Dekor für Empfänge und für die Prachtentfaltung eines Königs, der seine politischen und wirtschaftlichen Misserfolge mit baulichen Glanzleistungen wettmachen wollte. Vergeblich hatte der [[Haus Valois|Valois]] Franz I. die [[Kurfürst]]en bei der [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaiserwahl]] 1519 mit Unsummen zu kaufen versucht, um auf den deutschen Kaiserthron zu gelangen. Nun baute er mit "triumphalem Ungestüm" und der Hilfe italienischer Künstler ein Schloss, das nach dem Urteil seines habsburgischen Rivalen, [[Karl V. (HRR)|Karl V.]], „Inbegriff dessen war, was menschliche Kunst vermag“. Der Bau der Schlossanlage brachte den zeitweiligen Ruin der Hoffinanzen mit sich.<br />
<br />
Eine Besonderheit ist die möglicherweise von [[Leonardo da Vinci]] entworfene doppelläufige Wendeltreppe, die man auf zwei sich nirgends kreuzenden Wegen besteigen kann. Zum Schloss gehört eine Parkanlage mit einer 32&nbsp;Kilometer langen Mauer, der längsten Frankreichs, die den [[Schlosspark]] umschließt. Sechs Tore und sechs Alleen bieten Zugang zum Schloss, in dem das Wappentier Franz I., ein Feuer speiender [[Salamander]], mehr als 800 Mal zu finden ist; es wurde daher auch als „Salamanderschloss“ bezeichnet. 1947 übernahm der französische Staat die im Laufe der Jahrhunderte verfallene Anlage. Er leitete eine Restaurierung ein, die 30 Jahre dauern sollte.<br />
<br />
=== Chenonceau ===<br />
<br />
[[Datei:Schloss Chenonceau.JPG|thumb|upright=1.4|Schloss Chenonceau]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chenonceau]]''<br />
<br />
Das Schloss Chenonceau ist auf einer mehrbogigen Brücke über dem [[Cher (Fluss)|Cher]] gebaut, einem Nebenfluss der Loire, und ist umgeben von einem großen Park. Man erreicht es über eine Platanenallee aus jahrhundertealten Bäumen.<br />
<br />
Das Schloss, das auf den Fundamenten einer alten Mühle steht, war ein Geschenk König [[Heinrich II. (Frankreich)|Heinrichs II.]] an seine Geliebte [[Diana von Poitiers|Diane de Poitiers]]. Erst nach dem Tod des Königs erweiterte es seine Witwe Katharina von Medici durch eine dreistöckige Galerie auf der Brücke, die im 16. Jahrhundert unter anderem als Festsaal diente. Heute sind im Schloss viele wertvolle Gemälde von Rubens, Tintoretto und anderen Alten Meistern ausgestellt.<br />
<br />
1914 wurde die Galerie des Schlosses vorübergehend in ein Lazarett umgewandelt, in dem bis zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] über 2000 Kriegsversehrte untergebracht wurden. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war dieses Schloss für viele Menschen ein Schlupfloch vor der deutschen Besatzungsmacht: Der Haupteingang des Schlosses lag im besetzten Gebiet, die Südtür der Galerie auf der Rückseite aber öffnete sich zur freien Zone hin.<br />
<br />
== Weitere bekannte Schlösser ==<br />
<br />
=== Im Tal der Loire ===<br />
; Alphabetisch:<br />
[[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Serrant|Serrant]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]]<br />
<br />
; Dem Flusslauf folgend:<br />
[[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]], [[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Serrant|Serrant]] [[Datei:Castle Le Lude 2007 02.jpg|thumb|Schloss Le Lude]]<br />
<br />
=== Im Tal des Cher ===<br />
[[Schloss Ainay-le-Vieil|Ainay-le-Vieil]], [[Schloss Valençay|Valençay]], [[Schloss Villandry|Villandry]]<br />
<br />
=== Im Tal der Indre ===<br />
[[Schloss Azay-le-Rideau|Azay-le-Rideau]], [[Schloss Loches|Loches]], [[Schloss Ussé|Ussé]]<br />
<br />
=== Im Tal der Vienne ===<br />
[[Burg Chinon|Chinon]], <br />
[[Burg Le Rivau|Le Rivau]]<br />
[[Datei:Angers Castle Royal mansion 2007.jpg|thumb|Königlicher Wohntrakt Angers]]<br />
<br />
=== Im Tal des Loir ===<br />
[[Schloss Châteaudun|Châteaudun]], [[Schloss Le Lude|Le Lude]], [[Schloss Le Plessis-Bourré|Le Plessis-Bourré]]<br />
<br />
=== Im Tal der Maine ===<br />
[[Schloss Angers|Angers]]<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* [[Thomas Grasberger]]: ''Loireschlösser.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-NP_2bH/160313_0905_radioReisen_Schloesser-und-andere-Prachtbauten-in-Frank.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 36:03, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/frankreich-schloesser-prachtbaueten-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Commons|Châteaux de la Loire|Schlösser an der Loire}}<br />
* [http://www.chateaux-de-la-loire.fr/schloesser_der_loire.htm Portalseite für die Schlösser der Loire]<br />
* [http://www.weinbrand24.de/Fotogalerie/Loire/Frankreich-Loire.htm Eine Sammlung von Fotos, Videos und ein Reisebericht zu den Schlössern der Loire]<br />
<br />
[[Kategorie:Schloss in Frankreich|!]]<br />
[[Kategorie:Loire|~Schlosser]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Exploit&diff=162646063Benutzer Diskussion:Exploit2017-02-14T17:44:18Z<p>Exploit: /* Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten */</p>
<hr />
<div>== Literatur ==<br />
<br />
=== Allgemeine Literatur ===<br />
* [[Irene Reif]]: ''Dort unten wandelt an dem Bach... : Romantische Winterreise durchs Fichtelgebirge.'' In: Franken - meine Liebe, Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1989, S. 24f, ISBN 3-291615-91-7<br />
<br />
==== Nachschlagewerke ====<br />
* Dietmar Herrmann, Helmut Süssmann: ''Fichtelgebirge, Bayerisches Vogtland, Steinwald, Bayreuther Land : Lexikon.'' Ackermannverlag, Hof 2000, ISBN 3-929364-18-2<br />
<br />
=== Bildbände ===<br />
* [[Reinhard Feldrapp]] (Fotos), Günter Hertel: ''Das Fichtelgebirge''. H. Stürtz, Würzburg 1984, ISBN 3-8003-0220-9<br />
* Gerhard Bayerl, Manfred Schultes (Fotos), [[Bernhard Setzwein]]: ''Steinmeer und Siebenstern.'' Buch- und Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2000, ISBN 3-924350-84-1<br />
* Reinhard Feldrapp (Fotos), Bernd Häuser: ''Fichtelgebirge. Streifzüge durch das granitene Hufeisen.'' Echter Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-429-02539-7<br />
* Franz X. Bogner: ''Das Fichtelgebirge im Luftbildporträt''. Ellwanger, Bayreuth 2008, ISBN 978-3-925361-68-5, [http://d-nb.info/990951391/04 Inhaltsverzeichnis]<br />
<br />
=== Wander- und Reiseführer ===<br />
* Gernot Messarius: ''Fichtelgebirge : Naturpark zwischen Bayreuth, Hof und Selb ; Städte, Orte und Strecken.'' (= Goldstadt-Reiseführer Nr. 2318) Goldstadtverlag, Pforzheim 1982, ISBN 3-87269-318-2 (aktuelle Ausgabe: ''Fichtelgebirge : Steinwald, Bayreuth, Kulmbach, Hof ; Reisen und Wandern, Kunst und Kultur.'' Späthling, Weißenstadt-Ruppertsgrün 2014, ISBN 978-3-942668-14-9 [http://d-nb.info/1050002326/04 Inhaltsverzeichnis])<br />
* [[Friedrich Wilhelm Singer]], Georg Pöhlein: ''Fichtelgebirge : das granitene Hufeisen.'' Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1983, ISBN 3-921615-54-2<br />
* Werner A. Widmann, Wilkin Spitta: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land.'' (= HB-Bildatlas Nr. 64), HB und Pegasus, Hamburg und Stuttgart 1987, ISBN 3-616-06064-8 (aktualisierte Neuausgabe: Helga Schnehagen: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land : vom oberen Maintal bis zum Vogtland: Lichtenfels, Kulmbach, Kronach, Hof, Selb ; Bayreuth mit Stadtplan.'' (= HB-Bildatlas Nr. 190), HB und Mairs Geographischer Verlag, Hamburg und Ostfildern 1998, ISBN 3-616-06290-X)<br />
* [[Godehard Schramm]], Bernd-Heinz Häuser: ''Fichtelgebirge-Frankenwald-Steinwald. Die schönsten Ausflugsziele.'' Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1992, ISBN 3-475-52732-4<br />
* Reinhard Müller, Horst Ruhl: ''Mit Kindern im Fichtelgebirge. Wo Wandern zum Erlebnis wird.'' Fleischhauer & Spohn Verlag, Bietigheim 1994, ISBN 3-87230-520-4<br />
<br />
=== Bergbau ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Vom Bergbau im Fichtelgebirge.''<br />
:: ''Teil 1: ''Kohler, Wunsiedel 1989 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 11, {{ISSN|0175-5048}})<br />
:: ''Teil 2: ''Kohler, Wunsiedel 1990 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 12, {{ISSN|0175-5048}})<br />
<br />
=== Forstgeschichte ===<br />
* Karl-Heinz Mayer: ''Die Forstgeschichte des Fichtelgebirges.'' (= Forstliche Forschungsberichte München Nr. 167), Frank, München 1998<br />
<br />
=== Hydrologie ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Gewässerkunde Fichtelgebirge.'' In: ''Der Siebenstern ; Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz '' Wunsiedel 2003, S. 4f {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
=== Zeitschriften ===<br />
* ''[[Der Siebenstern]]. Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz.'' Erscheint seit 1927 in Wunsiedel. {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
== Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten ==<br />
<br />
Hallo Exploit! Ich habe gesehen, dass du in den vergangenen Tagen in vielen Artikel einen Ein-Satz-Absatz mit Weblinks zu Radiomitschnitten ergänzt hast. Allerdings habe wir hier in der Wikipedia die Regel, dass innerhalb des Artikeltextes keine Weblinks gesetzt werden (dürfen), wogegen du nun reihenweise verstoßen hast (siehe [[Wikipedia:Weblinks#Wo können Weblinks eingefügt werden?]]). Bitte ändere deine Einfügungen also alle dahingehend, dass du diesen einen Satz unter die Weblinks verschiebst, denn nur dort (und im Belege-Abschnitt) werden Weblinks auf externe Seiten geduldet. Dankeschön. -- Gruß [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 17:36, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Mach es doch selbst, Du scheinst ja nix besseres zu tun zu haben.--[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 18:10, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:::Du hast Bockmist gebaut, also räum gefälligst selbst auf. -- [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 18:31, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
::::Müll meine Seite nicht zu und lass mich in Ruhe du Wichtigtuer. --[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 18:44, 14. Feb. 2017 (CET)</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Exploit&diff=162645084Benutzer Diskussion:Exploit2017-02-14T17:10:02Z<p>Exploit: /* Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten */</p>
<hr />
<div>== Literatur ==<br />
<br />
=== Allgemeine Literatur ===<br />
* [[Irene Reif]]: ''Dort unten wandelt an dem Bach... : Romantische Winterreise durchs Fichtelgebirge.'' In: Franken - meine Liebe, Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1989, S. 24f, ISBN 3-291615-91-7<br />
<br />
==== Nachschlagewerke ====<br />
* Dietmar Herrmann, Helmut Süssmann: ''Fichtelgebirge, Bayerisches Vogtland, Steinwald, Bayreuther Land : Lexikon.'' Ackermannverlag, Hof 2000, ISBN 3-929364-18-2<br />
<br />
=== Bildbände ===<br />
* [[Reinhard Feldrapp]] (Fotos), Günter Hertel: ''Das Fichtelgebirge''. H. Stürtz, Würzburg 1984, ISBN 3-8003-0220-9<br />
* Gerhard Bayerl, Manfred Schultes (Fotos), [[Bernhard Setzwein]]: ''Steinmeer und Siebenstern.'' Buch- und Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2000, ISBN 3-924350-84-1<br />
* Reinhard Feldrapp (Fotos), Bernd Häuser: ''Fichtelgebirge. Streifzüge durch das granitene Hufeisen.'' Echter Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-429-02539-7<br />
* Franz X. Bogner: ''Das Fichtelgebirge im Luftbildporträt''. Ellwanger, Bayreuth 2008, ISBN 978-3-925361-68-5, [http://d-nb.info/990951391/04 Inhaltsverzeichnis]<br />
<br />
=== Wander- und Reiseführer ===<br />
* Gernot Messarius: ''Fichtelgebirge : Naturpark zwischen Bayreuth, Hof und Selb ; Städte, Orte und Strecken.'' (= Goldstadt-Reiseführer Nr. 2318) Goldstadtverlag, Pforzheim 1982, ISBN 3-87269-318-2 (aktuelle Ausgabe: ''Fichtelgebirge : Steinwald, Bayreuth, Kulmbach, Hof ; Reisen und Wandern, Kunst und Kultur.'' Späthling, Weißenstadt-Ruppertsgrün 2014, ISBN 978-3-942668-14-9 [http://d-nb.info/1050002326/04 Inhaltsverzeichnis])<br />
* [[Friedrich Wilhelm Singer]], Georg Pöhlein: ''Fichtelgebirge : das granitene Hufeisen.'' Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1983, ISBN 3-921615-54-2<br />
* Werner A. Widmann, Wilkin Spitta: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land.'' (= HB-Bildatlas Nr. 64), HB und Pegasus, Hamburg und Stuttgart 1987, ISBN 3-616-06064-8 (aktualisierte Neuausgabe: Helga Schnehagen: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land : vom oberen Maintal bis zum Vogtland: Lichtenfels, Kulmbach, Kronach, Hof, Selb ; Bayreuth mit Stadtplan.'' (= HB-Bildatlas Nr. 190), HB und Mairs Geographischer Verlag, Hamburg und Ostfildern 1998, ISBN 3-616-06290-X)<br />
* [[Godehard Schramm]], Bernd-Heinz Häuser: ''Fichtelgebirge-Frankenwald-Steinwald. Die schönsten Ausflugsziele.'' Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1992, ISBN 3-475-52732-4<br />
* Reinhard Müller, Horst Ruhl: ''Mit Kindern im Fichtelgebirge. Wo Wandern zum Erlebnis wird.'' Fleischhauer & Spohn Verlag, Bietigheim 1994, ISBN 3-87230-520-4<br />
<br />
=== Bergbau ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Vom Bergbau im Fichtelgebirge.''<br />
:: ''Teil 1: ''Kohler, Wunsiedel 1989 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 11, {{ISSN|0175-5048}})<br />
:: ''Teil 2: ''Kohler, Wunsiedel 1990 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 12, {{ISSN|0175-5048}})<br />
<br />
=== Forstgeschichte ===<br />
* Karl-Heinz Mayer: ''Die Forstgeschichte des Fichtelgebirges.'' (= Forstliche Forschungsberichte München Nr. 167), Frank, München 1998<br />
<br />
=== Hydrologie ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Gewässerkunde Fichtelgebirge.'' In: ''Der Siebenstern ; Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz '' Wunsiedel 2003, S. 4f {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
=== Zeitschriften ===<br />
* ''[[Der Siebenstern]]. Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz.'' Erscheint seit 1927 in Wunsiedel. {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
== Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten ==<br />
<br />
Hallo Exploit! Ich habe gesehen, dass du in den vergangenen Tagen in vielen Artikel einen Ein-Satz-Absatz mit Weblinks zu Radiomitschnitten ergänzt hast. Allerdings habe wir hier in der Wikipedia die Regel, dass innerhalb des Artikeltextes keine Weblinks gesetzt werden (dürfen), wogegen du nun reihenweise verstoßen hast (siehe [[Wikipedia:Weblinks#Wo können Weblinks eingefügt werden?]]). Bitte ändere deine Einfügungen also alle dahingehend, dass du diesen einen Satz unter die Weblinks verschiebst, denn nur dort (und im Belege-Abschnitt) werden Weblinks auf externe Seiten geduldet. Dankeschön. -- Gruß [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 17:36, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Mach es doch selbst, Du scheinst ja nix besseres zu tun zu haben.--[[Benutzer:Exploit|Exploit]] ([[Benutzer Diskussion:Exploit|Diskussion]]) 18:10, 14. Feb. 2017 (CET)</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Exploit&diff=162645075Benutzer Diskussion:Exploit2017-02-14T17:09:53Z<p>Exploit: /* Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten */</p>
<hr />
<div>== Literatur ==<br />
<br />
=== Allgemeine Literatur ===<br />
* [[Irene Reif]]: ''Dort unten wandelt an dem Bach... : Romantische Winterreise durchs Fichtelgebirge.'' In: Franken - meine Liebe, Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1989, S. 24f, ISBN 3-291615-91-7<br />
<br />
==== Nachschlagewerke ====<br />
* Dietmar Herrmann, Helmut Süssmann: ''Fichtelgebirge, Bayerisches Vogtland, Steinwald, Bayreuther Land : Lexikon.'' Ackermannverlag, Hof 2000, ISBN 3-929364-18-2<br />
<br />
=== Bildbände ===<br />
* [[Reinhard Feldrapp]] (Fotos), Günter Hertel: ''Das Fichtelgebirge''. H. Stürtz, Würzburg 1984, ISBN 3-8003-0220-9<br />
* Gerhard Bayerl, Manfred Schultes (Fotos), [[Bernhard Setzwein]]: ''Steinmeer und Siebenstern.'' Buch- und Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2000, ISBN 3-924350-84-1<br />
* Reinhard Feldrapp (Fotos), Bernd Häuser: ''Fichtelgebirge. Streifzüge durch das granitene Hufeisen.'' Echter Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-429-02539-7<br />
* Franz X. Bogner: ''Das Fichtelgebirge im Luftbildporträt''. Ellwanger, Bayreuth 2008, ISBN 978-3-925361-68-5, [http://d-nb.info/990951391/04 Inhaltsverzeichnis]<br />
<br />
=== Wander- und Reiseführer ===<br />
* Gernot Messarius: ''Fichtelgebirge : Naturpark zwischen Bayreuth, Hof und Selb ; Städte, Orte und Strecken.'' (= Goldstadt-Reiseführer Nr. 2318) Goldstadtverlag, Pforzheim 1982, ISBN 3-87269-318-2 (aktuelle Ausgabe: ''Fichtelgebirge : Steinwald, Bayreuth, Kulmbach, Hof ; Reisen und Wandern, Kunst und Kultur.'' Späthling, Weißenstadt-Ruppertsgrün 2014, ISBN 978-3-942668-14-9 [http://d-nb.info/1050002326/04 Inhaltsverzeichnis])<br />
* [[Friedrich Wilhelm Singer]], Georg Pöhlein: ''Fichtelgebirge : das granitene Hufeisen.'' Oberfränkische Verlagsanstalt, Hof 1983, ISBN 3-921615-54-2<br />
* Werner A. Widmann, Wilkin Spitta: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land.'' (= HB-Bildatlas Nr. 64), HB und Pegasus, Hamburg und Stuttgart 1987, ISBN 3-616-06064-8 (aktualisierte Neuausgabe: Helga Schnehagen: ''Fichtelgebirge, Frankenwald, Coburger Land : vom oberen Maintal bis zum Vogtland: Lichtenfels, Kulmbach, Kronach, Hof, Selb ; Bayreuth mit Stadtplan.'' (= HB-Bildatlas Nr. 190), HB und Mairs Geographischer Verlag, Hamburg und Ostfildern 1998, ISBN 3-616-06290-X)<br />
* [[Godehard Schramm]], Bernd-Heinz Häuser: ''Fichtelgebirge-Frankenwald-Steinwald. Die schönsten Ausflugsziele.'' Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1992, ISBN 3-475-52732-4<br />
* Reinhard Müller, Horst Ruhl: ''Mit Kindern im Fichtelgebirge. Wo Wandern zum Erlebnis wird.'' Fleischhauer & Spohn Verlag, Bietigheim 1994, ISBN 3-87230-520-4<br />
<br />
=== Bergbau ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Vom Bergbau im Fichtelgebirge.''<br />
:: ''Teil 1: ''Kohler, Wunsiedel 1989 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 11, {{ISSN|0175-5048}})<br />
:: ''Teil 2: ''Kohler, Wunsiedel 1990 (= Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges Nr. 12, {{ISSN|0175-5048}})<br />
<br />
=== Forstgeschichte ===<br />
* Karl-Heinz Mayer: ''Die Forstgeschichte des Fichtelgebirges.'' (= Forstliche Forschungsberichte München Nr. 167), Frank, München 1998<br />
<br />
=== Hydrologie ===<br />
* Dietmar Herrmann: ''Gewässerkunde Fichtelgebirge.'' In: ''Der Siebenstern ; Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz '' Wunsiedel 2003, S. 4f {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
=== Zeitschriften ===<br />
* ''[[Der Siebenstern]]. Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V. für Heimatpflege, Heimatkunde, Wandern und Naturschutz.'' Erscheint seit 1927 in Wunsiedel. {{ISSN|0949-4685}}<br />
<br />
== Deine Ergänzungen von Radiomitschnitten ==<br />
<br />
Hallo Exploit! Ich habe gesehen, dass du in den vergangenen Tagen in vielen Artikel einen Ein-Satz-Absatz mit Weblinks zu Radiomitschnitten ergänzt hast. Allerdings habe wir hier in der Wikipedia die Regel, dass innerhalb des Artikeltextes keine Weblinks gesetzt werden (dürfen), wogegen du nun reihenweise verstoßen hast (siehe [[Wikipedia:Weblinks#Wo können Weblinks eingefügt werden?]]). Bitte ändere deine Einfügungen also alle dahingehend, dass du diesen einen Satz unter die Weblinks verschiebst, denn nur dort (und im Belege-Abschnitt) werden Weblinks auf externe Seiten geduldet. Dankeschön. -- Gruß [[Datei:Icone chateau renaissance 02.svg|18px|verweis=Portal:Burgen und Schlösser]]&nbsp;[[Benutzer:Sir Gawain|Sir Gawain]] <small>[[Benutzer Diskussion:Sir Gawain|Disk.]]</small> 17:36, 14. Feb. 2017 (CET)<br />
:: Mach es doch selbst, Du scheinst ja nix besseres zu tun zu haben.</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Asturien&diff=162630526Asturien2017-02-14T09:08:13Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt die Autonome Region Asturien; für das mittelalterliche Königreich siehe [[Königreich Asturien]]}}<br />
{{Infobox Spanische autonome Gemeinschaft<br />
|NameInRegionalsprache1=<br />
|NameInStaatssprache=Principado de Asturias<br />
|Regionalsprache1Abkz=<br />
|NameInRegionalsprache2=<br />
|Regionalsprache2Abkz=<br />
|NameAufDeutsch=Fürstentum Asturien<br />
|Flagge=Flag of Asturias.svg<br />
|Flaggenbreite=150px<br />
|Flaggenrahmen=<br />
|Flaggenartikel=Flagge Asturiens<br />
|Flaggentext=<br />
|Wappen=Coat of Arms of Asturias.svg<br />
|Wappenbreite=80px<br />
|Wappenartikel=Wappen Asturiens<br />
|Wappentext=<br />
|KarteLageInSpanien=Asturias in Spain (plus Canarias).svg<br />
|Hauptstadt=[[Oviedo]]<br />
|Fläche=10602 <!--{{FL|ES|33000}}--><br />
|Einw={{EWZN|ES|33000}}<br />
|EinwStand=<small>''({{EWD|ES-AS}})''</small>{{#tag:ref|{{EWQ|ES-AS}} }}<br />
|Nord-SüdCirca=bis 76 <br />
|West-OstCirca=214<br />
|ISO 3166-2=AS<br />
|URL=www.asturias.es/<br />
|AmtssprachenAusserSpanisch=<br />
|AutonomieSeit=[[11. Januar]] [[1982]]<br />
|Präsident=Javier Fernández Fernández<br />
|Partei=Partido Socialista Obrero Español<br />
|Abkz=PSOE<br />
|SitzeKongress=8<br />
|SitzeSenat=6<br />
|Gliederung= 78 Concejos<br />
|Hymne=[[Asturias, Patria querida]]<br />
|KarteLokal=Mapa de Asturias con concejos.png<br />
}}<br />
<br />
[[Datei:Aviles-2001 desde ermita de la luz 01.jpeg|mini|Hafen und Industrieanlagen in [[Avilés]]]]<br />
[[Datei:Gijon-playa san lorenzo y Cimadevilla.JPG|mini|Küste bei [[Gijón]]]]<br />
[[Datei:playa-de-toro02.JPG|mini|Playa de Toró bei [[Llanes]]]]<br />
[[Datei:SanSalvadorValdedios-1.jpg|mini|''San Salvador de Valdediós'', 10. Jh.]]<br />
[[Datei:Comarcas of Asturias.png|mini|Karte der geplanten Verwaltungsgliederung]]<br />
'''Asturien''' ([[Spanische Sprache|spanisch]] ''Asturias'' bzw. offiziell ''Principado de Asturias'', d.&nbsp;h. ''Fürstentum Asturien'', [[Asturische Sprache|asturisch]] ''Asturies'' bzw. ''Principáu d'Asturies'') ist eine [[Autonome Gemeinschaften Spaniens|Autonome Gemeinschaft]] im Nordwesten [[Spanien]]s. Das Territorium der Autonomen Gemeinschaft ist identisch mit dem der [[Liste der Provinzen Spaniens|Provinz]] Asturien (früher ''Provinz Oviedo''). Die Hauptstadt ist [[Oviedo]] mit {{EWZ|ES|33044}} Einwohnern (Stand: {{EWD|ES-AS}}).<br />
<br />
== Geographie ==<br />
Asturien erstreckt sich zwischen dem [[Biskaya|Kantabrischen Meer]] im Norden und dem [[Kantabrisches Gebirge|Kantabrischen Gebirge]] im Süden. Politisch grenzt es im Westen an [[Galicien]], im Süden an [[Kastilien und León]] und im Osten an [[Kantabrien]]. Die Küste nennt sich [[Costa Verde]]; hier befinden sich einige der schönsten Strände Spaniens.<br />
<br />
In der ganzen Region herrscht [[Seeklima|ozeanisches Klima]], das sich stark vom heißen und trockenen Klima in Zentral- und Südspanien unterscheidet. Das Landschaftsbild Asturiens ist daher von wesentlich mehr Grün bestimmt (''España Verde'', das „grüne Spanien“). Das Kantabrische Gebirge wirkt dabei als [[Klimascheide]] zum [[Iberische Meseta|zentralspanischen Tafelland]].<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
Die Bevölkerung konzentriert sich in den Tälern des zentralen Landesteiles sowie an der Küste mit ihren urbanen Zentren [[Gijón]] und [[Avilés]], während die Mittel- und Hochgebirgsregionen nur dünn besiedelt sind.<br />
<br />
=== Sprachen ===<br />
Neben der Amtssprache [[Spanische Sprache|Spanisch]] wird in Asturien auch das [[Asturische Sprache|Asturische]] sowie in den westlichen Randgebieten längs der Grenze zu [[Galicien]] ein Übergangsdialekt von Asturisch und [[Galicische Sprache|Galicisch]] gesprochen, das sogenannte [[Galicisch-Asturisch]] oder ''Eonaviego''.<br />
<br />
=== Städte ===<br />
Die größten Städte Asturiens sind die Hafenstadt [[Gijón]] (asturisch ''Xixón'') mit {{EWZ|ES-AS|33024}} Einwohnern, die Hauptstadt [[Oviedo]] (asturisch ''Uviéu'') mit {{EWZ|ES-AS|33044}} Einwohnern und die Industriestadt [[Avilés]] mit {{EWZ|ES-AS|33004}} Einwohnern (Stand: {{EWD|ES-AS}}).<br />
<br />
; Größte Gemeinden<br />
{| class="wikitable sortable zebra"<br />
|- class=hintergrundfarbe6<br />
!Gemeinde<br />
!Einwohner<ref>{{EWQ|ES-AS}}</ref><br />({{EWD|ES-AS}})<br />
|-<br />
|[[Gijón]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33024}}<br />
|-<br />
|[[Oviedo]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33044}}<br />
|-<br />
|[[Avilés]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33004}}<br />
|-<br />
|[[Siero]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33066}}<br />
|-<br />
|[[Langreo]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33031}}<br />
|-<br />
|[[Mieres]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33037}}<br />
|-<br />
|[[Castrillón]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33016}}<br />
|-<br />
|[[San Martín del Rey Aurelio]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33060}}<br />
|-<br />
|[[Corvera]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33020}}<br />
|-<br />
|[[Cangas del Narcea]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33011}}<br />
|-<br />
|[[Llanes]]<br />
| align=right |{{EWZ|ES-AS|33036}}<br />
|-<br />
|[[Navia (Asturien)|Navia]]<br />
| align=right |{{EWZT|ES-AS|33041}}<br />
|-<br />
|[[Ribadesella]]<br />
| align=right |{{EWZT|ES-AS|33056}}<br />
|}<br />
<br />
=== Historische Bevölkerungsentwicklung ===<br />
<timeline><br />
Colors=<br />
id:lightgrey value:gray(0.9)<br />
id:darkgrey value:gray(0.7)<br />
id:sfondo value:rgb(1,1,1)<br />
<br />
ImageSize = width:550 height:auto barincrement:24<br />
PlotArea = left:40 bottom:40 top:20 right:20<br />
DateFormat = x.y<br />
Period = from:0 till:1200<br />
TimeAxis = orientation:horizontal<br />
AlignBars = late<br />
ScaleMajor = gridcolor:darkgrey increment:100 start:0 <br />
ScaleMinor = gridcolor:lightgrey increment:25 start:0 <br />
BackgroundColors = canvas:sfondo<br />
<br />
PlotData=<br />
color:skyblue width:20 shift:(-60,-5) fontsize:M anchor:till<br />
bar:1787 from:0 till: 343 text: 342.537<br />
bar:1857 from:0 till: 525 text: 524.529<br />
bar:1877 from:0 till: 576 text: 576.352<br />
bar:1887 from:0 till: 595 text: 595.420<br />
bar:1897 from:0 till: 613 text: 612.663<br />
bar:1900 from:0 till: 627 text: 627.069<br />
bar:1910 from:0 till: 685 text: 685.131<br />
bar:1920 from:0 till: 744 text: 743.726<br />
bar:1930 from:0 till: 792 text: 791.855<br />
bar:1940 from:0 till: 837 text: 836.642<br />
bar:1950 from:0 till: 888 text: 888.149<br />
bar:1960 from:0 till: 989 text: 989.344<br />
bar:1970 from:0 till:1046 text:1.045.635<br />
bar:1980 from:0 till:1127 text:1.127.007<br />
bar:1990 from:0 till:1099 text:1.098.725<br />
bar:2000 from:0 till:1075 text:1.075.329<br />
bar:2010 from:0 till:1084 text:1.084.341<br />
<br />
TextData=<br />
pos:(35,20) fontsize:M<br />
text:"Zahlenleiste: Tausend Einwohner"<br />
</timeline><br />
Quelle: {{INE.es EWZ-Archiv|33000}}<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
In der Region gibt es Höhlen mit steinzeitlichen Malereien, vor allem Tierdarstellungen, die mehr als 15.000 Jahre alt sind. Es wurden etwa 700 [[Dolmen]] gefunden. Die meisten haben die Jahrtausende nicht unversehrt überstanden, obwohl sie von [[Mámoa]]s bedeckt waren.<br />
<br />
Die ersten festen Siedlungen werden den [[Iberer]]n zugerechnet. Die Region bot Bodenschätze, insbesondere [[Gold]], zu deren Förderung von der so genannten [[Castrokultur]] umwallte Orte gegründet wurden. Diese waren über lange Zeit (>1000 Jahre) bevölkert und werden heute ausgegraben.<br />
<br />
Etwa 800 v. Chr. wurde die Region von [[Kelten|keltischen Stämmen]] besiedelt. Diese errichteten befestigte Siedlungen wie das [[Castro de Coaña]]. Sie dürften ihren Lebensunterhalt unter anderem auch als Hirten bestritten haben.<br />
<br />
Ca. 25–19 v. Chr. wurde die Region ins [[Römisches Reich|Römische Reich]] eingegliedert. Doch die Asturer waren ebenso wie andere einheimische Völker rebellisch, was als Grund für die relative späte Integration in den römischen Herrschaftsbereich angesehen werden kann. Nach dessen Zerfall wurde Asturien im 5. Jahrhundert Teil des [[Westgotenreich]]s. Nach der Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Muslime (711–719) begann von Asturien aus der Widerstand der Christen, den der vornehme [[Pelayo]] (Pelagius) (†&nbsp; 737) organisierte. Er wurde von seinen Anhängern zum König (oder Fürsten) gewählt und soll im Jahr 722 eine Streitmacht des für die Region zuständigen muslimischen Statthalters in der legendären [[Schlacht von Covadonga]] besiegt haben. Dieser Erfolg wird als der Ausgangspunkt der [[Reconquista]] betrachtet.<br />
<br />
Aus Pelayos Machtbereich entstand das [[Königreich Asturien]], das nach Süden expandierte und so 924 Teil des [[Königreich León|Königreiches León]] wurde. Nach wechselvollen Vereinigungen und Erbteilungen der nordspanischen Königreiche wurde Asturien 1230 dauerhaft mit dem [[Königreich Kastilien]] vereinigt. Der spanische [[Kronprinz|Thronfolger]] trägt seit 1388 den Titel „[[Fürst]] von Asturien“ ''(Príncipe de Asturias)''.<br />
<br />
Im [[19. Jahrhundert]] wurde Asturien zusammen mit [[Katalonien]] und dem [[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland]] Zentrum der Industrialisierung Spaniens (v.&nbsp;a. Bergbau und Schwerindustrie). Es gab Kohle in Asturien, Eisen im Baskenland und das Amerika-Textil-Monopol in Barcelona. Es war auch eine der Ursprungsregionen der spanischen [[Arbeiterbewegung]].<br />
<br />
Im Oktober 1934 fand in den Bergbaugebieten Asturiens die kommunistische „revolución de octubre“ (Oktoberrevolution) oder „revolución minera“ (Bergarbeiterrevolution) statt, die von den Truppen der damals von rechten Parteien dominierten Regierung der Republik niedergeschlagen wurde. Die Leitung der Militäraktion gegen die streikenden Bergarbeiter hatte der spätere Diktator [[Francisco Franco|Franco]], der zwei Jahre später den [[Spanischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] lostreten sollte.<br />
<br />
Im Spanischen Bürgerkrieg war Asturien ein Zentrum des republikanischen Widerstandes. Es war jedoch geographisch vom Hauptteil der republikanischen Zone isoliert und konnte im Sommer 1937 von Francos Truppen erobert werden.<br />
<br />
Ihr heutiges Autonomiestatut erhielt die Region am 11. Januar 1982.<br />
<br />
== Architektur ==<br />
{{Siehe auch|Liste vorromanischer Bauwerke in Asturien}}<br />
<br />
== Politische Gliederung ==<br />
Asturien gliedert sich administrativ in 78 ''Conceyos'' (dt. ''Räte'', Städte und Gemeinden nach dem Muster der [[Municipio]]s im übrigen Spanien), die nach dem Autonomiestatut zu Comarcas (entspricht in etwa Regierungsbezirken oder Landkreisen) zusammengefasst werden können, was aber bisher nicht vollständig geschehen ist. Vom Standpunkt der [[Judikative]] aus gesehen sind die 78 Concejos in 18 [[Gerichtsbezirk]]e unterteilt.<br />
{{Siehe auch|Liste der Comarcas und Gemeinden Asturiens}}<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
Asturien ist eine der Industrieregionen Spaniens, insbesondere aufgrund des vorherrschenden Bergbaus und der Schwerindustrie. Da diese Branchen eher zu den schrumpfenden gehören, befindet sich Asturien seit den 1970er Jahren in einem [[Regionaler Strukturwandel|Strukturwandel]]. In den letzten vier Jahrzehnten lag die Wirtschaftswachstumsrate Asturiens hinter der anderer spanischer Gebiete zurück.<br />
<br />
Die Landwirtschaft spielt in Asturien eine größere Rolle, da aufgrund des feuchten Klimas und mäßiger Temperaturen Agrarprodukte produziert werden können, die in anderen Regionen Spaniens nur mit höherem Aufwand angebaut werden können. Daneben gibt es (hauptsächlich inländischen) Tourismus.<br />
<br />
Das [[Bruttoinlandsprodukt]] der Region erreichte im Jahr 2006 gemessen in Kaufkraftstandards 94 % des Durchschnitts der [[Europäische Union|Europäischen Union]] (EU-27).<ref>http://www.ine.es/prensa/np488.pdf Instituto Nacional de Estadistica</ref><br />
<br />
=== Industrie ===<br />
Die traditionell vorherrschenden Industriezweige Asturiens waren [[Steinkohlenbergbau|Steinkohlen]]- und [[Bergbau|Erzbergbau]]. Da die weitere Förderung von Rohstoffen mit mehr Aufwand verbunden ist und die geförderten Rohstoffe aufgrund von billiger Konkurrenz aus dem Ausland unrentabler geworden sind, nimmt der Bergbau seit den 1990er Jahren kontinuierlich ab. Zwischen [[Gijón]] und [[Avilés]] gibt es [[Schwerindustrie]], wobei die Betriebe nicht zuletzt als Folge des rückläufigen Bergbaus von einer Schließungswelle betroffen sind.<br />
<br />
Die Regionalregierung versucht, durch die gezielte Ansiedlung moderner Unternehmen eine Wirtschaftskrise abzuwenden, wodurch eine abnehmende Zahl von Arbeitsplätzen allerdings nicht aufzuhalten ist. Gerade ehemalige Bergleute haben große Schwierigkeiten, in der Region wieder Arbeit zu finden. Die Medien berichten von einer [[Arbeitslosenstatistik|realen Arbeitslosenquote]] zwischen 30 % und 40 %.<br />
<br />
=== Landwirtschaft ===<br />
[[Datei:Horreo Deva.JPG|mini|Hórreo]]<br />
Asturien ist die Milchkammer Spaniens; von der Küste bis zu den [[Picos de Europa]] werden vor allem [[Milchproduktion|Milchkühe]] gehalten. Ein durchschnittlicher Milchviehbetrieb hat 10 bis 15 Milchkühe, Großbetriebe sind in dem hügeligen und kleinstrukturierten Gebieten selten. [[Ackerbau]] wird vornehmlich als [[Mais]]anbau zur [[Silage|Silierung]] und Winterfütterung der Kühe betrieben. Getreideanbau findet kaum statt, ebenso wenig gibt es nennenswerten Weinbau. Eine Spezialität Asturiens ist der [[Apfelschaumwein|Sidra]], ein preisgünstiger [[Apfelwein]].<br />
<br />
In Asturien finden sich überall noch traditionelle quadratischen [[Hórreo]]s, das sind Getreide-, Obst- und Kartoffelspeicher, die zum Schutz gegen Nagetiere auf Pfählen stehen. Die meisten Hórreos sind aus Holz gebaut. Im Westen Asturiens gibt es allerdings auch längliche Speicher aus Steinmaterialien.<br />
<br />
Der Wald besteht heute zum Großteil aus [[Eukalypten|Eukalyptus]]-[[Monokultur|Monokulturen]]. Das schnellwachsende und hochwertige Holz hat den Nachteil, dass der Waldboden ausgelaugt wird. Zudem steigt bei dem stark ölhaltigen Eukalyptusholz die Gefahr von Waldbränden sehr stark.<br />
<br />
== Sport ==<br />
=== Fußball ===<br />
Mit dem [[Sporting Gijón]] spielt ein asturischer Verein in der [[Primera División (Spanien)|Primera División]], der höchsten Spielklasse im spanischen Fußball. Ein weiterer bekannter Klub ist [[Real Oviedo]], das 38 Spielzeiten in der [[Primera División (Spanien)|Primera División]] absolvierte und derzeit in der [[Segunda División]], Spaniens zweithöchste Spielklasse, aktiv ist.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Parlament ===<br />
[[Datei:Asturparlhist.svg|mini|hochkant=1.5|Sitzverteilung im Regionalparlament und Regionalregierungen (seit 1983)]]<br />
Seit dem Inkrafttreten des Autonomiestatuts im Jahre 1983 haben acht Wahlen zum Regionalparlament (''Junta General del Principado de Asturias'') stattgefunden. Nachdem die FAC-Minderheitsregierung für den Entwurf des [[Haushaltsplan|Haushaltes]] 2012 im Parlament keine Mehrheit gefunden hatte, löste Ministerpräsident Alvárez-Casco das Parlament am 30. Januar 2012 auf und ordnete Neuwahlen für den 25. März 2012 an. Diese brachten folgendes Ergebnis:<br />
