https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=ExecWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-05-04T14:04:08ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.44.0-wmf.27https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rechtsufrige_Ukraine&diff=218743238Rechtsufrige Ukraine2022-01-03T10:54:26Z<p>Exec: Änderung 218743180 von Exec rückgängig gemacht;</p>
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<div>[[Datei:Ukraine-Pravoberezzhya.png|mini|Rechtsufrige Ukraine]]<br />
'''Rechtsufrige Ukraine''' ({{UkS|Правобережна Україна}}, {{PlS|Ukraina Prawobrzeżna}}, {{RuS|Правобережная Украина}}) ist der historische Name des rechts (westlich) des [[Dnepr]]s gelegenen Teils der [[Ukraine]], der nach dem Abschluss des Waffenstillstands mit dem [[Zarentum Russland]] 1667 im Gegensatz zur [[Linksufrige Ukraine|Linksufrigen Ukraine]] (mit Ausnahme eines Gebietsstreifens vor [[Kiew]]) bis zur [[Teilungen Polens|Zweiten Teilung Polens 1793]] bei [[Polen-Litauen]] verblieb.<br />
<br />
Die politische Spaltung des ukrainischen [[Hetmanat]]s entstand im Verlauf des [[Russisch-Polnischer Krieg 1654–1667|Russisch-Polnischen Krieges 1654–1667]] und des damit einhergehenden innerukrainischen Konflikts, der als „die Zeit des Ruins“ bezeichnet wird. Nachdem sich Hetman [[Jurij Chmelnyzkyj]] wie bereits sein Vorgänger [[Iwan Wyhowskyj]] mit den Polen gegen Russland verbündete, verweigerten ihm die linksufrigen Regimente die Gefolgschaft und wählten fortan ihren eigenen Hetman, der am [[Vertrag von Perejaslaw]] mit Russland festhielt. Diese Teilung wurde 1667 durch den russisch-polnischen [[Vertrag von Andrussowo]] offiziell besiegelt.<br />
<br />
Nach dem [[Vertrag von Buczacz]] 1672 wurde der südliche Teil der Rechtsufrigen Ukraine, [[Podolien]], ein Bestandteil des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reiches]], fiel dann aber im [[Frieden von Karlowitz|Vertrag von Karlowitz]] 1699 zurück an [[Polen-Litauen]]. Die polnische Herrschaft war durch religiöse und soziale Diskriminierung sowie wirtschaftliche Ausbeutung der [[Ukrainer]] durch den reichen [[Magnat|Landadel]]<ref>Weite Teile des Adels auf dem Gebiet der Ukraine waren ursprünglich dynastischer Hochadel (Nachkommen des Rurik) ukrainisch-ruthenischer Herkunft.</ref> gekennzeichnet, die sich immer wieder in Aufständen gegen die Ausbeutung durch das System der [[Leibeigenschaft]] erhoben, insbesondere in den Jahren 1702, 1734, 1750 und 1768. Die Aufständischen gingen als [[Hajdamaken]] in die Geschichte ein. Der blutige [[Kolijiwschtschyna-Aufstand]] von 1768 wurde mit Unterstützung [[Kaiserlich Russische Armee|russischer Truppen]] unterdrückt, nachdem in Zentralpolen zuvor der Adelsaufstand der [[Konföderation von Bar]] gegen den prorussischen König [[Stanislaus Poniatowski]] ausgebrochen war.<br />
<br />
1793 wurde die Rechtsufrige Ukraine im Zuge der [[Teilungen Polens|Dritten Teilung Polens]] dem [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]] angeschlossen. Die Leibeigenschaft in Russland wurde erst 1861 abgeschafft.<br />
<br />
== Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Orest Subtelny; Ukraine History; University of Toronto Press; 2000. ISBN 0-8020-8390-0.<br />
<br />
[[Kategorie:Ukrainische Geschichte]]<br />
[[Kategorie:Historisches Gebiet (Europa)]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rechtsufrige_Ukraine&diff=218743180Rechtsufrige Ukraine2022-01-03T10:52:22Z<p>Exec: Irgendwas ist falsch, jedenfalls ist Podolien auf dem "linken" Ufer...</p>
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<div>[[Datei:Ukraine-Pravoberezzhya.png|mini|Rechtsufrige Ukraine]]<br />
'''Rechtsufrige Ukraine''' ({{UkS|Правобережна Україна}}, {{PlS|Ukraina Prawobrzeżna}}, {{RuS|Правобережная Украина}}) ist der historische Name des rechts (westlich) des [[Dnepr]]s gelegenen Teils der [[Ukraine]], der nach dem Abschluss des Waffenstillstands mit dem [[Zarentum Russland]] 1667 im Gegensatz zur [[Linksufrige Ukraine|Linksufrigen Ukraine]] (mit Ausnahme eines Gebietsstreifens vor [[Kiew]]) bis zur [[Teilungen Polens|Zweiten Teilung Polens 1793]] bei [[Polen-Litauen]] verblieb.<br />
<br />
Die politische Spaltung des ukrainischen [[Hetmanat]]s entstand im Verlauf des [[Russisch-Polnischer Krieg 1654–1667|Russisch-Polnischen Krieges 1654–1667]] und des damit einhergehenden innerukrainischen Konflikts, der als „die Zeit des Ruins“ bezeichnet wird. Nachdem sich Hetman [[Jurij Chmelnyzkyj]] wie bereits sein Vorgänger [[Iwan Wyhowskyj]] mit den Polen gegen Russland verbündete, verweigerten ihm die linksufrigen Regimente die Gefolgschaft und wählten fortan ihren eigenen Hetman, der am [[Vertrag von Perejaslaw]] mit Russland festhielt. Diese Teilung wurde 1667 durch den russisch-polnischen [[Vertrag von Andrussowo]] offiziell besiegelt.<br />
<br />
Nach dem [[Vertrag von Buczacz]] 1672 wurde der südliche Teil der Linksufrigen Ukraine, [[Podolien]], ein Bestandteil des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reiches]], fiel dann aber im [[Frieden von Karlowitz|Vertrag von Karlowitz]] 1699 zurück an [[Polen-Litauen]]. Die polnische Herrschaft war durch religiöse und soziale Diskriminierung sowie wirtschaftliche Ausbeutung der [[Ukrainer]] durch den reichen [[Magnat|Landadel]]<ref>Weite Teile des Adels auf dem Gebiet der Ukraine waren ursprünglich dynastischer Hochadel (Nachkommen des Rurik) ukrainisch-ruthenischer Herkunft.</ref> gekennzeichnet, die sich immer wieder in Aufständen gegen die Ausbeutung durch das System der [[Leibeigenschaft]] erhoben, insbesondere in den Jahren 1702, 1734, 1750 und 1768. Die Aufständischen gingen als [[Hajdamaken]] in die Geschichte ein. Der blutige [[Kolijiwschtschyna-Aufstand]] von 1768 wurde mit Unterstützung [[Kaiserlich Russische Armee|russischer Truppen]] unterdrückt, nachdem in Zentralpolen zuvor der Adelsaufstand der [[Konföderation von Bar]] gegen den prorussischen König [[Stanislaus Poniatowski]] ausgebrochen war.<br />
<br />
1793 wurde die Rechtsufrige Ukraine im Zuge der [[Teilungen Polens|Dritten Teilung Polens]] dem [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]] angeschlossen. Die Leibeigenschaft in Russland wurde erst 1861 abgeschafft.<br />
<br />
== Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Orest Subtelny; Ukraine History; University of Toronto Press; 2000. ISBN 0-8020-8390-0.<br />
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[[Kategorie:Ukrainische Geschichte]]<br />
[[Kategorie:Historisches Gebiet (Europa)]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Virtueller_Globus&diff=216197170Diskussion:Virtueller Globus2021-10-07T20:38:38Z<p>Exec: /* Link führt zu Erotikseite */</p>
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Liebe Editoren,<br />
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: Erledigt, danke für den Hinweis. --[[Benutzer:Rknbg|Rknbg]] ([[Benutzer Diskussion:Rknbg|Diskussion]]) 22:28, 5. Jun. 2019 (CEST)<br />
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== Fachquelle ==<br />
<br />
Liebe Editoren,<br />
An bei eine Fachquelle die Story bereits 2007 zusammenfassend darstellt:<br />
<br />
Schweikart, Pieper, Schulte (2009): Virtuelle Globen – Entwicklungsgeschichte und Perspektiven. – in: Kartographische Nachrichten 03/09, 2009, 59. Jahrgang. Kirschbaum Verlag, Bonn. S.129-136. ISSN 0022-9164.<br />
<br />
"2.1 Entwicklungsgeschichte der virtuellen Globen<br />
Als Al Gore 1998 seine berühmte DigitalEarth-Rede hielt, wurden bereits die ersten Ansätze dieser Technologie in einer Software mit dem Namen TerraVision verwendet. Das Berliner Unternehmen Art+Com hat 1993 den Vorläufer aller Planetenbrowser entwickelt. BERKOM (Berliner Kommunikationssystem), ein Projekt der Deutschen Bundespost zur Entwicklung von Diensten und Anwendungen, war auf der Suche nach anspruchsvollen, datenübertragungsintensiven Applikationen an Art+Com herangetreten. Ende 1994 wurde der Prototyp der Software mit dem Namen TerraVision, der seine Daten noch über ein lokales Netzwerk bezog, auf der ITU-Konferenz (International Telecommunications Union) in Kyoto vorgestellt (Wilk, 2005). Art+Com demonstrierte als erstes Unternehmen die Machbarkeit eines digitalen, in Echtzeit durchfliegbaren Modells der Erde. Es arbeitete schon damals mit Luft- und Satellitenbildern auf einem topographischen Gittermodell, die als Kacheln in unterschiedlichen Auflösungen vorlagen und maßstabsabhängig aus einer Datenbank geladen werden konnten. Ab 1996 wurden die Daten über Breitbandnetze bezogen. Das erste Modell diente der Deutschen Telekom als Werbung für das Breitbandnetz, z. B. bei der interaktiven Live - präsentation auf der CeBit 1995 und beim eigenen Börsengang 1996. Es verfügte über komplexe 3D-Modelle der Berliner Innenstadt und Manhattans, und über viele zusätzliche Layer zum Klima, zur Ozonschicht oder zum Magnet- und Gravitationsfeld. Zuletzt wurde TerraVision eingesetzt, um die Expo 2000 in Hannover zu planen und war zur Weltausstellung mit einem 3D-Modell, inklusive aller Pavillons, zu sehen. TerraVision nutzte Performer, eine Graphikbibliothek von Silicon Graphics (SGI), die Art+Com 1994 der PerformerGruppe von SGI präsentierte, die damals von Michael T. Jones, dem späteren Google- Earth-Geschäftsführer, geleitet wurde. Das Produkt stieß auf große fachliche Begeisterung. Wirtschaftliches Interesse bestand allerdings nicht. Pavel Mayer von Art+Com spricht in einem Interview davon, dass Jones ihm später erzählte, diese Präsentation hätte ihn dazu inspiriert, etwas Ähnliches zu machen. Im Jahr 1998 gründete Jones die Firma Intrinsic Graphics, die eine Softwarebibliothek ähnlich der von Performer entwickelte, sowie eine Demo für diese Bibliothek, die wiederum TerraVision ähnelte. Intrinsic war kein Erfolg, die Präsentation hingegen begeisterte neue Investoren, die Firma Keyhole zu gründen, mit dem Ziel, die Demo weiterzuentwickeln und gewinnbringend einzusetzen (Mayer, 2007). Auf der 5. Afrikanischen GIS-Konferenz in Nairobi im Jahr 2001 stellte Keyhole seinen im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) entwickelten virtuellen 3D-Globus Earthviewer vor (Foresman, 2004). Die Google-Gründer begeisterten sich dafür und beschlossen Keyhole zu übernehmen. Google benannte Keyholes Software Earthviewer kurzerhand in Google Earth um<br />
und entwickelte es unter Leitung von Michael T. Jones weiter. Der Öffentlichkeit wurde Earthviewer 3.0 als Betaversion unter dem Namen Google Earth 3.0 im Juni 2005 zugänglich gemacht."<br />
--[[Benutzer:Exec|Exec]] ([[Benutzer Diskussion:Exec|Diskussion]]) 22:38, 7. Okt. 2021 (CEST)</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Virtueller_Globus&diff=216197164Diskussion:Virtueller Globus2021-10-07T20:38:17Z<p>Exec: </p>
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Liebe Editoren,<br />
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: Erledigt, danke für den Hinweis. --[[Benutzer:Rknbg|Rknbg]] ([[Benutzer Diskussion:Rknbg|Diskussion]]) 22:28, 5. Jun. 2019 (CEST)<br />
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Liebe Editoren,<br />
An bei eine Fachquelle die Story bereits 2007 zusammenfassend darstellt:<br />
<br />
Schweikart, Pieper, Schulte (2009): Virtuelle Globen – Entwicklungsgeschichte und Perspektiven. – in: Kartographische Nachrichten 03/09, 2009, 59. Jahrgang. Kirschbaum Verlag, Bonn. S.129-136. ISSN 0022-9164.<br />
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"2.1 Entwicklungsgeschichte der virtuellen Globen<br />
Als Al Gore 1998 seine berühmte DigitalEarth-Rede hielt, wurden bereits die ersten Ansätze dieser Technologie in einer Software mit dem Namen TerraVision verwendet. Das Berliner Unternehmen Art+Com hat 1993 den Vorläufer aller Planetenbrowser entwickelt. BERKOM (Berliner Kommunikationssystem), ein Projekt der Deutschen Bundespost zur Entwicklung von Diensten und Anwendungen, war auf der Suche nach anspruchsvollen, datenübertragungsintensiven Applikationen an Art+Com herangetreten. Ende 1994 wurde der Prototyp der Software mit dem Namen TerraVision, der seine Daten noch über ein lokales Netzwerk bezog, auf der ITU-Konferenz (International Telecommunications Union) in Kyoto vorgestellt (Wilk, 2005). Art+Com demonstrierte als erstes Unternehmen die Machbarkeit eines digitalen, in Echtzeit durchfliegbaren Modells der Erde. Es arbeitete schon damals mit Luft- und Satellitenbildern auf einem topographischen Gittermodell, die als Kacheln in unterschiedlichen Auflösungen vorlagen und maßstabsabhängig aus einer Datenbank geladen werden konnten. Ab 1996 wurden die Daten über Breitbandnetze bezogen. Das erste Modell diente der Deutschen Telekom als Werbung für das Breitbandnetz, z. B. bei der interaktiven Live - präsentation auf der CeBit 1995 und beim eigenen Börsengang 1996. Es verfügte über komplexe 3D-Modelle der Berliner Innenstadt und Manhattans, und über viele zusätzliche Layer zum Klima, zur Ozonschicht oder zum Magnet- und Gravitationsfeld. Zuletzt wurde TerraVision eingesetzt, um die Expo 2000 in Hannover zu planen und war zur Weltausstellung mit einem 3D-Modell, inklusive aller Pavillons, zu sehen. TerraVision nutzte Performer, eine Graphikbibliothek von Silicon Graphics (SGI), die Art+Com 1994 der PerformerGruppe von SGI präsentierte, die damals von Michael T. Jones, dem späteren Google- Earth-Geschäftsführer, geleitet wurde. Das Produkt stieß auf große fachliche Begeisterung. Wirtschaftliches Interesse bestand allerdings nicht. Pavel Mayer von Art+Com spricht in einem Interview davon, dass Jones ihm später erzählte, diese Präsentation hätte ihn dazu inspiriert, etwas Ähnliches zu machen. Im Jahr 1998 gründete Jones die Firma Intrinsic Graphics, die eine Softwarebibliothek ähnlich der von Performer entwickelte, sowie eine Demo für diese Bibliothek, die wiederum TerraVision ähnelte. Intrinsic war kein Erfolg, die Präsentation hingegen begeisterte neue Investoren, die Firma Keyhole zu gründen, mit dem Ziel, die Demo weiterzuentwickeln und gewinnbringend einzusetzen (Mayer, 2007). Auf der 5. Afrikanischen GIS-Konferenz in Nairobi im Jahr 2001 stellte Keyhole seinen im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) entwickelten virtuellen 3D-Globus Earthviewer vor (Foresman, 2004). Die Google-Gründer begeisterten sich dafür und beschlossen Keyhole zu übernehmen. Google benannte Keyholes Software Earthviewer kurzerhand in Google Earth um<br />
und entwickelte es unter Leitung von Michael T. Jones weiter. Der Öffentlichkeit wurde Earthviewer 3.0 als Betaversion unter dem Namen Google Earth 3.0 im Juni 2005 zugänglich gemacht."<br />
--[[Benutzer:Exec|Exec]] ([[Benutzer Diskussion:Exec|Diskussion]]) 22:38, 7. Okt. 2021 (CEST)</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:The_Billion_Dollar_Code&diff=216197149Diskussion:The Billion Dollar Code2021-10-07T20:37:36Z<p>Exec: AZ: Die Seite wurde neu angelegt: An bei eine Fachquelle die Story bereits 2007 zusammenfassend darstellt: Schweikart, Pieper, Schulte (2009): Virtuelle Globen – Entwicklungsgeschichte und Perspektiven. – in: Kartographische Nachrichten 03/09, 2009, 59. Jahrgang. Kirschbaum Verlag, Bonn. S.129-136. ISSN 0022-9164. "2.1 Entwicklungsgeschichte der virtuellen Globen Als Al Gore 1998 seine berühmte DigitalEarth-Rede hielt, wurden…</p>
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<div>An bei eine Fachquelle die Story bereits 2007 zusammenfassend darstellt:<br />
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Schweikart, Pieper, Schulte (2009): Virtuelle Globen – Entwicklungsgeschichte und Perspektiven. – in: Kartographische Nachrichten 03/09, 2009, 59. Jahrgang. Kirschbaum Verlag, Bonn. S.129-136. ISSN 0022-9164.<br />
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"2.1 Entwicklungsgeschichte der virtuellen Globen<br />
Als Al Gore 1998 seine berühmte DigitalEarth-Rede hielt, wurden bereits die ersten Ansätze dieser Technologie in einer Software mit dem Namen TerraVision verwendet. Das Berliner Unternehmen Art+Com hat 1993 den Vorläufer aller Planetenbrowser entwickelt. BERKOM (Berliner Kommunikationssystem), ein Projekt der Deutschen Bundespost zur Entwicklung von Diensten und Anwendungen, war auf der Suche nach anspruchsvollen, datenübertragungsintensiven Applikationen an Art+Com herangetreten. Ende 1994 wurde der Prototyp der Software mit dem Namen TerraVision, der seine Daten noch über ein lokales Netzwerk bezog, auf der ITU-Konferenz (International Telecommunications Union) in Kyoto vorgestellt (Wilk, 2005). Art+Com demonstrierte als erstes Unternehmen die Machbarkeit eines digitalen, in Echtzeit durchfliegbaren Modells der Erde. Es arbeitete schon damals mit Luft- und Satellitenbildern auf einem topographischen Gittermodell, die als Kacheln in unterschiedlichen Auflösungen vorlagen und maßstabsabhängig aus einer Datenbank geladen werden konnten. Ab 1996 wurden die Daten über Breitbandnetze bezogen. Das erste Modell diente der Deutschen Telekom als Werbung für das Breitbandnetz, z. B. bei der interaktiven Live - präsentation auf der CeBit 1995 und beim eigenen Börsengang 1996. Es verfügte über komplexe 3D-Modelle der Berliner Innenstadt und Manhattans, und über viele zusätzliche Layer zum Klima, zur Ozonschicht oder zum Magnet- und Gravitationsfeld. Zuletzt wurde TerraVision eingesetzt, um die Expo 2000 in Hannover zu planen und war zur Weltausstellung mit einem 3D-Modell, inklusive aller Pavillons, zu sehen. TerraVision nutzte Performer, eine Graphikbibliothek von Silicon Graphics (SGI), die Art+Com 1994 der PerformerGruppe von SGI präsentierte, die damals von Michael T. Jones, dem späteren Google- Earth-Geschäftsführer, geleitet wurde. Das Produkt stieß auf große fachliche Begeisterung. Wirtschaftliches Interesse bestand allerdings nicht. Pavel Mayer von Art+Com spricht in einem Interview davon, dass Jones ihm später erzählte, diese Präsentation hätte ihn dazu inspiriert, etwas Ähnliches zu machen. Im Jahr 1998 gründete Jones die Firma Intrinsic Graphics, die eine Softwarebibliothek ähnlich der von Performer entwickelte, sowie eine Demo für diese Bibliothek, die wiederum TerraVision ähnelte. Intrinsic war kein Erfolg, die Präsentation hingegen begeisterte neue Investoren, die Firma Keyhole zu gründen, mit dem Ziel, die Demo weiterzuentwickeln und gewinnbringend einzusetzen (Mayer, 2007). Auf der 5. Afrikanischen GIS-Konferenz in Nairobi im Jahr 2001 stellte Keyhole seinen im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) entwickelten virtuellen 3D-Globus Earthviewer vor (Foresman, 2004). Die Google-Gründer begeisterten sich dafür und beschlossen Keyhole zu übernehmen. Google benannte Keyholes Software Earthviewer kurzerhand in Google Earth um<br />
und entwickelte es unter Leitung von Michael T. Jones weiter. Der Öffentlichkeit wurde Earthviewer 3.0 als Betaversion unter dem Namen Google Earth 3.0 im Juni 2005 zugänglich gemacht."<br />
--[[Benutzer:Exec|Exec]] ([[Benutzer Diskussion:Exec|Diskussion]]) 22:37, 7. Okt. 2021 (CEST)</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NS-Staat&diff=208189641NS-Staat2021-01-29T01:53:06Z<p>Exec: /* Länder des „Altreichs“ */ Länder treten nur parallel/ebengleich zu Reichsgauen und nicht zu Parteigauen auf.</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsorganisation, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu den Aufstiegsbedingungen der Nationalsozialisten ab 1918 und zu weiteren Merkmalen der NS-Diktatur siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]]; zu den mit staatlichen Zuständigkeiten rivalisierenden Parteigliederungen siehe [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| class="wikitable float-right toptextcells" style="width:340px; font-size:95%; margin-top:0;"<br />
! colspan="2" style="font-size:1.2em"| Deutsches Reich<br /><small>1933–1943</small><br />Großdeutsches Reich<br /><small>1943–1945</small><br />
|-<br />
|colspan="2"|<br />
{|<br />
|-<br />
|style="width:50%"| [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|zentriert|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| [[Datei:Reichsadler Deutsches Reich (1935–1945).svg|150px|zentriert|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|- style="text-align:center;"<br />
| [[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge]]<br /><small>(ab 1935)</small><br />
| [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945)|Wappen]]<br /><small>(ab 1935)</small><br />
|}<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|colspan="2"|<br />
{| class="center"<br />
|style="width:33%; text-align:left; font-size:1.2em;"| [[Weimarer Republik|←]] [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />[[Ständestaat (Österreich)|←]] [[Datei:State flag of Austria (1934–1938).svg|20px|rand|verweis=Erste Republik Österreich]]<br />
| '''Navigation'''<br />
|style="width:33%; text-align:right; font-size:1.2em;"| [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] [[Deutschland 1945 bis 1949|→]]<br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] [[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]<br />
|}<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Verfassung]]'''<br />
| Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 [[de jure/de facto|de facto]] außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Amtssprache]]'''<br />
| [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| [[Berlin]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsform]]'''<br />
| [[Republik]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| [[Diktatur]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br />bis 1934<br />1934 bis 1945<br />1945<br />
| [[Reichspräsident]]<br />[[Paul von Hindenburg]]<br />[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])<br />[[Karl Dönitz]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Regierungschef]]'''<br />1933 bis 1945<br />
1945<br />1945<br />
| [[Reichskanzler]]<br />Adolf Hitler<br />
[[Joseph Goebbels]]<br />[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Lutz Schwerin von Krosigk]] (als Leitender Reichsminister)<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />1939<br />1940/41<br />
|<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich.'' Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus.'' Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />1938<br />
|<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Währung]]'''<br />
| [[Reichsmark]], [[Rentenmark]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| ''[[Das Lied der Deutschen]]'' (erste Strophe)<br />und [[Horst-Wessel-Lied]] ''(de facto)''<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Zeitzone]]'''<br />
| [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
! colspan="2"| Karte<br />
|-<br />
|colspan="2"| [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Als '''NS-Staat''' (kurz für ''nationalsozialistischer Staat'') wird das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] bzw. das sogenannte [[#Großdeutsches Reich|Großdeutsche Reich]] für die [[Zeit des Nationalsozialismus]] (1933–1945) bezeichnet, in dem die [[Diktatur]] [[Adolf Hitler]]s, die von der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP) gestützt wurde, an die Stelle der demokratisch verfassten [[Weimarer Republik]] getreten war.<br />
<br />
Dieser Staat war geprägt von einem absoluten Herrschaftsanspruch über das Individuum, einem radikalen [[Antisemitismus]], einem ausgreifenden [[Nationalsozialismus#Führerkult und Führerstaat|Führerkult]] und zunehmendem [[Staatsterror#Deutsches Reich|Staatsterror]]. Die Errichtung der Diktatur begann unmittelbar nach der [[Machtergreifung|Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933]]: Mit der [[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]] vom 28. Februar 1933 und dem [[Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933]] wurden wesentliche Teile der [[Weimarer Reichsverfassung]] dauerhaft suspendiert, darunter die [[Gewaltenteilung]], die parlamentarische Kontrolle der Regierung sowie [[Grundrechte (Deutschland)|grundlegende Bürgerrechte]]. Der [[Ausnahmezustand#Weimarer Republik|Ausnahmezustand]] blieb bis zum Ende des NS-Staates bestehen.<br />
<br />
Innerhalb weniger Monate schuf das NS-Regime durch die [[Gleichschaltung]] von Politik und Gesellschaft einen [[Zentralstaat|zentralistischen Staat]] nach der Ideologie des [[Nationalsozialismus]]. Die [[Gewerkschaft]]en und alle politischen Parteien außer der NSDAP wurden verboten. An die Stelle der früheren Staatsordnung mit ihren klar abgegrenzten Machtbefugnissen trat ein rivalisierendes Nebeneinander sich überschneidender Kompetenzen des Staates und der NSDAP, eine [[Polykratie]], in der Hitler stets die letzte Entscheidungsgewalt in Anspruch nahm. Mit Hilfe der [[Geheime Staatspolizei|Geheimen Staatspolizei]] (Gestapo) und Parteiorganisationen wie [[Sturmabteilung|SA]] und [[Schutzstaffel|SS]] verwandelte das Regime den [[Rechtsstaat]] in einen [[Polizeistaat]] mit [[Konzentrationslager|Konzentrations-]] und später auch [[Vernichtungslager]]n. [[Holocaust]] und [[Porajmos]] – die systematischen [[Genozid]]e an [[Juden]] sowie [[Sinti und Roma]] –, die Verfolgung und Ermordung [[Opposition (Politik)|Oppositioneller]], [[Andersdenkender]], [[Behinderung|Behinderter]] und [[Homosexualität im Dritten Reich|Homosexueller]] wie auch die [[Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus|NS-Krankenmorde]] forderten mehrere Millionen Menschenleben.<br />
<br />
Als Hitler 1934 zusätzlich das Amt des Reichspräsidenten übernahm, fiel ihm auch das [[Ernennung|Beamtenernennungsrecht]] zu, das er sich für das höhere [[Beamtentum]] persönlich vorbehielt. Bereits unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung hatte sich das Regime vom Prinzip des nur dem Gemeinwohl verpflichteten, unpolitischen Beamten abgewandt. Neben der fachlichen Qualifikation mussten Anwärter auf ein Amt nun auch ihre politische Zuverlässigkeit im Sinne des Nationalsozialismus nachweisen. In Feldern, die ihm besonders wichtig waren, setzte der Diktator [[Staatskommissar]]e ein, die allen Regierungs- und Verwaltungsstellen übergeordnet waren. Mit der Übernahme der Befehlsgewalt über die [[Wehrmacht]] 1938 sicherte Hitler sich auch die unmittelbare Führung des Militärs.<br />
<br />
Der NS-Staat ging in dem von ihm selbst ausgelösten [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] unter. Die [[Anti-Hitler-Koalition]] zwang die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 zur [[Bedingungslose Kapitulation|bedingungslosen Kapitulation]]. Am 5. Juni 1945 übernahmen die Siegermächte [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Sowjetunion]] und [[Frankreich]] auch formell die [[Regierungsgewalt]] in [[Deutschland]].<br />
<br />
In der politikwissenschaftlichen und historischen Forschung wurde und wird der NS-Staat unter anderem als [[Faschismus|faschistisch]], [[Totalitarismus|totalitär]], [[Polykratie|polykratisch]], [[Absolutismus|absolutistisch]], [[Modernisierung (Soziologie)|modernisierend]], als [[charismatische Herrschaft]] und als Gefälligkeitsdiktatur beschrieben.<br />
<br />
== Leitvorstellungen nationalsozialistischer Staatsorganisation ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:Reichsparteitag 1935 Großer Appell 28-1121M original.jpg|mini|Massenaufmärsche wie beim [[Reichsparteitag]] der NSDAP 1935 waren sichtbarer Ausdruck der NS-Ideologie und der Idee des formierten Staates.]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Bewegung. Ziel war es, die Demokratie durch die Diktatur der NSDAP als einziger Partei – beziehungsweise durch die ihres Führers – und die grundsätzlich offene, bürgerliche Gesellschaft durch eine rassistisch definierte [[Volksgemeinschaft]] zu ersetzen.<br />
<br />
Um den Staat im Sinne des [[Führerprinzip]]s und einer spezifischen Vorstellung von Volksgemeinschaft umzugestalten, galt es, die individuellen [[Bürgerrecht]]e und die institutionalisierte [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits sowie [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits zu beseitigen. Eine „starke Zentralgewalt des Reiches“ gehörte bereits zum [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920.<br />
<br />
Nach innen sollte die Idee der [[Volksgemeinschaft]] Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien trat die persönliche, durch „[[Führereid]]e“ zu bekräftigende Verpflichtung. Zentraler Bestandteil der NS-Ideologie war der völkische [[Antisemitismus]] und [[Rassismus]]. [[Juden]], aber auch [[Sinti und Roma]] sowie weitere als „nicht-[[Arier|arisch]]“ definierte Bevölkerungsgruppen, konnten demnach nicht Teil der Volksgemeinschaft sein.<br />
<br />
{{Siehe auch|Verfassungsgesetze des Deutschen Reichs 1933–1945}}<br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Um [[Demokratie]] und [[Pluralismus (Politik)|Pluralismus]] zu beseitigen und die Diktatur zu errichten, leitete die Regierung Hitler gleich zu Beginn Maßnahmen ein, die auf die Ausschaltung konkurrierender Machtzentren in Reich, Ländern und Kommunen abzielten und das gesamte staatliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Ideologie des Nationalsozialismus unterordnen sollten. Dieser Prozess der Gleichschaltung betraf neben staatlichen Institutionen auch alle bedeutenden Organisationen, Verbände und [[Politische Partei|politischen Parteien]]. Sie wurden entweder verboten oder ideologisch und organisatorisch auf die Linie der NS-Partei gebracht.<br />
<br />
Die ersten Gleichschaltungsmaßnahmen waren mit der sogenannten [[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat|Reichstagsbrandverordnung]] vom 28. Februar 1933 und dem [[Ermächtigungsgesetz]] vom 24. März 1933 [[Legitimation (Politikwissenschaft)|legitimiert]], die die Weimarer Verfassung de facto aufhoben: Wesentlichen Prinzipien wie die [[Grundrechte]], Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle der Regierung durch das Parlament wurden dadurch beseitigt.<ref>Michael Hensle: ''Reichstagsbrandverordnung''. In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] und [[Hermann Graml]] (Hrsg.): ''[[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]]''. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 697; Hellmuth Auerbach: ''Ermächtigungsgesetz.'' In: ebenda, S. 449; [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949.'' C.H. Beck, München 2003, S. 605–608; Alexander von Brüneck: ''Ernst Fraenkel (1898–1975)''. In: [[Peter Häberle]], Michael Kilian und Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.): ''Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Deutschland – Österreich – Schweiz.'' Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2015, S. 532.</ref><br />
<br />
Zunächst wurden die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik aufgehoben. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem [[Süddeutschland]]s – und die Senate der [[Hansestadt|Hansestädte]] aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch rückten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nach. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, ''Reichsstatthalter'' mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter fast überall Hitlers Vorschlägen aus alten Gefolgsleuten und NSDAP-Gauleitern.<br />
<br />
Mit der Verfolgung der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] ab dem 28. Februar infolge des [[Reichstagsbrand]]s, dem Verbot der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem ''[[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]]'' noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt. Um jeder möglichen Opposition die Möglichkeit zu nehmen, sich zu organisieren, zerschlug das NS-Regime am 10. Mai 1933 auch alle [[Gewerkschaft]]en, beschlagnahmte ihr Vermögen und schaffte das Streikrecht ab. Alle Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände wurden zwangsweise in der [[Deutsche Arbeitsfront|Deutschen Arbeitsfront]] (DAF) zusammengeschlossen, die seit 1934 der NSDAP unterstand.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer [[Zweidrittelmehrheit]] zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder ihre staatliche Souveränität, so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Die in der NS-Ideologie proklamierte „Einheit von Volk und Staat“ führte zur Aufhebung der [[Gewaltenteilung]]; die obersten Regierungsämter erhielten sowohl legislative wie exekutive und judikative [[Zuständigkeit|Kompetenzen]]. Als das [[Führerprinzip]] in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam wurde, ergab sich einerseits eine Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits ihre oft wildwüchsige Vermehrung.<br />
<br />
Die Überschneidung von Aufgaben zentralisierter und neugeschaffener Staatsbehörden sowie oberster Parteiämter mündete in eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oftmals durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
{{Hauptartikel|Reichskanzlei}}<br />
<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs'' vom 1.&nbsp;August 1934, nachträglich durch eine [[Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs|Volksabstimmung]] legitimiert, übernahm Hitler Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn. 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die Reichskanzlei in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden]]'', auch unter dem Namen ''Kleine Reichskanzlei'' bekannt, errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und bei der Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von [[Philipp Bouhler]] geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder [[Albert Bormann]] tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße in Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Die im [[Kabinett Hitler]] fortbestehende [[Reichsregierung]] bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers war sie hauptsächlich damit beschäftigt, Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen. Hitler hielt jedoch nur bis zur Konsolidierung seiner Machtstellung und -funktionen regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das Kabinett nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Regierungschef delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, wurden Minister zunehmend zu Befehlsempfängern. Hitler regierte unmittelbar mit Verordnungen. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach dem Tod Hitlers bildete der frühere [[Reichsfinanzministerium|Reichsfinanzminister]] [[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk]] im Auftrag von Großadmiral [[Karl Dönitz]], den Hitler zu seinem Nachfolger als [[Reichspräsident]] bestimmt hatte, eine [[Geschäftsführende Reichsregierung|geschäftsführende Regierung]]. Sie versuchte, Verhandlungen mit den Alliierten über eine Verwaltung Deutschlands aufzunehmen, wurde aber von diesen am 23. Mai 1945 abgesetzt und verhaftet.<br />
Bis zur Übernahme der obersten Staatsgewalt in Deutschland durch Großbritannien, die USA, die Sowjetunion und Frankreich, die am 5. Juni 1945 in der [[Berliner Erklärung (Alliierte)|Berliner Erklärung]] und in begleitenden Deklarationen verkündet wurde,<ref>Daniel-Erasmus Khan, ''Die deutschen Staatsgrenzen'', 2004, S. 95.</ref> existierte keine zentrale Regierung Deutschlands mehr. Der [[Alliierter Kontrollrat|Alliierte Kontrollrat]], der diese Funktion übernehmen sollte, verfügte über keine eigene Exekutive und war für die Umsetzung seiner Beschlüsse auf die [[Militärregierung]]en in den Besatzungszonen angewiesen.<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]]]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''[[Reichsjägermeister]]s'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau]]<br />
* die Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau (Reichsorganisationsleiter der NSDAP, [[Robert Ley]], ernannt am 15. November 1940)<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] ([[Chef der Sicherheitspolizei und des SD]]; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Beamtenschaft zu Zeiten der Weimarer Republik stammte noch aus der Kaiserzeit und blieb antidemokratisch eingestellt. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, obwohl das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
<br />
Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
<br />
Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Deutsche Juden|Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
<br />
Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung und nicht vorrangig aufgrund politischer Linientreue besetzt. NSDAP-Mitglieder blieben in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, zum Beispiel im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium. So ließ das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen, um sie erst nach der Machtkonsolidierung in weiten Bereichen zu entmachten. Unter anderem schuf man eine Vielzahl neuer Reichsbehörden, um bestehende Verwaltungseinrichtungen zu „überwölben“. Infolgedessen kam es nach 1933 zu widersprüchlichen, mitunter lähmenden Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref> Diese [[Polykratie]], das heißt, die Konkurrenz unterschiedlicher Institutionen mit sich teilweise überschneidenden Kompetenzen, widersprach zwar der eigenen Ideologie eines [[Starker Staat|starken Staates]], weil sie dessen Handeln oft ineffizient machte, aber sie war durchaus gewollt, da konkurrierende Machtebenen die letztgültige Entscheidung stets dem Diktator an der Spitze überlassen mussten.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949'', Beck, München 2003, S. 623–635.</ref><br />
<br />
Auf der Führungsebene wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26.&nbsp;Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von [[Weltanschauung#Der Begriff in der nationalsozialistischen Propaganda|nationalsozialistischer Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
<br />
In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zusätzlich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation von Hitler ergebenen und zugleich fachkompetenten NS-Spitzenbeamten durch.<br />
<br />
Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''[[Reichskommissar#Zeit des Nationalsozialismus|Reichskommissar für das preußische Innenministerium]]'' ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke [[Hilfspolizei]] auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zur [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.&nbsp;ä. auf, was vielfach auf fruchtbaren Boden fiel. Die breite Denunziationsbereitschaft der Bevölkerung stellte daher die wichtigste Quelle von Informationen der Gestapo dar, die dann durch so genannte „verschärfte Verhöre“, also [[Folter]] von Verdächtigen, erweitert wurden.<ref>[[Klaus-Michael Mallmann]] und [[Gerhard Paul (Historiker)|Gerhard Paul]]: ''Gestapo – Mythos und Realität.'' In: [[Bernd Florath]] (Hrsg.): ''Die Ohnmacht der Allmächtigen. Geheimdienste und politische Polizei in der modernen Gesellschaft.'' Ch. Links, Berlin 1992, S. 106 f.</ref> Weil die Bevölkerung des NS-Staates mehrheitlich die Ziele Hitlers teilte, spricht man in der Forschung von einer „Selbstüberwachung“.<ref>[[Robert Gellately]]: ''Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Zur Entstehungsgeschichte einer selbstüberwachenden Gesellschaft.'' In: [[Detlef Schmiechen-Ackermann]] (Hrsg.): ''Anpassung – Verweigerung – Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich''. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1997, S. 118 ([https://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publikationen/schriften/PDFs_fuer_Download Anpassung_Verweigerung_Widerstand_Schriften_der_GDW_1997.pdf online], Zugriff am 4. Mai 2019); Detlef Schmiechen-Ackermann: ''Der „Blockwart“. Die unteren Parteifunktionäre im nationalsozialistischen Terror- und Überwachungsapparat.'' In: ''[[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte]]'' 48 (2000), S. 578 ([https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2000_4_1_schmiechen-ackermann.pdf online], Zugriff am 4. Mai 2019); Gerhard Paul: ''Private Konfliktregulierung, gesellschaftliche Selbstüberwachung, politische Teilhabe? Neuere Forschungen zur Denunziation im Dritten Reich''. In: ''[[Archiv für Sozialgeschichte]]'' 42 (2002), S. 380–402.</ref><br />
<br />
Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die [[Politische Polizei]] und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Per [[Erlass über die Einsetzung eines Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern|Erlass vom 17. Juni 1936]] wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Polizei (Deutschland)#Polizei im Nationalsozialismus 1933–1945|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Funktion bestand darin, einerseits die dem Chef der Polizei, andererseits die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
<br />
Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später unter [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Sicherheitspolizei (Nationalsozialismus)|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie an der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
<br />
In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
<br />
{{Siehe auch|Organisationsstruktur der SS|SS-Hauptämter}}<br />
<br />
=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]] (1934)]]<br />
<br />
Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen Bürgerrechte unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
<br />
Diesen Vorstellungen entsprechend verstießen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes gegen grundlegende Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
<br />
Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde dadurch zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung sollte die Loyalität der Absolventen gegenüber dem Führerstaat gewährleisten: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
<br />
Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und des [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
<br />
Neben dem traditionellen Gerichtswesen wurde für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
<br />
Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten [[Erbgesundheitsgericht]]e angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Endgültig entscheidendes Rechtsmittelgericht war das bei den [[Oberlandesgericht]]en zu bildende Erbgesundheitsobergericht. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
<br />
Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
<br />
Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
<br />
[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile des Sondergerichts Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
<br />
Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', Ibidem-Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die [[Rechtsprechung]] zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
<br />
In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
<br />
Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den Versailler Vertrag begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die Reichswehr. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Streitkräfte persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 % der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen Oberbefehl über das neugebildete [[Oberkommando der Wehrmacht]] (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war in der Spitzengliederung wie folgt besetzt:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht – Chef: [[Wilhelm Keitel]] (1938–1945)<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]] – Chef: [[Alfred Jodl]] (1938–1945)<br />
** Amtsgruppe ''Allgemeines Wehrmachtamt'' – Chef: [[Hermann Reinecke]] (1939–1945)<br />
** [[Abwehr (Nachrichtendienst)|Amtsgruppe Ausland/Abwehr]]<br />
** ''Wehrmacht-Zentralabteilung''<br />
** ''Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt''<br />
** ''Justizdienststelle beim Chef OKW''<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|Reichsparteitag 1938, „Tag der Wehrmacht“: der Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium [[Erhard Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder und der Befehlshaber im Wehrkreis XIII/Nürnberg [[Maximilian von Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Die bereits zuvor bestehenden Oberkommandos der Teilstreitkräfte waren dem OKW weisungsgebunden, wahrten aber mit ihren angeschlossenen Stäben eine teilweise Selbständigkeit. Die Oberbefehlshaber und deren Stabschefs waren:<br />
{| class="toptextcells"<br />
|-<br />
! [[Oberkommando des Heeres]]<br />
! [[Oberkommando der Marine]]<br />
! [[Oberkommando der Luftwaffe]]<br />
|-<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber des Heeres:<br />
** [[Werner von Fritsch]] (1934–1938)<br />
** [[Walther von Brauchitsch]] (1938–1941)<br />
** Adolf Hitler (1941–1945)<br />
* Chef des Generalstabs des Heeres:<br />
** [[Ludwig Beck (General)|Ludwig Beck]] (1935–1938)<br />
** [[Franz Halder]] (1938–1942)<br />
** [[Kurt Zeitzler]] (1942–1944)<br />
** [[Heinz Guderian]] (1944–1945)<br />
** [[Hans Krebs (Offizier)|Hans Krebs]] (1945)<br />
** [[Alfred Jodl]] (1945)<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber der Kriegsmarine:<br />
** [[Erich Raeder]] (1935–1943)<br />
** [[Karl Dönitz]] (1943–1945)<br />
** [[Hans-Georg von Friedeburg]] (1945)<br />
* Chef des Stabes der Seekriegsleitung:<br />
** [[Günther Guse]] (1937–1938)<br />
** [[Otto Schniewind (Admiral)|Otto Schniewind]] (1938–1941)<br />
** [[Kurt Fricke]] (1941–1943)<br />
** [[Wilhelm Meisel]] (1943–1945)<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber der Luftwaffe:<br />
** [[Hermann Göring]] (1935–1945)<br />
** [[Robert Ritter von Greim]] (1945)<br />
* Chef des Generalstabs der Luftwaffe:<br />
** [[Walther Wever (General)|Walther Wever]] (1935–1936)<br />
** [[Albert Kesselring]] (1936–1937)<br />
** [[Hans-Jürgen Stumpff]] (1937–1939)<br />
** [[Hans Jeschonnek]] (1939–1943)<br />
** [[Günther Korten]] (1943–1944)<br />
** [[Werner Kreipe]] (1944)<br />
** [[Karl Koller (General)|Karl Koller]] (1944–1945)<br />
|}<br />
<br />
Auf die Einrichtung des OKW folgten der Anschluss Österreichs und des [[Sudetenkrise|Sudetenlandes]] (1938), die Einverleibung der [[Zerschlagung der Rest-Tschechei|„Rest-Tschechei“]] (1939) und schließlich die Entfesselung des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] durch den [[Überfall auf Polen]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Verbrechen der Wehrmacht}}<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem Ersten Weltkrieg (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] (RAD) und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene“ Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Territorium ==<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|mini|hochkant=1.5|Großdeutsches Reich (Länder und Reichsgaue), Juli 1944]]<br />
[[Datei:NS administrative Gliederung 1944.png|mini|hochkant=1.5|Verwaltungsgliederung des Großdeutschen Reiches (1. März 1944)]]<br />
[[Datei:KarteDesGrossdeutschenReichesJan1944.png|mini|hochkant=1.5|Verwaltungskarte (1. Januar 1944)]]<br />
<br />
Das 1871 gegründete Kaiserreich war ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus 22 [[Konstitutionelle Monarchie|monarchischen]] Staaten, drei [[republik]]anischen [[Stadtstaat]]en und dem [[Reichsland Elsaß-Lothringen]] gewesen. Seit der Zeit der Weimarer Republik bestand das Deutsche Reich aus [[Weimarer Republik#Territoriale Gliederung|18 Ländern]]. Der NS-Staat behielt die Gliederung in Länder zwar bei, reduzierte deren Aufgaben jedoch auf die ausführender [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Reichsministerien und -behörden. Den Ministerpräsidenten der Länder wurden [[Reichsstatthalter]] übergeordnet. Neben die Länder traten die [[Gau#Gaue als Bezirke der NSDAP|Gaue der NSDAP]] als konkurrierende Einheiten.<br />
<br />
Der [[Freistaat Preußen]] blieb auch in der NS-Zeit das größte Land des Reiches. Seine Verwaltungsstrukturen waren aber schon 1932 durch den ''Preußenschlag'' der Regierung Papen stark geschwächt worden. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren seine zentralen Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber denen der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Liste der Provinzen Preußens|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der Reichsstatthalter von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen [[Kompetenz (Organisation)|Befugnisse]] an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Weitere Länder mit eigenem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg in der Zeit des Nationalsozialismus|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
* [[Lübeck]] (1937 Preußen angegliedert) und [[Land Mecklenburg|Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
<br />
=== Vergrößerung des Reichsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
Es umfasste ferner das [[Protektorat Böhmen und Mähren]] und die eroberten [[Chef der Zivilverwaltung|CdZ]]-Gebiete als „Gebiete des Großdeutschen Reiches“. Nach Auskunft des Generalgouverneurs [[Hans Frank]] hatte Hitler wohl schon im Herbst 1939 beschlossen, auch das [[Generalgouvernement]], in welchem er ein Landarbeiterreservat für das Reich sah, zu einem Teil des Großdeutschen Reiches zu machen. Allerdings, so vermutet der Historiker [[Martin Broszat]], wollte Hitler den Rechtsstatus zugleich ungeklärt lassen, um das Generalgouvernement außerhalb völkerrechtlicher und reichsrechtlicher Verbindlichkeiten zu belassen. Hitler akzeptierte im Sommer 1940 die von Frank entwickelte Theorie vom „[[Nebenland]] des Reiches“. Bei der amtlichen Bezeichnung des Generalgouvernements wurde zwar der Zusatz „für die besetzten polnischen Gebiete“ fortgelassen. Aber das Generalgouvernement erhielt nicht den Status eines Protektorats, sondern wurde „ein zum Zwecke möglichst rechtsunverbindlicher Herrschaft ad-hoc konstruiertes reichs-exterritoriales deutsches ‚Nebenland‘ ohne Staatseigenschaft mit staatenlosen Einwohnern polnischer [[Volkszugehörigkeit]].“<ref>[[Martin Broszat]]: ''Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945'', Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961, S.&nbsp;68–70, zit. S. 70.</ref> Nach dem polnischen Historiker [[Tomasz Szarota]] zeigt sich in den von Frank zitierten Äußerungen Hitlers eine „Tendenz zur [[Annexion|Annektierung]] [[expressis verbis]]“,<ref>Tomasz Szarota: ''Polen unter deutscher Besatzung, 1939–1941: Vergleichende Betrachtungen.'' In: [[Bernd Wegner (Historiker)|Bernd Wegner]] (Hrsg.): ''Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum „Unternehmen Barbarossa“.'' Piper, München 1991, S. 42&nbsp;f.</ref> gleichwohl unter dem Aspekt der völkerrechtlichen Angliederung durch das Deutsche Reich „schon am Vorliegen einer wirklichen Inkorporationshandlung einige Zweifel bestehen“.<ref>Oliver Dörr: ''Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession'', Duncker & Humblot, Berlin 1995, [https://books.google.de/books?id=5M3qDW4mJW8C&pg=PA344 S.&nbsp;344&nbsp;f.]</ref> Wie im NS-System üblich, fand die nationalsozialistische Staatsrechts- und Völkerrechtslehre keine Begriffe, um das neue Gebilde Generalgouvernement zu beschreiben. So lässt sich dessen staatsrechtliche Stellung, so [[Diemut Majer]], „nur vom Faktischen unter Berücksichtigung der politischen Zielsetzung erklären“. Hierbei zeigt sich, dass das Generalgouvernement „trotz der weitgehenden Verwaltungs- und Rechtssetzungsautonomie grundsätzlich als Bestandteil des Reiches, als ''Reichsgebiet'', betrachtet wurde“. In der Praxis wurden allerdings zahlreiche Ausnahmen gemacht, wenn sich dadurch eine sonderrechtliche Behandlung „Fremdvölkischer“ besser durchsetzen ließ.<ref>Diemut Majer: ''„Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements'' (=&nbsp;''Schriften des [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchivs]]'', Bd. 28), Harald Boldt, Boppard am Rhein 1981, S. 473, 475.</ref> Zugleich war das Generalgouvernement dazu bestimmt, die „erste [[Kolonie]] des Reiches“ zu werden, was sich in einer „Politik der ökonomischen Ausbeutung, der kulturellen Niederhaltung der Polen und der Vernichtung ihrer Intelligenz“ niederschlug.<ref>Diemut Majer, ''„Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements'', H. Boldt, Boppard am Rhein 1981, S.&nbsp;461.</ref><br />
<br />
==== Vor Kriegsbeginn eingegliedert ====<br />
* Das nach dem Ersten Weltkrieg unter französischer Verwaltung stehende [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im Versailler Vertrag gesetzten Frist und einer [[Saarabstimmung|Volksabstimmung]] am 1. März 1935 als „Saarland“ ins Reich eingegliedert.<br />
* Der „[[Anschluss Österreichs|Anschluss]]“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der Wehrmacht am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Durch politische Erpressung oder mit militärischer Drohung wurde die [[Abtretung (Völkerrecht)|Abtretung]] einiger Gebiete erzwungen:<br />
* Die [[Erste Tschechoslowakische Republik|Tschechoslowakei]] musste die [[Sudetenland|sudetendeutschen Gebiete]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland|Memelgebiet]] wurde nach einem [[Deutsches Ultimatum an Litauen|deutschen Ultimatum an Litauen]] im deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 an Deutschland abgetreten.<ref>[[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich.'' Band 2: ''Diktatur''. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006, S. 832 f.</ref><br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Slowakischer Staat|Slowakei]] musste sich von der [[Tschecho-Slowakische Republik|Tschecho-Slowakischen Republik]] unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 wurde dem ''Protektorat Böhmen und Mähren'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors zugebilligt; es galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen [[Hoheitsgebiet]]es [[völkerrecht]]lich unwirksam.<br />
<br />
==== Im Verlauf des Krieges eingegliedert ====<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
<br />
Das deutsche Reichsgebiet wurde nach dem [[Überfall auf Polen|Polenfeldzug]] vom Herbst 1939 über die Rückgliederung der im [[Friedensvertrag von Versailles]] an [[Zweite Polnische Republik|Polen]] abgetretenen Gebiete hinaus erweitert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]] wurde Ostpreußen zugeschlagen;<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) und damit das gesamte Industrierevier kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des in den nationalsozialistischen Machtbereich gelangten polnischen Staatsgebietes wurden als „[[Generalgouvernement|Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete]]“ mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet und im Zuge des [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|deutsch-sowjetischen Krieges]] eingegliedert.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten wurden, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200&nbsp;km nach Osten.<br />
<br />
==== Besetztes Staatsgebiet unter deutscher Zivilverwaltung ====<br />
Viele von deutschen Streitkräften besetzte Staaten konnten eigene Regierungen behalten, wie es die [[Haager Landkriegsordnung]] vorsieht, aber nicht alle. Nach dem [[Westfeldzug]] 1940 wurden in einigen besetzten Gebieten zivile Behörden eingerichtet, die einem „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) unterstanden, der seinerseits deutschen Reichsstellen verantwortlich war.<br />
* [[Eupen-Malmedy]], das 1919 an Belgien abgetreten worden war, wurde sofort annektiert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/articles/te63/gr211/vi252/eu322 ''1940: Raum um Eupen-Malmedy vom Deutschen Reich annektiert.''] In: ''GR-Atlas'', [[Université du Luxembourg]].</ref><br />
Weitere Gebiete im Westen wurden de facto dem deutschen Staat eingegliedert, aber in keinem Fall formell annektiert.<ref>[[Daniel-Erasmus Khan]]: ''Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen'', Mohr Siebeck, Tübingen 2004 (''Jus Publicum'', Bd. 114), ISBN 3-16-148403-7, [https://books.google.de/books?id=V01T5VI4nZ4C&pg=PA94 S. 94], [https://books.google.de/books?id=V01T5VI4nZ4C&pg=PA518 518 f., Anm. 25].</ref> Sie wurden von den [[Gauleiter]]n der angrenzenden Reichsgebiete mitverwaltet:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]],<br />
* [[Elsass]],<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
In ihnen wurde eine „Eindeutschungspolitik“ betrieben.<br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug (1941)|Balkanfeldzug]] 1941 wurde das [[Königreich Jugoslawien]] in drei Separatstaaten (Kroatien, Serbien, Montenegro) aufgeteilt. Zwei Drittel von [[Slowenien]] wurden unter die CdZ-Verwaltung des [[Kärnten|Kärntner]] Gauleiters gestellt und de facto eingegliedert:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]];<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 wurden weitere Gebiete einer deutschen Zivilverwaltung unterstellt:<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]]<br />
<br />
==== Besetztes Staatsgebiet unter Kriegsrecht ====<br />
Deutschland [[Okkupation|okkupierte]] 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] und [[Benito Mussolini]] richtete in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] (RSI) als [[Italienischer Faschismus|faschistischen]] [[Satellitenstaat]] ein. In diesem abhängigen Staat und im italienisch besetzten Jugoslawien wurden zwei Gebiete eingenommen, in denen die Wehrmacht, die unter die [[HSSPF|Führung der SS]] des Reichsgebiets gestellte Polizei und eine deutsch-italienische Zivilverwaltung die Macht ausübten:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
Diese Operationszonen, deren Grenzen sich nicht an Staatsgrenzen orientierten, sondern an militärischen Erfordernissen, wurden durch die SS-Herrschaft und die Zivilverwaltung vom italienisch regierten Territorium getrennt, das weiterhin formell unter der Souveränität der RSI verblieb. In ihnen wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Zugleich wurde eine deutsch-italienische Zivilverwaltung aufgebaut, die sogenannten „zivilen Beratern“ mit der offiziellen Bezeichnung ''Oberster Kommissar'' unterstellt war. Die Befugnisse der Obersten Kommissare beruhten nicht auf der niedergelegten Führeranordnung und weiteren [[Führererlass|Befehlen]], sondern aus den persönlichen Weisungen Hitlers an die Leiter der benachbarten Reichsgaue [[Reichsgau Tirol-Vorarlberg|Tirol-Vorarlberg]] und [[Reichsgau Kärnten|Kärnten]] [[Franz Hofer (Gauleiter)|Franz Hofer]] und [[Friedrich Rainer]]. Deren Zuständigkeit erstreckte sich auch auf den 1941 von Italien besetzten Teil Sloweniens. Diese persönlichen Vollmachten bedingten eine grundsätzliche Rechtsunsicherheit der Bevölkerung in den Gebieten der Zivilverwaltung.<ref>[[Michael Wedekind]]: ''Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“'', Oldenbourg, München 2003, S. 75–82.</ref><br />
<!--=== Staatsangehörigkeit der Bevölkerung eingegliederter Gebiete ===<br />
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurden österreichische zu deutschen Staatsangehörigen, auch wenn sie [[Tschechen|Angehörige tschechischer Nationalität]] waren. Ausgenommen waren nur Juden nach Maßgabe der [[Nürnberger Rassegesetze]], die verschärft auf die „Ostmark“ übertragen wurden. Davon abgesehen handelte es sich um eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit, die sich auf territoriale Kriterien stützte und „Altreichsdeutsche“ mit ehemaligen österreichischen Staatsangehörigen gleichstellte. Diese Politik änderte sich 1939 und wurde schon bei der Eingliederung des Sudetenlandes wirksam. Nicht mehr der Wohnsitz, sondern die [[deutsche Volkszugehörigkeit]] wurde zum entscheidenden Kriterium dafür, wer zum Reichsbürger werden konnte. Damit wurden politisch-kulturelle Kriterien ausschlaggebend. Mit dem „Ausschluss artfremdem Blutes“ von der deutschen Volkszugehörigkeit kamen weitere rassistische Kriterien hinzu. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht stand im Dienst der nationalsozialistischen Umsiedlungspolitk, die eine ethnische Entmischung der eingegliederten Gebiete beabsichtigte.<ref>[[Dieter Gosewinkel]]: ''Einbürgern und Ausschließen. Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland'', Göttingen 2011, ISBN 978-3-647-35165-0, S. 401 ff.</ref><br />
--><br />
<br />
=== Gebiete ohne Autonomie im deutschen Herrschaftsbereich ===<br />
Dem Reich angegliedert, aber nicht annektiert, waren auch zwei riesige „Reichsprovinzen“ unter deutscher Zivilverwaltung, die Reichskommissariate [[Reichskommissariat Ostland|Ostland]] (baltische Staaten und Weißrussland) und [[Reichskommissariat Ukraine|Ukraine]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Heim ins Reich}}<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Wie weit das NS-Regime seine Eroberungsziele steckte, ist in der Forschung umstritten. [[Eberhard Jäckel]] argumentiert in Anlehnung an [[Hugh Trevor-Roper]], Hitler habe im Wesentlichen [[Lebensraum im Osten]] erobern wollen, das heißt im europäischen Russland.<ref>Eberhard Jäckel: ''Hitlers Weltanschauung''. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1981, S. 93 u.&nbsp;ö.</ref> Der unter der Ägide des Reichsführers SS [[Heinrich Himmler]] bis 1942 erstellte [[Generalplan Ost]] sah bereits ein neues Bodenrecht und in einem auf 25 Jahre angelegten Plan eine Besiedlung des eroberten Gebiets mit vier Millionen „[[Germanen|germanischstämmigen]]“ Siedlern im „[[Ingermanland]]“ um [[Leningrad]], im „[[Gotengau]]“ auf der [[Krim]] und im Gebiet um [[Cherson]] sowie im Einzugsbereich der Flüsse [[Memel]] und [[Narew]] vor.<ref>[[Wolfgang Benz]]: '' Generalplan Ost.'' In: derselbe, [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 485 f.</ref><br />
<br />
Dieser „kontinentalistischen“ Interpretation der nationalsozialistischen Eroberungspläne, der sich unter anderem [[Hans-Adolf Jacobsen]] und [[Dietrich Aigner]] anschlossen,<ref>[[Marie-Luise Recker]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches''. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-70123-4, S. 57 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> wurde von verschiedener Seite widersprochen. So entfaltete das nationalsozialistische Deutschland verschiedenste [[Deutscher Kolonialismus in der Zeit des Nationalsozialismus|Aktivitäten zur Wiedergewinnung von Kolonien]], namentlich in [[Afrika]].<ref>Karsten Linne: ''Deutschland jenseits des Äquators? NS-Kolonialplanungen für Afrika.'' Ch. Links, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-500-3.</ref> Wie ernst diese Überlegungen waren, ist in der Forschung ebenfalls umstritten. Durch das Bündnis mit Japan verzichtete das Deutsche Reich auf die ostasiatischen Kolonien der [[Reichskommissariat Niederlande|besetzten Niederlande]] und Frankreichs. Die bereits ab 1941 eingeschränkte Ambition zur Wiedergewinnung eines [[Deutsch-Mittelafrika#Zweiter Weltkrieg|Kolonialreichs in Afrika]] wurde Anfang 1943 eingestellt.<ref>Winfried Speitkamp: ''Deutsche Kolonialgeschichte.'' Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-15-017047-2, S. 172.</ref> Auch mit Blick auf diese Afrikapläne argumentieren viele Historiker, Hitler habe letztlich die [[Weltherrschaft]] angestrebt.<ref>Günter Moltmann: ''Weltherrschaftsideen Hitlers''. In: [[Otto Brunner (Historiker)|Otto Brunner]] und Dietrich Gerhard (Hrsg.): ''Europa und Übersee. Festschrift für Egmont Zechlin''. Verlag Hans Bredov-Institut, Hamburg 1961, S. 297–240; Milan Hauner: ''Did Hitler Want World Domination?'' In: ''Journal of Contemporary History'' 13 (1978), S. 15–32; [[Andreas Hillgruber]]: ''Endlich genug über Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg? Forschungsstand und Literatur''. Droste, Düsseldorf 1982, S. 34–35; Jochen Thies: ''Architekt der Weltherrschaft. Die Endziele Hitlers'', Droste, Düsseldorf 1985; Hans-Ulrich Wehler, ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949'', Beck, München 2003, S. 848; zusammenfassend Marie-Luise Recker: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches.'' Oldenbourg, München 2010, S. 57 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
{{Siehe auch|Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Hungerplan}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung 1942 (neben der [[Kriegsfront]] zur [[Sowjetunion]]) zehn Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer Grenzstrecke), im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], [[Liechtenstein|Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Von diesen Staaten waren alle außer Italien, Liechtenstein und der Schweiz von deutschen Truppen besetzt bzw. wie die Slowakei zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Ende des NS-Staats ==<br />
[[Datei:US Army Germany occupation zones 1945.jpg|mini|Karte der alliierten Besatzungszonen in Deutschland 1945 (Quelle: [[US-Army]])]]<br />
<br />
Bereits vor ihrem Sieg über Deutschland hatten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion alle Gebietserweiterungen des Reichs seit 1938 für nichtig erklärt.<ref>[[Gerhard L. Weinberg]]: ''Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 660.</ref> Die [[Westverschiebung Polens]] und die damit verbundene faktische Abtrennung der [[Ostgebiete des Deutschen Reichs|deutschen Ostgebiete]] waren seit der [[Konferenz von Teheran]] 1943 im Grundsatz beschlossen.<ref>Martin Vogt u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Deutsche Geschichte'', begründet von [[Peter Rassow]], J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1987, S. 730; [[Peter Graf Kielmansegg]]: ''Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland'', Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 21 f.; [[Antony Beevor]]: ''Der Zweite Weltkrieg'', Bertelsmann Verlag, München 2014, S. 587; Gerhard L. Weinberg: ''Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 669.</ref> Auf der [[Konferenz von Jalta]] gestanden die [[Alliierte#Drei Mächte|drei Mächte]] im Februar 1945 auch Frankreich den Status als Siegermacht zu und entschieden, Deutschland nach Kriegsende in vier [[Besatzungszone]]n und [[Berlin]] in vier [[Viermächte-Status#Berlin|Sektoren]] aufzuteilen. Weitergehende Pläne, Deutschland dauerhaft in mehrere Staaten aufzuteilen, wurden schon im Frühjahr 1945 fallen gelassen.<ref>Peter Graf Kielmansegg: ''Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland'', Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 16–19.</ref><br />
<br />
Die militärische Niederlage und vollständige Besetzung Deutschlands beendete die Herrschaft der NSDAP. Auch die aufs engste mit der Partei verflochtene staatliche Verwaltung hörte weitgehend auf zu funktionieren. Deutsche Amtsträger konnten nach der Besetzung nur mit Duldung oder nach Ernennung durch die jeweilige [[Besatzungsmacht]] tätig werden. Der von Hitler testamentarisch als Reichspräsident eingesetzte Großadmiral Karl Dönitz und seine [[Reichsregierung Dönitz|Regierung]] hatten noch Zugriff auf die deutschen Truppen, nicht aber auf zivile Behörden. Nachdem sie die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] vom 7./8. Mai 1945 in die Wege geleitet hatte, gestanden die Alliierten ihr keinerlei hoheitliche Aufgaben mehr zu.<ref>Karl Dietrich Erdmann: ''Das Ende des Reiches und die Neubildung deutscher Staaten'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', Bd. 22), dtv, München 1986, S. 35–39.</ref> Vielmehr wurde die Regierung am 23. Mai 1945 für abgesetzt erklärt und verhaftet. Mit der [[Berliner Erklärung (Alliierte)|Berliner Erklärung]] vom 5. Juni 1945 proklamierten die Alliierten auf Basis des Artikels&nbsp;4 der Kapitulationsurkunde die Übernahme der „obersten Regierungsgewalt in Deutschland“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/in/1945/niederlage-deutschlands_erkl.html Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945]</ref> Oberstes Organ des Besatzungsregimes und Träger der deutschen Staatsgewalt wurde der [[Alliierter Kontrollrat|Alliierte Kontrollrat]].<ref>Martin Vogt u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Deutsche Geschichte'', begründet von Peter Rassow, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1987, S. 731 f.; [[Gunther Mai]]: ''Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945–1948. Alliierte Einheit – deutsche Teilung?'', Oldenbourg, München 1995, S. 3, 49.</ref><br />
<br />
{{Siehe auch|Deutsches Reich#Staatsrechtliche Fragen nach 1945|titel1=Deutsches Reich: Staatsrechtliche Fragen nach 1945|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
<br />
== Bezeichnungen für den NS-Staat ==<br />
Neben dem Begriff ''NS-Staat'' verwenden heutige Wissenschaftler Bezeichnungen wie ''NS-Diktatur'', ''NS-Regime'' und weiterhin auch ''„[[#Propagandistische Bezeichnungen|Drittes Reich]]“'', letzteres meist in Anführungsstrichen, um den ursprünglich [[Propaganda|propagandistischen]] Charakter dieses Begriffs hervorzuheben. Um das [[Politisches System|politische System]] des nationalsozialistischen Deutschland zu betonen, wird es oft als „[[Nationalsozialismus#Führerkult und Führerstaat|Führerstaat]]“ bezeichnet. [[Marxismus|Marxistische]] Historiker in der früheren [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und in [[Westdeutschland]] nutzten in diesem Fall Begriffe wie „deutscher [[Faschismus]]“ oder „faschistische Diktatur“.<ref>Z.&nbsp;B. [[Reinhard Kühnl]]: ''Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten'', Köln 1975; [[Jürgen Kuczynski]]: ''Geschichte des Alltags des deutschen Volkes. Studien 5: 1918–1945'', Berlin 1982.</ref> In der Umgangssprache sind Benennungen wie „Nazi-Deutschland“, „Hitlerdeutschland“ oder ähnliche Komposita üblich.<br />
<br />
=== {{Anker|Großdeutsches Reich|Altreich}} Amtliche Bezeichnungen ===<br />
Die zeitgenössische amtliche Bezeichnung des deutschen Nationalstaats für die Zeit von 1871 bis 1945 war ''[[Deutsches Reich]]''. Sie wird für diesen Zeitabschnitt auch heute noch in den [[Staatswissenschaften]] verwendet.<br />
[[Datei:DR 1943 862 Lübeck.jpg|mini|hochkant|„800 Jahre [[Lübeck]]“: Die erste offizielle deutsche Briefmarke mit dem Aufdruck ''Großdeutsches Reich'' vom 24. Oktober 1943]]<br />
<br />
Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] im März 1938 war zeitweilig die Bezeichnung ''Großdeutsches Reich'' offiziell in Gebrauch, so auch im [[Reichsgesetzblatt]]. Ein Erlass des Chefs der Reichskanzlei, [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung verbindlich,<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt, Jahrgang 1943, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert. Mit dem auch [[Umgangssprache|umgangssprachlich]] verwendeten Begriff ''Großdeutschland'' beanspruchte das NS-Regime, die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] [[großdeutsche Lösung]] erreicht zu haben, die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]]. Zudem deutete er expansive Absichten an: Die [[Nationalsozialistische Europapläne|Nationalsozialistischen Europapläne]] sahen vor, weitere Länder, etwa Norwegen, Dänemark, die Niederlande und Belgien, in ein neu zu schaffendes „Großgermanisches Reich“ einzugliedern.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref><br />
<br />
Gleichfalls seit dem Anschluss Österreichs, bezeichneten die deutschen Behörden das ursprüngliche Staatsgebiet, das nach 1945 so genannte [[Deutschland in den Grenzen von 1937]] als ''Altreich''. Die Unterscheidung war erforderlich, da für alle neu eingegliederten oder unter [[CdZ-Gebiet|deutsche Besatzungsverwaltung]] gestellten Gebiete Gesetze erlassen und Verwaltungsverfahren geschaffen wurden, die sich von denen des Altreichs unterschieden. Dazu zählten neben [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> u.&nbsp;a. auch das [[Sudetenland]], das [[Memelland]] und die [[Freie Stadt Danzig]], die alle 1938 und 1939 annektiert worden waren.<br />
<br />
=== Propagandistische Bezeichnungen ===<br />
Bereits vor 1933 war der Begriff ''Reich'' zum Kampfbegriff der Rechten und der [[Monarchismus im deutschsprachigen Raum|Monarchisten]] gegen die demokratische [[Weimarer Republik|Republik]] geworden. ''Das dritte Reich'', wie ein 1923 veröffentlichtes Buch von [[Arthur Moeller van den Bruck]] hieß, bezog sich auf die Tradition des ersten, des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation]], und des zweiten, des kleindeutschen [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]]; er meinte damit ein großdeutsches Reich.<br />
<br />
Die Idee eines „[[Drittes Reich|Dritten Reiches]]“ lässt sich dabei bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Der italienische Theologe [[Joachim von Fiore]] hatte seinerzeit ein drittes, tausendjähriges Zeitalter des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]] prophezeit, das auf die beiden Zeitalter [[Gott]]es und [[Jesus Christus|Jesu Christi]] folgen würde. Die Nationalsozialisten griffen das Schlagwort auf, weil es ihre Bestrebungen zu bündeln schien. Hitler versuchte des Öfteren, den Mythos der „tausend Jahre“ für seine Herrschaft zu vereinnahmen. Später kamen ihm zum Begriff „Drittes Reich“ Bedenken. Man konnte über ein weiteres, ein [[viertes Reich]] spekulieren und die Kontinuität des Reiches der Deutschen in Frage stellen. Ab 1939 wollte er nicht mehr, dass der Begriff „Drittes Reich“ verwendet würde.<ref>[[Heinrich August Winkler]]: ''[[Der lange Weg nach Westen]]'', Band 2: ''Deutsche Geschichte 1933–1990''. C.H. Beck, München 2000, S. 6–8.</ref><br />
<br />
== Historisch-politologische Deutung ==<br />
Der NS-Staat wurde und wird von Historikern und Politikwissenschaftlern bis heute unterschiedlich gedeutet, wobei Konsens darüber besteht, dass es sich um Diktatur von außergewöhnlicher Gewaltsamkeit handelte. Der verbrecherische Charakter des Regimes steht außer Frage. Selbstdeutungen des NS-Staates wie „germanische Demokratie“<ref>Cornelia Schmitz-Berning: ''Vokabular des Nationalsozialismus''. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, S. 266 f. (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> spielen im wissenschaftlichen Diskurs der Gegenwart keine Rolle.<br />
<br />
Von [[Marxismus|Marxisten]] wurde der NS-Staat als faschistisch und somit als [[Soziale Klasse|Klassenherrschaft]] der [[Bourgeoisie]] gedeutet. Ihre kanonische Formulierung fand diese Annahme in der so genannten [[Faschismustheorie#Die Dimitroff-These|Dimitroff-These]] von 1933, wonach der Faschismus als „[[terror]]istische Diktatur der am meisten reaktionären, [[Chauvinismus|chauvinistischen]] und [[Imperialismus|imperialistischen]] Elemente des [[Finanzkapital]]s“ definiert wurde.<ref>[[Wolfgang Wippermann]]: ''Faschismustheorien. Zum Stand der gegenwärtigen Diskussion''. 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, S. 22 ff.</ref> Sie lag den geschichtswissenschaftlichen Analysen von Forschern aus der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und den anderen [[Ostblock]]staaten zugrunde, wo sie mitunter zur [[Agententheorie]] verkürzt wurden: Demnach wären Hitler und die anderen Nationalsozialisten bloße Agenten oder Marionetten der eigentlich herrschenden Kapitalistenklasse gewesen.<br />
<br />
Im [[Westliche Welt|Westen]] wurde demgegenüber von führenden Wissenschaftlern lange die [[Totalitarismus]]these vertreten: Demnach war der Nationalsozialismus ebenso wie der [[Stalinismus]] in der Sowjetunion eine Herrschaftsform, die durch eine allumfassende, keinen Widerspruch zulassende [[Ideologie]], eine hierarchisch organisierte [[Massenpartei]], einen Terrorapparat, ein staatliches Monopol an Kommunikationsmitteln und Waffen sowie eine zentrale Lenkung der Wirtschaft gekennzeichnet sei. Der NS-Staat wurde dabei als „monolithischer Führerstaat“ beschrieben, in dem widerspruchsfrei von oben nach unten durchregiert wurde.<ref>Julia Kölsch: ''Politik und Gedächtnis. Zur Soziologie funktionaler Kultivierung von Erinnerung.'' Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, S. 79.</ref> Diese Position war, ähnlich wie die Anwendung des Faschismusbegriffs von Seiten des Ostblocks, deutlich zweckgerichtet in der Auseinandersetzung des [[Kalter Krieg|Kalten Kriegs]].<ref>[[Michael Burleigh]] und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, S. 13.</ref> Nach dessen Ende wird der Totalitarismusbegriff heute in differenzierter Form von Forschern wie zum Beispiel von [[Uwe Backes]] und [[Eckhard Jesse]]<ref>Uwe Backes/Eckhard Jesse: ''Totalitarismus und Totalitarismusforschung. Zur Renaissance einer lange tabuisierten Konzeption''. In: ''[[Jahrbuch Extremismus & Demokratie]]'' 4 (1992), S. 7–27.</ref> von [[François Furet]] und [[Ernst Nolte]]<ref>[[Karsten Fischer (Politikwissenschaftler)|Karsten Fischer]]: ''Totalitarismus als komparative Epochenkategorie. Zur Renaissance des Konzepts in der Historiographie des 20. Jahrhunderts''. In: [[Alfons Söllner]], Ralf Walkenhaus, Karin Wieland (Hrsg.): ''Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts''. Akademie Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-05-007379-8, S. 289–294 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> oder von [[Hans-Ulrich Wehler]] verwendet.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte''. Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949''. C.H. Beck, München 2003, S. 600 u.&nbsp;ö.</ref> Der Historiker [[Wolfgang Wippermann]] dagegen lehnt ihn strikt ab, weil die ihm inhärente Gleichsetzung mit anderen Diktaturen „die [[Holocaustforschung#Singularitätsdebatte|Singularität des Holocaust]] in Frage stellt und auch in Frage stellen soll“.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Über einige theoretische und methodologische Grundfragen der Faschismusdiskussion''. In: derselbe und [[Werner Loh]] (Hrsg.): ''„Faschismus“ kontrovers''. Lucius und Lucius, Stuttgart 2002, ISBN 978-3-11-051070-6, S. 165 (hier das Zitat) (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
Bereits in der frühen 1940er Jahren hatten zwei deutsche Exilanten in den USA den NS-Staat allerdings mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung als deutlich heterogener beschrieben, als der Topos vom monolithischen Führerstaat glauben machte: [[Ernst Fraenkel (Politikwissenschaftler)|Ernst Fraenkel]] legte 1940/41 sein Buch ''[[Der Doppelstaat]]'' vor, in dem er die Janusköpfigkeit des NS-Staats herausarbeitete: Dieser bestehe aus zwei Bereichen: Der ''Normenstaat'' der herkömmlichen, bürokratisch arbeitenden Behörden und Ministerien und sei gekennzeichnet durch die Existenz von [[Rechtsnorm]]en, die grundsätzlich auf Berechenbarkeit angelegt seien und die der Aufrechterhaltung der privatkapitalistischen [[Wirtschaftsordnung]] dienten. Hier würden wie in jedem ordentlichen Staat auch Gesetze, [[Entscheidung (Gericht)|Gerichtsentscheidungen]] und [[Verwaltungsakt (Deutschland)|Verwaltungsakte]] gelten. Im Unterschied dazu folge der ''Maßnahmenstaat'', der durch die neu geschaffenen Organisationen der NSDAP geprägt sei, nicht dem [[Recht]], sondern ausschließlich situativen Nützlichkeitserwägungen. Beide zusammen würden die „[[Symbiose]] zwischen Kapitalismus und Nationalsozialismus“ bilden, im Konfliktfall setze sich aber immer der ''Maßnahmenstaat'' durch. Die Judenverfolgung sei dafür das zentrale Beispiel.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Kontroversen um Hitler.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 32 f.; [[Michael Wildt]]: [http://docupedia.de/zg/wildt_fraenkel_doppelstaat_v1_de_2011 ''Die Transformation des Ausnahmezustands. Ernst Fraenkels Analyse der NS-Herrschaft und ihre politische Aktualität'', Version: 1.0]. In: ''[[Docupedia-Zeitgeschichte]]'', 1. Juni 2011 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref> 1944 beschrieb [[Franz Neumann (Politikwissenschaftler)|Franz Neumann]] in seinem Werk ''[[Behemoth (Franz Neumann)|Behemoth]]'' den NS-Staat als einen „Unstaat“: Es sei im Grunde nur eine Allianz wechselseitig voneinander abhängiger Machtblöcke, nämlich der NSDAP mit ihren Einzelorganisationen, der Großwirtschaft und der Reichswehr. Ab 1936 sei noch die SS bzw. die Gestapo dazu gekommen. Diese Allianz sei durchaus nicht stabil, vielmehr würden sich die Machtgewichte verschieben und zwar tendenziell zugunsten der SS.<ref>Ian Kershaw: ''Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 106 ff.; [[Armin Nolzen]]: [http://docupedia.de/zg/nolzen_neumanns_behemoth_v1_de_2011 ''Franz Leopold Neumanns „Behemoth“. Ein vergessener Klassiker der NS-Forschung'', Version: 1.0]. In: ''Docupedia-Zeitgeschichte'', 30. Mai 2011 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref><br />
<br />
Dieser Ansatz erwies sich in den 1960er und 1970er Jahren als fruchtbar: Martin Broszat, Reinhard Bollmus, [[Peter Hüttenberger]] und andere entwickelten daraus die Deutung des NS-Staates als einer [[Polykratie]]: In allen Politikfeldern habe es Institutionen mit sich überschneidenden Zuständigkeiten gegeben, die miteinander um Gestaltungsmöglichkeiten konkurriert hätten: Das [[Amt Rosenberg]], die [[NSDAP/AO]], die [[Dienststelle Ribbentrop]] und das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] in der Außenpolitik, die Schulbehörden und die [[Hitlerjugend]] in der Beeinflussung der Jugend, das [[Reichswirtschaftsministerium]], die [[Reichsbank]] unter [[Hjalmar Schacht]] und die [[Vierjahresplan]]behörde in der Wirtschaftspolitik, die Wehrmacht und die Waffen-SS als Streitkräfte usw. Die ständigen Gegensätze und Streitereien zwischen diesen Institutionen habe dann zu der destruktiven Radikalisierung der nationalsozialistischen Politik hin zu Krieg und Holocaust geführt, die sich somit [[NS-Forschung#Funktionalisten / Strukturalisten|funktionalistisch]] aus der Eigendynamik der anarchischen Ämterrivalität und ohne Berücksichtigung von Hitlers „Programm“, wie er es in ''[[Mein Kampf]]'' formuliert hatte, erklären ließen. Ihm wird in diesem Ansatz nur die Rolle eines Propagandisten, eines Repräsentanten des Gesamtsystems bzw. eines Schiedsrichters zugewiesen. [[Hans Mommsen]] spitzte 1971 diesen Ansatz in dem vielzitierten Bonmot zu, Hitler sei letztlich „ein schwacher Diktator“ gewesen, „entscheidungsunwillig“ und „häufig unsicher“.<ref>Ian Kershaw: ''Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 134–140; zitiert nach [[Rüdiger Hachtmann]]: [http://docupedia.de/zg/Hachtmann_polykratie_v1_de_2018 ''Polykratie – Ein Schlüssel zur Analyse der NS-Herrschaftsstruktur?'', Version: 1.0]. In: ''Docupedia-Zeitgeschichte'', 1. Juni 2018 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref><br />
<br />
Sozialwissenschaftler wie [[Ralf Dahrendorf]], [[David Schoenbaum]] und [[Rainer Zitelmann]] deuteten seit den 1960er Jahren den NS-Staat zumindest in seiner Wirkung als [[Modernisierung (Soziologie)|modernisierend]]: Wie der italienische Faschismus habe es sich um eine [[Entwicklungsdiktatur]] gehandelt. Der NS-Staat habe langjährige Traditionsfaktoren der deutschen Geschichte wie [[Adel]] und [[Kirche (Organisation)|Kirche]] ausgeschaltet, sei technikaffin gewesen, habe die deutsche Klassengesellschaft überwunden und die [[soziale Mobilität]] für alle Schichten erhöht. Insofern könne man davon sprechen, dass im NS-Staat eine soziale [[Revolution]] stattgefunden habe.<ref>Klaus Hildebrand: ''Das Dritte Reich'' (=&nbsp;''[[Oldenbourg Grundriss der Geschichte]]'', Band 17). Oldenbourg, München 1991, S. 143&nbsp;f.; Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, S. 16 f.; [[Axel Schildt]]: [http://docupedia.de/zg/schildt_modernisierung_v1_de_2010 ''Modernisierung'', Version: 1.0]. In: ''Docupedia-Zeitgeschichte'', 11. Februar 2010 (Zugriff am 7. Mai 2019).</ref> Angesichts der antimodernen Zielsetzung des NS-Staates spricht [[Hans-Ulrich Thamer]] von der „Doppelrevolution des Nationalsozialismus“: eine „Revolution der Zwecke“ sei klar gegen die bürgerlich-industrielle Welt gerichtet gewesen, habe aber verwirklicht werden sollen durch eine „Revolution der Mittel“, die „einen bürgerlichen und industriellen Charakter hatte und die aufgehaltene Modernisierung der deutschen Gesellschaft wider Willen fortsetzte“.<ref>[[Hans-Ulrich Thamer]]: ''Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945''. Siedler, Berlin 1994, S. 468.</ref><br />
<br />
Diese Deutung stieß auf entschiedenen Widerspruch. Wolfgang Wippermann und [[Michael Burleigh]] charakterisieren den NS-Staat in ihrem 1991 erschienenen gemeinsamen Werk als „Rasse-Staat“: Alle seine Maßnahmen inklusive der scheinbar modernen oder revolutionären wie etwa die Verbesserung des [[Mutterschutz]]es hätten nur dem Ziel gedient, eine „barbarische [[Utopie]]“ zu verwirklichen: Die Ausrottung der Juden und die Erschaffung einer hierarchisch geordneten Gesellschaft, an deren Spitze erbgesunde [[Arier]] stehen sollten, sei, auch wenn es nie erreicht wurde, das [[NS-Forschung#Intentionalisten|programmatische]] Ziel des NS-Staats gewesen. Insofern habe Hitler als derjenige, der dieses Ziel verbindlich formulierte, durchaus keine untergeordnete oder schwache Rolle gespielt. Weil der NS-Staat anstrebte, eine Rassen- statt einer Klassengesellschaft zu werden, seien Deutungen als Faschismus, Totalitarismus oder Modernisierungsdiktatur ohne nennenswerten Erkenntniswert.<ref>Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, passim, das Zitat S. 23.</ref> Auch [[Wolfgang Benz]] glaubt, dass der „der Antisemitismus, der die Rassenkonstrukte des 19. Jahrhunderts übernahm“, für den Nationalsozialismus konstitutive Bedeutung hatte.<ref>Wolfgang Benz: ''Nationalsozialismus.'' In: derselbe (Hrsg.): ''[[Handbuch des Antisemitismus]].'' Band 3: ''Begriffe, Ideologien, Theorien.'' De Gruyter Saur, Berlin 2008, ISBN 978-3-598-24074-4, S. 223 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
Hans-Ulrich Wehler beschreibt den NS-Staat als „Führer[[absolutismus]]“, in der der [[Charismatische Herrschaft|Charismatische Herrscher]] Hitler das unbestrittene Recht zur letztinstanzlichen Entscheidung in allen Streitfragen innegehabt habe. Diese „Monokratie“ stehe keineswegs im Widerspruch zu der oben beschriebenen Polykratie der untergeordneten Instanzen, sondern diese sei nachgerade ihre Gelingensbedingung: Im Sinne seines [[Sozialdarwinismus]] habe Hitler seine Satrapen solange streiten lassen, bis sich der Stärkste durchgesetzt habe. Dieses Ergebnis habe er nur noch sanktionieren müssen, ohne sich selbst in die Streitereien einmischen und Widerspruch auf sich ziehen zu müssen. Dadurch habe er seinen Nimbus als „außeralltäglicher Sendbote“ behalten können, der ihm die [[Zustimmung zum Nationalsozialismus|Zustimmung der großen Mehrheit der Deutschen]] gesichert habe.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949.'' C.H. Beck, München 2003, S. 617–628.</ref><br />
<br />
Auf den großen Konsens in der Bevölkerung, der das Regime trug, hebt auch [[Götz Aly]] in seinem Werk ''[[Hitlers Volksstaat]]'' ab. Für ihn war der NS-Staat eine „Gefälligkeitsdiktatur“, die sich das Wohlwollen der Gesellschaft durch Überwindung der [[Massenarbeitslosigkeit#Neuzeit|Massenarbeitslosigkeit]], vor allem aber durch Umverteilung [[Arisierung|arisierter]] jüdischer Vermögen und nach 1939 durch rücksichtslose Ausbeutung der im Weltkrieg besetzten Gebiete sicherte.<ref>Götz Aly: ''Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, passim, das Zitat S. 49.</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
{{Portal|Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945.'' 6., erweiterte und aktualisierte Auflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Ulrich Herbert]]: ''Das Dritte Reich. Geschichte einer Diktatur'' (=&nbsp;''C.H.Beck Wissen''). 3. Auflage, Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72240-0.<br />
* [[Ludolf Herbst]]: ''Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945'', edition suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-11285-6.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich.''<br />
:* Band 1: ''Aufstieg'', München 2004, ISBN 3-421-05652-8;<br />
:* Band 2: ''Diktatur'', München 2007, ISBN 978-3-421-05653-5;<br />
:* Band 3: ''Krieg'', München 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Ernst Klee]]: ''[[Das Personenlexikon zum Dritten Reich]]. Wer war was vor und nach 1945.'' Edition Kramer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-9811483-4-3; S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-039309-0.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik.'' 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte.'' Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