* PSOE 32 % und 16 Sitze<br />
* FAC 25 % und 13 Sitze<br />
* PP 22 % und 10 Sitze<br />
* IU 14 % und 5 Sitze<br />
* UPyD 4 % und 1 Sitz<br />
: (vorläufiges amtliches Endergebnis)<br />
Erst am 28. März 2012 wurden die Stimmen der im Ausland lebenden Wahlberechtigten ausgezählt. Unter Einbeziehung dieses Ergebnisses ergab sich, dass das FAC einen Sitz an die PSOE verlieren würde. Das FAC hat hiergegen Wahlprüfungsklage eingelegt. Hierauf ordnete das ''Tribunal Superior de Justicia'' von Asturien (was etwa einem deutschen Oberverwaltungsgericht entspricht) mit Urteil vom 27. April 2012 die Wiederholung der Wahl der im Wählerregister für den Wahlkreis West eingetragenen Auslandsspanier an. Außerdem sprach es aus, dass der sechste Sitz dieses Wahlkreis bis zur Wiederholungswahl unbesetzt bleibt, weshalb sich das neugewählte Parlament am 27. April 2012 mit vorerst nur 44 Abgeordneten konstituierte. Gegen dieses Urteil erhoben die PSOE, IU und der von dem Verlust seines Mandates betroffene Kandidat der PSOE Wahlverfassungsbeschwerde beim spanischen Verfassungsgericht. Das Verfassungsgericht gab der Beschwerde am 11. Mai 2012 statt und hob das Urteil des ''Tribunal Superior de Justicia'' auf. Es wird also keine Wiederholungswahl stattfinden, die endgültige Sitzverteilung lautet: PSOE 17, FAC 12, PP 10, IU 5 und UPyD 1.<br />
<br />
; Die bisherigen Ergebnisse im Einzelnen:<br />
{| class="wikitable zebra"<br />
|-<br />
! || ||colspan=2 style=background:#ff3300 | '''[[Partido Socialista Obrero Español|PSOE]]'''<br />
! colspan=2 style=background:#b4e2ff | '''[[Partido Popular (Spanien)|PP]]'''<ref> 1983: Wahlbündnis aus [[Alianza Popular]], Partido Demócrata Popular (PDP) und Unión Liberal (UL); 1987: [[Alianza Popular]]</ref><br />
! colspan=2 style=background:#ff6666 | '''[[Izquierda Unida|IU]]'''<ref>1983: [[Partido Comunista de España]]; 2003: Wahlbündnis aus IU und [[Bloque por Asturies]]; 2007: Wahlbündnis aus IU, Bloque por Asturies und Los Verdes de Asturias; 2011: Wahlbündnis aus IU und Los Verdes.</ref><br />
! colspan=2 style=background:#436EEE | '''[[Foro de Ciudadanos|FAC]]'''<br />
! colspan=2 style=background:#7CCD7C | '''[[Centro Democrático y Social|CDS]]'''<ref>1995: Centristas Asturianos-Centro Democrático y Social (CA-CDS); 1999: Unión Centrista-Centro Democrático y Social (UC-CDS)</ref><br />
! colspan=2 style=background:#EEEE00 | '''[[Unión Renovadora Asturiana|URAS]]'''<ref>1999/2003: [[Unión Renovadora Asturiana]] (URAS); 2007/2011: Wahlbündnis aus URAS und [[Partíu Asturianista]] (PAS)</ref><br />
! colspan=2 style=background:#00EE76 | '''[[Partíu Asturianista|PAS]]'''<ref>1991: Wahlbündnis aus PAS und Unidá Nacionalista Asturiana (UNA); 2007/2011: Wahlbündnis mit Unión Renovadora Asturiana (URAS)</ref><br />
! rowspan=2| '''Sitze<br>gesamt'''<br />
|- <br />
! || ||style=background:#ff3300 | Stimmen ||style=background:#ff3300 | Sitze ||style=background:#b4e2ff | Stimmen||style=background:#b4e2ff | Sitze ||style=background:#ff6666 | Stimmen||style=background:#ff6666 | Sitze ||style=background:#436EEE | Stimmen ||style=background:#436EEE | Sitze||style=background:#7CCD7C | Stimmen||style=background:#7CCD7C | Sitze||style=background:#EEEE00 | Stimmen||style=background:#EEEE00 | Sitze||style=background:#00EE76 | Stimmen||style=background:#00EE76 | Sitze<br />
|-align=right<br />
! I<br />
|'''1983'''||style=background:#ff3300 | 52,17 %||style=background:#ff3300 | 26 ||style=background:#b4e2ff | 30,35 %||style=background:#b4e2ff | 14 ||style=background:#ff6666 | 10,76 %||style=background:#ff6666 | 5 || || ||style=background:#7CCD7C | 3,88 %||style=background:#7CCD7C | 0|| || || || ||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! II<br />
|'''1987'''||style=background:#ff3300 | 39,33 %||style=background:#ff3300 | 20||style=background:#b4e2ff | 25,54 %||style=background:#b4e2ff | 13 ||style=background:#ff6666 | 12,24 %||style=background:#ff6666 | 4 || || ||style=background:#7CCD7C | 18,78 %||style=background:#7CCD7C | 8|| || ||style=background:#00EE76 | 1,29 %||style=background:#00EE76 | 0||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! III<br />
|'''1991'''||style=background:#ff3300 | 41,53 %||style=background:#ff3300 | 21 ||style=background:#b4e2ff | 30,78 %||style=background:#b4e2ff | 15 ||style=background:#ff6666 | 15,03 %||style=background:#ff6666 | 6 || || || style=background:#7CCD7C | 6,83 %||style=background:#7CCD7C | 2|| || ||style=background:#00EE76 | 2,77 %||style=background:#00EE76 | 1||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! IV<br />
|'''1995'''||style=background:#ff3300 | 34,24 %||style=background:#ff3300 | 17 ||style=background:#b4e2ff | 42,50 %||style=background:#b4e2ff | 21 ||style=background:#ff6666 | 16,62 %||style=background:#ff6666 | 6 || || || style=background:#7CCD7C | 1,80 % ||style=background:#7CCD7C | 0 || || ||style=background:#00EE76 | 3,22 %||style=background:#00EE76 | 1||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! V<br />
|'''1999'''||style=background:#ff3300 | 46,73 %||style=background:#ff3300 | 24 ||style=background:#b4e2ff | 32,83 %||style=background:#b4e2ff | 15 ||style=background:#ff6666 | 9,14 %||style=background:#ff6666 | 3 || || || style=background:#7CCD7C | 0,12 % ||style=background:#7CCD7C | 0 ||style=background:#EEEE00 | 7,26 % ||style=background:#EEEE00 | 3 ||style=background:#00EE76 | 2,62 %||style=background:#00EE76 | 0||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! VI<br />
|'''2003'''||style=background:#ff3300 | 41,43 %||style=background:#ff3300 | 22 ||style=background:#b4e2ff | 40,09 %||style=background:#b4e2ff | 19 ||style=background:#ff6666 | 11,31 %||style=background:#ff6666 | 4 || || || style=background:#7CCD7C | 0,11 % ||style=background:#7CCD7C | 0 ||style=background:#EEEE00 | 2,90 % ||style=background:#EEEE00 | 0 ||style=background:#00EE76 | 1,88 %||style=background:#00EE76 | 0||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! VII<br />
|'''2007'''||style=background:#ff3300 | 43,08 %||style=background:#ff3300 | 21 ||style=background:#b4e2ff | 42,52 %||style=background:#b4e2ff | 20 ||style=background:#ff6666 | 9,93 %||style=background:#ff6666 | 4 || || || || ||style=background:#EEEE00 | 2,27 % ||style=background:#EEEE00 | 0 || || ||'''45'''<br />
|-align=right<br />
! VIII<br />
|'''2011'''||style=background:#ff3300 | 30,72 %||style=background:#ff3300 | 15 ||style=background:#b4e2ff | 20,48 %||style=background:#b4e2ff | 10 ||style=background:#ff6666 | 10,55 %||style=background:#ff6666 | 4 ||style=background:#436EEE | 30,45 %||style=background:#436EEE | 16|| || ||style=background:#EEEE00 | 0,51 % ||style=background:#EEEE00 | 0 || || ||'''45'''<br />
|}<br />
<br />
=== Regierung ===<br />
Der vom Parlament gewählte Ministerpräsident (''Presidente del Principado de Asturias'') steht der Regionalregierung (''Consejo de Gobierno'') vor und benennt ihre Mitglieder. Die Regierungen seit 1983 im Einzelnen:<br />
{| class="wikitable zebra"<br />
|- class=hintergrundfarbe6<br />
! Legislatur !! Zeitraum !! Ministerpräsident !! Partei !! Bemerkungen<br />
|-<br />
! I<br />
| 1983–1987 ||[[Pedro de Silva Cienfuegos-Jovellanos]]||PSOE||<br />
|-<br />
! II<br />
| 1987–1991 ||[[Pedro de Silva Cienfuegos-Jovellanos]]||PSOE||Minderheitsregierung<br />
|-<br />
! rowspan=2 | III<br />
| 1991–1993 ||[[Juan Luis Rodríguez-Vigil Rubio]]||PSOE||Minderheitsregierung<br />
|-<br />
| 1993–1995 ||[[Antonio Ramón Trevín Lombán]]||PSOE||Minderheitsregierung<br />
|-<br />
! rowspan=2 | IV<br />
| 1995–1998 ||[[Sergio Marqués Fernández]]||PP|| Minderheitsregierung<br />
|-<br />
| 1998–1999 ||[[Sergio Marqués Fernández]]<ref>Nach parteiinternem Streit waren der Ministerpräsident Marqués Fernández und vier weitere Abgeordnete der PP im Oktober 1998 aus deren Fraktion ausgeschieden und hatten kurz später die Unión Renovadora Asturiana gegründet. Marqués Fernández besetzte die Regierungsposten mit seinen Gefolgsleuten und blieb bis zur Wahl 1999 im Amt, da ein konstruktives [[Misstrauensvotum]] nicht zustande kam.</ref>||URAS||Minderheitsregierung<br />
|-<br />
! V<br />
| 1999–2003 ||[[Vicente Álvarez Areces]]||PSOE||<br />
|-<br />
! VI<br />
| 2003–2007 ||[[Vicente Álvarez Areces]]||PSOE|| Koalition PSOE/IU<br />
|-<br />
! rowspan=2 | VII<br />
| 2007–2008 ||[[Vicente Álvarez Areces]]||PSOE|| Minderheitsregierung<br />
|-<br />
| 2008–2011 ||[[Vicente Álvarez Areces]]||PSOE||Koalition PSOE/IU<br />
|-<br />
! VIII<br />
| 2011–2012 ||[[Francisco Alvárez-Cascos Fernández]]||FAC|| Minderheitsregierung<br />
|-<br />
! IX<br />
| 2012- ||[[Javier Fernández Fernández]]||PSOE|| Minderheitsregierung<br />
|}<br />
<br />
== Bilderauswahl ==<br />
<gallery><br />
El angliru desde el Monsacro.jpg|Blick auf ''L'Angliru'' aus Richtung ''Monsacro''<br />
Isla de deva.jpg|Isla de Deva<br />
ErcinaLakeHorse.jpg|Ercina-See<br />
Naranjo de Bulnes.JPG|[[Naranjo de Bulnes]]<br />
RibadedevaStrand2.jpg|Felsformation bei [[Ribadedeva]]<br />
</gallery><br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Brigitte Kramer: ''Aussteiger in Asturien. Alte Häuser finden neue Käufer.'' [http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AJS/_ArG_yFd571S/161218_0000_radioReisen_radioReisen-18122016-Nordspanien.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 33:00, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/podcast-radioreisen-18122016-nordspanien-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Asturias|Asturien}}<br />
{{wikivoyage}}<br />
* [http://www.asturias.es/ Website der Regierung von Asturien]<br />
* [http://www.infoasturias.com/ Website der Tourismusinformation Asturien]<br />
* [http://www.spain.info/de/ven/comunidades-autonomas/asturias.html Offizielle Website für den Tourismus in Spanien: Informationen über Asturien] (deutsch)<br />
* [http://www.asturien.net/ Allgemeines Informationsportal zu Asturien]<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<references/><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Autonome Gemeinschaften in Spanien<br />
|Navigationsleiste Provinzen in Spanien}}<br />
<br />
{{Coordinate|article=/|NS=43/18/00/N|EW=5/58/00/W|type=adm2nd|region=ES-AS}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4003329-6|LCCN=n/83/59286|VIAF=153195509}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spanische autonome Gemeinschaft]]<br />
[[Kategorie:Spanische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Asturien| ]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Frankokantabrische_H%C3%B6hlenkunst&diff=162630482Frankokantabrische Höhlenkunst2017-02-14T09:05:57Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>{{Linked Coordinates}}<br />
[[Datei:GMT France 2.png|miniatur|Topographische Karte. Beim Vergleich mit der unteren Karte erkennt man die bevorzugte Lage der Bilderhöhlen: an den Ausläufern von Gebirgen mit mächtigen Kalkformationen (Höhlenbildung), am Rand von Flusstälern und an Küsten (günstig für Jagd und Fischfang).]]<br />
[[Datei:Franco-Cantabrian region.gif|miniatur|Archäologische Karte der frankokantabrischen Bilderhöhlen. <br />Rote Punkte: die wichtigsten Höhlen. <br />Weiß: ungefähre Ausdehnung der ständigen Vereisung. <br />Hellgrün: ungefähre Ausdehnung der jetzt unter Wasser liegenden Gebiete.]]<br />
[[Datei:Aurignacian culture map-fr.svg|miniatur|Die Lagekarte des [[Aurignacien]] zeigt die frühe Kunstentfaltung in Europa (37.000–28.000 [[Before Present|BP]])]]<br />
<br />
Als '''frankokantabrische Höhlenkunst''' wird ein Kunstkreis des [[Jungpaläolithikum]]s bezeichnet, dessen Verbreitungsgebiet in [[Le Midi|Südfrankreich]] und Nord[[spanien]] liegt. In den dortigen [[Höhle]]n entstanden im Laufe von etwa 20.000 Jahren Malereien, Reliefs und Zeichnungen, vor allem an den Wänden (daher auch [[Felsbild|Parietalkunst]] genannt). Diese [[Eiszeitalter|eiszeitliche]] Kunst ist oft von hoher künstlerischer Qualität. Außerdem wurden gemalte, plastische, gravierte und geritzte Werke der [[Jungpaläolithische Kleinkunst|mobilen Kunst]] gefunden.<br />
<br />
Allein in Frankreich sind bisher rund 150 Höhlen und [[Abri]]s mit Höhlenkunst entdeckt worden (Stand 2000),<ref name="Lorblanchet56">Lorblanchet, S. 56.</ref> die Zahl steigt jedoch ständig. Insgesamt fand man bis 2014 ca. 350 Bilderhöhlen im gesamten frankokantabrischen Raum.<br />
<br />
Dieser Artikel besteht aus einem allgemeinen Teil und einem Listenteil. In den Listen werden stichwortartig die wichtigsten Daten und besondere Merkmale der Höhlen angegeben.<br />
<br />
== Begriff ==<br />
Der Begriff wurde seinerzeit zur Abgrenzung von der [[Mesolithikum|mesolithischen]] spanischen ''Levante-Kunst'' geprägt, also Felsmalereien und -gravuren außerhalb von Höhlen im östlichen Spanien.<ref>Ries, S. 34; Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 425.</ref> Die Bezeichnung wurde dann vorübergehend auf ähnliche Kunstwerke ganz Europas ausgedehnt. In Südfrankreich und Nordspanien liegen zwar die weitaus ältesten Fundstellen der Höhlenkunst weltweit, die Eigenständigkeit der anderen europäischen Höhlenkunst – etwa in Skandinavien, Süddeutschland, Osteuropa und auf dem Balkan – ist aber inzwischen erkannt worden. Man verwendet den Begriff nun einfach, um die erstaunliche regionale Häufung der jungpaläolithischen Höhlenkunst in Südfrankreich und Nordspanien zu bezeichnen.<ref>''Lexikon der Kunst.'' Bd. 2, S. 571.</ref> 90&nbsp;Prozent der Höhlenmalereien konzentrieren sich auf dieses Gebiet.<br />
<br />
Die Bezeichnung ''frankokantabrisch'' ist eigentlich nicht exakt, weil die nordspanischen Höhlen nicht alle in [[Kantabrien]] liegen, sondern auch weiter westlich in [[Asturien]] und weiter östlich im spanischen [[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland]]. In Kantabrien befinden sich rund die Hälfte der nordspanischen Bilderhöhlen, darunter eine der schönsten und berühmtesten: die [[Höhle von Altamira]].<br />
<br />
== Bedeutung ==<br />
Der belgische Religionshistoriker [[Julien Ries]] (1920–2013) notierte: „Das Entstehen einer Felskunst in der Dunkelheit tiefer Höhlen während der Kultur des [[Magdalénien]] stellt eine in der Geschichte einzigartige Tatsache dar&nbsp;[...] Seit einem Jahrhundert versuchen die Prähistoriker in das Geheimnis dieser Kulthöhlen und ihres [[Ikonographie|ikonographischen]] und künstlerischen Reichtums einzudringen“.<ref>Ries, S. 35, 41.</ref> Die Qualität dieser Kunst ist so hoch, dass man sie als ersten Höhepunkt menschlichen Kunstschaffens betrachtet. Die frühen Entdecker nannten etwa die [[Höhle von Niaux]] das „[[Schloss Versailles|Versailles]] der Prähistorie“ und die [[Höhle von Lascaux]] die „[[Sixtinische Kapelle]] des Paläolithikums“.<br />
<br />
Zum [[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltkulturerbe]] zählen in Frankreich seit 1979 die Höhlen des [[Vézère]]-Tals, darunter die Höhle von Lascaux. In Spanien wurde im Jahr 1985 die Höhle von Altamira zum Weltkulturerbe erklärt und im Jahr 2008 weitere 17 Höhlen (siehe [[Paläolithische Höhlenmalerei im Norden Spaniens]]).<br />
<br />
Die Motive für die jahrtausendelange Ausgestaltung dieser Höhlen in ihren meist schwer zugänglichen, tiefen, dunklen und nicht bewohnten Bereichen werden in der religiösen Vorstellungswelt der damaligen Menschen vermutet (siehe hierzu [[prähistorischer Schamanismus]]). [[Emmanuel Anati]] (*&nbsp;1930) sieht in dieser Fels- und Höhlenkunst den Ursprung des begrifflichen Denkens.<ref>Anati, S. 228–239.</ref> [[Hermann Müller-Karpe]] spricht von einer „Bewusstseinsintensivierung“.<ref>Müller-Karpe, Grundzüge, Bd. 1, 1998, S. 36.</ref> Die in den großen Bildern enthaltenen Symbole können uns nach Ries in die Mythen des ''[[Mensch|Homo sapiens]]'' einführen.<ref name="Ries50">Ries, S. 50.</ref><br />
<br />
== Entdeckungs- und Forschungsgeschichte ==<br />
Die Forschungsgeschichte begann, als die ersten Entdecker staunend vor den für sie unfassbar kunstvollen Hinterlassenschaften einer Zeit standen, die man bisher als primitiv eingestuft hatte. <br />
Die Chabot-Höhle im [[Département Ardèche]] wurde 1878 als erste bemalte Höhle entdeckt; die Entdeckung der Malereien in der [[Höhle von Altamira]] folgte schon 1879. Von 1895 an wurde die prähistorische Kunst mit beiden Erscheinungsbildern – mobile plastische Kunst und die Bildkunst an den Höhlenwänden – als [[Kunst]] anerkannt. Von 1900 an verbreitete der französische Priester [[Henri Breuil]] (1877–1961) das Wissen über sie und betrieb einschlägige Forschungen.<br />
<br />
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unterstellte man dieser Kunst eine religiöse oder magische Bedeutung. Eine solche Betrachtungsweise schuf, so [[André Leroi-Gourhan]], „ein Bewusstsein [...] für den gemeinsamen Ursprung von Religion und Kunst“.<ref>Anati, S. 223–228.</ref> Die Deutungen waren aber von Anfang an umstritten. Andere sahen den prähistorischen Menschen als religionslos und seine Kunst als zweckfrei an.<br />
<br />
Die Ethnologie fokussierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Konzepte wie [[Jagdzauber]], wie er bei den [[Aborigines]] zu finden war. Vor allem Henri Breuil vertrat diese Richtung. Andere Autoren favorisierten den [[Totemismus]] oder den [[Schamanismus]] als Erklärung. Diese Deutungsversuche bezogen sich nicht nur auf die frankokantabrische Höhlenkunst, waren aber maßgeblich von ihr bestimmt – die meisten der damals führenden Prähistoriker waren Franzosen.<ref>Ries, S. 38 f.</ref><br />
<br />
In den 1970er und 1980er Jahren bildete sich unter dem Einfluss von Prähistorikern wie André Leroi-Gourhan, Annette Laming-Emperaire, [[Yves Coppens]], Emmanuel Anati, [[Paolo Graziosi]] und A. Beltran eine Koordinationsgruppe für die Forschung, das Studium und die Erhaltung der Fels- und Höhlenkunst. Sie erreichte, dass einige Höhlen für die Öffentlichkeit gesperrt wurden, nachdem die Touristenströme mittlerweile mehr Schaden an den Bildern angerichtet hatten als die zwanzigtausend Jahre zuvor. Durch die Zusammenarbeit von Forschern und inspiriert durch die Entdeckung weiterer Bilderhöhlen wie der [[Grotte Chauvet]] und der [[Grotte Cosquer]] entstand ein erstes Gesamtbild dieses Erbes.<ref name="Ries50" /><br />
<br />
== Allgemeine Voraussetzungen: Umwelt, Mensch und Kultur ==<br />
Warum die frankokantabrische Höhlenkunst überhaupt entstand, ist umstritten.<ref>Sherratt, S. 88; Cunliffe, S. 86 f.</ref> Mehrere Faktoren spielten bei dieser „jungpaläolithischen Revolution“ eine Rolle:<br />
* die Umwelt des [[Jungpaläolithikum]]s: der Wechsel zwischen wärmeren und kälteren Phasen innerhalb der [[Würm-Eiszeit]], die Pflanzen- und Tierwelt.<ref>Müller-Beck, S. 25 f., 35 f.; Cunliffe, S. 55–58</ref><br />
* der damalige Mensch: der [[Cro-Magnon-Mensch]], der den [[Neandertaler]] verdrängte und dessen Auftauchen mit dem plötzlichen Beginn der Kreativität zusammenfällt.<ref>Cunliffe, S. 55, 67–72, 81</ref><br />
* Höhlen und Höhlengruppen als Lebenszentren im Zusammenhang mit den Wanderungen der Jagdtiere und als Heiligtümer<ref>Müller-Beck, S. 16, 27 ff.; Cunliffe, S. 73–79</ref><br />
* die Entstehung einer differenzierten Sozialstruktur<ref name="Cunliffe88">Cunliffe, S. 88.</ref><br />
* die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins<ref>Müller-Beck, S. 20 ff., 50 f.; Gesamtdarstellung dieser Thematik in: Lewis-Williams: ''The Mind in the Cave'', 2002.</ref><br />
<br />
=== Die eiszeitliche Umwelt ===<br />
==== Klima ====<br />
[[Datei:Svalbard tundra.jpg|miniatur|So wie diese herbstliche [[Tundra]]landschaft auf [[Spitzbergen (Insel)|Spitzbergen]] kann man sich den größten Teil Frankreichs während der kälteren Phasen der letzten Eiszeit vorstellen]]<br />
[[Datei:Picea glauca taiga.jpg|miniatur|Während der wärmeren Phasen drang der mit Birken und Espen durchsetzte [[Borealer Nadelwald|boreale Nadelwald]] (hier in Alaska) etwas weiter nach Norden vor]]<br />
<br />
Die [[letzte Kaltzeit]] des gegenwärtigen Eiszeitalters dauerte in Westeuropa etwa von 115.000 [[Before Present|BP]] bis 10.000 BP. Im Alpenraum heißt sie [[Würm-Kaltzeit]], in Nord- und Osteuropa [[Weichsel-Kaltzeit]]. Längere kalte Phasen ([[Stadial]]e) wurden von wärmeren und feuchteren Phasen unterbrochen ([[Interstadial]]e). <br />
<br />
Die letzte Phase der letzten Kaltzeit ab etwa 35.000 BP ist mit dem [[Jungpaläolithikum]] identisch. In dieser Zeit entwickelte sich die frankokantabrische Höhlenkunst. Das Kältemaximum lag zwischen 20.000 und 18.000 BP, als der [[Rhonegletscher|Rhônetalgletscher]] bis dicht vor das heutige [[Lyon]] reichte und fast das gesamte Gebiet des heutigen Südfrankreich eine baumlose Tundra war. Die Temperaturen lagen um 5 bis 13&nbsp;°C niedriger als heute. Der Meeresspiegel lag um etwa 120&nbsp;m tiefer als jetzt und der damalige Küstenverlauf oft über zehn Kilometer vor dem heutigen. [[Gletscher]] erstreckten sich als bis zu 3000 m dicke Eisschilde über weite Teile des nördlichen Europa, teilweise bis nach Mitteleuropa. Im Süden waren die Alpen bis tief ins Vorland vergletschert, ebenso die Pyrenäen. Der Raum zwischen dem nördlichen Eisschild und den Alpen war wie heute in Sibirien von [[Permafrost]]böden gekennzeichnet.<ref>Schwarzbach, S. 247 ff.; Lamb, S. 129 ff.</ref> Einige Sommer mögen mit heutigen kühlen Sommern vergleichbar gewesen sein, doch die Winter waren durchweg sehr kalt mit Temperaturen unter –10&nbsp;°C über mehrere Wochen. Das Klima war in Europa relativ trocken.<ref>Cunliffe, S. 55–60; Clottes/Courtin: Cosquer, S. 33–40; Hoffmann, S. 91 ff.</ref><br />
<br />
Die letzte Kaltzeit schloss mit einem scharfen Kältezacken, der [[Jüngere Dryas|Jüngeren Dryas]] (ca. 12.700–11.700 BP). Die Temperatur sank um bis zu 15 Grad unter das heutige Niveau ab, die Vergletscherung nahm nochmals stark zu, der Meeresspiegel sank. Zu dieser Zeit war die frankokantabrische Höhlenkunst bereits im Niedergang begriffen. Sie endete mit der Erwärmung des Klimas vor etwa 11.700 Jahren, als das [[Holozän]] begann.<br />
<br />
==== Pflanzenwelt ====<br />
Für Erkenntnisse über die Flora sind [[Paläobotanik|paläobotanische]] [[Pollen]]befunde die Hauptquellen. An den Rändern der nördlichen Eisschilde und bis weit nach Süden fand sich die wegen des Permafrostes baumlose Kältesteppe ([[Tundra]]), weiter südlich [[borealer Nadelwald]] (Taiga). Ganz im Süden – in Küstennähe und im unteren Rhônetal sowie in Nordspanien – gab es eine Parktundra mit vereinzelten Baumgruppen. Direkt an der Mittelmeerküste stand etwas dichterer Laubmischwald, ebenso an der Nordküste Spaniens. Weiter südlich ging die Landschaft wieder in relativ baumlose Trocken- bzw. [[Savanne|Buschsavannen]] über. Die Ausdehnung dieser Bereiche war stark von den Phasen der Eiszeit abhängig, die sich als wärmere Interstadiale und Eisvorstöße abwechselten.<br />
<br />
Die sogenannte Mammutsteppe der nördlicheren Breiten war mit einer arten- und nährstoffreichen Vegetation bewachsen und stellte für weidende Pflanzenfresser im Sommer einen üppigen Lebensraum dar, mit heutigen Almweiden vergleichbar. Der Winter bedeutete allerdings einen Nahrungsengpass. Die [[Steppe]]nlandschaft des Südens war von Fichten-, Birken-, Erlen- und Kieferngehölzen aufgelockert und mit Wacholder, Süßgräsern und Beifuß bewachsen. Sie bot ebenso wie die baumlosen nördlichen Tundren einer artenreichen Fauna Schutz und Nahrung.<ref>V. Koenigswald, S. 145.</ref><br />
<br />
==== Tierwelt ====<br />
Die Eiszeitmenschen lebten hauptsächlich als Großwildjäger. Für die Deutung der Höhlenbilder ist das Wissen über die jeweilige Verbreitung der Tierarten unentbehrlich.<ref>V. Koenigswald, S. 143–149.</ref> Die Tierwelt tritt uns in den Höhlenbildern vielfach entgegen, allerdings nicht gemäß der jägerischen Bedeutung einzelner Tierarten, die sich aus den Knochenresten ergibt.<ref>Lorblanchet, S. 57–61.</ref> Insgesamt stammt unser Wissen über die damalige Großfauna sowohl aus Essensresten als auch aus den Darstellungen in den Höhlen, wobei diese oft anatomisch ungenau sind, so dass manchmal die Tierart nicht bestimmt werden kann.<ref>Von Koenigswald, S. 40–137.</ref><br />
<br />
Als ''größere Jagdtiere'' sind [[Ren]]tiere, [[Steinbock|Steinböcke]] und [[Gämse]]n nachgewiesen, dazu der Steppenbison. Vor allem in der älteren Literatur schwankt die Bezeichnung [[Wisent]] und [[Bison]]. Es handelt sich hier aber eindeutig um den Steppenbison (''Bison priscus''), der zu Beginn des Holozäns in Europa ausstarb. Weiter gab es [[Wildpferd]]e, eine ausgestorbene Wildeselart und [[Saiga-Antilope]]n. <br />
<br />
Bevorzugte Jagdbeute waren Pferde, Steinböcke und insbesondere Rentiere. Teilweise stammen 99&nbsp;Prozent der gefundenen Knochen von Rentieren.<ref>Hoffmann, S. 244.</ref> Sie sind vor allem im Spätglazial derart häufig, dass man sogar regionale Unterarten unterscheiden kann. Ihr Vordringen bis zu den Pyrenäen gilt als Klimaindikator.<ref>V. Koenigswald, S. 79–82.</ref> Das Rentier lieferte neben Fleisch und Fett auch Fell für Kleidung und Zelte, Sehnen und Därme als Nähmaterial sowie Knochen und Geweih für Waffen, Werkzeuge und die Kleinkunst.<br />
<br />
[[Datei:Ice age fauna of northern Spain - Mauricio Antón.jpg|miniatur|Eiszeitliche Landschaft in Nordspanien mit Wollmammuts, Wildpferden, einem Wollnashorn und einem Höhlenlöwen an einem Renkadaver (Phantasiezeichnung). Solchen Tieren könnten die Schöpfer der frankokantabrischen Höhlenkunst begegnet sein.]]<br />
<br />
In den Tälern lebten [[Cerviden]]: Rothirsch, [[Reh]] und der später ausgestorbene [[Riesenhirsch]]. Während der Kaltzeiten konnten sich auch [[Elch]]e in den gemäßigteren Zonen Europas aufhalten (wegen der ähnlichen Schaufelgeweihe sind sie auf Bildern von Riesenhirschen nicht immer unterscheidbar). Mit regional und zeitlich stark unterschiedlicher Dichte kamen [[Mammuts]] und [[Wollnashorn]] vor, die allerdings im Spätglazial immer seltener wurden, desgleichen die an ein kaltes, trockenes Klima besonders gut angepassten [[Moschusochse]]n. <br />
<br />
Größere Pflanzenfresser sind auf große Nahrungsmengen angewiesen. Sie haben vor allem im Winter Schwierigkeiten und sind daher eher in den südlicheren Bereichen Frankreichs und im Norden Spaniens zu finden. Damhirsch und [[Wildschwein]] waren während der Kaltzeiten meist nur im Mittelmeergebiet verbreitet. [[Waldelefant]]en kamen wie das [[Waldnashorn]] während der Eiszeiten nur in den südlichen Regionen Europas vor, so dass ihre Repräsentanz auf Felsbildern der nördlicheren Zonen mit einem Fragezeichen versehen werden muss.<br />
<br />
Auch ''Raubtiere'' gab es zahlreich: [[Höhlenhyäne]], [[Höhlenlöwe]], Höhlenluchs. Der riesige [[Höhlenbär]] und der kleinere [[Braunbär]] waren überwiegend Pflanzenfresser. Der [[Wolf]] war in Kleinformen an den Lagerplätzen des jüngeren Magdalénien präsent und diente wohl als Jagdhelfer wie als Nahrungsreserve. Die Anfänge der Wolf-[[Domestikation]] lassen sich bis in das mittlere Jungpaläolithikum (ca. 27.000–20.000 BP) verfolgen, ab 15.000 BP gilt seine Domestikation als relativ sicher.<ref>Benecke, S. 210.</ref> Auffallend ist jedenfalls, dass er praktisch nie auf Höhlenbildern auftaucht. Vom [[Vielfraß]] hingegen, einem wichtigen Raubtier des borealen Nadelwaldes, fanden sich zahlreiche Knochen in Höhlen. Während der Kaltzeiten ist vor allem der [[Eisfuchs]] nachweisbar, seltener der [[Rotfuchs]], der eher an den Rändern der Tundren lebte.<br />
<br />
''Niederwild'' war für die Ernährung der Eiszeitmenschen durchaus von Bedeutung. Es gab [[Schneehase]]n (dem [[Feldhase]]n war es während der Eiszeiten im mittleren Europa zu kalt, ebenso dem [[Wildkaninchen]]), [[Dachs]]e und [[Biber]]. [[Murmeltier]] und [[Ziesel]] waren häufige Steppenbewohner, ebenso wie der [[Steppenlemming]], dessen Vorkommen als starker Hinweis auf Kaltzeitsteppen gewertet wird. [[Eichhörnchen]] und [[Flughörnchen]] waren dagegen auf Wälder angewiesen, ihre Fossilien gelten als Indikatoren für Waldbestände. Eiszeitlich war auch der [[Maulwürfe|Maulwurf]] häufig, der teilweise sogar in einer Riesenform imponiert. Auch kleinere Nagetiere, Pflanzen, Eier und Fische haben vermutlich einen bedeutenden Beitrag zur Ernährung geliefert.<ref>V. Koenigswald, S. 156 f., S. 166.</ref><br />
<br />
An den Küsten gab es Robben, [[Alkenvögel]] und andere Meeresvögel, dazu reichlich [[Schalentiere]].<br />
<br />
=== Der Mensch der Eiszeit und seine Kultur ===<br />
[[Datei:Cro-Magnon range 30,000 ybp.svg|miniatur|Verbreitung des Cro-Magnon in Europa, dem [[Naher Osten|Nahen Osten]] und in [[Nordafrika]] um 30.000 BP]]<br />
<br />
==== Menschentyp ====<br />
Man weiß aus Skelettfunden (Bestattungen), dass es sich bei den Schöpfern der Höhlenbilder um den anatomisch modernen ''Homo sapiens'' handelt, siehe [[Cro-Magnon-Mensch]]. Nach Europa kamen diese Menschen ab 40.000 BP, möglicherweise über den Nahen und Mittleren Osten. Als ihr Ursprung gilt Afrika, wo sie schon ab 100.000 BP nachgewiesen sind.<ref>Hoffmann, S. 76 ff.</ref> Ihre Durchschnittsgröße lag bei 180 cm bei den Männern und 166 cm bei den Frauen. Der Körperbau entsprach dem heutiger Menschen. Die mit Primitivität assoziierte Bezeichnung „Höhlenmensch“ gilt heute als obsolet (außer wenn es rein deskriptiv darum geht, dass Höhlen bewohnt wurden).<br />
<br />
Der Cro-Magnon-Mensch verdrängte den [[Neandertaler]]. Der genaue Hergang ist unklar. Die letzten Spuren des Neandertalers finden sich in Südspanien und Portugal; sie sind ca. 31.000 Jahre alt.<ref>Hoffmann, S. 116 ff., Clottes/Courtin: Cosquer, S. 44; Henke/Rothe, S. 451–457; Feustel. S. 178–182.</ref><br />
<br />
Das Werkzeug- und Waffenrepertoire jener Zeit umfasste unter anderem (Daten nach Hoffmann: Lexikon der Steinzeit) [[Bogen (Waffe)#Geschichte des Bogens|Pfeil und Bogen]] (Aurignacien vor > 30.000 BP), [[Speer]]e mit einsetzbaren Spitzen (ab [[Solutréen]]), [[Speerschleuder]]n (ab etwa 21.000 BP mit Schwerpunkt Dordogne), eine Art [[Bumerang]] (ab etwa 20.000 BP) und [[Harpune]]n (ab etwa 15.000 BP mit ablösbaren Widerhakenspitzen). Die [[Abschlag (Archäologie)#Spezialform: Klinge|Klingen-]] und [[Mikrolithen]]technik reifte in Europa zwischen etwa 25.000 und 13.000 BP aus. Neben Holz wurden auch Knochen, [[Elfenbein]] und Horn als Materialien verwendet und häufig künstlerisch ausgestaltet.<ref>Hoffmann, S. 175 f.; Hahn, S. 331–390.</ref><br />
<br />
==== Ernährung ====<br />
Die Cro-Magnon-Menschen waren [[Jäger und Sammler]]. Das Entstehen einer baumlosen Umwelt hatte für die Ernährung der jungpaläolithischen Menschen weitreichende Bedeutung, denn die extrem fruchtbare Tundra mit ihren [[Löss]]böden bot vielen an die Kälte angepassten Tieren Nahrung. Die Herden müssen riesig gewesen sein. Die Menschen legten ihre Lager an den Wanderrouten der Tiere an, die häufig durch Täler und entlang von Flüssen führten. An Flüssen und Küsten wurde auch Fischfang betrieben (Befunde aus Essensresten und Darstellungen in Höhlenbildern).<br />
<br />
Die Herdentiere folgten stets denselben Wanderrouten zwischen Sommer- und Winterweiden (wie die Bison- und Karibuherden in Nordamerika). Ein wesentlicher Faktor waren die wandernden Rentierherden, die zumindest bei sehr kaltem Klima gezwungen waren, den großen Flüssen zu folgen.<ref>V. Koenigswald, S. 148.</ref> Während der Vergletscherung wanderten Tierarten wie der Steinbock aus dem Gebirge ins Tiefland ab.<ref>Clottes/Courtin: Grotte Cosquer, S. 38.</ref> Somit gab es auch in kalten Zeiten ein reichliches Angebot an Jagdwild.<br />
<br />
==== Sozialstruktur ====<br />
Diese günstigen Bedingungen führten zu einer hohen Bevölkerungsdichte, die ihrerseits Voraussetzung für das Entstehen einer differenzierten Sozialstruktur und einer ausgeprägten immateriellen Kultur mit Höhlenkunst und mobiler Kunst war.<ref name="Cunliffe88" /> Besonders auffallend ist die enorme Zunahme des persönlichen Schmucks, die ab ca. 34.000 BP einsetzt und auf eine soziale Differenzierung hinweist, aber auch auf eine Lebensauffassung, die über die nur überlebensnotwendigen Strategien hinausgeht. Bemerkenswert ist auch die Zunahme der Grabbeigaben.<ref>Cunliffe, S. 61, 65, 73–79, 85–88; Müller-Karpe: ''Grundzüge'', Bd. 1, 1998, S. 29–33.</ref><br />
<br />
Die Höhlen waren Hauptstützpunkte, wo sich Frauen, Kinder und Alte aufhielten, während die Männer in größeren Gruppen zur Jagd gingen und von Lagerplatz zu Lagerplatz zogen. Man hat zahlreiche dieser sogenannten [[Freilandstation]]en gefunden, teilweise mit Fundamenten von Hütten. Eine auf verschiedene Siedlungsplätze und Höhlen verteilte Großgruppe konnte durchaus 500 Personen umfassen.<ref>Cunliffe, S. 73–79, 88; Hoffmann, S. 299; Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 151–162, Müller-Beck, S. 28–33, 36, 44, 61.</ref><br />
<br />
==== Höhlen als Wohn- und Kultorte ====<br />
[[Datei:La Pasiega-Plano (Cantabria).png|miniatur|Plan der Höhle von La Pasiega]]<br />
[[Datei:Font De Gaume vue generale.jpg|miniatur|Font-de-Gaume: Die schmale Höhle war schlecht zugänglich und diente wohl vor allem als Kultort. Es wurden keine Kulturschichten in ihr gefunden. Nur am größeren der beiden Eingänge fanden sich einige Stein- und Knochengeräte sowie Ocker und Muschelschmuck.]]<br />
<br />
Die hier in Frage kommenden [[Höhle]]n sind in den meisten Fällen [[Karsthöhle]]n, die im löslichen Kalkgestein unter Wassereinwirkung entstehen und oft große Systeme bilden. Sie sind als [[Tropfsteinhöhle]]n bekannt. In ihnen tropft und fließt ständig Wasser, wobei sich Seen, [[Siphon (Höhlenkunde)|Siphons]] (unter Wasser liegende Gangsenken, die durchtaucht werden müssen) und unterirdische Flussläufe bilden können. Das Klima in solchen Höhlen ist sehr konstant, sowohl jahreszeitlich wie täglich: gleichmäßige Temperatur, hohe Luftfeuchtigkeit. Die Temperatur entspricht etwa der mittleren Jahrestemperatur der Umgebung.<ref>Brockhaus, Bd. 10, S. 176 f.</ref> <br />
<br />
Abgesehen von der Dunkelheit waren solche Höhlen für damalige Verhältnisse angenehme Wohnplätze. Höhlen wurden schon gegen Ende des [[Altpaläolithikum]]s ab etwa 200.000 BP zum Aufenthalt genutzt. Im [[Mittelpaläolithikum]] wurden auch die bisher wegen der tierischen Bewohner gemiedenen großen Höhlen besiedelt, allerdings nur im vordersten Teil, wie Werkzeugfunde ausweisen.<ref>Hoffmann, S. 176; Müller-Karpe: ''Grundzüge'', Bd. 1, 1998, S. 54 f.</ref> Erst im Jungpaläolithikum drang man in größere Tiefen vor, die man dann für religiöse Zwecke genutzt zu haben scheint. In ihren vorderen Teilen waren Höhlen im Jungpaläolithikum für längere Zeiten bewohnt, manchmal auch mehrmals zu ganz verschiedenen, Jahrtausende auseinanderliegenden Perioden.<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 141 ff.</ref> Mitunter waren sie sogar durch Mäuerchen, Zwischenwände etc. ausgestaltet. In ihnen und in ihrer näheren Umgebung finden sich vereinzelt Gräber.<br />
<br />
Einige Höhlen wurden nie regelrecht bewohnt, teilweise waren sie dafür auch zu unzugänglich. Sie dienten offenbar ausschließlich als Kultorte. Man erkennt das daran, dass in einigen reichen Bilderhöhlen die sogenannten Kulturschichten (also der Müll der Bewohner) völlig fehlen.<ref>Ries, S. 34–53; Müller-Karpe: ''Grundzüge.'' Bd. 1, 1998, S. 22–27; Lorblanchet, S. 200–205.</ref> Bei vielen Höhlen vor allem des mittleren [[Magdalénien]] sind vor allem die dunklen, weit hinter der bewohnten Eingangszone liegenden Bereiche die eigentlichen Kultorte gewesen. Leroi-Gourhan vermutet, die Malereien und Gravuren seien mit der Zeit immer tiefer in den Höhlen angebracht worden. Erst gegen Ende des Jungpaläolithikums seien die Bilder wieder in die Taglichtzone am Höhleneingang zurückgekehrt.<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 193–202.</ref><br />