<br />
== Film ==<br />
* [[Michael Kloft]]: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
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[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
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<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsorganisation, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu den Aufstiegsbedingungen der Nationalsozialisten ab 1918 und zu weiteren Merkmalen der NS-Diktatur siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]]; zu den mit staatlichen Zuständigkeiten rivalisierenden Parteigliederungen siehe [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| class="wikitable float-right toptextcells" style="width:340px; font-size:95%; margin-top:0;"<br />
! colspan="2" style="font-size:1.2em"| Deutsches Reich<br /><small>1933–1943</small><br />Großdeutsches Reich<br /><small>1943–1945</small><br />
|-<br />
|colspan="2"|<br />
{|<br />
|-<br />
|style="width:50%"| [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|zentriert|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| [[Datei:Reichsadler Deutsches Reich (1935–1945).svg|150px|zentriert|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|- style="text-align:center;"<br />
| [[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge]]<br /><small>(ab 1935)</small><br />
| [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945)|Wappen]]<br /><small>(ab 1935)</small><br />
|}<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|colspan="2"|<br />
{| class="center"<br />
|style="width:33%; text-align:left; font-size:1.2em;"| [[Weimarer Republik|←]] [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />[[Ständestaat (Österreich)|←]] [[Datei:State flag of Austria (1934–1938).svg|20px|rand|verweis=Erste Republik Österreich]]<br />
| '''Navigation'''<br />
|style="width:33%; text-align:right; font-size:1.2em;"| [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] [[Deutschland 1945 bis 1949|→]]<br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] [[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]<br />
|}<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Verfassung]]'''<br />
| Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 [[de jure/de facto|de facto]] außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Amtssprache]]'''<br />
| [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| [[Berlin]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsform]]'''<br />
| [[Republik]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| [[Diktatur]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br />bis 1934<br />1934 bis 1945<br />1945<br />
| [[Reichspräsident]]<br />[[Paul von Hindenburg]]<br />[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])<br />[[Karl Dönitz]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Regierungschef]]'''<br />1933 bis 1945<br />1945<br />
| [[Reichskanzler]]<br />Adolf Hitler<br />[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Schwerin von Krosigk]] (als Leitender Reichsminister)<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />1939<br />1940/41<br />
|<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich.'' Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus.'' Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />1938<br />
|<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Währung]]'''<br />
| [[Reichsmark]], [[Rentenmark]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| ''[[Das Lied der Deutschen]]'' (erste Strophe)<br />und [[Horst-Wessel-Lied]] ''(de facto)''<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Zeitzone]]'''<br />
| [[UTC+1]] [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
|style="background:#F2F2F4;"| '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
! colspan="2"| Karte<br />
|-<br />
|colspan="2"| [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Als '''NS-Staat''' wird das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] bzw. das sogenannte [[#Großdeutsches Reich|Großdeutsche Reich]] für die [[Zeit des Nationalsozialismus]] (1933–1945) bezeichnet, in dem die [[Diktatur]] [[Adolf Hitler]]s, die von der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP) gestützt wurde, an die Stelle der demokratisch verfassten [[Weimarer Republik]] getreten war.<br />
<br />
Dieser Staat war geprägt von einem absoluten Herrschaftsanspruch über das Individuum, einem radikalen [[Antisemitismus]], einem ausgreifenden [[Nationalsozialismus#Führerkult und Führerstaat|Führerkult]] und zunehmendem [[Staatsterror#Deutsches Reich|Staatsterror]]. Die Errichtung der Diktatur begann unmittelbar nach der [[Machtergreifung|Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933]]: Mit der [[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]] vom 28. Februar 1933 und dem [[Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933]] wurden wesentliche Teile der [[Weimarer Reichsverfassung]] dauerhaft suspendiert, darunter die [[Gewaltenteilung]], die parlamentarische Kontrolle der Regierung sowie [[Grundrechte (Deutschland)|grundlegende Bürgerrechte]]. Der [[Ausnahmezustand#Weimarer Republik|Ausnahmezustand]] blieb bis zum Ende des NS-Staates bestehen.<br />
<br />
Innerhalb weniger Monate schuf das NS-Regime durch die [[Gleichschaltung]] von Politik und Gesellschaft einen [[Zentralstaat|zentralistischen Staat]] nach der Ideologie des [[Nationalsozialismus]]. Die [[Gewerkschaft]]en und alle politischen Parteien außer der NSDAP wurden verboten. An die Stelle der früheren Staatsordnung mit ihren klar abgegrenzten Machtbefugnissen trat ein rivalisierendes Nebeneinander sich überschneidender Kompetenzen des Staates und der NSDAP, eine [[Polykratie]], in der Hitler stets die letzte Entscheidungsgewalt in Anspruch nahm. Mit Hilfe der [[Geheime Staatspolizei|Geheimen Staatspolizei]] (Gestapo) und Parteiorganisationen wie [[Sturmabteilung|SA]] und [[Schutzstaffel|SS]] verwandelte das Regime den [[Rechtsstaat]] in einen [[Polizeistaat]] mit [[Konzentrationslager|Konzentrations-]] und später auch [[Vernichtungslager]]n. [[Holocaust]] und [[Porajmos]] – die systematischen [[Genozid]]e an [[Juden]] sowie [[Sinti und Roma]] –, die Verfolgung und Ermordung [[Opposition (Politik)|Oppositioneller]], [[Andersdenkender]], [[Behinderung|Behinderter]] und [[Homosexualität im Dritten Reich|Homosexueller]] wie auch die [[Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus|NS-Krankenmorde]] forderten mehrere Millionen Menschenleben.<br />
<br />
Als Hitler 1934 zusätzlich das Amt des Reichspräsidenten übernahm, fiel ihm auch das [[Ernennung|Beamtenernennungsrecht]] zu, das er sich für das höhere [[Beamtentum]] persönlich vorbehielt. Bereits unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung hatte sich das Regime vom Prinzip des nur dem Gemeinwohl verpflichteten, unpolitischen Beamten abgewandt. Neben der fachlichen Qualifikation mussten Anwärter auf ein Amt nun auch ihre politische Zuverlässigkeit im Sinne des Nationalsozialismus nachweisen. In Feldern, die ihm besonders wichtig waren, setzte der Diktator [[Staatskommissar]]e ein, die allen Regierungs- und Verwaltungsstellen übergeordnet waren. Mit der Übernahme der Befehlsgewalt über die [[Wehrmacht]] 1938 sicherte Hitler sich auch die unmittelbare Führung des Militärs.<br />
<br />
Der NS-Staat ging in dem von ihm selbst ausgelösten [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] unter. Die [[Anti-Hitler-Koalition]] zwang die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 zur [[Bedingungslose Kapitulation|bedingungslosen Kapitulation]]. Am 5. Juni 1945 übernahmen die Siegermächte [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Sowjetunion]] und [[Frankreich]] auch formell die [[Regierungsgewalt]] in [[Deutschland]].<br />
<br />
In der politikwissenschaftlichen und historischen Forschung wurde und wird der NS-Staat unter anderem als [[Faschismus|faschistisch]], [[Totalitarismus|totalitär]], [[Polykratie|polykratisch]], [[Absolutismus|absolutistisch]], [[Modernisierung (Soziologie)|modernisierend]], als [[charismatische Herrschaft]] und als Gefälligkeitsdiktatur beschrieben.<br />
<br />
== Leitvorstellungen nationalsozialistischer Staatsorganisation ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:Reichsparteitag 1935 Großer Appell 28-1121M original.jpg|mini|Massenaufmärsche wie beim [[Reichsparteitag]] der NSDAP 1935 waren sichtbarer Ausdruck der NS-Ideologie und der Idee des formierten Staates.]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Bewegung. Ziel war es, die Demokratie durch die Diktatur der NSDAP als einziger Partei – beziehungsweise durch die ihres Führers – und die grundsätzlich offene, bürgerliche Gesellschaft durch eine rassistisch definierte [[Volksgemeinschaft]] zu ersetzen.<br />
<br />
Um den Staat im Sinne des [[Führerprinzip]]s und einer spezifischen Vorstellung von Volksgemeinschaft umzugestalten, galt es, die individuellen [[Bürgerrecht]]e und die institutionalisierte [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits sowie [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits zu beseitigen. Eine „starke Zentralgewalt des Reiches“ gehörte bereits zum [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920.<br />
<br />
Nach innen sollte die Idee der [[Volksgemeinschaft]] Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien trat die persönliche, durch „[[Führereid]]e“ zu bekräftigende Verpflichtung. Zentraler Bestandteil der NS-Ideologie war der völkische [[Antisemitismus]] und [[Rassismus]]. [[Juden]], aber auch [[Sinti und Roma]] sowie weitere als „nicht-[[Arier|arisch]]“ definierte Bevölkerungsgruppen, konnten demnach nicht Teil der Volksgemeinschaft sein.<br />
<br />
{{Siehe auch|Verfassungsgesetze des Deutschen Reichs 1933–1945}}<br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Um [[Demokratie]] und [[Pluralismus (Politik)|Pluralismus]] zu beseitigen und die Diktatur zu errichten, leitete die Regierung Hitler gleich zu Beginn Maßnahmen ein, die auf die Ausschaltung konkurrierender Machtzentren in Reich, Ländern und Kommunen abzielten und das gesamte staatliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Ideologie des Nationalsozialismus unterordnen sollten. Dieser Prozess der Gleichschaltung betraf neben staatlichen Institutionen auch alle bedeutenden Organisationen, Verbände und [[Politische Partei|politischen Parteien]]. Sie wurden entweder verboten oder ideologisch und organisatorisch auf die Linie der NS-Partei gebracht.<br />
<br />
Die ersten Gleichschaltungsmaßnahmen waren mit der sogenannten [[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat|Reichstagsbrandverordnung]] vom 28. Februar 1933 und dem [[Ermächtigungsgesetz]] vom 24. März 1933 [[Legitimation (Politikwissenschaft)|legitimiert]], die die Weimarer Verfassung de facto aufhoben: Wesentlichen Prinzipien wie die [[Grundrechte]], Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle der Regierung durch das Parlament wurden dadurch beseitigt.<ref>Michael Hensle: ''Reichstagsbrandverordnung''. In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] und [[Hermann Graml]] (Hrsg.): ''[[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]]''. Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 697; Hellmuth Auerbach: ''Ermächtigungsgesetz.'' In: ebenda, S. 449; [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949.'' C.H. Beck, München 2003, S. 605–608; Alexander von Brüneck: ''Ernst Fraenkel (1898–1975)''. In: [[Peter Häberle]], Michael Kilian und Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.): ''Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Deutschland – Österreich – Schweiz.'' Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2015, S. 532.</ref><br />
<br />
Zunächst wurden die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik aufgehoben. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem [[Süddeutschland]]s – und die Senate der [[Hansestadt|Hansestädte]] aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch rückten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nach. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, ''Reichsstatthalter'' mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter fast überall Hitlers Vorschlägen aus alten Gefolgsleuten und NSDAP-Gauleitern.<br />
<br />
Mit der Verfolgung der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] ab dem 28. Februar infolge des [[Reichstagsbrand]]s, dem Verbot der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem ''[[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]]'' noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt. Um jeder möglichen Opposition die Möglichkeit zu nehmen, sich zu organisieren, zerschlug das NS-Regime am 10. Mai 1933 auch alle [[Gewerkschaft]]en, beschlagnahmte ihr Vermögen und schaffte das Streikrecht ab. Alle Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände wurden zwangsweise in der [[Deutsche Arbeitsfront|Deutschen Arbeitsfront]] (DAF) zusammengeschlossen, die seit 1934 der NSDAP unterstand.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer [[Zweidrittelmehrheit]] zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder ihre staatliche Souveränität, so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Die in der NS-Ideologie proklamierte „Einheit von Volk und Staat“ führte zur Aufhebung der [[Gewaltenteilung]]; die obersten Regierungsämter erhielten sowohl legislative wie exekutive und judikative [[Zuständigkeit|Kompetenzen]]. Als das [[Führerprinzip]] in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam wurde, ergab sich einerseits eine Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits ihre oft wildwüchsige Vermehrung.<br />
<br />
Die Überschneidung von Aufgaben zentralisierter und neugeschaffener Staatsbehörden sowie oberster Parteiämter mündete in eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oftmals durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs'' vom 1.&nbsp;August 1934, nachträglich durch eine [[Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs|Volksabstimmung]] legitimiert, übernahm Hitler Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn. 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die [[Reichskanzlei]] in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden]]'', auch unter dem Namen ''Kleine Reichskanzlei'' bekannt, errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und bei der Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von [[Philipp Bouhler]] geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder [[Albert Bormann]] tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße in Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Die im [[Kabinett Hitler]] fortbestehende [[Reichsregierung]] bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers war sie hauptsächlich damit beschäftigt, Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen. Hitler hielt jedoch nur bis zur Konsolidierung seiner Machtstellung und -funktionen regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das Kabinett nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Regierungschef delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, wurden Minister zunehmend zu Befehlsempfängern. Hitler regierte unmittelbar mit Verordnungen. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach dem Tod Hitlers bildete der frühere [[Reichsfinanzministerium|Reichsfinanzminister]] [[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk]] im Auftrag von Großadmiral [[Karl Dönitz]], den Hitler zu seinem Nachfolger als [[Reichspräsident]] bestimmt hatte, eine [[Geschäftsführende Reichsregierung|geschäftsführende Regierung]]. Sie versuchte, Verhandlungen mit den Alliierten über eine Verwaltung Deutschlands aufzunehmen, wurde aber von diesen am 23. Mai 1945 abgesetzt und verhaftet.<br />
Bis zur Übernahme der obersten Staatsgewalt in Deutschland durch Großbritannien, die USA, die Sowjetunion und Frankreich, die am 5. Juni 1945 in der [[Berliner Erklärung (Alliierte)|Berliner Erklärung]] und in begleitenden Deklarationen verkündet wurde,<ref>Daniel-Erasmus Khan, ''Die deutschen Staatsgrenzen'', 2004, S. 95.</ref> existierte keine zentrale Regierung Deutschlands mehr. Der [[Alliierter Kontrollrat|Alliierte Kontrollrat]], der diese Funktion übernehmen sollte, verfügte über keine eigene Exekutive und war für die Umsetzung seiner Beschlüsse auf die [[Militärregierung]]en in den Besatzungszonen angewiesen.<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]]]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''[[Reichsjägermeister]]s'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau]]<br />
* die Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau (Reichsorganisationsleiter der NSDAP, [[Robert Ley]], ernannt am 15. November 1940)<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] ([[Chef der Sicherheitspolizei und des SD]]; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Beamtenschaft zu Zeiten der Weimarer Republik stammte noch aus der Kaiserzeit und blieb antidemokratisch eingestellt. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, obwohl das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
<br />
Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
<br />
Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Deutsche Juden|Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
<br />
Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung und nicht vorrangig aufgrund politischer Linientreue besetzt. NSDAP-Mitglieder blieben in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, zum Beispiel im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium. So ließ das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen, um sie erst nach der Machtkonsolidierung in weiten Bereichen zu entmachten. Unter anderem schuf man eine Vielzahl neuer Reichsbehörden, um bestehende Verwaltungseinrichtungen zu „überwölben“. Infolgedessen kam es nach 1933 zu widersprüchlichen, mitunter lähmenden Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref> Diese [[Polykratie]], das heißt, die Konkurrenz unterschiedlicher Institutionen mit sich teilweise überschneidenden Kompetenzen, widersprach zwar der eigenen Ideologie eines [[Starker Staat|starken Staates]], weil sie dessen Handeln oft ineffizient machte, aber sie war durchaus gewollt, da konkurrierende Machtebenen die letztgültige Entscheidung stets dem Diktator an der Spitze überlassen mussten.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949'', Beck, München 2003, S. 623–635.</ref><br />
<br />
Auf der Führungsebene wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26.&nbsp;Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von [[Weltanschauung#Der Begriff in der nationalsozialistischen Propaganda|nationalsozialistischer Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
<br />
In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zusätzlich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation von Hitler ergebenen und zugleich fachkompetenten NS-Spitzenbeamten durch.<br />
<br />
Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''[[Reichskommissar#Zeit des Nationalsozialismus|Reichskommissar für das preußische Innenministerium]]'' ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke [[Hilfspolizei]] auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zur [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.&nbsp;ä. auf, was vielfach auf fruchtbaren Boden fiel. Die breite Denunziationsbereitschaft der Bevölkerung stellte daher die wichtigste Quelle von Informationen der Gestapo dar, die dann durch so genannte „verschärfte Verhöre“, also [[Folter]] von Verdächtigen, erweitert wurden.<ref>[[Klaus-Michael Mallmann]] und [[Gerhard Paul (Historiker)|Gerhard Paul]]: ''Gestapo – Mythos und Realität.'' In: [[Bernd Florath]] (Hrsg.): ''Die Ohnmacht der Allmächtigen. Geheimdienste und politische Polizei in der modernen Gesellschaft.'' Ch. Links, Berlin 1992, S. 106 f.</ref> Weil die Bevölkerung des NS-Staates mehrheitlich die Ziele Hitlers teilte, spricht man in der Forschung von einer „Selbstüberwachung“.<ref>[[Robert Gellately]]: ''Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Zur Entstehungsgeschichte einer selbstüberwachenden Gesellschaft.'' In: [[Detlef Schmiechen-Ackermann]] (Hrsg.): ''Anpassung – Verweigerung – Widerstand. Soziale Milieus, Politische Kultur und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland im regionalen Vergleich''. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1997, S. 118 ([https://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publikationen/schriften/PDFs_fuer_Download Anpassung_Verweigerung_Widerstand_Schriften_der_GDW_1997.pdf online], Zugriff am 4. Mai 2019); Detlef Schmiechen-Ackermann: ''Der „Blockwart“. Die unteren Parteifunktionäre im nationalsozialistischen Terror- und Überwachungsapparat.'' In: ''[[Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte]]'' 48 (2000), S. 578 ([https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2000_4_1_schmiechen-ackermann.pdf online], Zugriff am 4. Mai 2019); Gerhard Paul: ''Private Konfliktregulierung, gesellschaftliche Selbstüberwachung, politische Teilhabe? Neuere Forschungen zur Denunziation im Dritten Reich''. In: ''[[Archiv für Sozialgeschichte]]'' 42 (2002), S. 380–402.</ref><br />
<br />
Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die [[Politische Polizei]] und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Per [[Erlass über die Einsetzung eines Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern|Erlass vom 17. Juni 1936]] wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Polizei (Deutschland)#Polizei im Nationalsozialismus 1933–1945|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Funktion bestand darin, einerseits die dem Chef der Polizei, andererseits die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
<br />
Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später unter [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Sicherheitspolizei (Nationalsozialismus)|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie an der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
<br />
In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
<br />
{{Siehe auch|Organisationsstruktur der SS|SS-Hauptämter}}<br />
<br />
=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]] (1934)]]<br />
<br />
Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen Bürgerrechte unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
<br />
Diesen Vorstellungen entsprechend verstießen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes gegen grundlegende Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
<br />
Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde dadurch zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung sollte die Loyalität der Absolventen gegenüber dem Führerstaat gewährleisten: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
<br />
Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und des [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
<br />
Neben dem traditionellen Gerichtswesen wurde für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
<br />
Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten [[Erbgesundheitsgericht]]e angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Endgültig entscheidendes Rechtsmittelgericht war das bei den [[Oberlandesgericht]]en zu bildende Erbgesundheitsobergericht. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
<br />
Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
<br />
Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
<br />
[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile vom Sondergericht Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
<br />
Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', Ibidem-Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die [[Rechtsprechung]] zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
<br />
In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
<br />
Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den Versailler Vertrag begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die Reichswehr. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Streitkräfte persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 Prozent der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen Oberbefehl über das neugebildete [[Oberkommando der Wehrmacht]] (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war in der Spitzengliederung wie folgt besetzt:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht – Chef: [[Wilhelm Keitel]] (1938–1945)<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]] – Chef: [[Alfred Jodl]] (1938–1945)<br />
** Amtsgruppe ''Allgemeines Wehrmachtamt'' – Chef: [[Hermann Reinecke]] (1939–1945)<br />
** [[Abwehr (Nachrichtendienst)|Amtsgruppe Ausland/Abwehr]]<br />
** ''Wehrmacht-Zentralabteilung''<br />
** ''Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt''<br />
** ''Justizdienststelle beim Chef OKW''<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|Reichsparteitag 1938, „Tag der Wehrmacht“: der Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium [[Erhard Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder und der Befehlshaber im Wehrkreis XIII/Nürnberg [[Maximilian von Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Die bereits zuvor bestehenden Oberkommandos der Teilstreitkräfte waren dem OKW weisungsgebunden, wahrten aber mit ihren angeschlossenen Stäben eine teilweise Selbständigkeit. Die Oberbefehlshaber und deren Stabschefs waren:<br />
{| class="toptextcells"<br />
|-<br />
! [[Oberkommando des Heeres]]<br />
! [[Oberkommando der Marine]]<br />
! [[Oberkommando der Luftwaffe]]<br />
|-<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber des Heeres:<br />
** [[Werner von Fritsch]] (1934–1938)<br />
** [[Walther von Brauchitsch]] (1938–1941)<br />
** Adolf Hitler (1941–1945)<br />
* Chef des Generalstabs des Heeres:<br />
** [[Ludwig Beck (General)|Ludwig Beck]] (1935–1938)<br />
** [[Franz Halder]] (1938–1942)<br />
** [[Kurt Zeitzler]] (1942–1944)<br />
** [[Heinz Guderian]] (1944–1945)<br />
** [[Hans Krebs (Offizier)|Hans Krebs]] (1945)<br />
** [[Alfred Jodl]] (1945)<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber der Kriegsmarine:<br />
** [[Erich Raeder]] (1935–1943)<br />
** [[Karl Dönitz]] (1943–1945)<br />
** [[Hans-Georg von Friedeburg]] (1945)<br />
* Chef des Stabes der Seekriegsleitung:<br />
** [[Günther Guse]] (1937–1938)<br />
** [[Otto Schniewind (Admiral)|Otto Schniewind]] (1938–1941)<br />
** [[Kurt Fricke]] (1941–1943)<br />
** [[Wilhelm Meisel]] (1943–1945)<br />
|<br />
* Oberbefehlshaber der Luftwaffe:<br />
** [[Hermann Göring]] (1935–1945)<br />
** [[Robert Ritter von Greim]] (1945)<br />
* Chef des Generalstabs der Luftwaffe:<br />
** [[Walther Wever]] (1935–1936)<br />
** [[Albert Kesselring]] (1936–1937)<br />
** [[Hans-Jürgen Stumpff]] (1937–1939)<br />
** [[Hans Jeschonnek]] (1939–1943)<br />
** [[Günther Korten]] (1943–1944)<br />
** [[Werner Kreipe]] (1944)<br />
** [[Karl Koller (General)|Karl Koller]] (1944–1945)<br />
|}<br />
<br />
Auf die Einrichtung des OKW folgten der Anschluss Österreichs und des [[Sudetenkrise|Sudetenlandes]] (1938), die Einverleibung der [[Zerschlagung der Rest-Tschechei|„Rest-Tschechei“]] (1939) und schließlich die Entfesselung des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] durch den [[Überfall auf Polen]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Verbrechen der Wehrmacht}}<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem Ersten Weltkrieg (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] (RAD) und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene“ Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Territorium ==<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|mini|hochkant=1.5|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue), Juli 1944]]<br />
[[Datei:NS_administrative_Gliederung_1944.png|mini|hochkant=1.5|de-facto Verwaltungskarte (1. März 1944)]]<br />
[[Datei:KarteDesGrossdeutschenReichesJan1944.png|mini|hochkant=1.5|de-jure Verwaltungskarte (1. Januar 1944)]]<br />
<br />
Das 1871 gegründete Kaiserreich war ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus 22 [[Konstitutionelle Monarchie|monarchischen]] Staaten, drei [[republik]]anischen [[Stadtstaat]]en und dem [[Reichsland Elsaß-Lothringen]] gewesen. Seit der Zeit der Weimarer Republik bestand das Deutsche Reich aus [[Weimarer Republik#Territoriale Gliederung|18 Ländern]]. Der NS-Staat behielt die Gliederung in Länder zwar bei, reduzierte deren Aufgaben jedoch auf die ausführender [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Reichsministerien und -behörden. Den Ministerpräsidenten der Länder wurden [[Reichsstatthalter]] übergeordnet. Neben die Länder traten die [[Gau#Gaue als Bezirke der NSDAP|Gaue der NSDAP]] als konkurrierende Einheiten.<br />
<br />
Der [[Freistaat Preußen]] blieb auch in der NS-Zeit das größte Land des Reiches. Seine Verwaltungsstrukturen waren aber schon 1932 durch den ''Preußenschlag'' der Regierung Papen stark geschwächt worden. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren seine zentralen Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber denen der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Liste der Provinzen Preußens|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der Reichsstatthalter von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen [[Kompetenz (Organisation)|Befugnisse]] an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Weitere Länder mit eigenem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg in der Zeit des Nationalsozialismus|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
* [[Lübeck]] (1937 Preußen angegliedert) und [[Land Mecklenburg|Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
<br />
=== Vergrößerung des Reichsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
Es umfasste ferner das [[Protektorat Böhmen und Mähren]] und die eroberten [[Chef der Zivilverwaltung|CdZ]]-Gebiete als „Gebiete des Großdeutschen Reiches“. Nach Auskunft des Generalgouverneurs [[Hans Frank]] hatte Hitler wohl schon im Herbst 1939 beschlossen, auch das [[Generalgouvernement]], in welchem er ein Landarbeiterreservat für das Reich sah, zu einem Teil des Großdeutschen Reiches zu machen. Allerdings, so vermutet der Historiker [[Martin Broszat]], wollte Hitler den Rechtsstatus zugleich ungeklärt lassen, um das Generalgouvernement außerhalb völkerrechtlicher und reichsrechtlicher Verbindlichkeiten zu belassen. Hitler akzeptierte im Sommer 1940 die von Frank entwickelte Theorie vom „[[Nebenland]] des Reiches“. Bei der amtlichen Bezeichnung des Generalgouvernements wurde zwar der Zusatz „für die besetzten polnischen Gebiete“ fortgelassen. Aber das Generalgouvernement erhielt nicht den Status eines Protektorats, sondern wurde „ein zum Zwecke möglichst rechtsunverbindlicher Herrschaft ad-hoc konstruiertes reichs-exterritoriales deutsches ‚Nebenland‘ ohne Staatseigenschaft mit staatenlosen Einwohnern polnischer [[Volkszugehörigkeit]].“<ref>[[Martin Broszat]]: ''Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945'', Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961, S.&nbsp;68–70, zit. S. 70.</ref> Nach dem polnischen Historiker [[Tomasz Szarota]] zeigt sich in den von Frank zitierten Äußerungen Hitlers eine „Tendenz zur [[Annexion|Annektierung]] [[expressis verbis]]“,<ref>Tomasz Szarota: ''Polen unter deutscher Besatzung, 1939–1941: Vergleichende Betrachtungen.'' In: [[Bernd Wegner (Historiker)|Bernd Wegner]] (Hrsg.): ''Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum „Unternehmen Barbarossa“.'' Piper, München 1991, S. 42 f.</ref> gleichwohl unter dem Aspekt der völkerrechtlichen Angliederung durch das Deutsche Reich „schon am Vorliegen einer wirklichen Inkorporationshandlung einige Zweifel bestehen“.<ref>Oliver Dörr: ''Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession'', Duncker & Humblot, Berlin 1995, [https://books.google.de/books?id=5M3qDW4mJW8C&pg=PA344 S.&nbsp;344 f.]</ref> Wie im NS-System üblich, fand die nationalsozialistische Staatsrechts- und Völkerrechtslehre keine Begriffe, um das neue Gebilde Generalgouvernement zu beschreiben. So lässt sich dessen staatsrechtliche Stellung, so [[Diemut Majer]], „nur vom Faktischen unter Berücksichtigung der politischen Zielsetzung erklären“. Hierbei zeigt sich, dass das Generalgouvernement „trotz der weitgehenden Verwaltungs- und Rechtssetzungsautonomie grundsätzlich als Bestandteil des Reiches, als ''Reichsgebiet'', betrachtet wurde“. In der Praxis wurden allerdings zahlreiche Ausnahmen gemacht, wenn sich dadurch eine sonderrechtliche Behandlung „Fremdvölkischer“ besser durchsetzen ließ.<ref>Diemut Majer: ''„Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements'' (=&nbsp;Schriften des [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchivs]], Bd. 28), Harald Boldt, Boppard am Rhein 1981, S. 473, 475.</ref> Zugleich war das Generalgouvernement dazu bestimmt, die „erste [[Kolonie]] des Reiches“ zu werden, was sich in einer „Politik der ökonomischen Ausbeutung, der kulturellen Niederhaltung der Polen und der Vernichtung ihrer Intelligenz“ niederschlug.<ref>Diemut Majer, ''„Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements'', H. Boldt, Boppard am Rhein 1981, S.&nbsp;461.</ref><br />
<br />
==== Vor Kriegsbeginn eingegliedert ====<br />
* Das nach dem Ersten Weltkrieg unter französischer Verwaltung stehende [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im Versailler Vertrag gesetzten Frist und einer [[Saarabstimmung|Volksabstimmung]] am 1. März 1935 als „Saarland“ ins Reich eingegliedert.<br />
* Der „[[Anschluss Österreichs|Anschluss]]“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der Wehrmacht am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Durch politische Erpressung oder mit militärischer Drohung wurde die [[Abtretung (Völkerrecht)|Abtretung]] einiger Gebiete erzwungen:<br />
* Die [[Erste Tschechoslowakische Republik|Tschechoslowakei]] musste die [[Sudetenland|sudetendeutschen Gebiete]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland|Memelgebiet]] wurde nach einem [[Deutsches Ultimatum an Litauen|deutschen Ultimatum an Litauen]] im deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 an Deutschland abgetreten.<ref>[[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich.'' Band 2: ''Diktatur''. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006, S. 832 f.</ref><br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Slowakischer Staat|Slowakei]] musste sich von der [[Tschecho-Slowakische Republik|Tschecho-Slowakischen Republik]] unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 wurde dem ''Protektorat Böhmen und Mähren'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors zugebilligt; es galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen [[Hoheitsgebiet]]es [[völkerrecht]]lich unwirksam.<br />
<br />
==== Im Verlauf des Krieges eingegliedert ====<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
<br />
Das deutsche Reichsgebiet wurde nach dem [[Überfall auf Polen|Polenfeldzug]] vom Herbst 1939 über die Rückgliederung der im [[Friedensvertrag von Versailles]] an [[Zweite Polnische Republik|Polen]] abgetretenen Gebiete hinaus erweitert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]] wurde Ostpreußen zugeschlagen;<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) und damit das gesamte Industrierevier kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des in den nationalsozialistischen Machtbereich gelangten polnischen Staatsgebietes wurden als „[[Generalgouvernement|Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete]]“ mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet und im Zuge des [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|deutsch-sowjetischen Krieges]] eingegliedert.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten wurden, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200 km nach Osten.<br />
<br />
==== Besetztes Staatsgebiet unter deutscher Zivilverwaltung ====<br />
Viele von deutschen Streitkräften besetzte Staaten konnten eigene Regierungen behalten, wie es die [[Haager Landkriegsordnung]] vorsieht, aber nicht alle. Nach dem [[Westfeldzug]] 1940 wurden in einigen besetzten Gebieten zivile Behörden eingerichtet, die einem „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) unterstanden, der seinerseits deutschen Reichsstellen verantwortlich war.<br />
* [[Eupen-Malmedy]], das 1919 an Belgien abgetreten worden war, wurde sofort annektiert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/articles/te63/gr211/vi252/eu322 ''1940: Raum um Eupen-Malmedy vom Deutschen Reich annektiert.''] In: ''GR-Atlas'', [[Université du Luxembourg]].</ref><br />
Weitere Gebiete im Westen wurden de facto dem deutschen Staat eingegliedert, aber in keinem Fall formell annektiert.<ref>[[Daniel-Erasmus Khan]]: ''Die deutschen Staatsgrenzen. Rechtshistorische Grundlagen und offene Rechtsfragen'', Mohr Siebeck, Tübingen 2004 (''Jus Publicum'', Bd. 114), ISBN 3-16-148403-7, [https://books.google.de/books?id=V01T5VI4nZ4C&pg=PA94 S. 94], [https://books.google.de/books?id=V01T5VI4nZ4C&pg=PA518 518 f., Anm. 25].</ref> Sie wurden von den [[Gauleiter]]n der angrenzenden Reichsgebiete mitverwaltet:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]],<br />
* [[Elsass]],<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
In ihnen wurde eine „Eindeutschungspolitik“ betrieben.<br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug (1941)|Balkanfeldzug]] 1941 wurde das [[Königreich Jugoslawien]] in drei Separatstaaten (Kroatien, Serbien, Montenegro) aufgeteilt. Zwei Drittel von [[Slowenien]] wurden unter die CdZ-Verwaltung des [[Kärnten|Kärntner]] Gauleiters gestellt und de facto eingegliedert:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]];<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 wurden weitere Gebiete einer deutschen Zivilverwaltung unterstellt:<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]]<br />
<br />
==== Besetztes Staatsgebiet unter Kriegsrecht ====<br />
Deutschland [[Okkupation|okkupierte]] 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] und [[Benito Mussolini]] richtete in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] (RSI) als [[Italienischer Faschismus|faschistischen]] [[Satellitenstaat]] ein. In diesem abhängigen Staat und im italienisch besetzten Jugoslawien wurden zwei Gebiete eingenommen, in denen die Wehrmacht, die unter die [[HSSPF|Führung der SS]] des Reichsgebiets gestellte Polizei und eine deutsch-italienische Zivilverwaltung die Macht ausübten:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
Diese Operationszonen, deren Grenzen sich nicht an Staatsgrenzen orientierten, sondern an militärischen Erfordernissen, wurden durch die SS-Herrschaft und die Zivilverwaltung vom italienisch regierten Territorium getrennt, das weiterhin formell unter der Souveränität der RSI verblieb. In ihnen wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Zugleich wurde eine deutsch-italienische Zivilverwaltung aufgebaut, die sogenannten „zivilen Beratern“ mit der offiziellen Bezeichnung ''Oberster Kommissar'' unterstellt war. Die Befugnisse der Obersten Kommissare beruhten nicht auf der niedergelegten Führeranordnung und weiteren [[Führererlass|Befehlen]], sondern aus den persönlichen Weisungen Hitlers an die Leiter der benachbarten Reichsgaue [[Reichsgau Tirol-Vorarlberg|Tirol-Vorarlberg]] und [[Reichsgau Kärnten|Kärnten]] [[Franz Hofer (Gauleiter)|Franz Hofer]] und [[Friedrich Rainer]]. Deren Zuständigkeit erstreckte sich auch auf den 1941 von Italien besetzten Teil Sloweniens. Diese persönlichen Vollmachten bedingten eine grundsätzliche Rechtsunsicherheit der Bevölkerung in den Gebieten der Zivilverwaltung.<ref>[[Michael Wedekind]]: ''Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“'', Oldenbourg, München 2003, S. 75–82.</ref><br />
<!--=== Staatsangehörigkeit der Bevölkerung eingegliederter Gebiete ===<br />
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurden österreichische zu deutschen Staatsangehörigen, auch wenn sie [[Tschechen|Angehörige tschechischer Nationalität]] waren. Ausgenommen waren nur Juden nach Maßgabe der [[Nürnberger Rassegesetze]], die verschärft auf die „Ostmark“ übertragen wurden. Davon abgesehen handelte es sich um eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit, die sich auf territoriale Kriterien stützte und „Altreichsdeutsche“ mit ehemaligen österreichischen Staatsangehörigen gleichstellte. Diese Politik änderte sich 1939 und wurde schon bei der Eingliederung des Sudetenlandes wirksam. Nicht mehr der Wohnsitz, sondern die [[deutsche Volkszugehörigkeit]] wurde zum entscheidenden Kriterium dafür, wer zum Reichsbürger werden konnte. Damit wurden politisch-kulturelle Kriterien ausschlaggebend. Mit dem „Ausschluss artfremdem Blutes“ von der deutschen Volkszugehörigkeit kamen weitere rassistische Kriterien hinzu. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht stand im Dienst der nationalsozialistischen Umsiedlungspolitk, die eine ethnische Entmischung der eingegliederten Gebiete beabsichtigte.<ref>[[Dieter Gosewinkel]]: ''Einbürgern und Ausschließen. Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland'', Göttingen 2011, ISBN 978-3-647-35165-0, S. 401 ff.</ref><br />
--><br />
<br />
=== Gebiete ohne Autonomie im deutschen Herrschaftsbereich ===<br />
Dem Reich angegliedert, aber nicht annektiert, waren auch zwei riesige „Reichsprovinzen“ unter deutscher Zivilverwaltung, die Reichskommissariate [[Reichskommissariat Ostland|Ostland]] (baltische Staaten und Weißrussland) und [[Reichskommissariat Ukraine|Ukraine]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Heim ins Reich}}<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Wie weit das NS-Regime seine Eroberungsziele steckte, ist in der Forschung umstritten. [[Eberhard Jäckel]] argumentiert in Anlehnung an [[Hugh Trevor-Roper]], Hitler habe im Wesentlichen [[Lebensraum im Osten]] erobern wollen, das heißt im europäischen Russland.<ref>Eberhard Jäckel: ''Hitlers Weltanschauung''. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1981, S. 93 u.ö.</ref> Der unter der Ägide des Reichsführers SS [[Heinrich Himmler]] bis 1942 erstellte [[Generalplan Ost]] sah bereits ein neues Bodenrecht und in einem auf 25 Jahre angelegten Plan eine Besiedlung des eroberten Gebiets mit vier Millionen „[[Germanen|germanischstämmigen]]“ Siedlern im „[[Ingermanland]]“ um [[Leningrad]], im „[[Gotengau]]“ auf der [[Krim]] und im Gebiet um [[Cherson]] sowie im Einzugsbereich der Flüsse [[Memel]] und [[Narew]] vor.<ref>[[Wolfgang Benz]]: '' Generalplan Ost.'' In: derselbe, [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 485 f.</ref><br />
<br />
Dieser „kontinentalistischen“ Interpretation der nationalsozialistischen Eroberungspläne, der sich unter anderem [[Hans-Adolf Jacobsen]] und [[Dietrich Aigner]] anschlossen,<ref>[[Marie-Luise Recker]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches''. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-70123-4, S. 57 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> wurde von verschiedener Seite widersprochen. So entfaltete das nationalsozialistische Deutschland verschiedenste [[Deutscher Kolonialismus in der Zeit des Nationalsozialismus|Aktivitäten zur Wiedergewinnung von Kolonien]], namentlich in [[Afrika]].<ref>Karsten Linne: ''Deutschland jenseits des Äquators? NS-Kolonialplanungen für Afrika.'' Ch. Links, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-500-3.</ref> Wie ernst diese Überlegungen waren, ist in der Forschung ebenfalls umstritten. Durch das Bündnis mit Japan verzichtete das Deutsche Reich auf die ostasiatischen Kolonien der [[Reichskommissariat Niederlande|besetzten Niederlande]] und Frankreichs. Die bereits ab 1941 eingeschränkte Ambition zur Wiedergewinnung eines [[Deutsch-Mittelafrika#Zweiter Weltkrieg|Kolonialreichs in Afrika]] wurde Anfang 1943 eingestellt.<ref>Winfried Speitkamp: ''Deutsche Kolonialgeschichte.'' Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-15-017047-2, S. 172.</ref> Auch mit Blick auf diese Afrikapläne argumentieren viele Historiker, Hitler habe letztlich die [[Weltherrschaft]] angestrebt.<ref>Günter Moltmann: ''Weltherrschaftsideen Hitlers''. In: [[Otto Brunner (Historiker)|Otto Brunner]] und Dietrich Gerhard (Hrsg.): ''Europa und Übersee. Festschrift für Egmont Zechlin''. Verlag Hans Bredov-Institut, Hamburg 1961, S. 297–240; Milan Hauner: ''Did Hitler Want World Domination?'' In: ''Journal of Contemporary History'' 13 (1978), S. 15–32; [[Andreas Hillgruber]]: ''Endlich genug über Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg? Forschungsstand und Literatur''. Droste, Düsseldorf 1982, S. 34–35; Jochen Thies: ''Architekt der Weltherrschaft. Die Endziele Hitlers'', Droste, Düsseldorf 1985; Hans-Ulrich Wehler, ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949'', Beck, München 2003, S. 848; zusammenfassend Marie-Luise Recker: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches.'' Oldenbourg, München 2010, S. 57 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