<br />
=== Das Ende der Eiszeit und der Höhlenkunst ===<br />
Das Ende des Paläolithikums kam recht plötzlich und fällt mit dem Ende der Würm-Eiszeit zusammen. Die sich daran anschließende Warmzeit entspricht dem bis heute andauernden [[Holozän]] beziehungsweise kulturell in Europa dem [[Mesolithikum]] und dem [[Neolithikum]].<br />
<br />
Die weiten Ebenen wurden durch die Gletscherschmelze überschwemmt und verwandelten sich in eine Sumpf- und Seenlandschaft.<ref>Anati, S. 216ff.</ref> In Europa breiteten sich nun dichte, undurchdringliche Wälder aus, die die Wanderungen großer Jagdtiere behinderten und damit auch für die Menschen weniger Lebensraum boten als die offenen Tundren mit ihren riesigen Herden. Manche Tiere wie das Mammut, das Wollnashorn und der Riesenhirsch konnten sich nicht anpassen und starben aus. Andere Tiere wie das Ren wanderten nach Norden ab, die Gämse wich ins Gebirge aus. Die Zahl der auf weiträumige Landschaften angewiesenen Wildpferde nahm rapide ab. Aus weiten Gebieten Europas verschwanden sie ganz, nur auf der Iberischen Halbinsel hielten sie sich bis ins frühe Neolithikum, dazu in den Steppen Asiens.<ref>Benecke, S. 290.</ref> <br />
<br />
Die Bevölkerungszahl sank dramatisch, es kam zur mesolithischen Ernährungskrise. Die Menschen gingen dazu über, in Kleingruppen [[Niederwild]] zu erbeuten (archäologische Knochenfunde belegen das), und zwar offenbar bevorzugt mit Schlingen. Die nun zahlreichen Seen und Flüsse boten eine zusätzliche Nahrungsquelle, wie große Haufen von Muschel- und Schneckenschalen sowie Fischgräten bezeugen, die als ein Leitparadigma des Mesolithikums gelten. In dieser Nahrung zeigt sich aber auch die Ernährungskrise, denn Schalentiere haben einen geringen Nährwert (über 52.000 Austern entsprechen dem Nährwert eines Hirsches). Dafür waren in den Wäldern mehr Beeren, Pilze und Nüsse verfügbar.<ref>Cunliffe, S. 124 ff.</ref><br />
<br />
Die Folgen waren erheblich. Die Menschen lebten jetzt in kleineren und weiter verstreuten Verbänden. [[Clan|Klans]] zerfielen in relativ autarke Kernfamilien. Die Tradierung kultureller Techniken wurde dadurch stark eingeschränkt.<ref>Cunliffe, S. 88–92.</ref> Die Heiligtümer mit ihren kostbaren Malereien verloren ihre Funktion und wurden aufgegeben, sofern sie nicht ohnehin im Meer versanken oder durch eindringendes Wasser oder Gerölllawinen unbewohnbar wurden. Nur die [[Jungpaläolithische Kleinkunst|mobile Kunst]] blieb erhalten, meist aber nur noch ornamental und ohne figürliche Darstellungen.<ref>Cunliffe, S. 148 ff.</ref> In Südwestfrankreich ging die Kultur des [[Magdalénien]] in die wesentlich kargere des [[Azilien]] über. Bestattungsfelder finden sich erst wieder ab dem späten Mesolithikum (etwa ab 6250 BP).<ref>Cunliffe, S. 138, 141 f.</ref><br />
<br />
== Darstellungen in den Höhlen ==<br />
=== Techniken und formale Aspekte ===<br />
Die Malereien und Zeichnungen können nach verschiedenen Aspekten analysiert werden. Dazu gehören zum Beispiel die Mal- bzw. Gravurtechnik, der Untergrund, die Farben und Hilfsmittel,<ref>Siehe zu diesen Kriterien Leroi-Gourhan: ''Religionen der Vorgeschichte'', 1981, S. 76 ff.; Vialou, S. 171–194; Müller-Karpe: ''Grundzüge'', Bd. 1, S. 36–42; Lexikon d. Kunst, B. 2, S. 477 f.; Hoffmann, S. 128–132; Lorblanchet, S. 67–74, 143–156, 249–266.</ref> aber auch Kriterien wie Anordnung, Perspektive, Details, Maße und Übermalungen.<ref>Siehe zu diesen Kriterien Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 132 ff.</ref><br />
<br />
; Zeichen- und Maltechnik, Gravuren<br />
Zeichnungen sind die am häufigsten erhaltene Art figürlicher Darstellung. Vor allem als [[Gravur]]en (die am häufigsten angewandte Technik)<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 193 ff.</ref> wurden sie mit spitzem Steingerät an Decken und Wänden angebracht. Die Umrisslinie mit Zeichenkohle gilt als eine der wichtigsten Erfindungen der frühen Kunst. <br />
<br />
Strichzeichnungen wurden meist rot oder schwarz ausgeführt, vor allem wohl mit der gefärbten Fingerspitze, alternativ mit Ocker- oder Kohlestift. Ein flächiger Farbauftrag geschah entweder trocken (durch Reiben oder Aufstäuben) oder feucht. Flächen erzielte man auch durch das Verwischen der Farben mit den Fingern. Für das Auftragen mit Pinseln und anderen künstlichen Hilfsmitteln ist im Allgemeinen eine glatte Felsoberfläche notwendig, die es hier aber kaum gab. Der Untergrund ist meist naturbelassen. Gelegentlich, vor allem in späteren Stadien, finden sich Anzeichen, dass der Fels vorher geglättet wurde. Hier kamen möglicherweise auch Pinsel zum Einsatz.<br />
<br />
Mitunter wurden die Konturen zusätzlich graviert, entweder als Vorzeichnung oder nach dem Farbauftrag zur Hervorhebung bestimmter Details. Beim Gravieren sind drei Methoden möglich: <br />
* Ritzen, also Ziehen einer Linie mit einem Stichel, <br />
* Picken als Aneinanderreihung kleiner Vertiefungen,<br />
* Schleifen (nach dem Ritzen oder Picken): Erzeugung breiterer Rillen mit einem nassen Holzpflock.<br />
Als weitere halbplastische Techniken kommen das Modellieren (meist mit Lehm) sowie das Relief vor, das meist in den Eingangsbereichen der Höhlen und in Abris erhalten ist.<br />
<br />
; Farben<br />
Die farbigen Darstellungen sind oft durchgehend mehrfarbig. Die [[Polychromie]] ist zum Beispiel in [[Höhle von Altamira|Altamira]] und [[Font-de-Gaume]] besonders ausgeprägt, wo vielfältige Farbschattierungen virtuos eingesetzt wurden, im Gegensatz zu den älteren, nur flächigen Darstellungen etwa in [[Höhle von Lascaux|Lascaux]]. Vor allem in den frühen Phasen (etwa in der [[Grotte Chauvet]]) finden sich auch einfarbige, schwarze Strichzeichnungen oder schwarze Malereien, mitunter ergänzt durch Gravuren. Ein späteres Beispiel für Monochromie ist [[Höhle von Niaux|Niaux]].<br />
<br />
Als Farbstoffe dienten [[Pigment]]farben, vor allem Eisenocker ([[Hämatit]]) für Tönungen von Rot bis Gelb und Braun. Pflanzliche und tierische Kohlen (die auch für C-14-Datierungen eingesetzt werden können) und Manganerde ergaben Schwarz. Gelb und Braun wurden meist durch eine Mischung mit [[Limonit]] (Brauneisenstein), Hämatit und [[Mangan(IV)-oxid|Manganoxid]] erzielt. Zum Zerkleinern dienten [[Reibschale]]n und Stößel.<br />
<br />
Anders als vielfach in der Fachliteratur angegeben wurden vermutlich keine Bindemittel benutzt, da vor allem fetthaltige Substanzen das Auftragen auf Fels stark erschweren. Die Farbmittel wurden vermutlich nur in Wasser gelöst. Bei Manganschwarz konnte Wasser nicht verwendet werden, weil dabei ein grünlicher Farbton entsteht, der in Höhlenbildern nirgends nachgewiesen ist.<ref>Roemer- und Pelizaeus-Museum: Lascaux, S. 61 ff.</ref><br />
<br />
; Verteilung der Bilder<br />
Die Verteilung der Bilder in Gängen und Sälen variiert. Mitunter sind sie locker angeordnet, manchmal aber so dicht aufeinander und übereinander gehäuft, dass jeweils nur die jüngste Darstellung erkennbar ist. Leroi-Gourhan hat aus der Verteilung der einzelnen Tierarten ein eigenes stilistisches Interpretationsschema entwickelt.<ref>Leroi-Gourhan: ''Religionen der Vorgeschichte'', 1981, S. 108–127; vgl. auch Clottes/Lewis-Williams: ''Les chamanes de la préhistoire'', S. 83–127.</ref><br />
<br />
; Figuren<br />
Im Allgemeinen bestehen die Malereien aus einzelnen zusammenhanglosen Figuren, die allerdings an den Felswänden dicht gedrängt sein können. Gelegentlich werden Figurengruppen gezeigt, etwa Herden, mitunter auch zusammengehörende Gruppen verschiedener Tiere ([[Les Combarelles|Höhle von Les Combarelles]]). Ein szenischer Hintergrund, etwa eine Landschaft mit Pflanzen, kommt nicht vor. Die Größe der einzelnen Figuren variiert teils erheblich von einigen Zentimetern bis zu einigen Metern.<br />
<br />
; Perspektive <br />
Üblich ist die Ansicht im Profil, meist mit klaren Konturlinien und in Bewegung. Ein räumlicher Eindruck ist kaum zu erkennen und meist eher zufällig. Entsprechend gibt es keine eigentliche Bildkomposition. Eine echte [[Perspektive]] ist in voller technischer Ausprägung kaum zu finden, allenfalls als perspektivische Verkürzung etwa von Gliedmaßen oder bei Hörnerpaaren. <br />
<br />
Spätestens ab dem Gravettien findet sich jedoch verstärkt die verdrehte oder halbverdrehte Perspektive, bei der das Tier seitlich dargestellt ist und mit verdrehtem Kopf den Betrachter anblickt. Gelegentlich findet sich ein gestaffeltes Hintereinander von Tieren und eine perspektivisch korrekte Darstellung der Beinpaare (besonders perfekt in der [[Höhle von Teyjat]]).<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit.'' S. 195; Grundzüge, Bd. 1, 1998, S. 39; Chauvet, S. 114.</ref> <br />
<br />
; Details<br />
Die Detaildarstellung etwa von Fell oder Wisentbart ist besonders in den monochromen Zeichnungen von [[Höhle von Niaux|Niaux]] von hoher Vollendung. Die polychromen Bilder von Altamira und Font-de-Gaume erhielten ihre Wirkung durch nachträgliches Wegschaben einzelner Partien und Hinzufügung von dunkleren Partien, wobei Details durch feine Gravierungen noch herausgearbeitet wurden. Andere Einzelheiten wie Hufe oder Augen waren in vielen Höhlen formelhaft konzipiert, so dass eine lange Tradition der Darstellung vorausgesetzt werden kann, die zu einem Regelkodex führte.<br />
<br />
; Überlagerungen<br />
Manchmal wurde im Laufe der teils jahrtausendelangen kultischen Nutzung ein altes Bild weggekratzt und ein neues eingefügt. Die vorige Abbildung wurde mit einer vorübergehend deckenden Schicht bestäubt, so dass die alte Darstellung nicht beim Malen störte. Manchmal wurde auch mehrfach übermalt, so dass sich eine regelrechte Malstratigraphie ergeben kann.<br />
<br />
=== Erhaltungszustand ===<br />
Die Bilder sind lichtecht, säure- und [[Alkalien|alkalifest]]. Dieser Effekt ist von der [[Freskomalerei|Freskotechnik]] bekannt, bei der alkalifeste Farbe ohne Bindemittel in Wasser angerührt und auf frischen [[Kalkmörtel]] aufgetragen wird. Beim Abbinden des Kalkes werden die [[Pigment]]e von einer [[Sinter]]schicht fest umschlossen und gebunden. Solche Kalksinter bilden sich aber auch an den Höhlenwänden, wenn kalkhaltiges Wasser austritt und verdunstet, wobei der gelöste Kalk auskristallisiert (so entstehen auch [[Stalagmit]]en und [[Stalaktit]]en). Durch diesen natürlichen Kalksinter können aufgetragene Farben stabilisiert werden. In manchen Höhlen ist die Sinterschicht inzwischen so dick, dass die Bilder fast völlig darunter verschwunden sind. Überdies gehen eisenoxidhaltige [[Tonerde]]n, etwa gebrannter Ocker, mit Kalk zementartige Verbindungen ein. Die Festigkeit und Dauerhaftigkeit vieler Höhlenbilder könnte durchaus in diesen Vorgängen begründet sein. Möglicherweise haben die Bilder sogar nur deshalb die Jahrtausende überdauert, weil sie ohne Bindemittel nach Art der [[Pastellmalerei|Pastelltechnik]] oder Wasserfarbenmalerei entstanden sind und mit der Zeit zum „Naturfresko“ wurden.<ref>Roemer- und Pelizaeus-Museum: Lascaux, S. 63.</ref><br />
<br />
Malereien findet man heute nur in den hinteren, dunklen Höhlenpartien, wo diese Erhaltungsbedingungen vorlagen. Die vorderen, bewohnten Höhlenteile waren oft dem Wetter ausgesetzt, die Temperaturen schwankten. Deshalb sind dort nur noch gravierte Darstellungen erhalten. Die Häufigkeit figürlicher Darstellungen in den dunkleren Bereichen der Höhlen erklärt sich aus den besseren Erhaltungsbedingungen dort. Es muss solche Darstellungen aber auch in vorderen, hellen Höhlenbereichen gegeben haben. Darauf deuten bemalte Schuttreste sowie einige erhaltene Malereien und Gravuren hin (z.&nbsp;B. La Ferrassie, La Madeleine).<br />
<br />
=== Motive und Themen ===<br />
In der paläolithischen Kunst unterscheidet man gewöhnlich vier grundsätzliche Kategorien von Motiven: Tiere, Menschen (und Mischwesen), Zeichen, unbestimmte Linien.<ref>Lorblanchet, S. 57.</ref> Bei den frankokantabrischen Höhlen spielen außerdem Hände eine Rolle.<br />
<br />
[[Datei:Paintings from the Chauvet cave (museum replica).jpg|miniatur|Teil des „Panneau der Pferde“ aus der Chauvet-Höhle (Replik);<ref>Chauvet, S. 52–58.</ref> ca. 31.000 BP. Die Pferdegruppe ist möglicherweise eine Art Verhaltensstudie (von links nach rechts: in Ruhe, aggressiv, schlafend und grasend). Man erkennt außerdem drei Nashörner und drei Auerochsen.]]<br />
<br />
; Tiere<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 136 ff.; Lorblanchet, S. 57–61.</ref><br />
Es gibt sehr viele Tierdarstellungen, insgesamt mehrere tausend. Die Tierarten entsprechen der oben genannten eiszeitlichen Fauna. Die Häufigkeit, in der sie abgebildet sind, folgte aber offenbar anderen Kriterien. Leroi-Gourhan hat Tierdarstellungen in 66 Höhlen oder geschmückten Abris statistisch ausgewertet, allerdings für einen größeren Gesamtraum: ganz Frankreich, Spanien und Italien. Dabei stellte er fest, dass nur ganz bestimmte Tierarten abgebildet wurden, die nicht einmal eine Hauptrolle im täglichen Leben spielen mussten. Nach Häufigkeit geordnet waren dies: 610 Pferde, 510 Bisons, 135 Hirschkühe und 112 Hirsche, 205 Mammuts, 176 Steinböcke, 137 Rinder, 84 Rentiere, 36 Bären, 29 Löwen und 16 Nashörner, acht Damhirsche, acht Fische, sechs Vögel, sechs Schlangen, drei unbestimmte Raubtiere, zwei Wildschweine, zwei Gämse (?) und eine Saiga-Antilope (?). Dazu kamen noch neun „Monstren“ wie das „Einhorn“ und die „Giraffen“ von Lascaux, die „Antilopen“ von Peche-Merle und das Ren mit Schwimmfüßen von Les Trois Frères.<ref>Plassard, S. 62.</ref><br />
<br />
* In den frankokantabrischen Höhlen sieht die Verteilung insgesamt wie folgt aus: Pferd 30 %, Bison 20 %, Steinbock 7,5 %, Ur 6,8 %, Hirsch/Riesenhirsch 7,1 %, Hirschkuh 6,2 %, Mammut 7,6 %, Ren 3,5 %, Bär 2,3 %, Löwe 2,2 %; der Rest unter 1 %. Dargestellt werden also vor allem die Pflanzenfresser, eher selten die besonders gefährlichen Tiere wie Bär, Löwe, Nashorn. Inwieweit sich daraus eine weidmännische Bedeutung ableiten lässt – mitunter sind die Tiere mit Pfeilen und Wunden oder sterbend dargestellt – oder stattdessen eine symbolische Bedeutung, ist umstritten.<ref>Lorblanchet, S. 60 f.</ref> Erstaunlich ist die relativ geringe Repräsentanz des Rens verglichen mit seiner hohen wirtschaftlichen Bedeutung.<br />
<br />
* Geographisch sind die Tierbilder sehr ungleichmäßig verteilt. Die 135 Hirschkühe erscheinen vor allem in den spanischen Höhlen. Mammuts sind nur in ganz wenigen Höhlen präsent, die Hälfte von ihnen in Rouffignac. Schlangen fanden sich nur in Rouffignac. Bären, Löwen und Nashörner spielen insgesamt eine wichtige Rolle, sind aber gewöhnlich nur mit einem Exemplar pro Höhle vorhanden.<br />
<br />
* Auch die Verteilung innerhalb der Höhlen ist ungleichmäßig: In den Mittelpartien der Höhlen und Abris finden sich 91 % der Bisons, 92 % der Rinder bzw. Auerochsen, 86 % der Pferde und 58 % der Mammuts; die übrigen Arten liegen jeweils unter 10 %. Hirsche und Steinböcke befinden sich meist im Eingangs-, Rand- und Endbereich, ebenso seltenere Tiere wie Bär und Löwe.<ref>Lorblanchet, S. 58 (nach Leroi-Gourhan).</ref><br />
<br />
Außerdem gibt es eine zeitliche Schwankung der Tierhäufigkeiten mit unterschiedlichen Prioritäten in den verschiedenen Kulturphasen.<br />
<br />
; Menschen und Mischwesen<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 138–142; Lorblanchet, S. 61–64.</ref><br />
Menschendarstellungen sind seltener (insgesamt ca. 1500 inklusive Kleinkunst und Handabdrücken). Sie sind nicht naturalistisch, teils fragmentarisch, manchmal geschlechtsneutral.<br />
<br />
* Frauendarstellungen sind selten. Sie kommen fast nur als Ritzungen vor, manchmal nur [[pars pro toto]] als Vulvazeichnung. Häufig stehen sie im Zentralteil von Bildgruppen. Weibliche Darstellungen gruppieren sich bevorzugt mit Wisenten, Auerochsen und Mammuts. Ob sich daraus eine sexuelle Symbolik ableiten lässt, bleibt offen.<br />
<br />
* Männliche Darstellungen sind etwas häufiger und ganz verschieden ausgeführt: teils als Profilumrisse, teils als Gesicht von vorne oder im Profil; teils [[ithyphallisch]], manchmal nur ein Phallus. Männerdarstellungen finden sich fast immer in der Höhlenendzone oder am Rande einer Zentralkomposition, also entgegengesetzt zur weiblichen Position. Männliche Darstellungen gruppieren sich bevorzugt mit Pferden, Steinböcken und Hirschen.<br />
<br />
* Besonders bemerkenswert sind Tier-Mensch-Mischwesen, die auch als Maskenträger und [[Schamane]]n gedeutet werden. Am bekanntesten sind hier die „Zauberer“ von Les Trois Frères und von Le Gabillou sowie zwei weniger deutliche Gestalten in Font-de-Gaume und La Pasiega.<br />
<br />
Bemerkenswert ist, dass es in der gesamten paläolithischen Kunst Europas keine einzige Begattungsszene gibt.<br />
<br />
[[Datei:Pech Merle main.jpg|miniatur|Handnegativ mit begleitenden Punkten in der Höhle von Pech Merle]]<br />
<br />
; Hände<br />
Es gibt Handnegative und Handpositive: 500 Negative und 20 Positive in 20 Höhlen (auch weltweit kommen meist Handnegative vor).<ref>Karte vgl. Clottes/Courtin: Cosquer, S. 66.</ref> Handpositive wurden durch Aufdrücken von Farbe mit der Handfläche geschaffen, Handnegative entstanden durch Blasen von Farbstaub auf die an die Felswand gepresste Hand. In jedem Fall wurde ein persönlicher Kontakt zum Malgrund hergestellt, was nach Lewis-Williams als engst mögliche Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt hinter den Höhlenwänden zu verstehen ist.<ref>Lewis-Williams, S. 216–220.</ref> Damit handelt es sich um einen der ältesten Nachweise für eine archetypische religiöse [[Metaphorik]]. Handabdrücke gehören zu den ersten Zeichen des ''Homo symbolicus''.<ref>Ries, S. 39 ff.</ref> <br />
<br />
Alle Datierungen der Handnegative verweisen sie in die früheste Periode der frankokantabrischen Felsbilder. Von späteren Bewohnern der Höhlen, die sie möglicherweise als gefährlichen Zauber empfanden, wurden sie zerstört oder übermalt.<ref>Clottes/Courtin: Cosquer, S. 166 f., 173 f.</ref><br />
<br />
; Zeichen<ref>Vialou, S. 329–338; Lorblanchet, S. 64 f.; Leroi-Gourhan: ''Religionen der Vorgeschichte'', 1981, S. 104–107.</ref><br />
<br />
[[Datei:La Pasiega-Galeria A-Tectiformes.png|miniatur|Tektiforme (dachförmige) Zeichen aus der spanischen La-Pasiega-Höhle]]<br />
<br />
Geometrische Zeichen sind außerordentlich häufig. Es gibt Punkte, Rechtecke, Dreiecke, Gitter, Ovale, keulenförmige (claviforme) Symbole, Klammern, Haken, dachförmige Zeichen (^). Die Zeichen sind oft mit Tierdarstellungen assoziiert, markieren aber auch die Randbereiche der Höhlen.<br />
<br />
Sie bilden regionale Gruppen und werden von Leroi-Gourhan auch als ethnische Marker ausgewertet. Die Fundstellen übereinstimmender Zeichen liegen bis zu 60 Kilometer voneinander entfernt, bei einigen Zeichen sogar bis zu 600 Kilometer, so dass man von kulturellen Beziehungen über diese Distanzen ausgehen kann.<br />
<br />
Die keulenförmigen Symbole werden gerne als Abstraktionen von Frauen gedeutet, ansonsten ist die Bedeutung der geometrischen Zeichen spekulativ. Lewis-Williams deutet sie als Ergebnis einer Trance,<ref>Lewis-Williams, S. 127, 130, 134, 151–154.</ref> Leroi-Gourhan unterlegt ihnen eine sexuelle Symbolik. Anati erwägt ein Zeichensystem im engeren Sinne.<ref>Anati, S. 161–174.</ref> Um welche Art von Zeichen es sich handeln könnte, ist aber völlig unklar. In Frage kämen Bilderzeichen, in denen menschliche oder tierische Formen angedeutet werden; Begriffszeichen ähnlich den frühen Hieroglyphen; ungegenständliche Zeichen, die möglicherweise emotionale Zustände ausdrücken. Das kontinuierliche und relativ gleichförmige Vorkommen in sehr vielen Höhlen spricht jedenfalls für eine bewusst eingesetzte Bedeutung.<ref>Hoffmann, S. 130 f.</ref><br />
<br />
; Linien<br />
Linien kommen sehr verschiedenartig vor, teils wirr ineinander verschlungen und sich überlagernd. Sie sind häufiger graviert als gemalt. Manchmal sind sie mit Ocker ausgeführt oder zu Punkten aufgelöst. Sie kommen in beinahe allen Fundstätten vor und stellen teilweise ein Drittel bis die Hälfte aller Bildelemente, wobei sie oft Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren herstellen. Leroi-Gourhan nennt sie „unvollendete Konturen“. Ob es sich teilweise um Zeichen handeln könnte, ist unklar. Die Interpretation der Linien ist extrem spekulativ.<ref>Lorblanchet, S. 65 f.</ref><br />
<br />
=== Deutungsansätze ===<br />
Vor dem Jungpaläolithikum gab es noch keine [[Höhlenmalerei]].<ref>Müller-Karpe: ''Grundzüge'', Bd. 1, 1998, S. 34 ff.</ref> Schon aufgrund der technischen Vollkommenheit setzen die frankokantabrischen Höhlenbilder eine jahrtausendelange Entwicklung voraus. <br />
<br />
Die Malereien wurden zeitweise nur in den hinteren, dunklen Höhlenpartien angebracht (zu Details siehe [[#Stilchronologie nach Leroi-Gourhan|Stilchronologie nach Leroi-Gourhan]]). Diese Bereiche waren zudem oft eng, steil und schwer erreichbar. Das Malen im schlecht beleuchteten Höhlendunkel, teilweise in verkrümmter Haltung oder im Liegen, war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Wegen des hohen Aufwandes müssen die Bilder zumindest zeitweise eine große Bedeutung für die damaligen Menschen gehabt haben. Müller-Karpe argumentiert, dass man bei „künstlerischen“ Ambitionen keinen dunklen und unbequemen Ort zum Malen wählen würde und dass die Darstellungen deshalb einen anderen, religiösen Zweck gehabt haben müssen.<ref>Müller-Karpe: ''Grundzüge'', Bd. 1, 1998, S. 39.</ref> Dafür spricht auch die Abbildung symbolträchtiger Motive und die Tatsache, dass die hinteren Höhlenbereiche bemalt waren, obwohl sie gar nicht bewohnt wurden.<br />
<br />
Diese Höhlen waren also keine Ateliers oder Museen, sondern Sakralräume, Heiligtümer, wie vor allem Leroi-Gourhan immer wieder betont, Orte, in denen die physische Welt und die metaphysischen hinter den Höhlenwänden ineinanderflossen. Man muss berücksichtigen, dass die Bilder ausschließlich im Flackerlicht von Fackeln und Lämpchen zu sehen waren, was eine ungeheure mystische Wirkung entfaltet.<ref>Clottes: Niaux, S. 141 f.</ref> Die Höhlen waren Kultstätten, die im Erdinnern eingerichtet wurden. Häufige Deutungsmuster in diesem Zusammenhang sind [[Animismus (Religion)|Animismus]], [[Animalismus]] und [[Totemismus]], [[Schamanismus]] und [[Jagdmagie]].<ref>Zu den einzelnen Interpretationsrichtungen vgl. Lorblanchet, S. 84–92.</ref><br />
<br />
Die moderne Forschung legt unterdessen eine stärkere Betonung auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge, vor allem auf die Notwendigkeit, nach der Jagd den Jagderfolg gemeinsam zu feiern und Rituale durchzuführen.<ref>Müller-Beck, S. 44.</ref><br />
<br />
Der südafrikanischen Felsbildforscher [[David Lewis Williams]] bezog in seinem 2002 veröffentlichten Werk ''The Mind in the Cave, Consciousness and the Origins of Art'' neurologische Erkenntnisse in die Interpretation der Felsbildkunst ein.<br />
<br />
{{Siehe auch|Religion im Paläolithikum|prähistorischer Schamanismus}}<br />
<br />
== Chronologie ==<br />
=== Kulturstufen des Jungpaläolithikums ===<br />
[[Datei:Cro-Magnon-Frau-Neanderthal.jpg|miniatur|Rekonstruktion einer Cro-Magnon-Frau im [[Neanderthal-Museum]]. Als Vorlage diente ein 12.000–14.000 Jahre alter Schädel aus dem [[Doppelgrab von Oberkassel]].]]<br />
<br />
Man unterscheidet im Jungpaläolithikum Mittel-, West- und Südeuropas mehrere Kulturstufen, die teilweise nur regional gelten und sich teilweise überschneiden.<ref>Ries, S. 34 f.</ref> Die Einteilung richtet sich nicht nach der Höhlenmalerei, sondern nach den jeweils typischen Werkzeuginventaren. Die Namen beziehen sich auf die in Frankreich liegenden Hauptfundstellen. Die angegebenen Zeitspannen sind Zirka-Werte und variieren in der Literatur gelegentlich um ein- bis zweitausend Jahre (oft fehlt auch die Angabe, ob die Datierung kalibriert ist).<br />
<br />
* Das [[Châtelperronien]] ist eine Übergangsphase (ca. 38.000–33.000 BP). Es repräsentiert vor allem in Frankreich noch die Kultur der [[Neandertaler]], das [[Moustérien]], mit zahlreichen Funden in Höhlen, die der Neandertaler ebenfalls nutzte. Mögliche Einflüsse der Cro-Magnon-Kultur sind umstritten. Beginn künstlerischer Darstellungen mit Ritzzeichnungen auf Knochen. Verstärkt werden nun Knochen, Horn und Elfenbein als Materialien eingesetzt. Das Châtelperronien überschneidet sich mit dem [[Périgordien]] in Südwestfrankreich (ca. 36.000–30.000 BP), das als lokale Übergangstechnologie häufig auch dem Aurignacien und dem Gravettien zugerechnet wird. Das Périgord entwickelte sich später zu einem Hauptzentrum der frankokantabrischen Höhlenkunst.<ref>Hoffmann, S. 299.</ref><br />
<br />
* Das [[Aurignacien]] (ca. 33.000–26.000 BP, Beginn in Ost- und Südeuropa ca. 45.000 BP) ist die erste wichtige Periode jungpaläolithischer Kunst, die allein vom Cromagnon getragen wird. Verbreitungsgebiet vom Nahen Osten bis zum Atlantik. In diese Periode fallen die ersten Bilderhöhlen. Für die Werkzeuginventare charakteristisch sind [[Retusche (Archäologie)|retuschierte]] Klingen und [[Mikrolithen]].<br />
<br />
* Das [[Gravettien]] (ca. 28.000–21.000 BP) bringt einen Aufschwung der prähistorischen Kunst. Die Kultur erstreckte sich über ganz Europa. Typisch ist das Aufkommen von [[Venusfigurinen]] und anderer Kleinplastiken (meist Tiere), dazu vermehrt Schmuck. Hochentwickelte Klingentechnologie, etwa Nähnadeln mit Öhr. Die Kleidung ist passgenau; außerhalb von Höhlen lebte man meist in Fellzelten, mitunter bereits in festen Behausungen.<ref>Hoffmann, S. 159 f.</ref><br />
<br />
* Das [[Solutréen]] (ca. 21.000–18.000 BP) ist auf Südfrankreich (Zentralmassiv, Pyrenäen) und Nordspanien beschränkt. Die Steinbearbeitung ist auf dem Höhepunkt ([[Blattspitze]]n), die Bildkunst stagniert jedoch. Als Werke der Kleinkunst sind bemalte Steinplättchen mit Tierfiguren erhalten (in der ostspanischen Parpalló-Höhle fast 5000), während die Vollplastik fast völlig fehlt. Zahlreiche Lampen, mit denen man außer mit Fackeln das Höhleninnere erhellen konnte, wurden gefunden (in Lascaux allein 170, teils mit Henkel).<ref>Hoffmann, S. 230 f., 346 f.</ref><br />
<br />
* Im [[Magdalénien]] (ca. 18.000–10.000 BP) erreicht die paläolithische Kunst ihren Höhepunkt, gegen Ende aber auch einen Niedergang. Aus dieser Periode stammen die meisten Bilderhöhlen (siehe unten).<br />
<br />
Die Zeit nach 10.000 BP wird je nach Region als [[Epipaläolithikum]] oder [[Mesolithikum]] bezeichnet, in Südfrankreich auch als [[Azilien]]. Die Höhlenkunst wurde innerhalb kurzer Zeit aufgegeben. Die Kunst beschränkte sich jetzt auf bemalte Gerölle. Die Werkzeuge wurden einfacher und plumper.<ref>Hoffmann, S. 34 f.</ref><br />
<br />
=== Das Magdalénien als frankokantabrische Hauptperiode ===<br />
[[Datei:Homo Sapiens in Europe - magdalenian distribution map-de.svg|miniatur|Verbreitung der Magdalénien-Kultur (19.000–12.000 BP)]]<br />
<br />
Das [[Magdalénien]] wurde nach dem Abri [[La Madeleine]] in der Dordogne benannt. Es ist die letzte jungpaläolithische Kulturstufe und gilt als Hauptperiode der frankokantabrischen Höhlenkunst. <br />
<br />
Die Kunst der Bilderhöhlen gelangte zu höchster Entfaltung. Die Malereien kannten teilweise die Perspektive, waren mitunter mehrfarbig und manchmal unter Einbeziehung von Steinformationen halbplastisch. Auch Gravuren und Reliefs zeigen diese Techniken und sind in einigen Fällen auch noch farbig konturiert. Die Vollplastik (Elfenbein, Knochen oder Geweih) erreichte hier, obwohl im Gegensatz zum übrigen Europa eher von sekundärer Bedeutung, ebenfalls einen gewissen Höhepunkt, desgleichen meisterhaft ausgeführte Halbplastiken und Ritzungen auf diesen Materialien. <br />
<br />
Es fanden sich Ohr- und Armringe, Amulette sowie Halsketten in sehr großer Zahl, wie Durchbohrungen ausweisen. Die Kleidung war oft mit aufgenähten Perlen und Muscheln verziert. Perlen, Schneckenhäuser und durchbohrte Muscheln zeigen Handelsbeziehungen in den Mittelmeerraum. Durchbohrte Zähne von Raubtieren waren wohl auch Statussymbole. In den Höhlen gab es regelrechte „Museen“ mit Mineralien- und Fossiliensammlungen. Auch Körperschmuck mit Farben ist nachweisbar.<br />
<br />
Bei der Steinbearbeitung wurde im älteren Magdalénien ein Tiefpunkt erreicht. Das Magdalénien lässt sich anhand von typischen Werkzeugen in sechs Stufen gliedern (von alt nach jung):<br />
* Magdalénien I – sternförmige kleine Bohrer<br />
* Magdalénien II – Mikrolithen<br />
* Magdalénien III – Speerschleudern, durchbohrte Stäbe, Speerspitzen, halbgerundete Stäbchen<br />
* Magdalénien IV – Spitzen aus Rentierknochen mit seitlichen Kerben (Harpunenvorläufer), kleine Knochenrondelle (teils verziert)<br />
* Magdalénien V – einseitig gezähnte Harpunen<br />
* Magdalénien VI – Papageienschnabelstichel, Teyjat-Spitzen und beidseitig gezähnte Harpunen<br />
<br />
=== Stilchronologie nach Leroi-Gourhan ===<br />
Leroi-Gourhans Analysen betreffen vor allem die stilistischen Beziehungen der Wandbilder untereinander sowie ihre Beziehung zur Topographie der Höhle. Dabei steht bei ihm das Prinzip der polaren Koppelung (also der Sexualität) im Vordergrund. Mit Hilfe statistischer Untersuchungen zieht er auch Schlüsse zum jeweiligen Aufbau der Höhlen als Heiligtümer.<ref>Stilübersicht: Leroi-Gourhan: ''Religionen der Vorgeschichte'', 1981, S. 97–102.</ref> Mitunter lässt er die Sorgfalt des grabenden Archäologen außer Acht. Trotz aller Überschneidungen und zeitlichen Unschärfen wird sein System bis heute eingesetzt,<ref>Lorblanchet, S. 81 ff.</ref> auch in den folgenden Listen.<br />
<br />
Den Stilen I bis IV geht eine ''präfigurative Periode'' voraus: Entwickeltes [[Moustérien]] ab 50.000 BP. Keine Bildwerke. Eingekerbte Knochen und Plaketten. Schmuck ab 35.000 BP im [[Châtelperronien]]. Ocker war bekannt.<br />
<br />
* Stil I: [[Aurignacien]] ab 30.000 BP. Plumpe gemalte oder gravierte Bilder auf Steinplatten, meist nicht identifizierbare Tiere, dazu Genitalien. Keine Bilder an Felswänden, nur auf Kalksteinblöcken. Handnegative (''Cosquer'' Phase 1). <br />
: Beispiele: ''La Ferrassie, Abri Cellier, Isturitz''<br />
<br />
* Stil II: Übergang aus Stil I im frühen [[Solutréen]], etwa zwischen 25.000 und 20.000 BP. Die ältesten Tierbilder stammen aus dieser Periode, sind aber noch relativ schematisch, häufig mit stark gewellter Kopf-Rücken-Linie. Summarische Details charakterisieren die einzelnen Tierarten. Menschliche Figuren sind unproportioniert, oft mit überbetontem Rumpf. Meist mobile Kunst, aber auch Darstellungen an den Wänden der Eingangsbereiche von Höhlen, also noch im Tageslicht.<br />
: Beispiele: ''[[Pair-non-Pair]], Gargas, Chabot''<br />
<br />
Stil I und II werden als ''primitive Periode'' zusammengefasst. Seit der Entdeckung der Grotte Cosquer ist diese Periode in der Abgrenzung vermutlich etwas nach hinten zu verlegen.<br />
<br />
* Stil III (''archaische Periode''): jüngeres Solutréen, ca. 20.000 bis 15.000 BP. Die technische Beherrschung von Malereien, Plastiken und Gravierungen ist nun vollkommen. Die Formen ähneln noch Stil II, ebenso die Proportionen (kleine Köpfe und Extremitäten, sehr große Körper). Sehr große Zahl von Bildwerken. Vermehrt differenzierte Zeichen. Die Bilder befinden sich in der Tageslichtzone der Höhlen und im Halbdunkel bis in eine Tiefe von einigen Dutzend Metern, wo bereits künstliche Beleuchtung erforderlich ist. <br />
: Beispiele: ''Roc-de-Sers, Fourneau-du-Diable, Lascaux, Pech Merle, Covalanas, Pasiega''<br />
<br />
* Älterer Stil IV (''klassische Periode''): [[Magdalénien]], ca. 15.000 bis 11.000 BP. Die Bilderhöhlen erreichen nun ihre größte Zahl und Verbreitung. Ausgeprägter Realismus der Formen mit einer Fülle von Details, etwa Fell und Mähnen. Die Perspektive der Hörner und Geweihe ist ausnahmslos normal. Die einzelnen Bilder sind jedoch meist noch nicht kompositorisch in den Höhlenraum eingebunden. Die menschlichen Figuren, auch die Statuetten, werden immer stärker stilisiert und auf einzelne Körperpartien reduziert (meist auf die Körpermitte). Die Bilder finden sich vom Eingangsbereich bis in eine Tiefe von mehr als einem Kilometer, mit teils schwierigen Zugängen. <br />
: Beispiele: ''Arcy-sur-Cure, Angles-sur-l’Anglin, Font-de-Gaume, Cap Blanc, Les Combarelles, Niaux, Les Trois-Frères, Rouffignac, Montespan, Altamira, Etcheberriko, El Castillo''<br />
<br />
* Jüngerer Stil IV (''späte Periode''): jüngeres Magdalénien, bis 10.000 BP. Die Höhlendekoration geht massiv zurück und findet nur noch in den Eingangsbereichen statt. Sehr realistische Tierdarstellungen, das Rentier wird jetzt vermehrt dargestellt. Die Produktion mobiler Kunst breitet sich unterdessen immer stärker über Europa aus und hält zwei- bis dreitausend Jahre länger an als die Kunstproduktion in den Höhlen. Spätestens um 9000 BP bricht die Entwicklung abrupt ab, und die Kunst des Magdalénien löst sich in ungelenken Formen und Schematismen auf.<br />
: Beispiele: ''Tejyat, Sainte-Eulalie''<br />
<br />
Dem Stil IV gehören 78 Prozent aller Werke der paläolithischen Kunst an.<br />
<br />
Viele Höhlen gehören nur einer Periode an (z.&nbsp;B. ''Lascaux''). Eine nicht geringe Anzahl von Höhlen und tiefen Höhlenbereichen scheint in einem Zuge dekoriert und dann kaum noch frequentiert worden zu sein (z.&nbsp;B. die tieferen Bereiche von ''Niaux''). Die Besiedelung einer Höhle konnte sich aber auch über mehrere tausend Jahre erstrecken. <br />
<br />
Manche Höhlen erstrecken sich über zwei Perioden, weisen also eine sehr lange Besiedelungsdauer auf (z.&nbsp;B. ''Altamira''). In manchen Fällen finden sich Übermalungen, die von einer Wiederbesiedelung in einer späteren Epoche zeugen.<br />
<br />
=== Zur Datierung der Höhlen ===<br />
Ehemals bewohnte Höhlen sind für Archäologen Archive der Vergangenheit, denn die Hinterlassenschaften der Menschen (und Tiere) wurden nach dem Verlassen der Höhle nach und nach von eingewehtem Sand oder Lössstaub, abgesprengtem Kalkschutt oder herabgestürztem Gestein bedeckt. Diese Kulturschichten, oft mehrere Meter dick, blieben meist ungestört und bilden heute mit ihren Inventaren eine verlässliche Grundlage für die Datierung. Das betrifft nicht nur die [[Stratigraphie (Archäologie)|stratigraphische]] Abfolge der Fundschichten (relative Datierung). Oft ist anhand von Holzkohleresten auch eine absolute Datierung möglich. Mitunter können sogar Höhlenbilder anhand von Farbresten direkt datiert werden.<ref>Hoffmann, S. 176.</ref> Die [[Radiokarbonmethode]] ist allerdings mit verschiedenen Schwierigkeiten behaftet. Erst ab einem Alter von 11.500 Jahren können die Datierungen mit Hilfe anderer Methoden genau [[Kalibrierung|kalibriert]] werden.<ref>V. Koenigswald, S. 25 ff.</ref><br />
<br />
Die Datierung ist vor allem dann problematisch, wenn nur Gravierungen vorhanden sind oder wenn es keine Werkzeugfunde gibt. Das Fehlen solcher Lebensspuren deutet darauf hin, dass die Höhle nur Heiligtum war und nie als Wohnort gedient hat. Die zeitliche Kongruenz mit Werkzeugfunden ist aber ohnehin oft nicht eindeutig.<br />