{{Siehe auch|Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Hungerplan}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung 1942 (neben der [[Kriegsfront]] zur [[Sowjetunion]]) zehn Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer Grenzstrecke), im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], [[Liechtenstein|Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Von diesen Staaten waren alle außer Italien, Liechtenstein und der Schweiz von deutschen Truppen besetzt bzw. wie die Slowakei zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Ende des NS-Staats ==<br />
[[Datei:US Army Germany occupation zones 1945.jpg|mini|Karte der alliierten Besatzungszonen in Deutschland 1945 (Quelle: [[US-Army]])]]<br />
<br />
Bereits vor ihrem Sieg über Deutschland hatten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion alle Gebietserweiterungen des Reichs seit 1938 für nichtig erklärt.<ref>[[Gerhard L. Weinberg]]: ''Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 660.</ref> Die [[Westverschiebung Polens]] und die damit verbundene faktische Abtrennung der [[Ostgebiete des Deutschen Reichs|deutschen Ostgebiete]] waren seit der [[Konferenz von Teheran]] 1943 im Grundsatz beschlossen.<ref>Martin Vogt u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Deutsche Geschichte'', begründet von [[Peter Rassow]], J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1987, S. 730; [[Peter Graf Kielmansegg]]: ''Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland'', Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 21 f.; [[Antony Beevor]]: ''Der Zweite Weltkrieg'', Bertelsmann Verlag, München 2014, S. 587; Gerhard L. Weinberg: ''Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 669.</ref> Auf der [[Konferenz von Jalta]] gestanden die [[Alliierte#Drei Mächte|drei Mächte]] im Februar 1945 auch Frankreich den Status als Siegermacht zu und entschieden, Deutschland nach Kriegsende in vier [[Besatzungszone]]n und [[Berlin]] in vier [[Viermächte-Status#Berlin|Sektoren]] aufzuteilen. Weitergehende Pläne, Deutschland dauerhaft in mehrere Staaten aufzuteilen, wurden schon im Frühjahr 1945 fallen gelassen.<ref>Peter Graf Kielmansegg: ''Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland'', Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 16–19.</ref><br />
<br />
Die militärische Niederlage und vollständige Besetzung Deutschlands beendete die Herrschaft der NSDAP. Auch die aufs engste mit der Partei verflochtene staatliche Verwaltung hörte weitgehend auf zu funktionieren. Deutsche Amtsträger konnten nach der Besetzung nur mit Duldung oder nach Ernennung durch die jeweilige [[Besatzungsmacht]] tätig werden. Der von Hitler testamentarisch als Reichspräsident eingesetzte Großadmiral Karl Dönitz und seine [[Reichsregierung Dönitz|Regierung]] hatten noch Zugriff auf die deutschen Truppen, nicht aber auf zivile Behörden. Nachdem sie die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] vom 7./8. Mai 1945 in die Wege geleitet hatte, gestanden die Alliierten ihr keinerlei hoheitliche Aufgaben mehr zu.<ref>Karl Dietrich Erdmann: ''Das Ende des Reiches und die Neubildung deutscher Staaten'' (=&nbsp;Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 22), dtv, München 1986, S. 35–39.</ref> Vielmehr wurde die Regierung am 23. Mai 1945 für abgesetzt erklärt und verhaftet. Mit der [[Berliner Erklärung (Alliierte)|Berliner Erklärung]] vom 5. Juni 1945 proklamierten die Alliierten auf Basis des Artikels&nbsp;4 der Kapitulationsurkunde die Übernahme der „obersten Regierungsgewalt in Deutschland“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/in/1945/niederlage-deutschlands_erkl.html Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945]</ref> Oberstes Organ des Besatzungsregimes und Träger der deutschen Staatsgewalt wurde der [[Alliierter Kontrollrat|Alliierte Kontrollrat]].<ref>Martin Vogt u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Deutsche Geschichte'', begründet von Peter Rassow, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1987, S. 731 f.; [[Gunther Mai]]: ''Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland 1945–1948. Alliierte Einheit – deutsche Teilung?'', Oldenbourg, München 1995, S. 3, 49.</ref><br />
<br />
{{Siehe auch|Deutsches Reich#Staatsrechtliche Fragen nach 1945|titel1=Deutsches Reich: Staatsrechtliche Fragen nach 1945|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
<br />
== Bezeichnungen für den NS-Staat ==<br />
Neben dem Begriff ''NS-Staat'' verwenden heutige Wissenschaftler Bezeichnungen wie ''NS-Diktatur'', ''NS-Regime'' und weiterhin auch ''„[[#Propagandistische Bezeichnungen|Drittes Reich]]“'', letzteres meist in Anführungsstrichen, um den ursprünglich [[Propaganda|propagandistischen]] Charakter dieses Begriffs hervorzuheben. Um das [[Politisches System|politische System]] des nationalsozialistischen Deutschland zu betonen, wird es oft als „[[Nationalsozialismus#Führerkult und Führerstaat|Führerstaat]]“ bezeichnet. [[Marxismus|Marxistische]] Historiker in der früheren [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und in [[Westdeutschland]] nutzten in diesem Fall Begriffe wie „deutscher [[Faschismus]]“ oder „faschistische Diktatur“.<ref>Z.&nbsp;B. [[Reinhard Kühnl]]: ''Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten'', Köln 1975; [[Jürgen Kuczynski]]: ''Geschichte des Alltags des deutschen Volkes. Studien 5: 1918–1945'', Berlin 1982.</ref> In der Umgangssprache sind Benennungen wie „Nazi-Deutschland“, „Hitlerdeutschland“ oder ähnliche Komposita üblich.<br />
<br />
=== {{Anker|Großdeutsches Reich|Altreich}} Amtliche Bezeichnungen ===<br />
Die zeitgenössische amtliche Bezeichnung des deutschen Nationalstaats für die Zeit von 1871 bis 1945 war ''[[Deutsches Reich]]''. Sie wird für diesen Zeitabschnitt auch heute noch in den [[Staatswissenschaften]] verwendet.<br />
[[Datei:DR 1943 862 Lübeck.jpg|mini|hochkant|„800 Jahre [[Lübeck]]“: Die erste offizielle deutsche Briefmarke mit dem Aufdruck ''Großdeutsches Reich'' vom 24. Oktober 1943]]<br />
<br />
Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] im März 1938 war zeitweilig die Bezeichnung ''Großdeutsches Reich'' offiziell in Gebrauch, so auch im [[Reichsgesetzblatt]]. Ein Erlass des Chefs der Reichskanzlei, [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung verbindlich,<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt, Jahrgang 1943, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert. Mit dem auch [[Umgangssprache|umgangssprachlich]] verwendeten Begriff ''Großdeutschland'' beanspruchte das NS-Regime, die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] [[großdeutsche Lösung]] erreicht zu haben, die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]]. Zudem deutete er expansive Absichten an: Die [[Nationalsozialistische Europapläne|Nationalsozialistischen Europapläne]] sahen vor, weitere Länder, etwa Norwegen, Dänemark, die Niederlande und Belgien, in ein neu zu schaffendes „Großgermanisches Reich“ einzugliedern.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref><br />
<br />
Gleichfalls seit dem Anschluss Österreichs, bezeichneten die deutschen Behörden das ursprüngliche Staatsgebiet, das nach 1945 so genannte [[Deutschland in den Grenzen von 1937]] als ''Altreich''. Die Unterscheidung war erforderlich, da für alle neu eingegliederten oder unter [[CdZ-Gebiet|deutsche Besatzungsverwaltung]] gestellten Gebiete Gesetze erlassen und Verwaltungsverfahren geschaffen wurden, die sich von denen des Altreichs unterschieden. Dazu zählten neben [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> u.&nbsp;a. auch das [[Sudetenland]], das [[Memelland]] und die [[Freie Stadt Danzig]], die alle 1938 und 1939 annektiert worden waren.<br />
<br />
=== Propagandistische Bezeichnungen ===<br />
Bereits vor 1933 war der Begriff ''Reich'' zum Kampfbegriff der Rechten und der [[Monarchismus im deutschsprachigen Raum|Monarchisten]] gegen die demokratische [[Weimarer Republik|Republik]] geworden. ''Das dritte Reich'', wie ein 1923 veröffentlichtes Buch von [[Arthur Moeller van den Bruck]] hieß, bezog sich auf die Tradition des ersten, des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation]], und des zweiten, des kleindeutschen [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]]; er meinte damit ein großdeutsches Reich.<br />
<br />
Die Idee eines „[[Drittes Reich|Dritten Reiches]]“ lässt sich dabei bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Der italienische Theologe [[Joachim von Fiore]] hatte seinerzeit ein drittes, tausendjähriges Zeitalter des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]] prophezeit, das auf die beiden Zeitalter [[Gott]]es und [[Jesus Christus]] folgen würde. Die Nationalsozialisten griffen das Schlagwort auf, weil es ihre Bestrebungen zu bündeln schien. Hitler versuchte des öfteren, den Mythos der „tausend Jahre“ für seine Herrschaft zu vereinnahmen. Später kamen ihm zum Begriff „Drittes Reich“ Bedenken. Man konnte über ein weiteres, ein [[viertes Reich]] spekulieren und die Kontinuität des Reiches der Deutschen in Frage stellen. Ab 1939 wollte er nicht mehr, dass der Begriff „Drittes Reich“ verwendet würde.<ref>[[Heinrich August Winkler]]: ''[[Der lange Weg nach Westen]]'', Band 2: ''Deutsche Geschichte 1933–1990''. C.H. Beck, München 2000, S. 6–8.</ref><br />
<br />
== Historisch-politologische Deutung ==<br />
Der NS-Staat wurde und wird von Historikern und Politikwissenschaftlern bis heute unterschiedlich gedeutet, wobei Konsens darüber besteht, dass es sich um Diktatur von außergewöhnlicher Gewaltsamkeit handelte. Der verbrecherische Charakter des Regimes steht außer Frage. Selbstdeutungen des NS-Staates wie „germanische Demokratie“<ref>Cornelia Schmitz-Berning: ''Vokabular des Nationalsozialismus''. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, S. 266 f. (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> spielen im wissenschaftlichen Diskurs der Gegenwart keine Rolle.<br />
<br />
Von [[Marxismus|Marxisten]] wurde der NS-Staat als faschistisch und somit als [[Soziale Klasse|Klassenherrschaft]] der [[Bourgeoisie]] gedeutet. Ihre kanonische Formulierung fand diese Annahme in der so genannten [[Faschismustheorie#Die Dimitroff-These|Dimitroff-These]] von 1933, wonach der Faschismus als „[[terror]]istische Diktatur der am meisten reaktionären, [[Chauvinismus|chauvinistischen]] und [[Imperialismus|imperialistischen]] Elemente des [[Finanzkapital]]s“ definiert wurde.<ref>[[Wolfgang Wippermann]]: ''Faschismustheorien. Zum Stand der gegenwärtigen Diskussion''. 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, S. 22 ff.</ref> Sie lag den geschichtswissenschaftlichen Analysen von Forschern aus der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und den anderen [[Ostblock]]staaten zugrunde, wo sie mitunter zur [[Agententheorie]] verkürzt wurden: Demnach wären Hitler und die anderen Nationalsozialisten bloße Agenten oder Marionetten der eigentlich herrschenden Kapitalistenklasse gewesen.<br />
<br />
Im [[Westliche Welt|Westen]] wurde demgegenüber von führenden Wissenschaftlern lange die [[Totalitarismus]]these vertreten: Demnach war der Nationalsozialismus ebenso wie der [[Stalinismus]] in der Sowjetunion eine Herrschaftsform, die durch eine allumfassende, keinen Widerspruch zulassende [[Ideologie]], eine hierarchisch organisierte [[Massenpartei]], einen Terrorapparat, ein staatliches Monopol an Kommunikationsmitteln und Waffen sowie eine zentrale Lenkung der Wirtschaft gekennzeichnet sei. Der NS-Staat wurde dabei als „monolithischer Führerstaat“ beschrieben, in dem widerspruchsfrei von oben nach unten durchregiert wurde.<ref>Julia Kölsch: ''Politik und Gedächtnis. Zur Soziologie funktionaler Kultivierung von Erinnerung.'' Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, S. 79.</ref> Diese Position war, ähnlich wie die Anwendung des Faschismusbegriffs von Seiten des Ostblocks, deutlich zweckgerichtet in der Auseinandersetzung des [[Kalter Krieg|Kalten Kriegs]].<ref>[[Michael Burleigh]] und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, S. 13.</ref> Nach dessen Ende wird der Totalitarismusbegriff heute in differenzierter Form von Forschern wie zum Beispiel von [[Uwe Backes]] und [[Eckhard Jesse]]<ref>Uwe Backes/Eckhard Jesse: ''Totalitarismus und Totalitarismusforschung. Zur Renaissance einer lange tabuisierten Konzeption''. In: ''[[Jahrbuch Extremismus & Demokratie]]'' 4 (1992), S. 7–27.</ref> von [[François Furet]] und [[Ernst Nolte]]<ref>[[Karsten Fischer (Politikwissenschaftler)|Karsten Fischer]]: ''Totalitarismus als komparative Epochenkategorie. Zur Renaissance des Konzepts in der Historiographie des 20. Jahrhunderts''. In: [[Alfons Söllner]], Ralf Walkenhaus, Karin Wieland (Hrsg.): ''Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts''. Akademie Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-05-007379-8, S. 289–294 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> oder von [[Hans-Ulrich Wehler]] verwendet.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte''. Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949''. C.H. Beck, München 2003, S. 600 u.ö.</ref> Der Historiker [[Wolfgang Wippermann]] dagegen lehnt ihn strikt ab, weil die ihm inhärente Gleichsetzung mit anderen Diktaturen „die [[Holocaustforschung#Singularitätsdebatte|Singularität des Holocaust]] in Frage stellt und auch in Frage stellen soll“.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Über einige theoretische und methodologische Grundfragen der Faschismusdiskussion''. In: derselbe und [[Werner Loh]] (Hrsg.): ''„Faschismus“ kontrovers''. Lucius und Lucius, Stuttgart 2002, ISBN 978-3-11-051070-6, S. 165 (hier das Zitat) (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
Bereits in der frühen 1940er Jahren hatten zwei deutsche Exilanten in den USA den NS-Staat allerdings mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung als deutlich heterogener beschrieben, als der Topos vom monolithischen Führerstaat glauben machte: [[Ernst Fraenkel (Politikwissenschaftler)|Ernst Fraenkel]] legte 1940/41 sein Buch ''[[Der Doppelstaat]]'' vor, in dem er die Janusköpfigkeit des NS-Staats herausarbeitete: Dieser bestehe aus zwei Bereichen: Der ''Normenstaat'' der herkömmlichen, bürokratisch arbeitenden Behörden und Ministerien und sei gekennzeichnet durch die Existenz von [[Rechtsnorm]]en, die grundsätzlich auf Berechenbarkeit angelegt seien und die der Aufrechterhaltung der privatkapitalistischen [[Wirtschaftsordnung]] dienten. Hier würden wie in jedem ordentlichen Staat auch Gesetze, [[Entscheidung (Gericht)|Gerichtsentscheidungen]] und [[Verwaltungsakt (Deutschland)|Verwaltungsakte]] gelten. Im Unterschied dazu folge der ''Maßnahmenstaat'', der durch die neu geschaffenen Organisationen der NSDAP geprägt sei, nicht dem [[Recht]], sondern ausschließlich situativen Nützlichkeitserwägungen. Beide zusammen würden die „[[Symbiose]] zwischen Kapitalismus und Nationalsozialismus“ bilden, im Konfliktfall setze sich aber immer der ''Maßnahmenstaat'' durch. Die Judenverfolgung sei dafür das zentrale Beispiel.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Kontroversen um Hitler.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, S. 32 f.; [[Michael Wildt]]: [http://docupedia.de/zg/wildt_fraenkel_doppelstaat_v1_de_2011 ''Die Transformation des Ausnahmezustands. Ernst Fraenkels Analyse der NS-Herrschaft und ihre politische Aktualität'', Version: 1.0]. In: ''[[Docupedia-Zeitgeschichte]]'', 1. Juni 2011 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref> 1944 beschrieb [[Franz Neumann (Politikwissenschaftler)|Franz Neumann]] in seinem Werk ''[[Behemoth (Franz Neumann)|Behemoth]]'' den NS-Staat als einen „Unstaat“: Es sei im Grunde nur eine Allianz wechselseitig voneinander abhängiger Machtblöcke, nämlich der NSDAP mit ihren Einzelorganisationen, der Großwirtschaft und der Reichswehr. Ab 1936 sei noch die SS bzw. die Gestapo dazu gekommen. Diese Allianz sei durchaus nicht stabil, vielmehr würden sich die Machtgewichte verschieben und zwar tendenziell zugunsten der SS.<ref>Ian Kershaw: ''Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 106 ff.; [[Armin Nolzen]]: [http://docupedia.de/zg/nolzen_neumanns_behemoth_v1_de_2011 ''Franz Leopold Neumanns „Behemoth“. Ein vergessener Klassiker der NS-Forschung'', Version: 1.0]. In: ''Docupedia-Zeitgeschichte'', 30. Mai 2011 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref><br />
<br />
Dieser Ansatz erwies sich in den 1960er und 1970er Jahren als fruchtbar: Martin Broszat, Reinhard Bollmus, [[Peter Hüttenberger]] und andere entwickelten daraus die Deutung des NS-Staates als einer [[Polykratie]]: In allen Politikfeldern habe es Institutionen mit sich überschneidenden Zuständigkeiten gegeben, die miteinander um Gestaltungsmöglichkeiten konkurriert hätten: Das [[Amt Rosenberg]], die [[NSDAP/AO]], die [[Dienststelle Ribbentrop]] und das [[Auswärtiges Amt|Auswärtige Amt]] in der Außenpolitik, die Schulbehörden und die [[Hitlerjugend]] in der Beeinflussung der Jugend, das [[Reichswirtschaftsministerium]], die [[Reichsbank]] unter [[Hjalmar Schacht]] und die [[Vierjahresplan]]behörde in der Wirtschaftspolitik, die Wehrmacht und die Waffen-SS als Streitkräfte usw. Die ständigen Gegensätze und Streitereien zwischen diesen Institutionen habe dann zu der destruktiven Radikalisierung der nationalsozialistischen Politik hin zu Krieg und Holocaust geführt, die sich somit [[NS-Forschung#Funktionalisten / Strukturalisten|funktionalistisch]] aus der Eigendynamik der anarchischen Ämterrivalität und ohne Berücksichtigung von Hitlers „Programm“, wie er es in ''[[Mein Kampf]]'' formuliert hatte, erklären ließen. Ihm wird in diesem Ansatz nur die Rolle eines Propagandisten, eines Repräsentanten des Gesamtsystems bzw. eines Schiedsrichters zugewiesen. [[Hans Mommsen]] spitzte 1971 diesen Ansatz in dem vielzitierten Bonmot zu, Hitler sei letztlich „ein schwacher Diktator“ gewesen, „entscheidungsunwillig“ und „häufig unsicher“.<ref>Ian Kershaw: ''Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 134–140; zitiert nach [[Rüdiger Hachtmann]]: [http://docupedia.de/zg/Hachtmann_polykratie_v1_de_2018 ''Polykratie – Ein Schlüssel zur Analyse der NS-Herrschaftsstruktur?'', Version: 1.0]. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 1. Juni 2018 (Zugriff am 5. Mai 2019).</ref><br />
<br />
Sozialwissenschaftler wie [[Ralf Dahrendorf]], [[David Schoenbaum]] und [[Rainer Zitelmann]] deuteten seit den 1960er Jahren den NS-Staat zumindest in seiner Wirkung als [[Modernisierung (Soziologie)|modernisierend]]: Wie der italienische Faschismus habe es sich um eine [[Entwicklungsdiktatur]] gehandelt. Der NS-Staat habe langjährige Traditionsfaktoren der deutschen Geschichte wie [[Adel]] und [[Kirche (Organisation)|Kirche]] ausgeschaltet, sei technikaffin gewesen, habe die deutsche Klassengesellschaft überwunden und die [[Soziale Mobilität]] für alle Schichten erhöht. Insofern könne man davon sprachen, dass im NS-Staat eine soziale [[Revolution]] stattgefunden habe.<ref>Klaus Hildebrand: ''Das Dritte Reich'' (=&nbsp;[[Oldenbourg Grundriss der Geschichte]], Band 17). Oldenbourg, München 1991, S. 143 f.; Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, S. 16 f.; [[Axel Schildt]]: [http://docupedia.de/zg/schildt_modernisierung_v1_de_2010 ''Modernisierung'', Version: 1.0]. In: ''Docupedia-Zeitgeschichte'', 11. Februar 2010 (Zugriff am 7. Mai 2019).</ref> Angesichts der antimodernen Zielsetzung des NS-Staat spricht [[Hans-Ulrich Thamer]] von der „Doppelrevolution des Nationalsozialismus“: eine „Revolution der Zwecke“ sei klar gegen die bürgerlich-industrielle Welt gerichtet gewesen, habe aber verwirklicht werden sollen durch eine „Revolution der Mittel“, die „einen bürgerlichen und industriellen Charakter hatte und die aufgehaltene Modernisierung der deutschen Gesellschaft wider Willen fortsetzte“.<ref>[[Hans-Ulrich Thamer]]: ''Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945''. Siedler, Berlin 1994, S. 468.</ref><br />
<br />
Diese Deutung stieß auf entschiedenen Widerspruch. Wolfgang Wippermann und [[Michael Burleigh]] charakterisieren den NS-Staat in ihrem 1991 erschienenen gemeinsamen Werk als „Rasse-Staat“: Alle seine Maßnahmen inklusive der scheinbar modernen oder revolutionären wie etwa die Verbesserung des [[Mutterschutz]]es hätten nur dem Ziel gedient, eine „barbarische [[Utopie]]“ zu verwirklichen: Die Ausrottung der Juden und die Erschaffung einer hierarchisch geordneten Gesellschaft, an deren Spitze erbgesunde [[Arier]] stehen sollten, sei, auch wenn es nie erreicht wurde, das [[NS-Forschung#Intentionalisten|programmatische]] Ziel des NS-Staats gewesen. Insofern habe Hitler als derjenige, der dieses Ziel verbindlich formulierte, durchaus keine untergeordnete oder schwache Rolle gespielt. Weil der NS-Staat anstrebte, eine Rassen- statt einer Klassengesellschaft zu werden, seien Deutungen als Faschismus, Totalitarismus oder Modernisierungsdiktatur ohne nennenswerten Erkenntniswert.<ref>Michael Burleigh und Wolfgang Wippermann: ''The Racial State. Germany 1933–1945.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991, passim, das Zitat S. 23.</ref> Auch [[Wolfgang Benz]] glaubt, dass der „der Antisemitismus, der die Rassenkonstrukte des 19. Jahrhunderts übernahm“, für den Nationalsozialismus konstitutive Bedeutung hatte.<ref>Wolfgang Benz: ''Nationalsozialismus.'' In: derselbe (Hrsg.): ''[[Handbuch des Antisemitismus]].'' Band 3: ''Begriffe, Ideologien, Theorien.'' De Gruyter Saur, Berlin 2008, ISBN 978-3-598-24074-4, S. 223 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref><br />
<br />
Hans-Ulrich Wehler beschreibt den NS-Staat als „Führer[[absolutismus]]“, in der der [[Charismatische Herrschaft|Charismatische Herrscher]] Hitler das unbestrittene Recht zur letztinstanzlichen Entscheidung in allen Streitfragen innegehabt habe. Diese „Monokratie“ stehe keineswegs im Widerspruch zu der oben beschriebenen Polykratie der untergeordneten Instanzen, sondern diese sei nachgerade ihre Gelingensbedingung: Im Sinne seines [[Sozialdarwinismus]] habe Hitler seine Satrapen solange streiten lassen, bis sich der Stärkste durchgesetzt habe. Dieses Ergebnis habe er nur noch sanktionieren müssen, ohne sich selbst in die Streitereien einmischen und Widerspruch auf sich ziehen zu müssen. Dadurch habe er seinen Nimbus als „außeralltäglicher Sendbote“ behalten können, der ihm die [[Zustimmung zum Nationalsozialismus|Zustimmung der großen Mehrheit der Deutschen]] gesichert habe.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte'', Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949.'' C.H. Beck, München 2003, S. 617–628.</ref><br />
<br />
Auf den großen Konsens in der Bevölkerung, der das Regime trug, hebt auch [[Götz Aly]] in seinem Werk ''[[Hitlers Volksstaat]]'' ab. Für ihn war der NS-Staat eine „Gefälligkeitsdiktatur“, die sich das Wohlwollen der Gesellschaft durch Überwindung der [[Massenarbeitslosigkeit#Neuzeit|Massenarbeitslosigkeit]], vor allem aber durch Umverteilung [[Arisierung|arisierter]] jüdischer Vermögen und nach 1939 durch rücksichtslose Ausbeutung der im Weltkrieg besetzten Gebiete sicherte.<ref>Götz Aly: ''Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, passim, das Zitat S. 49.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945.'' 6., erweiterte und aktualisierte Auflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Ulrich Herbert]]: ''Das Dritte Reich. Geschichte einer Diktatur'' (=&nbsp;C.H.Beck Wissen). 3. Auflage, Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72240-0.<br />
* [[Ludolf Herbst]]: ''Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945'', edition suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-11285-6.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich.'' Band 1: ''Aufstieg'', München 2004, ISBN 3-421-05652-8; Band 2: ''Diktatur'', München 2007, ISBN 978-3-421-05653-5; Band 3: ''Krieg'', München 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Ernst Klee]]: ''[[Das Personenlexikon zum Dritten Reich]]. Wer war was vor und nach 1945.'' Edition Kramer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-9811483-4-3; S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-039309-0.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik.'' 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte.'' Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
<br />
== Film ==<br />
* [[Michael Kloft]]: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
{{Portal|Nationalsozialismus}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
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<br />
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<br />
[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
[[Kategorie:Deutsche Geschichte (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der deutschen Länder]]<br />
[[Kategorie:Diktatur]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Westpreu%C3%9Fen&diff=195558568Provinz Westpreußen2020-01-06T10:56:54Z<p>Exec: /* Besitzergreifung durch das Königreich Preußen */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{{Infobox Preußische Provinz<br />
|Provinzname = Westpreußen<br />
|Flagge = [[Datei:Flagge Preußen - Provinz Westpreußen.svg|150px|Flagge der Provinz Westpreußen]]<br />
|Wappen = [[Datei:Wappen Preußische Provinzen - Westpreußen.png|150px|Wappen der Provinz Westpreußen]]<br />
| Karte = [[Datei:Westpreußen und DanzigerBucht.png|300px|Westpreußen und Danziger Bucht 1896]]<br />
|Hauptstadt = [[Danzig]]<br />
|Periode = 1773–1829<br />1878–1919<br />
|Fläche = 25.554,6 [[km²]] (1910)<ref name="gvz">[http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900/gem1900.htm?preussen1900.htm Preußische Provinzen 1910]</ref><br />
|Einwohner = 1.703.474 (1910)<ref name="gvz" /><br />
|Bevölkerungsdichte = 67 Ew./km² (1910)<br />
|Religionen =<br />
|Vorläufer = [[Preußen königlichen Anteils]],<br />
|Nachfolger = [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]<br />
|Heute = [[Woiwodschaft Pommern]], [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern]] und [[Woiwodschaft Großpolen]]<br />
|Karte Preußen = [[Datei:Map-Prussia-WestPrussia.svg|275px|Rot: Lage der Provinz Westpreußen in Preußen (blau)]]<br />
|Kfz-Kennzeichen = <tt>I D</tt><br />
|Verwaltung =<br />
}}<br />
<br />
'''Westpreußen''' war eine [[Verwaltungsgliederung Preußens#Provinzen|preußische Provinz]] beiderseits der unteren [[Weichsel]] mit der Hauptstadt [[Danzig]]. Sie wurde 1772/1793 zur Zeit der [[Teilung Polens|Ersten und Zweiten Teilung]] [[Polen-Litauen]]s aus [[Annexion|annektierten]] Gebieten des [[Preußen Königlichen Anteils]] gebildet, ergänzt durch einen Teil des [[Oberland (Ostpreußen)#Oberländischer Kreis|preußischen Oberlands]] um [[Prabuty|Riesenburg]] und [[Kwidzyn|Marienwerder]], das zum Regierungssitz wurde. Die Provinz umfasste das [[Kulmerland]], [[Pomesanien]], [[Pommerellen]] sowie Teile [[Großpolen]]s: von 1775 bis 1807 den gesamten [[Netzedistrikt]], danach nur noch dessen nördliche Teile um [[Złotów|Flatow]] und [[Wałcz|Deutsch Krone]]. Der preußische König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] hatte 1772 verfügt, dass die Provinz den Namen ''Westpreußen'' erhalten sollte, während das bisherige ''Königreich Preußen'', vereinigt mit dem [[Ermland]], fortan den Namen ''[[Ostpreußen]]'' führen sollte.<br />
<br />
Das Gebiet bildet heute den Hauptteil der polnischen [[Woiwodschaft Pommern]].<br />
<br />
== Lage und Naturraum ==<br />
Das Territorium Westpreußens besteht aus zwei Höhenländern und dem zwischen diesen in Form einer Mulde eingebetteten unteren [[Weichsel]]tal. Das östlich der Weichsel liegende Plateau ist Teil der [[Baltische Seenplatte|Baltischen Seenplatte]], die von der [[Ostsee]], der Weichsel und der polnisch-litauischen Ebene begrenzt wird. Das Territorium Westpreußen liegt im Westen des Oberlandes. Es ist mäßig bewaldet und hat größtenteils fruchtbaren Boden. Der Boden des südlichen Teils, des sogenannten [[Kulmer Land]]s, galt als der fruchtbarste [[Weizen]]boden der gesamten [[Königreich Preußen|Preußischen Monarchie]]. Der südöstlich an [[Masuren]] grenzende Landstreifen, d.&nbsp;h. die ehemaligen Kreise [[Kreis Strasburg|Strasburg]] und [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] enthalten bereits mehr Sandschollen. Sie finden sich aber nirgends in der Ausdehnung vor wie auf dem linksseitigen Weichselufer. Das westlich der Weichsel gelegene Plateau wird zur [[Pommersche Seenplatte|pommerschen Seenplatte]] gerechnet, die zwischen der Ostsee, der Weichsel und der pommerisch-neumärkischen Ebene liegt.<ref name="FWFS38">[[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, S. 33–47, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA38 S. 38–40.],</ref><br />
<br />
Die ganze Platte zerfällt in folgende drei Gruppen:<ref name="FWFS38" /><br />
* Bergland von Nord[[pommerellen]]<br />
* [[Tucheler Heide]]<br />
* südpommerellisches Höhenland<br />
<br />
Die Provinz Westpreußen lag zur Zeit des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreiches]] (1871–1918) im Nordosten des [[Deutsches Reich|Reichsgebiets]] und wurde im Wesentlichen durch die drei Nachbarprovinzen Ostpreußen, [[Provinz Posen|Posen]] und [[Provinz Pommern|Pommern]] eingegrenzt. Im Südosten gab es eine Außengrenze zu [[Kongresspolen]], also zum [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]]. Im Norden bildete die [[Ostsee]] eine natürliche Grenze.<br />
<br />
Die Küste umfasste naturräumlich im Westen noch rund 30&nbsp;km der für [[Hinterpommern]] typischen [[Ausgleichsküste]], nach Osten anschließend aber machte die [[Nehrung]]sküste den Hauptküstenabschnitt aus. Zur offenen See war, ohne die [[Putziger Nehrung]], die Küste rund 130&nbsp;km, unter Berücksichtigung genannter Halbinsel 200&nbsp;km lang. Ganz im Osten gehörte noch ein kleiner Teil der [[Frische Nehrung|Frischen Nehrung]] zu Westpreußen.<br />
<br />
Der Großteil der Provinz bestand aus dem [[Baltischer Landrücken|Baltischen Landrücken]], einer hügeligen, seenreichen und sehr fruchtbaren, dem heutigen Ostholstein sehr ähnlichen [[Jungmoräne]]nlandschaft. Hier liegt südwestlich von Danzig auch der höchste Berg der Provinz, der 329 Meter hohe [[Wieżyca|Turmberg]], der zudem der höchste Berg des Baltischen Landrückens überhaupt ist.<br />
<br />
Die südlichsten Bereiche der Provinz waren durch [[Altmoräne]]n und [[Sander]] geprägt, einer eher unfruchtbaren, seenarmen, der Lüneburger Heide nicht unähnlichen Landschaft. Östlich von Danzig bis zum [[Frisches Haff|Frischen Haff]] liegt das [[Flussdelta|Deltagebiet]] von [[Weichsel]] und [[Nogat]], eine waldarme und fruchtbare [[Tiefebene]] und [[Marsch (Schwemmland)|Marschlandschaft]], ähnlich den Marschen der [[Weser|Unterweser]] und teilweise unter dem Meeresspiegel liegend.<br />
<br />
== Vorgeschichte ==<br />
Das [[Kulmer Land]] war im 13. Jahrhundert der Ausgangspunkt zur Schaffung des [[Deutschordensstaat]]s Preußen. [[Toruń|Thorn]] im Kulmer Land ist die älteste Stadt [[Preußen]]s.<ref name="AFB162">[[Anton Friedrich Büsching]]: ''Auszug aus einer Erdbeschreibung. Erster Theil, welcher Europa und den nordlichen Theil von Asia enthält''. Hamburg 1771, [https://books.google.de/books?id=YPTRwbRKr3oC&pg=PA163 S. 162–166.]</ref> Aufgrund von Erbstreitigkeiten an der Wende des 13./14. Jahrhunderts eroberte der Deutsche Orden 1308 das zwischen der [[Mark Brandenburg]] des Markgrafen [[Waldemar (Brandenburg)|Waldemar]] und [[Königreich Polen]] des Herzogs [[Władysław I. Ellenlang]] umstrittene Gebiet des [[Herzogtum Pommerellen|Herzogtums Pommerellen]] und fügte es dem eigenen Herrschaftsgebiet ein, ein Prozess, der im [[Vertrag von Soldin (1309)|Friedensvertrag von Soldin]] 1309 und im [[Vertrag von Kalisch (1343)|Friedensvertrag von Kalisch]] 1343 seinen Abschluss fand.<br />
<br />
Anfang des 15. Jahrhunderts begehrten viele der zumeist deutschsprachigen Städte des Landes gegen die Herrschaft der Deutschordensritter auf; 1440 gründeten einige den gegen den Orden opponierenden [[Preußischer Bund|Preußischen Bund]] und unterstellten sich später freiwillig unter Beibehaltung der eigenen Verfassung und weitreichender [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]] der Schirmherrschaft der Krone Polens, das heißt des polnischen Königs persönlich.<br />
<br />
Nach mehreren Kriegen zwischen Polen und dem Preußischen Bund einerseits und dem Orden andererseits wurde der Deutschordensstaat im [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Thorner Frieden]] 1466 geteilt. Der Orden musste seine Besitzungen beiderseits der unteren Weichsel an das autonome, unter der Schirmherrschaft des Königs von Polen stehende [[Preußen Königlichen Anteils]], das sich größtenteils aus den vom Orden bereits zuvor abgefallenen Städten zusammensetzte, abtreten und sich mit seinem Restgebiet ([Ost-] Preußen ohne Ermland) selber polnischem [[Supremat]] unterwerfen. Vertragspartner waren die Vertreter des Deutschen Ordens, des Königs von Polen und die im Preußischen Bund organisierten [[Ständeordnung|Stände]] des pommerellisch-preußischen Landes. Obwohl mit Polen zu einem Staatskörper verbunden, hatte das Land doch seine eigene Verfassung behalten und mit Polen und Litauen eigentlich nur den Herrscher gemeinsam. Der Preußische Bund hatte sich vertraglich zusichern lassen, dass der Herrscher nach seiner Krönung zuerst die Privilegien Preußens Königlichen Anteils bestätigen müsse, bevor er von dem Land die Huldigung empfing.<ref>A. C. A. Friederich: ''Historisch-Geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens''. Berlin 1839,<br />
[https://books.google.de/books?id=WLRfAAAAcAAJ&pg=PA121 S. 121.]</ref><br />
<br />
Historiker und Kartographen bezeichneten das Preußen Königlichen Anteils oder Polnisch-Preußen, latinisiert als ''Prussia Occidentalis'', schon bevor es auch in deutscher Sprache offiziell Westpreußen hieß.<br />
<br />
Unter polnischer Oberhoheit hatten die großen Städte Thorn, Danzig und Elbing, die verkehrsgünstig an Wasserwegen lagen und durch den Handel wirtschaftlich aufblühten, ihre Selbständigkeit am besten behaupten können. Das übrige Gebiete gliederte sich ab 1466 in die [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Culm|Culm]], [[Woiwodschaft Marienburg|Marienburg]] und [[Woiwodschaft Pommerellen (1454–1772)|Pommerellen]]. Preußen Königlichen Anteils litt unter den Eingriffen der Reichsstände in seine Vorrechte und Privilegien, an den Verwüstungen durch unglücklich geführte Kriege, an der durch Erpressungen aller Art erzwungenen Beteiligung an Kriegskosten und an der Despotie des Adels, der zwar Kriegssteuern eintrieb, selbst jedoch nichts entrichtete. Der Bauernstand geriet nach und nach in Leibeigenschaft.<ref name="FG193">[[Ferdinand Gottschalk (Historiker)|Ferdinand Gottschalk]]: ''Preußische Geschichte''. 1. Band, Königsberg 1850, [https://books.google.de/books?id=lNdCAQAAMAAJ&pg=RA1-PA193 S. 193–194.]</ref> Aufgrund erhaltener Privilegien begannen Teile des Adels sich schnell zu assimilieren, polonisierten sogar ihre Eigennamen und gewöhnten sich polnische Sitten und Lebensart an.<ref name="FG193" /><ref>[[Bernhard von Winckler]]: ''Westpreußische Studien''. In: ''Altpreußische Monatsschrift'', Band 3, Königsberg 1866, [https://books.google.it/books?id=TOEVAAAAYAAJ&pg=PA415 S. 415–440]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><br />
<br />
== Die ersten Jahre 1772–1806 ==<br />
=== Besitzergreifung durch das Königreich Preußen ===<br />
Durch die [[Erste Teilung Polens|Erste Teilung]] [[Polen-Litauen]]s 1772 wurde Preußen Königlichen Anteils als Provinz Westpreußen dem [[Königreich Preußen]] einverleibt. Nach dem Abschluss des Teilungsvertrages mit Österreich und Russland vom 5.&nbsp;August 1772 erließ Friedrich der Große am 13. September 1772 das sogenannte „Besitzergreifungs[[Dekret|patent]]“. Das [[Sejm|polnische Parlament]] ratifizierte unter dem Druck der drei Teilungsmächte die Abtretungsverträge am 30. September 1773, so dass diese [[völkerrecht]]lichen Charakter erhielten. Im Unterschied zu dem (im 19. Jahrhundert zur [[Provinz Posen]] gehörenden) [[Netzedistrikt]], zu dem 1772 auch die ab 1807 südwestlichen westpreußischen Kreise [[Kreis Deutsch-Krone|Deutsch-Krone]] und [[Kreis Flatow|Flatow]] gehörten, bestand Westpreußen ursprünglich nur aus Gebieten, die ehedem dem Deutschordensstaat unterworfen gewesen waren.<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref> Nach der durch diese Einverleibung Preußen Königlichen Anteils erreichten Wiedervereinigung der westlichen Teile Preußens mit dem östlichen Teil konnte sich der preußische König nun ''König von Preußen'' nennen, statt wie vorher nur ''König in Preußen''.<br />
<br />
Die [[Hohenzollern]] hatten damit eine Landverbindung zwischen dem ''Königreich Preußen'' und den innerhalb des [[Heiliges Römisches Reich|Reichs]] liegenden Kerngebieten des preußischen Staates geschaffen. Im Ermland und in den Städten wie z.&nbsp;B. [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] war die Bevölkerung bis zu dieser Zeit fast vollständig, in den übrigen Gebieten des westlichen Preußen etwa zur Hälfte deutschsprachig.<ref>[http://www.treuburg.com/index.php?sv=268&PHPSESSID=8006a9f531912ac21c5422770e8e8b71 Kreisgemeinschaft Treuburg]</ref><br />
<br />
[[Datei:K0nigl+herzoglPreussen.png|mini|300px|Hellgrau: [[Herzogtum Preußen|Herzoglich Preußen]].<br />Farbig: [[Preußen königlichen Anteils|Königlich Preußen]] mit seinen Woiwodschaften als Teil [[Polen-Litauen]]s]] <br />
[[File:Entwicklung̠Westpreussen.png|mini|300px|Entwicklung Westpreußens 1228/1454-1945]] <br />
General [[Stutterheim (Adelsgeschlecht)|von Alt-Stutterheim]] und der ostpreußische Staatsminister und Oberburggraf von Rohd nahmen mit mehreren Unterkommissionen und der nötigen militärischen Begleitung die polnischen [[Wojewodschaft]]en Pommerellen, Kulmerland und Marienburg sowie das [[Fürstbistum Ermland]] in Besitz. Nennenswerten Widerstand gab es nicht. Gleichzeitig ergriff der Geheime Finanzrat [[Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff|von Brenkenhoff]] Besitz vom Gebiet des späteren [[Netzedistrikt]]s. Bereits am 27. September huldigten die [[Ständegesellschaft|Stände]] des gesamten neuen Gebietes den beiden königlichen Kommissaren im Großen Remter der [[Ordensburg Marienburg|Marienburg]]. Eine zweite Huldigung erfolgte am 22. Mai 1775 vor Brenkenhoff in [[Inowrocław|Inowraclaw]], nachdem die Grenzen des Netzedistrikts erweitert worden waren.<br />
<br />
Preußen vereinbarte im Frühjahr 1793, während es sich mit dem [[Französische Revolution|revolutionären Frankreich]] im Kriegszustand befand, mit Russland, weitere Teile des polnischen Staates unter sich zu teilen. Unter anderem sollten Danzig und Thorn zu Westpreußen kommen. Um ihre Selbständigkeit besorgt, hatten die beiden Städte sich zunächst gegen die Übernahme gesträubt.<ref>[[Christian Konrad Wilhelm von Dohm|Christian Wilhelm von Dohm]]: ''Denkwürdigkeiten meiner Zeit oder Beiträge zur Geschichte vom letzten Viertel des achtzehnten und vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts 1778 bis 1806''. 2. Band, Lemgo und Hannover 1815, [https://books.google.de/books?id=pYxF-iL2YUsC&pg=PA81 S. 81 ff.]</ref> Am 11. März 1793 beschlossen der Rat und die Bürgerschaft der Stadt Danzig jedoch einstimmig, sich der [[Hoheit (Staatsrecht)|Oberhoheit]] des preußischen Königs zu unterstellen. Am 28. März sollten die [[Preußische Armee|preußischen Truppen]] unter General [[Karl Albrecht Friedrich von Raumer|Raumer]] in die Außenwerke der Stadt einrücken. Dabei kam es zu einer Meuterei der Danziger Stadtsoldaten, die sich gegen ihre Offiziere stellten und auf die anrückenden Preußen zu schießen begannen. Unter den Danziger Stadtsoldaten waren viele zuvor aus preußischen Diensten desertiert und fürchteten nun, dafür bestraft zu werden. Schließlich gelang es den Stadtvätern, die Meuterei zu unterdrücken. Am 4. April wurde die von den Bürgern überwiegend begrüßte Annexion Danzigs vollzogen.<br />
<br />
=== Innere Verwaltung ===<br />
Der König hatte 1772 angeordnet, dass das Ermland unter die Verwaltung der Königsberger [[Kriegs- und Domänenkammer]] kommen sollte. Für die neuen Gebiete Elbing, Marienburg, Kulmerland und Pomerellen sollte eine neue Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder eingerichtet und ihr auch die preußischen Ämter Marienwerder und [[Prabuty|Riesenburg]] und die [[Amt (Kommunalrecht)|Erbämter]] [[Burg Schönberg (Ostpreußen)|Schönberg]] und [[Iława|Deutsch-Eylau]] zugeschlagen werden. Der Netzedistrikt sollte zunächst eine selbständige Verwaltung unter dem Geheimen Finanzrat von Brenkenhoff erhalten.<br />
<br />
Schon im Juni 1772 hatte Friedrich bei einer persönlichen Zusammenkunft in Marienwerder den Präsidenten der Gumbinner Kriegs- und Domänenkammer, [[Johann Friedrich Domhardt]], zum Oberpräsidenten aller drei preußischer Kammern, der Königsberger, der Gumbinner und der für die zu erwerbenden Gebiete neu zu schaffenden Marienwerderschen Kammer ernannt. Dabei wurde die Marienwerder Kammer zunächst nicht dem [[Generaldirektorium]] in Berlin unterstellt, sondern blieb unmittelbar vom König abhängig. In einer Kabinettsorder vom 31. Januar 1773 an Domhardt gab Friedrich der neuen Provinz den Namen „Westpreußen“, während die alte Provinz Preußen nunmehr „Ostpreußen“ heißen sollte. Beide Provinzen zusammen bildeten nun das souveräne „Königreich Preußen“. Friedrich nannte sich nun „König von Preußen“, statt bisher „König in Preußen“.<br />
<br />
Westpreußen wurde in sieben (adlige) „Landrätliche Kreise“ eingeteilt, nämlich:<br />
* [[Kreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
* [[Kreis Marienburg (Westpreußen)|Marienburg]]<br />
* [[Kreis Kulm|Kulm]]<br />
* [[Kreis Michelau|Michelau]]<br />
* [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
* [[Kreis Preußisch Stargard|Stargard]]<br />
* [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
<br />
Der Netzedistrikt, das „Cammer-Deputations-Departement“, wurde 1775 völlig in Westpreußen einverleibt. Es wurden vier Landrätliche Kreise eingerichtet:<br />
* [[Landkreis Bromberg|Bromberg]]<br />
* [[Kreis Hohensalza|Inowraclaw]]<br />
* [[Kreis Kamin|Kamin]]<br />
* [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
<br />
An der Spitze eines landrätlichen Kreises stand der von der Regierung ohne Mitwirkung der Kreiseingesessenen ernannte Landrat. Er gehörte fast durchweg dem Adel, wenn auch nicht immer dem einheimischen, an. Als staatlicher Beamter hatte er die allgemeine polizeiliche Aufsicht über die adligen Güter, ihre Bauern und über die Kölmer. 1787 erhielt die westpreußische Ritterschaft das Privileg, freigewordene Landratsstellen durch Wahl aus ihrer Mitte zu besetzen.<br />
Neben den Landräten standen die „Beamten“, das waren die Verwalter der kgl. Domainenämter innerhalb des gleichen landrätlichen Kreises.<br />
Eine dritte Gruppe bildeten die Steuerräte. Sie verwalteten die Steuerkreise, in denen jeweils eine Anzahl von Städten mit deren Kammergütern zusammengefasst war.<br />
<br />