<br />
== Die wichtigsten Höhlen bzw. Abris und ihre Bildprogramme ==<br />
{{Navigationsleiste Frankokantabrische Höhlen}}<br />
<br />
Die nachfolgenden Listen sind nicht vollständig. Aufgeführt sind nur Höhlen, in denen wesentliche Bilder und Plastiken sowie andere Werke der [[Jungpaläolithische Kleinkunst|mobilen Kunst]] gefunden wurden.<ref>Zu den neu entdeckten, wissenschaftlich noch nicht ausreichend beschriebenen Höhlen, die in dieser Übersicht fehlen, siehe Lorblanchet S. 56.</ref> Die Informationen zu Höhlen und Abris sind den Dokumentationen bei Müller-Karpe<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 257–292.</ref> und Leroi-Gourhan<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 344–444.</ref> entnommen. Zugezogen wurden außerdem Bücher von Lorblanchet und Vialou. Zu den Datierungen der wichtigsten Höhlen siehe die Datierungstabelle bei Lorblanchet.<ref>Lorblanchet, Tabelle S. 268, zu den modernen Datierungstechniken siehe S. 267–309.</ref><br />
<br />
Geordnet sind die Fundstellen in Frankreich nach Départements von Norden nach Süden, in Spanien nach Regionen von Ost nach West, dann jeweils zuerst die älteren Stilperioden nach Leroi-Gourhan, soweit bekannt. Erstrecken sich die Darstellungen stilistisch über mehrere Perioden, ist die Fundstätte jeweils unter der ältesten aufgeführt. Die bei den Fundstellen liegenden Ortschaften sind in Klammern angegeben.<br />
<br />
{{Siehe auch|Höhlenmalerei#Fundorte in Europa}}<br />
<br />
=== Die französischen Höhlen ===<br />
Die Fundstätten sind auf der Grundlage der Fundstellenkarten von Leroi-Gourhan und Müller-Karpe<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 557–559; Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, Tafel 272/273.</ref> zu folgenden lokalen Gruppen zusammengefasst:<br />
<br />
# Die nordfranzösischen Höhlen des Randbereiches<br />
# Zentralfranzösische Höhlen am Rande des [[Massif Central]] und der [[Cevennen]]<br />
# Die südwestfranzösischen Höhlen der atlantischen Küstenzone<br />
# Die französischen Pyrenäen-Höhlen<br />
# Die Höhlen des unteren Rhônetalbereichs und am [[Golfe du Lion]]<br />
<br />
Mitunter werden in der Literatur historische Regionen angegeben:<ref>Zum Beispiel Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 9557 ff.</ref> [[Quercy]], [[Aquitanien]], [[Perigord]], [[Languedoc]], [[Provence]]. Sie überschneiden sich teilweise und werden hier daher nicht verwendet. <br />
<br />
==== Nordfrankreich ====<br />
[[Datei:Département 36 in France.svg|mini|100px|[[Département Indre]]]]<br />
; Département Indre<br />
<br />
* ''Abri Saint-Marcel'' ([[La Garenne]]): Nur mobile Kunst: durchlochter Rengeweihstab mit menschlichem Gesicht, gravierte Hirschdarstellung auf einer Steinplatte, geschnitzter Pferdekopf und Knochenanhänger mit der Figur eines springenden Cerviden. Datierung: Magdalénien.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 53 in France.svg|mini|100px|[[Département Mayenne]]]]<br />
; Département Mayenne<br />
<br />
* ''Höhle La Dérouine'' ([[Saulges]]): Schwarz gemalte Darstellungen von Pferd, Bison und Mammut. Früher Stil III und Elemente von Stil IV bei den Zeichen. Enge Verwandtschaft zu Gouy.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 76 in France.svg|mini|100px|[[Département Seine-Maritime]]]]<br />
; Département Seine-Maritime<br />
<br />
* [[Grotte de Gouy]] ([[Gouy (Seine-Maritime)|Gouy]]): Zusammen mit den Höhlen La Dérouine und Arcy-sur-Cure gehört sie zur nördlichsten Vorgruppe der frankokantabrischen Höhlen. Sie enthält Gravierungen. Dargestellt sind Vulven, dazu fünf Pferdeköpfe sowie mehrere Gehörne oder gegabelte Zeichen. Es schließt sich ein Pferd an sowie ein weiteres Tier ohne Kopf und mehrere sich überlagernde Konturen von Auerochsen. Der Stil wird unter II eingeordnet mit Elementen von Stil IV.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 86 in France.svg|mini|100px|[[Département Vienne]]]]<br />
; Département Vienne<br />
<br />
* ''Höhle La Marche'' ([[Lussac-les-Châteaux]]): Es wurden etwa 200 Steinplatten mit sehr feinen Gravierungen gefunden: einige Tiere, meist jedoch Menschen oder menschliche Köpfe. Die Echtheit dieser stilistisch völlig abweichenden Darstellungen ist jedoch umstritten. Stratigraphisch sollen sie aus spätpaläolithischen Schichten stammen.<br />In unmittelbarer Nähe wurde Ende der 1990er Jahre die ''Grotte Lussac-les-Châteaux'' mit mehreren Tiergravuren entdeckt, darunter ein schreitendes Mammut, dazu eine menschliche Gestalt mit gebeugten Knien. Die C-14-Datierung ergab 14.200 BP, also mittleres Magdalénien.<ref>Lorblanchet, S. 318.</ref><br />
<br />
* ''Abri Roc-aux-Sorciers'' ([[Angles-sur-l’Anglin]]): Ca. 30 m lange Reliefbilder von Bisons, Pferden, Steinböcken und zwei fragmentarischen weiblichen und einer männlichen Gestalt, teilweise in rot oder schwarz, teilweise auf von der Wand abgebrochenen Platten aus dem Protomagdalénien oder Magdalénien. Bemerkenswert ist der bärtige Kopf eines Menschen im Profil. Stil IV.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 89 in France.svg|mini|100px|[[Département Yonne]]]]<br />
; Département Yonne<br />
<br />
* ''[[Höhlen von Arcy-sur-Cure]]:'' Höhlensystem aus vier Grotten mit der sogenannten ''Grotte du Cheval'' und der ''Grotte du Trilobite''; eine Korridorhöhle. In der mit umfangreichen Werkzeuginventaren ausgestatteten, was die Kunst angeht aber dürftigen ''[[Trilobit]]en-Grotte'' wurde in der [[Gravettien]]-Schicht eine Schieferplatte mit übereinander gravierten Nashörnern gefunden, in der Magdalénien-Schicht fanden sich eine geschnitzte Käferskulptur und bemerkenswerterweise ein Knochenstück mit einer Pflanzengravierung. Die ''Pferdegrotte'' ist wesentlich fundreicher (aber kaum Werkzeuge) und enthält an den Wänden gravierte Darstellungen von [[Cerviden]], Mammuts, Bisons und Hirschkühen sowie [[Vulva|Vulven]] und einige Symbole. Datierung: früher Stil IV, mittleres Magdalénien.<br />
<br />
==== Zentralmassiv und Cevennen ====<br />
[[Datei:Département 24 in France.svg|mini|100px|[[Département Dordogne]]]]<br />
; Département Dordogne<br />
<br />
In der Dordogne befinden sich die meisten der frankokantabrischen Höhlen.<br />
<br />
* ''Höhle Terme Pialat'' ([[Saint-Avit-Sénieur]]): In einer Aurignacien-Schicht ein Stein mit gravierten Umrisslinien von zwei weiblichen Gestalten, eine im Profil.<br />
<br />
* ''Abris Cellier'' ([[Tursac]]), ''Castanet'' ([[Sergeac]]), ''De Belcayre'' ([[Tonac]]) und ''[[La Ferrassie]]'' ([[Le Bugue]]) enthalten lediglich gravierte Platten aus dem Aurignacien und frühen Gravettien. In der [[Aurignacien]]-Schicht von La Ferrassie fanden sich Bemalungsspuren und Reste von Reliefs (Steinbockkopf) sowie eine Platte mit Ritzung von Pferdeköpfen, auf einem Steinblock schwarze Bemalungen und Ritzungen eines Nashornkopfs. Stil I.<br />
<br />
* ''Höhle Péchialet'' ([[Groléjac]]): In einer Gravettien-Schicht wurden drei figürliche Kunstwerke gefunden: auf einer Schieferplatte ein Bär mit zwei menschlichen (?) Gestalten, die Gravierung eines bärtigen Mannes und eine Frauenskulptur.<br />
<br />
* ''Abris von [[Laussel]]'' und ([[Marquay (Dordogne)|Marquay]]): In der [[Gravettien]]-Schicht Steinblöcke mit Reliefs menschlicher Figuren (vier weibliche, eine männliche), darunter die berühmte Darstellung der „Frau mit Horn“ oder [[Venus von Laussel]]. Ockerspuren weisen auf eine frühere Bemalung hin. Stil II.<br />
<br />
* ''Grotte La Grèze'' (Marquay): Einige tief eingerillte Bison-Gravierungen noch im Tageslichtbereich. Datierung [[Solutréen]]. Stil II.<br />
<br />
* ''Höhle La Mouthe'' ([[Les Eyzies-de-Tayac|Les Eyzies]]): Höhle mit Gravierungen des Stils II und Gravierungen und Malereien aus späteren Stilen. Die Ausschmückung ist besonders reich und umfasst die Perioden II, III und IV. Die jüngeren Darstellungen (Rinder, Pferd) finden sich im tieferen Bereich, die jüngsten am weitesten hinten. Zu den oben Gravuren des Stils II im vorderen Höhlenteil gesellen sich weiter hinten gravierte Darstellungen von Bisons, Steinböcken, einem Hirsch und Pferd, teils mit verdrehter Perspektive, die Ähnlichkeiten mit Lascaux, Gabillou und Pech Merle aufweisen (Stil II/III). In einer Seitenkammer befindet sich eine gemalte und gravierte Darstellung aus wirren Linien und rechteckigen Zeichen, die die „Hütte“ genannt wird, dazu eine gemalte Figurengruppe, die zum Stil IV gehört: Bisons, Rentiere, Pferde, Mammuts, Steinbock, sowie weiter hinten im zuletzt entdeckten Hauptheiligtum neben diesen Tieren auch noch ein Nashorn. Die dortigen Darstellungen auf der Bildertafel ähneln denen in Rouffignac.<br />
<br />
[[Datei:Poisson de Gorge d'Enfer.gif|miniatur|Gorge d’Enfer, Fischrelief an der Decke]]<br />
<br />
* ''Abri [[Gorge d’Enfer]]'' (Les Eyzies): Gravierungen, stark zerstört bis auf einen Fisch an der Decke. Datierung stratigraphisch: [[Aurignacien]]. Stil II.<br />
<br />
* ''Abri du Facteur'' (Tursac): Reste ehemals rot bemalter Kalksteinplatten. Bemerkenswert ist eine sorgfältig geschliffene weibliche Kalksteinstatuette, die möglicherweise eine Entbindung zeigt. Datierung stratigraphisch: Gravettien (Stil II).<br />
<br />
* Freilandfund ''Bourdeilles'', ''Le Fourneau du Diable'' ([[Bourdeilles]]): Der bei Grabungen gefundene Block ist mit meisterhaft ausgeführten Reliefs überzogen (Leroi-Gourhan nennt ihn eines der kostbarsten Dokumente paläolithischer Kunst<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 355.</ref>), die nach Ausführung und Stil dem frankokantabrischen Kreis zuzuordnen sind, obwohl sie nicht direkt einer Höhle entstammen, sondern unterhalb eines der zwei dortigen Abris gefunden wurden. Sie sind stratigraphisch und mit C-14 gut datierbar und zeigen Rinder, ein Pferd, Steinböcke oder Cerviden. Es bestehen Ähnlichkeiten mit Darstellungen in Lascaux. Stil III.<br />
<br />
* ''Abris Les Roches'' (Sergeac): Mehrere Abris mit schwarzen Wandmalereien, Handabdruck und Resten eines Tierfrieses (Bisons und Pferde). Datierung Aurignacien und Magdalénien. Stil III.<br />
<br />
* ''Höhle Villars'' ([[Villars (Dordogne)|Villars]]): Das Höhlenheiligtum besteht aus drei Sälen und Gängen dazwischen. Es finden sich rote und schwarze Malereien: Rinder, Bison, Pferde, Steinböcke, evtl. ein Hirschkopf, dazu zahlreiche rote Punkte und abstrakte Zeichen. Datiert werden die Malereien auf die zweite Periode von Stil III, die in etwa dem frühen Magdalènien entspricht. Ähnlichkeiten gibt es zu Lascaux.<br />
<br />
[[Datei:Lascaux painting.jpg|miniatur|Lascaux, Bisons in oppositioneller Komposition]]<br />
[[Datei:Lascaux, Megaloceros.jpg|miniatur|Lascaux, Riesenhirsch]]<br />
[[Datei:Gabillou Sorcier.png|miniatur|Der „Zauberer“ von Le Gabillou:<br /> Die gravierte Gestalt wird häufig als [[Schamane]] interpretiert]]<br />
<br />
* ''[[Höhle von Lascaux]]'' ([[Montignac (Dordogne)|Montignac]]): Eine eigentlich kleine, lediglich 100 m tiefe Höhle. Lascaux ist keine nach stilistischen Gesichtspunkten isoliert dastehende Höhle, vielmehr findet man in ihr zahlreiche Darstellungen, die denen in Gabillou, Font-de-Gaume, La Mouthe, Pech Merle und Villars ähneln; auf der spanischen Seite gibt es unter anderem Parallelen zu La Pasiega, Altamira und El Castillo. Durchgehend gehören die Bilder Stil III an: Tiere mit aufgeblähten Körpern und kleinen, auseinandergezogenen Beinen, teilweise kommt perspektivische Technik zum Einsatz. Ähnliche Tierdarstellungen finden sich in zwei datierten Fundorten: Roc-de-Sers und Bourdeilles, die definitiv aus dem [[Solutréen]] (19.000–16.000 BP) stammen. Sämtliche C-14-Datierungen überdecken den Zeitraum zwischen 18.500 und 15.500&nbsp;BP.<ref name="Lorblanchet316">Lorblanchet, S. 316.</ref> Allerdings gibt es in Lascaux zahlreiche Übermalungen; und Henri Breuil unterschied alleine 22 Phasen der Ausschmückung innerhalb dieser Periode, eine nach Leroi-Gourhan allerdings wohl übertriebene Differenzierung. Inzwischen geht man aufgrund stilistischer Eigenheiten von zwei Hauptperioden aus, einem frühen Stil III und einem entwickelten Stil III, der in Stil IV übergeht. Die Darstellungen in der Passage und der Apsis sind wohl am ältesten. Bei den abstrakten Zeichen lassen sich drei Phasen unterscheiden.<br />Die Hauptbesiedelungsschicht entspricht offenbar dem frühen [[Magdalénien]], und die C-14-Datierung ergab 17.000 BP, so dass man die Darstellungen von Lascaux zwischen der zweiten Hälfte des Solutréen und dem beginnenden mittleren Magdalénien einordnen kann, also III–IV.<br />
<br />
* ''Höhle Bara-Bahau'' ([[Le Bugue]]): Zahlreiche, teils mit den Fingern gezogene Gravierungen von Bison, Pferd, Stier, Steinbock, evt. eine Wildkatze, dazu ein Bär und ein Ren. Zahlreiche Linien. Stil III bis IV.<br />
<br />
* ''Höhle Le Gabillou'' ([[Sourzac]]): Leroi-Gourhan nennt sie eine der wichtigsten Bilderhöhlen Frankreichs. Sie gehört dem Typ nach zu den Korridorheiligtümern mit leichtem Zugang und mittlerer Tiefe. Eine Ausstattung scheint schon vor dem mittleren Magdalénien möglich. Sie bestand etwa gleichzeitig zu Lascaux. Ähnlichkeiten gibt es außerdem mit Niaux, Les Combarelles und La Pasiega. Die Höhle enthält ausschließlich Gravierungen (oft bis zu einen Zentimeter tief und mitunter mit Ocker nachgezogen) – vor allem Pferde, Bisons, Rinder, Wildkatzen, Cerviden (wohl Rens) und Steinböcke, dazu einen Hasen, einen Bär und eine Antilope mit Giraffenhals. Dazu gibt es mehrere Menschendarstellungen, darunter die „Frau im Anorak“ (im Profil). Gezeigt werden außerdem gehörnte Männer, einer von ihnen offenbar tanzend (der „Zauberer“). Unebenheiten des Felses wurden mitunter plastisch genutzt. Unterschiedliche Zeichen sind ebenfalls vorhanden, vor allem Rechtecke und Klammern, Striche und Haken sowie Punktreihen. Hände fehlen. Der Stil umfasst beide Epochen des Stils III mit Übergang zu Stil IV. Eine einzelne C-14-Datierung ergab 17.200 BP.<ref name="Lorblanchet316" /><br />
<br />
* [[Roc de Saint-Cirq|''Höhle Saint Cirq'']], auch ''Noël-Brousse-Höhle'' ([[Saint-Cirq (Dordogne)|Saint-Cirq]]): Die kleine Höhle bzw. Grotte enthält in ihrem hellen vorderen Hauptraum nur Gravierungen bzw. Reliefs, vor allem Pferde, eventuell auch ein Ren – vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie neben Roc-de-Sers und Bourdeilles die einzigen bekannten aus Stil II sind. Allerdings sind die tiefen Höhlenheiligtümer aus dem Solutréen und frühen Magdalénien selten, und die Kunstwerke im vorderen Teil waren oft dem Wetter ausgesetzt und sind daher nicht erhalten. Der rückwärtige Teil enthält auch Gravierungen des frühen Stils IV, neben Steinbock und Bison eine nackte menschliche Figur mit großem Penis, die der „Zauberer“ genannt wird und deren Deutung umstritten ist, vor allem im Vergleich zu Menschendarstellungen in anderen Höhlen (Pech Merle, Combarelles, Les Trois Frères, Cougnac, Altamira, La Pasiega, Los Hornos). Es finden sich hier zudem weitere Tierdarstellungen und für Stil IV typische abstrakte Zeichen. Möglicherweise hat man hier wie in anderen Fällen verschiedene Heiligtümer vor sich, die zeitlich aufeinander folgten.<br />
<br />
* ''Abri Chancelade'' (''Raymonden-Nord'') und ''Abri [[Raymonden]]'' ([[Chancelade]]): Knochenplatte mit Menschenschar um ein entfleischtes (?) Bison und andere mobile Kunstwerke. Entwickeltes Magdalénien, Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle [[Rochereil]]'' ([[Grand-Brassac]]): Zahlreiche figürliche und abstrakte Gravierungen an Werkzeugen. Datierung: Spätes Magdalénien (stratigraphisch), Stil IV.<br />
<br />
* ''[[Limeuil]]'': Nur mobile Kunst: Gravierte Platten mit Farbspuren. Sie zeigen > 50 Rene, > 50 Pferde, > 20 Hirsche, > zwölf Rinder, drei Steinböcke, zwei Hirsche, zwei oder drei Bären, einen Wolf, ein Nashorn, eine Wildkatze sowie zwei menschliche Figuren, dazu verzierte Knochen- und Hornobjekte und einige abstrakte Zeichen. Die Werkzeugfunde lassen eine spätpaläolithische Datierung zu. Stil IV.<br />
<br />
* ''[[Höhle von Teyjat]]'', bestehend aus ''Grotte de la Mairie'' und ''Abri Mège'' ([[Teyjat]]): Vor allem mobile Kunst und Reste auf einem Stalagmitenblock. Teils sehr feine Gravierungen mit Farbspuren aus der Anfangszeit des späten Magdalénien (Hirsche, Rene, Rinder, Bison, Pferd). Die Darstellungen sind sehr einheitlich und überaus kunstvoll, teilweise auch kompositorisch aufeinander bezogen. Zahlreiche Überschneidungen. Datierung mittleres Magdalénien. Stil IV.<br />
<br />
* ''Abri Le [[Cap Blanc (Abri)|Cap Blanc]]'' (Marquay): zwölf Meter langes Relieffries mit mehreren teils sehr großen Tierfiguren (Pferd bis 2,3&nbsp;m), weitere Pferde, Rentiere, Bison, Spuren von Ockerbemalung. Datierung wahrscheinlich spätes Magdalénien. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Commarque'' ([[Sireuil]]): Reliefs, teilweise unbestimmbar, mit Pferden (?), Steinbock und männlicher Figur. Die Datierung mittleres Magdalénien ist gesichert. In der Nähe fand sich eine kauernde weibliche Plastik aus Kalkstein ohne Kopf und Hände. Der gravierte Pferdekopf gilt als der schönste des Magdalénien. Starke Ähnlichkeit zu Cap Blanc. Stil IV.<br />
<br />
* ''Abri [[La Madeleine (Abri)|La Madeleine]]'' (Tursac): Diese berühmte spätpaläolithische Fundstätte,<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 274 f.</ref> die namensgebend für das Magdalénien wurde, enthält einige Rundplastiken sowie Flachreliefs auf Kalksteinplatten mit Tierdarstellungen, dazu Reste einer Bisongravierung im hinteren Teil. Gefunden wurden außerdem zahlreiche Knochenstücke und Steine mit Zeichnungen von Tierkörpern sowie Schmuckstücke. Besondere Meisterwerke sind vollplastische Schnitzereien aus Renhorn und Elfenbein sowie auf einem Kieselstein die anthropomorphe Darstellung einer Frau sowie eines ithyphallischen Mannes mit erhobenem Arm. Stil IV.<br />
<br />
[[Datei:Demi-rondelle.JPG|miniatur|Halbscheibe mit einem auf Knochen gravierten [[Ithyphallos|ithyphallischen]] Mann (Grotte Sous-Grand-Lac)]]<br />
<br />
* ''Höhle [[Les Combarelles]]'' (Les Eyzies): Die dortigen Bilder beginnen 125&nbsp;m hinter dem Höhleneingang, führen dann fast kontinuierlich zum Höhlenende und sind fast ausnahmslos graviert, teils fein, teils reliefartig kräftig. Mitunter sind die Darstellungen zusätzlich mit schwarzer Farbe übermalt, doch nie flächig, sondern nur als Konturstreifen oder Hervorhebungen einzelner Partien. Selten sind Reste nur gemalter Bilder, Zeichen gelegentlich rot. Die Höhle gilt als Korridor-Heiligtum. Dargestellt sind hunderte von Tieren, davon 291 identifizierbar: Bison, Pferd, Rind, Cerviden, Mammut, Steinbock, Bären, Ren, Wildkatze bzw. Löwe, Fuchs, Fisch und Schlange (?), 39 menschliche oder halbmenschliche Figuren, eine als Gesicht, dazu ein Handnegativ. Datierung vermutlich späteres Magdalénien. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle [[Font-de-Gaume]]'' (Les Eyzies): Die Höhle, ein Korridorheiligtum, liegt im selben Felsen wie Les Combarelles. Sie enthält zahlreiche Wandmalereien (über 200 teils lebensgroße Tierfiguren) in roter, schwarzer und brauner Farbe, teils einfarbig flächig getönt und mitunter polychrom. Wichtige Partien sind durch Gravierungen hervorgehoben. Unebenheiten der Felswand wurden zur reliefartigen Gestaltung genutzt. Dargestellt sind 80 Bisons, 40 Pferde, 23 Mammuts, 17 Rentiere und andere Cerviden, 18 Urstiere, vier Steinböcke, zwei Nashörner, eine Wildkatze, ein Bär, ein Wolf sowie vier Handnegative. Im „Sanctuaire“ findet sich eine Darstellung, die als menschliches Kopfprofil gedeutet werden kann. Zahlreich sind hier vor allem die sogenannten tektiformen Zeichen (dachförmig: ^). Datiert werden die Darstellungen abgesehen von einigen Resten von Stil III auf das mittlere und spätere Magdalénien. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle [[Höhle von Rouffignac|Rouffignac]]'' ([[Fleurac (Dordogne)|Fleurac]]): Sehr große, acht Kilometer lange Höhle. Die Höhlendecke enthält zahlreiche schwarz gemalte, teils auch gravierte Wandbilder: Mammuts, Steinböcke, Bisons, Pferde, Nashörner, die stilistisch sehr einheitlich sind. Auffallend sind die zahlreichen parallel laufenden Linien, die in den Lehm eingedrückt wurden (sogenannte „Makkaroni“), die sich z.&nbsp;B. als Mäander auch in anderen Höhlen finden (Altamira, Gargas usw.). Parallelen zu Les Combarelles und Font-de-Gaume bestehen. Datierung: mittleres bis spätes Magdalénien, ca. 13.000 bis 14.000 BP.<ref>Plassard, S. 41.</ref> Stil IV.<br />
<br />
* ''Abris [[Laugerie-Haute]] und [[Laugerie-Basse]]'' (Les Eyzies-de-Tayac): In beiden Abris wurden zahlreiche magdalénienzeitliche Plastiken und Ritzungen der mobilen Kunst gefunden. Es scheint im ersteren zudem ein Heiligtum mit Wandgravuren gegeben zu haben. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Sous-Grand-Lac'' ([[Meyrals]]): Gravierungen, die teils schlecht erkennbar sind. Am wichtigsten ist ein ithyphallischer Mann mit rundem Kopf und vorgestreckten Armen, dessen Darstellung an Saint-Cirq erinnert. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle La Forêt'' (Tursac): Kleine Gravuren von Steinbock, Pferden und Renen, die dem späten Stil IV angehören.<br />
<br />
* ''Höhle [[Bernifal]]'' (Les-Eyzies-de-Tayac): Am Eingang ein gemaltes rotes Mammut und ein aus einem Felsvorsprung modellierter Bisonkopf. In mehreren Sälen 26 eingeritzte Tierbilder (Mammuts, Bisons, Pferde, Wildziegen), dazu zahlreiche schwarze Handnegative und meist rote abstrakte Zeichen, insbesondere tektiforme. Starke Ähnlichkeiten ergeben sich zu Rouffignac, Combarelles und Font-de-Gaume. Stil IV.<br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze der Dordogne:<ref name="Lorblanchet56" /> La Muzardie ([[Campagne (Dordogne)|Campagne du Bugue]]), [[Höhle von Jovelle|La Jovelle]] ([[La Tour-Blanche]]), Font Bargeix ([[Champeaux-et-la-Chapelle-Pommier]]), [[Fronsac-Höhle|Fronsac]] ([[Vieux-Mareuil]]), La Croix ([[Condat-sur-Trincoux]]), La Cavaille ([[Couze (Dordogne)|Couze]]), [[Abri Pataud]] (Les Eyzies), Le Vallon de la Moutonnie (Les Eyzies), l’Église ([[Cenac]]).<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
; [[Département Loire]]<br />
<br />
* ''Freilandfundstätten Le Saut-du-Perron'' ([[Villerêt]]): Über 70 Schieferplatten mit figürlichen Gravierungen von Ren und Pferd. Vermutlich späteres Magdalénien. Stil III.<br />
<br />
[[Datei:Département 46 in France.svg|mini|100px|[[Département Lot]]]]<br />
; Département Lot<br />
<br />
* ''Höhle von Roucadour'' ([[Thémines]]): Die Höhle ist vor allem wegen der umfangreichen Werkzeugfunde von Bedeutung, enthält aber auch negative Handabdrücke und feine Gravuren. Die schwarz und rot gemalten Wände wurden nachgraviert. Auffallend sind die Gravuren überlanger Finger. Dargestellt sind Pferd und Bison. Ähnlichkeiten bestehen zu Gargas. Der Stil ist II bis III.<br />
<br />
* ''Grotte des Merveilles'' ([[Rocamadour (Lot)|Rocamadour]]): Der Eingang weitet sich rasch zu einem 45&nbsp;m langen, 25&nbsp;m breiten und mindestens drei Meter hohen Saal. Dieser enthält an den Wänden neben sechs Handnegativen nahe dem Eingang, die mit Punkten verbunden sind, schematische und realistische Gravuren und Malereien in rot oder schwarz. Dargestellt sind sechs Pferde, ein Cervide und ein Felide. Die Höhle gehört in die Phase von Cougnac, Pech Merle und Les Fieux. Die Darstellungen, deren Farbe teilweise wohl durch Versprühen aufgetragen wurde, werden auf ein Alter von mehr als 20.000 BP geschätzt (Gravettien?).<ref>Le Merveilles [[:fr:Grotte des Merveilles|auf fr.wikipedia]]</ref><br />
<br />
* ''Höhle Les Fieux'' ([[Miers (Lot)|Miers]]): Die 1964 entdeckte Höhle enthält in einem großen Saal neben dreißig roten und schwarzen Handnegativen zahlreiche rote Punkte und Linien sowie Gravuren. Ein isolierter Stalagmitenblock im Saalzentrum wurde zunächst grob plastisch mit gepickter Gravierung in archaischem Stil in einen Steinbock umgewandelt, der später wiederum zu einem Mammut verändert wurde, auf dessen Korpus man schließlich eine kleine, fein gravierte Mammutfigur zusätzlich anbrachte. Insgesamt finden sich überdies die Rückenlinie eines Pferdes und tektiforme Zeichen. Entstanden sind die Bilder vermutlich in einer ersten Phase des Aurignacien (gepickte Gravuren, die in Höhlen relativ selten sind) und im Gravettien (Handnegative und Punkte). Ähnlichkeiten bestehen zu Pech Merle und Roucadour. Die fein gravierten Mammuts, die gepickte Konturen aufnehmen, könnten einer späteren Periode angehören.<ref>Les Fieux [[:fr:Les Fieux|auf fr.wikipedia]]</ref> Die Höhle zeigt damit paradigmatisch, dass dieselbe Formation während weit auseinanderliegenden Perioden zu verschiedenen Tierdarstellungen verwendet wurde. Ähnlich wurden auch in anderen Höhlen Felsvorsprünge plastisch ausgestaltet (Altamira, El Castillo, Tuc d’Audoubert usw.).<ref>Lorblanchet, S. 204, 206.</ref><br />
<br />
* ''Höhle Cougnac'' ([[Peyrignac]]): Ein weit verzweigtes System unterirdischer Gänge, die allerdings stark [[Versinterung|versintert]] sind, und zwar auch über vielen Bildern. Man findet Gravuren und Zeichnungen sowie abstrakte Zeichen. Bemerkenswert sind einige vereinfachte menschliche Figuren, darunter der „von Speeren durchbohrte Mann“ und zwei weitere ähnliche Motive. Frauendarstellungen fehlen. An Tierdarstellungen in schwarzer Linienführung gibt es Riesenhirsch, Hirschkuh, Pferde, Mammut bzw. Elefant, eventuell Steinbock. Stilistisch sieht man die halbverdrehte Perspektive. Stil III.<br />
<br />
[[Datei:Pech Merle cave, painting.JPG|miniatur|Pech Merle, gepunktete Pferde mit Handnegativen (Foto-Reproduktion)]]<br />
<br />
* Höhle [[Pech Merle]] ([[Carberets]]): Sie bildet ein unterirdisches System von etwa zwei Kilometern, gehört zu den wichtigsten frankokantabrischen Höhlen und enthält rote und schwarze Malereien, teilweise gepunktet (Pferde), und einige Gravuren sowie rote und schwarze Punkte. Betreten wird sie durch den hinteren, „Le Combel“ genannten Abschnitt, der die ältesten Darstellungen enthält. Mit Ausnahme des großen Saales sind die Bilder in den Seitenräumen in Gruppen geordnet. Bemerkenswert neben den vielen Tierbildern, auch mit Bären (teilweise mit Schädelbestattung) und Mammuts, sind Menschendarstellungen, und zwar sowohl von Frauen wie von Männern, darunter der „Verwundete Mann“. Stilistisch bildet die Höhle eine eigene Gruppe und stellt einen Übergang zu den Höhlen der Pyrenäen und Kantabriens dar. Große Ähnlichkeiten bestehen zu Cougnac. Im Inneren scheinen sich zwei Heiligtümer zu überlagern. Zeitlich wird die Höhle noch vor dem mittleren Magdalénien eingeordnet und umfasst die beiden Phasen von Stil III. Es finden sich zahlreiche abstrakte Zeichen und Handnegative. Fußabdrücke im Boden wurden gefunden, wie in insgesamt zehn der frankokantabrischen Höhlen. Einige grobe Plastiken (Bären?) weisen Wurfspuren auf. Stil III.<br />
<br />
* ''Höhle von Marcenac'' (Carberets): Sie liegt dicht bei Pech Merle. Nur zwei mit den Fingern schwarz gemalte, sich gegenüberstehende Figuren: ein Pferd und ein Bison mit den Hörnern in halbverdrehter Perspektive. Ähnlichkeiten mit Lascaux, Gabillou und Villars. Mittleres Magdalénien. Stil III bis IV.<br />
<br />
* ''Höhle von Sainte-Eulalie'': Kleine Anlage. Feine Wandgravierungen am Höhleneingang: Pferde, Steinböcke und Bisons, dazu mehrere Rene, was eine Datierung in Stil IV nahelegt. Eine C-14-Datierung der assoziierten Fundschicht ergab ca. 15.000 BP.<ref>Lorblanchet, S. 294.</ref> Einige unbestimmbare Tiere und viele verschiedene Zeichen. Ähnlichkeiten bestehen zu Lascaux, Gabillou und Villars sowie Pech Merle.<br />
<br />
* ''Höhle Pergouset'' ([[Bouziès-Bas]]): Eine Korridorhöhle. Sie enthält Gravierungen, vor allem von Steinbock, Bison und Pferd sowie Hirschkuh. In der hinteren Bildfolge finden sich mehrere außerordentlich rätselhafte, teils verzerrte, teils eventuell anthropozoomorphe Darstellungen. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Les Escabasses'' (Thémines): ein Dutzend stark zerstörte, schwarz gemalte Darstellungen von Pferd, Bison und Steinbock sowie ein Pferd und womöglich ein Ren. Ungewöhnlich ist die Zeichnung eines Schwimmvogels (wie La Bastide). Alle Darstellungen gehören dem Stil IV an.<br />
<br />
* ''Höhle Carriot'' ([[Bouziès]]): zwei weibliche Malereien in Rot. Steinböcke. Zahlreiche mit rotem Ocker ausgeführte Linien. Ein Reibstein für das Zermahlen von Farben wurde gefunden, dazu Muschelschmuck. Die Darstellungen befinden sich in den tieferen Höhlenteilen. Datierung 13. JT BP.<ref>Lorblanchet, S. 63, 66, 186, 217, 287.</ref><br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze im Lot:<ref name="Lorblanchet56" /> La Bigourdane ([[Saint Géry]]).<br />
<br />
[[Datei:Département 81 in France.svg|mini|100px|[[Département Tarn]]]]<br />
; Départements Tarn und Tarn-et-Garonne<br />
<br />
* ''Höhle La Magdelaine'' ([[Penne-du-Tarn]]): Hoch angebrachte Reliefs mit Bison und Pferd. Einzigartig sind hier die beiden Darstellungen einer liegenden Frau, die ihren Kopf in die Hände stützt. Stil III/IV.<br />
<br />
* ''Abris von Bruniquel'' ([[Bruniquel]], Tarn-et-Garonne): Vier Abris. Reiche Funde aus dem Magdalénien: Tierzeichnungen auf Steinplatten und Knochen, geschnitzte Rentiere sowie Menschenzeichnungen aus dem Frühmagdalénien und entwickelten Magdalénien (Stil III/IV).<br />
<br />
* ''Abri Fontalès'' ([[Saint-Antonin-Noble-Val]]): In einer Spätmagdalénien-Schicht fanden sich zahlreiche gravierte Schmuckstücke, teils reliefartig und mit anthropomorphen Darstellungen, dazu Lochstäbe und Kalksteinplatten mit Tiergravierungen, unter anderem ein Cervidenkopf, ein Vogelkopf und ein Pferd.<br />
<br />
==== Südwestfrankreich ====<br />
[[Datei:Département 40 in France.svg|mini|100px|[[Département Landes]]]]<br />
; Département Landes<br />
<br />
* ''Höhle Brassempouy, Grotte du Pape'' ([[Brassempouy]]): Nur Plastiken, neun weibliche, allerdings nur fragmentarisch erhaltene Elfenbeinstatuetten, darunter die [[Venus von Brassempouy]], Pferdekopf in [[Contour découpé|Contour-découpé-Technik]] und ein geometrisch verzierter Elfenbeinzapfen. Stratigraphische Datierung [[Aurignacien]] bis [[Gravettien]], Stil I/II?<br />
<br />
* ''Höhle Duruthy'' ([[Sorde]]): Gefunden wurden in einer spätpaläolithischen Schicht bei einer Bestattung zahlreiche gravierte Zähne von Löwen und Bären (insg. 42), die wegen ihrer Durchbohrungen als Schmuck gedeutet werden. Die Gravuren zeigen Tiere und harpunenartige Zeichen.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 16 in France.svg|mini|100px|[[Département Charente]]]]<br />
; Département Charente<br />
<br />
* ''Höhle Pair-Non-Pair'' ([[Marcamps]]): Eine etwa 20 m tiefe Höhle. Die Datierung erstreckt sich über einen Zeitraum von 10.000 Jahren. Die Tiergravuren (Steinböcke, Bisons/Boviden, Cerviden, Pferde, Mammut) finden sich an den Wänden eines runden Saales, gleichfalls viele abstrakte Symbole. Starke Überschneidungen. Farbreste. Stil II.<br />
<br />
* ''Fundstätte [[Roc-de-Sers]]'' ([[Sers (Charente)|Sers]]): Mehrere nebeneinander liegende Höhlen und Abris. Mit Reliefs versehene, ins [[Solutréen]] datierte Blöcke, die ursprünglich Teil der Hinterwand waren. Motive sind: Bison und Wildschwein, Pferde, ein einzelner und ein „von einem Moschusochsen verfolgter“ Mann, dazu Steinböcke, ein Vogel- oder Schlangenkopf. Die Ausführung ist meisterhaft. Stil III.<br />
<br />
* ''Abri La Chaire à Calvin'' ([[Mouthiers]]): Friesartiges Wandrelief mit drei Pferden, evtl. in Paarung, und einem Boviden (Bison?). Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Le Placard'' ([[Rochebertier]]): In einer [[Spätpaläolithikum|spätpaläolithischen]] Schicht mehrere stark stilisierte Tiergravierungen sowie die Skulptur eines menschlichen Kopfes.<br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze der Charente:<ref name="Lorblanchet56" /> Le Placard ([[Villehonneur]]).<br />
<br />
[[Datei:Département 33 in France.svg|mini|100px|[[Département Gironde]]]]<br />
; Département Gironde<br />
<br />
* ''Abri Saint-Germain-la-Rivière'' ([[Saint-Germain-la-Rivière]]): Reste einer Pferdegravierung mit menschlicher Darstellung. Im Zusammenhang mit einer weiblichen Bestattung (Ocker) zahlreiche gravierte Hirschzähne. Stil IV.<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
<br />
==== Pyrenäen ====<br />
[[Datei:Département 09 in France.svg|mini|100px|[[Département Ariège]]]]<br />
; Département Ariège<br />
<br />
* ''Höhle Le Portel'' bzw. ''Crampagna'' ([[Loubens (Ariège)|Loubens]]): Die Höhle umfasst zwei Heiligtümer aus verschiedenen Epochen. Im ''älteren Heiligtum'' dargestellt sind Bisons und Pferde in schwarzer und roter Linienführung, vereinzelt polychrom, sowie einige Gravuren, dazu Hirsche, die den Stilen II bis III angehören und zeitlich an der Grenze von Solutréen und Magdalénien anzusiedeln sind. Das ''jüngere Heiligtum'' gehört dem Stil IV an und zeigt in oft großer Meisterschaft mitunter kompositorisch einander zugeordnete Pferde, Bison, Steinbock, Rene oder Hirsche und das der Darstellung in Trois Frères vergleichbare „Gespenst mit Vogelkörper“, teils als Zeichnung, teils flächig gemalt. Letzteres gilt vor allem für die einheitlich schwarz ausgemalte Figurengruppe, die so in anderen Höhlen des Stils IV Entsprechungen hat. Zahlreiche abstrakte Zeichen dieser Stilgruppe unterstützen diese Datierung.<br />
<br />
* ''Höhle Les Églises'' ([[Ussat]]): Gravierungen von Bison, Steinböcken und Pferden. Zahlreiche Strichbündel. An der Decke rot gemalte Figuren, stark schematisiert und nicht bestimmbar. Stil IV, evtl. auch noch III.<br />
<br />
* ''[[Höhle von Niaux]]'' (Loubens): Diese gewaltige Korridorhöhle, die künstlerisch auf einer Ebene mit Lascaux angesiedelt ist, weist in ihren hinteren Partien neben Bodengravierungen im Höhlenlehm (Bovide, Fische) und vielen gemalten roten Punkten sowie anderen Zeichen an den Wänden eine Serie meist schwarzer Malereien auf, die sich hauptsächlich im so genannten „Schwarzen Saal“ befinden. Dargestellt sind vor allem Bisons (> 25), Steinböcke und Pferde. Die Darstellungen sind stilistisch sehr einheitlich, obwohl sie im Verlaufe eines Jahrtausends entstanden. Am Eingang finden sich vier rot gemalte Figurengruppen. Einige Bisons tragen Wunden. Bemerkenswert ist im hinteren Teil außerdem die Darstellung eines sterbenden Bisons. Am Höhlenboden finden sich danach zudem Abdrücke vor allem von Kinderfüßen. In einem erst 1970 entdeckten Höhlenteil gibt es außerdem weitere schwarze Figurengruppen, vor allem Bisons, dazu ein seltsames Phantasietier mit langem Hals – Ähnlichkeiten mit Pergouset und Gabillou bestehen. Die Datierung war lange hoch umstritten, zumal es keine verwertbaren Kulturschichten gibt. C-14-Bestimmungen ergaben inzwischen jedoch ein Alter zwischen 14.500 und 13.000 Jahren, wobei eine Entstehung in mehreren Phasen angenommen wird.<ref>Clottes: Niaux, 1997, S. 155 ff.</ref> Stil IV.<br />
<br />
* Die ebenfalls aus dem Endmagdalènien stammende Höhle ''La Vache'' befindet sich gegenüber. Sie enthält ca. 500 Objekte der mobilen Kunst. Deren Stil ist dem von Niaux so ähnlich, dass man vermutet, die Urheber könnten die dortigen Malereien und Gravuren ebenfalls ausgeführt haben (oder umgekehrt). Mit Sicherheit verwendeten sie dieselben Farbrezepte. Ähnliche Beziehungen scheinen zu Les Trois Frères zu bestehen.<ref>Lorblanchet, S. 222, 307.</ref><br />