Diese drei Institutionen griffen zwar räumlich ineinander über, ihre Amtsbefugnisse waren jedoch streng getrennt. Den Landräten oblag die Einziehung der Kontribution vom Adel, den Domainenämtern die Einziehung der Pachterträgnisse (Praestation) der zu ihrem Amt gehörenden Pachtgüter, und die Steuerräte hatten für die Erhebung der Akzise vom Stadtbesitz, den Kammergütern, zu sorgen. Dazu gehörte auch die Umsatzsteuer, die an den Stadttoren von den eingeführten und ausgeführten Waren erhoben wurde.<br />
<br />
Das Geld war der preußische [[Reichstaler]] zu je 90 [[Groschen]] (letzterer Groschen zu je 18 Pfennig). Daneben galt der polnische Gulden (=&nbsp;fl, Zloty) zu 1/3 Reichstaler = 30 Groschen.<br />
<br />
Die Landeinheit war die kulmische [[Hufe]] (etwa 16,8&nbsp;ha) zu je 30 Morgen, letzterer Morgen zu je 300 (Quadrat)-[[Rute (Einheit)|Ruten]].<br />
<br />
Ab 1793 war mehr und mehr die Magdeburger Hufe [[Magdeburger Maß]], etwa 7,7 ha zu je 30 Magdeburger [[Morgen (Einheit)|Morgen]], letzterer Morgen zu je 180 (Quadrat)-Ruten im Gebrauch.<br />
<br />
=== Justizverwaltung ===<br />
Im polnischen Preußen war es durch das Nebeneinander des kulmischen und eines dem polnischen nachgebildeten Adelsrechts nicht zu einer einheitlichen Kodifikation gekommen. Für die große Mehrheit der [[Leibeigenschaft|leibeigenen]] Bauern gab es überhaupt kein geregeltes Recht. Durch das „Notifikationspatent, betreffend die Einrichtung des Justizwesens“ vom 28. September 1772 wurden das bisher gültige Recht und die Gerichte aufgehoben. Die in Ostpreußen erprobte Gerichtsverfassung und das dort geltende „Verbesserte Landrecht von 1721“ wurden jetzt auch in Westpreußen eingeführt.<br />
<br />
Es wurden zwei Obergerichte eingerichtet:<br />
* Die „Westpreußische Regierung“ zu Marienwerder für das eigentliche Westpreußen. Es erhielt den Namen „Regierung“, weil es neben der obergerichtlichen Rechtsprechung auch Verwaltungsaufgaben in [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheits-]], Kirchen- und Schulsachen einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erfüllen hatte. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Trennung von Justiz und Verwaltung durch.<br />
* Das „Westpreußische Hofgericht“ zu Bromberg, welches keine Verwaltungstätigkeiten ausübte und nur als Obergericht für die vier Kreise des Netzedistrikts tätig war.<br />
Untergerichte waren<br />
* die Domainenjustizämter,<br />
* die Stadtgerichte,<br />
* die Patrimonialgerichte.<br />
<br />
* Elf Domainenjustitzämter in Westpreußen und vier im Netzedistrikt wurden eingerichtet. Sie traten an die Stelle der Starosteigerichte. Mehrere Domänen wurden dabei unter der Leitung eines fachlich gebildeten Justizamtmanns zusammengefasst.<br />
* Die Stadtgerichte und<br />
* die [[Patrimonialgerichtsbarkeit]] der adligen Güter blieben erhalten. Sie wurden jedoch reformiert und einer Beaufsichtigung durch die Obergerichte unterworfen.<br />
Einen gewissen Abschluss fand die Rechtsentwicklung mit der Einführung des [[Allgemeines Landrecht|„Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten“]] am 1. Juni 1794.<br />
<br />
=== Kontributionskataster ===<br />
* Im Steuerwesen wurde durch die „Instruktion für die Klassifikationskommission“ vom 5. Juni 1772 die [[Kontribution]] eingeführt. Es fand vom September 1772 bis Anfang 1773 eine genaue Vermessung des Landes und eine Schätzung des Ertrages der einzelnen Grundstücke statt. Dabei wurde die Güte der Böden „klassifiziert“, die zu leistende Abgabe, die Kontribution, also nicht allein nach der Flächengröße, sondern auch nach der Bodenqualität der Grundstücke festgesetzt. Diese Erhebungen zeigten den trostlosen Zustand des flachen Landes und der kleinen Städte. Da sie zu steuerlichen Zwecken erhoben worden sind, kann ihnen nicht die Absicht unterstellt werden, den vorgefundenen Zustand absichtlich schlecht dargestellt zu haben. Ihr Quellenwert ist daher unbestritten.<br />
* Das Kontributionskataster enthielt aber auch eine namentliche Erfassung aller Haushaltsvorstände, jeweils mit der Angabe, wie viele männliche und weibliche Personen jeweils unter und über 12 Jahren jeder Haushalt umfasste, welche Berufe ausgeübt wurden und welcher Konfession die Personen waren. Eine Erfassung der ethnischen Zugehörigkeit (Deutsche, Kaschuben, Polen) hat bei dieser Gelegenheit nicht stattgefunden. Ein Nationalgefühl war damals noch nicht ausgeprägt. Aufgrund anderer Quellen weiß man aber, dass die pommerellische Bevölkerung etwa zur Hälfte aus Deutschen, zur anderen Hälfte aus [[Kaschuben]] und Polen bestand. Die Deutschen waren im Allgemeinen lutherisch und lebten hauptsächlich in den Städten und als Bauern in einem west-östlich verlaufenden Streifen im Netzegebiet. Das Kontributionskataster ist heute noch eine Fundgrube für Familienforscher.<br />
<br />
=== Maßnahmen zur Förderung des Landes ===<br />
'''Infrastruktur''':<br />
* Der König sorgte auch für die Erhaltung und Verbesserung der Deiche in der Weichsel- und Nogatniederung und für die Schiffbarmachung der Nogat.<br />
* Nach nur zwei Jahren Bauzeit war der [[Kanał Bydgoski|Bromberger Kanal]] 1774 fertig geworden. Mit 27&nbsp;km Länge, einer Scheitelhöhe von 25&nbsp;m und neun Schleusen verbindet er die Oder mit der Weichsel und erschien jener Zeit geradezu als Wunderwerk.<br />
* Geregelte Postverbindungen in der ganzen Provinz dienten der Wirtschaft und der Verwaltung.<br />
<br />
'''Land- und Forstwirtschaft''':<br />
* Die zahlreichen [[Starostei]]en wurden in Domänen umgewandelt und an deutsche bürgerliche Domänenbeamten verpachtet.<br />
* Der umfangreiche Kirchenbesitz wurde in staatliche Verwaltung genommen. Die kirchlichen Einrichtungen blieben jedoch Eigentümer und erhielten eine Art Pachtentschädigung.<br />
* Die umfangreichen, aber völlig verwahrlosten Forsten wurden in eine gegliederte staatliche Forstverwaltung genommen. Für den Forstdienst wurden generell ausgediente Soldaten, auch Invaliden, aus dem Jägerkorps eingesetzt, die regelmäßig in Abständen von mehreren Jahren an andere Orte versetzt wurden.<br />
* Besondere Förderung erhielt die Landwirtschaft durch billige Abgabe guten Saatgetreides und durch die Einführung des Kartoffelanbaus, durch den die regelmäßig bestehende Gefahr von Hungersnöten gebannt wurde. Die Kartoffel gedieh gut auf den sandigen Böden. Es wurde Sorge getragen für eine Vermehrung und Verbesserung des Viehbestandes und die Anpflanzung von Obstbäumen.<br />
* Durch die Errichtung der „Westpreußischen Landschaft“ im Jahre 1787 wurde die Verschuldung und das Hypothekenwesen der adligen Güter geordnet. Es war eine Verbindung der freiwillig daran teilnehmenden adligen Güter und deren Besitzer zu einer – wie wir heute sagen würden – Pfandbrief- und Bodenkreditanstalt. Zu deren Einrichtung und Fonds stiftete der König 200.000 Reichstaler. Für die ausgegebenen Pfandbriefe hafteten alle teilnehmenden Grundstücke. Die Pfandbriefe mussten überwiegend in kleinen Stückelungen von 50 und 100 Reichstalern ausgegeben werden, damit sie möglichst breiten Absatz fanden. Dagegen konnten die Teilnehmer günstige Kredite erhalten.<br />
<br />
'''Schulwesen''':<br />
* Der König hatte schon im Jahre 1763 das „General-Landschul-Reglement“ erlassen. Darin war die allgemeine Schulpflicht angeordnet worden. Es traf ferner Bestimmungen über die Wahl [[Lehrerseminar|seminaristisch]] gebildeter Lehrer, den Umfang des Unterrichtsstoffs und über die Beaufsichtigung der Schulen. Dieses Schulgesetz wurde 1772 auch in Westpreußen eingeführt und zunächst durch Einrichtung von Schulen auf den Domänenämtern für die Bildung des Landvolkes gesorgt. Rund 150 Schulen sind unter Friedrichs Regierung in Westpreußen gegründet worden. Am Ende des Jahrhunderts gab es in Westpreußen 180 städtische und 750 Landschulen.<br />
* Die höhere Schulbildung hatte im polnischen Preußen in den Händen des Jesuitenordens gelegen. Dieser Orden war durch das päpstliche [[Breve (Schriftstück)|Breve]] vom 21. Juli 1773 aufgehoben worden. Friedrich ordnete daher die Umwandlung der Kollegien in Rößel, Graudenz, Konitz, Bromberg, Marienburg und Deutsch-Krone zu katholischen Gymnasien an. Die Kollegien in Alt-Schottland und Braunsberg wurden zu Bildungsanstalten für den katholischen Klerus. Leiter und Lehrer wurden die ehemaligen Mitglieder des Ordens.<br />
<br />
'''Heereswesen''':<br />
* Friedrich hatte von Anfang an auch an eine Vermehrung [[Preußische Armee|seines Heeres]] gedacht. Fünf neue Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment, daneben Artillerie und Garnisonstruppen konnten aufgestellt werden.<br />
* Zahlreich war der vorgefundene kaschubische Kleinadel. Der Adel war an Grundbesitz gebunden. Durch jahrhundertelange Erbteilungen waren aber viele Adelsgrundstücke auf die Größe von Kleinbauernstellen geschrumpft. Die Redensart „Ich bin pan (=Herr) und du bist pan; aber wer soll die Schweine hüten?“ gibt den Zustand treffend wieder. Diesem zahlreichen kaschubischen Kleinadel eröffneten sich Aussichten auf ein Weiterkommen im Militär- und Staatsdienst. Der militärischen Erziehung der westpreußischen jungen Adligen sollte das neugegründete Kadettenhaus in Kulm dienen. Es war zunächst für 60 Kadetten ausgelegt, die Zahl wurde dann auf 100 erhöht.<br />
<br />
'''Städte''': Der König ordnete die Neuordnung der städtischen Verwaltungen und ihrer Finanzen an. Die Landstädte trugen teilweise noch die Spuren des [[Zweiter Nordischer Krieg|Schwedisch-polnischen Krieges]] von 1655–1660. So waren z.&nbsp;B. in Kulm 212 „wüste“ Bauplätze vorhanden. Von den noch stehenden 313 Wohnhäusern drohten 70 bis 80 bald von selbst einzufallen.<br />
<br />
'''Bauernbefreiung''': Die [[Leibeigenschaft]], die vorzugsweise die polnischen und kaschubischen Bauern betroffen hatte, wurde durch VO vom 8.&nbsp;November 1773 durch die mildere [[Erbuntertänigkeit]] ersetzt.<br />
Jeder Untertan, auch der gutsherrliche, sollte bei den ordentlichen staatlichen Gerichten sein Recht suchen dürfen.<br />
<br />
'''Wissenschaft und Kultur''':<br />
* Die „[[Naturforschende Gesellschaft in Danzig]]“ war schon 1743 gegründet worden. Sie bestand bis 1945.<br />
* 1798–1801 erhielt Danzig sein Theater, die beliebte „Kaffeemühle“, wie das Haus am Kohlenmarkt wegen seiner kubischen Gestalt mit einem kugelschaligen Aufbau liebevoll genannt wurde. Es wurde bis 1945 genutzt. Schon 1794 war [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozarts]] [[Zauberflöte]] in Danzig mit Begeisterung aufgenommen worden.<br />
* 1773 wurde in Marienwerder die „Westpreußische Hofbuchdruckerei“ errichtet. In ihr erschien u.&nbsp;a. 1789 Goldbecks Topographie von Westpreußen.<br />
<br />
== Umbruchzeit 1806–1815 ==<br />
=== Preußischer Zusammenbruch (1806/07) ===<br />
Die grundstürzende Niederlage des preußischen Staates gegen das Erste Französische Kaiserreich im Jahre 1806 traf die Provinz Westpreußen völlig unerwartet. Am 14. Oktober wurde das preußische Heer in der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt]] vernichtet. Am 27. Oktober zog Kaiser [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] in Berlin ein. Sieben Minister und Mitglieder des Generaldirektoriums leisteten Napoleon den [[Treueeid]]. Der König war mit seiner Familie und einigen Ministern über [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] und die [[Kurische Nehrung]] nach [[Klaipėda|Memel]] geflohen. Erst am 13. November teilte die in Königsberg (Ostpr.) erscheinende „Königlich Preußische Staats- Kriegs- und Friedenszeitung“ die Niederlage bei Jena mit. Napoleon war mit Gewaltmärschen nach Osten vorgedrungen. In der [[Schlacht bei Preußisch Eylau]] am 8. Februar 1807 hatten die Russen das Schlachtfeld bereits aufgegeben, als General [[Anton Wilhelm von L’Estocq]] mit seinem ostpreußischen Korps sich gegen die Franzosen behauptete und Napoleon zwang, Winterquartiere zu beziehen. Napoleon verbrachte den Winter im [[Schloss Finckenstein]] an der Grenze zwischen Ost- und Westpreußen. Ende Mai 1807 fiel das von [[Friedrich Adolf Graf von Kalckreuth|General von Kalckreuth]] verteidigte Danzig.<br />
<br />
Durch den [[Frieden von Tilsit]] am 7. und 9. Juli 1807 verlor Westpreußen das Kulmerland mit Thorn und den Netzedistrikt bis auf einen schmalen nordwestlichen Streifen (um Flatow und Deutsch Krone) an das neugebildete [[Herzogtum Warschau]]. Ausgenommen war [[Grudziądz|Graudenz]], das bei Westpreußen blieb. Verloren ging aber vor allem Danzig, das zum „Freistaat“ (siehe [[Republik Danzig]]) erhoben wurde unter der Schutzherrschaft der Könige von Preußen und Sachsen, in Wirklichkeit aber ein französisches Waffenlager und Stützpunkt an der Ostsee wurde. Das Königreich Preußen wurde bis Ende 1807 bis zur Weichsel besetzt und mit hohen Kontributionen belastet.<br />
<br />
=== Reformen (1807–1813) ===<br />
In dieser Zeit wurde die als [[Preußische Reformen|Stein-Hardenbergische Reformen]] bekannte grundlegende Verwaltungsneuordnung in Preußen in Angriff genommen. Die obersten Verwaltungsbehörden wurden neu organisiert. Das Berliner [[Generaldirektorium]] fiel weg, mit ihm die Provinzialministerien. Am 26. Dezember 1808 erging die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden“. Die Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder wurde umbenannt in „Westpreußische Regierung“ mit Sitz in [[Kwidzyn|Marienwerder]]. Sie hatte nur noch Verwaltungsaufgaben. Die bisherige Westpreußische Regierung wurde zum [[Oberlandesgericht]] und befasste sich ausschließlich mit Rechtsprechung. Damit war die Trennung von Verwaltung und Justiz vollzogen.<br />
<br />
Die steckengebliebene Bauernbefreiung wurde 1807 wieder in Angriff genommen. Sie wurde erst 1850 vollendet.<br />
Die [[Steinsche Städteordnung]] (siehe [[Preußische Reformen]]) wurde 1808 erlassen, mit der den Städten Selbstverwaltung zugestanden wurde.<br />
Die [[Gewerbefreiheit]] wurde 1810 eingeführt. Die Juden wurden 1812 weitgehend emanzipiert. Alle diese Maßnahmen wirkten sich natürlich auch in Westpreußen aus.<br />
<br />
=== Befreiungskriege (1813/14) ===<br />
Die [[Befreiungskriege]] gingen von Ostpreußen aus, nachdem die [[Grande Armée]] im Spätherbst 1812 auf dem Rückzug von [[Moskau]] elend zugrunde gegangen war. Aber eine starke französische Besatzung unter [[Jean Rapp|General Rapp]] in Danzig hielt den Angriffen der vereinigten Russen und Preußen lange stand. Danzig erlitt dadurch herbe Verluste an Menschenleben und Sachwerten. Am 27. November 1813 kapitulierten die Franzosen. Am 19. Februar 1814 wurde der Freistaat aufgelöst und Danzig wieder mit Preußen vereinigt.<br />
<br />
Schwieriger gestaltete sich die Grenzregelung im Kulmer und Michelauer Land, das 1807 an das [[Herzogtum Warschau]] abgetreten worden war. Es war 1813 von [[Kaiserlich Russische Armee|russischen Truppen]] besetzt worden. Im Hinblick darauf, dass [[Toruń|Thorn]] eine deutschsprachige Stadt war, verzichtete der Zar zwar am 27. November auf Thorn, wollte es aber – wie die [[Republik Krakau]] – zu einer freien Stadt machen. Erst am 30. Januar 1815 stimmte er der Wiederangliederung Thorns und des ganzen [[Kulmerland]]es an Preußen zu. Erst am 22. Mai 1815 entband der bisherige Landesherr, [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August]], der König von Sachsen und Herzog von Warschau, seine bisherigen Untertanen von ihrem Eid. Und erst am 21. Juni, drei Tage nach [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] endgültiger Niederlage bei [[Schlacht bei Waterloo|Waterloo]], unterstellte die preußische Regierung die Stadt Thorn dem westpreußischen Regierungspräsidenten in Marienwerder. In diesen Grenzen blieb die Provinz Westpreußen bis 1920 bestehen.<br />
<br />
== Die Jahre 1815–1840 ==<br />
=== Neuordnung des Staates (1815) ===<br />
Auf dem [[Wiener Kongress]] wurden die Grundlagen für eine Neuordnung Europas gelegt. Noch von Wien aus erließ König Friedrich Wilhelm III. am 30. April 1815 die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“. In ihr wird der [[Regierungsbezirk Danzig]] zum ersten Mal erwähnt. Die Provinz Westpreußen wurde danach in die zwei Regierungsbezirke Danzig und [[Regierungsbezirk Marienwerder|Marienwerder]] geteilt. An die Spitze der Provinz trat der Oberpräsident [[Theodor von Schön]]. Sein Amtssitz wurde [[Danzig]]. Auch die obersten Provinzialbehörden wurden in Danzig angesiedelt, bis auf das [[Oberlandesgericht]], das in [[Kwidzyn|Marienwerder]] blieb.<br />
<br />
Die '''Kreisordnung''' wurde zwischen 1815 und 1818 eingeführt.<br />
Im '''Regierungsbezirk Danzig''' entstanden die kreisfreien Städte [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] und die Landkreise Danzig, Neustadt a.&nbsp;d. Rheda, Karthaus, Berent, Pr.&nbsp;Stargard, Elbing und Marienburg.<br />
Im '''Regierungsbezirk Marienwerder''' wurden gebildet die Kreise Deutsch-Krone, Flatow, Schlochau, Konitz, Schwetz, Graudenz, Kulm, Thorn, Stuhm, Marienwerder, Rosenberg, Löbau und Strasburg. An der Spitze jedes Kreises stand wie bisher der Landrat, aber das Kreisgebiet umfasste jetzt ein geschlossenes Territorium einschließlich der darin gelegenen Domänen und Landstädte.<br />
<br />
1821 erfolgte eine Geldreform mit der Einführung eines neuen Reichstalers zu je 30 [[Silbergroschen]] (letzterer Silbergroschen zu je 12 Kupferpfennig). Dieses Geld blieb im Umlauf bis 1871 (1873), als die Reichswährung Mark (=&nbsp;1/3 Thaler) zu je 100 Pfennig eingeführt wurde.<br />
<br />
Als im Jahr 1824 der ostpreußische Oberpräsident von Auerswald sein Amt niederlegte, übernahm Schön auch das ostpreußische Oberpräsidium und verlegte seinen Amtssitz nach Königsberg. Diese „Personalunion“ zwischen Ost- und Westpreußen wurde fünf Jahre später zur „Realunion“, als auf Schöns Betreiben am 3.&nbsp;Dezember 1829 durch königliches Dekret Ost- und Westpreußen zur [[Provinz Preußen]] vereinigt wurden.<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten''' waren in Danzig Theodor Balthasar Nicolovius (1819–1825) und Johann Carl Rothe (1825–1841); in Marienwerder [[Theodor Gottlieb von Hippel der Jüngere|Theodor Gottlieb von Hippel]], der Verfasser des Aufrufs ''[[An Mein Volk]]'' von 1813, (1815–1823), [[Eduard Heinrich von Flottwell]] (1825–1830) und Jacobus Justus Philipp Freiherr von Nordenflycht (1831–1850).<br />
<br />
'''Der Provinziallandtag'''<br />
<br />
Am 22. Mai 1815 hatte König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] die Gewährung einer Verfassung versprochen, dieses Versprechen aber nicht gehalten. In Verfolg der „[[Karlsbader Beschlüsse]]“ von 1819 beschränkte er sich 1823 auf die Gewährung von [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtagen]]. Sie hatten aber nur eine beratende Funktion und das „Recht“(!), Bittschriften an den König zu richten. 1824 fand in Königsberg der erste Provinziallandtag der vereinigten Provinz Preußen statt. In ihm waren drei Stände vertreten: der adlige und bürgerliche Großgrundbesitz mit 15, die Städte mit 13 und die Bauern mit 7&nbsp;Stimmen. Die folgenden Landtage fanden abwechselnd in Königsberg und Danzig statt.<br />
<br />
=== Landwirtschaft ===<br />
Wichtigste Aufgabe in der nachnapoleonischen Zeit war die Heilung der Kriegsschäden. Beide Provinzen waren durch Kampfhandlungen verwüstet, ausgeplündert und finanziell erschöpft. Die meisten Güter waren hoch verschuldet. Die Agrarprodukte, vor allem das Getreide, konnten nicht abgesetzt werden, weil der frühere Hauptabnehmer England inzwischen selbst Getreide anbaute und [[Schutzzoll|Schutzzölle]] erhob. Die Getreideausfuhr über Danzig, die auch zwischen 1793 und 1807 noch erheblich gewesen war, sank auf einen nie da gewesenen Tiefpunkt ab. Hinzu kam, dass [[Russland]] die Weichsel versanden ließ und seinen Export über seine eigenen Häfen [[Liepāja|Libau]], [[Riga]] und die Schwarzmeerhäfen leitete. Die preußische Regierung ließ aus politischen Gründen die Einfuhr billigen russischen Getreides zu. Mehrere reiche Ernten zu Beginn der 1820er Jahre vergrößerten das Übel. Die preußische Landwirtschaft erstickte im Getreide. Wegen fehlender Transportmöglichkeiten und der noch bestehenden Binnenzölle war ein Absatz in andere deutsche Gegenden nicht möglich. Dagegen waren die Zucht von [[Merinoschaf]]en und der Export der Wolle ein Erfolg. Auch die [[Pferdezucht]] gewann große Bedeutung.<br />
<br />
Zahlreiche Güter kamen in den Jahren 1824–1834 zur Zwangsversteigerung und dadurch in die (bürgerlichen) Hände kapitalkräftiger Käufer aus Handel und Gewerbe.<br />
<br />
=== Schulen ===<br />
{{Hauptartikel|Gymnasien in Westpreußen}}<br />
<br />
Schön bemühte sich besonders um die Hebung des Schulwesens. In wenigen Jahren gründete er über 400 Volksschulen. Diese Schulen wurden als „Simultanschulen“ geschaffen, in denen Deutsche und Polen, Protestanten und Katholiken einander nähergebracht werden sollten. Dabei mussten auch alle polnischen und kaschubischen Kinder die deutsche Sprache lernen. Das konnte zwar als Zwangsmaßnahme verstanden werden, eröffnete andererseits aber auch diesen Kindern den Weg in höhere Schulen und Universitäten, den viele von ihnen nahmen. Ausdrücklich band Schön auch die Gutsbesitzer in die Gründung von Schulen ein.<br />
<br />
=== Katholische Kirche ===<br />
Weite Teile der Provinz gehörten zu polnischen Diözesen, und die Kaschuben und Polen waren fast durchweg katholisch. Während bei der Masse der kaschubischen und polnischen Landbevölkerung ein politisches Bewusstsein noch wenig entwickelt war, waren der Adel und vor allem der polnische Klerus von Anbeginn Träger und Prediger eines sehr ausgeprägten polnischen Nationalbewusstseins, mit antideutscher Zielrichtung. Die katholische Religion war für Adel, Geistlichkeit und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch für die polnisch-kaschubischen Intellektuellen (die alle deutsche Gymnasien und Universitäten besucht hatten) die Identifikation mit dem Polentum, eine Abgrenzung gegen orthodoxe Russen einerseits und protestantische Preußen und Deutsche andererseits.<br />
<br />
'''Neuordnung der Bistumsgrenzen''': Nach Verhandlungen des preußischen Staates mit Rom wurden die kirchlichen Verhältnisse in Preußen neu geordnet. Durch die Circumscriptionsbulle ''[[De salute animarum]]'' vom 16. Juli 1821 wurde der größte Teil Westpreußens dem [[Bistum Kulm]] unterstellt. Das Gebiet um Elbing und Marienburg kam zum [[Bistum Ermland]]. Der Kreis Deutsch-Krone blieb dem Erzbistum Posen-Gnesen direkt unterstellt. Der Sitz des Bistums Kulm wurde nach [[Pelplin]] verlegt; die dortige Klosterkirche wurde bischöfliche Kathedrale und ist es noch heute. Hinsichtlich der Bischofswahl wurde bestimmt, dass das zuständige Domkapitel die durch die Kurie zu bestätigende Wahl vornehmen sollte, dass aber vor der Wahl „die dem König weniger angenehmen Kandidaten“ von der Kandidatenliste zu streichen seien. Schön setzte durch, dass der deutsche Domherr [[Ignatius Stanislaus von Mathy]] 1821 zum Bischof von Kulm ernannt wurde. Sein Nachfolger wurde der deutsche Schlesier [[Anastasius Sedlag]]. Bischöfe von Ermland waren Fürst [[Joseph von Hohenzollern-Hechingen]] und seit 1836 [[Andreas Stanislaus von Hatten]], der 1841 einem Raubmord zum Opfer fiel.<br />
<br />
'''Mischehenstreit''': Zu einem Zusammenstoß zwischen der Staatsmacht und der Kirche kam es 1838 im Zusammenhang mit dem Kölner Mischehenstreit, der auch auf die östlichen Diözesen übergriff. Die verschiedenen Konfessionen waren in Westpreußen fast immer auch Ausdruck verschiedener ethnischer Zugehörigkeit. Während es in den Diözesen Kulm und Ermland wegen der mäßigenden Haltung der dortigen Bischöfe zu keinen politischen Folgen kam, wurde der Erzbischof von Posen, der polnische Graf [[Martin von Dunin|Dunin-Sulgustowski]] (1831–1842), verhaftet wie schon vor ihm der Erzbischof von Köln [[Clemens August Droste zu Vischering|Clemens August, Freiherr von Droste zu Vischering]]. Beide hatten darauf bestanden, dass die Kinder aus gemischten Ehen katholisch erzogen werden müssten, während der Staat die Regelung getroffen hatte, dass die Kinder der Konfession des Vaters zu folgen hätten. In Westpreußen mit seinem überwiegend protestantischen deutschen und überwiegend katholischen polnischen Bevölkerungsteil waren konfessionelle Mischehen oft auch ethnische Mischehen, eine katholische Erziehung stärkte da die polnische Kultur.<br />
<br />
'''Klöster''': Mit Edikt vom 31. Oktober 1810 wurde die Aufhebung der Klöster angeordnet, wie es in anderen – auch katholischen – Ländern auch geschehen war. Die Ausführung geschah zögernd und war erst 1833 abgeschlossen. Die Konvente waren seit den Tagen der Reformation vielfach nur mit wenigen Mönchen besetzt.<br />
<br />
=== Polen und Kaschuben ===<br />
Das Polentum spielte in Westpreußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts politisch nur eine sehr geringe Rolle. Die Städte – bis auf Kulm – waren völlig oder ganz überwiegend deutsch. In weiten Teilen der Provinz, z.&nbsp;B. im Danziger Werder, in den rechts der Weichsel liegenden Kreisen und im Gebiet der einstigen Neumark mit Deutsch-Krone, Schlochau und Flatow war auch die ländliche Bevölkerung rein oder in der großen Mehrheit deutsch. Die große Masse der polnisch oder kaschubisch sprechenden Bevölkerung blieb mit wenigen Ausnahmen bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts politisch uninteressiert, besonders die [[Kaschuben]]. Ein wirkliches Nationalgefühl hat sich bei den Kaschuben nicht entwickelt, nur ein Regionalbewusstsein von wechselnder Stärke, das gegenüber den sogenannten „[[Kongresspolen]]“ (das sind die Einwohner des im Wiener Kongress geschaffenen Königreichs Polen) auch heute manchmal noch lebendig ist. Im Jahr 1819 lebten in Westpreußen 46 % Deutsche und Mennoniten, 52 % Polen und Kaschuben.<ref name="Georg Hassel2" /><br />
<br />
'''Der polnische Aufstand von 1830 in Kongresspolen''', der „[[Novemberaufstand]]“ führte in Westpreußen zu keinerlei Unruhen. Eine polnische Presse oder irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen Organisationen bestanden – noch – nicht.<br />
<br />
== Die Jahre 1840–1870 ==<br />
=== Versöhnungspolitik Friedrich Wilhelms IV. ===<br />
Im August 1840 folgte [[Friedrich Wilhelm IV.]] seinem Vater auf dem preußischen Thron. In seiner romantischen Auffassung, dass Adel und Kirche über alle ethnischen Gegensätze hinweg die Stützen von Thron und Altar seien, gab er Positionen auf, um eine Aussöhnung mit der katholischen Kirche und dem Polentum herbeizuführen. So verfügte er die sofortige Haftentlassung der beiden Erzbischöfe, ohne dass diese ihren Standpunkt in der Mischehenfrage geändert hatten. Im Triumph kehrten sie in ihre Diözesen zurück. Der König verfügte weiter 1841 die Einrichtung einer katholischen Abteilung im Kultusministerium. Sie war mit einer [[Geistliche Schulaufsicht|geistlichen Schulaufsicht]] verbunden. Der Oberpräsident [[Theodor von Schön]] wurde 1842 abberufen, weil er nach Ansicht des Königs einen zu harten antipolnischen und antikatholischen Kurs gesteuert hatte.<br />
<br />
Im Amt des '''Oberpräsidenten''' folgten<br />
* 1842–1848: [[Carl Wilhelm von Bötticher]]<br />
* 1848–1849: [[Rudolf von Auerswald]]<br />
* 1849–1850: [[Eduard von Flottwell]]<br />
* 1850–1869: [[Franz August Eichmann]]<br />
* 1869–1878: [[Karl von Horn (Verwaltungsbeamter, 1807)|Karl von Horn]]<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten in Danzig''' waren<br />
* 1841–1863: [[Robert von Blumenthal]]<br />
* 1863–1868: [[Robert von Prittwitz und Gaffron]]<br />
* 1868–1876: [[Gustav von Diest]]<br />
<br />
'''Regierungspräsident in Marienwerder''' war<br />
* 1850–1874: [[Botho zu Eulenburg]]<br />
<br />
1843 wurde angeordnet, dass an allen Schulen mit polnisch sprechender Mehrheit Polnisch als Hauptunterrichtssprache einzuführen sei. Das führte dazu, dass vielerorts die deutsche Minderheit polonisiert wurde, so z.&nbsp;B. die völlige Polonisierung des 1837 gegründeten katholischen Gymnasiums in Kulm.<br />
<br />
=== Im Deutschen Bund (1848–1851) ===<br />
Von der Märzrevolution 1848 war Westpreußen verhältnismäßig wenig betroffen. Ostpreußen, Westpreußen und Posen erhielten das Recht, gleich den anderen deutschen Landschaften, ihre Vertreter in das Frankfurter Parlament zu entsenden. Der Antrag Preußens vom 11. April 1848, Ost- und Westpreußen in den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] aufzunehmen, wurde einstimmig angenommen. Es war das gebildete Bürgertum, das diese nationale Seite der Bewegung vertrat. Der Adel hielt sich zurück. Der Königsberger Universitätsprofessor [[Eduard von Simson]] wurde am 18. Dezember 1848 Präsident der [[Frankfurter Nationalversammlung]]. Er war es, der [[Friedrich Wilhelm IV.]] die Kaiserkrone anbot. Friedrich Wilhelm IV. lehnte ab. Die [[Nationalversammlung]] wurde 1849 aufgelöst. Im [[Olmützer Punktation|Vertrage von Olmütz]] im November 1850 mit dem [[Kaisertum Österreich]] musste Preußen der Wiederherstellung des Bundestages in seiner alten Form zustimmen. Das bedeutete, dass die Provinzen Preußen und Posen wieder aus dem Deutschen Bund ausscheiden mussten. Die entsprechende Verfügung erging am 3. Oktober 1851.<br />
<br />
== Im Deutschen Kaiserreich 1871–1918 ==<br />
[[Datei:Ost- und Westpreußen Meyers Lexikon Bd. 15 1908.jpg|mini|Westpreußens Grenzen zu [[Hinterpommern]], [[Ostpreußen]], [[Provinz Posen|Posen]] und Polen auf einer Landkarte von 1908.]]<br />
[[Datei:Sprachen Westpreussen.svg|mini|Sprachenverhältnisse in der Provinz Westpreußen nach der Volkszählung 1910.<ref>Nach Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Die preußische Sprachenstatistik in Bearbeitung und Kommentar.'' Verlag Herder-Institut. Marburg 1998, ISBN 3-87969-267-X.</ref><br />Legende der Kreisdiagramme: {{Farblegende|#FF0000|Deutschsprachig}}<br />
{{Farblegende|#0077CC|Polnischsprachig}}<br />
{{Farblegende|#77BB00|Kaschubische Sprache}}<br />
]]<br />
[[Datei:Preussische Ansiedlungskommision Map (1905) (Photo of the Map).jpg|mini|Karte der Landkäufe durch die Preussische Ansiedlungskommision Stand 1905]]<br />
Durch das Gesetz vom 19. März 1877 wurde die Provinz Preußen wieder geteilt; die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurden mit Wirkung zum 1.&nbsp;April 1878 wiederhergestellt.<ref>[[Kurt Jeserich]]: ''Die preussischen Provinzen. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Verfassungsreform''. Deutscher Kommunal-Verlag, Berlin-Friedenau 1931. S. 61.</ref> Für die neue Provinz Westpreußen wurde der [[Provinziallandtag der Provinz Westpreußen]] mit Sitz in Danzig als Volksvertretung eingerichtet.<br />
<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielten diese preußischen (ethnisch polnische) Kandidaten in Westpreußen (ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend) bei Reichstags- und Landtagswahlen rund ein Drittel der Wählerstimmen, in einigen ländlichen Wahlkreisen ([[Kreis Berent (Westpr.)|Berent]], [[Kreis Karthaus (Westpr.)|Karthaus]], [[Kreis Neustadt (Westpr.)|Neustadt]]) erreichten sie auch das [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstagsmandat]]. Im Rahmen der Volkszählung von 1910 gaben 65 % der Bewohner Westpreußens Deutsch, 28 % Polnisch und 7 % Kaschubisch als Muttersprache an. Der Kauf adeligen Grundbesitzes durch Nichtadelige, in den meisten Provinzen Preußens verboten, um den Vorrang des Adels zu erhalten, war in Westpreußen erlaubt, da in vielen Teilen der Provinz verarmendem polnischem Adel ein deutsches Großbürgertum gegenüberstand.<br />
<br />
== Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg 1919–1945 ==<br />
=== Aufteilung (1919/20) ===<br />
Um Polen gemäß dem [[Friedensvertrag von Versailles]] einen Zugang zum Meer zu verschaffen, wurde das Gebiet der historisch heterogenen Provinz nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] aufgeteilt: Aus dem mittleren Teil entstand der ''[[Polnischer Korridor|Polnische Korridor]]'', der eine eigene Woiwodschaft bildete. „Die [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)|Woiwodschaft Pommerellen der Zwischenkriegszeit]] bildete nur einen Teil der Provinz Westpreußen (62 %)“<ref name="Stankowski 2001 17">Witold Stankowski: ''Lager für Deutsche in Polen am Beispiel Pommerellen, Westpreußen (1945–1950): Durchsicht und Analyse der polnischen Archivalien'' [Einheitssachtitel: ''Obozy dla Niemców w Polsce na przykładzie Pomorza Gdańskiego (1945–1950)''; dt.]. Historische Forschungen. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2001, ISBN 3-88557-207-9, S.&nbsp;17.</ref>, Gebiete im Westen und Nordosten mit besonders hohem deutschen Bevölkerungsanteil blieben bei Deutschland oder wurden Teil des Danziger [[Mandat (Völkerrecht)#Mandatsgebiete|Mandatsgebietes des Völkerbundes]]. Mit der ''[[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]]'' wurde ein deutscher Staat im polnischen Wirtschaftsraum geschaffen. In der Woiwodschaft Pommerellen hatten die großen Städte [[Toruń|Thorn]] und [[Grudziądz|Graudenz]] eine deutliche deutsche Mehrheit, aber insgesamt war das Zahlenverhältnis zwischen Deutschen und Polen bzw. Kaschuben etwa ausgeglichen. Trotz Überprüfbarkeit anhand der Volkszählung von 1910 schwanken die angegebenen Zahlen zwischen etwa 40:60 und 60:40 Prozent.<br />
<br />
Eine [[Referendum|Volksabstimmung]] zur Legitimation der Neuordnung konnten die deutschen Vertreter in Versailles nur für den östlichen Teil Westpreußens durchsetzen. Zum [[Abstimmungsgebiet Marienwerder]] gehörten zusammen mit der Stadt [[Elbląg|Elbing]] die Kreise [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]], [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]], [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]], [[Landkreis Rosenberg i. Westpr.|Rosenberg i.&nbsp;Westpr.]] und [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]. Sie entschieden sich mit großer Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland und wurden als ''[[Regierungsbezirk Westpreußen]]'' mit dem Sitz [[Kwidzyn|Marienwerder]] der Provinz [[Ostpreußen]] angegliedert.<br />
<br />
Etwa 60 km² des [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Kreises Neustadt]] westlich des [[Zarnowitzer See]]s kamen an den [[Provinz Pommern|pommerschen]] [[Landkreis Lauenburg i. Pom|Kreis Lauenburg]].<br />
<br />
Aus den westlichen Kreisen [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]], [[Landkreis Flatow|Flatow]] und [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] und den bei Deutschland verbliebenen westlichen Grenzgebieten der [[Provinz Posen]] entstand 1922 die neue preußische Provinz ''[[Grenzmark Posen-Westpreußen]]''. Sie ging 1938 in den Nachbarprovinzen [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]], Pommern und [[Provinz Schlesien|Schlesien]] auf.<br />
<br />
=== Zwischenkriegszeit (1920–1939) ===<br />
Zu Zeiten der [[Weimarer Republik]] galt der deutsch-polnische Grenzverlauf in der Region Westpreußen als strittig, da sich bedeutende Teile der deutschen Gesellschaft nicht mit der Abtretung von Gebieten mit großem deutschem Bevölkerungsanteil abfinden wollten. Zudem stand die Minderheitenpolitik der Regierung [[Józef Piłsudski|Piłsudski]] in der Kritik, da die Deutschen ebenso wie andere [[Minderheit]]en, z.&nbsp;B. [[Ukraine]]r, gewisse Repressionen erfuhren.<br />
<br />
=== Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) ===<br />
[[Datei:Danzig-Westpreussen.png|mini|Reichsgau Danzig-Westpreußen (August 1943)]]<br />
Zu Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] nahmen im [[Polenfeldzug]] 1939 deutsche Truppen die 62 % des vormals westpreußischen Gebiets ein, die seit 1920 zu Polen gehörten. Aus den zu Polen bzw. zur Freien Stadt Danzig gehörenden Teilen Westpreußens wurde am 1. November 1939 mit dem bis dahin zur Provinz Ostpreußen gehörenden [[Regierungsbezirk Westpreußen]] der [[Danzig-Westpreußen|Reichsgau Danzig-Westpreußen]] gebildet. Ferner ordneten die Besatzer die übrigen [[Großpommerellen|großpommerellischen]] [[Powiat]]e [[Powiat Bydgoski|Bromberg]] (als [[Landkreis Bromberg#Landkreis Bromberg im besetzten Polen|Landkreis Bromberg]]), [[Powiat Lipnowski|Lipno]] (als [[Landkreis Leipe]]), [[Powiat Rypiński|Rypin]] (als [[Landkreis Rippin]]), [[Powiat Wyrzyski|Wirsitz]] (als [[Landkreis Wirsitz]]) sowie [[Bydgoszcz|Bromberg]], Stadt im Range eines Powiat, als Stadtkreis dem neuen Reichsgau zu. Die Gebiete der Powiate Lipno und Rypin hatten nie zu Deutschland gehört, die Territorien von Bromberg-Stadt, Bromberg-Land und des [[Kreis Wirsitz|Kreises Wirsitz]] waren bis zu den Grenzveränderungen in Folge des Versailler Vertrags Teil der [[Provinz Posen]] gewesen.<br />
<br />
Kurz nach Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], zwischen September und Dezember 1939, ermordeten Angehörige der [[Schutzstaffel|SS]] und des [[Volksdeutscher Selbstschutz|Volksdeutschen Selbstschutzes]] in den Wäldern der Region Westpreußen mehrere tausend Menschen: Polen, Kaschuben und Juden. Das Chaos der ersten Kriegstage nutzten die Nationalsozialisten für eine Reihe systematisch geplanter Vernichtungsaktionen z.&nbsp;B. im Wald von [[Wielka Piaśnica|Piaśnica]], [[Wald bei Szpęgawsk|Wald von Szpęgawsk]], Wald von Mniszek (Mischke). Unter den Opfern befanden sich neben Angehörigen der polnischen und [[Kaschuben|kaschubischen]] [[Intelligenzija|Intelligenz]] auch Patienten deutscher und polnischer Psychiatriekliniken sowie [[Deportation|Deportierte]] aus dem Reichsgebiet.<br />
<br />
Zahlreiche [[Deutschbalten]], die im Zuge der Aktion „[[Heim ins Reich]]“ aus [[Estland]] und [[Lettland]] kamen, wurden in dieser Gegend angesiedelt, und nachdem die polnische Bevölkerung zum Teil vertrieben worden war, erhielten die Baltendeutschen den Wohnraum dieser Menschen.<br />
<br />
Während der [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)#Widerstand während der Besatzungszeit|Besatzungszeit in Pommerellen]] regte sich polnischer Widerstand. Im Jahr 1940 und bildete sich die ''Tajna Organizacja Wojskowa «Gryf Pomorski»'' (TOW; Geheime Militärorganisation «Pommerscher Greif»). Vorsitzender des Obersten Rats war [[Józef Wrycza]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Zeit des Nationalsozialismus|Marine-Flak#9. Marine-Flak-Regiment (Gotenhafen)}}<br />
<br />
== Das Ende 1945 ==<br />
Bei Kriegsende wurde das gesamte Gebiet Westpreußens von [[Rote Armee|sowjetischen Truppen]] erobert. Die polnische Regierung ließ fast die gesamte deutschsprachige Bevölkerung unter erzwungener Zurücklassung des nahezu gesamten mobilen und immobilen Besitzes vertreiben. Die [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945 bis 1950|Vertreibung]] selber war von Ausschreitungen polnischer und sowjetischer Soldaten an der deutschen Zivilbevölkerung begleitet (Vergewaltigungen, Raubmorde). Während die staatliche Zugehörigkeit der zum [[Deutsches Reich in den Grenzen von 1937|Deutschen Reich in den Grenzen von 1937]] gehörenden [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebiete]] ([[Ostpreußen]], [[Hinterpommern]], [[Grenzmark Posen-Westpreußen]], die [[Neumark Brandenburg]] und [[Schlesien]]) bis zum [[Warschauer Vertrag (1970)|Warschauer Vertrag]] 1970 bzw. bis zum [[Deutsch-Polnischer Grenzvertrag|deutsch-polnischen Grenzvertrag]] 1990 umstritten blieb, erhob die [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] im Gegensatz zur Weimarer Republik niemals territoriale Ansprüche auf den von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis 1772/73 zu Polen gehörenden größten Teil Westpreußens.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
=== Vor 1920 ===<br />
[[Datei:Prusy Zachodnie de.svg|mini|300px|Verwaltungsgliederung der Provinz Westpreußen: {{Farblegende|#FFAAAA|Regierungsbezirk Danzig}}<br />
{{Farblegende|#AACCFF|Regierungsbezirk Marienwerder}}]]<br />
'''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Danzig]]<br />
# [[Elbląg|Elbing]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Berent|Berent]]<br />
# [[Kreis Danziger Höhe|Danziger Höhe]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Danziger Niederung|Danziger Niederung]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]]<br />
# [[Kreis Karthaus|Karthaus]]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Neustadt i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Preußisch Stargard|Preußisch Stargard]]<br />
# [[Kreis Putzig|Putzig]]<br />
<br />
'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Grudziądz|Graudenz]]<br />
# [[Toruń|Thorn]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Briesen|Briesen]]<br />
# [[Kreis Kulm|Culm]]<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]]<br />
# [[Kreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
# [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
# [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] [Sitz: Neumark]<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]f<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]]<br />
# [[Kreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
# [[Kreis Strasburg in Westpreußen|Strasburg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
# [[Landkreis Thorn|Thorn-Land]]<br />
# [[Kreis Tuchel|Tuchel]]<br />
<br />
=== Nach Ende der Provinz ===<br />
Nach 1920 verblieben von Westpreußen die folgenden Kreise bei Deutschland:<br /><br />
'''Vom Regierungsbezirk Marienwerder''':<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]] ¹<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]] ¹<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] ¹<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
<br />
'''Vom Regierungsbezirk Danzig''':<br />
# [[Elbląg|Elbing-''Stadt'']]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-''Land'']]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]]<br />
<br />
¹ ''ab 1922 Teil der Provinz [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]; die anderen bei Deutschland verbliebenen Kreise gehörten ab 1922 zu Ostpreußen''<br />
<br />
== Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen ==<br />
* 1815: [[Theodor von Schön]], ab 1824 Oberpräsident der neuen [[Provinz Preußen]]<br />
* 1878: [[Heinrich von Achenbach]]<br />
* 1879: [[Adolf Ernst von Ernsthausen]]<br />
* 1888: [[Adolf Hilmar von Leipziger]]<br />
* 1891: [[Gustav von Goßler]]<br />
* 1902: [[Clemens von Delbrück]]<br />
* 1905: [[Ernst von Jagow]]<br />
* 1919: [[Bernhard Schnackenburg]]<ref>[http://www.territorial.de/ Oberpräsidenten und Landesdirektoren/Landeshauptmänner auf territorial.de].</ref><br />
<br />
== Das ehemalige Provinzgebiet heute ==<br />
Heute gehört das Gebiet der ehemaligen Provinz Westpreußen zu den [[Polen|polnischen]] [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Pommern|Pommern]] und [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern|Kujawien-Pommern]]. Der Bevölkerungsanteil der [[Deutsche Minderheit in Polen|deutschen Minderheit]] ist zwar höher als in Zentral- und Südostpolen, aber deutlich niedriger als in [[Oberschlesien]] (Woiwodschaften [[Woiwodschaft Oppeln|Oppeln]] und [[Woiwodschaft Schlesien|Schlesien]]) und in [[Ermland-Masuren]].<br />
<br />
== Demographie ==<br />
=== Bevölkerungsentwicklung ===<br />
Zur Verdeutlichung der demographischen Entwicklungen sind in der nachfolgenden Tabelle auch Werte für die Zeit zwischen 1829 und 1878 angegeben, als die Provinz nicht existierte, sondern Teil der Provinz Preußen war. Zu den Angaben zum Anteil an der preußischen Gesamtbevölkerung ist zu bemerken, dass sich letztere durch Gebietszuwächse zwischen 1849 und 1867 beträchtlich vergrößert hat.<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Jahr<br />
! Einwohner<br />
! Anteil an preuß.<br />Gesamt-<br />bevölkerung<br />
! Einwohner pro<br />Quadrat-<br />kilometer<br />
! Anmerkungen<br />
|-<br />
| 1816 || align="center" | {{0}}571.081 || align="center" | 5,5 % || align="center" | 22 || <ref name="Stat">Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914.'' Marburg 1998, S. 17.<br />Michael Rademacher, Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920<br />[http://www.deutsche-schutzgebiete.de/provinz_westpreussen.htm www.deutsche-schutzgebiete.de].</ref><br />
|-<br />
| 1817 || align="center" | {{0}} 581.971 || align="center" | ? || align="center" | 23 || davon 289.060 Evangelische, 267.935 Katholische, 12.649 Mennoniten und 12.632 Juden<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1819 || align="center" | {{0}} 630.077 || align="center" | 5,5 % (1917) || align="center" | 25 || davon 327.300 Polen und Kaschuben, 290.000 Deutsche und Mennoniten, 12.700 Juden<ref name="Georg Hassel2">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Nationalverschiedenheit 1819: Polen – 327,300; Deutsche – 290,000; Juden – 12,700.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1825 || align="center" | {{0}}700.000 || align="center" | ? || align="center" | 30 || davon 350.000 Polen und Kaschuben, 330.000 Deutsche und Mennoniten, 20.000 Juden<ref name="Karl Andree">[[Karl Andree (Geograph)]]: ''Polen: in geographischer, geschichtlicher und culturhistorischer Hinsicht'', Leipzig 1831</ref><br />
|-<br />
| 1831 || align="center" | {{0}}760.441 || align="center" | ? || align="center" | 30 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1861 || align="center" | 1.170.252 || align="center" | 6,3 % || align="center" | 46 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1871 || align="center" | 1.314.611 || align="center" | 5,3 % || align="center" | 51 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1875 || align="center" | 1.343.057 || align="center" | ? || align="center" | ? || <ref name="VWG">{{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}</ref><br />
|-<br />
| 1880 || align="center" | 1.405.898 || align="center" | 5,2 % || align="center" | 55 || <ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1890 || align="center" | 1.433.681 || align="center" | 4,8 % || align="center" | 56 || davon 581.195 Evangelische, 717.532 Katholiken, 13.158 andere Christen und 21.750 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1900 || align="center" | 1.563.658 || align="center" | 4,5 % || align="center" | 61 || davon 730.685 Evangelische, 800.395 Katholiken, 14.308 andere Christen und 18.226 Juden;<ref name="VWG" /> 1.007.400 Personen (64,4 %) mit deutscher, 99.357 Personen (6,4 %) mit [[Kaschubische Sprache|kaschubischer]] und 437.916 Personen (28,0 %) mit {{plS}}er Muttersprache;<ref name="VWG" /> 1.349 Personen (0,1 %) sprechen neben dem Deutschen kaschubisch, 16.130 Personen (1,0 %) sprechen neben dem Deutschen polnisch<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1905 || align="center" | 1.641.746 || align="center" | ? || align="center" | 64 || davon 764.719 Evangelische, 844.566 Katholiken und 16.139 Juden (567.318 [[Kaschuben]], [[Masurische Sprache|Masuren]] und [[Polen (Ethnie)|Polen]])<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref><br />
|-<br />
| 1910 || align="center" | 1.703.474 || align="center" | 4,2 % || align="center" | 67 || <ref name="Stat" /><br />
|}<br />
<br />
;Religionsgruppen<br />
{| class="wikitable"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="4"| Anteile der Konfessionen<ref name="VWG"/><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1817<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref> || 1890 || 1900<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Katholiken''' || 46,0 % || 50,0 % || 51,2 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Evangelische''' || 49,7 % || 47,5 % || 46,7 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Juden''' || &nbsp;2,2 % || &nbsp;1,5 % || &nbsp;1,2 %<br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
=== Sprachen ===<br />
;Verbreitung der slawischen Sprachen 1819–1910<br />
{| class="wikitable" style="vertical-align:top"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="6"| Anteil der Kaschubisch-, Masurisch- und Polnischsprachigen<ref>Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914''. Marburg 1998, S. 17&nbsp;f.</ref><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1819<ref name="Georg Hassel2" /> || 1825<ref name="Karl Andree" /> || 1861 || 1890 || 1910<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Amtliche Angaben''' ¹ || 51,9 % || 50,0 % || 32,4 % || 34,4 % || 35,5 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="left" colspan="6" | <small>1) unter Hinzurechnung der Gruppe der Zweisprachigen</small><br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
;Verbreitung der deutschen, kaschubischen, masurischen und polnischen Sprache im Jahr 1905 nach amtlichen Angaben<br />
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="3" style="background:#F4F4DB"<br />
|'''Kreis'''<br />
|'''Polnische Bezeichnung'''<br />
|'''Bevölkerung 1905'''<br />
|'''Kaschubisch, masurisch, polnisch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|'''Deutsch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|-<br />
| colspan="7" align="center"|'''Provinz Westpreußen'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''1.645.874'''<br />
|align="right" | '''567.328'''<br />
|align="right" | '''34,47'''<br />
|align="right" | '''1.061.803'''<br />
|align="right" | '''64,51'''<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"| '''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''709.312'''<br />
|align="right" | '''192.327'''<br />
|align="right" | '''27,11'''<br />
|align="right" | '''511.423'''<br />
|align="right" | '''72,10'''<br />
|-<br />
| Elbing-Stadt<br />
| [[Elbląg]]<br />
| align="right" | 55.627<br />
| align="right" | 175<br />
| align="right" | 0,31<br />
| align="right" | 55.328<br />
| align="right" | 99,46<br />
|-<br />
| Elbing-Land<br />
| Elbląg<br />
| align="right" | 38.871<br />
| align="right" | 105<br />
| align="right" | 0,27<br />
| align="right" | 38.737<br />
| align="right" | 99,66<br />
|-<br />
| Marienburg<br />
| [[Malbork]]<br />
| align="right" | 63.110<br />
| align="right" | 1.705<br />
| align="right" | 2,70<br />
| align="right" | 61.044<br />
| align="right" | 96,73<br />
|-<br />
| [[Danzig]]-Stadt<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 160.090<br />
| align="right" | 3.065<br />
| align="right" | 1,91<br />
| align="right" | 154.629<br />
| align="right" | 96,59<br />
|-<br />
| Danzig-Niederung<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 36.519<br />
| align="right" | 178<br />
| align="right" | 0,49<br />
| align="right" | 36.286<br />
| align="right" | 99,36<br />
|-<br />
| Danziger Höhe<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 50.148<br />
| align="right" | 5.703<br />
| align="right" | 11,73<br />
| align="right" | 44.113<br />
| align="right" | 87,97<br />
|-<br />
| Dirschau<br />
| [[Tczew]]<br />
| align="right" | 40.856<br />
| align="right" | 15.144<br />
| align="right" | 37,07<br />
| align="right" | 25.466<br />
| align="right" | 62,33<br />
|-<br />
| Pr. Stargard<br />
| [[Starogard Gdański]]<br />
| align="right" | 62.465<br />
| align="right" | 44.809<br />
| align="right" | 71,73<br />
| align="right" | 17.425<br />
| align="right" | 27,90<br />
|-<br />
| Berent<br />
| [[Kościerzyna]]<br />
| align="right" | 53.726<br />
| align="right" | 29.898<br />
| align="right" | 55,65<br />
| align="right" | 23.515<br />
| align="right" | 43,77<br />
|-<br />
| Karthaus<br />
| [[Kartuzy]]<br />
| align="right" | 66.612<br />
| align="right" | 46.281<br />
| align="right" | 69,48<br />
| align="right" | 20.203<br />
| align="right" | 30,33<br />
|-<br />
| Neustadt<br />
| [[Wejherowo]]<br />
| align="right" | 55.587<br />
| align="right" | 27.358<br />
| align="right" | 49,22<br />
| align="right" | 27.048<br />
| align="right" | 48,66<br />
|-<br />
| Putzig<br />
| [[Puck (Polen)|Puck]]<br />
| align="right" | 25.701<br />
| align="right" | 17.906<br />
| align="right" | 69,67<br />
| align="right" | 7.629<br />
| align="right" | 29,68<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"|'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''936.562'''<br />
|align="right" | '''375.001'''<br />
|align="right" | '''40,04'''<br />
|align="right" | '''550.380'''<br />
|align="right" | '''58,77'''<br />
|-<br />
| Stuhm<br />
| [[Sztum]]<br />
| align="right" | 36.559<br />
| align="right" | 13.473<br />
| align="right" | 36,85<br />
| align="right" | 22.550<br />
| align="right" | 61,68<br />
|-<br />
| Marienwerder<br />
| [[Kwidzyn]]<br />
| align="right" | 68.096<br />
| align="right" | 24.541<br />
| align="right" | 36,04<br />
| align="right" | 42.699<br />
| align="right" | 62,70<br />
|-<br />
| Rosenberg<br />
| [[Susz]]<br />
| align="right" | 53.293<br />
| align="right" | 3.465<br />
| align="right" | 6,50<br />
| align="right" | 49.304<br />
| align="right" | 92,51<br />
|-<br />
| Löbau<br />
| [[Lubawa]]<br />
| align="right" | 57.285<br />
| align="right" | 45.510<br />
| align="right" | 79,44<br />
| align="right" | 11.368<br />
| align="right" | 19,84<br />
|-<br />
| Strasburg<br />
| [[Brodnica]]<br />
| align="right" | 59.927<br />
| align="right" | 38.507<br />
| align="right" | 64,26<br />
| align="right" | 21.008<br />
| align="right" | 35,06<br />
|-<br />
| Briesen<br />
| [[Wąbrzeźno]]<br />
| align="right" | 47.542<br />
| align="right" | 25.415<br />
| align="right" | 53,46<br />
| align="right" | 21.688<br />
| align="right" | 45,62<br />
|-<br />
| Thorn-Stadt<br />
| [[Toruń]]<br />
| align="right" | 43.658<br />
| align="right" | 13.988<br />
| align="right" | 32,04<br />
| align="right" | 29.230<br />
| align="right" | 66,59<br />
|-<br />
| Thorn-Land<br />
| Toruń<br />
| align="right" | 58.765<br />
| align="right" | 30.833<br />
| align="right" | 52,47<br />
| align="right" | 27.508<br />
| align="right" | 46,81<br />
|-<br />
| Kulm<br />
| [[Chełmno]]<br />
| align="right" | 49.521<br />
| align="right" | 25.659<br />
| align="right" | 51,89<br />
| align="right" | 23.521<br />
| align="right" | 47,50<br />
|-<br />
| Graudenz-Stadt<br />
| [[Grudziądz]]<br />
| align="right" | 39.953<br />
| align="right" | 4.421<br />
| align="right" | 11,07<br />
| align="right" | 30.709<br />
| align="right" | 76,86<br />
|-<br />
| [[Landkreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
| Grudziądz<br />
| align="right" | 46.509<br />
| align="right" | 19.331<br />
| align="right" | 41,56<br />
| align="right" | 26.888<br />
| align="right" | 57,81<br />
|-<br />
| [[Landkreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
| Świecie<br />
| align="right" | 87.151<br />
| align="right" | 47.779<br />
| align="right" | 54,82<br />
| align="right" | 39.276<br />
| align="right" | 45,07<br />
|-<br />
| Tuchel<br />
| [[Tuchola]]<br />
| align="right" | 30.803<br />
| align="right" | 20.540<br />
| align="right" | 66,68<br />
| align="right" | 9.925<br />
| align="right" | 32,22<br />
|-<br />
| Konitz<br />
| [[Chojnice]]<br />
| align="right" | 59.694<br />
| align="right" | 32.704<br />
| align="right" | 54,79<br />
| align="right" | 26.581<br />
| align="right" | 44,50<br />
|-<br />
| Schlochau<br />
| [[Człuchów]]<br />
| align="right" | 66.317<br />
| align="right" | 10.180<br />
| align="right" | 15,35<br />
| align="right" | 55.981<br />
| align="right" | 84,41<br />
|-<br />
| Flatow<br />
| [[Złotów]]<br />
| align="right" | 67.783<br />
| align="right" | 18.002<br />
| align="right" | 26,56<br />
| align="right" | 49.167<br />
| align="right" | 72,54<br />
|-<br />
| Deutsch Krone<br />
| [[Wałcz]]<br />
| align="right" | 63.706<br />
| align="right" | 653<br />
| align="right" | 1,03<br />
| align="right" | 62.977<br />
| align="right" | 98,86<br />
|}<br />
<br />
;Deutsche Dialekte<br />
Die [[Ostniederdeutsche Sprache|ostniederdeutschen]] und [[ostmitteldeutsch]]en Dialekte, die in Westpreußen gesprochen wurden, werden erfasst und beschrieben im [[Preußisches Wörterbuch|Preußischen Wörterbuch]]. [[Niederpreußisch]] und [[Hochpreußisch]] gelten als fast ausgestorben. Als [[Plautdietsch]] wird eine Varietät des Niederpreußischen noch heute jedoch weltweit von etwa einer halben Million [[Russlandmennoniten]] gesprochen (siehe auch [[Plautdietsch-Freunde]]).<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
* [[Eddi Arent]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Emil von Behring]], Serologe; erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physiologie und Medizin<br />
* [[Hugo Conwentz]], Botaniker, Begründer des staatlichen Naturschutzes<br />
* [[Horst Ehmke]], deutscher Jurist und Politiker (SPD)<br />
* [[Gabriel Daniel Fahrenheit]], Physiker (Temperaturskala)<br />
* [[Johannes Daniel Falk]], Theologe und Schriftsteller<br />
* [[Georg Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Johann Reinhold Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Tiedemann Giese]], [[Fürstbischof]] von [[Ermland]], aus der [[Patrizier]]familie Giese<br />
* [[Günter Grass]], Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger<br />
* [[Heinz Guderian]], deutscher Offizier und Truppenführer<br />
* [[Johannes Hevelius]], Astronom<br />
* [[Paul von Hindenburg]], Generalfeldmarschall, Reichspräsident<br />
* [[Klaus Kinski]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Nikolaus Kopernikus]], Astronom<br />
* [[Hilmar Kopper]], Bankmanager (prägte »Peanuts« als Unwort des Jahres 1994)<br />
* [[Arnold Krieger]], deutscher Schriftsteller<br />
* [[Werner Kriesel]], deutscher Professor, Pionier der Industriellen Kommunikationstechnik<br />
* [[Hermann Löns]], deutscher Journalist und Schriftsteller<br />
* [[Oskar Loerke]], deutscher Dichter des Expressionismus<br />
* [[Walther Nernst]], Physiker, Nobelpreis 1920<br />
* [[Bernd Neumann]], Politiker (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien)<br />
* [[Wolfgang Peller]], Pädagoge, Politiker (SPD)<br />
* [[Arthur Schopenhauer]], Philosoph<br />
* [[Johanna Schopenhauer]], geb. Trosiener, Schriftstellerin<br />
* [[Kurt Schumacher]], Politiker (SPD)<br />
* [[Clara Siewert]], Malerin<br />
* [[Elisabeth Siewert]], Schriftstellerin<br />
* [[Heinz-Günter Stamm]], deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Theaterregisseur<br />
* [[Alfred Struwe]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Adam Wiebe]], Ingenieur, Erfinder der Seilbahn<br />
* [[Wolfgang Völz]], deutscher Schauspieler<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Landsmannschaft Westpreußen]]<br />
* [[Westpreußisches Landesmuseum]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA33 S. 33–47.], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA189 S. 189–229], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA553 S. 553–568] und [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA610 S. 610–624.]<br />
* [[Max Bär (Archivar)|Max Bär]]: ''Die Ortsnamenänderungen in Westpreußen gegenüber dem Namenbestande der polnischen Zeit''. Danzig 1912 ([http://kpbc.umk.pl/publication/14220 Digitalisat]).<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''„Wie bist du wunderschön!“ Westpreußen – Das Land an der unteren Weichsel.'' Ibidem: Stuttgart 2012, ISBN 978-3-8382-0357-7.<br />
* Hartmut Boockmann: ''Ostpreußen und Westpreußen'' (=&nbsp;Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992, ISBN 3-88680-212-4.<br />
* Andreas Gehrke, R. Hecker, H. Preuß: ''Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule und Haus'', 2 Teile in einem Band. Danzig 1911; Neudruck Melchior, Wolfenbüttel 2006, ISBN 3-939102-53-9.<br />
* [[Johann Friedrich Goldbeck]]: ''Topographie des Königreichs Preussen''. Theil II: ''Topographie von West-Preussen ''. Marienwerder 1789, Ndr. Hamburg 1991.<br />
** Abschnitt 1: ''Systematischer geographischer Entwurf von West-Preussen '' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PR1 E-Kopie])<br />
** Abschnitt 2: ''Volständige Topographie vom West-Preussischen Cammer-Departement'' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PA1-PA1 E-Kopie])<br />
* Richard Wagner: ''Ein Pommersches Herzogthum und eine Deutsche Ordens-Komthurei. Kulturgeschichte des Schwetzer Kreises nach den archivalischen und anderen Quellen bearbeitet. Ein Beitrag zur urkundlichen Geschichte des Deutschthums in Westpreußen, wie auch zur Kenntniß der Alterthümer dieses Landestheils, mit zahlreichen Illustrationen und bisher noch ungedruckten historischen Dokumenten''. Band&nbsp;1: ''Bis 1466.'' Posen 1872 ([https://books.google.de/books?id=GrBSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* Hermann Eckerdt: ''Geschichte des Kreises Marienburg''. Bretschneider, Marienburg 1868 ([http://books.google.de/books?id=3M8AAAAAcAAJ&pg=PA1#PPR3,M1 E-Kopie]).<br />
* Hans Prutz: ''Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen''. Danzig 1872 ([https://books.google.de/books?id=_aJSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* [[Albert Reusch]]: ''Westpreussen unter polnischem Scepter. Festrede gehalten im Elbinger Gymnasium am 13. Spt. 1872''. In: ''Altpreußische Monatsschrift''. Band 10, Königsberg 1873, [https://books.google.de/books?id=n9AOAAAAYAAJ&pg=PA140 S. 140–154].<br />
* Erich Hoffmann: ''Theodor von Schön und die Gestaltung der Schule in Westpreußen''. Marburg/Lahn 1965.<br />
* Erich Keyser: ''Danzigs Geschichte''. Danzig 1928, Ndr. Hamburg bei Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg, o. J.<br />
* Friedrich Lorentz: ''Geschichte der Kaschuben''. Berlin 1926.<br />
* [[Ernst Opgenoorth]]: ''Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens'' (= ''Einzelschriften der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung''. Band 10). Im Auftrag der [[Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung|Historischen Kommission für ost- und Westpreußische Landesforschung]], Mehrteilig, Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1994 ff.<br />
* Heinz Neumeyer: ''Westpreußen, Geschichte und Schicksal''. München 1993, ISBN 3-8004-1273-X.<br />
* Manfred Raether: ''Polens deutsche Vergangenheit'', Schöneck, 2004, ISBN 3-00-012451-9 (Neuausgabe [2009] als E-Buch; Kindle-Version).<br />
* [[Gotthold Rhode]]: ''Geschichte Polens''. 3. Aufl., Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.<br />
* [[Bruno Schumacher]]: ''Geschichte Ost- und Westpreußens''. Würzburg 1958.<br />
* [[Jürgen W. Schmidt]] (Hg.): ''Als die Heimat zur Fremde wurde … Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Westpreußen.'' Köster, Berlin 2011, ISBN 978-3-89574-760-1.<br />
* [[Ernst zur Lippe-Weißenfeld|Ernst Lippe-Weißenfeld]]: ''Westpreußen unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet''. Thorn 1866 ([http://books.google.de/books?id=Y_4AAAAAcAAJ&printsec=frontcover Volltext]).<br />
* [[Bernhard Stadié]]: ''Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen''. Lambeck, Thorn 1867 ([http://books.google.de/books?id=f_sJAAAAIAAJ&pg=PA130 zeitgenössische Rezension]).<br />
* ''Altpreußische Biographie.'' Hgg. im Auftrag der Historischen Kommission für Ost- und Westpreussische Landesforschung von Klaus Bürger. Zu Ende geführt in Zusammenarbeit mit Joachim Artz von Bernhart Jähnig. Elwert, Marburg 1936{{ff}}. 2 Bde. (1936–1967), 3 Ergänzungsbände erschienen (Stand 2015).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|West Prussia|Westpreußen}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [http://www.gsta.spk-berlin.de/kategorie_detail.php?detail=315&PAGE_ID=952 Schlagwort „Westpreußen, Provinz“ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz]<br />
* [http://www.westpreussisches-landesmuseum.de/ Westpreußisches Landesmuseum]<br />
* {{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}<br />
* [http://www.kulturreferat-westpreussen.de/ Kulturreferat Westpreußen]<br />
* [http://www.deutsche-und-polen.de/orte/ort_jsp/key=ost_westpreussen_2.html Ost- und Westpreußen 1772–1918] – Rundfunk Berlin-Brandenburg<br />
* [http://www.odessa3.org/collections/land/wprussia/ Kontributionskataster 1772/1773]<br />
<br />
== Online-Landkarten ==<br />
Folgend sind Weblinks mit historischen Landkarten von Preußen einschließlich Westpreußen, Ostpreußen, [[Ermland]], Freie Stadt Danzig seit circa 1500 bis zum 20. Jahrhundert:<br />
* [http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/atlas/seite70.html Landkarte von Caspar Henneberg] circa 1550 Pomerania, Marca (Brandenburg), Prussia (westlicher Teil mit Danzig)<br />
* [http://www.orteliusmaps.com/book/ort156.html historische Landkarte PRVSSIA 1584] [[Abraham Ortelius]]<br />
* [http://wwwtest.library.ucla.edu/libraries/mgi/maps/blaeu/prvssia.jpg Blaeu’s Landkarte] – circa 1660 Prussia (West- u. Ost Preußen einschl. Danzig) nach [[Caspar Henneberg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/Hart4_m.jpg Landkarte aus ''Altes und Neues Preussen''], [[Christoph Hartknoch]] (Thorn), Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/m_reyilly.jpg Landkarte Preussen nach 1701] nordwestlicher Teil mit [[Freie Stadt Danzig]], Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.domwarminski.pl/images/stories/warmia_regionem/mapy_historyczne_tabula_geografica_w.jpg Ermland Warmia Landkarte 1755] von [[Johann Friedrich Endersch]], [[Elbląg|Elbing]] mit Teilen von Westpreußen und Ostpreußen<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/mapaXIX.jpg Ostpreußen nach dem Vertrag von Versailles]<br />
* [http://www.elbing.de/landkreis.htm Danzig und anschließender Landkreis Elbing auf einer Karte]<br />
* [http://www.preussenweb.de/provinz/westpreussen.jpg Karte von Westpreußen mit Grenze zu Pommern, einschl. Danzig, Elbing, Frauenburg]<br />
* [http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900//gem1900.htm?westpreussen/westpreussen1900.htm Provinz Westpreußen (Landkreise, Gemeinden und Gutsbezirke) 1910]<br />
* [http://www.preussen-pommern.de.tl/Kartographie.htm Kartographische Darstellungen Westpreußens]<br />
* [http://www.posselt-landkarten.de/index_ostgebiete.htm Karte des Deutschen Reiches 1:100.000 (Schwerpunkt Ostgebiete)]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Provinzen Preußens<br />
|Navigationsleiste Oberpräsidenten in Westpreußen<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=42406-7|LCCN=|NDL=|VIAF=123753716}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Westpreussen}}<br />
[[Kategorie:Westpreußen| ]]<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1773]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1920]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Westpreu%C3%9Fen&diff=195558524Provinz Westpreußen2020-01-06T10:54:49Z<p>Exec: /* Die ersten Jahre 1772–1806 */</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{{Infobox Preußische Provinz<br />
|Provinzname = Westpreußen<br />
|Flagge = [[Datei:Flagge Preußen - Provinz Westpreußen.svg|150px|Flagge der Provinz Westpreußen]]<br />
|Wappen = [[Datei:Wappen Preußische Provinzen - Westpreußen.png|150px|Wappen der Provinz Westpreußen]]<br />
| Karte = [[Datei:Westpreußen und DanzigerBucht.png|300px|Westpreußen und Danziger Bucht 1896]]<br />
|Hauptstadt = [[Danzig]]<br />
|Periode = 1773–1829<br />1878–1919<br />
|Fläche = 25.554,6 [[km²]] (1910)<ref name="gvz">[http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900/gem1900.htm?preussen1900.htm Preußische Provinzen 1910]</ref><br />
|Einwohner = 1.703.474 (1910)<ref name="gvz" /><br />
|Bevölkerungsdichte = 67 Ew./km² (1910)<br />
|Religionen =<br />
|Vorläufer = [[Preußen königlichen Anteils]],<br />
|Nachfolger = [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]<br />
|Heute = [[Woiwodschaft Pommern]], [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern]] und [[Woiwodschaft Großpolen]]<br />
|Karte Preußen = [[Datei:Map-Prussia-WestPrussia.svg|275px|Rot: Lage der Provinz Westpreußen in Preußen (blau)]]<br />
|Kfz-Kennzeichen = <tt>I D</tt><br />
|Verwaltung =<br />
}}<br />
<br />
'''Westpreußen''' war eine [[Verwaltungsgliederung Preußens#Provinzen|preußische Provinz]] beiderseits der unteren [[Weichsel]] mit der Hauptstadt [[Danzig]]. Sie wurde 1772/1793 zur Zeit der [[Teilung Polens|Ersten und Zweiten Teilung]] [[Polen-Litauen]]s aus [[Annexion|annektierten]] Gebieten des [[Preußen Königlichen Anteils]] gebildet, ergänzt durch einen Teil des [[Oberland (Ostpreußen)#Oberländischer Kreis|preußischen Oberlands]] um [[Prabuty|Riesenburg]] und [[Kwidzyn|Marienwerder]], das zum Regierungssitz wurde. Die Provinz umfasste das [[Kulmerland]], [[Pomesanien]], [[Pommerellen]] sowie Teile [[Großpolen]]s: von 1775 bis 1807 den gesamten [[Netzedistrikt]], danach nur noch dessen nördliche Teile um [[Złotów|Flatow]] und [[Wałcz|Deutsch Krone]]. Der preußische König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] hatte 1772 verfügt, dass die Provinz den Namen ''Westpreußen'' erhalten sollte, während das bisherige ''Königreich Preußen'', vereinigt mit dem [[Ermland]], fortan den Namen ''[[Ostpreußen]]'' führen sollte.<br />
<br />
Das Gebiet bildet heute den Hauptteil der polnischen [[Woiwodschaft Pommern]].<br />
<br />
== Lage und Naturraum ==<br />
Das Territorium Westpreußens besteht aus zwei Höhenländern und dem zwischen diesen in Form einer Mulde eingebetteten unteren [[Weichsel]]tal. Das östlich der Weichsel liegende Plateau ist Teil der [[Baltische Seenplatte|Baltischen Seenplatte]], die von der [[Ostsee]], der Weichsel und der polnisch-litauischen Ebene begrenzt wird. Das Territorium Westpreußen liegt im Westen des Oberlandes. Es ist mäßig bewaldet und hat größtenteils fruchtbaren Boden. Der Boden des südlichen Teils, des sogenannten [[Kulmer Land]]s, galt als der fruchtbarste [[Weizen]]boden der gesamten [[Königreich Preußen|Preußischen Monarchie]]. Der südöstlich an [[Masuren]] grenzende Landstreifen, d.&nbsp;h. die ehemaligen Kreise [[Kreis Strasburg|Strasburg]] und [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] enthalten bereits mehr Sandschollen. Sie finden sich aber nirgends in der Ausdehnung vor wie auf dem linksseitigen Weichselufer. Das westlich der Weichsel gelegene Plateau wird zur [[Pommersche Seenplatte|pommerschen Seenplatte]] gerechnet, die zwischen der Ostsee, der Weichsel und der pommerisch-neumärkischen Ebene liegt.<ref name="FWFS38">[[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, S. 33–47, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA38 S. 38–40.],</ref><br />
<br />
Die ganze Platte zerfällt in folgende drei Gruppen:<ref name="FWFS38" /><br />
* Bergland von Nord[[pommerellen]]<br />
* [[Tucheler Heide]]<br />
* südpommerellisches Höhenland<br />
<br />
Die Provinz Westpreußen lag zur Zeit des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreiches]] (1871–1918) im Nordosten des [[Deutsches Reich|Reichsgebiets]] und wurde im Wesentlichen durch die drei Nachbarprovinzen Ostpreußen, [[Provinz Posen|Posen]] und [[Provinz Pommern|Pommern]] eingegrenzt. Im Südosten gab es eine Außengrenze zu [[Kongresspolen]], also zum [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]]. Im Norden bildete die [[Ostsee]] eine natürliche Grenze.<br />
<br />
Die Küste umfasste naturräumlich im Westen noch rund 30&nbsp;km der für [[Hinterpommern]] typischen [[Ausgleichsküste]], nach Osten anschließend aber machte die [[Nehrung]]sküste den Hauptküstenabschnitt aus. Zur offenen See war, ohne die [[Putziger Nehrung]], die Küste rund 130&nbsp;km, unter Berücksichtigung genannter Halbinsel 200&nbsp;km lang. Ganz im Osten gehörte noch ein kleiner Teil der [[Frische Nehrung|Frischen Nehrung]] zu Westpreußen.<br />
<br />
Der Großteil der Provinz bestand aus dem [[Baltischer Landrücken|Baltischen Landrücken]], einer hügeligen, seenreichen und sehr fruchtbaren, dem heutigen Ostholstein sehr ähnlichen [[Jungmoräne]]nlandschaft. Hier liegt südwestlich von Danzig auch der höchste Berg der Provinz, der 329 Meter hohe [[Wieżyca|Turmberg]], der zudem der höchste Berg des Baltischen Landrückens überhaupt ist.<br />
<br />
Die südlichsten Bereiche der Provinz waren durch [[Altmoräne]]n und [[Sander]] geprägt, einer eher unfruchtbaren, seenarmen, der Lüneburger Heide nicht unähnlichen Landschaft. Östlich von Danzig bis zum [[Frisches Haff|Frischen Haff]] liegt das [[Flussdelta|Deltagebiet]] von [[Weichsel]] und [[Nogat]], eine waldarme und fruchtbare [[Tiefebene]] und [[Marsch (Schwemmland)|Marschlandschaft]], ähnlich den Marschen der [[Weser|Unterweser]] und teilweise unter dem Meeresspiegel liegend.<br />
<br />
== Vorgeschichte ==<br />
Das [[Kulmer Land]] war im 13. Jahrhundert der Ausgangspunkt zur Schaffung des [[Deutschordensstaat]]s Preußen. [[Toruń|Thorn]] im Kulmer Land ist die älteste Stadt [[Preußen]]s.<ref name="AFB162">[[Anton Friedrich Büsching]]: ''Auszug aus einer Erdbeschreibung. Erster Theil, welcher Europa und den nordlichen Theil von Asia enthält''. Hamburg 1771, [https://books.google.de/books?id=YPTRwbRKr3oC&pg=PA163 S. 162–166.]</ref> Aufgrund von Erbstreitigkeiten an der Wende des 13./14. Jahrhunderts eroberte der Deutsche Orden 1308 das zwischen der [[Mark Brandenburg]] des Markgrafen [[Waldemar (Brandenburg)|Waldemar]] und [[Königreich Polen]] des Herzogs [[Władysław I. Ellenlang]] umstrittene Gebiet des [[Herzogtum Pommerellen|Herzogtums Pommerellen]] und fügte es dem eigenen Herrschaftsgebiet ein, ein Prozess, der im [[Vertrag von Soldin (1309)|Friedensvertrag von Soldin]] 1309 und im [[Vertrag von Kalisch (1343)|Friedensvertrag von Kalisch]] 1343 seinen Abschluss fand.<br />
<br />
Anfang des 15. Jahrhunderts begehrten viele der zumeist deutschsprachigen Städte des Landes gegen die Herrschaft der Deutschordensritter auf; 1440 gründeten einige den gegen den Orden opponierenden [[Preußischer Bund|Preußischen Bund]] und unterstellten sich später freiwillig unter Beibehaltung der eigenen Verfassung und weitreichender [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]] der Schirmherrschaft der Krone Polens, das heißt des polnischen Königs persönlich.<br />
<br />
Nach mehreren Kriegen zwischen Polen und dem Preußischen Bund einerseits und dem Orden andererseits wurde der Deutschordensstaat im [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Thorner Frieden]] 1466 geteilt. Der Orden musste seine Besitzungen beiderseits der unteren Weichsel an das autonome, unter der Schirmherrschaft des Königs von Polen stehende [[Preußen Königlichen Anteils]], das sich größtenteils aus den vom Orden bereits zuvor abgefallenen Städten zusammensetzte, abtreten und sich mit seinem Restgebiet ([Ost-] Preußen ohne Ermland) selber polnischem [[Supremat]] unterwerfen. Vertragspartner waren die Vertreter des Deutschen Ordens, des Königs von Polen und die im Preußischen Bund organisierten [[Ständeordnung|Stände]] des pommerellisch-preußischen Landes. Obwohl mit Polen zu einem Staatskörper verbunden, hatte das Land doch seine eigene Verfassung behalten und mit Polen und Litauen eigentlich nur den Herrscher gemeinsam. Der Preußische Bund hatte sich vertraglich zusichern lassen, dass der Herrscher nach seiner Krönung zuerst die Privilegien Preußens Königlichen Anteils bestätigen müsse, bevor er von dem Land die Huldigung empfing.<ref>A. C. A. Friederich: ''Historisch-Geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens''. Berlin 1839,<br />
[https://books.google.de/books?id=WLRfAAAAcAAJ&pg=PA121 S. 121.]</ref><br />
<br />
Historiker und Kartographen bezeichneten das Preußen Königlichen Anteils oder Polnisch-Preußen, latinisiert als ''Prussia Occidentalis'', schon bevor es auch in deutscher Sprache offiziell Westpreußen hieß.<br />
<br />
Unter polnischer Oberhoheit hatten die großen Städte Thorn, Danzig und Elbing, die verkehrsgünstig an Wasserwegen lagen und durch den Handel wirtschaftlich aufblühten, ihre Selbständigkeit am besten behaupten können. Das übrige Gebiete gliederte sich ab 1466 in die [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Culm|Culm]], [[Woiwodschaft Marienburg|Marienburg]] und [[Woiwodschaft Pommerellen (1454–1772)|Pommerellen]]. Preußen Königlichen Anteils litt unter den Eingriffen der Reichsstände in seine Vorrechte und Privilegien, an den Verwüstungen durch unglücklich geführte Kriege, an der durch Erpressungen aller Art erzwungenen Beteiligung an Kriegskosten und an der Despotie des Adels, der zwar Kriegssteuern eintrieb, selbst jedoch nichts entrichtete. Der Bauernstand geriet nach und nach in Leibeigenschaft.<ref name="FG193">[[Ferdinand Gottschalk (Historiker)|Ferdinand Gottschalk]]: ''Preußische Geschichte''. 1. Band, Königsberg 1850, [https://books.google.de/books?id=lNdCAQAAMAAJ&pg=RA1-PA193 S. 193–194.]</ref> Aufgrund erhaltener Privilegien begannen Teile des Adels sich schnell zu assimilieren, polonisierten sogar ihre Eigennamen und gewöhnten sich polnische Sitten und Lebensart an.<ref name="FG193" /><ref>[[Bernhard von Winckler]]: ''Westpreußische Studien''. In: ''Altpreußische Monatsschrift'', Band 3, Königsberg 1866, [https://books.google.it/books?id=TOEVAAAAYAAJ&pg=PA415 S. 415–440]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><br />
<br />
== Die ersten Jahre 1772–1806 ==<br />
=== Besitzergreifung durch das Königreich Preußen ===<br />
Durch die [[Erste Teilung Polens|Erste Teilung]] [[Polen-Litauen]]s 1772 wurde Preußen Königlichen Anteils als Provinz Westpreußen dem [[Königreich Preußen]] einverleibt. Nach dem Abschluss des Teilungsvertrages mit Österreich und Russland vom 5.&nbsp;August 1772 erließ Friedrich der Große am 13. September 1772 das sogenannte „Besitzergreifungs[[Dekret|patent]]“. Das [[Sejm|polnische Parlament]] ratifizierte unter dem Druck der drei Teilungsmächte die Abtretungsverträge am 30. September 1773, so dass diese [[völkerrecht]]lichen Charakter erhielten. Im Unterschied zu dem (im 19. Jahrhundert zur [[Provinz Posen]] gehörenden) [[Netzedistrikt]], zu dem 1772 auch die ab 1807 südwestlichen westpreußischen Kreise [[Kreis Deutsch-Krone|Deutsch-Krone]] und [[Kreis Flatow|Flatow]] gehörten, bestand Westpreußen ursprünglich nur aus Gebieten, die ehedem dem Deutschordensstaat unterworfen gewesen waren.<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref> Nach der durch diese Einverleibung Preußen Königlichen Anteils erreichten Wiedervereinigung der westlichen Teile Preußens mit dem östlichen Teil konnte sich der preußische König nun ''König von Preußen'' nennen, statt wie vorher nur ''König in Preußen''.<br />
<br />
Die [[Hohenzollern]] hatten damit eine Landverbindung zwischen dem ''Königreich Preußen'' und den innerhalb des [[Heiliges Römisches Reich|Reichs]] liegenden Kerngebieten des preußischen Staates geschaffen. Im Ermland und in den Städten wie z.&nbsp;B. [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] war die Bevölkerung bis zu dieser Zeit fast vollständig, in den übrigen Gebieten des westlichen Preußen etwa zur Hälfte deutschsprachig.<ref>[http://www.treuburg.com/index.php?sv=268&PHPSESSID=8006a9f531912ac21c5422770e8e8b71 Kreisgemeinschaft Treuburg]</ref><br />
<br />
[[Datei:K0nigl+herzoglPreussen.png|mini|300px|Hellgrau: [[Herzogtum Preußen|Herzoglich Preußen]].<br />Farbig: [[Preußen königlichen Anteils|Königlich Preußen]] mit seinen Woiwodschaften als Teil [[Polen-Litauen]]s]] <br />
[[File:Entwicklung̠Westpreussen.png|mini|300px]] <br />
General [[Stutterheim (Adelsgeschlecht)|von Alt-Stutterheim]] und der ostpreußische Staatsminister und Oberburggraf von Rohd nahmen mit mehreren Unterkommissionen und der nötigen militärischen Begleitung die polnischen [[Wojewodschaft]]en Pommerellen, Kulmerland und Marienburg sowie das [[Fürstbistum Ermland]] in Besitz. Nennenswerten Widerstand gab es nicht. Gleichzeitig ergriff der Geheime Finanzrat [[Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff|von Brenkenhoff]] Besitz vom Gebiet des späteren [[Netzedistrikt]]s. Bereits am 27. September huldigten die [[Ständegesellschaft|Stände]] des gesamten neuen Gebietes den beiden königlichen Kommissaren im Großen Remter der [[Ordensburg Marienburg|Marienburg]]. Eine zweite Huldigung erfolgte am 22. Mai 1775 vor Brenkenhoff in [[Inowrocław|Inowraclaw]], nachdem die Grenzen des Netzedistrikts erweitert worden waren.<br />
<br />
Preußen vereinbarte im Frühjahr 1793, während es sich mit dem [[Französische Revolution|revolutionären Frankreich]] im Kriegszustand befand, mit Russland, weitere Teile des polnischen Staates unter sich zu teilen. Unter anderem sollten Danzig und Thorn zu Westpreußen kommen. Um ihre Selbständigkeit besorgt, hatten die beiden Städte sich zunächst gegen die Übernahme gesträubt.<ref>[[Christian Konrad Wilhelm von Dohm|Christian Wilhelm von Dohm]]: ''Denkwürdigkeiten meiner Zeit oder Beiträge zur Geschichte vom letzten Viertel des achtzehnten und vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts 1778 bis 1806''. 2. Band, Lemgo und Hannover 1815, [https://books.google.de/books?id=pYxF-iL2YUsC&pg=PA81 S. 81 ff.]</ref> Am 11. März 1793 beschlossen der Rat und die Bürgerschaft der Stadt Danzig jedoch einstimmig, sich der [[Hoheit (Staatsrecht)|Oberhoheit]] des preußischen Königs zu unterstellen. Am 28. März sollten die [[Preußische Armee|preußischen Truppen]] unter General [[Karl Albrecht Friedrich von Raumer|Raumer]] in die Außenwerke der Stadt einrücken. Dabei kam es zu einer Meuterei der Danziger Stadtsoldaten, die sich gegen ihre Offiziere stellten und auf die anrückenden Preußen zu schießen begannen. Unter den Danziger Stadtsoldaten waren viele zuvor aus preußischen Diensten desertiert und fürchteten nun, dafür bestraft zu werden. Schließlich gelang es den Stadtvätern, die Meuterei zu unterdrücken. Am 4. April wurde die von den Bürgern überwiegend begrüßte Annexion Danzigs vollzogen.<br />
<br />
=== Innere Verwaltung ===<br />
Der König hatte 1772 angeordnet, dass das Ermland unter die Verwaltung der Königsberger [[Kriegs- und Domänenkammer]] kommen sollte. Für die neuen Gebiete Elbing, Marienburg, Kulmerland und Pomerellen sollte eine neue Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder eingerichtet und ihr auch die preußischen Ämter Marienwerder und [[Prabuty|Riesenburg]] und die [[Amt (Kommunalrecht)|Erbämter]] [[Burg Schönberg (Ostpreußen)|Schönberg]] und [[Iława|Deutsch-Eylau]] zugeschlagen werden. Der Netzedistrikt sollte zunächst eine selbständige Verwaltung unter dem Geheimen Finanzrat von Brenkenhoff erhalten.<br />
<br />
Schon im Juni 1772 hatte Friedrich bei einer persönlichen Zusammenkunft in Marienwerder den Präsidenten der Gumbinner Kriegs- und Domänenkammer, [[Johann Friedrich Domhardt]], zum Oberpräsidenten aller drei preußischer Kammern, der Königsberger, der Gumbinner und der für die zu erwerbenden Gebiete neu zu schaffenden Marienwerderschen Kammer ernannt. Dabei wurde die Marienwerder Kammer zunächst nicht dem [[Generaldirektorium]] in Berlin unterstellt, sondern blieb unmittelbar vom König abhängig. In einer Kabinettsorder vom 31. Januar 1773 an Domhardt gab Friedrich der neuen Provinz den Namen „Westpreußen“, während die alte Provinz Preußen nunmehr „Ostpreußen“ heißen sollte. Beide Provinzen zusammen bildeten nun das souveräne „Königreich Preußen“. Friedrich nannte sich nun „König von Preußen“, statt bisher „König in Preußen“.<br />
<br />
Westpreußen wurde in sieben (adlige) „Landrätliche Kreise“ eingeteilt, nämlich:<br />
* [[Kreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
* [[Kreis Marienburg (Westpreußen)|Marienburg]]<br />
* [[Kreis Kulm|Kulm]]<br />
* [[Kreis Michelau|Michelau]]<br />
* [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
* [[Kreis Preußisch Stargard|Stargard]]<br />
* [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
<br />
Der Netzedistrikt, das „Cammer-Deputations-Departement“, wurde 1775 völlig in Westpreußen einverleibt. Es wurden vier Landrätliche Kreise eingerichtet:<br />
* [[Landkreis Bromberg|Bromberg]]<br />
* [[Kreis Hohensalza|Inowraclaw]]<br />
* [[Kreis Kamin|Kamin]]<br />
* [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
<br />
An der Spitze eines landrätlichen Kreises stand der von der Regierung ohne Mitwirkung der Kreiseingesessenen ernannte Landrat. Er gehörte fast durchweg dem Adel, wenn auch nicht immer dem einheimischen, an. Als staatlicher Beamter hatte er die allgemeine polizeiliche Aufsicht über die adligen Güter, ihre Bauern und über die Kölmer. 1787 erhielt die westpreußische Ritterschaft das Privileg, freigewordene Landratsstellen durch Wahl aus ihrer Mitte zu besetzen.<br />
Neben den Landräten standen die „Beamten“, das waren die Verwalter der kgl. Domainenämter innerhalb des gleichen landrätlichen Kreises.<br />
Eine dritte Gruppe bildeten die Steuerräte. Sie verwalteten die Steuerkreise, in denen jeweils eine Anzahl von Städten mit deren Kammergütern zusammengefasst war.<br />
<br />
Diese drei Institutionen griffen zwar räumlich ineinander über, ihre Amtsbefugnisse waren jedoch streng getrennt. Den Landräten oblag die Einziehung der Kontribution vom Adel, den Domainenämtern die Einziehung der Pachterträgnisse (Praestation) der zu ihrem Amt gehörenden Pachtgüter, und die Steuerräte hatten für die Erhebung der Akzise vom Stadtbesitz, den Kammergütern, zu sorgen. Dazu gehörte auch die Umsatzsteuer, die an den Stadttoren von den eingeführten und ausgeführten Waren erhoben wurde.<br />
<br />
Das Geld war der preußische [[Reichstaler]] zu je 90 [[Groschen]] (letzterer Groschen zu je 18 Pfennig). Daneben galt der polnische Gulden (=&nbsp;fl, Zloty) zu 1/3 Reichstaler = 30 Groschen.<br />
<br />
Die Landeinheit war die kulmische [[Hufe]] (etwa 16,8&nbsp;ha) zu je 30 Morgen, letzterer Morgen zu je 300 (Quadrat)-[[Rute (Einheit)|Ruten]].<br />
<br />
Ab 1793 war mehr und mehr die Magdeburger Hufe [[Magdeburger Maß]], etwa 7,7 ha zu je 30 Magdeburger [[Morgen (Einheit)|Morgen]], letzterer Morgen zu je 180 (Quadrat)-Ruten im Gebrauch.<br />
<br />
=== Justizverwaltung ===<br />
Im polnischen Preußen war es durch das Nebeneinander des kulmischen und eines dem polnischen nachgebildeten Adelsrechts nicht zu einer einheitlichen Kodifikation gekommen. Für die große Mehrheit der [[Leibeigenschaft|leibeigenen]] Bauern gab es überhaupt kein geregeltes Recht. Durch das „Notifikationspatent, betreffend die Einrichtung des Justizwesens“ vom 28. September 1772 wurden das bisher gültige Recht und die Gerichte aufgehoben. Die in Ostpreußen erprobte Gerichtsverfassung und das dort geltende „Verbesserte Landrecht von 1721“ wurden jetzt auch in Westpreußen eingeführt.<br />
<br />
Es wurden zwei Obergerichte eingerichtet:<br />
* Die „Westpreußische Regierung“ zu Marienwerder für das eigentliche Westpreußen. Es erhielt den Namen „Regierung“, weil es neben der obergerichtlichen Rechtsprechung auch Verwaltungsaufgaben in [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheits-]], Kirchen- und Schulsachen einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erfüllen hatte. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Trennung von Justiz und Verwaltung durch.<br />
* Das „Westpreußische Hofgericht“ zu Bromberg, welches keine Verwaltungstätigkeiten ausübte und nur als Obergericht für die vier Kreise des Netzedistrikts tätig war.<br />
Untergerichte waren<br />
* die Domainenjustizämter,<br />
* die Stadtgerichte,<br />
* die Patrimonialgerichte.<br />
<br />
* Elf Domainenjustitzämter in Westpreußen und vier im Netzedistrikt wurden eingerichtet. Sie traten an die Stelle der Starosteigerichte. Mehrere Domänen wurden dabei unter der Leitung eines fachlich gebildeten Justizamtmanns zusammengefasst.<br />
* Die Stadtgerichte und<br />
* die [[Patrimonialgerichtsbarkeit]] der adligen Güter blieben erhalten. Sie wurden jedoch reformiert und einer Beaufsichtigung durch die Obergerichte unterworfen.<br />
Einen gewissen Abschluss fand die Rechtsentwicklung mit der Einführung des [[Allgemeines Landrecht|„Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten“]] am 1. Juni 1794.<br />
<br />
=== Kontributionskataster ===<br />
* Im Steuerwesen wurde durch die „Instruktion für die Klassifikationskommission“ vom 5. Juni 1772 die [[Kontribution]] eingeführt. Es fand vom September 1772 bis Anfang 1773 eine genaue Vermessung des Landes und eine Schätzung des Ertrages der einzelnen Grundstücke statt. Dabei wurde die Güte der Böden „klassifiziert“, die zu leistende Abgabe, die Kontribution, also nicht allein nach der Flächengröße, sondern auch nach der Bodenqualität der Grundstücke festgesetzt. Diese Erhebungen zeigten den trostlosen Zustand des flachen Landes und der kleinen Städte. Da sie zu steuerlichen Zwecken erhoben worden sind, kann ihnen nicht die Absicht unterstellt werden, den vorgefundenen Zustand absichtlich schlecht dargestellt zu haben. Ihr Quellenwert ist daher unbestritten.<br />