<br />
[[Datei:Les Trois Frères, Grasshopper.JPG|miniatur|Les Trois Frères: Gravur einer Heuschrecke auf einem Knochen (Nachzeichnung)]]<br />
[[Datei:Bison on plaque Bedeilhac grottoe Ariege.jpg|miniatur|Bédeilhac: Bisongravur auf einer runden, in der Mitte durchlochten Platte]]<br />
[[Datei:Caballo de Mas d'Azil.gif|miniatur|Pferdekopf aus Mas d’Azil, entweder als Teil eines [[Lochstab]]es oder als [[Contour découpé]]]]<br />
<br />
* ''[[Drei-Brüder-Höhle|Höhle Les Trois Frères]]'' und ''[[Höhle von Tuc d’Audoubert]]'' ([[Montesquieu-Aventès]]): Beide Höhlen, die zusammen mit der ''[[Höhle von Enlène]]'' als sogenannte [[Volp-Höhlen]] bekannt sind, bilden einen früher vermutlich zusammenhängenden Komplex.<ref>Siehe dazu auch [http://www.3sat.de/page/?source=/hitec/magazin/134388/index.html ''Die geheimen Höhlen der Grafen Bégouën''] auf 3sat.de</ref><br />Im vorderen Teil von ''Les Trois Frères'' finden sich Handnegative und schwarze und rote Farbflecken bzw. Punkte, dazu gravierte Knochenstücke mit übereinander gezeichneten Frauenfiguren und einer Insektendarstellung (Heuschrecke). Der hintere Teil enthält über 600 sehr sorgfältig gravierte, teils nur wenige Zentimeter, aber auch bis zu anderthalb Meter große Tierdarstellungen mit allerdings starken Überlagerungen: Mammuts, Nashörner, Feliden, Bären, Bisons, Rentiere, Steinböcke, Hirsche, Pferde, Höhlenlöwen, mehrfach mit Pfeilen. Berühmt wurden die beiden gravierten zooanthropomorphen Darstellungen, die als [[Schamanen]] gedeutet werden. Beine und Genitalien sind hier, eine große Ausnahme für diese Höhle, mit schwarzen Farbbändern gekennzeichnet. Datierung: mittleres bis späteste Periode des Magdalénien (für die im Höhleninnern liegenden Heiligtümer).<br />''Le Tuc d’Audoubert'' enthält ebenfalls gravierte Tierbilder, teilweise mit Pfeilangaben, dazu Sandsteinplatten mit gravierten Pferde- und Bisonfiguren. Am Ende eines Ganges gibt es zwei als Halbplastiken aus dem Höhlenlehm geschnittene Bisonfiguren, eine männliche und eine weibliche, dazu eine weitere unvollendete Bisonplastik. Stil IV.<br />Die ''[[Höhle von Enlène]]'' war im Gravettien und Magdalénien besiedelt und enthält zahlreiche Funde der mobilen Kunst, jedoch keine Wandkunst. Insgesamt fand man 1200 Gegenstände, vor allem bemalte und gravierte Steinplatten und einen Kiesel. Die Höhle gehört damit zu den reichsten Fundstätten mobiler Kunst. Thematisch und chronologisch besteht ein Zusammenhang mit den beiden anderen Höhlen.<ref>Lorblanchet, S. 306.</ref><br />
<br />
* ''[[Höhle von Mas d’Azil]]'' (Mas-d’Azil): Ein gewaltiges Tunnelhöhlensystem mit Gravierungen und Malereien vermutlich aus dem mittleren Magdalénien. Dargestellt sind Bison, Pferde, Rehe und Hirsche sowie Wildschwein. Bemerkenswert gut gearbeitete Plastiken finden sich reichlich, darunter ein vollständiger Vogel und ein einzigartiger geschnitzter Pferdekopf. Desgleichen finden sich menschliche Figuren als Rundplastiken, Reliefs oder Zeichnungen, dazu einige Pflanzendarstellungen sowie meist mit geometrischen Mustern bemalte Kiesel, selten auch ein Tierbild als Silhouette. Diese Kleindarstellungen gehören bereits dem postpleistozänen [[Azilien]] an, das dieser Höhle seinen Namen verdankt. Das Magdalénien ist als Datierung durch Werkzeugfunde gesichert. Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Bédeilhac'' ([[Tarascon]]): Die Höhle enthält im vorderen Teil 15, allerdings stark verwischte, schwarz und rot gemalte Darstellungen von Bisons und Pferden, dazu zahlreiche gemalte und gravierte Strichzeichnungen. Im hinteren Teil finden sich mit roten Punkten eingeleitete Gravierungen, Lehmgravierungen und schwarze Malereien, die ebenfalls stark zerstört sind. Es fanden sich außerdem einige Plastiken, darunter als Teil eines [[Speerschleuder]]-Propulsors die Figur eines aus Horn geschnitzten Steinbocks mit rückwärtsgewandtem Kopf sowie auf einer Steinplatte menschliche Gravierungen. Datierung: wie Montespan früher Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Fontanet'': Die Höhle liegt recht hoch über dem Tal in der Nähe der Höhle von Niaux. Am Talgrund befindet sich ein Siedlungsplatz. Bemerkenswert ist sie vor allem durch den schwarz gemalten und gravierten Bison-Mensch, der hier sechsmal vorkommt, dazu einige verzerrte Menschenköpfe. In die Brust des Bisons wurde zudem eine kleine weibliche Figur mit gespreizten Beinen und betontem Geschlechtsteil eingeritzt. Die Figur erinnert stark an das Mischwesen von Trois Frères. Die Bisondarstellungen zeigen Pfeile. Der Lehm am Boden und an den Wänden ist figürlich bearbeitet worden.<ref>Vialou, S. 289, 294 ff. Abstrakte Zeichen, vor allem Punkte und schlüsselförmige Symbole (claviforme).</ref><br />
<br />
[[Datei:Département 31 in France.svg|mini|100px|[[Département Haute-Garonne]]]]<br />
; Département Haute-Garonne<br />
<br />
[[Datei:Bison, Marsoulas.JPG|miniatur|Gepunkteter Bisonkopf aus der Höhle von Marsoulas]]<br />
<br />
* ''Höhlen von Lespugue'' ([[Lespugue]]): Mehrere dicht beieinander liegende Höhlen, die insofern von Bedeutung sind, als in der ''Grotte des Rideaux'' in einer ungestörten Gravettien-Schicht eine weibliche Statuette aus Elfenbein gefunden wurde, die [[Venus von Lespugue]], dazu ein Knochenanhänger mit einer eingravierten Schlange.<br />
<br />
* ''Höhle Marsoulas'' ([[Marsoulas]]): Höhle mit zahlreichen Gravierungen und Malereien, teilweise polychrom, dazu ausnahmsweise Darstellungen von Bisonköpfen aus roten Punkten, nicht mit Linien. Die Malereien gehören in eine frühere Zeit als die Gravierungen. Gezeigt werden vor allem Bison und Pferd, teilweise in fast natürlicher Größe und polychrom, sowie ein Steinbock. Auffällig sind die Frontal- und Profilansichten menschlicher Gesichter. Die problematische Datierung gehört wohl insgesamt in die späte Phase von Stil IV mit einigen Spuren der frühen Phase.<br />
<br />
* ''Höhle von Montespan'' ([[Montespan (Haute-Garonne)|Montespan]]): Die gravierten Bilder befinden sich 1,5 km hinter dem Eingang dieser an beiden Enden zugänglichen, verzweigten Korridorhöhle. Gezeigt werden Pferde, Wisente, ein Steinbock und Hirsch, evtl. ein Mammut, eine Hyäne und ein Menschenkopf. Es findet sich zudem eine eingravierte menschliche Hand über einem Pferd. Von Malereien haben sich nur Reste erhalten. Zahlreich sind tektiforme Gravuren. An der Wand des großen Saales lehnen drei roh aus Lehm modellierte, unvollständige Tierfiguren, wahrscheinlich eher als Hochreliefs gedacht, eine davon wohl eine Wildkatze. Etwas entfernt sieht man eine freistehende Lehmfigur eines Bären ohne Kopf, der möglicherweise der echte Schädel eines Bären aufgesetzt und die mit einem [[Bärenfell]] überzogen wurde. Zahlreiche Löcher an der Figur werden als Beschussspuren gedeutet, auch die anderen Figuren zeigen solche Einschusslöcher. Etwas abseits findet man eine offenbar zusammengehörende Komposition aus mehreren gravierten Pferden, dahinter Fußspuren von Jugendlichen. Ren, Nashorn und Mammut fehlen. Früher Stil IV zwischen mittlerem und spätem Magdalénien, da der Bär ikonografisch im Allgemeinen vor dem Ren auftritt.<br />
<br />
* ''Grotte du Ker de Massat'' auch ''La Campagnole'': Wie viele Bilderhöhlen der Zentralpyrenäen liegt auch diese hoch am Berg, während im Tal ein Lagerplatz war. 81 Gravuren aus dem jüngeren Magdalénien wurden in mehreren Sälen gefunden: Pferde, Cerviden, Gämsen, Steinböcke, Bisons. Bemerkenswert ist die Höhle aber vor allem wegen der zahlreichen grimassierenden Menschendarstellungen, die Karikaturen ähneln, unter anderem mit dicken Nasen etc. Dazu finden sich zahlreiche Zeichen.<ref>Lorblanchet, S. 63.</ref> Teilweise wurden die Gravuren mit Fingern in Lehm ausgeführt. Gefunden wurde unter anderem auch eine Lochstabskulptur mit Bärenkopf.<br />
<br />
[[Datei:Département 65 in France.svg|mini|100px|[[Département Hautes-Pyrénées]]]]<br />
; Département Hautes-Pyrénées<br />
<br />
* ''Höhle Lortet'' ([[Lortet (Hautes-Pyrénées)]]): Aus der sehr fundreichen Magdalénien-Schicht stammen einige wichtige Kunstwerke, unter anderem Zeichnungen und Gravierungen von Hirschen und Fischen, Steinbock, Pferd auf verschiedenen Materialien wie Stein, Vogelknochen, Horn. Stil II.<br />
<br />
* ''[[Höhle von Gargas]]'' ([[Aventignan]]): Die mehrere Gruppen bildenden gravierten, teilweise mit den Fingern in den Lehm gedrückten Darstellungen („Makkaroni“) von Bison, Pferd, Boviden und Mammut in dieser großen Höhle gehören vor allem zu Stil II, insbesondere die Darstellungen im Eingangsbereich. Es finden sich aber auch Malereien der Stile III und IV. Bewohnt war die Höhle bis ins späte [[Gravettien]]. Auffallend sind die zahlreichen, paläolithisch sonst eher in geringerer Anzahl auftretenden roten und schwarzen Handnegative (150). Zahlreiche Zeichen und Mäanderlinien finden sich ebenfalls. Stil II.<br />
<br />
* ''Höhle Labastide'' ([[Labastide (Hautes-Pyrénées)|Labastide]]): Gravierungen von Pferden und einigen Bisons, teilweise auch rot und schwarz gemalt. Besonderheiten sind hier ein Löwenbild und zwei anthropomorphe Figuren. Es fanden sich außerdem Plättchen mit Gravuren von Vögeln sowie Köpfen von Bisons und Steinböcken. Stil IV.<br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze der Hautes-Pyrénées:<ref name="Lorblanchet56" /> Abri Gourdan.<br />
<br />
[[Datei:Département 64 in France.svg|mini|100px|[[Département Pyrénées-Atlantiques]]]]<br />
; Département Pyrénées-Atlantiques (französisches Baskenland)<br />
<br />
* Die ''[[Höhlen von Isturitz und Oxocelhaya]]'' (Isturitz/[[Saint-Martin-d’Arberou|St. Martin]]) bilden mit der ''Höhle von Erberua'' einen Gesamtkomplex, der nachweislich von Menschen zwischen 80.000 und 10.000 BP immer wieder genutzt wurde. Die Grotte Oxocelhaya liegt dabei 20&nbsp;m unter Isturitz und endet mit der erst 1973 entdeckten Grotte Erberua, wo heute die [[Arbéroue]] fließt.<br />Isturitz ist vor allem berühmt durch die Funde prähistorischer Flöten, die aus dem frühen Aurignacien bis ins Magdalénien datieren, also zwischen 35.000 und 10.000 Jahre alt sind, wobei zwei Drittel der Funde aus dem [[Périgordien]] stammen. Es fanden sich zudem ein Dutzend Gravuren mit Darstellung von Renen, Steinböcken oder Hirschen als Relief auf einem Stalagmitenpfeiler. Die Zuschreibung Stil III ist umstritten, die Datierung liegt mutmaßlich zwischen mittlerem und spätem Magdalénien, allerdings werden einige Reliefs auch dem [[Solutréen]] zugeordnet. Einige schwarz gemalte und gravierte, offenbar zusammenhängende Darstellungen von Pferden, Bisons und Hirschkühen sowie ein Vogelkopf werden dem Stil IV zugerechnet, obwohl sie eher grob ausgeführt sind, aber Ähnlichkeiten mit spanischen Höhlen dieser Stilgruppe (Altamira, Pindal) aufweisen. Auffallend sind außerdem die mit Fingern im Lehm gezogenen tiefen Linien.<br />Die Höhle enthält zahlreiche Zeugnisse der mobilen Kunst: Gravierungen und 70 möglicherweise rituell zerbrochene Tierplastiken, und sie hat auch daher ihre Bedeutung. Die Plastiken entstammen stratigraphisch vorwiegend einer Prämagdalénien-Schicht, doch wurden auch Funde aus dem mittleren Magdalénien gemacht. Groß ist hier auch die Zahl der figürlichen und dekorativen Gravierungen auf Horn-, Knochen- und Steinstücken, darunter mehrere Menschenbilder, vor allem jedoch Pferde.<ref>Isturitz [[:fr:Grottes d’Isturitz et d’Oxocelhaya|auf fr.wikipedia]]</ref><br />
<br />
* ''Grotte Espélugues/Arudy'' ([[Arudy]]): Die Höhle enthielt keine Malereien oder Gravierungen, jedoch zahlreiche bedeutende Plastiken aus Horn und Knochen, darunter eine Steinbockfigur, ein Pferdekopf sowie Stäbe mit Spiralmuster, die alle zum entwickelten Stil IV gehören dürften.<br />
<br />
* ''Höhle Etcheberriko-Karbia'' ([[Camou-Cihigue]]): Die nur noch schwach erkennbaren Wandbilder sind schwarz gemalt oder mit braunem Lehm ausgeführt und mit Punkten aus Ocker versehen: Wisent, Pferd, Steinbock. Es finden sich dazwischen verstreut schwarze und rote Punkte. Die Darstellungen sind stilistisch einheitlich und werden dem frühen Stil IV zugerechnet (mittleres Magdalénien). Etcheberriko-Karbia gehört damit zu einer Gruppe tiefer Höhlen mit schwierigen, oft nur kriechend überwindbaren Passagen wie Arcy-sur-Cure, Les Combarelles, La Bastide, Montespan, La Mouthe, Rouffignac, Niaux, Santimamine, Les Trois Frères und Tuc d’Audoubert, die alle dem frühen Stil IV zugerechnet werden.<br />
<br />
* ''Höhle Tibiran'' (Aventignan): Kleine Höhle mit einigen schwarzen Malereien: Pferd (am Eingang), Steinbock, Bär sowie rote Handpositive. Stil III bis IV.<br />
<br />
* ''Elefanten-Höhle'' von [[Gourdan-Polignan]]: Die Höhle war schon im [[Mittelpaläolithikum]] bewohnt (Werkzeuginventar). Sehr vielfältige figürliche Gravierungen auf Steinplatten, Knochenstücken und einem Lochstab (ein Schwimmvogel, Rens, Bison, Pferd, Biber, Gämse, Cerviden, Pflanzen, ithyphallischer Mensch, Schlange, Bär), teilweise mehrfach übereinander. Stratigraphisch [[Solutréen]], [[Magdalénien]] und [[Azilien]]. Knochen von ca. 3000 Tieren, meist Rentieren.<br />
<br />
==== Unteres Rhônetal und Golfe du Lion ====<br />
Diese Höhlen sind getrennt aufgeführt, weil hier teilweise ein eigener Stil festzustellen ist. Die Darstellungen scheinen einer frühen Periode anzugehören (Solutréen bis frühes Magdalénien). Die genaue Einordnung ist bis heute umstritten.<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst,'' 1975, S. 425; Lexikon der Kunst, Bd. IV, S. 306 f.</ref><br />
<br />
[[Datei:Département 13 in France.svg|mini|100px|[[Département Bouches-du-Rhône]]]]<br />
; Département Bouches-du-Rhône<br />
<br />
* ''[[Henry-Cosquer-Höhle|Cosquer-Höhle]]'' (südöstlich von [[Marseille]], Cap Morgiou): Die bisher einzige Höhle der Provence. Mehrere Belegungsphasen. Phase 1: Vier der hier auftretenden Handnegative und mit Fingern gezogenen Linien konnten mit C-14 auf ein Alter von 28.000 bzw. 26.000 Jahren datiert werden. Die Höhle war von einer eiszeitlichen Steppenlandschaft umgeben.<ref>Clottes/Courtin: ''Cosquer,'' S. 7, 167; Lorblanchet, S. 314.</ref> Sie wären damit dem Stil I zuzurechnen. Die eigentlichen Gravuren und Malereien der Phase 2 sind jedoch jünger und haben ein allerdings nur an den schwarzen Malereien gemessenes C-14-Alter von 19.000 bis 18.000 Jahren, gehören damit zu Stil III. <br />Die 2. Phase der dort gefundenen Höhlenmalereien und -gravuren ähnelt stilistisch denen der 150&nbsp;km entfernten Grotte Chauvet und datiert in dieselbe Zeit wie diese, also in das [[Solutréen]] (Stil II).<ref>Chauvet, S. 112.</ref> Allerdings weisen C-14-Datierungen, die bis 14.000&nbsp;BP reichen, darauf hin, dass die Höhle sehr lange besucht wurde. Sie weist damit auch die längste absolute Chronologie aller Bilderhöhlen weltweit auf.<ref name="Lorblanchet, S. 314">Lorblanchet, S. 314.</ref> Zahlreiche Darstellungen wurden durch die holozäne Überflutung der Höhle zerstört. Es finden sich in dieser Phase Gravierungen und schwarze Malereien bzw. Zeichnungen von Landtieren: Pferden, Steinböcken, Gämsen, Bisons, Auerochsen, Rentieren, Hirschen und Riesenhirschen sowie von mehreren unbestimmten Tieren, evtl. Feliden oder ein Bär.<ref>Dokumentation: Clottes/Courtin: ''Cosquer,'' S. 81–125.</ref> Auch Meerestiere wurden abgebildet:<ref>Clottes/Courtin: ''Cosquer,'' S. 127–139.</ref> vor allem Robben, Alke und Fische, dazu möglicherweise Quallen und Tintenfische. An den Wänden gibt es zahlreiche verschiedene Zeichen unbestimmbarer Bedeutung, und zwar als Gravuren und Malereien. Bemerkenswert ist eine Gravur, die einen getöteten Menschen darstellen könnte und die Darstellungen in anderen Höhlen dieser Epoche ähnelt (Pech Merle, Cougnac).<ref>Clottes/Coortin, S. 155–161.</ref><br />
<br />
[[Datei:Département 07 in France.svg|mini|100px|[[Département Ardèche]]]]<br />
; Département Ardèche<br />
<br />
[[Datei:20,000 Year Old Cave Paintings Hyena.gif|miniatur|Grotte Chauvet: Malerei einer Höhlenhyäne]]<br />
[[Datei:Owl engraving, Chauvet Cave (museum replica).jpg|miniatur|Grotte Chauvet: Gravierung eines Uhus]]<br />
<br />
* [[Grotte Chauvet]] ([[Vallon-Pont-d’Arc]]): Wie in der hinsichtlich der Malereien ungefähr derselben Zeit (Solutréen, Stil II) entstammenden Grotte Cosquer sind die gemalten Darstellungen alle teils schattierte Zeichnungen (hier auch in roter Farbe), die mitunter von Gravierungen überlagert werden. Außerdem finden sich ebenfalls zahlreiche, hier rote Handnegative. Auch das Bildprogramm ist ähnlich. Es fehlen allerdings naturgemäß die Meerestiere. Dafür gibt es Mammuts (20 % der Darstellungen), Löwen und zahlreiche Nashörner (jeweils 19 %) sowie einen Uhu. Bären (4 %) scheinen eine besondere Rolle gespielt zu haben, denn es finden sich möglicherweise arrangierte Schädel und Knochen von ihnen.<ref>Chauvet, S. 42 f.</ref> Dazu das „klassische“ Bildprogramm: Pferde (14 %), Bisons (10 %), Riesenhirsch, Ren, Steinböcke, Auerochsen. Insgesamt über 400 Darstellungen. Auffallend ist, dass die Tierdarstellungen mitunter in Gruppen zusammengefasst scheinen, das gilt sogar für Löwen. Ein anthropomorphes Wesen mit Menschenbeinen und dem Oberkörper eines Bisons findet sich ebenfalls, hinzu kommen hier zahlreiche unterschiedliche Zeichen sowie Fußabdrücke, dazu an den Wänden Flächen mit roten Punkten.<ref>Dokumentation in: Chauvet: ''Grotte Chauvet,'' 1995.</ref><br />Nahe der Grotte Chauvet hat man in der ''Grotte du Planchard'' zwei weibliche Figuren gefunden.<br />
<br />
* ''Grotte Chabot'' ([[Aiguèze]], [[Ardèche (Fluss)|Ardèche]]-Schlucht, Département Gard): Gravierungen im Tageslicht. Dargestellt sind Rind, Pferd und Mammut sowie evtl. ein Hirsch. Die Darstellungen gehören ins frühe Magdalénien und werden auch aufgrund der solutréenzeitlichen Gerätefunde dem Stil II zugeordnet.<br />
<br />
* ''Abri Le Figuier'' ([[Saint-Martin-d’Ardèche]]): Am Ausgang der Ardèche-Schlucht gegenüber der Chabot-Höhle. Die Gravierungen liegen alle im Tageslichtbereich und gleichen denen der Grotte Chabot (Stil II). Dargestellt sind Pferd, Hirschkopf und zahlreiche Mammuts.<br />
<br />
* ''Grotte de la Combe d’Oulen'' ([[Labastide-de-Virac]]): Gravierungen im vorderen Teil der Höhle, einem Abri, Malereien im hinteren. Die Datierung ist offen, evtl. [[Gravettien]] (Stil II). Dargestellt sind hier Bison und Mammut. Die Datierung des hinteren Teils ist unklar, Ähnlichkeiten gibt es eventuell zu Stil IV. Neben Mammuts findet sich auch ein Steinbock. Die Bilder sind allerdings stark [[Sinter|versintert]].<br />
<br />
* ''Höhle Tête-du-Lion'' ([[Bidon]]): Sie enthält vor allem rote Malereien von Auerochsen, Steinbock und Hirsch, dazu einfache Zeichen, etwa Punkte. Eine C-14-Datierung von mit den Malereien assoziierten Holzkohlen ergab ein Alter von ca 21.000 bis 22.000 BP.<ref>Lorblanchet, S. 300 ff.</ref> Stilistische Beziehungen bestehen zu Pech Merle, Cougnac, Lascaux, Gabillou, Villars, Las Chimeneas und anderen. Stil III.<br />
<br />
* ''Höhle Colombier'' (Vallon-Pont-d’Arc): Ungefähr 60 m im Höhleninneren befinden sich neun Gravuren von Hirschen, Steinböcken und Auerochsen. Die Gravuren stammen aus dem späten Magdalénien und haben ein Alter von rund 12.000 BP.<ref>Informationsprospekt Herbst 2011, Musée Préhistoire, Orgnac-L’Aven</ref> Weiter im höhleninneren befindet sich auf einem [[Stalaktit]] ein anthropomorphes Abbild eines Menschengesichtes.<ref>André Glory: ''Les gravures de la grotte du Colombier à Labastide de Virac, Ardèche,'' in: ''Comptes-rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres,'' 91e année, Nr. 4, 1947, S. 670–676.</ref> In der unmittelbar daneben liegenden ''Abri du Colombier'' befinden sich weitere 15 Gravuren u.&nbsp;a. elf von Steinböcken.<br />
<br />
* ''Höhle Ebbou'' (Vallon-Pont-d’Arc): In der Nähe befindet sich auch die Chauvet-Höhle. Tief im Höhleninneren finden sich 70 in den dünnen Kalküberzug der Wände gravierte Tierbilder in einfachen, kräftigen Umrisslinien: Pferde, Mammut, Steinböcke, Bisons, Hirsche, Boviden und ein Mammut. Die Darstellungen sind deutlich frankokantabrisch. Die Datierung ist allerdings problematisch, denn es finden sich sowohl Elemente von Stil II, III und frühem Stil IV, sie reichen also vom frühen Magdalénien, vielleicht sogar [[Solutréen]] bis ins mittlere Magdalénien. Es stellt sich hier das Problem der Datierung der Rhônetal-Höhlen insgesamt. Leroi-Gourhan, der weder Chauvet noch Cosquer kannte (er starb 1986, Cosquer wurde 1985, die Chauvet-Höhle 1994 entdeckt), vermutete aufgrund stilistischer Merkmale eher Stil IV. Die Befunde der beiden genannten, teilweise sehr frühen Höhlen deuten allerdings eher auf einen älteren Zeitraum und bestätigen den Verdacht Leroi-Gourhans, dass man in so einem Falle annehmen müsste, Heiligtümer mit großer Höhlentiefe habe es dann im Süden früher gegeben als im eigentlichen frankokantabrischen Raum.<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst,'' 1975, S. 431.</ref><br />
<br />
* ''Baume de Bouchon'' auch ''Baoumo de Boutchous'' (Vallon-Pont-d’Arc): Die Höhle enthält zwei Gruppen abstrakter Zeichen sowie die Darstellung eines Steinbockes. Dieser ist vergleichbar mit den Darstellungen in der rund einen Kilometer entfernten ''Höhle Ebbou''. Eine Datierung ist noch offen.<ref name="Anonymous">N. Aujoulat: ''L’art des cavernes. Atlas des grottes ornées paléolithiques françaises.'' Ministére de la Culture u. a., Paris 1984, ISBN 2-11-080817-9.</ref><br />
<br />
* ''Grotte Huchard'' auch ''Grotte n° 1 du Ranc-Pointu'' (Saint-Martin-d’Ardèche): In der Höhle befinden sich Gravuren eines Bisons und vermutlich eines Mammuts. Diese sind dem Solutréen, Stil II-III zuzuordnen.<ref name="Anonymous" /><br />
<br />
* ''Höhle von Planchard'' (Vallon-Pont-d’Arc): Die Höhle ist rund 40&nbsp;m von der [[Grotte Chauvet]] entfernt. In ihr wurden Relief-Malereien von zwei weiblichen Figuren sowie mehrere Gruppen abstrakter Zeichnungen gefunden. Die Darstellungen stammen aus dem späten Magdalénien und haben ein Alter von 11.000–13.000&nbsp;BP.<ref>G. Bosinski, P. Schiller: ''Représentations féminines dans la Grotte du Planchard (Vallon Pont d’Arc, Ardèche) et les figures féminines du type Gönnersdorf dans l’art pariétal.'' Bulletin de la Société préhistorique de l’Ariège band 53, 1998.</ref><br />
<br />
* ''Grotte du Déroc'' (Vallon-Pont-d’Arc): 50&nbsp;m vom westlichen Eingang entfernt, in einer Höhe von sieben Metern an der Höhlendecke, ist auf einer Länge von sechs Meter eine rot-braune Musterung angebracht. Weiter befindet sich in einer Nische in vier Meter Höhe das Abbild eines Steinbockes. Dieses ist vergleichbar mit den Darstellungen in der ''Höhle Cougnac,'' Lot. Stil III. Die Datierung ist schwierig und noch offen, da die Bilder stark versintert sind.<ref name="Anonymous" /><br />
<br />
* ''Grotte Sombre'' auch ''Grotte Castanier'' (Saint-Martin-d’Ardèche): In der Höhle befinden sich ein unvollständiges Abbild eines Tieres sowie ein ovales und dreieckiges Zeichen. Die Darstellungen sind vergleichbar mit denjenigen aus der ''Grotte de la Combe d’Oulen'' und ''Grotte Chabot''.<ref name="Anonymous" /><br />
<br />
* ''Grotte de la Bergerie de Charmasson'' (Vallon-Pont-d’Arc): Knapp 30&nbsp;m im Höhleninneren befindet sich eine Darstellung eines Steinbockes. An der gegenüberliegenden Höhlenwand befinden sich abstrakte Gravuren. Die Gravuren stammen aus dem späten Magdalénien.<ref name="gely">B. Gely, A. Gauthier, A. Suarez: ''La décoration pariétale paléolithique de la grotte de la Bergerie de Charmasson (Vallon-Pont-d’Arc, Ardèche).'' In: ''Bulletin de la Société préhistorique Ariège-Pyrénées.'' 54, 1999, S. 117–126.</ref><br />
<br />
* ''Grotte de la Vacheresse'' auch ''Grotte de Bacharesse'' (Vallon-Pont-d’Arc): Im Höhleninneren befindet sich eine einzelne Darstellung eines Pferdes. Die Datierung ist noch offen.<ref name="Anonymous" /><br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze der Ardèche:<ref name="Lorblanchet56" /> Höhle Les Deux Ouvertures (Saint-Martin-d'Ardèche).<br />
<br />
[[Datei:Département 30 in France.svg|mini|100px|[[Département Gard]]]]<br />
; Département Gard<br />
<br />
* ''Grotte Chabot,'' siehe oben.<br />
<br />
* ''Grotte Bayol'' ([[Collias]]): Die roten und schwarzen Malereien in dieser Korridorhöhle sind teils extrem schematisiert und abstrahiert. Diese Schematisierung, die sich auch in anderen lokalen Höhlen so ähnlich findet, könnte nach Leroi-Gourhan durchaus ein besonderes Stilmerkmal der Rhône-Höhlen sein.<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst,'' 1975, S. 432.</ref> Gezeigt sind Pferde und Steinböcke, Bisons, Mammut, eine Wildkatze sowie eine Anzahl verschiedener abstrakter Symbole. Einige Tierdarstellungen sind nicht zuordenbar. Eine Datierung ist auch aufgrund der Unsicherheit bei den mediterranen Höhlen bisher nicht möglich.<br />
<br />
* ''Grotte de La Baume Latrone'' ([[Sainte-Anastasie (Gard)|Sainte-Anastasie]]): In einem über 200 m vom Höhleneingang entfernten Saal finden sich an der lehmigen, unebenen Wand Liniengeschlinge, die teils mit mehreren Fingern eingeritzt sind („Makkaroni“), dazwischen gibt es aber auch schwer deutbare Tiere. Daneben sind besser deutbarere Tiere dargestellt, deren Rillen zusätzlich mit roter Farbe nachgezogen wurden. Gezeigt sind vor allem Mammuts, Pferde, Wildkatzen sowie positive Handabdrücke. Der Stil passt weder zu dem mediterranen noch den frankokantabrischen Traditionen, eine Datierung ist bisher nicht gelungen. Stilistisch weist einiges auf Stil III.<br />
<br />
[[Datei:Département 34 in France.svg|mini|100px|[[Département Hérault]]]]<br />
; Département Hérault<br />
<br />
* ''Höhle Aldène'' ([[Cesseras]]): Großes, durch bergmännische Aktivitäten stark beeinträchtigtes Höhlensystem. Gravierungen, 300&nbsp;m vom Höhleneingang entfernt, teilweise mit Ocker nachgezogen. Dargestellt sind Pferde, Bär oder Wildkatze, evtl. ein Nashorn. Die Zeichnungen sind teils unbeholfen, teils recht geschickt (die Wildkatze gilt als eine der schönsten paläolithischen Darstellungen dieses Tieres überhaupt). Eine Datierung ist nicht möglich.<br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 11 in France.svg|mini|100px|[[Département Aude]]]]<br />
; Département Aude<br />
<br />
* ''Grotte du Gazel'' ([[Sallèles-Cabardès]]): Meist in den Kalküberzug eingravierte, inzwischen stark abgeblätterte Darstellungen, vor allem Pferde und Steinbock sowie ein Bison. Auf einer Tafel findet sich die ausgezeichnete Darstellung eines Steinbocks und eines Steinbockweibchens, dazu ein Pferd und zahlreiche Zeichen. Die Darstellungen sind in Stil IV einzuordnen und stehen der frankokantabrischen Kunst näher als der mediterranen, zeigen nach Leroi-Gourhan somit, dass sich der westliche Einfluss im mittleren und späten Magdalénien bis ins Rhônetal erstreckte.<ref>Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst,'' 1975, S. 435.</ref><br />
<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
[[Datei:Département 01 in France.svg|mini|100px|[[Département Ain]]]]<br />
; Département Ain<br />
<br />
* ''Abri La Colombière'' ([[Poncin]]): Gravierungen auf Knochen (Mensch und Ren) sowie bemalte Kiesel mit Tierzeichnungen (Nashorn, Bison, Ren, Pferd, Steinbock, Wildkatze oder Bär). Die Datierung ist umstritten; sie schwankt aufgrund des Werkzeuginventars und differierender C-14-Bestimmungen (zwischen 11.000 und 16.000 BP) zwischen Solutréen und Magdalénien. Stil IV.<br />
<div style="clear:both;"></div><br />
<br />
=== Die nordspanischen Höhlen ===<br />
Siehe auch [[Altsteinzeitliche Höhlenmalereien in Nordspanien]].<br />
<br />
Die Fundstätten sind auf der Grundlage der Fundstellenkarten von Leroi-Gourhan und Müller-Karpe zu folgenden lokalen Gruppen zusammengefasst:<br />
# Spanisches [[Baskenland]]<br />
# [[Kantabrien]]<br />
# [[Asturien]]<br />
<br />
[[Datei:Pais Vasco in Spain (plus Canarias).svg|mini|100px|[[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland in&nbsp;Spanien]]]]<br />
<br />
==== Spanisches Baskenland ====<br />
; Region [[Guipúzcoa]]<br />
* [[Höhle von Altxerri]] ([[Aya (Gipuzkoa)|Aya]]): Sie enthält Gravierungen und meist schwarze sowie wenige rote Malereien. Typisch dabei ist neben der häufigen Wandbearbeitung die Auffüllung der Darstellungen mit einem Netz sich überkreuzender Linien. Dargestellt sind Bisons, Steinböcke, Rentiere, Füchse, Auerochsen, Pferde, Saiga-Antilopen, Gämse, Fische und eine menschliche Figur, die der von Cougnac ähnelt. Die Ren-Darstellungen bezeugen hier insbesondere die Bedeutung dieses Tieres auch für den spanischen Bereich. Alle Darstellungen gehören zu Stil IV und ins spätere Magdalénien.<ref>Altuna, S. 196.</ref><br />
<br />
[[Datei:Ekainberriko zaldiak (Pottoka).jpg|miniatur|Pferdedarstellung ([[Pottok-Pony]]?) in&nbsp;Ekain]]<br />
<br />
* [[Höhle von Ekain]] ([[Cestona]]): Diese bedeutende Höhle in der Nähe der Altxerri-Höhle wird mit Niaux, Altamira und Lascaux verglichen. Sie enthält rote und schwarze Malereien, teilweise zweifarbig, oft mit flächig-plastischen Auffüllungen und Gravuren. Die große Pferdegruppe gilt mit ihrer Detailgenauigkeit als beste Darstellung der paläolithischen Kunst überhaupt. Dargestellt sind außerdem Hirsche, Steinböcke, Bisons, Hirschkuh, Fische (Lachs), Bären, evtl. ein Nashorn, dazu abstrakte Symbole, Punkte usw. Gefunden wurden überdies eine mit einem Steinbockkopf, Hirsch und evtl. Pferd übereinander gravierte Schieferplatte. Ein Stalagmit scheint zu einem Pferdekopf gestaltet worden zu sein. C-14-Datierungen ergaben für die älteste Wohnschicht IX 30.600 BP. Die Bilder gehören allerdings meist dem späten und Endmagdalénien an (C-14: 15.000 und 12.000 BP).<ref>Altuna, S. 103–112.</ref> Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle Santimamine'' ([[Bilbao]]): Stilistisch sehr einheitliche schwarz gemalte oder gravierte Darstellungen: Bisons, Pferd, Bär und Kopf eines Cerviden und Rindes. Einige der Darstellungen stehen senkrecht auf dem Kopf, einige Körperpartien sind flächig hervorgehoben. Wenige Zeichen. Die Datierung entspricht in etwa dem frühen Stil IV wie in Altamira, Niaux oder Portel. Stil IV.<br />
<br />
[[Datei:Cantabria in Spain (plus Canarias).svg|mini|100px|[[Kantabrien]]]]<br />
<br />
==== Kantabrien ====<br />
; Region [[Santander]]<br />
* ''Höhle Los Hornos'' bzw. „Hornos de la Peña“ (San Felice de Buelna/Tarriba): Im Eingangsbereich finden sich zwei Gravierungen: ein Pferd und ein Steinbockkopf. Hauptsächlich Stil II. Es fand sich außerdem eine Ritzung auf einer Knochenplatte. Die später entdeckten, teilweise in Lehm eingedrückten Gravierungen und wenige fragmentarische Zeichnungen in einem tieferen Saal werden dem Stil IV zugeordnet und bilden offenbar ein separates Heiligtum einer jüngeren Epoche. Dargestellt sind Steinböcke, Hirsch, Rinder, Bisons und Pferde, dazu eine menschliche Figur.<br />
<br />
[[Datei:Plano del Monte Castillo (cuevas).png|miniatur|Beispiel für ein eng benachbartes Höhlenkonglomerat: die Cuevas de Viesgo am Monte Castillo]]<br />
<br />
''Die folgenden fünf Höhlen Las Chimeneas, La Pasiega, El Castillo, Las Monedas und Covalanas bilden zusammen den Komplex der Cuevas de Viesgo innerhalb eines Umkreises von wenigen hundert Metern.''<br />
<br />
* ''Höhle Las Chimeneas'' (Puente Viesgo): Gravierungen und schwarze Konturen: Cerviden, Rind, Pferd, Hirsch, Hirschkuh, Steinbock. Dazu rechteckige Zeichen. Hörner, Geweihe und Ohren in halbverdrehter Perspektive. Stil III. C-14-Datierungen verweisen auf das älter Magdalénien und nicht auf das Solutréen.<ref name="Lorblanchet, S. 314"/><br />
<br />
[[Datei:La Pasiega-Galeria B-La Inscripcion.png|miniatur|Die sogenannte „Inschrift“ von Pasiega, eine Serie von [[Ideogramm]]en]]<br />
<br />
* ''Höhle La Pasiega'' (Puente Viesgo): In der gesamten Anlage lassen sich fünf Zonen unterscheiden, die zeitlich verschiedenen Etappen des Heiligtumes entsprechen: Galerie B enthält die „Inschrift von Pasiega“, eine Gruppe abstrakter Zeichen, die an einen Schriftzug erinnert. Insgesamt finden sich 226 rot, gelb und schwarz gemalte Bilder sowie 36 gravierte. Am häufigsten sind rote bis gelbe Pferde und Hirsche bzw. Hirschkühe, entweder mit dünner Konturlinie oder breitem Strich. Seltener als Cerviden sind Bisons und Steinböcke. Einige Tiere sind voll ausgemalt und durch Farbschattierungen plastisch gestaltet. Häufig sind Zeichen. Einzigartig hingegen ist eine schwarz gemalte Hand mit Arm. Eine schwarzbraune anthropomorphe Figur ist stark schematisiert. Stilistisch finden sich im vorderen Teil der entwickeltere Stil III, im rückwärtigen der frühe Stil IV. Es ergibt sich damit eine Chronologie von 17.000–13.000 BP. Ähnlichkeiten mit den benachbarten spanischen Höhlen Castillo und Las Chimeneas sind deutlich.<br />
<br />
* [[El-Castillo-Höhle|Höhle El Castillo]] (Puente Viesgo): In allen Höhlenteilen finden sich Wandmalereien und Gravierungen, dazu über 50 Handabdrücke, vor allem negativ in Rot. Meist rote Zeichen sind häufig. Rot oder braun gemalte Tierfiguren meist als Umrisszeichnungen. Motive sind Bisons, Boviden, Pferd, Steinbock, Hirsch und Hirschkuh sowie ein „Elefant“. Die gemalten und gravierten Figuren gehören verschiedenen Zeitstufen an. Die Gravuren des Eingangsbereichs sind am ältesten, vielleicht [[Gravettien]], die polychromen Darstellungen sind am jüngsten und gehören in etwa in die Zeit von Altamira. Die Chronologie ist jedoch komplex, der Zusammenhang mit den benachbarten Höhlen relativ unsicher, zumal er sich über 6000 Jahre erstreckt. Stil III/IV. Eine einzelne erste C-14-Datierung ergab 13.500 und 13.000 BP. Bei einer späteren Untersuchung wurde das Alter der [[Calcit|Kalzitablagerung]] über einer Malerei mittels [[Uran-Thorium-Datierung]] auf mindestens 40.800 BP ermittelt. Diese Malerei stammt vermutlich aus dem frühen [[Aurignacien]].<ref>A. W. G. Pike et al.: ''U-Series Dating of Paleolithic Art in 11 Caves in Spain.'' In: ''[[Science]].'' 15. Juni 2012, S. 1409–1413.</ref> Damit kämen als Höhlenmaler prinzipiell auch Neandertaler in Frage, die damals neben den anatomisch modernen ''Homo sapiens'' noch in dieser Region lebten.<ref>Roland Knauer: [http://www.tagesspiegel.de/wissen/anthropologie-steinalte-bilder/6753614.html ''Steinalte Bilder''] Tagesspiegel, 15. Juni 2012</ref><br />
<br />
* ''Höhle Covalanas'' (Puente Viesgo): Am hinteren Ende des 80 m langen Höhlenganges finden sich 19 rot gemalte Tierfiguren, meist Hirschkühe, ein Pferd und ein Bovide, die sowohl in der Malweise (Tupfung) wie im Stil sehr einheitlich sind. Zwischen den Tieren finden sich rechteckige Zeichen. Einzuordnen sind die Darstellungen in die zweite Periode von Stil III aus dem frühen Magdalénien, vergleichbar mit Lascaux, Gabillou und Peche-Merle.<br />
<br />
* ''Höhle Las Monedas'' (Puente Viesgo): Alle Darstellungen befinden sich in einem Saal nahe dem Eingang, Zeichen einer späten Phase von Stil IV. Gezeigt sind etwa 30 schwarz gemalte Bilder: Pferde, Hirsche, Boviden, Bisons, Steinbock und Symbole. Einordnung zwischen Stil III und Stil IV.<br />
<br />
* ''Höhle La Haza'' (Ramales): Kleine Höhle mit einem als rotem Umriss gemalten Pferd, zeitlich etwa dem frühen bis mittleren [[Magdalénien]] entstammend. Stil III.<br />
<br />
[[Datei:Cave painting, Anthropos (1).jpeg|miniatur|Altamira: Eber, Gämse, darüber ein abstraktes Zeichen, unten ein Bison, rechts Pferde (?)]]<br />