* Das Kontributionskataster enthielt aber auch eine namentliche Erfassung aller Haushaltsvorstände, jeweils mit der Angabe, wie viele männliche und weibliche Personen jeweils unter und über 12 Jahren jeder Haushalt umfasste, welche Berufe ausgeübt wurden und welcher Konfession die Personen waren. Eine Erfassung der ethnischen Zugehörigkeit (Deutsche, Kaschuben, Polen) hat bei dieser Gelegenheit nicht stattgefunden. Ein Nationalgefühl war damals noch nicht ausgeprägt. Aufgrund anderer Quellen weiß man aber, dass die pommerellische Bevölkerung etwa zur Hälfte aus Deutschen, zur anderen Hälfte aus [[Kaschuben]] und Polen bestand. Die Deutschen waren im Allgemeinen lutherisch und lebten hauptsächlich in den Städten und als Bauern in einem west-östlich verlaufenden Streifen im Netzegebiet. Das Kontributionskataster ist heute noch eine Fundgrube für Familienforscher.<br />
<br />
=== Maßnahmen zur Förderung des Landes ===<br />
'''Infrastruktur''':<br />
* Der König sorgte auch für die Erhaltung und Verbesserung der Deiche in der Weichsel- und Nogatniederung und für die Schiffbarmachung der Nogat.<br />
* Nach nur zwei Jahren Bauzeit war der [[Kanał Bydgoski|Bromberger Kanal]] 1774 fertig geworden. Mit 27&nbsp;km Länge, einer Scheitelhöhe von 25&nbsp;m und neun Schleusen verbindet er die Oder mit der Weichsel und erschien jener Zeit geradezu als Wunderwerk.<br />
* Geregelte Postverbindungen in der ganzen Provinz dienten der Wirtschaft und der Verwaltung.<br />
<br />
'''Land- und Forstwirtschaft''':<br />
* Die zahlreichen [[Starostei]]en wurden in Domänen umgewandelt und an deutsche bürgerliche Domänenbeamten verpachtet.<br />
* Der umfangreiche Kirchenbesitz wurde in staatliche Verwaltung genommen. Die kirchlichen Einrichtungen blieben jedoch Eigentümer und erhielten eine Art Pachtentschädigung.<br />
* Die umfangreichen, aber völlig verwahrlosten Forsten wurden in eine gegliederte staatliche Forstverwaltung genommen. Für den Forstdienst wurden generell ausgediente Soldaten, auch Invaliden, aus dem Jägerkorps eingesetzt, die regelmäßig in Abständen von mehreren Jahren an andere Orte versetzt wurden.<br />
* Besondere Förderung erhielt die Landwirtschaft durch billige Abgabe guten Saatgetreides und durch die Einführung des Kartoffelanbaus, durch den die regelmäßig bestehende Gefahr von Hungersnöten gebannt wurde. Die Kartoffel gedieh gut auf den sandigen Böden. Es wurde Sorge getragen für eine Vermehrung und Verbesserung des Viehbestandes und die Anpflanzung von Obstbäumen.<br />
* Durch die Errichtung der „Westpreußischen Landschaft“ im Jahre 1787 wurde die Verschuldung und das Hypothekenwesen der adligen Güter geordnet. Es war eine Verbindung der freiwillig daran teilnehmenden adligen Güter und deren Besitzer zu einer – wie wir heute sagen würden – Pfandbrief- und Bodenkreditanstalt. Zu deren Einrichtung und Fonds stiftete der König 200.000 Reichstaler. Für die ausgegebenen Pfandbriefe hafteten alle teilnehmenden Grundstücke. Die Pfandbriefe mussten überwiegend in kleinen Stückelungen von 50 und 100 Reichstalern ausgegeben werden, damit sie möglichst breiten Absatz fanden. Dagegen konnten die Teilnehmer günstige Kredite erhalten.<br />
<br />
'''Schulwesen''':<br />
* Der König hatte schon im Jahre 1763 das „General-Landschul-Reglement“ erlassen. Darin war die allgemeine Schulpflicht angeordnet worden. Es traf ferner Bestimmungen über die Wahl [[Lehrerseminar|seminaristisch]] gebildeter Lehrer, den Umfang des Unterrichtsstoffs und über die Beaufsichtigung der Schulen. Dieses Schulgesetz wurde 1772 auch in Westpreußen eingeführt und zunächst durch Einrichtung von Schulen auf den Domänenämtern für die Bildung des Landvolkes gesorgt. Rund 150 Schulen sind unter Friedrichs Regierung in Westpreußen gegründet worden. Am Ende des Jahrhunderts gab es in Westpreußen 180 städtische und 750 Landschulen.<br />
* Die höhere Schulbildung hatte im polnischen Preußen in den Händen des Jesuitenordens gelegen. Dieser Orden war durch das päpstliche [[Breve (Schriftstück)|Breve]] vom 21. Juli 1773 aufgehoben worden. Friedrich ordnete daher die Umwandlung der Kollegien in Rößel, Graudenz, Konitz, Bromberg, Marienburg und Deutsch-Krone zu katholischen Gymnasien an. Die Kollegien in Alt-Schottland und Braunsberg wurden zu Bildungsanstalten für den katholischen Klerus. Leiter und Lehrer wurden die ehemaligen Mitglieder des Ordens.<br />
<br />
'''Heereswesen''':<br />
* Friedrich hatte von Anfang an auch an eine Vermehrung [[Preußische Armee|seines Heeres]] gedacht. Fünf neue Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment, daneben Artillerie und Garnisonstruppen konnten aufgestellt werden.<br />
* Zahlreich war der vorgefundene kaschubische Kleinadel. Der Adel war an Grundbesitz gebunden. Durch jahrhundertelange Erbteilungen waren aber viele Adelsgrundstücke auf die Größe von Kleinbauernstellen geschrumpft. Die Redensart „Ich bin pan (=Herr) und du bist pan; aber wer soll die Schweine hüten?“ gibt den Zustand treffend wieder. Diesem zahlreichen kaschubischen Kleinadel eröffneten sich Aussichten auf ein Weiterkommen im Militär- und Staatsdienst. Der militärischen Erziehung der westpreußischen jungen Adligen sollte das neugegründete Kadettenhaus in Kulm dienen. Es war zunächst für 60 Kadetten ausgelegt, die Zahl wurde dann auf 100 erhöht.<br />
<br />
'''Städte''': Der König ordnete die Neuordnung der städtischen Verwaltungen und ihrer Finanzen an. Die Landstädte trugen teilweise noch die Spuren des [[Zweiter Nordischer Krieg|Schwedisch-polnischen Krieges]] von 1655–1660. So waren z.&nbsp;B. in Kulm 212 „wüste“ Bauplätze vorhanden. Von den noch stehenden 313 Wohnhäusern drohten 70 bis 80 bald von selbst einzufallen.<br />
<br />
'''Bauernbefreiung''': Die [[Leibeigenschaft]], die vorzugsweise die polnischen und kaschubischen Bauern betroffen hatte, wurde durch VO vom 8.&nbsp;November 1773 durch die mildere [[Erbuntertänigkeit]] ersetzt.<br />
Jeder Untertan, auch der gutsherrliche, sollte bei den ordentlichen staatlichen Gerichten sein Recht suchen dürfen.<br />
<br />
'''Wissenschaft und Kultur''':<br />
* Die „[[Naturforschende Gesellschaft in Danzig]]“ war schon 1743 gegründet worden. Sie bestand bis 1945.<br />
* 1798–1801 erhielt Danzig sein Theater, die beliebte „Kaffeemühle“, wie das Haus am Kohlenmarkt wegen seiner kubischen Gestalt mit einem kugelschaligen Aufbau liebevoll genannt wurde. Es wurde bis 1945 genutzt. Schon 1794 war [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozarts]] [[Zauberflöte]] in Danzig mit Begeisterung aufgenommen worden.<br />
* 1773 wurde in Marienwerder die „Westpreußische Hofbuchdruckerei“ errichtet. In ihr erschien u.&nbsp;a. 1789 Goldbecks Topographie von Westpreußen.<br />
<br />
== Umbruchzeit 1806–1815 ==<br />
=== Preußischer Zusammenbruch (1806/07) ===<br />
Die grundstürzende Niederlage des preußischen Staates gegen das Erste Französische Kaiserreich im Jahre 1806 traf die Provinz Westpreußen völlig unerwartet. Am 14. Oktober wurde das preußische Heer in der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt]] vernichtet. Am 27. Oktober zog Kaiser [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] in Berlin ein. Sieben Minister und Mitglieder des Generaldirektoriums leisteten Napoleon den [[Treueeid]]. Der König war mit seiner Familie und einigen Ministern über [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] und die [[Kurische Nehrung]] nach [[Klaipėda|Memel]] geflohen. Erst am 13. November teilte die in Königsberg (Ostpr.) erscheinende „Königlich Preußische Staats- Kriegs- und Friedenszeitung“ die Niederlage bei Jena mit. Napoleon war mit Gewaltmärschen nach Osten vorgedrungen. In der [[Schlacht bei Preußisch Eylau]] am 8. Februar 1807 hatten die Russen das Schlachtfeld bereits aufgegeben, als General [[Anton Wilhelm von L’Estocq]] mit seinem ostpreußischen Korps sich gegen die Franzosen behauptete und Napoleon zwang, Winterquartiere zu beziehen. Napoleon verbrachte den Winter im [[Schloss Finckenstein]] an der Grenze zwischen Ost- und Westpreußen. Ende Mai 1807 fiel das von [[Friedrich Adolf Graf von Kalckreuth|General von Kalckreuth]] verteidigte Danzig.<br />
<br />
Durch den [[Frieden von Tilsit]] am 7. und 9. Juli 1807 verlor Westpreußen das Kulmerland mit Thorn und den Netzedistrikt bis auf einen schmalen nordwestlichen Streifen (um Flatow und Deutsch Krone) an das neugebildete [[Herzogtum Warschau]]. Ausgenommen war [[Grudziądz|Graudenz]], das bei Westpreußen blieb. Verloren ging aber vor allem Danzig, das zum „Freistaat“ (siehe [[Republik Danzig]]) erhoben wurde unter der Schutzherrschaft der Könige von Preußen und Sachsen, in Wirklichkeit aber ein französisches Waffenlager und Stützpunkt an der Ostsee wurde. Das Königreich Preußen wurde bis Ende 1807 bis zur Weichsel besetzt und mit hohen Kontributionen belastet.<br />
<br />
=== Reformen (1807–1813) ===<br />
In dieser Zeit wurde die als [[Preußische Reformen|Stein-Hardenbergische Reformen]] bekannte grundlegende Verwaltungsneuordnung in Preußen in Angriff genommen. Die obersten Verwaltungsbehörden wurden neu organisiert. Das Berliner [[Generaldirektorium]] fiel weg, mit ihm die Provinzialministerien. Am 26. Dezember 1808 erging die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden“. Die Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder wurde umbenannt in „Westpreußische Regierung“ mit Sitz in [[Kwidzyn|Marienwerder]]. Sie hatte nur noch Verwaltungsaufgaben. Die bisherige Westpreußische Regierung wurde zum [[Oberlandesgericht]] und befasste sich ausschließlich mit Rechtsprechung. Damit war die Trennung von Verwaltung und Justiz vollzogen.<br />
<br />
Die steckengebliebene Bauernbefreiung wurde 1807 wieder in Angriff genommen. Sie wurde erst 1850 vollendet.<br />
Die [[Steinsche Städteordnung]] (siehe [[Preußische Reformen]]) wurde 1808 erlassen, mit der den Städten Selbstverwaltung zugestanden wurde.<br />
Die [[Gewerbefreiheit]] wurde 1810 eingeführt. Die Juden wurden 1812 weitgehend emanzipiert. Alle diese Maßnahmen wirkten sich natürlich auch in Westpreußen aus.<br />
<br />
=== Befreiungskriege (1813/14) ===<br />
Die [[Befreiungskriege]] gingen von Ostpreußen aus, nachdem die [[Grande Armée]] im Spätherbst 1812 auf dem Rückzug von [[Moskau]] elend zugrunde gegangen war. Aber eine starke französische Besatzung unter [[Jean Rapp|General Rapp]] in Danzig hielt den Angriffen der vereinigten Russen und Preußen lange stand. Danzig erlitt dadurch herbe Verluste an Menschenleben und Sachwerten. Am 27. November 1813 kapitulierten die Franzosen. Am 19. Februar 1814 wurde der Freistaat aufgelöst und Danzig wieder mit Preußen vereinigt.<br />
<br />
Schwieriger gestaltete sich die Grenzregelung im Kulmer und Michelauer Land, das 1807 an das [[Herzogtum Warschau]] abgetreten worden war. Es war 1813 von [[Kaiserlich Russische Armee|russischen Truppen]] besetzt worden. Im Hinblick darauf, dass [[Toruń|Thorn]] eine deutschsprachige Stadt war, verzichtete der Zar zwar am 27. November auf Thorn, wollte es aber – wie die [[Republik Krakau]] – zu einer freien Stadt machen. Erst am 30. Januar 1815 stimmte er der Wiederangliederung Thorns und des ganzen [[Kulmerland]]es an Preußen zu. Erst am 22. Mai 1815 entband der bisherige Landesherr, [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August]], der König von Sachsen und Herzog von Warschau, seine bisherigen Untertanen von ihrem Eid. Und erst am 21. Juni, drei Tage nach [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] endgültiger Niederlage bei [[Schlacht bei Waterloo|Waterloo]], unterstellte die preußische Regierung die Stadt Thorn dem westpreußischen Regierungspräsidenten in Marienwerder. In diesen Grenzen blieb die Provinz Westpreußen bis 1920 bestehen.<br />
<br />
== Die Jahre 1815–1840 ==<br />
=== Neuordnung des Staates (1815) ===<br />
Auf dem [[Wiener Kongress]] wurden die Grundlagen für eine Neuordnung Europas gelegt. Noch von Wien aus erließ König Friedrich Wilhelm III. am 30. April 1815 die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“. In ihr wird der [[Regierungsbezirk Danzig]] zum ersten Mal erwähnt. Die Provinz Westpreußen wurde danach in die zwei Regierungsbezirke Danzig und [[Regierungsbezirk Marienwerder|Marienwerder]] geteilt. An die Spitze der Provinz trat der Oberpräsident [[Theodor von Schön]]. Sein Amtssitz wurde [[Danzig]]. Auch die obersten Provinzialbehörden wurden in Danzig angesiedelt, bis auf das [[Oberlandesgericht]], das in [[Kwidzyn|Marienwerder]] blieb.<br />
<br />
Die '''Kreisordnung''' wurde zwischen 1815 und 1818 eingeführt.<br />
Im '''Regierungsbezirk Danzig''' entstanden die kreisfreien Städte [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] und die Landkreise Danzig, Neustadt a.&nbsp;d. Rheda, Karthaus, Berent, Pr.&nbsp;Stargard, Elbing und Marienburg.<br />
Im '''Regierungsbezirk Marienwerder''' wurden gebildet die Kreise Deutsch-Krone, Flatow, Schlochau, Konitz, Schwetz, Graudenz, Kulm, Thorn, Stuhm, Marienwerder, Rosenberg, Löbau und Strasburg. An der Spitze jedes Kreises stand wie bisher der Landrat, aber das Kreisgebiet umfasste jetzt ein geschlossenes Territorium einschließlich der darin gelegenen Domänen und Landstädte.<br />
<br />
1821 erfolgte eine Geldreform mit der Einführung eines neuen Reichstalers zu je 30 [[Silbergroschen]] (letzterer Silbergroschen zu je 12 Kupferpfennig). Dieses Geld blieb im Umlauf bis 1871 (1873), als die Reichswährung Mark (=&nbsp;1/3 Thaler) zu je 100 Pfennig eingeführt wurde.<br />
<br />
Als im Jahr 1824 der ostpreußische Oberpräsident von Auerswald sein Amt niederlegte, übernahm Schön auch das ostpreußische Oberpräsidium und verlegte seinen Amtssitz nach Königsberg. Diese „Personalunion“ zwischen Ost- und Westpreußen wurde fünf Jahre später zur „Realunion“, als auf Schöns Betreiben am 3.&nbsp;Dezember 1829 durch königliches Dekret Ost- und Westpreußen zur [[Provinz Preußen]] vereinigt wurden.<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten''' waren in Danzig Theodor Balthasar Nicolovius (1819–1825) und Johann Carl Rothe (1825–1841); in Marienwerder [[Theodor Gottlieb von Hippel der Jüngere|Theodor Gottlieb von Hippel]], der Verfasser des Aufrufs ''[[An Mein Volk]]'' von 1813, (1815–1823), [[Eduard Heinrich von Flottwell]] (1825–1830) und Jacobus Justus Philipp Freiherr von Nordenflycht (1831–1850).<br />
<br />
'''Der Provinziallandtag'''<br />
<br />
Am 22. Mai 1815 hatte König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] die Gewährung einer Verfassung versprochen, dieses Versprechen aber nicht gehalten. In Verfolg der „[[Karlsbader Beschlüsse]]“ von 1819 beschränkte er sich 1823 auf die Gewährung von [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtagen]]. Sie hatten aber nur eine beratende Funktion und das „Recht“(!), Bittschriften an den König zu richten. 1824 fand in Königsberg der erste Provinziallandtag der vereinigten Provinz Preußen statt. In ihm waren drei Stände vertreten: der adlige und bürgerliche Großgrundbesitz mit 15, die Städte mit 13 und die Bauern mit 7&nbsp;Stimmen. Die folgenden Landtage fanden abwechselnd in Königsberg und Danzig statt.<br />
<br />
=== Landwirtschaft ===<br />
Wichtigste Aufgabe in der nachnapoleonischen Zeit war die Heilung der Kriegsschäden. Beide Provinzen waren durch Kampfhandlungen verwüstet, ausgeplündert und finanziell erschöpft. Die meisten Güter waren hoch verschuldet. Die Agrarprodukte, vor allem das Getreide, konnten nicht abgesetzt werden, weil der frühere Hauptabnehmer England inzwischen selbst Getreide anbaute und [[Schutzzoll|Schutzzölle]] erhob. Die Getreideausfuhr über Danzig, die auch zwischen 1793 und 1807 noch erheblich gewesen war, sank auf einen nie da gewesenen Tiefpunkt ab. Hinzu kam, dass [[Russland]] die Weichsel versanden ließ und seinen Export über seine eigenen Häfen [[Liepāja|Libau]], [[Riga]] und die Schwarzmeerhäfen leitete. Die preußische Regierung ließ aus politischen Gründen die Einfuhr billigen russischen Getreides zu. Mehrere reiche Ernten zu Beginn der 1820er Jahre vergrößerten das Übel. Die preußische Landwirtschaft erstickte im Getreide. Wegen fehlender Transportmöglichkeiten und der noch bestehenden Binnenzölle war ein Absatz in andere deutsche Gegenden nicht möglich. Dagegen waren die Zucht von [[Merinoschaf]]en und der Export der Wolle ein Erfolg. Auch die [[Pferdezucht]] gewann große Bedeutung.<br />
<br />
Zahlreiche Güter kamen in den Jahren 1824–1834 zur Zwangsversteigerung und dadurch in die (bürgerlichen) Hände kapitalkräftiger Käufer aus Handel und Gewerbe.<br />
<br />
=== Schulen ===<br />
{{Hauptartikel|Gymnasien in Westpreußen}}<br />
<br />
Schön bemühte sich besonders um die Hebung des Schulwesens. In wenigen Jahren gründete er über 400 Volksschulen. Diese Schulen wurden als „Simultanschulen“ geschaffen, in denen Deutsche und Polen, Protestanten und Katholiken einander nähergebracht werden sollten. Dabei mussten auch alle polnischen und kaschubischen Kinder die deutsche Sprache lernen. Das konnte zwar als Zwangsmaßnahme verstanden werden, eröffnete andererseits aber auch diesen Kindern den Weg in höhere Schulen und Universitäten, den viele von ihnen nahmen. Ausdrücklich band Schön auch die Gutsbesitzer in die Gründung von Schulen ein.<br />
<br />
=== Katholische Kirche ===<br />
Weite Teile der Provinz gehörten zu polnischen Diözesen, und die Kaschuben und Polen waren fast durchweg katholisch. Während bei der Masse der kaschubischen und polnischen Landbevölkerung ein politisches Bewusstsein noch wenig entwickelt war, waren der Adel und vor allem der polnische Klerus von Anbeginn Träger und Prediger eines sehr ausgeprägten polnischen Nationalbewusstseins, mit antideutscher Zielrichtung. Die katholische Religion war für Adel, Geistlichkeit und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch für die polnisch-kaschubischen Intellektuellen (die alle deutsche Gymnasien und Universitäten besucht hatten) die Identifikation mit dem Polentum, eine Abgrenzung gegen orthodoxe Russen einerseits und protestantische Preußen und Deutsche andererseits.<br />
<br />
'''Neuordnung der Bistumsgrenzen''': Nach Verhandlungen des preußischen Staates mit Rom wurden die kirchlichen Verhältnisse in Preußen neu geordnet. Durch die Circumscriptionsbulle ''[[De salute animarum]]'' vom 16. Juli 1821 wurde der größte Teil Westpreußens dem [[Bistum Kulm]] unterstellt. Das Gebiet um Elbing und Marienburg kam zum [[Bistum Ermland]]. Der Kreis Deutsch-Krone blieb dem Erzbistum Posen-Gnesen direkt unterstellt. Der Sitz des Bistums Kulm wurde nach [[Pelplin]] verlegt; die dortige Klosterkirche wurde bischöfliche Kathedrale und ist es noch heute. Hinsichtlich der Bischofswahl wurde bestimmt, dass das zuständige Domkapitel die durch die Kurie zu bestätigende Wahl vornehmen sollte, dass aber vor der Wahl „die dem König weniger angenehmen Kandidaten“ von der Kandidatenliste zu streichen seien. Schön setzte durch, dass der deutsche Domherr [[Ignatius Stanislaus von Mathy]] 1821 zum Bischof von Kulm ernannt wurde. Sein Nachfolger wurde der deutsche Schlesier [[Anastasius Sedlag]]. Bischöfe von Ermland waren Fürst [[Joseph von Hohenzollern-Hechingen]] und seit 1836 [[Andreas Stanislaus von Hatten]], der 1841 einem Raubmord zum Opfer fiel.<br />
<br />
'''Mischehenstreit''': Zu einem Zusammenstoß zwischen der Staatsmacht und der Kirche kam es 1838 im Zusammenhang mit dem Kölner Mischehenstreit, der auch auf die östlichen Diözesen übergriff. Die verschiedenen Konfessionen waren in Westpreußen fast immer auch Ausdruck verschiedener ethnischer Zugehörigkeit. Während es in den Diözesen Kulm und Ermland wegen der mäßigenden Haltung der dortigen Bischöfe zu keinen politischen Folgen kam, wurde der Erzbischof von Posen, der polnische Graf [[Martin von Dunin|Dunin-Sulgustowski]] (1831–1842), verhaftet wie schon vor ihm der Erzbischof von Köln [[Clemens August Droste zu Vischering|Clemens August, Freiherr von Droste zu Vischering]]. Beide hatten darauf bestanden, dass die Kinder aus gemischten Ehen katholisch erzogen werden müssten, während der Staat die Regelung getroffen hatte, dass die Kinder der Konfession des Vaters zu folgen hätten. In Westpreußen mit seinem überwiegend protestantischen deutschen und überwiegend katholischen polnischen Bevölkerungsteil waren konfessionelle Mischehen oft auch ethnische Mischehen, eine katholische Erziehung stärkte da die polnische Kultur.<br />
<br />
'''Klöster''': Mit Edikt vom 31. Oktober 1810 wurde die Aufhebung der Klöster angeordnet, wie es in anderen – auch katholischen – Ländern auch geschehen war. Die Ausführung geschah zögernd und war erst 1833 abgeschlossen. Die Konvente waren seit den Tagen der Reformation vielfach nur mit wenigen Mönchen besetzt.<br />
<br />
=== Polen und Kaschuben ===<br />
Das Polentum spielte in Westpreußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts politisch nur eine sehr geringe Rolle. Die Städte – bis auf Kulm – waren völlig oder ganz überwiegend deutsch. In weiten Teilen der Provinz, z.&nbsp;B. im Danziger Werder, in den rechts der Weichsel liegenden Kreisen und im Gebiet der einstigen Neumark mit Deutsch-Krone, Schlochau und Flatow war auch die ländliche Bevölkerung rein oder in der großen Mehrheit deutsch. Die große Masse der polnisch oder kaschubisch sprechenden Bevölkerung blieb mit wenigen Ausnahmen bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts politisch uninteressiert, besonders die [[Kaschuben]]. Ein wirkliches Nationalgefühl hat sich bei den Kaschuben nicht entwickelt, nur ein Regionalbewusstsein von wechselnder Stärke, das gegenüber den sogenannten „[[Kongresspolen]]“ (das sind die Einwohner des im Wiener Kongress geschaffenen Königreichs Polen) auch heute manchmal noch lebendig ist. Im Jahr 1819 lebten in Westpreußen 46 % Deutsche und Mennoniten, 52 % Polen und Kaschuben.<ref name="Georg Hassel2" /><br />
<br />
'''Der polnische Aufstand von 1830 in Kongresspolen''', der „[[Novemberaufstand]]“ führte in Westpreußen zu keinerlei Unruhen. Eine polnische Presse oder irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen Organisationen bestanden – noch – nicht.<br />
<br />
== Die Jahre 1840–1870 ==<br />
=== Versöhnungspolitik Friedrich Wilhelms IV. ===<br />
Im August 1840 folgte [[Friedrich Wilhelm IV.]] seinem Vater auf dem preußischen Thron. In seiner romantischen Auffassung, dass Adel und Kirche über alle ethnischen Gegensätze hinweg die Stützen von Thron und Altar seien, gab er Positionen auf, um eine Aussöhnung mit der katholischen Kirche und dem Polentum herbeizuführen. So verfügte er die sofortige Haftentlassung der beiden Erzbischöfe, ohne dass diese ihren Standpunkt in der Mischehenfrage geändert hatten. Im Triumph kehrten sie in ihre Diözesen zurück. Der König verfügte weiter 1841 die Einrichtung einer katholischen Abteilung im Kultusministerium. Sie war mit einer [[Geistliche Schulaufsicht|geistlichen Schulaufsicht]] verbunden. Der Oberpräsident [[Theodor von Schön]] wurde 1842 abberufen, weil er nach Ansicht des Königs einen zu harten antipolnischen und antikatholischen Kurs gesteuert hatte.<br />
<br />
Im Amt des '''Oberpräsidenten''' folgten<br />
* 1842–1848: [[Carl Wilhelm von Bötticher]]<br />
* 1848–1849: [[Rudolf von Auerswald]]<br />
* 1849–1850: [[Eduard von Flottwell]]<br />
* 1850–1869: [[Franz August Eichmann]]<br />
* 1869–1878: [[Karl von Horn (Verwaltungsbeamter, 1807)|Karl von Horn]]<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten in Danzig''' waren<br />
* 1841–1863: [[Robert von Blumenthal]]<br />
* 1863–1868: [[Robert von Prittwitz und Gaffron]]<br />
* 1868–1876: [[Gustav von Diest]]<br />
<br />
'''Regierungspräsident in Marienwerder''' war<br />
* 1850–1874: [[Botho zu Eulenburg]]<br />
<br />
1843 wurde angeordnet, dass an allen Schulen mit polnisch sprechender Mehrheit Polnisch als Hauptunterrichtssprache einzuführen sei. Das führte dazu, dass vielerorts die deutsche Minderheit polonisiert wurde, so z.&nbsp;B. die völlige Polonisierung des 1837 gegründeten katholischen Gymnasiums in Kulm.<br />
<br />
=== Im Deutschen Bund (1848–1851) ===<br />
Von der Märzrevolution 1848 war Westpreußen verhältnismäßig wenig betroffen. Ostpreußen, Westpreußen und Posen erhielten das Recht, gleich den anderen deutschen Landschaften, ihre Vertreter in das Frankfurter Parlament zu entsenden. Der Antrag Preußens vom 11. April 1848, Ost- und Westpreußen in den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] aufzunehmen, wurde einstimmig angenommen. Es war das gebildete Bürgertum, das diese nationale Seite der Bewegung vertrat. Der Adel hielt sich zurück. Der Königsberger Universitätsprofessor [[Eduard von Simson]] wurde am 18. Dezember 1848 Präsident der [[Frankfurter Nationalversammlung]]. Er war es, der [[Friedrich Wilhelm IV.]] die Kaiserkrone anbot. Friedrich Wilhelm IV. lehnte ab. Die [[Nationalversammlung]] wurde 1849 aufgelöst. Im [[Olmützer Punktation|Vertrage von Olmütz]] im November 1850 mit dem [[Kaisertum Österreich]] musste Preußen der Wiederherstellung des Bundestages in seiner alten Form zustimmen. Das bedeutete, dass die Provinzen Preußen und Posen wieder aus dem Deutschen Bund ausscheiden mussten. Die entsprechende Verfügung erging am 3. Oktober 1851.<br />
<br />
== Im Deutschen Kaiserreich 1871–1918 ==<br />
[[Datei:Ost- und Westpreußen Meyers Lexikon Bd. 15 1908.jpg|mini|Westpreußens Grenzen zu [[Hinterpommern]], [[Ostpreußen]], [[Provinz Posen|Posen]] und Polen auf einer Landkarte von 1908.]]<br />
[[Datei:Sprachen Westpreussen.svg|mini|Sprachenverhältnisse in der Provinz Westpreußen nach der Volkszählung 1910.<ref>Nach Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Die preußische Sprachenstatistik in Bearbeitung und Kommentar.'' Verlag Herder-Institut. Marburg 1998, ISBN 3-87969-267-X.</ref><br />Legende der Kreisdiagramme: {{Farblegende|#FF0000|Deutschsprachig}}<br />
{{Farblegende|#0077CC|Polnischsprachig}}<br />
{{Farblegende|#77BB00|Kaschubische Sprache}}<br />
]]<br />
[[Datei:Preussische Ansiedlungskommision Map (1905) (Photo of the Map).jpg|mini|Karte der Landkäufe durch die Preussische Ansiedlungskommision Stand 1905]]<br />
Durch das Gesetz vom 19. März 1877 wurde die Provinz Preußen wieder geteilt; die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurden mit Wirkung zum 1.&nbsp;April 1878 wiederhergestellt.<ref>[[Kurt Jeserich]]: ''Die preussischen Provinzen. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Verfassungsreform''. Deutscher Kommunal-Verlag, Berlin-Friedenau 1931. S. 61.</ref> Für die neue Provinz Westpreußen wurde der [[Provinziallandtag der Provinz Westpreußen]] mit Sitz in Danzig als Volksvertretung eingerichtet.<br />
<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielten diese preußischen (ethnisch polnische) Kandidaten in Westpreußen (ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend) bei Reichstags- und Landtagswahlen rund ein Drittel der Wählerstimmen, in einigen ländlichen Wahlkreisen ([[Kreis Berent (Westpr.)|Berent]], [[Kreis Karthaus (Westpr.)|Karthaus]], [[Kreis Neustadt (Westpr.)|Neustadt]]) erreichten sie auch das [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstagsmandat]]. Im Rahmen der Volkszählung von 1910 gaben 65 % der Bewohner Westpreußens Deutsch, 28 % Polnisch und 7 % Kaschubisch als Muttersprache an. Der Kauf adeligen Grundbesitzes durch Nichtadelige, in den meisten Provinzen Preußens verboten, um den Vorrang des Adels zu erhalten, war in Westpreußen erlaubt, da in vielen Teilen der Provinz verarmendem polnischem Adel ein deutsches Großbürgertum gegenüberstand.<br />
<br />
== Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg 1919–1945 ==<br />
=== Aufteilung (1919/20) ===<br />
Um Polen gemäß dem [[Friedensvertrag von Versailles]] einen Zugang zum Meer zu verschaffen, wurde das Gebiet der historisch heterogenen Provinz nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] aufgeteilt: Aus dem mittleren Teil entstand der ''[[Polnischer Korridor|Polnische Korridor]]'', der eine eigene Woiwodschaft bildete. „Die [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)|Woiwodschaft Pommerellen der Zwischenkriegszeit]] bildete nur einen Teil der Provinz Westpreußen (62 %)“<ref name="Stankowski 2001 17">Witold Stankowski: ''Lager für Deutsche in Polen am Beispiel Pommerellen, Westpreußen (1945–1950): Durchsicht und Analyse der polnischen Archivalien'' [Einheitssachtitel: ''Obozy dla Niemców w Polsce na przykładzie Pomorza Gdańskiego (1945–1950)''; dt.]. Historische Forschungen. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2001, ISBN 3-88557-207-9, S.&nbsp;17.</ref>, Gebiete im Westen und Nordosten mit besonders hohem deutschen Bevölkerungsanteil blieben bei Deutschland oder wurden Teil des Danziger [[Mandat (Völkerrecht)#Mandatsgebiete|Mandatsgebietes des Völkerbundes]]. Mit der ''[[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]]'' wurde ein deutscher Staat im polnischen Wirtschaftsraum geschaffen. In der Woiwodschaft Pommerellen hatten die großen Städte [[Toruń|Thorn]] und [[Grudziądz|Graudenz]] eine deutliche deutsche Mehrheit, aber insgesamt war das Zahlenverhältnis zwischen Deutschen und Polen bzw. Kaschuben etwa ausgeglichen. Trotz Überprüfbarkeit anhand der Volkszählung von 1910 schwanken die angegebenen Zahlen zwischen etwa 40:60 und 60:40 Prozent.<br />
<br />
Eine [[Referendum|Volksabstimmung]] zur Legitimation der Neuordnung konnten die deutschen Vertreter in Versailles nur für den östlichen Teil Westpreußens durchsetzen. Zum [[Abstimmungsgebiet Marienwerder]] gehörten zusammen mit der Stadt [[Elbląg|Elbing]] die Kreise [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]], [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]], [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]], [[Landkreis Rosenberg i. Westpr.|Rosenberg i.&nbsp;Westpr.]] und [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]. Sie entschieden sich mit großer Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland und wurden als ''[[Regierungsbezirk Westpreußen]]'' mit dem Sitz [[Kwidzyn|Marienwerder]] der Provinz [[Ostpreußen]] angegliedert.<br />
<br />
Etwa 60 km² des [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Kreises Neustadt]] westlich des [[Zarnowitzer See]]s kamen an den [[Provinz Pommern|pommerschen]] [[Landkreis Lauenburg i. Pom|Kreis Lauenburg]].<br />
<br />
Aus den westlichen Kreisen [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]], [[Landkreis Flatow|Flatow]] und [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] und den bei Deutschland verbliebenen westlichen Grenzgebieten der [[Provinz Posen]] entstand 1922 die neue preußische Provinz ''[[Grenzmark Posen-Westpreußen]]''. Sie ging 1938 in den Nachbarprovinzen [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]], Pommern und [[Provinz Schlesien|Schlesien]] auf.<br />
<br />
=== Zwischenkriegszeit (1920–1939) ===<br />
Zu Zeiten der [[Weimarer Republik]] galt der deutsch-polnische Grenzverlauf in der Region Westpreußen als strittig, da sich bedeutende Teile der deutschen Gesellschaft nicht mit der Abtretung von Gebieten mit großem deutschem Bevölkerungsanteil abfinden wollten. Zudem stand die Minderheitenpolitik der Regierung [[Józef Piłsudski|Piłsudski]] in der Kritik, da die Deutschen ebenso wie andere [[Minderheit]]en, z.&nbsp;B. [[Ukraine]]r, gewisse Repressionen erfuhren.<br />
<br />
=== Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) ===<br />
[[Datei:Danzig-Westpreussen.png|mini|Reichsgau Danzig-Westpreußen (August 1943)]]<br />
Zu Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] nahmen im [[Polenfeldzug]] 1939 deutsche Truppen die 62 % des vormals westpreußischen Gebiets ein, die seit 1920 zu Polen gehörten. Aus den zu Polen bzw. zur Freien Stadt Danzig gehörenden Teilen Westpreußens wurde am 1. November 1939 mit dem bis dahin zur Provinz Ostpreußen gehörenden [[Regierungsbezirk Westpreußen]] der [[Danzig-Westpreußen|Reichsgau Danzig-Westpreußen]] gebildet. Ferner ordneten die Besatzer die übrigen [[Großpommerellen|großpommerellischen]] [[Powiat]]e [[Powiat Bydgoski|Bromberg]] (als [[Landkreis Bromberg#Landkreis Bromberg im besetzten Polen|Landkreis Bromberg]]), [[Powiat Lipnowski|Lipno]] (als [[Landkreis Leipe]]), [[Powiat Rypiński|Rypin]] (als [[Landkreis Rippin]]), [[Powiat Wyrzyski|Wirsitz]] (als [[Landkreis Wirsitz]]) sowie [[Bydgoszcz|Bromberg]], Stadt im Range eines Powiat, als Stadtkreis dem neuen Reichsgau zu. Die Gebiete der Powiate Lipno und Rypin hatten nie zu Deutschland gehört, die Territorien von Bromberg-Stadt, Bromberg-Land und des [[Kreis Wirsitz|Kreises Wirsitz]] waren bis zu den Grenzveränderungen in Folge des Versailler Vertrags Teil der [[Provinz Posen]] gewesen.<br />
<br />
Kurz nach Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], zwischen September und Dezember 1939, ermordeten Angehörige der [[Schutzstaffel|SS]] und des [[Volksdeutscher Selbstschutz|Volksdeutschen Selbstschutzes]] in den Wäldern der Region Westpreußen mehrere tausend Menschen: Polen, Kaschuben und Juden. Das Chaos der ersten Kriegstage nutzten die Nationalsozialisten für eine Reihe systematisch geplanter Vernichtungsaktionen z.&nbsp;B. im Wald von [[Wielka Piaśnica|Piaśnica]], [[Wald bei Szpęgawsk|Wald von Szpęgawsk]], Wald von Mniszek (Mischke). Unter den Opfern befanden sich neben Angehörigen der polnischen und [[Kaschuben|kaschubischen]] [[Intelligenzija|Intelligenz]] auch Patienten deutscher und polnischer Psychiatriekliniken sowie [[Deportation|Deportierte]] aus dem Reichsgebiet.<br />
<br />
Zahlreiche [[Deutschbalten]], die im Zuge der Aktion „[[Heim ins Reich]]“ aus [[Estland]] und [[Lettland]] kamen, wurden in dieser Gegend angesiedelt, und nachdem die polnische Bevölkerung zum Teil vertrieben worden war, erhielten die Baltendeutschen den Wohnraum dieser Menschen.<br />
<br />
Während der [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)#Widerstand während der Besatzungszeit|Besatzungszeit in Pommerellen]] regte sich polnischer Widerstand. Im Jahr 1940 und bildete sich die ''Tajna Organizacja Wojskowa «Gryf Pomorski»'' (TOW; Geheime Militärorganisation «Pommerscher Greif»). Vorsitzender des Obersten Rats war [[Józef Wrycza]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Zeit des Nationalsozialismus|Marine-Flak#9. Marine-Flak-Regiment (Gotenhafen)}}<br />
<br />
== Das Ende 1945 ==<br />
Bei Kriegsende wurde das gesamte Gebiet Westpreußens von [[Rote Armee|sowjetischen Truppen]] erobert. Die polnische Regierung ließ fast die gesamte deutschsprachige Bevölkerung unter erzwungener Zurücklassung des nahezu gesamten mobilen und immobilen Besitzes vertreiben. Die [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945 bis 1950|Vertreibung]] selber war von Ausschreitungen polnischer und sowjetischer Soldaten an der deutschen Zivilbevölkerung begleitet (Vergewaltigungen, Raubmorde). Während die staatliche Zugehörigkeit der zum [[Deutsches Reich in den Grenzen von 1937|Deutschen Reich in den Grenzen von 1937]] gehörenden [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebiete]] ([[Ostpreußen]], [[Hinterpommern]], [[Grenzmark Posen-Westpreußen]], die [[Neumark Brandenburg]] und [[Schlesien]]) bis zum [[Warschauer Vertrag (1970)|Warschauer Vertrag]] 1970 bzw. bis zum [[Deutsch-Polnischer Grenzvertrag|deutsch-polnischen Grenzvertrag]] 1990 umstritten blieb, erhob die [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] im Gegensatz zur Weimarer Republik niemals territoriale Ansprüche auf den von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis 1772/73 zu Polen gehörenden größten Teil Westpreußens.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
=== Vor 1920 ===<br />
[[Datei:Prusy Zachodnie de.svg|mini|300px|Verwaltungsgliederung der Provinz Westpreußen: {{Farblegende|#FFAAAA|Regierungsbezirk Danzig}}<br />
{{Farblegende|#AACCFF|Regierungsbezirk Marienwerder}}]]<br />
'''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Danzig]]<br />
# [[Elbląg|Elbing]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Berent|Berent]]<br />
# [[Kreis Danziger Höhe|Danziger Höhe]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Danziger Niederung|Danziger Niederung]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]]<br />
# [[Kreis Karthaus|Karthaus]]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Neustadt i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Preußisch Stargard|Preußisch Stargard]]<br />
# [[Kreis Putzig|Putzig]]<br />
<br />
'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Grudziądz|Graudenz]]<br />
# [[Toruń|Thorn]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Briesen|Briesen]]<br />
# [[Kreis Kulm|Culm]]<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]]<br />
# [[Kreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
# [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
# [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] [Sitz: Neumark]<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]f<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]]<br />
# [[Kreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
# [[Kreis Strasburg in Westpreußen|Strasburg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
# [[Landkreis Thorn|Thorn-Land]]<br />
# [[Kreis Tuchel|Tuchel]]<br />
<br />
=== Nach Ende der Provinz ===<br />
Nach 1920 verblieben von Westpreußen die folgenden Kreise bei Deutschland:<br /><br />
'''Vom Regierungsbezirk Marienwerder''':<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]] ¹<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]] ¹<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] ¹<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
<br />
'''Vom Regierungsbezirk Danzig''':<br />
# [[Elbląg|Elbing-''Stadt'']]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-''Land'']]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]]<br />
<br />
¹ ''ab 1922 Teil der Provinz [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]; die anderen bei Deutschland verbliebenen Kreise gehörten ab 1922 zu Ostpreußen''<br />
<br />
== Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen ==<br />
* 1815: [[Theodor von Schön]], ab 1824 Oberpräsident der neuen [[Provinz Preußen]]<br />
* 1878: [[Heinrich von Achenbach]]<br />
* 1879: [[Adolf Ernst von Ernsthausen]]<br />
* 1888: [[Adolf Hilmar von Leipziger]]<br />
* 1891: [[Gustav von Goßler]]<br />
* 1902: [[Clemens von Delbrück]]<br />
* 1905: [[Ernst von Jagow]]<br />
* 1919: [[Bernhard Schnackenburg]]<ref>[http://www.territorial.de/ Oberpräsidenten und Landesdirektoren/Landeshauptmänner auf territorial.de].</ref><br />
<br />
== Das ehemalige Provinzgebiet heute ==<br />
Heute gehört das Gebiet der ehemaligen Provinz Westpreußen zu den [[Polen|polnischen]] [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Pommern|Pommern]] und [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern|Kujawien-Pommern]]. Der Bevölkerungsanteil der [[Deutsche Minderheit in Polen|deutschen Minderheit]] ist zwar höher als in Zentral- und Südostpolen, aber deutlich niedriger als in [[Oberschlesien]] (Woiwodschaften [[Woiwodschaft Oppeln|Oppeln]] und [[Woiwodschaft Schlesien|Schlesien]]) und in [[Ermland-Masuren]].<br />
<br />
== Demographie ==<br />
=== Bevölkerungsentwicklung ===<br />
Zur Verdeutlichung der demographischen Entwicklungen sind in der nachfolgenden Tabelle auch Werte für die Zeit zwischen 1829 und 1878 angegeben, als die Provinz nicht existierte, sondern Teil der Provinz Preußen war. Zu den Angaben zum Anteil an der preußischen Gesamtbevölkerung ist zu bemerken, dass sich letztere durch Gebietszuwächse zwischen 1849 und 1867 beträchtlich vergrößert hat.<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Jahr<br />
! Einwohner<br />
! Anteil an preuß.<br />Gesamt-<br />bevölkerung<br />
! Einwohner pro<br />Quadrat-<br />kilometer<br />
! Anmerkungen<br />
|-<br />
| 1816 || align="center" | {{0}}571.081 || align="center" | 5,5 % || align="center" | 22 || <ref name="Stat">Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914.'' Marburg 1998, S. 17.<br />Michael Rademacher, Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920<br />[http://www.deutsche-schutzgebiete.de/provinz_westpreussen.htm www.deutsche-schutzgebiete.de].</ref><br />
|-<br />
| 1817 || align="center" | {{0}} 581.971 || align="center" | ? || align="center" | 23 || davon 289.060 Evangelische, 267.935 Katholische, 12.649 Mennoniten und 12.632 Juden<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1819 || align="center" | {{0}} 630.077 || align="center" | 5,5 % (1917) || align="center" | 25 || davon 327.300 Polen und Kaschuben, 290.000 Deutsche und Mennoniten, 12.700 Juden<ref name="Georg Hassel2">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Nationalverschiedenheit 1819: Polen – 327,300; Deutsche – 290,000; Juden – 12,700.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1825 || align="center" | {{0}}700.000 || align="center" | ? || align="center" | 30 || davon 350.000 Polen und Kaschuben, 330.000 Deutsche und Mennoniten, 20.000 Juden<ref name="Karl Andree">[[Karl Andree (Geograph)]]: ''Polen: in geographischer, geschichtlicher und culturhistorischer Hinsicht'', Leipzig 1831</ref><br />
|-<br />
| 1831 || align="center" | {{0}}760.441 || align="center" | ? || align="center" | 30 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1861 || align="center" | 1.170.252 || align="center" | 6,3 % || align="center" | 46 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1871 || align="center" | 1.314.611 || align="center" | 5,3 % || align="center" | 51 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1875 || align="center" | 1.343.057 || align="center" | ? || align="center" | ? || <ref name="VWG">{{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}</ref><br />
|-<br />
| 1880 || align="center" | 1.405.898 || align="center" | 5,2 % || align="center" | 55 || <ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1890 || align="center" | 1.433.681 || align="center" | 4,8 % || align="center" | 56 || davon 581.195 Evangelische, 717.532 Katholiken, 13.158 andere Christen und 21.750 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1900 || align="center" | 1.563.658 || align="center" | 4,5 % || align="center" | 61 || davon 730.685 Evangelische, 800.395 Katholiken, 14.308 andere Christen und 18.226 Juden;<ref name="VWG" /> 1.007.400 Personen (64,4 %) mit deutscher, 99.357 Personen (6,4 %) mit [[Kaschubische Sprache|kaschubischer]] und 437.916 Personen (28,0 %) mit {{plS}}er Muttersprache;<ref name="VWG" /> 1.349 Personen (0,1 %) sprechen neben dem Deutschen kaschubisch, 16.130 Personen (1,0 %) sprechen neben dem Deutschen polnisch<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1905 || align="center" | 1.641.746 || align="center" | ? || align="center" | 64 || davon 764.719 Evangelische, 844.566 Katholiken und 16.139 Juden (567.318 [[Kaschuben]], [[Masurische Sprache|Masuren]] und [[Polen (Ethnie)|Polen]])<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref><br />
|-<br />
| 1910 || align="center" | 1.703.474 || align="center" | 4,2 % || align="center" | 67 || <ref name="Stat" /><br />
|}<br />
<br />
;Religionsgruppen<br />
{| class="wikitable"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="4"| Anteile der Konfessionen<ref name="VWG"/><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1817<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref> || 1890 || 1900<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Katholiken''' || 46,0 % || 50,0 % || 51,2 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Evangelische''' || 49,7 % || 47,5 % || 46,7 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Juden''' || &nbsp;2,2 % || &nbsp;1,5 % || &nbsp;1,2 %<br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
=== Sprachen ===<br />
;Verbreitung der slawischen Sprachen 1819–1910<br />
{| class="wikitable" style="vertical-align:top"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="6"| Anteil der Kaschubisch-, Masurisch- und Polnischsprachigen<ref>Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914''. Marburg 1998, S. 17&nbsp;f.</ref><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1819<ref name="Georg Hassel2" /> || 1825<ref name="Karl Andree" /> || 1861 || 1890 || 1910<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Amtliche Angaben''' ¹ || 51,9 % || 50,0 % || 32,4 % || 34,4 % || 35,5 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="left" colspan="6" | <small>1) unter Hinzurechnung der Gruppe der Zweisprachigen</small><br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
;Verbreitung der deutschen, kaschubischen, masurischen und polnischen Sprache im Jahr 1905 nach amtlichen Angaben<br />
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="3" style="background:#F4F4DB"<br />