<br />
* [[Höhle von Altamira]] ([[Santillana del Mar]]): Neben Lascaux und Niaux die wohl berühmteste frankokantabrische Höhle. Die Darstellungen erstrecken sich über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrtausenden. Die älteren haben ein C-14-Alter von 17.000 BP, sie reichen vom beginnenden [[Solutréen]] bis zum mittleren [[Magdalénien]], einige Bilder am Höhlenende mit Bison, Mammut, Pferd scheinen dem jüngeren Magdalénien zu entstammen. Die Höhle enthält polychrome Darstellungen, vor allem die berühmte Bisongruppe an der Decke (C-14: 14.700 BP), solche mit lediglich schwarzer Umrisslinie (sogenannte „schwarze Bildfolge“) und Gravuren (am ältesten). Manche Wandvorsprünge sind zu Masken umgebildet. An Motiven finden sich neben vielen abstrakten oft rechteckigen Zeichen und [[Mäander]] („Makkaroni“), Bisons, Rinder, Pferde, Cerviden, Steinböcke, Hirschkuh, Wildschweine, dazu eingravierte Männerfiguren. Insgesamt ist die Höhle relativ einheitlich gestaltet. Stilistische Verbindungen ergeben sich zu mehreren anderen spanischen Höhlen (La Pasiega, El Castillo) sowie zu einigen französischen (Rouffignac, Trois Frères, Niaux, Portel usw.). Datierung: Magdalénien III–IV. Stil IV.<ref>Datierungen: Lorblanchet, S. 315.</ref><br />
<br />
* ''Höhle Moro Chufin'' (Riclones): Auffallend tiefe Gravuren befinden sich bereits in der Tageslichtzone des Höhleneinganges: Hirsche, ein Bison sowie Zeichen. Weiter im Inneren finden sich Gravuren und rote Malereien: neben sexuellen Symbolen Pferde, ein Ur sowie einige Punktserien, außerdem eine weibliche Gestalt und ein Hirsch, weiter Bisons, Boviden, Cerviden, Wildziegen, eine anthropomorphe Gestalt und ein Stelzvogel (?). Das Alter der vermutlich innerhalb zweier Zeitphasen gefertigten Darstellungen, Gravuren und Malereien liegt für die Gravuren am Höhleneingang und einige roter Malereien im Inneren bei mehr als 17.500 BP, also im Solutréen oder frühen (Prä-)Magdalénien. Die Gravuren im Höhleninneren sind hingegen weit jünger und etwa um 11.500 BP entstanden.<ref>Lorblanchet, S. 282; Vialou, S. 348; [http://cuevas.culturadecantabria.com/chufin.asp Cuevas de Chufin].</ref><br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze in Kantabrien:<ref name="Lorblanchet56" /> La Fuente del Salin.<br />
<br />
[[Datei:Asturias in Spain (plus Canarias).svg|mini|100px|[[Asturien]]]]<br />
<br />
==== Asturien ====<br />
; Region [[Oviedo]]<br />
* ''Höhle Cueva del Buxu'' (Cangas de Onis): Gravierte und gemalte Bilder etwa 70 m hinter dem Eingang. Pferde, Hirsche, Steinböcke. Tektiforme Zeichen.<br />
* ''Höhle El Pindal'' (Pimiango): Die aus einem einzigen, ca. 300 m langen Gang bestehende Höhle, die wegen ihrer geographischen Lage auch als Vorposten der frankokantabrischen Gruppe nach Süden und Westen gilt und ohne archäologisch bewertbare Kulturschichten ist (auch war sie wegen ihrer Feuchtigkeit und Unzugänglichkeit an einer Felswand kaum bewohnbar), enthält verschiedene Malereien; in Rot: Elefant, Mammut, Pferdekopf, Hirschkuh, ein polychrom schwarz und brauner Bison, weitere Bisons, teils mit roten Umrisslinien, teils flächig rot, teils graviert und rot nachgezogen, dazu zahlreiche rote Zeichen. Ein roter Fisch wird von ebensolchen Punkten überlagert. Stilistisch werden die Darstellungen dem frühen Stil IV zugeordnet (wie z.&nbsp;B. Niaux und Trois Frères), also in mittlere bis späte Magdalénien eingestellt.<br />
<br />
; Andere Regionen<br />
* ''Höhle El Pendo'' (Camargo): Im hinteren Bereich der längst bekannten Höhle wurden neuerdings Malereien entdeckt: neun rote Hirschkühe, ein Steinbock, ein Pferd sowie Zeichen und unbestimmbare Figuren, die stilistisch dem Solutréen zugeordnet werden (Stil von Covalanas).<ref>Lorblanchet, S. 315.</ref> Bereits früher hatte man im vorderen Teil Gravuren mobiler Kunst gefunden, an den Höhlenwänden waren Ritzungen unbestimmter Art sichtbar.<br />
<br />
* ''Höhle La Loja'' ([[Panes]]): Einige Gravierungen von Auerochsen, bei der die verschiedenen Perspektiven auffallen. Datierung frühes bis mittleres Magdalénien. Stil III/IV.<br />
<br />
[[Datei:Ciervo herido.gif|miniatur|Höhle La Peña de Candamo: verwundeter Hirsch]]<br />
<br />
* ''Höhle Tito Bustillo'', auch ''Cueva les Pedrones'' ([[Ribadesella]]): Großes, erst 1968 entdeckte Höhlensystem. Es enthält sehr große (bis zu drei Meter) lange zweifarbige Malereien von Pferden sowie einige Gravierungen. Weiter dargestellt sind Steinbock, Bison/Ur, Reh und Gämse. Auch hier finden sich wie in Altxerri Rendarstellungen. Stilistisch bestehen Ähnlichkeiten mit Ekain. Am Ende eines langen Ganges gibt es die sogenannte „Vulvengalerie“. Datierung: Mittleres Magdalénien.<ref>Altuna, S. 194 f.</ref><br />
<br />
* ''Höhle La Garma'' (Ribamontàn del Mar): 1995 entdeckte tiefe Höhlengalerien mit Gravierungen sowie schwarzen und roten Malereien von Pferden, Bisons, Hirschkühen, Steinböcken, Auerochsen und Riesenhirschen.<ref name="Lorblanchet317">Lorblanchet, S. 317.</ref><br />
<br />
* ''Höhle La Peña de Candamo'' (Roman de Candamo): An den Wänden Gravierungen und Malereien, insgesamt etwa 60 sich überlagernde Figuren, teils rot, teils schwarz gemalt: Bison, Pferd, Cerviden, dazu Handnegative und mit Fingern gezogene Linien („Makkaroni“). Drei verschieden Zeitabschnitte: eine archaische Phase (Hände, Linien), mittlere Phase mit gepunkteten Hirschkühen wie Covalanas und La Pasiega sowie schwarze Malereien und Gravierungen aus dem mittleren Magdalénien. Dazu wurde Kleinkunst gefunden, vor allem Lochstäbe.<ref name="Lorblanchet317" /><br />
<br />
* ''Höhle Covaciella'' (Carrena de Cabrales): Magdalénienzeitliche Malereien: Wisente (C-14: 14.000 BP).<ref>Lorblanchet, S. 270.</ref><br />
<br />
Bis 2000 neu entdeckte, hier nicht aufgeführte Höhlen, Abris und andere Fundplätze in Asturien:<ref name="Lorblanchet56" /> Höhle von El Bosque, Abri Santa Adriano.<br />
<br />
== Andere Felsbildregionen ==<br />
Neben der Eiszeitkunst des frankokantabrischen Raumes gibt es auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] weitere Zentren der [[Felsbild|Parietalkunst]],<ref>Übersichten und Karten der Fundorte: Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 287–339 und Taf. 272, 273; Leroi-Gourhan, S. 425–436, Karten S. 538 f.; Vialou, S. 344–373; Lorblanchet, S. 54 f.</ref>. Herausragend in ihrer Bedeutung sind die Region im [[Duero]]-Becken mit hunderttausenden [[Petroglyphen]] im heutigen [[Parque Arqueológico do Vale do Côa]] sowie die [[neolithisch]]en [[Felsmalereien in der spanischen Levante]].<br />
<br />
Andere Regionen der paläolithischen Höhlenkunst liegen in Italien und im [[Ural]]gebirge (siehe [[Höhlenmalerei]]).<br />
<br />
== Mobile Kunst ==<br />
[[Datei:Upper Paleolihic Art in Europe.gif|miniatur|Paläolithische Kunst in Europa. <br />Die Schwerpunkte der mobilen Kunst (grün) liegen weiter östlich als die der stationären Wandkunst (rot). <br />Dünne dunkelblaue Linien: Küstenlinien während der Eiszeit. <br />Dicke hellblaue Linien: Grenzen der stärksten Würm-Vereisung. ]]<br />
<br />
{{Hauptartikel|Jungpaläolithische Kleinkunst}}<br />
<br />
Die mobile Kunst des Jungpaläolithikums ist insgesamt weit älter als die stationäre Felskunst. Figürliche Kleinkunst ist im [[Aurignacien]] nachweisbar und erreicht einen Höhepunkt im [[Gravettien]]. Sie hat regionale Schwerpunkte in Mittel- und Osteuropa (siehe Skizze). Aber auch im frankokantabrischen Raum wurden zahlreiche Objekte der mobilen Kunst gefunden – in Höhlen, aber auch in Freilandfundstellen.<br />
<br />
Man unterscheidet folgende Typen der mobilen Kunst:<br />
* Figürliche Gravierungen und Halbplastiken<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 206–215; Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 117–126.</ref><br />
* [[Relief]]s und [[Contour découpé|Contours découpés]] (aus dünnen Knochenplatten herausgeschnittene figürliche Umrisse, in deren Silhouetten dann eine Innenzeichnung eingraviert wurde)<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 215 f.; Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 117–126.</ref><br />
* Vollplastiken<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 216–221; Leroi-Gourhan: ''Prähistorische Kunst'', 1975, S. 108–117.</ref><br />
* Nichtfigürliche Ornamente<ref>Müller-Karpe: ''Handb. d. Vorgesch.'' Bd. I: ''Altsteinzeit'', 1977, S. 221–223.</ref><br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Moritz Holfelder: ''Höhlenmalerei in Kantabrien. Auf Augenhöhe mit der Steinzeit.'' [http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AJS/_ArG_yFd571S/161218_0000_radioReisen_radioReisen-18122016-Nordspanien.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 21:40, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/podcast-radioreisen-18122016-nordspanien-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
; Allgemeine und spezielle Nachschlagewerke<br />
* ''[[Brockhaus Enzyklopädie]] in 24 Bänden.'' 19. Auflage. F. A. Brockhaus, Mannheim 1994, ISBN 3-7653-1200-2.<br />
* Emil Hoffmann: ''Lexikon der Steinzeit.'' C. H. Beck Verlag, München 1999, ISBN 3-406-42125-3.<br />
* ''Lexikon der Kunst''. 2. Auflage. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2004, ISBN 3-86502-084-4.<br />
<br />
; Altsteinzeit, Fels- und Höhlenkunst allgemein<br />
* Emmanuel Anati: ''Felsbilder. Wiege der Kunst und des Geistes''. U. Bär Verlag, Zürich 1991, ISBN 3-905137-33-X.<br />
* [[Barry Cunliffe]] (Hrsg.): ''The Oxford Illustrated History. Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas''. Campus Verlag, Frankfurt am Main. 1996, ISBN 3-593-35562-0.<br />
* Dietrich Evers: ''Felsbilder – Botschaften der Vorzeit.'' Urania Verlag, Leipzig 1991, ISBN 3-332-00482-4.<br />
* [[Joachim Hahn (Prähistoriker)|Joachim Hahn]]: ''Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktemorphologie.'' 2. Auflage. Verlag Archaeologica Venatoria, Inst. f. Urgeschichte der Univ. Tübingen 1993, ISBN 3-921618-31-2.<br />
* [[André Leroi-Gourhan]]: ''Prähistorische Kunst. Die Ursprünge der Kunst in Europa.'' 3. Auflage. Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1975, ISBN 3-451-16281-4.<br />
* David Lewis-Williams: ''The Mind in the Cave. Consciousness and the Origins of Art.'' Thames & Hudson Ltd., London 2004, ISBN 0-500-28465-2.<br />
* Michael Lorblanchet: ''Höhlenmalerei. Ein Handbuch.'' Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-7995-9025-0.<br />
* [[Hansjürgen Müller-Beck]] (Hrsg.): ''Die Anfänge der Kunst vor 30000 Jahren.'' Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0508-6.<br />
* [[Hermann Müller-Karpe]]: ''Handbuch der Vorgeschichte. Band I: Altsteinzeit''. 2. Auflage. C.&nbsp;H.&nbsp;Beck Verlag, München 1977, ISBN 3-406-02008-9.<br />
* [[Hermann Müller-Karpe]]: ''Grundzüge früher Menschheitsgeschichte.'' 5 Bde. Theiss Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-1309-7.<br />
* Andrew Sherratt (Hrsg.): ''Die Cambridge Enzyklopädie der Archäologie''. Christian Verlag, München 1980, ISBN 3-88472-035-X.<br />
* Denis Vialou: ''Frühzeit des Menschen''. C. H. Beck Verlag, München 1992, ISBN 3-406-36491-8.<br />
<br />
; Einzelne Bilderhöhlen<br />
* Jean-Marie Chauvet: ''Grotte Chauvet. Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche.'' Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-9000-5.<br />
* Jean Clottes: ''Niaux. Die altsteinzeitliche Bilderhöhlen in der Ariège und ihre neu entdeckten Malereien.'' Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-9003-X.<br />
* Jean Clottes, Jean Courtin: ''Grotte Cosquer bei Marseille. Eine im Meer versunken Bilderhöhle.'' Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1997, ISBN 3-7995-9001-3.<br />
* Jean Plassard: ''Rouffignac. Das Heiligtum der Mammuts.'' Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1999, ISBN 3-7995-9006-4.<br />
* [[Roemer- und Pelizaeus-Museum]], Hildesheim: ''Lascaux, Höhle der Eiszeit.'' Ausstellung 1982. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1982, ISBN 3-8053-0593-1.<br />
* Vjaceslav E. Scelinskij, Vladimir N. Sirokov: ''Höhlenmalerei im Ural. Kapova und Ignatievka. Die altsteinzeitlichen Bilderhöhlen im südlichen Ural.'' Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1998, ISBN 3-7995-9004-8.<br />
<br />
; Religion<br />
* Jean Clottes, David Lewis-Williams: ''Les chamanes de la préhistoire. Texte intégral, polémiques et réponses.'' Éditions du Seuil 1996, La maison des roches, Paris 2001, ISBN 2-7578-0408-1.<br />
* [[André Leroi-Gourhan]]: ''Die Religionen der Vorgeschichte. Paläolithikum.'' Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-11073-X, OA 1964<br />
* [[Julien Ries]]: ''Ursprung der Religionen.'' Pattloch Verlag, Augsburg 1993, ISBN 3-629-00078-9.<br />
<br />
; Anthropologie, Klima und Umwelt<br />
* [[Norbert Benecke]]: ''Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung.'' Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-1105-1.<br />
* Rudolf Feustel: ''Abstammungsgeschichte des Menschen.'' 6. Auflage. (UTB 1722). Gustav Fischer Verlag, Jena 1990, ISBN 3-334-00272-1.<br />
* [[Winfried Henke]], Hartmut Rothe: ''Paläoanthropologie.'' Springer Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1994, ISBN 3-540-57455-7.<br />
* Wighart von Koenigswald: ''Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel.'' WBG, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-23752-4.<br />
* [[Hubert Lamb|Hubert Horace Lamb]]: ''Klima und Kulturgeschichte. Der Einfluss des Wetters auf den Gang der Geschichte.'' Rowohlt Taschenb. Verlag, Reinbek 1994, ISBN 3-499-55478-X.<br />
* [[Martin Schwarzbach]]: ''Das Klima der Vorzeit. Eine Einführung in die Paläoklimatologie.'' Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3-432-87355-7.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.ancient-wisdom.co.uk/caveart.htm Prehistoric Cave Art]<br />
* [http://www.donsmaps.com/ Paleolithic European, Russian and Australian Archaeology]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Ur- und Frühgeschichte (Spanien)|Eiszeit]]<br />
[[Kategorie:Höhlenmalerei| Frankokantabrische Hohlenkunst]]<br />
[[Kategorie:Archäologischer Fachbegriff|Hohlenmalerei]]<br />
[[Kategorie:Speläologie|Hohlenmalerei]]<br />
[[Kategorie:Stilrichtung in der Malerei|Hohlenmalerei]]<br />
[[Kategorie:Pferd in der Kultur]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kantabrien&diff=162630476Kantabrien2017-02-14T09:05:45Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Spanische autonome Gemeinschaft<br />
|NameInStaatssprache=Comunidad Autónoma de Cantabria<br />
|NameInRegionalsprache1=Cantabria<br />
|Regionalsprache1Abkz=<br />
|NameInRegionalsprache2=<br />
|Regionalsprache2Abkz=<br />
|NameAufDeutsch=Kantabrien<br />
|Flagge=Flag of Cantabria.svg<br />
|Flaggenbreite=150px<br />
|Flaggenrahmen=ja<br />
|Flaggenartikel=Flagge Kantabriens<br />
|Flaggentext=<br />
|Wappen=Coat of Arms of Cantabria.svg<br />
|Wappenbreite=70px<br />
|Wappenartikel=Wappen Kantabriens<br />
|Wappentext=<br />
|KarteLageInSpanien=Cantabria in Spain (plus Canarias).svg<br />
|Hauptstadt=[[Santander]]<br />
|Fläche={{FL|ES|39000}}<br />
|Einw={{EWZN|ES|39000}}<br />
|EinwStand=<small>''({{EWD|ES-CB}})''</small>{{#tag:ref|{{EWQ|ES-CB}} }}<br />
|Nord-SüdCirca=83<!--zu prüfen--><br />
|West-OstCirca=137<!--zu prüfen--><br />
|Zeitzone=<br />
|ISO 3166-2=CB<br />
|URL=cantabria.es<br />
|INTERNET-TLD=<br />
|Hymne=<br />
|AmtssprachenAusserSpanisch=<br />
|AutonomieSeit=[[11. Januar]] [[1981]]<br />
|Präsident=Miguel Ángel Revilla Roiz<br />
|Partei=Partido Regionalista Cántabro(Spanien)<br />
|Abkz=PRC<br />
|Bildname=<br />
|SitzeKongress=5<br />
|SitzeSenat=5<br />
|Gliederung=102 Municipios<br />
|KarteLokal=Physical map of Cantabria - Spain.png<br />
|KarteLokalInfo=Physische Karte Kantabriens mit Grenzen der Municipios<br />
}}<br />
[[Datei:Spain Cantabria.png|mini|Lageplan von Kantabrien in Spanien]]<br />
'''Kantabrien''' (spanisch ''Cantabria'') ist eine am kantabrischen Meer ([[Golf von Biscaya]]) gelegene [[Autonome Gemeinschaften Spaniens|Autonome Gemeinschaft]] im Norden [[Spanien]]s. Sie wird von den Regionen [[Asturien]], [[Kastilien-León]] und [[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland]] umschlossen. Die Autonome Gemeinschaft besteht lediglich aus der gleichnamigen [[Liste der Provinzen Spaniens|Provinz]] (früher ''Provinz Santander''). Hauptstadt Kantabriens ist die Hafen- und Industriestadt [[Santander]].<br />
<br />
== Geographie und Klima ==<br />
Kantabrien ist hügelig bis bergig. Die höchsten Erhebungen befinden sich in den [[Picos de Europa]], einem Massiv im [[Kantabrisches Gebirge|Kantabrischen Gebirge]] mit Gipfeln von über 2000&nbsp;m.<br />
<br />
Das Klima in Kantabrien ist im Küstenbereich [[Maritimes Klima|maritim]] und feucht mit kühlen Sommern und milden Wintern. Im Landesinneren herrscht zum Teil [[Gebirgsklima]] vor.<br />
<br />
== Größte Orte ==<br />
(Stand: {{EWD|ES-CB}})<br />
{| class="wikitable sortable zebra" <br />
|-class=hintergrundfarbe6<br />
!Gemeinde<br />
!Einwohner<br />
|-<br />
| [[Santander]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39075}}<br />
|-<br />
| [[Torrelavega]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39087}}<br />
|-<br />
| [[Castro Urdiales]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39020}}<br />
|-<br />
| [[Camargo (Kantabrien)|Camargo]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39016}}<br />
|-<br />
| [[Piélagos]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39052}}<br />
|-<br />
| [[El Astillero]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39008}}<br />
|-<br />
| [[Laredo (Spanien)|Laredo]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39035}}<br />
|-<br />
| [[Santa Cruz de Bezana]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39073}}<br />
|-<br />
| [[Los Corrales de Buelna]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39025}}<br />
|-<br />
| [[Santoña]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39079}}<br />
|-<br />
| [[Reinosa]]<br />
| align=right | {{EWZT|ES|39059}}<br />
|}<br />
{{Siehe auch|Liste der Gemeinden in Kantabrien}}<br />
<br />
== Bevölkerungsentwicklung der Provinz ==<br />
<timeline><br />
Colors=<br />
id:lightgrey value:gray(0.9)<br />
id:darkgrey value:gray(0.7)<br />
id:sfondo value:rgb(1,1,1)<br />
<br />
ImageSize = width:600 height:auto barincrement:30<br />
PlotArea = left:40 bottom:40 top:20 right:20<br />
DateFormat = x.y<br />
Period = from:0 till:600<br />
TimeAxis = orientation:horizontal<br />
AlignBars = late<br />
ScaleMajor = gridcolor:darkgrey increment:50 start:0<br />
ScaleMinor = gridcolor:lightgrey increment:10 start:0<br />
BackgroundColors = canvas:sfondo<br />
<br />
PlotData=<br />
color:skyblue width:20 shift:(-60,-5) fontsize:M anchor:till<br />
bar:1877 from:0 till:242 text:241.555<br />
bar:1887 from:0 till:249 text:249.116<br />
bar:1900 from:0 till:279 text:279.091<br />
bar:1910 from:0 till:308 text:307.638<br />
bar:1920 from:0 till:343 text:342.954<br />
bar:1930 from:0 till:370 text:369.901<br />
bar:1940 from:0 till:403 text:402.810<br />
bar:1950 from:0 till:405 text:405.420<br />
bar:1960 from:0 till:432 text:432.146<br />
bar:1970 from:0 till:469 text:469.077<br />
bar:1980 from:0 till:513 text:513.115<br />
bar:1990 from:0 till:527 text:527.326<br />
bar:2000 from:0 till:535 text:535.131<br />
bar:2010 from:0 till:593 text:592.542<br />
<br />
TextData=<br />
pos:(35,20) fontsize:M<br />
text:"Zahlenleiste: Tausend Einwohner; Quelle:{{INE.es EWZ-Archiv|39000}}"<br />
</timeline><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
In der Höhle [[Cueva del Mirón]] bei [[Ramales de la Victoria]] wurde im Jahr 2010 der älteste Beleg für eine Beisetzung in der Epoche des [[Magdalénien]] auf der [[Iberische Halbinsel|Iberischen Halbinsel]] entdeckt, die rund 18.700 Jahre alte, so genannte [[La Dama Roja de El Mirón|Dama Roja de El Mirón]] (die „Rote Dame von El Mirón“).<br />
<br />
In der Antike wurde das Gebiet vom Stamm der ''[[Kantabrer]]'' (''Cantabri'') besiedelt, von denen diese Region ihren Namen hat.<br />
<br />
Die Kantabrer wurden im [[5. Jahrhundert]] von den [[Westgoten]] verdrängt, als diese im Zuge der [[Völkerwanderung]] die Iberische Halbinsel eroberten und ein kantabrisches Herzogtum mit dem Hauptort [[Amaya]] gründeten. Doch schon im 8. Jahrhundert fiel Iberien fast vollständig unter die Herrschaft der [[Mauren]], außer Kantabrien und Asturien. Ausgehend von hier begann die [[Reconquista]], und bald schon waren Teile des Kantabrischen Gebirges wieder in christlicher Hand.<br />
<br />
[[Alfons II. (Asturien)|Alfons II.]] besiegte den maurischen Herrscher [[Hischam&nbsp;I.]] nördlich von Los Barrios de Luna in einer der letzten Schlachten um Kantabrien und vertrieb die [[Mauren]] in die [[Iberische Meseta|Meseta]]. <br />
[[Alfons III. (Asturien)|Alfons&nbsp;III.]] gründete schließlich das Königreich Asturien-León. [[Ferdinand I. (León)|Ferdinand&nbsp;I.]] eroberte die Region und so fiel sie im 13. Jahrhundert dem Königreich Kastilien zu.<br />
<br />
Im frühen 19. Jahrhundert besetzten die Franzosen den Norden Spaniens und das Kantabrische Gebirge wurde erneut zum Ausgangspunkt des Widerstandes. Die Guerrilleros führten einen erfolgreichen Krieg gegen die französischen Besatzer.<br />
<br />
{{Großes Bild|Panoramica Santa Marina Cantabria.jpg|1000|Panoramablick vom Ort Santa Marina aus (im Hintergrund das [[Kantabrisches Gebirge|Kantabrische Gebirge]])}}<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
[[File:Grua de piedra de Santander.jpg|thumb|Santander.]]<br />
Größere Industriegebiete befinden sich in der Hauptstadt Santander und den umliegenden Ortschaften sowie in der Stadt Torrelavega, wo sich u.&nbsp;a. größere Chemiewerke der Firmen [[Solvay]], [[Sniace]] und [[Firestone Tire & Rubber Company|Firestone]] befinden. Der Schwerpunkt des industriellen Sektors liegt in diesen beiden Oberzentren in der Veredelung von Rohstoffen aus der Region sowie dem benachbarten Asturien. In der Bucht von Santander befinden sich Fabriken der herstellenden Industrie.<br />
<br />
Ferner hat traditionell der [[Bergbau]] maßgebliche Bedeutung. Insbesondere [[Zink]]-, [[Blei]]- und [[Eisenerz]], aber auch [[Steinkohle]] werden abgebaut.<br />
<br />
In [[Los Corrales de Buelna]] produziert [[Nissan Motor Ibérica]] auf 132.000&nbsp;m² mit 681 Mitarbeitern [[Motor]]en und [[Getriebe]].<ref>[http://www.nissan-zuerich.ch/multimedia/docs/2012/01/85647_9_18.pdf Nissan Produktionsorte Spanien(Stand 2010)]</ref><br />
[[File:Castro-Urdiales 21.jpg|thumb|Castro Urdiales.]]<br />
Die Stadt Castro Urdiales im Osten ist Teil des Großraumes Bilbao im benachbarten Baskenland.<br />
<br />
Die übrige Region ist dünn besiedelt und eher landwirtschaftlich geprägt. Die dortige Industrie beschäftigt sich überwiegend mit der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Neben der Viehhaltung ist der Fischfang und der vornehmlich inländische [[Fremdenverkehr|Tourismus]] in Kantabrien von wirtschaftlicher Bedeutung.<br />
<br />
Im Vergleich mit dem [[BIP]] der [[EU]] ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht Kantabrien einen Index von 94 (EU-28: 100) (2011).<ref>http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tgs00006&plugin=1</ref> Die Arbeitslosenrate lag 2013 bei 20,6 %.<ref>http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tgs00010&plugin=1</ref><br />
<br />
== Infrastruktur ==<br />
Die Autobahn A8 verbindet Kantabrien mit dem [[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland]] und [[Frankreich]] im Osten und [[Asturien]] im Westen. Im Endausbaustadium wird sie Frankreich und Portugal verbinden. Eine Nationalstraße geht über [[Reinosa]] nach [[Burgos]] in [[Kastilien-León]]. Es befindet sich im Moment eine weitere Autobahn mit der Bezeichnung „A67“ im Bau, die in Torrelavega von der A8 abzweigt und durch ein Hochtal über Reinosa nach Palencia führen wird und stückweise schon befahrbar ist.<br />
<br />
Eine Bahnlinie der staatlichen [[RENFE]] verläuft nach [[Madrid]], die Schmalspurbahn der Gesellschaft [[FEVE]] durchkreuzt die Region von [[Bilbao]] aus bis nach [[Asturien]] und [[Galicien]]. Da sämtliche Fernstrecken nur eingleisig ausgebaut sind und häufig von Güterzügen benutzt werden, gibt es nur wenige tägliche Zugverbindungen mit langen Fahrzeiten. Lediglich im Großraum Santander gibt es ein [[S-Bahn]]-Netz mit dichter Taktung. Eine [[Hochgeschwindigkeitsstrecke]] entlang der Küste des kantabrischen Meeres ist vorgesehen.<br />
<br />
Fernbuslinien der Firma [[ALSA Grupo|ALSA]] dienen als Ergänzung für die dünn getakteten Fahrpläne der beiden Bahnbetreiber.<br />
<br />
Die wichtigste Hafenstadt ist [[Santander]]. Dort befindet sich auch ein [[Flughafen Santander|Flughafen (IATA-Code: SDR)]] mit Flügen nach Amsterdam, Brüssel, Dublin, Düsseldorf, Frankfurt, Liverpool, London, Mailand, Paris, Rom, Alicante, Barcelona, Kanarische Inseln, Madrid, Malaga, Mallorca, Sevilla und Valencia.<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Moritz Holfelder: ''Höhlenmalerei in Kantabrien. Auf Augenhöhe mit der Steinzeit.'' [http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AJS/_ArG_yFd571S/161218_0000_radioReisen_radioReisen-18122016-Nordspanien.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 21:40, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/podcast-radioreisen-18122016-nordspanien-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commonscat|Cantabria|Kantabrien}}<br />
* [http://www.cantabria.es/ Website der Regionalregierung Kantabriens (spanisch)]<br />
* [http://www.spain.info/de/que-quieres/ciudades-pueblos/provincias/cantabria.html Informationen über Kantabrien - offizielle Website für den Tourismus in Spanien (deutsch)]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Autonome Gemeinschaften in Spanien<br />
|Navigationsleiste Provinzen in Spanien<br />
}}<br />
<br />
{{Coordinate|article=/|NS=43/18/00/N|EW=4/2/00/W|type=adm2nd|region=ES-CB}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4259109-0|LCCN=n/85/201404|VIAF=169185894}}<br />
<br />
[[Kategorie:Spanische autonome Gemeinschaft]]<br />
[[Kategorie:Spanische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Kantabrien| ]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ignatius_von_Loyola&diff=162630275Ignatius von Loyola2017-02-14T08:57:27Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Ignatius-Loyola.jpg|miniatur|hochkant|Ignatius von Loyola]]<br />
<br />
'''Ignatius von Loyola''' (auch: '''Íñigo López de Loyola'''<ref>er wurde nach dem Heiligen [[Íñigo of Oña]] benannt. In [[Baskische Sprache|baskischer Sprache]]: Eneko, in [[Latein]]: Enecus, Ennecus, Innicus oder Ignatius und in [[Spanischer Sprache]]: San Enecón, San Íñigo</ref>; * [[31. Mai]] [[1491]] auf Schloss [[Loyola]] bei [[Azpeitia]], [[Autonome Gemeinschaft Baskenland|Baskenland]], [[Spanien]]; † [[31.&nbsp;Juli]] [[1556]] in [[Rom]]) war der wichtigste Mitbegründer und Gestalter der später auch als [[Jesuiten]]orden bezeichneten ''Gesellschaft Jesu'' ([[Latein|lat.]]: ''Societas Jesu'', SJ). Er wurde 1622 [[Heiligsprechung|heiliggesprochen]].<br />
<br />
== Leben und Wirken ==<br />
Die Stationen im Leben des [[Ignatius]] von Loyola schildert er selber im so genannten ''[[Bericht des Pilgers]]'', einer geistlichen [[Autobiografie]], in der er den Weg beschreibt, den Gott ihn geführt habe:<br />
<br />
López de Loyola stammte aus einem [[Basken|baskischen]] Adelsgeschlecht. Er war der jüngste Sohn des Don Beltrán Yáñez de Oñez y Loyola<ref>[http://gw.geneanet.org/fracarbo?lang=es&p=beltran&n=yanez+de+onez+y+de+loyola Genealogie der Eltern]</ref> und dessen Ehefrau Marina Sáez de Licona y Balda. Es sollte ihr letztes Kind, von zwölf zuvor geborenen Geschwistern, sein. Denn seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt und so wurde Íñigo López von María de Garín, der Frau eines Schmiedes aufgezogen.<ref>Meissner, William: ''Ignatius of Loyola: The Psychology of a Saint.'' Yale University Press, New Haven 1992, ISBN 0-300-06079-3, S.&nbsp;9</ref> Als sein Vater am 23. Oktober 1507 starb, wurde er Page am Hof von [[Juan Velázquez de Cuéllar]] (ca. 1460–1517).<ref>[http://www.cervantesvirtual.com/obra-visor/san-ignacio-de-loyola-en-la-corte-de-los-reyes-de-castilla-estudio-crtico-0/html/0047c492-82b2-11df-acc7-002185ce6064_10.html ''San Ignacio de Loyola en la Corte de los Reyes de Castilla.'' Estudio crítico Fidel Fita Colomé (S. I.), Fundación Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes.]</ref> Als am 12. August 1517 sein Dienstherr starb, schloss sich López de Loyola dem Militär an und diente unter dem [[Herzog von Nájera]] und [[Vizekönig von Navarra]], Antonio Manrique de Lara ([[Haus Lara]]).<br />
[[Datei:Ignatius of Loyola (militant).jpg|mini|Ignatius von Loyola in zeitgenössischer [[Rüstung]] als junger Militär.]]<br />
Am 20.&nbsp;Mai 1521 bei der Verteidigung [[Pamplona]]s gegen französische Truppen ([[Italienische Kriege#Erster Krieg Karls V. gegen Franz I. (1521–1525)|italienische Kriege]]) wurde Loyola durch eine Kanonenkugel am Bein schwer verletzt. Der Überlieferung nach las er auf dem Krankenlager statt seiner bevorzugten Ritterromanzen theologische Literatur und kam deshalb dazu, über seine Lebensweise nachzudenken. Während seiner [[Rekonvaleszenz]] im [[Kloster Montserrat]] legte er seine Lebensbeichte ab, die der Überlieferung nach drei Tage dauerte. 1522 verließ er, der als Ritter und Edelmann gekommen war, das Kloster als Bettler und Pilger. Seine Waffen ließ er am Altar der Klosterkirche zurück.<br />
<br />
Es folgte etwa ein Jahr als Büßer in [[Manresa]] – in diese Zeit fallen seine großen inneren Erlebnisse, die er in seinem [[Ignatianische Exerzitien|Exerzitienbuch]] niederschrieb. In der [[Katalonien|katalanischen]] Stadt, die eingebettet zwischen den Flüssen [[Cardener]] und [[Llobregat]] liegt, verbrachte er einige Monate in Einsamkeit, in denen er sich äußerster Armut aussetzte und beständig im Gebet vertiefte. In einer Höhle am Cardener hatte er eine [[Erleuchtung]], die ihn im [[Spiritualität|spirituellen]] Sinne für sein ganzes Leben prägte.<br />
<br />
[[Datei:Manresa, Cova de Sant Ignasi-PM 58510.jpg|mini|[[Manresa]] die [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]] in der Höhle vom Hlg. Ignatius hier übte er sich in seinen [[Ignatianische Exerzitien|Exerzitien]]]]<br />
<br />
Am Ende seiner Zeit in Manresa wurde Ignatius zum [[Bericht des Pilgers|Pilger]], der es nach [[Jerusalem]] und über viele weitere Stationen bis nach [[Rom]] brachte. So schiffte sich Ignatius von Loyola hierzu am 20.&nbsp;März 1523 in Italien ein und erreichte im September des gleichen Jahres [[Palästina (Region)|Palästina]], das seit 1516 durch die [[Osmanisches Reich|osmanischen]] Türken besetzt war. Diese Reise erscheint auch im Pilgerbericht des Zürchers [[Peter Füssli (Glockengiesser, 1482)|Peter Füssli]] auf, der das heilige Land im selben Schiff wie er erreichte und die diskrete Gruppe spanischer Mitreisender beschrieb.<br />
[[Datei:Ignatius Loyola (La Plata, the Argentine Confederation, and Paraguay).jpg|mini|links|Ignatius von Loyola]]<br />
Ab 1524 holte López de Loyola in [[Barcelona]] an einer Lateinschule ([[Trivium]]) so viel Schulbildung nach, dass er 1526 zu einem Studium zugelassen wurde. In diesem Jahr begann er an der Universität [[Alcalá de Henares]] Philosophie und Theologie zu studieren. Durch seine Ansichten fiel er schon nach kurzer Zeit der [[Inquisition]] auf. Nach ''ernster Befragung'' wurde López de Loyola dort acht Wochen eingesperrt. 1527 wechselte er an die Universität [[Salamanca]], doch auch dort wurde er von der Inquisition bespitzelt, verhört und schließlich vom theologischen Studium ausgeschlossen.<br />
[[Datei:Universidad de Alcala.jpg|mini|250px|Fassade der historischen Universität Alcalá de Henares (1543)]]<br />
Im Juni 1528 flüchtete er deshalb nach [[Frankreich]]. An der [[Sorbonne]] studierte er mit finanzieller Unterstützung durch spanische Kaufleute in Frankreich und [[Flandern]] weiter und beendete am 15.&nbsp;März 1534 sein Studium mit dem Titel eines ''[[Magister artium]]''. Ein anschließend erneut aufgenommenes Theologiestudium beendete er nicht.<br />
<br />
Noch während des Studiums in Paris schloss er Freundschaft mit sechs Kommilitonen, [[Peter Faber]], [[Franz Xaver]], [[Simon Rodrigues de Azevedo|Simão Rodrigues de Azevedo]] (1510–1579), [[Diego Laínez]], [[Alfonso Salmeron|Alfonso Salmerón]] und [[Nicolás Bobadilla]] (1511–1590). Am 15.&nbsp;August 1534, [[Mariä Aufnahme in den Himmel|Mariä Himmelfahrt]], gelobten die sieben Männer in der Kapelle St. Denis am [[Montmartre]] Armut, Keuschheit und Mission in Palästina. Dieses gemeinsame Gelöbnis am Montmartre gilt als Keimzelle jener Gemeinschaft, die sich ab 1539 Compañía de Jesús nannte.<br />
<br />
Am 24.&nbsp;Juni 1537 wurde López de Loyola zusammen mit Diego Laínez in [[Republik Venedig|Venedig]] zum Priester geweiht, wo er sich ab [[1535]] aufgehalten hatte, um nach Jerusalem zu reisen. Wegen der unsicheren politischen Lage war an eine Missionsreise ins [[Heiliges Land|Heilige Land]] nicht zu denken. Deshalb ersetzten sie die gelobte Missionierung des Heiligen Landes durch die Bereitschaft, in den Dienst des [[Papst]]es zu treten und insbesondere in den Gebieten zu missionieren, die die katholische Kirche durch die [[Reformation]] verloren hatte. Kurz darauf reisten Ignatius und seine Freunde nach Rom und trugen dem Papst ihre Absicht vor. Papst [[Paul III.]] nahm ihre ''Formula Instituti'' zur Kenntnis und genehmigte drei Jahre später mit der Bulle ''Regimini militantis ecclesiae'' vom 27.&nbsp;September 1540 die ''Societas Jesu''. Diese vorläufige Erlaubnis war an die Bedingung geknüpft, dass der Orden die Zahl von 60 Mitgliedern nicht überschreiten dürfe. 1541 wurde Ignatius zum ersten Ordensgeneral ernannt.<br />
[[Datei:Podroze Loyoli.svg|mini|350px|Die Reisewege des Ignatius von Loyola zu den verschiedenen Zeiten]]<br />
Die neue Gruppe sorgte schon dadurch für Aufsehen, dass sie eine eigene Ordenstracht ablehnte. Darüber hinaus war sie in ihrer straffen Hierarchie an militärische Ränge angelehnt. Auch die Ordensregeln wichen von bisher üblichen ab und orientierten sich an militärischen Disziplinarvorschriften. Gleichzeitig waren Loyola und seine Anhänger neuen Predigtformen gegenüber aufgeschlossen, um ihren ambitionierten Missionszielen gerecht zu werden. Schnell wurde der Orden zu einem wichtigen Träger der [[Gegenreformation]]. 1546 ließ Loyola offiziell die ursprüngliche Begrenzung der Gemeinschaft auf 60 Mitglieder fallen, worauf ein starkes Wachstum, insbesondere in Spanien, einsetzte. 1549 machte eine päpstliche Bulle die Abteilungen der ''Societas Jesu'' unabhängig von den jeweiligen Bischöfen ihrer Operationsbereiche, eine Tatsache, die zu einer zentralistischen Leitung im Orden wie in der Gesamtkirche beitrug.<br />
<br />
Im Sommer 1556 erkrankte López de Loyola heftig an Fieber und an einer chronischen Krankheit. Am 30. Juli 1556 verlangte er nach der [[Krankensalbung|Letzten Ölung]] und dem päpstlichen Segen. Bei Tagesanbruch des darauffolgenden Tages starb Ignatius von Loyola im Alter von 65 Jahren. Seine letzte Ruhestätte befindet sich offiziell in [[Il Gesù]] in Rom, der Kirche des Mutterhauses seines Ordens. Historiker zweifeln daran, ob der Leichnam Ignatius wirklich erhalten und in Rom auffindbar ist. Der [[Jesuitenorden]] zählte bei seinem Tod bereits 1000 Mitglieder.<br />
<br />
== Nachleben ==<br />
Ignatius wurde am 27. Juli 1609 von Papst [[Paul V.]] [[Seligsprechung|selig]] und am 22.&nbsp;Mai 1622 von Papst [[Gregor XV.]] heiliggesprochen. Sein [[Heiligenkalender|Gedenktag]] ist in der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] und [[Anglikanische Gemeinschaft|anglikanischen Kirche]] sein Sterbetag, der 31. Juli. Die [[Bauernregel]] für diesen Tag lautete: „So wie Ignaz stellt sich ein, wird der nächste Januar sein.“<br />
<br />
Mit der [[Apostolische Konstitution|Apostolischen Konstitution]] ''[[Summorum Pontificum (1922)|Summorum Pontificum]]'' vom 25. Juli 1922 erklärte Papst [[Pius XI.]] den Heiligen zum [[Schutzpatron]] der [[Exerzitien]].<br />
<br />
== Heraldik und Genealogie der Familie ==<br />
[[Datei:Familie wapen Loyola.JPG|mini|250px|Das Familienwappen der Oñaz-Loyola]]<br />
Der Name Loyola stellt eine [[Kontraktion (Linguistik)|Kontraktion]] der spanischen Worte „Lobo y Olla“ welche in das Deutsche übertragen „Wolf und Topf“ bedeuten, dabei soll der Wolf die [[Nobilität]] symbolisieren. Beide Aspekte des Wappens sind die Folge einer Heirat zweier adeliger Familien im Jahre 1261, der Heirat von López García de Oñaz und Inés, [[Dame (Ritterwürde)|Dame]] von Loyola (~1261).<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Association of Jesuit Colleges and Universities]]<br />
* [[Bericht des Pilgers]]<br />
* [[Exerzitien]]<br />
* [[Ignatius-Brechnuss]] oder „Ignatiusbohne“<br />
* [[Kadavergehorsam]]<br />
* [[Liste der Ordensgründer]]<br />
* [[Liste bedeutender Jesuiten]]<br />
* [[Ignatiuskirche]]<br />
* [[San Ignacio]]<br />
* [[Jesuiten]]<br />
== Ausgaben ==<br />
* ''Briefwechsel mit Frauen'', herausgegeben von [[Hugo Rahner]], 1956<br />
* ''Das geistliche Tagebuch'', herausgegeben von [[Adolf Haas (Biologe)|Adolf Haas]] u.&nbsp;a., 1961<br />
* ''Trost u. Weisung. Geistliche Briefe'', herausgegeben von Hugo Rahner, Neuausgabe, 2. Auflage, 1989<br />
* ''Der Bericht des Pilgers''<br />
** übersetzt v. B. Schneider, 7. Auflage, 1991<br />
** übersetzt v. M. Sievernich, 2006<br />
* ''Briefe und Unterweisungen'', übersetzt von [[Peter Knauer]], 1993, ISBN 3-429-01530-8<br />
* ''Die großen Ordensregeln'', herausgegeben von [[Hans Urs von Balthasar]], 7. Auflage, 1995<br />
* ''Geistliche Übungen'', übersetzt von Adolf Haas, Neuausgabe, 1999<br />
* ''Briefe und Unterweisungen (Deutsche Werkausgabe 1)'', übersetzt und kommentiert von Peter Knauer, Würzburg, 1993<br />
* ''Gründungstexte der Gesellschaft Jesu (Deutsche Werkausgabe 2)'', übersetzt und kommentiert von Peter Knauer, Würzburg, 1998<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Constanze Alvarez: ''Ignatiusweg durch Nordspanien. Auf dem Weg zu mir.'' [http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AJS/_ArG_yFd571S/161218_0000_radioReisen_radioReisen-18122016-Nordspanien.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 1:39, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/podcast-radioreisen-18122016-nordspanien-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Cándido de Dalmases SJ: ''Ignatius von Loyola. Versuch einer Gesamtbiographie''. Neue Stadt, München 2006. ISBN 978-3-87996-679-0<br />
* Pierre Emonet: ''Ignatius von Loyola. Legende und Wirklichkeit''. Echter, Würzburg 2015. ISBN 978-3-429-03764-2<br />
* [[Helmut Feld]]: ''Ignatius von Loyola. Gründer des Jesuitenordens''. Böhlau, Köln 2006. ISBN 3-412-33005-1<br />
* [[Rita Haub]]: ''Ignatius von Loyola. Gott in allen Dingen finden''. Lahn-Verlag, Kevelaer 2006. ISBN 3-7867-8567-8<br />
* Enrique García Hernán: ''Ignacio de Loyola.'' Taurus, Madrid 2013. ISBN 978-8-430-60211-7<br />
* [[Stefan Kiechle]]: ''Ignatius von Loyola. Leben – Werk – Spiritualität''. Verbesserte und erweiterte Neuausgabe. Echter, Würzburg 2010. ISBN 978-3-429-03293-7<br />
* Willi Lambert: ''Aus Liebe zur Wirklichkeit. Grundworte ignatianischer Spiritualität''. 7. Auflage, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2005. ISBN 3-7867-8367-5<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Íñigo López de Loyola}}<br />
<br />
* {{DNB-Portal|118555359}}<br />
* {{DDB|Person|118555359}}<br />
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070629234818/http://www.bautz.de/bbkl/i/ignatius_v_lo.shtml |band=2|spalten=1258-1262|autor=Michael Hanst|artikel=Ignatius von Loyola}}<br />
<br />
;Quelltexte:<br />
* [http://www.archive.org/download/MN5044ucmf_5/MN5044ucmf_5.pdf Die ''Geistlichen Übungen'' in der Übersetzung von Alfred Feder S.J. (1922)] (pdf; 7,1&nbsp;MB)<br />
* [http://www.aphorismen.de/display_aphorismen.php?search=9&sav=1869&hash=68c694de94e6c110f42e587e8e48d852 Von Ignatius von Loyola stammende ''Sammlung von Aphorismen'']<br />
* [http://www.philos-website.de/index_g.htm?autoren/ignatius%20von%20loyola_g.htm~main2 Die Formulae Instituti] (private Seite)<br />
<br />
;Biografien:<br />
* {{Hl-Lex|b|Ignatius_von_Loyola.htm}}<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.jesuiten.org/peter.knauer/ignatius.html | wayback=20070211015202 | text=Biografie auf www.jesuiten.org}}<br />
* [http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/leseraum/lehrbehelf/457.html Ignatius von Loyola – Ein Lebensbild von Boris Repschinski]<br />
* [http://www.krref.krefeld.schulen.net/biographien/b0090t00.htm Biografie] (private Seite)<br />
* [http://www.martin-loewenstein.de/loyola2006/texte03.html Zeittafel Ignatius von Loyola]<br />
<br />
;Spiritualität:<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.kontemplation.at/mystik.php | wayback=20090912140446 | text=Ignatius und Kontemplation}}<br />
* [http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/456.html Ignatianische Spiritualität – Eine Einführung von Boris Repschinski]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Folgenleiste|VORGÄNGER=—|NACHFOLGER=[[Diego Laínez]]|AMT=[[Liste der Generaloberen der Jesuiten|Generaloberer der Gesellschaft Jesu]]|ZEIT=1541–1556}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118555359|LCCN=n/79/49329|VIAF=88881025}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ignatius von Loyola|!]]<br />
[[Kategorie:Person der Gegenreformation]]<br />
[[Kategorie:Ordensgründer (römisch-katholisch)]]<br />
[[Kategorie:Römisch-katholischer Theologe (16. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Generaloberer des Jesuitenordens]]<br />
[[Kategorie:Jesuit]]<br />
[[Kategorie:Mystiker]]<br />
[[Kategorie:Person (Baskenland)]]<br />
[[Kategorie:Heiliger (16. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1491]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 1556]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Ignatius von Loyola<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Íñigo López de Loyola; Íñigo López de Recalde<br />
|KURZBESCHREIBUNG=Soldat, Theologe, Gründer der später auch als Jesuitenorden bezeichneten Gesellschaft Jesu<br />
|GEBURTSDATUM=31. Mai 1491<br />
|GEBURTSORT=Schloss Loyola bei [[Azpeitia]]<br />
|STERBEDATUM=31. Juli 1556<br />
|STERBEORT=[[Rom]]<br />
}}</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tourismus_in_Katalonien&diff=162630272Tourismus in Katalonien2017-02-14T08:57:06Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>'''Katalonien''' ist weltweit eines der bedeutendsten '''touristischen''' Reiseziele. Diese Beliebtheit verdankt die Region ihren kontrastreichen Naturlandschaften zwischen [[Pyrenäen]] und Mittelmeerküste einerseits und ihrem kulturellen Angebot andererseits, unter anderem in der Weltmetropole [[Barcelona]]. Darüber hinaus sind Kataloniens Küstenabschnitte [[Costa Brava]] und Costa Daurada seit den Anfangstagen des Tourismus renommierte Reiseziele, die Strand- und Kulturtourismus miteinander verbinden.<br />
<br />
In den letzten Jahren hat Katalonien sein touristisches Angebot stark ausdifferenziert und touristische Programme entwickelt, die den speziellen Wünschen und Bedürfnissen unterschiedlicher Gästeprofile entsprechen. So gibt es besondere Angebote im Bereich des Sporttourismus, beispielsweise Radurlaub, besonders familienfreundliche Urlaubsorte, Angebote im Bereich des ländlichen Tourismus (''Turismo Rural''), Natur- und Kulturangebote in der Pyrenäenregion, barrierefreien Tourismus und sowie einige [[Önologie|önotouristische]] Produkte, die Katalonien als Weinregion mit Tradition präsentieren.<ref>[http://empresaiocupacio.gencat.cat/web/.content/20_-_turisme/coneixement_i_planificacio/recerca_i_estudis/documents/arxius/pla_cas.pdf ''Generalitat de Catalunya: Plan Estratégico de Turismo de Cataluña 2013-2016 y Directrices Nacionales de Turismo 2020''] auf: empresaiocupacio.gencat.cat am 8. November 2015.</ref><br />
<br />
== Wirtschaftliche Bedeutung ==<br />
[[File:Localización de Cataluña.svg|thumb|Localización de Cataluña]]<br />
Mit einem Anteil von 12 % am Bruttoinlandsprodukt ist der Tourismus eine der tragenden Säulen der katalanischen Wirtschaft. Als einer der wenigen Sektoren, der auch in Zeiten der Wirtschaftskrise Aussicht auf Wachstum bietet, ist in den letzten Jahren der Entwicklung eines nachhaltigen und qualitätszentrierten katalanischen Tourismus besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. In der Konsequenz konnten sowohl die Besucherzahlen als auch die Gesamteinnahmen durch den Tourismus kontinuierlich gesteigert werden. So empfing Katalonien im Jahr 2014 30.237.700 Besucher und die Einnahmen durch den Tourismus stiegen von 12.363.600 Euro im Jahr 2012 auf 15.120.500 Euro im Jahr 2014.<ref>[http://observatoriempresaiocupacio.gencat.cat/web/.content/generic/documents/turisme/indicadors_basics_turisme_estranger/2014/arxius/Indicadors_basics_de_turisme_estranger_2014.pdf ''Observatori d'Empresa i Ocupació: Indicadors bàsics de turisme estranger''] auf: observatoriempresaiocupacio.gencat.cat(letzter Zugriff am 8. November 2015).</ref><br />
<br />
Im Zuge des Ausbaus touristischer Angebote im Landesinneren, die sich auf die Bereiche Natur, (Berg-)Sport, Gastronomie und ländlicher Tourismus konzentrieren, konnten sowohl die Besucherzahlen als auch die Einnahmen außerhalb der vom Strandtourismus geprägten Hauptsaison deutlich gesteigert werden. Wurden im Jahr 2012 noch 5.986.600 Euro außerhalb der Hauptsaison erwirtschaftet, waren es im Jahr 2014 bereits 7.345.300 Euro. Es fällt auf, dass die durchschnittlichen Tagesausgaben ausländischer Touristen in den Monaten der Nebensaison signifikant höher sind als in der Hauptsaison, was auf die starke Ausdifferenzierung des Angebotes im Bereich des Individualtourismus zurückzuführen ist. Während die Ausgaben des Sommerurlaubers im August 2014 bei etwa 100 Euro pro Tag lagen, stiegen die Tagesausgaben der Urlauber in den Frühlings- und Wintermonaten auf bis zu 140 Euro pro Tag. Im Zuge der Veränderungen des touristischen Angebotes ließ sich auch die Durchschnittsdauer der touristischen Aufenthalte von 7,2 Tagen im Jahr 2012 auf 7,5 Tage im Jahr 2014 steigern.<br />
<br />
Mit Bezug auf den ausländischen Tourismus ist Europa im Jahr 2014 mit 86,4 % der Gesamtbesucherzahlen weiterhin der wichtigste Herkunftsmarkt. Besondere Bedeutung haben hier die sieben klassischen Herkunftsländer Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Skandinavien, die 67,4 % der Besucherzahl generieren. Die unter dem Kürzel [[BRICS]] zusammengefassten Herkunftsmärkte Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika machen gemeinsam 7,3 % der Gesamtbesucherzahlen aus. Bemerkenswert ist auch, dass der Inlandtourismus, also die Reisen der Katalanen innerhalb Kataloniens, im Jahr 2014 etwa ein Drittel der Gesamtbesucherzahlen ausmachte. (Der Anteil an den Gesamtausgaben im Zuge touristischer Reisen liegt bei dieser Gruppe jedoch bei gerade einmal 6,6 Prozent.)<ref>[http://observatoriempresaiocupacio.gencat.cat/web/.content/generic/documents/turisme/indicadors_basics_turisme_estranger/2014/arxius/Indicadors_basics_de_turisme_estranger_2014.pdf ''Observatori d'Empresa i Ocupació: Indicadors bàsics de turisme estranger''] auf: observatoriempresaiocupacio.gencat.cat(letzter Zugriff am 8. November 2015).</ref><br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
Im November 2016 wurde Katalonien mit dem Biosphere-Responsible-Tourism-Siegel ausgezeichnet.<ref>[https://www.biospheretourism.com/en/entity/catalunya/142 ''Catalonia becomes the first Biosphere Destination as a whole''] auf: biospheretourism.com, letzter Zugriff am 22. Januar 2016.</ref> Diese Auszeichnung wird vom ITR (Institute for Responsible Tourism) und dem Global Sustainable Tourism Council für einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sowie sozial inklusiven und universell zugänglichen Tourismus verliehen.<br />
Im Jahr 2016 wird Katalonien als Europäische Region der Gastronomie ausgezeichnet. Dieser Titel trägt der besonderen Aufmerksamkeit Rechnung, die Katalonien seiner kulinarischen Kultur widmet. Diese verbindet traditionelle mediterrane Küche mit innovativen und teils experimentellen Elementen und legt besonderen Wert auf die hohe Qualität der Zutaten aus regionaler Herkunft.<ref>[http://www.lavanguardia.com/cultura/20150702/54433171600/cataluna-es-declarada-region-europea-de-la-gastronomia-2016.html ''Culturea - LA VANGUARDIA''] auf: lavanguardia.com (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
== Geschichte des Tourismus in Katalonien ==<br />
=== Vorläufer des Tourismus ===<br />
Die ersten Vorläufer des Tourismus in Katalonien finden sich im 18. und 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit sind es insbesondere zwei Gruppen von Reisenden, die Katalonien im Zuge ausgedehnter Reisen über die [[Iberische Halbinsel]] einen Besuch abstatten: Einerseits die Gruppe der wissensdurstigen Aufklärer, die bereits ab dem 18. Jahrhundert durch Katalonien reisen, andererseits die Gruppe der Reisenden der Romantik, die vor allem im 19. Jahrhundert ins Land findet. Beide Gruppen gelangen schnell zu der Überzeugung, das Katalonien wenig Ähnlichkeit mit dem Rest Spaniens habe, bewerten diese Beobachtung jedoch ganz unterschiedlich: Die Aufklärer loben die Fortschrittlichkeit des Landes und bewerten die relativ weit fortgeschrittene [[Industrialisierung]] Kataloniens positiv. Die Romantiker zeigen sich hingegen eher enttäuscht oder desinteressiert, da die Region nicht ihrer Vorstellung vom authentischen Spanien entspricht.<br />
<br />
=== Der Katalanische Exkursionismus ===<br />
Die wahren Pioniere des Tourismus in Katalonien, welche die Region mit der Absicht bereisen, Landschaft, Kultur und Lebensformen kennen- und verstehen zu lernen, sind die Katalanen selbst. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich die Strömung des Katalanischen Exkursionismus, die stark durch zwei weitere, zur gleichen Zeit entstehende, kulturelle Phänomene beeinflusst ist: Dies sind einerseits die in ganz Europa aufkommenden Alpinclubs und andererseits die Bewegung der ''Renaixença'', der katalanischen Renaissance, deren Ziel es ist, die katalanische Sprache und Kultur wiederzubeleben. Die ''excursionistas'' etablieren das Wandern und Reisen als anerkannte Freizeitbeschäftigung. Gleichzeitig sind sie diejenigen, die stellvertretend für alle anderen das Land entdecken, es zeichnen, fotografieren und den katalanischen Naturlandschaften und Kulturgütern im Sinne der ''Renaixença'' eine neue Bedeutung geben. Im Rahmen der von den ''excursionistas'' (neu) entdeckten Landschaften nehmen die katalanischen Pyrenäen eine besondere Stellung ein. Die bis zu diesem Zeitpunkt nahezu unbekannten wilden Gebirgslandschaften werden nach europäischem Vorbild Teil der Routen des katalanischen Exkursionismus. Ihre Verankerung im kollektiven Bewusstsein verdanken sie vor allem dem reisenden und wandernden Dichter [[Jacint Verdaguer]], der auch die abgelegensten Winkel des Landes bereiste und in seinen Gedichten verewigte.<br />
<br />
=== Der Gesundheitstourismus der Jahrhundertwende ===<br />
Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich eine frühe Form des [[Gesundheitstourismus]]. Dessen Protagonisten sind Adelige und später auch die katalanische Bourgeoisie, welche sich die Ratschläge der Hygieneforschung zu Herzen nehmen und im Sommer aus den epidemiegefährdeten Großstädten in ländliche Gebiete fliehen. Die Etablierung regelmäßiger Zugverbindungen erleichtert die Mobilität und so entstehen zunächst rund um Barcelona, später in den angrenzenden Provinzen und schließlich in Städten wie Camprodón, Viladrau und Puigcerdà viele Sommerresidenzen. Sie sind als Beispiele für die Architektur des Modernismus gemeinsam mit den zur gleichen Zeit entstandenen Parks bis heute einen Besuch wert. <br />
Etwa zur gleichen Zeit entstehen die ersten Thermalbäder, Sommerresidenzen und Luxushotels in Küstenorten.<ref>Jiménez, Sole/ Prats, Llorenç: El turismo en Cataluña : Evolución histórica y retos de futuro, pasosonline.org Vol 4 N° 2 págs. 153 -174. 2006, ''http://www.pasosonline.org/Publicados/4206/PS030206.pdf'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
=== Der Inlandstourismus vor dem touristischen Boom ===<br />
Bevor es in den 60er-Jahren zum touristischen Boom kommt, hat sich in Katalonien bereits ein Inlandstourismus etabliert, an dem nicht allein die oberen sozialen Klassen, sondern auch die Mittelschicht und die untere Mittelschicht beteiligt sind. Sommerurlaub am Strand oder – in geringerem Maße – Aufenthalte in den Bergen sind üblich, und auch der Skitourismus in den Pyrenäen gewinnt zu diesem Zeitpunkt langsam an Fahrt.<br />
Der ausländische Tourismus ist zu dieser Zeit noch wenig entwickelt, jedoch beginnen Filmschauspieler und Regisseure, die Costa Brava für sich zu entdecken, die in Filmen wie [[Pandora und der fliegende Holländer]] präsentiert wird. Stars wie [[Ava Gardner]] und [[Orson Welles]] statten der katalanischen Küste regelmäßige Besuche ab.<ref>Agencia Catalana de Turisme: Ava Gardner y Orson Welles en la Costa Brava: ''http://www.catalunya.com/rutas/ava-gardner-y-orson-welles-en-la-costa-brava-24-1-84'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
=== Der touristische Boom der 60er-Jahre und seine Folgen ===<br />
Die attraktiven Landschaften, das angenehme Klima, Hotels mit Meerblick und die im Vergleich zu wirtschaftlich weiter entwickelten Ländern signifikant günstigeren Preise machten die spanische und insbesondere katalanische Küste in den 60er Jahren zu einem hochattraktiven und leicht zu erreichenden Reiseziel für die Mittelschicht vieler europäischer Länder. Mit der ständig wachsenden Zahl an Touristen kommt es zu einer ebenso schnell wachsenden Anzahl von Hotels, Restaurants und Serviceanbietern. Diese suchen in erster Linie Sonne, Meer und Strand, das kulturelle Angebot Kataloniens wird zu diesem Zeitpunkt kaum ausgereizt. Ausnahmen von dieser Form des [[Massentourismus]] bilden Orte wie Cadaqués und Begúr, die sich als Zufluchtsorte für diejenigen positionieren, die es sich leisten können, vom Tourismus der Massen Abstand zu nehmen. <br />
Der frühe Massentourismus ist charakterisiert durch eine übermäßige Ausbeutung natürlicher Ressourcen und eine Form der Immobilienspekulation, die riesige Vermögen unter einigen wenigen Akteuren aufteilt. Dennoch ist der Tourismus als der wohl wichtigste Motor der wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens und Kataloniens zu sehen, dessen Wirkung weit über die direkten Einflussgebiete des Küstentourismus hinausgeht. Auf kultureller Ebene ist darüber hinaus der Einfluss des Tourismus auf eine Öffnung des Landes nach Europa hin nicht zu unterschätzen.<br />
<br />
Spätestens gegen Ende des 20. Jahrhunderts wird jedoch offensichtlich, dass das bisherige Tourismus-Modell nicht nachhaltig ist. Eine kontinuierliche Absenkung der Preise wäre die einzige Möglichkeit gewesen unter Beibehaltung dieses Modells als Tourismusdestination konkurrenzfähig zu bleiben. Angesichts dieser Tatsache kommt es zu einem grundlegenden Wandel der Tourismusstrategien in Katalonien.<br />
<br />
=== Der katalanische Tourismus im 21. Jahrhundert ===<br />
In den letzten Jahren entwickelt sich in Katalonien Schritt für Schritt ein auf Nachhaltigkeit und hohe Qualität ausgerichteter Tourismus, der das Potential hat, die starken saisonalen Schwankungen des Küstentourismus auszugleichen. Im Fokus stehen die landschaftlichen Reize und das touristische Potential des Landesinneren, Natur- und Aktivtourismus, Golftourismus, Urlaub auf dem Lande, Ökotourismus und Kulturtourismus sowie entsprechende gastronomischen und önotouristische Angebote.<br />
<br />
== Freizeitangebote ==<br />
=== Wandern ===<br />
Katalonien ist eine traditionsreiche Wanderregion, die über knapp 9.000 Kilometer markierte Wanderwege verfügt. Ein Teil davon sind Fernwanderwege (GR), die Teil des Europäischen Netzwerks von Fernwanderwegen sind. Die restlichen Wanderrouten sind als regionale Wanderwege (PR) oder lokale Wanderwege (SL) klassifiziert.<br />
<br />
Manche dieser Wege folgen historischen Routen, die vor allem von Pilgern und Flüchtlingen begangen wurden. Zu diesen gehören der Katalanische [[Jakobsweg]] zwischen [[Sant Pere de Rodes]] und [[Alcarràs]] sowie der der Ignatiusweg, ''Camí Ignasià'', der auf katalanischem Gebiet von [[Lleida]] über den [[Montserrat (Berg)|Montserrat]] nach [[Manresa]] führt. <br />
Zu den religiös inspirierten Wegen zählt auch die [[Ruta del Cister]], welche zu den drei beeindruckendsten Zisterzienser-Klöstern Kataloniens führt. Der ''Camí dels Bons Homes'' folgt der Fluchtroute der Katharer, die aus Frankreich kommend in Katalonien Zuflucht suchten. Die zahlreichen Naturparks und Naturschutzgebiete verfügen alle über ein gut ausgebautes Netz an Wanderwegen, zu denen auch viele Fernwanderwege gehören. <br />
Hochgebirgswanderungen wie ''Carros de Foc'' im [[Nationalpark Aigüestortes i Estany de Sant Maurici]] oder ''Porta del Cel'' im Naturpark Alt Pirineu führen von Gebirgshütte zu Gebirgshütte und durchqueren dabei die reizvollsten Landschaften der National- und Naturparks. <br />
Die ganz dem nachhaltigen Naturtourismus verschriebene Route ''El Cinqué Llac'' führt durch Pyrenäenlandschaften der Region [[Pallars Sobirà]]. Doch auch in der Nähe der Metropole Barcelona gibt es inzwischen Wandermöglichkeiten, zum Beispiel den Fernwanderweg Els Tres Monts, der die drei klassischen Naturschutzgebiete [[Montseny]], ''Sant LLorenc del Munt i l´Obac'' und Montserrat miteinander verbindet. Das Wanderwegenetz Itinerannia durchzieht Zentralkatalonien und die Provinz [[Girona]]. Über den Fernwanderweg [[Camí de Ronda]] lässt sich die gesamte katalanische Küste erwandern, wobei zu berücksichtigen ist, dass Teile des Weges urban geprägt sind.<br />
<br />
=== Radfahren ===<br />
Rennrad-Fahrer finden an der Costa Brava, der Costa Barcelona und der Costa Daurada Touren, die für unterschiedlichste Fitnesslevel vom Einsteiger bis zum Profi geeignet sind. Sie führen durch abwechslungsreiche Naturlandschaften ins Landesinnere, zu bekannten Sehenswürdigkeiten oder in ursprüngliche Dörfer. <br />
5300 Kilometer Strecke sind für Mountainbiker ausgeschildert, die sich auf 265 Routen verteilen. Dazu gibt es 19 qualitätsgeprüfte Mountainbike-Zentren, die Toureninformationen, allgemeine touristische Informationen, Fahrradvermietung und Services rund ums Rad bieten. Im Terrain dieser Mountainbike-Zentren befinden sich jeweils mindestens 100 km ausgeschilderter Pisten, die leicht zu befahren sind. <br />
Mit den Grünen Wegen (Vies Verdes), Radwegen, die auf stillgelegten Eisenbahntrassen verlaufen, bietet Katalonien auch Familien und Genussradlern ein Wegenetz, das von den östlichen Pyrenäenausläufern bis zur Costa Brava und vom Ebrodelta bis zur Terra Alta unterschiedlichste Landschaften erschließt.<ref>Katalonien Tourismus: ''http://katalonien-tourismus.de/category/katalonien-bietet/natur-und-aktivtourismus/radfahren'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
=== Kulinarik ===<br />
Kataloniens Gastronomie ist weltweit anerkannt. Im Jahr 2015 wurde Gironas Spitzenrestaurant [[El Celler de Can Roca]] erneut vom Magazin Restaurant zum besten Restaurant der Welt gewählt<ref>The World's 50 Best Restaurants: ''http://www.theworlds50best.com/list/1-50-winners/El-Celler-de-Can-Roca'' (letzter Zugriff am 22. Januar 2016)</ref>, 2016 ist Katalonien Europäische Region der Gastronomie und erhält damit eine Auszeichnung, die für distinguierte Esskultur einerseits und gastronomische Nachhaltigkeit und Innovation andererseits steht.<ref>European Region of Gastronomy: ''http://europeanregionofgastronomy.org/'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
Die Hotels Gastronomics setzen auf regionale Produkte und eine ausgewogene Mischung von traditioneller und innovativer Küche. Die Collectius de Cuina sind Gastronomieverbände, innerhalb derer sich renommierte Köche und Restaurants verschiedener Regionen mit dem Ziel organisiert haben, die kulinarische Vielfalt ihrer Heimat zu schützen und zu fördern.<ref>Agencia Catalana de Turisme: ''http://www.catalunya.com/distribuidora.php?code=1.2&language=es'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
=== Weintourismus ===<br />
Katalonien blickt auf eine etwa 2500-jährige Geschichte des Weinbaus zurück. Dementsprechend stark sind Kultur und Landschaft durch die Weinbautradition geprägt. Heute gibt es für die katalanischen Weine zwölf geschützte Herkunftsbezeichnungen (DOs): DO [[Empordà]], DO [[Alella (Weinbaugebiet)|Alella]], DO [[Conca de Barberà]], DO [[Penedès]], DO [[Tarragona]], DO [[Terra Alta]], DO [[Montsant (Weinbaugebiet)|Montsant]], DO [[Priorat (Weinbaugebiet)|Priorat]], DO Coster del Segre, DO [[Pla de Bages]], DO Catalunya und [[Cava]]. <br />
In den letzten Jahren gewinnt der [[Weintourismus]] in Katalonien sehr an Fahrt, der in aller Regel Natur- und Aktivurlaub in den entsprechenden Regionen mit ausgesuchten Angeboten des Önotourismus verbindet. Zu diesen gehören Verkostungen in Bodegas und Wanderungen durch die Weinfelder ebenso wie der Besuch eines Wein-Spas. <br />
Spezielle Weinrouten führen Besucher zur (Wein-)Kultur und Landschaft der DOs Alella, Empordà, Costers del Segre, Penedès und Priorat. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl origineller Angebote kleiner Winzerbetriebe und Bodegas. Die Bedeutung des Weines für die gesamte katalanische Kultur zeigt sich auch in den sogenannten Kathedralen des Weines. Diese riesigen Weinkeller sind Paradebeispiele für die Architektur des Modernismus und eine weitere Attraktion des katalanischen Weintourismus.<ref>Katalonien Tourismus: ''http://katalonien-tourismus.de/category/katalonien-bietet/weintourismus'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
=== Sport-, Golf- und Motorradtourismus ===<br />
14 Urlaubsorte in Katalonien sind mit dem DTE-Siegel zertifiziert. Die unterschiedlichen Angebote und Leistungen werden dabei Sporttouristen besonders gerecht.<ref>Agencia Catalana de Turisme: ''http://www.catalunya.com/que-quieres-hacer/deportivo'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref> <br />
Katalonien ist auch für Golftouristen ein beliebtes Urlaubsziel. Insgesamt verfügt die Region über 36 Golfplätze, die auch den Bedürfnissen anspruchsvoller Spieler gerecht werden. Zu Kataloniens Top-Plätzen gehören das Empordà Golf Resort an der Costa Brava, das PGA Catalunya Resort, das nur 5 Minuten vom Flughafen Costa Brava-Girona entfernt liegt und der Real Club de Golf El Prat, der in unmittelbarer Nähe des Naturparks Sant Llorenç del Munt i L’Obac liegt.<ref>Agencia Catalana de Turisme: ''http://www.catalunya.com/que-quieres-hacer/golf'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
Katalonien und insbesondere die katalanischen Pyrenäen sind bei Motorradfahrern sehr beliebt. Durch die abwechslungsreichen Landschaften der katalanischen Gebirge ziehen sich kurvenreiche, wenig befahrene Straßen, die fast ausnahmslos in sehr gutem Zustand sind. Die landschaftlichen Vorzüge in Verbindung mit dem zuverlässig milden Mittelmeerklima ziehen jedes Jahr Biker aus aller Welt in die Region.<ref>Motorradtouren Katalonien: ''http://www.katalonien-netz.de/168/Katalonien-Motorradtouren.html'' (letzter Zugriff am 8. November 2015)</ref><br />
<br />
== Touristisch interessante Orte und Sehenswürdigkeiten ==<br />
'''Barcelona'''<br />
[[Datei:Sagrada Familia 02.jpg|mini|Sagrada Familia (2009)]]<br />
* Basilika [[Sagrada Família]]<br />
* [[Casa Batlló]]<br />
* [[Park Güell]]<br />
* [[Barri Gòtic]] – Gotisches Viertel<br />
* [[Santa Maria del Mar]]<br />
* [[ La Rambla (Barcelona)|La Rambla]]<br />
* [[Mercat de la Boqueria]]<br />
* [[Poble Espanyol]] – Das spanische Dorf am Montjuïc, Freilichtmuseum<br />
* L’Aquàrium – meereskundliches Museum<br />
<br />
'''Costa Brava'''<br />
[[Datei:Costa Brava 2012 091.JPG|mini|Costa Brava]]<br />
* Naturpark [[Cap de Creus]]<br />
* Naturpark [[Aiguamolls de l’Empordà]]<br />
* Naturpark Montgrí<br />
* Bucht von [[Roses]]<br />
* See von [[Banyoles]]<br />
* Die Botanischen Gärten in [[Blanes]]<br />
* Fischerdorf [[Cadaqués]]<br />
* [[Calella de Palafrugell]]<br />
* [[Girona]]<br />
* [[Pals (Girona)|Pals]] und [[Peratallada]]<br />
* Das Dalí-Dreieck – [[Portlligat]], [[Figueres]] und Púbol<br />
* Ruinen von [[Empúries]]<br />
* Benediktinerkloster [[Sant Pere de Rodes]]<br />
<br />
'''Costa Daurada'''<br />
[[Datei:Serra del Montsant, Tarragona.jpg|mini|Serra del Montsant, Tarragona]]<br />
* Naturpark [[Montsant (Gebirge)|Serra del Montsant]]<br />
* das größte Freizeit-Resort Spaniens, [[PortAventura]]<br />
* [[Calafell]]<br />
* [[Cambrils]]<br />
* [[Tarragona]]<br />
* [[Torredembarra]]<br />
* Modernismus in [[Reus]]<br />
* Zistezienserroute [[Ruta del Cister]]<br />
<br />
== Tourismusmarketing ==<br />
Das katalanische Fremdenverkehrsamt ACT (=Agencia Catalana de Turisme), gegründet 2010 von der katalanischen Regierung, ist verantwortlich für die Umsetzung der offiziellen Werbestrategien Kataloniens. Die ACT ersetzt das ursprünglich für diese Aufgaben verantwortliche Konsortium Turisme de Catalunya und widmet sich nun der Vermarktung Kataloniens als führender Tourismus-Destination. Leitkriterien ihrer Arbeit sind Qualität sowie wirtschaftliche und soziale Rentabilität. Mit der Ablösung des Konsortiums Turisme de Catalunya durch die ACT kam es zu einer Neuausrichtung der Promotion- und Werbestrategie. Sie führte zu einer verstärkten Einbeziehung des privaten Sektors, der nun auf internationaler Ebene Verantwortung und konkrete Aufgaben in der Promotion und dem Verkauf katalanischer Tourismusprodukte übernommen hat.<br />
<br />
Die ACT ist somit eine öffentliche und private Institution. Sie ist dem Ministerium für Unternehmens- und Beschäftigungsfragen unterstellt und setzt sich aus den Vertretern folgender Institutionen zusammen: Der Generalitat de Catalalunya, dem Rat der katalanischen Handelskammern, den Tourismusbüros der Provinzverwaltungen von Barcelona, Tarragona, Lleida und Girona sowie der öffentlich-privaten Marketingorganisation der katalanischen Hauptstadt, Turisme de Barcelona. Ihre finanziellen Ressourcen erhält die Tourismus-Organisation vom Ministerium für Unternehmens- und Beschäftigungsfragen, den Handelskammern, den Promotion-Organisationen der Provinzverwaltungen sowie privaten Unternehmen.<ref>Catalan Tourist Board: ''http://act.gencat.cat/act-about-us/act-about-the-catalan-tourist-board/?lang=en'' (letzter Zugriff am 22. Januar 2016)</ref><br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Constanze Alvarez: ''Ignatiusweg durch Nordspanien. Auf dem Weg zu mir.'' [http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBwQIbtChb6OHu7ODifWH_-by/_AJS/_ArG_yFd571S/161218_0000_radioReisen_radioReisen-18122016-Nordspanien.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 1:39, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/podcast-radioreisen-18122016-nordspanien-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Tourism in Catalonia|Tourismus in Katalonien}}<br />
* [http://www.katalonien-tourismus.de/ Katalonien Tourismus]<br />
* [http://www.catalunya.com/ Informationen zum Tourismus in Katalonien]<br />
* [http://act.gencat.cat/ Website der Agència Catalana de Turisme]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Tourismus]]<br />
[[Kategorie:Katalonien]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schl%C3%B6sser_der_Loire&diff=162630165Schlösser der Loire2017-02-14T08:53:54Z<p>Exploit: Änderungen von Sir Gawain (Diskussion) auf die letzte Version von Exploit zurückgesetzt</p>
<hr />
<div>[[Datei:AzeyParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|[[Schloss Azay-le-Rideau]] an der Indre]]<br />
[[Datei:RiveauCastle.jpg|thumb|upright=1.4|Ehemalige [[Burg Le Rivau]] ]]<br />
Zu den '''Schlössern der Loire''' zählen über 400 Schlossanlagen, die entlang der [[Loire]] und ihrer Nebenflüsse in den französischen Regionen [[Pays de la Loire]], [[Centre-Val de Loire]] und [[Burgund]] stehen. Das Tal der Loire ab [[Orléans]] bis zur Mündung des Flusses in den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] stellt zusammen mit den Nebentälern von [[Indre (Fluss)|Indre]] und [[Cher (Fluss)|Cher]] eines der beliebtesten Reiseziele in [[Frankreich]] dar. Hier entstand vom [[Mittelalter]] an eine einmalige Ansammlung von [[Burg]]en und [[Schloss (Architektur)|Schlössern]] aus allen Epochen der europäischen Kunstgeschichte.<br />
<br />
Im [[Miniaturpark Loireschlösser]] (französisch: Mini-Châteaux Val de Loire) in [[Amboise]] sind Modelle von 44 der bekanntesten Schlösser der Loire im Maßstab 1:25 zu sehen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Während des [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieges]], der von 1337 bis 1453 dauerte, bildete die Loire zeitweise die Grenze zwischen den von England besetzten Gebieten im Norden und dem französischen Kernland. Während dieser Zeit wurde hier ein massiver Ausbau der Burgen und Festungen betrieben, die als Bollwerke gegen die Engländer dem Schutz der Anwohner dienen sollten. Nach dem Ende des Krieges verloren die zumeist [[Gotik|gotischen]] Burganlagen ihre strategische Bedeutung, so dass einige verfielen und aufgegeben wurden. Auf den Fundamenten anderer wurden hier allerdings seit dem Beginn der [[Renaissance]] im 16. Jahrhundert die heutigen Schlösser errichtet. Wegen der Schönheit des Tales ließ sich der [[Adel]] bevorzugt an der Loire nieder, die [[Feudalismus|Feudalherren]] hielten hier Hof und herrschten von hier über ihre [[Lehnswesen|Lehen]]. Im 15. und 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der [[Loire-Könige]], trug sich hier ein Großteil der französischen Politik zu, so dass [[Paris]] zeitweise provinziellen Charakter annahm. <br />
<br />
Das Loiretal behielt seine kulturelle und politische Bedeutung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit der 1528 erfolgten Rückkehr des Hofes nach Paris begann dann der politische und kulturelle Bedeutungsverlust des Loiretals, obwohl unter dem Einfluss der aus [[Italien]] stammenden Königin [[Katharina von Medici]] hier noch einmal französische Kultur und Lebenskunst gepflegt wurden. Während der Krise der [[Hugenottenkriege]] zog sich der Hof zwar an die Loire zurück, ohne dass aber eine neue Blütezeit einsetzte. Mit dem Thronantritt [[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrichs IV.]] verlagerte sich der Mittelpunkt des politischen und kulturellen Lebens in Frankreich endgültig zurück in den Pariser Raum. Insbesondere nach dem Bau des [[Schloss Versailles|Schlosses Versailles]] zeigte sich mehr und mehr, dass die Loire-Schlösser nun in der Provinz lagen und eine große Hofhaltung des Adels hier zu aufwändig wurde. Doch wurden viele der Schlossanlagen nicht gänzlich verlassen, sondern weiterhin bewohnt und manchmal auch erweitert; so dass man heute alle Baustile von der Renaissance über das [[Barock]] und den [[Klassizismus]] bis zum [[Historismus]] antreffen kann. Viele Schlösser wurden auch als [[Jagdschloss|Jagdschlösser]] oder [[Sommerresidenz]]en weiter genutzt. <br />
<br />
Die Schlösser und Burgen liegen zum Teil nur wenige Kilometer voneinander entfernt, das Loiretal liegt in einer der schönsten Landschaften Frankreichs, ist meist recht eben und wie geschaffen zum Radfahren. Die gesamte Region ist touristisch hervorragend erschlossen.<br />
<br />
Im [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs Berry]] finden sich viele Bildnisse der Loireschlösser in ihrer Gestalt aus dem 15. Jahrhundert.<br />
<br />
[[Datei:Châteaux de la Loire - Karte.jpg|mini|750px|center|Schlösser an der Loire]]<br />
<br />
== Kulturhistorisch herausragende Bauwerke ==<br />
<br />
=== Amboise ===<br />
<br />
[[Datei:AmboiseHofseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Amboise, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Amboise]]''<br />
<br />
Das Schloss von Amboise gilt als „die Wiege der Renaissance in Frankreich“. Nach seiner Rückkehr aus den italienischen Feldzügen beschloss der junge [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl VIII.]], das Schloss im Stil der [[Renaissance]] zu verzieren und zu erweitern. Am 7. April 1498 kam er bei einem Unfall ums Leben: Er stieß sich den Kopf an einem niedrigen Türrahmen heftig an und verstarb kurz darauf an seinen Verletzungen. [[Leonardo da Vinci]] verbrachte im [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] [[Schloss Clos Lucé|Clos-Lucé]] unterhalb des Schlosses die letzten drei Jahre seines Lebens, vom Frühling 1516 bis zum 2. Mai 1519. Heute ist das Haus ein Museum, in dem man Fresken des Malers sowie Modelle nach seinen Entwürfen finden kann. <br />
<br />
In der Nähe von Amboise steht eine 40&nbsp;Meter hohe [[Pagode]] als letzter Überrest des [[Schloss Chanteloup|Schlosses Chanteloup]], das dem Herzog von [[Étienne-François de Choiseul|Choiseul]] gehörte, der Minister [[Ludwig XV.|Ludwigs des XV.]] war.<br />
<br />
=== Blois ===<br />
<br />
[[Datei:Blois LouisXII interior.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Blois, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Blois]]''<br />
<br />
Außer an Chambord baute Franz I. auch am Schloss Blois, das ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Planungs- und Arbeitsschritten errichtet wurde. Am Bau macht sich der architektonische Einfluss Italiens bemerkbar. Unter [[Schiefer]]dächern und verzierten Schornsteinen findet man eine lange [[Galerie (Architektur)|Galerie]] und zahlreiche [[Loggia|Loggien]], die mehr zum milden Klima Italiens passen als zum strengen französischen Winter des 16. Jahrhunderts. <br />
<br />
Blois hat eine besonders blutige Geschichte: Hier ließ [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich III.]] am 23. Dezember 1588 seinen Rivalen, den [[Henri I. de Lorraine, duc de Guise|Herzog von Guise]], „den Vernarbten“, ermorden. Katharina von Medici starb einige Tage später. [[Ludwig XII.]] wurde in Blois geboren. Als er König wurde, war Blois für ein paar Jahre die alleinige [[Residenz]] und damit politisches Zentrum Frankreichs. Dank aufwendiger [[Restaurierung]]en kann man heute nicht nur die prachtvolle [[Täfelung|Holzvertäfelung]], sondern auch ein ausgetüfteltes System von Geheimfächern bestaunen.<br />
<br />
=== Chambord ===<br />
<br />
[[Datei:ChambordParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Chambord, Parkansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chambord]]''<br />
<br />
Chambord ist das wohl berühmteste Schloss der Loire. Es besitzt 440 Zimmer und fast 400 Kamine. Die Fassade ist 156 Meter breit und das reich verzierte Dach ist geschmückt mit einer Vielzahl von Erkern, Türmchen und Schornsteinen. 18000 Handwerker sollen für König [[Franz I. (Frankreich)|Franz I.]] an diesem Schloss gearbeitet haben. Der Bau wurde im Jahre 1519 begonnen. Das Schloss gilt als Vorläufer von [[Schloss Versailles|Versailles]], war jedoch für Franz I. nur [[Jagdschloss]] für den [[Hofstaat]], Dekor für Empfänge und für die Prachtentfaltung eines Königs, der seine politischen und wirtschaftlichen Misserfolge mit baulichen Glanzleistungen wettmachen wollte. Vergeblich hatte der [[Haus Valois|Valois]] Franz I. die [[Kurfürst]]en bei der [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaiserwahl]] 1519 mit Unsummen zu kaufen versucht, um auf den deutschen Kaiserthron zu gelangen. Nun baute er mit "triumphalem Ungestüm" und der Hilfe italienischer Künstler ein Schloss, das nach dem Urteil seines habsburgischen Rivalen, [[Karl V. (HRR)|Karl V.]], „Inbegriff dessen war, was menschliche Kunst vermag“. Der Bau der Schlossanlage brachte den zeitweiligen Ruin der Hoffinanzen mit sich.<br />
<br />
Eine Besonderheit ist die möglicherweise von [[Leonardo da Vinci]] entworfene doppelläufige Wendeltreppe, die man auf zwei sich nirgends kreuzenden Wegen besteigen kann. Zum Schloss gehört eine Parkanlage mit einer 32&nbsp;Kilometer langen Mauer, der längsten Frankreichs, die den [[Schlosspark]] umschließt. Sechs Tore und sechs Alleen bieten Zugang zum Schloss, in dem das Wappentier Franz I., ein Feuer speiender [[Salamander]], mehr als 800 Mal zu finden ist; es wurde daher auch als „Salamanderschloss“ bezeichnet. 1947 übernahm der französische Staat die im Laufe der Jahrhunderte verfallene Anlage. Er leitete eine Restaurierung ein, die 30 Jahre dauern sollte.<br />
<br />
=== Chenonceau ===<br />
<br />
[[Datei:Schloss Chenonceau.JPG|thumb|upright=1.4|Schloss Chenonceau]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chenonceau]]''<br />
<br />
Das Schloss Chenonceau ist auf einer mehrbogigen Brücke über dem [[Cher (Fluss)|Cher]] gebaut, einem Nebenfluss der Loire, und ist umgeben von einem großen Park. Man erreicht es über eine Platanenallee aus jahrhundertealten Bäumen.<br />
<br />
Das Schloss, das auf den Fundamenten einer alten Mühle steht, war ein Geschenk König [[Heinrich II. (Frankreich)|Heinrichs II.]] an seine Geliebte [[Diana von Poitiers|Diane de Poitiers]]. Erst nach dem Tod des Königs erweiterte es seine Witwe Katharina von Medici durch eine dreistöckige Galerie auf der Brücke, die im 16. Jahrhundert unter anderem als Festsaal diente. Heute sind im Schloss viele wertvolle Gemälde von Rubens, Tintoretto und anderen Alten Meistern ausgestellt.<br />
<br />
1914 wurde die Galerie des Schlosses vorübergehend in ein Lazarett umgewandelt, in dem bis zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] über 2000 Kriegsversehrte untergebracht wurden. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war dieses Schloss für viele Menschen ein Schlupfloch vor der deutschen Besatzungsmacht: Der Haupteingang des Schlosses lag im besetzten Gebiet, die Südtür der Galerie auf der Rückseite aber öffnete sich zur freien Zone hin.<br />
<br />
== Weitere bekannte Schlösser ==<br />
<br />
=== Im Tal der Loire ===<br />
; Alphabetisch:<br />
[[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Serrant|Serrant]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]]<br />
<br />
; Dem Flusslauf folgend:<br />
[[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]], [[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Serrant|Serrant]] [[Datei:Castle Le Lude 2007 02.jpg|thumb|Schloss Le Lude]]<br />
<br />
=== Im Tal des Cher ===<br />
[[Schloss Ainay-le-Vieil|Ainay-le-Vieil]], [[Schloss Valençay|Valençay]], [[Schloss Villandry|Villandry]]<br />
<br />
=== Im Tal der Indre ===<br />
[[Schloss Azay-le-Rideau|Azay-le-Rideau]], [[Schloss Loches|Loches]], [[Schloss Ussé|Ussé]]<br />
<br />
=== Im Tal der Vienne ===<br />
[[Burg Chinon|Chinon]], <br />
[[Burg Le Rivau|Le Rivau]]<br />
[[Datei:Angers Castle Royal mansion 2007.jpg|thumb|Königlicher Wohntrakt Angers]]<br />
<br />
=== Im Tal des Loir ===<br />
[[Schloss Châteaudun|Châteaudun]], [[Schloss Le Lude|Le Lude]], [[Schloss Le Plessis-Bourré|Le Plessis-Bourré]]<br />
<br />
=== Im Tal der Maine ===<br />
[[Schloss Angers|Angers]]<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* [[Thomas Grasberger]]: ''Loireschlösser.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-NP_2bH/160313_0905_radioReisen_Schloesser-und-andere-Prachtbauten-in-Frank.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 36:03, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/frankreich-schloesser-prachtbaueten-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Commons|Châteaux de la Loire|Schlösser an der Loire}}<br />
* [http://www.chateaux-de-la-loire.fr/schloesser_der_loire.htm Portalseite für die Schlösser der Loire]<br />
* [http://www.weinbrand24.de/Fotogalerie/Loire/Frankreich-Loire.htm Eine Sammlung von Fotos, Videos und ein Reisebericht zu den Schlössern der Loire]<br />
<br />
[[Kategorie:Schloss in Frankreich|!]]<br />
[[Kategorie:Loire|~Schlosser]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schl%C3%B6sser_der_Loire&diff=162597994Schlösser der Loire2017-02-13T09:06:03Z<p>Exploit: /* Weblinks */</p>
<hr />
<div>[[Datei:AzeyParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|[[Schloss Azay-le-Rideau]] an der Indre]]<br />
[[Datei:RiveauCastle.jpg|thumb|upright=1.4|Ehemalige [[Burg Le Rivau]] ]]<br />
Zu den '''Schlössern der Loire''' zählen über 400 Schlossanlagen, die entlang der [[Loire]] und ihrer Nebenflüsse in den französischen Regionen [[Pays de la Loire]], [[Centre-Val de Loire]] und [[Burgund]] stehen. Das Tal der Loire ab [[Orléans]] bis zur Mündung des Flusses in den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]] stellt zusammen mit den Nebentälern von [[Indre (Fluss)|Indre]] und [[Cher (Fluss)|Cher]] eines der beliebtesten Reiseziele in [[Frankreich]] dar. Hier entstand vom [[Mittelalter]] an eine einmalige Ansammlung von [[Burg]]en und [[Schloss (Architektur)|Schlössern]] aus allen Epochen der europäischen Kunstgeschichte.<br />
<br />
Im [[Miniaturpark Loireschlösser]] (französisch: Mini-Châteaux Val de Loire) in [[Amboise]] sind Modelle von 44 der bekanntesten Schlösser der Loire im Maßstab 1:25 zu sehen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Während des [[Hundertjähriger Krieg|Hundertjährigen Krieges]], der von 1337 bis 1453 dauerte, bildete die Loire zeitweise die Grenze zwischen den von England besetzten Gebieten im Norden und dem französischen Kernland. Während dieser Zeit wurde hier ein massiver Ausbau der Burgen und Festungen betrieben, die als Bollwerke gegen die Engländer dem Schutz der Anwohner dienen sollten. Nach dem Ende des Krieges verloren die zumeist [[Gotik|gotischen]] Burganlagen ihre strategische Bedeutung, so dass einige verfielen und aufgegeben wurden. Auf den Fundamenten anderer wurden hier allerdings seit dem Beginn der [[Renaissance]] im 16. Jahrhundert die heutigen Schlösser errichtet. Wegen der Schönheit des Tales ließ sich der [[Adel]] bevorzugt an der Loire nieder, die [[Feudalismus|Feudalherren]] hielten hier Hof und herrschten von hier über ihre [[Lehnswesen|Lehen]]. Im 15. und 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der [[Loire-Könige]], trug sich hier ein Großteil der französischen Politik zu, so dass [[Paris]] zeitweise provinziellen Charakter annahm. <br />
<br />
Das Loiretal behielt seine kulturelle und politische Bedeutung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit der 1528 erfolgten Rückkehr des Hofes nach Paris begann dann der politische und kulturelle Bedeutungsverlust des Loiretals, obwohl unter dem Einfluss der aus [[Italien]] stammenden Königin [[Katharina von Medici]] hier noch einmal französische Kultur und Lebenskunst gepflegt wurden. Während der Krise der [[Hugenottenkriege]] zog sich der Hof zwar an die Loire zurück, ohne dass aber eine neue Blütezeit einsetzte. Mit dem Thronantritt [[Heinrich IV. (Frankreich)|Heinrichs IV.]] verlagerte sich der Mittelpunkt des politischen und kulturellen Lebens in Frankreich endgültig zurück in den Pariser Raum. Insbesondere nach dem Bau des [[Schloss Versailles|Schlosses Versailles]] zeigte sich mehr und mehr, dass die Loire-Schlösser nun in der Provinz lagen und eine große Hofhaltung des Adels hier zu aufwändig wurde. Doch wurden viele der Schlossanlagen nicht gänzlich verlassen, sondern weiterhin bewohnt und manchmal auch erweitert; so dass man heute alle Baustile von der Renaissance über das [[Barock]] und den [[Klassizismus]] bis zum [[Historismus]] antreffen kann. Viele Schlösser wurden auch als [[Jagdschloss|Jagdschlösser]] oder [[Sommerresidenz]]en weiter genutzt. <br />
<br />
Die Schlösser und Burgen liegen zum Teil nur wenige Kilometer voneinander entfernt, das Loiretal liegt in einer der schönsten Landschaften Frankreichs, ist meist recht eben und wie geschaffen zum Radfahren. Die gesamte Region ist touristisch hervorragend erschlossen.<br />
<br />
Im [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs Berry]] finden sich viele Bildnisse der Loireschlösser in ihrer Gestalt aus dem 15. Jahrhundert.<br />
<br />
[[Datei:Châteaux de la Loire - Karte.jpg|mini|750px|center|Schlösser an der Loire]]<br />
<br />
== Kulturhistorisch herausragende Bauwerke ==<br />
<br />
=== Amboise ===<br />
<br />
[[Datei:AmboiseHofseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Amboise, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Amboise]]''<br />
<br />
Das Schloss von Amboise gilt als „die Wiege der Renaissance in Frankreich“. Nach seiner Rückkehr aus den italienischen Feldzügen beschloss der junge [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl VIII.]], das Schloss im Stil der [[Renaissance]] zu verzieren und zu erweitern. Am 7. April 1498 kam er bei einem Unfall ums Leben: Er stieß sich den Kopf an einem niedrigen Türrahmen heftig an und verstarb kurz darauf an seinen Verletzungen. [[Leonardo da Vinci]] verbrachte im [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] [[Schloss Clos Lucé|Clos-Lucé]] unterhalb des Schlosses die letzten drei Jahre seines Lebens, vom Frühling 1516 bis zum 2. Mai 1519. Heute ist das Haus ein Museum, in dem man Fresken des Malers sowie Modelle nach seinen Entwürfen finden kann. <br />
<br />
In der Nähe von Amboise steht eine 40&nbsp;Meter hohe [[Pagode]] als letzter Überrest des [[Schloss Chanteloup|Schlosses Chanteloup]], das dem Herzog von [[Étienne-François de Choiseul|Choiseul]] gehörte, der Minister [[Ludwig XV.|Ludwigs des XV.]] war.<br />
<br />
=== Blois ===<br />
<br />
[[Datei:Blois LouisXII interior.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Blois, Hofansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Blois]]''<br />
<br />
Außer an Chambord baute Franz I. auch am Schloss Blois, das ab dem 13. Jahrhundert in mehreren Planungs- und Arbeitsschritten errichtet wurde. Am Bau macht sich der architektonische Einfluss Italiens bemerkbar. Unter [[Schiefer]]dächern und verzierten Schornsteinen findet man eine lange [[Galerie (Architektur)|Galerie]] und zahlreiche [[Loggia|Loggien]], die mehr zum milden Klima Italiens passen als zum strengen französischen Winter des 16. Jahrhunderts. <br />
<br />
Blois hat eine besonders blutige Geschichte: Hier ließ [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich III.]] am 23. Dezember 1588 seinen Rivalen, den [[Henri I. de Lorraine, duc de Guise|Herzog von Guise]], „den Vernarbten“, ermorden. Katharina von Medici starb einige Tage später. [[Ludwig XII.]] wurde in Blois geboren. Als er König wurde, war Blois für ein paar Jahre die alleinige [[Residenz]] und damit politisches Zentrum Frankreichs. Dank aufwendiger [[Restaurierung]]en kann man heute nicht nur die prachtvolle [[Täfelung|Holzvertäfelung]], sondern auch ein ausgetüfteltes System von Geheimfächern bestaunen.<br />
<br />
=== Chambord ===<br />
<br />
[[Datei:ChambordParkseite.jpg|thumb|upright=1.4|Schloss Chambord, Parkansicht]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chambord]]''<br />
<br />
Chambord ist das wohl berühmteste Schloss der Loire. Es besitzt 440 Zimmer und fast 400 Kamine. Die Fassade ist 156 Meter breit und das reich verzierte Dach ist geschmückt mit einer Vielzahl von Erkern, Türmchen und Schornsteinen. 18000 Handwerker sollen für König [[Franz I. (Frankreich)|Franz I.]] an diesem Schloss gearbeitet haben. Der Bau wurde im Jahre 1519 begonnen. Das Schloss gilt als Vorläufer von [[Schloss Versailles|Versailles]], war jedoch für Franz I. nur [[Jagdschloss]] für den [[Hofstaat]], Dekor für Empfänge und für die Prachtentfaltung eines Königs, der seine politischen und wirtschaftlichen Misserfolge mit baulichen Glanzleistungen wettmachen wollte. Vergeblich hatte der [[Haus Valois|Valois]] Franz I. die [[Kurfürst]]en bei der [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaiserwahl]] 1519 mit Unsummen zu kaufen versucht, um auf den deutschen Kaiserthron zu gelangen. Nun baute er mit "triumphalem Ungestüm" und der Hilfe italienischer Künstler ein Schloss, das nach dem Urteil seines habsburgischen Rivalen, [[Karl V. (HRR)|Karl V.]], „Inbegriff dessen war, was menschliche Kunst vermag“. Der Bau der Schlossanlage brachte den zeitweiligen Ruin der Hoffinanzen mit sich.<br />
<br />
Eine Besonderheit ist die möglicherweise von [[Leonardo da Vinci]] entworfene doppelläufige Wendeltreppe, die man auf zwei sich nirgends kreuzenden Wegen besteigen kann. Zum Schloss gehört eine Parkanlage mit einer 32&nbsp;Kilometer langen Mauer, der längsten Frankreichs, die den [[Schlosspark]] umschließt. Sechs Tore und sechs Alleen bieten Zugang zum Schloss, in dem das Wappentier Franz I., ein Feuer speiender [[Salamander]], mehr als 800 Mal zu finden ist; es wurde daher auch als „Salamanderschloss“ bezeichnet. 1947 übernahm der französische Staat die im Laufe der Jahrhunderte verfallene Anlage. Er leitete eine Restaurierung ein, die 30 Jahre dauern sollte.<br />
<br />
=== Chenonceau ===<br />
<br />
[[Datei:Schloss Chenonceau.JPG|thumb|upright=1.4|Schloss Chenonceau]]<br />
<br />
→ ''Hauptartikel: [[Schloss Chenonceau]]''<br />
<br />
Das Schloss Chenonceau ist auf einer mehrbogigen Brücke über dem [[Cher (Fluss)|Cher]] gebaut, einem Nebenfluss der Loire, und ist umgeben von einem großen Park. Man erreicht es über eine Platanenallee aus jahrhundertealten Bäumen.<br />
<br />
Das Schloss, das auf den Fundamenten einer alten Mühle steht, war ein Geschenk König [[Heinrich II. (Frankreich)|Heinrichs II.]] an seine Geliebte [[Diana von Poitiers|Diane de Poitiers]]. Erst nach dem Tod des Königs erweiterte es seine Witwe Katharina von Medici durch eine dreistöckige Galerie auf der Brücke, die im 16. Jahrhundert unter anderem als Festsaal diente. Heute sind im Schloss viele wertvolle Gemälde von Rubens, Tintoretto und anderen Alten Meistern ausgestellt.<br />
<br />
1914 wurde die Galerie des Schlosses vorübergehend in ein Lazarett umgewandelt, in dem bis zum Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] über 2000 Kriegsversehrte untergebracht wurden. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] war dieses Schloss für viele Menschen ein Schlupfloch vor der deutschen Besatzungsmacht: Der Haupteingang des Schlosses lag im besetzten Gebiet, die Südtür der Galerie auf der Rückseite aber öffnete sich zur freien Zone hin.<br />
<br />
== Weitere bekannte Schlösser ==<br />
<br />
=== Im Tal der Loire ===<br />
; Alphabetisch:<br />
[[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Serrant|Serrant]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]]<br />
<br />
; Dem Flusslauf folgend:<br />
[[Schloss Gien|Gien]], [[Schloss Sully-sur-Loire|Sully-sur-Loire]], [[Schloss Talcy|Talcy]], [[Schloss Beauregard|Beauregard]], [[Schloss Cheverny|Cheverny]], [[Schloss Fougères-sur-Bièvre|Fougères-sur-Bièvre]], [[Schloss Chaumont|Chaumont]], [[Schloss Luynes|Luynes]], [[Schloss Langeais|Langeais]], [[Schloss Montreuil-Bellay|Montreuil-Bellay]], [[Schloss Montsoreau|Montsoreau]], [[Schloss Saumur|Saumur]], [[Schloss Montgeoffroy|Montgeoffroy]], [[Schloss Brissac|Brissac]], [[Schloss Serrant|Serrant]] [[Datei:Castle Le Lude 2007 02.jpg|thumb|Schloss Le Lude]]<br />
<br />
=== Im Tal des Cher ===<br />
[[Schloss Ainay-le-Vieil|Ainay-le-Vieil]], [[Schloss Valençay|Valençay]], [[Schloss Villandry|Villandry]]<br />
<br />
=== Im Tal der Indre ===<br />
[[Schloss Azay-le-Rideau|Azay-le-Rideau]], [[Schloss Loches|Loches]], [[Schloss Ussé|Ussé]]<br />
<br />
=== Im Tal der Vienne ===<br />
[[Burg Chinon|Chinon]], <br />
[[Burg Le Rivau|Le Rivau]]<br />
[[Datei:Angers Castle Royal mansion 2007.jpg|thumb|Königlicher Wohntrakt Angers]]<br />
<br />
=== Im Tal des Loir ===<br />
[[Schloss Châteaudun|Châteaudun]], [[Schloss Le Lude|Le Lude]], [[Schloss Le Plessis-Bourré|Le Plessis-Bourré]]<br />
<br />
=== Im Tal der Maine ===<br />
[[Schloss Angers|Angers]]<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* [[Thomas Grasberger]]: ''Loireschlösser.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-NP_2bH/160313_0905_radioReisen_Schloesser-und-andere-Prachtbauten-in-Frank.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 36:03, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/frankreich-schloesser-prachtbaueten-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Commons|Châteaux de la Loire|Schlösser an der Loire}}<br />
* [http://www.chateaux-de-la-loire.fr/schloesser_der_loire.htm Portalseite für die Schlösser der Loire]<br />
* [http://www.weinbrand24.de/Fotogalerie/Loire/Frankreich-Loire.htm Eine Sammlung von Fotos, Videos und ein Reisebericht zu den Schlössern der Loire]<br />
<br />
[[Kategorie:Schloss in Frankreich|!]]<br />
[[Kategorie:Loire|~Schlosser]]</div>Exploithttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sainte-Marie_de_la_Tourette&diff=162597912Sainte-Marie de la Tourette2017-02-13T09:02:58Z<p>Exploit: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>[[Datei:La tourette- arq. Le Corbusier.jpg|mini|hochkant=1.6|Sainte-Marie de La Tourette]]<br />
Das '''Kloster Sainte-Marie de La Tourette''' in [[Éveux]] (neben [[L’Arbresle]]) bei [[Lyon]] wurde 1956 bis 1960 von dem bekannten Architekten [[Le Corbusier]] entworfen. Es gilt als einer der zentralen Bauten des [[Brutalismus]].<br />
<br />
== Baugeschichte ==<br />
=== Entstehung ===<br />
Das Kloster wurde für einen [[Dominikaner]]orden errichtet, der 1215 als Predigergemeinschaft gegründet wurde. Der Konvent von Éveux selbst als Ausbildungsstätte des gesamten Dominikanerordens in Frankreich entstand nach dem Krieg und war ursprünglich in einem zum Schloss ausgebauten Landgut einquartiert. <br />
<br />
Père [[Marie-Alain Couturier]], der Initiator der „Art Sacré“-Bewegung in Frankreich, empfahl dem Konvent für die Durchführung eines Neubaus Le Corbusier, den er bereits für den Kirchenbau [[Notre Dame du Haut]] in [[Ronchamp]] vermittelt hatte. Am 14. März 1953 wurde der Architektenvertrag für den Bau des „Couvent d’études“ geschlossen.<br />
<br />
Im Dezember 1954 wurde den Auftraggebern das erste Modell vorgestellt. Die Einweihung erfolgte am 19. Oktober 1960, die Bauarbeiten wurden aber erst am 1. Juni 1961 beendet. <br />
Die Baukosten beliefen sich im Oktober 1960 insgesamt auf 256,8 Millionen Francs (umgerechnet ca. 3,08 Millionen DM). Ende der sechziger Jahre wurde das Gebäude aufgrund von Nachwuchsmangel in eine Bildungsstätte umfunktioniert.<br />
<br />
=== Denkmalschutz und Weltkulturerbe ===<br />
Im Januar 2008 ließ [[Frankreich]] vierzehn Gebäude und Anlagen von [[Le Corbusier]] in die [[Tentativliste]] der [[UNESCO]] eintragen, darunter auch Sainte-Marie de la Tourette.<ref>[http://whc.unesco.org/en/tentativelists/1666/ L’œuvre architecturale et urbaine de Le Corbusier]. Eintrag in der Tentativliste der UNESCO auf deren Website, abgerufen am 10.&nbsp;April 2014 (französisch)</ref> Ein solches Vorgehen ist Voraussetzung dafür, um zu einem späteren Zeitpunkt die Anerkennung als [[UNESCO-Welterbe|Welterbestätte]] zu beantragen. In diesem Falle aber geschah dies zeitgleich: unter Federführung Frankreichs und unter Beteiligung der [[Fondation Le Corbusier]] wurden diese vierzehn und zunächst neun Werke Le Corbusiers aus sechs weiteren Ländern unter dem Titel „Das urbanistische und architektonische Werk von Le Corbusier“ (''{{frS|Œuvre urbaine et architecturale de Le Corbusier}}'') für die Aufnahme als Weltkulturerbe nominiert.<ref>[https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=17055 UNESCO-Dossier Le Corbusier in Paris unterzeichnet]. Pressemitteilung des Schweizer Bundesamts für Kultur, 30.&nbsp;Januar 2008, abgerufen am 7.&nbsp;April 2014</ref> Trotz zwischenzeitlicher Überarbeitung und Reduzierung auf 19 Objekte fand diese Kandidatur nicht die Mehrheit des [[Welterbekomitee]]s bei dessen Jahrestagung im Juni 2011.<ref>Joseph Hanimann: [http://www.sueddeutsche.de/kultur/weltkulturerbe-debatte-le-corbusier-ganz-oder-gar-nicht-1.1113726 Ganz oder gar nicht] Süddeutsche Zeitung, 29.&nbsp;Juni 2011, abgerufen am 7.&nbsp;April 2014</ref> Seit Juli 2016 dann ist das Bauwerk gemeinsam mit anderen bauten Le Corbusiers Weltkulturerbe.<br />
<br />
La Tourette steht als Baudenkmal seit 2006 unter Denkmalschutz, im Juli 2016 wurde es gemeinsam mit anderen Bauten Le Corbusiers in das [[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltkulturerbe]] aufgenommen.<br />
<br />
== Lage und Topographie ==<br />
<br />
Das Kloster der Dominikaner wurde nahe Éveux bei Lyon auf einem ins Tal abfallenden Hanggelände errichtet, das sich zum Tal öffnet. Am 28. Juli 1953 besichtigte Le Corbusier vor Planungsbeginn auf Empfehlung von Père Couturier das romanische [[Zisterzienser]]kloster [[Abtei Le Thoronet|Le Thoronet]], das aufgrund seiner Lage an einem abfallenden Hang und des damit verbundenen Niveauunterschiedes des Kreuzganges, der Arkaden und des Kirchengebäudes Vorbild für La Tourette wurde.<br />
<br />
=== Die Baukonstruktion ===<br />
La Tourette wurde als Stahlbetonskelettbau errichtet. Alle Verblendungen der Zellengeschosse, das ''[[Pan de Verre]]'' und ''[[Ondulatoire]]'' bestehen aus vorgefertigten Stahlbetonelementen. Die Fenster sind überwiegend fest verglast. Die Belüftung erfolgt durch mit Klappen verschließbare Lüftungsschlitze, sogenannten ''Aerateurs''. Die Kirchenwände bestehen aus Ortbeton, durch die Struktur der Schaltafeln gegliedert. Die Flachdächer (''Toit Jardins'') sind mit einer Erdschicht bedeckt und der natürlichen Begrünung überlassen worden.<br />
<br />
=== Disposition der Gebäude ===<br />
<br />
Das Gebäude ist in die natürliche Topographie von umgebenden Wald und Wiesen eingestellt. Mächtige Pilotis tragen die Baukörper. Das Grundschema der Vierflügelanlage bildet ein Rechteck von 66,50 Meter × 47,50 Meter. Das Kirchengebäude vervollständigt den Hauptbaukörper zu einer Vierflügelanlage. Unter den beiden Zimmergeschossen befindet sich die kreuzförmige Klosteranlage mit direkter Verbindung zur Kirche und dem Refektorium. Der in den Innenhof der Vierflügelanlage in Form eines Kreuzes angeordnete Kreuzgang führt zur Kirche aus einfachem Gussbeton ohne jeden Schmuck. Vertikale und horizontale Lichtschlitze und „Lichtkanonen“ belichten vom Scheitelpunkt der Kirche aus den Gottesdienst der Ordensleute und führen das Licht in [[Krypta|Krypten]] mit den Altären für stille Messen.<br />
In dem darunter liegenden Geschoss befinden sich die Studiensäle, und darunter die [[Refektorium|Refektorien]]. Mit dem Terrain eben die Küchen und Nebenräume.<br />
<br />
=== Raumaufteilung und Geschossgliederung ===<br />
<br />
Der Vierflügelbau wurde ausgehend von dem horizontalen Terrassendach zum Berg hin dreigeschossig und zum Tal fünfgeschossig mit unterschiedlichen Geschosshöhen konzipiert. Horizontal gliedert sich das Gebäude in fünf Fußbodenebenen mit unterschiedlichen Raumhöhen. Aus dem natürlichen abschüssigen Terrain erheben sich die freistehenden Pfeiler, die die Gebäudekörper des Klosters tragen.<br />
Die Eingangsebene (das sog. „Niveau 3“ in den Plänen) wird über die auf der Ostseite befindliche Pforte erschlossen. In diesem Geschoss befindet sich die Klosterpforte mit den Besuchszellen, die Aufenthaltsräume der Konversen und Studenten, das [[Oratorium]], die Bibliothek, drei Seminarräume, Aufenthaltsräume der Patres und der angehenden Priester sowie die Kirche. Das darunter befindliche Geschoss enthält im Westflügel den Kapitelsaal und das Refektorium mit Anrichte. Das Atrium mit Kreuzgang ist im Hof der Vierflügelanlage eingestellt und verbindet die Räume miteinander. Im Kirchenschiff befindet sich von Ost nach West: [[Beichtstuhl]], [[Hochaltar]], [[Chorgestühl]] und an der Westwand die [[Orgel]]. Südlich des Hochaltars an das längsrechteckige [[Kirchenschiff]] angebaut die [[Sakristei]] und dem Kirchenschiff auf der Nordseite vorgelagert die Krypta mit Seitenaltar. Darunter teilweise höhengleich mit dem Terrain des Hanges das in den Plänen benannte Niveau 4 und 5 mit Aufenthaltsräumen, Vorrats- und Kellerräumen, Küche, Heizung und den beiden Krypten mit Einzelaltären. Über dem Eingangsgeschoss (Niveau 3) befinden sich die beiden oberen Zellengeschosse (Niveau 2 und 1) mit je 50 Wohnzellen. Jeder Flügel eines Geschosses umfasst zwischen 15 und 21 Wohnzellen mit den dazugehörigen Sanitärräumen. Der Zellenraum entspricht einer Höhle, nur der Arbeitsplatz erhält eine glatte reflektierende Wand. Die vertikale Erschließung der Geschosse erfolgt durch die jeweils mittig der Süd-, Ost- und Nordflügel angeordneten Treppenhäuser mit zweiläufigen Podesttreppen. Entsprechend der Raumfunktion sind die [[Geschosshöhe]]n gestaffelt. Die beiden Zellengeschosse weisen eine [[Raumhöhe]] von 2,46 m auf, die Lichte Raumhöhe der Wohnzellen beträgt somit 2,26 Meter. Die Geschosshöhe des Eingangsgeschosses mit Pforte (Niveau 3) beträgt 4,06 Meter und das darunter liegende Geschoss (Niveau 4) staffelt sich je nach Hanggefälle und Funktion von 4,52 bis 5,81 Meter Geschosshöhe.<br />
<br />
=== Ansichten und Dächer ===<br />
<br />
Der Zugang zum Kloster ist auf der Ostseite. Das Portal in den Abmessungen von 2,26 Meter x 2,26 Meter ist Ausgangspunkt der ''Promenade Architecturale''. Die Geschosshöhen des Gebäudes variieren entsprechend ihrer Funktion. Das Kirchenschiff ist eingeschossig und schließt annähernd mit der Dachfläche der anderen Baukörper ab. Nur der Glockenturm überragt die Gebäude. Iannis Xenakis ließ die Fassade in rohem Beton ausführen, entschied sich bei einigen Füllungen zum Einweißen mit Kalk. Die Süd-, West- und Ostfassade wird durch die Waben der Wohnzellen und den nach dem Prinzip des ''Ondulatoire'' gestalteten Fassaden der Gemeinschaftsräume gebildet. Im Klosterhof bestehen die Fenster aus großen vom Boden bis zur Decke reichenden verglasten Betonrahmen. Zur Belüftung der Räume sind vertikale Luftschlitze mit drehbaren Metallfenstern ausgestattet. <br />
<br />
Die zu den Wohnzellen führenden Korridore werden durch horizontale Schlitze unter der Decke [[Belichtung (Architektur)|belichtet]]. Die Dächer des Klosters sind mit einer Erdschicht bedeckt, die für Isolation gegen Feuchtigkeit und zum Ausgleich von Temperaturschwankungen sorgt.<br />
<br />
=== Die Kirche ===<br />
<br />
Die Kirche ist ein voluminöser längsrechteckiger Kubus aus [[Ortbeton]], „béton brut“ und hereinbrechendem Licht. Zunächst war ein riesiger Schallreflektor, der den Gesang der Mönche ins Tal übertragen sollte, geplant. Später wurde ein Turm mit Glocken als Symbol des Klanges und des Namens La Tourette (das Türmchen) zunächst mit acht, später vier Glocken geplant und zuletzt mit nur einer ausgeführt. Die Orgel, zunächst von den Mönchen vergessen, wird erst später in die Planung des Kirchenraumes einbezogen. Die [[Krypta]] als Raum für die einzelne, einsame Zelebration der Mönche wurde bestimmt durch das Dunkel. Mittels der „Les Canons de Lumière“ scheint gebündeltes Licht durch die Decke in die Sakristei.<br />
<br />
=== Die Entwicklung der Promenade Architecturale ===<br />
<br />
Iannis Xenakis wurde als Mitarbeiter von Le Corbusier mit der Projektleitung des Baus und dem Entwurf der vertikalen Fensterteilungen der Hauptfassaden und des Kreuzgangs betraut. Im ältesten Plan ist eine einfache Rampe inmitten des Kreuzganges eingestellt, später verschmelzen Kreuzgang und Rampe zu einem Rampenkreuz, welches die Flügel des Konvents verbindet. Parallel zum Kreuz verbindet eine zweite Rampe vom Portal aus den Eingang direkt mit allen Geschossen und dem Dachgarten. Das Eingangstor wird mit 2,26 Meter im Quadrat Ausgangspunkt aller Raummaße. Im Laufe des Weges vom Eingang zu den Schulungsräumen verändern sich die Gangbreiten. Der Gang gliedert sich in Raumabschnitte mit unterschiedlichen Breiten von 2,96 Meter, 1,83 Meter und verjüngt sich bis nur noch ein Mönch alleine gehen kann zum Nadelöhr mit 1,13 Meter Breite. Die vertikalen steilen Treppenhäuser stehen im Kontrast zu dem Verlauf des Kreuzganges.<br />
<br />
== Radiobeitrag ==<br />
* Moritz Holfelder: ''La Tourette Le Corbusier.'' [http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-ZS/9-NP_2bH/160313_0905_radioReisen_Schloesser-und-andere-Prachtbauten-in-Frank.mp3 Mitschnitt eines Beitrags in der Sendung radioReisen auf Bayern 2] ab Minute 25:09, [http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/frankreich-schloesser-prachtbaueten-100.html Sendungsinfos]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Le Corbusier, Hans de Soeten, Thijs Edelkoort: ''La Tourette'', Delft University Press, 1985<br />
* S. Ferroet: ''Le Couvent de la Tourette de Le Corbusier – Monographie du Directeur Scientifique'', <!-- [Was bedeutet das:] chercheurs : C. Heck, C. Kebloal, P. Rotié, C. Simonet, --> 1985<br />
* [[Alfred Werner Maurer]]: ''«La promenade architectural» – Architektur als Raum von Bewegungsabläufen der Liturgie im Klosterbau La Tourette'', Nizza 2006<br />
* Henze / Moosbrugger: ''La Tourette, Le Corbusiers erster Klosterbau'', 1963<br />
* Francois Biot, Francoise Perrot (Her.): ''Le Corbusier et L’architecture sacrée, Sainte Marie de la Tourette Eveux'', Lyon 1985<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{commonscat|Couvent Sainte-Marie de La Tourette}}<br />
* [http://www.couventdelatourette.fr/ www.couventdelatourette.fr]<br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references/><br />
{{Coordinate |NS=45/49/9.92/N |EW=4/37/20.77/E |type=landmark |region=FR}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bauwerk von Le Corbusier]]<br />
[[Kategorie:Kloster (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Dominikanerkloster]]<br />
[[Kategorie:Kloster in Auvergne-Rhône-Alpes]]<br />
[[Kategorie:Erbaut in den 1950er Jahren]]<br />
[[Kategorie:Weltkulturerbe in Frankreich]]</div>Exploit