|'''Kreis'''<br />
|'''Polnische Bezeichnung'''<br />
|'''Bevölkerung 1905'''<br />
|'''Kaschubisch, masurisch, polnisch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|'''Deutsch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|-<br />
| colspan="7" align="center"|'''Provinz Westpreußen'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''1.645.874'''<br />
|align="right" | '''567.328'''<br />
|align="right" | '''34,47'''<br />
|align="right" | '''1.061.803'''<br />
|align="right" | '''64,51'''<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"| '''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''709.312'''<br />
|align="right" | '''192.327'''<br />
|align="right" | '''27,11'''<br />
|align="right" | '''511.423'''<br />
|align="right" | '''72,10'''<br />
|-<br />
| Elbing-Stadt<br />
| [[Elbląg]]<br />
| align="right" | 55.627<br />
| align="right" | 175<br />
| align="right" | 0,31<br />
| align="right" | 55.328<br />
| align="right" | 99,46<br />
|-<br />
| Elbing-Land<br />
| Elbląg<br />
| align="right" | 38.871<br />
| align="right" | 105<br />
| align="right" | 0,27<br />
| align="right" | 38.737<br />
| align="right" | 99,66<br />
|-<br />
| Marienburg<br />
| [[Malbork]]<br />
| align="right" | 63.110<br />
| align="right" | 1.705<br />
| align="right" | 2,70<br />
| align="right" | 61.044<br />
| align="right" | 96,73<br />
|-<br />
| [[Danzig]]-Stadt<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 160.090<br />
| align="right" | 3.065<br />
| align="right" | 1,91<br />
| align="right" | 154.629<br />
| align="right" | 96,59<br />
|-<br />
| Danzig-Niederung<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 36.519<br />
| align="right" | 178<br />
| align="right" | 0,49<br />
| align="right" | 36.286<br />
| align="right" | 99,36<br />
|-<br />
| Danziger Höhe<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 50.148<br />
| align="right" | 5.703<br />
| align="right" | 11,73<br />
| align="right" | 44.113<br />
| align="right" | 87,97<br />
|-<br />
| Dirschau<br />
| [[Tczew]]<br />
| align="right" | 40.856<br />
| align="right" | 15.144<br />
| align="right" | 37,07<br />
| align="right" | 25.466<br />
| align="right" | 62,33<br />
|-<br />
| Pr. Stargard<br />
| [[Starogard Gdański]]<br />
| align="right" | 62.465<br />
| align="right" | 44.809<br />
| align="right" | 71,73<br />
| align="right" | 17.425<br />
| align="right" | 27,90<br />
|-<br />
| Berent<br />
| [[Kościerzyna]]<br />
| align="right" | 53.726<br />
| align="right" | 29.898<br />
| align="right" | 55,65<br />
| align="right" | 23.515<br />
| align="right" | 43,77<br />
|-<br />
| Karthaus<br />
| [[Kartuzy]]<br />
| align="right" | 66.612<br />
| align="right" | 46.281<br />
| align="right" | 69,48<br />
| align="right" | 20.203<br />
| align="right" | 30,33<br />
|-<br />
| Neustadt<br />
| [[Wejherowo]]<br />
| align="right" | 55.587<br />
| align="right" | 27.358<br />
| align="right" | 49,22<br />
| align="right" | 27.048<br />
| align="right" | 48,66<br />
|-<br />
| Putzig<br />
| [[Puck (Polen)|Puck]]<br />
| align="right" | 25.701<br />
| align="right" | 17.906<br />
| align="right" | 69,67<br />
| align="right" | 7.629<br />
| align="right" | 29,68<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"|'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''936.562'''<br />
|align="right" | '''375.001'''<br />
|align="right" | '''40,04'''<br />
|align="right" | '''550.380'''<br />
|align="right" | '''58,77'''<br />
|-<br />
| Stuhm<br />
| [[Sztum]]<br />
| align="right" | 36.559<br />
| align="right" | 13.473<br />
| align="right" | 36,85<br />
| align="right" | 22.550<br />
| align="right" | 61,68<br />
|-<br />
| Marienwerder<br />
| [[Kwidzyn]]<br />
| align="right" | 68.096<br />
| align="right" | 24.541<br />
| align="right" | 36,04<br />
| align="right" | 42.699<br />
| align="right" | 62,70<br />
|-<br />
| Rosenberg<br />
| [[Susz]]<br />
| align="right" | 53.293<br />
| align="right" | 3.465<br />
| align="right" | 6,50<br />
| align="right" | 49.304<br />
| align="right" | 92,51<br />
|-<br />
| Löbau<br />
| [[Lubawa]]<br />
| align="right" | 57.285<br />
| align="right" | 45.510<br />
| align="right" | 79,44<br />
| align="right" | 11.368<br />
| align="right" | 19,84<br />
|-<br />
| Strasburg<br />
| [[Brodnica]]<br />
| align="right" | 59.927<br />
| align="right" | 38.507<br />
| align="right" | 64,26<br />
| align="right" | 21.008<br />
| align="right" | 35,06<br />
|-<br />
| Briesen<br />
| [[Wąbrzeźno]]<br />
| align="right" | 47.542<br />
| align="right" | 25.415<br />
| align="right" | 53,46<br />
| align="right" | 21.688<br />
| align="right" | 45,62<br />
|-<br />
| Thorn-Stadt<br />
| [[Toruń]]<br />
| align="right" | 43.658<br />
| align="right" | 13.988<br />
| align="right" | 32,04<br />
| align="right" | 29.230<br />
| align="right" | 66,59<br />
|-<br />
| Thorn-Land<br />
| Toruń<br />
| align="right" | 58.765<br />
| align="right" | 30.833<br />
| align="right" | 52,47<br />
| align="right" | 27.508<br />
| align="right" | 46,81<br />
|-<br />
| Kulm<br />
| [[Chełmno]]<br />
| align="right" | 49.521<br />
| align="right" | 25.659<br />
| align="right" | 51,89<br />
| align="right" | 23.521<br />
| align="right" | 47,50<br />
|-<br />
| Graudenz-Stadt<br />
| [[Grudziądz]]<br />
| align="right" | 39.953<br />
| align="right" | 4.421<br />
| align="right" | 11,07<br />
| align="right" | 30.709<br />
| align="right" | 76,86<br />
|-<br />
| [[Landkreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
| Grudziądz<br />
| align="right" | 46.509<br />
| align="right" | 19.331<br />
| align="right" | 41,56<br />
| align="right" | 26.888<br />
| align="right" | 57,81<br />
|-<br />
| [[Landkreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
| Świecie<br />
| align="right" | 87.151<br />
| align="right" | 47.779<br />
| align="right" | 54,82<br />
| align="right" | 39.276<br />
| align="right" | 45,07<br />
|-<br />
| Tuchel<br />
| [[Tuchola]]<br />
| align="right" | 30.803<br />
| align="right" | 20.540<br />
| align="right" | 66,68<br />
| align="right" | 9.925<br />
| align="right" | 32,22<br />
|-<br />
| Konitz<br />
| [[Chojnice]]<br />
| align="right" | 59.694<br />
| align="right" | 32.704<br />
| align="right" | 54,79<br />
| align="right" | 26.581<br />
| align="right" | 44,50<br />
|-<br />
| Schlochau<br />
| [[Człuchów]]<br />
| align="right" | 66.317<br />
| align="right" | 10.180<br />
| align="right" | 15,35<br />
| align="right" | 55.981<br />
| align="right" | 84,41<br />
|-<br />
| Flatow<br />
| [[Złotów]]<br />
| align="right" | 67.783<br />
| align="right" | 18.002<br />
| align="right" | 26,56<br />
| align="right" | 49.167<br />
| align="right" | 72,54<br />
|-<br />
| Deutsch Krone<br />
| [[Wałcz]]<br />
| align="right" | 63.706<br />
| align="right" | 653<br />
| align="right" | 1,03<br />
| align="right" | 62.977<br />
| align="right" | 98,86<br />
|}<br />
<br />
;Deutsche Dialekte<br />
Die [[Ostniederdeutsche Sprache|ostniederdeutschen]] und [[ostmitteldeutsch]]en Dialekte, die in Westpreußen gesprochen wurden, werden erfasst und beschrieben im [[Preußisches Wörterbuch|Preußischen Wörterbuch]]. [[Niederpreußisch]] und [[Hochpreußisch]] gelten als fast ausgestorben. Als [[Plautdietsch]] wird eine Varietät des Niederpreußischen noch heute jedoch weltweit von etwa einer halben Million [[Russlandmennoniten]] gesprochen (siehe auch [[Plautdietsch-Freunde]]).<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
* [[Eddi Arent]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Emil von Behring]], Serologe; erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physiologie und Medizin<br />
* [[Hugo Conwentz]], Botaniker, Begründer des staatlichen Naturschutzes<br />
* [[Horst Ehmke]], deutscher Jurist und Politiker (SPD)<br />
* [[Gabriel Daniel Fahrenheit]], Physiker (Temperaturskala)<br />
* [[Johannes Daniel Falk]], Theologe und Schriftsteller<br />
* [[Georg Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Johann Reinhold Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Tiedemann Giese]], [[Fürstbischof]] von [[Ermland]], aus der [[Patrizier]]familie Giese<br />
* [[Günter Grass]], Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger<br />
* [[Heinz Guderian]], deutscher Offizier und Truppenführer<br />
* [[Johannes Hevelius]], Astronom<br />
* [[Paul von Hindenburg]], Generalfeldmarschall, Reichspräsident<br />
* [[Klaus Kinski]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Nikolaus Kopernikus]], Astronom<br />
* [[Hilmar Kopper]], Bankmanager (prägte »Peanuts« als Unwort des Jahres 1994)<br />
* [[Arnold Krieger]], deutscher Schriftsteller<br />
* [[Werner Kriesel]], deutscher Professor, Pionier der Industriellen Kommunikationstechnik<br />
* [[Hermann Löns]], deutscher Journalist und Schriftsteller<br />
* [[Oskar Loerke]], deutscher Dichter des Expressionismus<br />
* [[Walther Nernst]], Physiker, Nobelpreis 1920<br />
* [[Bernd Neumann]], Politiker (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien)<br />
* [[Wolfgang Peller]], Pädagoge, Politiker (SPD)<br />
* [[Arthur Schopenhauer]], Philosoph<br />
* [[Johanna Schopenhauer]], geb. Trosiener, Schriftstellerin<br />
* [[Kurt Schumacher]], Politiker (SPD)<br />
* [[Clara Siewert]], Malerin<br />
* [[Elisabeth Siewert]], Schriftstellerin<br />
* [[Heinz-Günter Stamm]], deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Theaterregisseur<br />
* [[Alfred Struwe]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Adam Wiebe]], Ingenieur, Erfinder der Seilbahn<br />
* [[Wolfgang Völz]], deutscher Schauspieler<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Landsmannschaft Westpreußen]]<br />
* [[Westpreußisches Landesmuseum]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA33 S. 33–47.], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA189 S. 189–229], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA553 S. 553–568] und [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA610 S. 610–624.]<br />
* [[Max Bär (Archivar)|Max Bär]]: ''Die Ortsnamenänderungen in Westpreußen gegenüber dem Namenbestande der polnischen Zeit''. Danzig 1912 ([http://kpbc.umk.pl/publication/14220 Digitalisat]).<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''„Wie bist du wunderschön!“ Westpreußen – Das Land an der unteren Weichsel.'' Ibidem: Stuttgart 2012, ISBN 978-3-8382-0357-7.<br />
* Hartmut Boockmann: ''Ostpreußen und Westpreußen'' (=&nbsp;Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992, ISBN 3-88680-212-4.<br />
* Andreas Gehrke, R. Hecker, H. Preuß: ''Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule und Haus'', 2 Teile in einem Band. Danzig 1911; Neudruck Melchior, Wolfenbüttel 2006, ISBN 3-939102-53-9.<br />
* [[Johann Friedrich Goldbeck]]: ''Topographie des Königreichs Preussen''. Theil II: ''Topographie von West-Preussen ''. Marienwerder 1789, Ndr. Hamburg 1991.<br />
** Abschnitt 1: ''Systematischer geographischer Entwurf von West-Preussen '' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PR1 E-Kopie])<br />
** Abschnitt 2: ''Volständige Topographie vom West-Preussischen Cammer-Departement'' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PA1-PA1 E-Kopie])<br />
* Richard Wagner: ''Ein Pommersches Herzogthum und eine Deutsche Ordens-Komthurei. Kulturgeschichte des Schwetzer Kreises nach den archivalischen und anderen Quellen bearbeitet. Ein Beitrag zur urkundlichen Geschichte des Deutschthums in Westpreußen, wie auch zur Kenntniß der Alterthümer dieses Landestheils, mit zahlreichen Illustrationen und bisher noch ungedruckten historischen Dokumenten''. Band&nbsp;1: ''Bis 1466.'' Posen 1872 ([https://books.google.de/books?id=GrBSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* Hermann Eckerdt: ''Geschichte des Kreises Marienburg''. Bretschneider, Marienburg 1868 ([http://books.google.de/books?id=3M8AAAAAcAAJ&pg=PA1#PPR3,M1 E-Kopie]).<br />
* Hans Prutz: ''Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen''. Danzig 1872 ([https://books.google.de/books?id=_aJSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* [[Albert Reusch]]: ''Westpreussen unter polnischem Scepter. Festrede gehalten im Elbinger Gymnasium am 13. Spt. 1872''. In: ''Altpreußische Monatsschrift''. Band 10, Königsberg 1873, [https://books.google.de/books?id=n9AOAAAAYAAJ&pg=PA140 S. 140–154].<br />
* Erich Hoffmann: ''Theodor von Schön und die Gestaltung der Schule in Westpreußen''. Marburg/Lahn 1965.<br />
* Erich Keyser: ''Danzigs Geschichte''. Danzig 1928, Ndr. Hamburg bei Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg, o. J.<br />
* Friedrich Lorentz: ''Geschichte der Kaschuben''. Berlin 1926.<br />
* [[Ernst Opgenoorth]]: ''Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens'' (= ''Einzelschriften der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung''. Band 10). Im Auftrag der [[Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung|Historischen Kommission für ost- und Westpreußische Landesforschung]], Mehrteilig, Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1994 ff.<br />
* Heinz Neumeyer: ''Westpreußen, Geschichte und Schicksal''. München 1993, ISBN 3-8004-1273-X.<br />
* Manfred Raether: ''Polens deutsche Vergangenheit'', Schöneck, 2004, ISBN 3-00-012451-9 (Neuausgabe [2009] als E-Buch; Kindle-Version).<br />
* [[Gotthold Rhode]]: ''Geschichte Polens''. 3. Aufl., Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.<br />
* [[Bruno Schumacher]]: ''Geschichte Ost- und Westpreußens''. Würzburg 1958.<br />
* [[Jürgen W. Schmidt]] (Hg.): ''Als die Heimat zur Fremde wurde … Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Westpreußen.'' Köster, Berlin 2011, ISBN 978-3-89574-760-1.<br />
* [[Ernst zur Lippe-Weißenfeld|Ernst Lippe-Weißenfeld]]: ''Westpreußen unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet''. Thorn 1866 ([http://books.google.de/books?id=Y_4AAAAAcAAJ&printsec=frontcover Volltext]).<br />
* [[Bernhard Stadié]]: ''Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen''. Lambeck, Thorn 1867 ([http://books.google.de/books?id=f_sJAAAAIAAJ&pg=PA130 zeitgenössische Rezension]).<br />
* ''Altpreußische Biographie.'' Hgg. im Auftrag der Historischen Kommission für Ost- und Westpreussische Landesforschung von Klaus Bürger. Zu Ende geführt in Zusammenarbeit mit Joachim Artz von Bernhart Jähnig. Elwert, Marburg 1936{{ff}}. 2 Bde. (1936–1967), 3 Ergänzungsbände erschienen (Stand 2015).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|West Prussia|Westpreußen}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [http://www.gsta.spk-berlin.de/kategorie_detail.php?detail=315&PAGE_ID=952 Schlagwort „Westpreußen, Provinz“ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz]<br />
* [http://www.westpreussisches-landesmuseum.de/ Westpreußisches Landesmuseum]<br />
* {{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}<br />
* [http://www.kulturreferat-westpreussen.de/ Kulturreferat Westpreußen]<br />
* [http://www.deutsche-und-polen.de/orte/ort_jsp/key=ost_westpreussen_2.html Ost- und Westpreußen 1772–1918] – Rundfunk Berlin-Brandenburg<br />
* [http://www.odessa3.org/collections/land/wprussia/ Kontributionskataster 1772/1773]<br />
<br />
== Online-Landkarten ==<br />
Folgend sind Weblinks mit historischen Landkarten von Preußen einschließlich Westpreußen, Ostpreußen, [[Ermland]], Freie Stadt Danzig seit circa 1500 bis zum 20. Jahrhundert:<br />
* [http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/atlas/seite70.html Landkarte von Caspar Henneberg] circa 1550 Pomerania, Marca (Brandenburg), Prussia (westlicher Teil mit Danzig)<br />
* [http://www.orteliusmaps.com/book/ort156.html historische Landkarte PRVSSIA 1584] [[Abraham Ortelius]]<br />
* [http://wwwtest.library.ucla.edu/libraries/mgi/maps/blaeu/prvssia.jpg Blaeu’s Landkarte] – circa 1660 Prussia (West- u. Ost Preußen einschl. Danzig) nach [[Caspar Henneberg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/Hart4_m.jpg Landkarte aus ''Altes und Neues Preussen''], [[Christoph Hartknoch]] (Thorn), Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/m_reyilly.jpg Landkarte Preussen nach 1701] nordwestlicher Teil mit [[Freie Stadt Danzig]], Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.domwarminski.pl/images/stories/warmia_regionem/mapy_historyczne_tabula_geografica_w.jpg Ermland Warmia Landkarte 1755] von [[Johann Friedrich Endersch]], [[Elbląg|Elbing]] mit Teilen von Westpreußen und Ostpreußen<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/mapaXIX.jpg Ostpreußen nach dem Vertrag von Versailles]<br />
* [http://www.elbing.de/landkreis.htm Danzig und anschließender Landkreis Elbing auf einer Karte]<br />
* [http://www.preussenweb.de/provinz/westpreussen.jpg Karte von Westpreußen mit Grenze zu Pommern, einschl. Danzig, Elbing, Frauenburg]<br />
* [http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900//gem1900.htm?westpreussen/westpreussen1900.htm Provinz Westpreußen (Landkreise, Gemeinden und Gutsbezirke) 1910]<br />
* [http://www.preussen-pommern.de.tl/Kartographie.htm Kartographische Darstellungen Westpreußens]<br />
* [http://www.posselt-landkarten.de/index_ostgebiete.htm Karte des Deutschen Reiches 1:100.000 (Schwerpunkt Ostgebiete)]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Provinzen Preußens<br />
|Navigationsleiste Oberpräsidenten in Westpreußen<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=42406-7|LCCN=|NDL=|VIAF=123753716}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Westpreussen}}<br />
[[Kategorie:Westpreußen| ]]<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1773]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1920]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Westpreu%C3%9Fen&diff=195558450Provinz Westpreußen2020-01-06T10:53:01Z<p>Exec: /* Besitzergreifung durch das Königreich Preußen */ weitere Karte hinzugefügt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{{Infobox Preußische Provinz<br />
|Provinzname = Westpreußen<br />
|Flagge = [[Datei:Flagge Preußen - Provinz Westpreußen.svg|150px|Flagge der Provinz Westpreußen]]<br />
|Wappen = [[Datei:Wappen Preußische Provinzen - Westpreußen.png|150px|Wappen der Provinz Westpreußen]]<br />
| Karte = [[Datei:Westpreußen und DanzigerBucht.png|300px|Westpreußen und Danziger Bucht 1896]]<br />
|Hauptstadt = [[Danzig]]<br />
|Periode = 1773–1829<br />1878–1919<br />
|Fläche = 25.554,6 [[km²]] (1910)<ref name="gvz">[http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900/gem1900.htm?preussen1900.htm Preußische Provinzen 1910]</ref><br />
|Einwohner = 1.703.474 (1910)<ref name="gvz" /><br />
|Bevölkerungsdichte = 67 Ew./km² (1910)<br />
|Religionen =<br />
|Vorläufer = [[Preußen königlichen Anteils]],<br />
|Nachfolger = [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]<br />
|Heute = [[Woiwodschaft Pommern]], [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern]] und [[Woiwodschaft Großpolen]]<br />
|Karte Preußen = [[Datei:Map-Prussia-WestPrussia.svg|275px|Rot: Lage der Provinz Westpreußen in Preußen (blau)]]<br />
|Kfz-Kennzeichen = <tt>I D</tt><br />
|Verwaltung =<br />
}}<br />
<br />
'''Westpreußen''' war eine [[Verwaltungsgliederung Preußens#Provinzen|preußische Provinz]] beiderseits der unteren [[Weichsel]] mit der Hauptstadt [[Danzig]]. Sie wurde 1772/1793 zur Zeit der [[Teilung Polens|Ersten und Zweiten Teilung]] [[Polen-Litauen]]s aus [[Annexion|annektierten]] Gebieten des [[Preußen Königlichen Anteils]] gebildet, ergänzt durch einen Teil des [[Oberland (Ostpreußen)#Oberländischer Kreis|preußischen Oberlands]] um [[Prabuty|Riesenburg]] und [[Kwidzyn|Marienwerder]], das zum Regierungssitz wurde. Die Provinz umfasste das [[Kulmerland]], [[Pomesanien]], [[Pommerellen]] sowie Teile [[Großpolen]]s: von 1775 bis 1807 den gesamten [[Netzedistrikt]], danach nur noch dessen nördliche Teile um [[Złotów|Flatow]] und [[Wałcz|Deutsch Krone]]. Der preußische König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] hatte 1772 verfügt, dass die Provinz den Namen ''Westpreußen'' erhalten sollte, während das bisherige ''Königreich Preußen'', vereinigt mit dem [[Ermland]], fortan den Namen ''[[Ostpreußen]]'' führen sollte.<br />
<br />
Das Gebiet bildet heute den Hauptteil der polnischen [[Woiwodschaft Pommern]].<br />
<br />
== Lage und Naturraum ==<br />
Das Territorium Westpreußens besteht aus zwei Höhenländern und dem zwischen diesen in Form einer Mulde eingebetteten unteren [[Weichsel]]tal. Das östlich der Weichsel liegende Plateau ist Teil der [[Baltische Seenplatte|Baltischen Seenplatte]], die von der [[Ostsee]], der Weichsel und der polnisch-litauischen Ebene begrenzt wird. Das Territorium Westpreußen liegt im Westen des Oberlandes. Es ist mäßig bewaldet und hat größtenteils fruchtbaren Boden. Der Boden des südlichen Teils, des sogenannten [[Kulmer Land]]s, galt als der fruchtbarste [[Weizen]]boden der gesamten [[Königreich Preußen|Preußischen Monarchie]]. Der südöstlich an [[Masuren]] grenzende Landstreifen, d.&nbsp;h. die ehemaligen Kreise [[Kreis Strasburg|Strasburg]] und [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] enthalten bereits mehr Sandschollen. Sie finden sich aber nirgends in der Ausdehnung vor wie auf dem linksseitigen Weichselufer. Das westlich der Weichsel gelegene Plateau wird zur [[Pommersche Seenplatte|pommerschen Seenplatte]] gerechnet, die zwischen der Ostsee, der Weichsel und der pommerisch-neumärkischen Ebene liegt.<ref name="FWFS38">[[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, S. 33–47, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA38 S. 38–40.],</ref><br />
<br />
Die ganze Platte zerfällt in folgende drei Gruppen:<ref name="FWFS38" /><br />
* Bergland von Nord[[pommerellen]]<br />
* [[Tucheler Heide]]<br />
* südpommerellisches Höhenland<br />
<br />
Die Provinz Westpreußen lag zur Zeit des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreiches]] (1871–1918) im Nordosten des [[Deutsches Reich|Reichsgebiets]] und wurde im Wesentlichen durch die drei Nachbarprovinzen Ostpreußen, [[Provinz Posen|Posen]] und [[Provinz Pommern|Pommern]] eingegrenzt. Im Südosten gab es eine Außengrenze zu [[Kongresspolen]], also zum [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]]. Im Norden bildete die [[Ostsee]] eine natürliche Grenze.<br />
<br />
Die Küste umfasste naturräumlich im Westen noch rund 30&nbsp;km der für [[Hinterpommern]] typischen [[Ausgleichsküste]], nach Osten anschließend aber machte die [[Nehrung]]sküste den Hauptküstenabschnitt aus. Zur offenen See war, ohne die [[Putziger Nehrung]], die Küste rund 130&nbsp;km, unter Berücksichtigung genannter Halbinsel 200&nbsp;km lang. Ganz im Osten gehörte noch ein kleiner Teil der [[Frische Nehrung|Frischen Nehrung]] zu Westpreußen.<br />
<br />
Der Großteil der Provinz bestand aus dem [[Baltischer Landrücken|Baltischen Landrücken]], einer hügeligen, seenreichen und sehr fruchtbaren, dem heutigen Ostholstein sehr ähnlichen [[Jungmoräne]]nlandschaft. Hier liegt südwestlich von Danzig auch der höchste Berg der Provinz, der 329 Meter hohe [[Wieżyca|Turmberg]], der zudem der höchste Berg des Baltischen Landrückens überhaupt ist.<br />
<br />
Die südlichsten Bereiche der Provinz waren durch [[Altmoräne]]n und [[Sander]] geprägt, einer eher unfruchtbaren, seenarmen, der Lüneburger Heide nicht unähnlichen Landschaft. Östlich von Danzig bis zum [[Frisches Haff|Frischen Haff]] liegt das [[Flussdelta|Deltagebiet]] von [[Weichsel]] und [[Nogat]], eine waldarme und fruchtbare [[Tiefebene]] und [[Marsch (Schwemmland)|Marschlandschaft]], ähnlich den Marschen der [[Weser|Unterweser]] und teilweise unter dem Meeresspiegel liegend.<br />
<br />
== Vorgeschichte ==<br />
Das [[Kulmer Land]] war im 13. Jahrhundert der Ausgangspunkt zur Schaffung des [[Deutschordensstaat]]s Preußen. [[Toruń|Thorn]] im Kulmer Land ist die älteste Stadt [[Preußen]]s.<ref name="AFB162">[[Anton Friedrich Büsching]]: ''Auszug aus einer Erdbeschreibung. Erster Theil, welcher Europa und den nordlichen Theil von Asia enthält''. Hamburg 1771, [https://books.google.de/books?id=YPTRwbRKr3oC&pg=PA163 S. 162–166.]</ref> Aufgrund von Erbstreitigkeiten an der Wende des 13./14. Jahrhunderts eroberte der Deutsche Orden 1308 das zwischen der [[Mark Brandenburg]] des Markgrafen [[Waldemar (Brandenburg)|Waldemar]] und [[Königreich Polen]] des Herzogs [[Władysław I. Ellenlang]] umstrittene Gebiet des [[Herzogtum Pommerellen|Herzogtums Pommerellen]] und fügte es dem eigenen Herrschaftsgebiet ein, ein Prozess, der im [[Vertrag von Soldin (1309)|Friedensvertrag von Soldin]] 1309 und im [[Vertrag von Kalisch (1343)|Friedensvertrag von Kalisch]] 1343 seinen Abschluss fand.<br />
<br />
Anfang des 15. Jahrhunderts begehrten viele der zumeist deutschsprachigen Städte des Landes gegen die Herrschaft der Deutschordensritter auf; 1440 gründeten einige den gegen den Orden opponierenden [[Preußischer Bund|Preußischen Bund]] und unterstellten sich später freiwillig unter Beibehaltung der eigenen Verfassung und weitreichender [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]] der Schirmherrschaft der Krone Polens, das heißt des polnischen Königs persönlich.<br />
<br />
Nach mehreren Kriegen zwischen Polen und dem Preußischen Bund einerseits und dem Orden andererseits wurde der Deutschordensstaat im [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Thorner Frieden]] 1466 geteilt. Der Orden musste seine Besitzungen beiderseits der unteren Weichsel an das autonome, unter der Schirmherrschaft des Königs von Polen stehende [[Preußen Königlichen Anteils]], das sich größtenteils aus den vom Orden bereits zuvor abgefallenen Städten zusammensetzte, abtreten und sich mit seinem Restgebiet ([Ost-] Preußen ohne Ermland) selber polnischem [[Supremat]] unterwerfen. Vertragspartner waren die Vertreter des Deutschen Ordens, des Königs von Polen und die im Preußischen Bund organisierten [[Ständeordnung|Stände]] des pommerellisch-preußischen Landes. Obwohl mit Polen zu einem Staatskörper verbunden, hatte das Land doch seine eigene Verfassung behalten und mit Polen und Litauen eigentlich nur den Herrscher gemeinsam. Der Preußische Bund hatte sich vertraglich zusichern lassen, dass der Herrscher nach seiner Krönung zuerst die Privilegien Preußens Königlichen Anteils bestätigen müsse, bevor er von dem Land die Huldigung empfing.<ref>A. C. A. Friederich: ''Historisch-Geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens''. Berlin 1839,<br />
[https://books.google.de/books?id=WLRfAAAAcAAJ&pg=PA121 S. 121.]</ref><br />
<br />
Historiker und Kartographen bezeichneten das Preußen Königlichen Anteils oder Polnisch-Preußen, latinisiert als ''Prussia Occidentalis'', schon bevor es auch in deutscher Sprache offiziell Westpreußen hieß.<br />
<br />
Unter polnischer Oberhoheit hatten die großen Städte Thorn, Danzig und Elbing, die verkehrsgünstig an Wasserwegen lagen und durch den Handel wirtschaftlich aufblühten, ihre Selbständigkeit am besten behaupten können. Das übrige Gebiete gliederte sich ab 1466 in die [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Culm|Culm]], [[Woiwodschaft Marienburg|Marienburg]] und [[Woiwodschaft Pommerellen (1454–1772)|Pommerellen]]. Preußen Königlichen Anteils litt unter den Eingriffen der Reichsstände in seine Vorrechte und Privilegien, an den Verwüstungen durch unglücklich geführte Kriege, an der durch Erpressungen aller Art erzwungenen Beteiligung an Kriegskosten und an der Despotie des Adels, der zwar Kriegssteuern eintrieb, selbst jedoch nichts entrichtete. Der Bauernstand geriet nach und nach in Leibeigenschaft.<ref name="FG193">[[Ferdinand Gottschalk (Historiker)|Ferdinand Gottschalk]]: ''Preußische Geschichte''. 1. Band, Königsberg 1850, [https://books.google.de/books?id=lNdCAQAAMAAJ&pg=RA1-PA193 S. 193–194.]</ref> Aufgrund erhaltener Privilegien begannen Teile des Adels sich schnell zu assimilieren, polonisierten sogar ihre Eigennamen und gewöhnten sich polnische Sitten und Lebensart an.<ref name="FG193" /><ref>[[Bernhard von Winckler]]: ''Westpreußische Studien''. In: ''Altpreußische Monatsschrift'', Band 3, Königsberg 1866, [https://books.google.it/books?id=TOEVAAAAYAAJ&pg=PA415 S. 415–440]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><ref>[[Xaver Frölich]]: ''Geschichte des Graudenzer Kreises''. Band 1, Graudenz 1868, [http://books.google.de/books?id=6AQBAAAAcAAJ&pg=PA103 S. 103.]</ref><br />
<br />
== Die ersten Jahre 1772–1806 ==<br />
=== Besitzergreifung durch das Königreich Preußen ===<br />
Durch die [[Erste Teilung Polens|Erste Teilung]] [[Polen-Litauen]]s 1772 wurde Preußen Königlichen Anteils als Provinz Westpreußen dem [[Königreich Preußen]] einverleibt. Nach dem Abschluss des Teilungsvertrages mit Österreich und Russland vom 5.&nbsp;August 1772 erließ Friedrich der Große am 13. September 1772 das sogenannte „Besitzergreifungs[[Dekret|patent]]“. Das [[Sejm|polnische Parlament]] ratifizierte unter dem Druck der drei Teilungsmächte die Abtretungsverträge am 30. September 1773, so dass diese [[völkerrecht]]lichen Charakter erhielten. Im Unterschied zu dem (im 19. Jahrhundert zur [[Provinz Posen]] gehörenden) [[Netzedistrikt]], zu dem 1772 auch die ab 1807 südwestlichen westpreußischen Kreise [[Kreis Deutsch-Krone|Deutsch-Krone]] und [[Kreis Flatow|Flatow]] gehörten, bestand Westpreußen ursprünglich nur aus Gebieten, die ehedem dem Deutschordensstaat unterworfen gewesen waren.<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref> Nach der durch diese Einverleibung Preußen Königlichen Anteils erreichten Wiedervereinigung der westlichen Teile Preußens mit dem östlichen Teil konnte sich der preußische König nun ''König von Preußen'' nennen, statt wie vorher nur ''König in Preußen''.<br />
<br />
Die [[Hohenzollern]] hatten damit eine Landverbindung zwischen dem ''Königreich Preußen'' und den innerhalb des [[Heiliges Römisches Reich|Reichs]] liegenden Kerngebieten des preußischen Staates geschaffen. Im Ermland und in den Städten wie z.&nbsp;B. [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] war die Bevölkerung bis zu dieser Zeit fast vollständig, in den übrigen Gebieten des westlichen Preußen etwa zur Hälfte deutschsprachig.<ref>[http://www.treuburg.com/index.php?sv=268&PHPSESSID=8006a9f531912ac21c5422770e8e8b71 Kreisgemeinschaft Treuburg]</ref><br />
<br />
[[Datei:K0nigl+herzoglPreussen.png|mini|300px|Hellgrau: [[Herzogtum Preußen|Herzoglich Preußen]].<br />Farbig: [[Preußen königlichen Anteils|Königlich Preußen]] [[File:Entwicklung̠Westpreussen.png|mini|300px]] mit seinen Woiwodschaften als Teil [[Polen-Litauen]]s]] General [[Stutterheim (Adelsgeschlecht)|von Alt-Stutterheim]] und der ostpreußische Staatsminister und Oberburggraf von Rohd nahmen mit mehreren Unterkommissionen und der nötigen militärischen Begleitung die polnischen [[Wojewodschaft]]en Pommerellen, Kulmerland und Marienburg sowie das [[Fürstbistum Ermland]] in Besitz. Nennenswerten Widerstand gab es nicht. Gleichzeitig ergriff der Geheime Finanzrat [[Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff|von Brenkenhoff]] Besitz vom Gebiet des späteren [[Netzedistrikt]]s. Bereits am 27. September huldigten die [[Ständegesellschaft|Stände]] des gesamten neuen Gebietes den beiden königlichen Kommissaren im Großen Remter der [[Ordensburg Marienburg|Marienburg]]. Eine zweite Huldigung erfolgte am 22. Mai 1775 vor Brenkenhoff in [[Inowrocław|Inowraclaw]], nachdem die Grenzen des Netzedistrikts erweitert worden waren.<br />
<br />
Preußen vereinbarte im Frühjahr 1793, während es sich mit dem [[Französische Revolution|revolutionären Frankreich]] im Kriegszustand befand, mit Russland, weitere Teile des polnischen Staates unter sich zu teilen. Unter anderem sollten Danzig und Thorn zu Westpreußen kommen. Um ihre Selbständigkeit besorgt, hatten die beiden Städte sich zunächst gegen die Übernahme gesträubt.<ref>[[Christian Konrad Wilhelm von Dohm|Christian Wilhelm von Dohm]]: ''Denkwürdigkeiten meiner Zeit oder Beiträge zur Geschichte vom letzten Viertel des achtzehnten und vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts 1778 bis 1806''. 2. Band, Lemgo und Hannover 1815, [https://books.google.de/books?id=pYxF-iL2YUsC&pg=PA81 S. 81 ff.]</ref> Am 11. März 1793 beschlossen der Rat und die Bürgerschaft der Stadt Danzig jedoch einstimmig, sich der [[Hoheit (Staatsrecht)|Oberhoheit]] des preußischen Königs zu unterstellen. Am 28. März sollten die [[Preußische Armee|preußischen Truppen]] unter General [[Karl Albrecht Friedrich von Raumer|Raumer]] in die Außenwerke der Stadt einrücken. Dabei kam es zu einer Meuterei der Danziger Stadtsoldaten, die sich gegen ihre Offiziere stellten und auf die anrückenden Preußen zu schießen begannen. Unter den Danziger Stadtsoldaten waren viele zuvor aus preußischen Diensten desertiert und fürchteten nun, dafür bestraft zu werden. Schließlich gelang es den Stadtvätern, die Meuterei zu unterdrücken. Am 4. April wurde die von den Bürgern überwiegend begrüßte Annexion Danzigs vollzogen.<br />
<br />
=== Innere Verwaltung ===<br />
Der König hatte 1772 angeordnet, dass das Ermland unter die Verwaltung der Königsberger [[Kriegs- und Domänenkammer]] kommen sollte. Für die neuen Gebiete Elbing, Marienburg, Kulmerland und Pomerellen sollte eine neue Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder eingerichtet und ihr auch die preußischen Ämter Marienwerder und [[Prabuty|Riesenburg]] und die [[Amt (Kommunalrecht)|Erbämter]] [[Burg Schönberg (Ostpreußen)|Schönberg]] und [[Iława|Deutsch-Eylau]] zugeschlagen werden. Der Netzedistrikt sollte zunächst eine selbständige Verwaltung unter dem Geheimen Finanzrat von Brenkenhoff erhalten.<br />
<br />
Schon im Juni 1772 hatte Friedrich bei einer persönlichen Zusammenkunft in Marienwerder den Präsidenten der Gumbinner Kriegs- und Domänenkammer, [[Johann Friedrich Domhardt]], zum Oberpräsidenten aller drei preußischer Kammern, der Königsberger, der Gumbinner und der für die zu erwerbenden Gebiete neu zu schaffenden Marienwerderschen Kammer ernannt. Dabei wurde die Marienwerder Kammer zunächst nicht dem [[Generaldirektorium]] in Berlin unterstellt, sondern blieb unmittelbar vom König abhängig. In einer Kabinettsorder vom 31. Januar 1773 an Domhardt gab Friedrich der neuen Provinz den Namen „Westpreußen“, während die alte Provinz Preußen nunmehr „Ostpreußen“ heißen sollte. Beide Provinzen zusammen bildeten nun das souveräne „Königreich Preußen“. Friedrich nannte sich nun „König von Preußen“, statt bisher „König in Preußen“.<br />
<br />
Westpreußen wurde in sieben (adlige) „Landrätliche Kreise“ eingeteilt, nämlich:<br />
* [[Kreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
* [[Kreis Marienburg (Westpreußen)|Marienburg]]<br />
* [[Kreis Kulm|Kulm]]<br />
* [[Kreis Michelau|Michelau]]<br />
* [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
* [[Kreis Preußisch Stargard|Stargard]]<br />
* [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
<br />
Der Netzedistrikt, das „Cammer-Deputations-Departement“, wurde 1775 völlig in Westpreußen einverleibt. Es wurden vier Landrätliche Kreise eingerichtet:<br />
* [[Landkreis Bromberg|Bromberg]]<br />
* [[Kreis Hohensalza|Inowraclaw]]<br />
* [[Kreis Kamin|Kamin]]<br />
* [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
<br />
An der Spitze eines landrätlichen Kreises stand der von der Regierung ohne Mitwirkung der Kreiseingesessenen ernannte Landrat. Er gehörte fast durchweg dem Adel, wenn auch nicht immer dem einheimischen, an. Als staatlicher Beamter hatte er die allgemeine polizeiliche Aufsicht über die adligen Güter, ihre Bauern und über die Kölmer. 1787 erhielt die westpreußische Ritterschaft das Privileg, freigewordene Landratsstellen durch Wahl aus ihrer Mitte zu besetzen.<br />
Neben den Landräten standen die „Beamten“, das waren die Verwalter der kgl. Domainenämter innerhalb des gleichen landrätlichen Kreises.<br />
Eine dritte Gruppe bildeten die Steuerräte. Sie verwalteten die Steuerkreise, in denen jeweils eine Anzahl von Städten mit deren Kammergütern zusammengefasst war.<br />
<br />
Diese drei Institutionen griffen zwar räumlich ineinander über, ihre Amtsbefugnisse waren jedoch streng getrennt. Den Landräten oblag die Einziehung der Kontribution vom Adel, den Domainenämtern die Einziehung der Pachterträgnisse (Praestation) der zu ihrem Amt gehörenden Pachtgüter, und die Steuerräte hatten für die Erhebung der Akzise vom Stadtbesitz, den Kammergütern, zu sorgen. Dazu gehörte auch die Umsatzsteuer, die an den Stadttoren von den eingeführten und ausgeführten Waren erhoben wurde.<br />
<br />
Das Geld war der preußische [[Reichstaler]] zu je 90 [[Groschen]] (letzterer Groschen zu je 18 Pfennig). Daneben galt der polnische Gulden (=&nbsp;fl, Zloty) zu 1/3 Reichstaler = 30 Groschen.<br />
<br />
Die Landeinheit war die kulmische [[Hufe]] (etwa 16,8&nbsp;ha) zu je 30 Morgen, letzterer Morgen zu je 300 (Quadrat)-[[Rute (Einheit)|Ruten]].<br />
<br />
Ab 1793 war mehr und mehr die Magdeburger Hufe [[Magdeburger Maß]], etwa 7,7 ha zu je 30 Magdeburger [[Morgen (Einheit)|Morgen]], letzterer Morgen zu je 180 (Quadrat)-Ruten im Gebrauch.<br />
<br />
=== Justizverwaltung ===<br />
Im polnischen Preußen war es durch das Nebeneinander des kulmischen und eines dem polnischen nachgebildeten Adelsrechts nicht zu einer einheitlichen Kodifikation gekommen. Für die große Mehrheit der [[Leibeigenschaft|leibeigenen]] Bauern gab es überhaupt kein geregeltes Recht. Durch das „Notifikationspatent, betreffend die Einrichtung des Justizwesens“ vom 28. September 1772 wurden das bisher gültige Recht und die Gerichte aufgehoben. Die in Ostpreußen erprobte Gerichtsverfassung und das dort geltende „Verbesserte Landrecht von 1721“ wurden jetzt auch in Westpreußen eingeführt.<br />
<br />
Es wurden zwei Obergerichte eingerichtet:<br />
* Die „Westpreußische Regierung“ zu Marienwerder für das eigentliche Westpreußen. Es erhielt den Namen „Regierung“, weil es neben der obergerichtlichen Rechtsprechung auch Verwaltungsaufgaben in [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheits-]], Kirchen- und Schulsachen einschließlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erfüllen hatte. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Trennung von Justiz und Verwaltung durch.<br />
* Das „Westpreußische Hofgericht“ zu Bromberg, welches keine Verwaltungstätigkeiten ausübte und nur als Obergericht für die vier Kreise des Netzedistrikts tätig war.<br />
Untergerichte waren<br />
* die Domainenjustizämter,<br />
* die Stadtgerichte,<br />
* die Patrimonialgerichte.<br />
<br />
* Elf Domainenjustitzämter in Westpreußen und vier im Netzedistrikt wurden eingerichtet. Sie traten an die Stelle der Starosteigerichte. Mehrere Domänen wurden dabei unter der Leitung eines fachlich gebildeten Justizamtmanns zusammengefasst.<br />
* Die Stadtgerichte und<br />
* die [[Patrimonialgerichtsbarkeit]] der adligen Güter blieben erhalten. Sie wurden jedoch reformiert und einer Beaufsichtigung durch die Obergerichte unterworfen.<br />
Einen gewissen Abschluss fand die Rechtsentwicklung mit der Einführung des [[Allgemeines Landrecht|„Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten“]] am 1. Juni 1794.<br />
<br />
=== Kontributionskataster ===<br />
* Im Steuerwesen wurde durch die „Instruktion für die Klassifikationskommission“ vom 5. Juni 1772 die [[Kontribution]] eingeführt. Es fand vom September 1772 bis Anfang 1773 eine genaue Vermessung des Landes und eine Schätzung des Ertrages der einzelnen Grundstücke statt. Dabei wurde die Güte der Böden „klassifiziert“, die zu leistende Abgabe, die Kontribution, also nicht allein nach der Flächengröße, sondern auch nach der Bodenqualität der Grundstücke festgesetzt. Diese Erhebungen zeigten den trostlosen Zustand des flachen Landes und der kleinen Städte. Da sie zu steuerlichen Zwecken erhoben worden sind, kann ihnen nicht die Absicht unterstellt werden, den vorgefundenen Zustand absichtlich schlecht dargestellt zu haben. Ihr Quellenwert ist daher unbestritten.<br />
* Das Kontributionskataster enthielt aber auch eine namentliche Erfassung aller Haushaltsvorstände, jeweils mit der Angabe, wie viele männliche und weibliche Personen jeweils unter und über 12 Jahren jeder Haushalt umfasste, welche Berufe ausgeübt wurden und welcher Konfession die Personen waren. Eine Erfassung der ethnischen Zugehörigkeit (Deutsche, Kaschuben, Polen) hat bei dieser Gelegenheit nicht stattgefunden. Ein Nationalgefühl war damals noch nicht ausgeprägt. Aufgrund anderer Quellen weiß man aber, dass die pommerellische Bevölkerung etwa zur Hälfte aus Deutschen, zur anderen Hälfte aus [[Kaschuben]] und Polen bestand. Die Deutschen waren im Allgemeinen lutherisch und lebten hauptsächlich in den Städten und als Bauern in einem west-östlich verlaufenden Streifen im Netzegebiet. Das Kontributionskataster ist heute noch eine Fundgrube für Familienforscher.<br />
<br />
=== Maßnahmen zur Förderung des Landes ===<br />
'''Infrastruktur''':<br />
* Der König sorgte auch für die Erhaltung und Verbesserung der Deiche in der Weichsel- und Nogatniederung und für die Schiffbarmachung der Nogat.<br />
* Nach nur zwei Jahren Bauzeit war der [[Kanał Bydgoski|Bromberger Kanal]] 1774 fertig geworden. Mit 27&nbsp;km Länge, einer Scheitelhöhe von 25&nbsp;m und neun Schleusen verbindet er die Oder mit der Weichsel und erschien jener Zeit geradezu als Wunderwerk.<br />
* Geregelte Postverbindungen in der ganzen Provinz dienten der Wirtschaft und der Verwaltung.<br />
<br />
'''Land- und Forstwirtschaft''':<br />
* Die zahlreichen [[Starostei]]en wurden in Domänen umgewandelt und an deutsche bürgerliche Domänenbeamten verpachtet.<br />
* Der umfangreiche Kirchenbesitz wurde in staatliche Verwaltung genommen. Die kirchlichen Einrichtungen blieben jedoch Eigentümer und erhielten eine Art Pachtentschädigung.<br />
* Die umfangreichen, aber völlig verwahrlosten Forsten wurden in eine gegliederte staatliche Forstverwaltung genommen. Für den Forstdienst wurden generell ausgediente Soldaten, auch Invaliden, aus dem Jägerkorps eingesetzt, die regelmäßig in Abständen von mehreren Jahren an andere Orte versetzt wurden.<br />
* Besondere Förderung erhielt die Landwirtschaft durch billige Abgabe guten Saatgetreides und durch die Einführung des Kartoffelanbaus, durch den die regelmäßig bestehende Gefahr von Hungersnöten gebannt wurde. Die Kartoffel gedieh gut auf den sandigen Böden. Es wurde Sorge getragen für eine Vermehrung und Verbesserung des Viehbestandes und die Anpflanzung von Obstbäumen.<br />
* Durch die Errichtung der „Westpreußischen Landschaft“ im Jahre 1787 wurde die Verschuldung und das Hypothekenwesen der adligen Güter geordnet. Es war eine Verbindung der freiwillig daran teilnehmenden adligen Güter und deren Besitzer zu einer – wie wir heute sagen würden – Pfandbrief- und Bodenkreditanstalt. Zu deren Einrichtung und Fonds stiftete der König 200.000 Reichstaler. Für die ausgegebenen Pfandbriefe hafteten alle teilnehmenden Grundstücke. Die Pfandbriefe mussten überwiegend in kleinen Stückelungen von 50 und 100 Reichstalern ausgegeben werden, damit sie möglichst breiten Absatz fanden. Dagegen konnten die Teilnehmer günstige Kredite erhalten.<br />
<br />
'''Schulwesen''':<br />
* Der König hatte schon im Jahre 1763 das „General-Landschul-Reglement“ erlassen. Darin war die allgemeine Schulpflicht angeordnet worden. Es traf ferner Bestimmungen über die Wahl [[Lehrerseminar|seminaristisch]] gebildeter Lehrer, den Umfang des Unterrichtsstoffs und über die Beaufsichtigung der Schulen. Dieses Schulgesetz wurde 1772 auch in Westpreußen eingeführt und zunächst durch Einrichtung von Schulen auf den Domänenämtern für die Bildung des Landvolkes gesorgt. Rund 150 Schulen sind unter Friedrichs Regierung in Westpreußen gegründet worden. Am Ende des Jahrhunderts gab es in Westpreußen 180 städtische und 750 Landschulen.<br />
* Die höhere Schulbildung hatte im polnischen Preußen in den Händen des Jesuitenordens gelegen. Dieser Orden war durch das päpstliche [[Breve (Schriftstück)|Breve]] vom 21. Juli 1773 aufgehoben worden. Friedrich ordnete daher die Umwandlung der Kollegien in Rößel, Graudenz, Konitz, Bromberg, Marienburg und Deutsch-Krone zu katholischen Gymnasien an. Die Kollegien in Alt-Schottland und Braunsberg wurden zu Bildungsanstalten für den katholischen Klerus. Leiter und Lehrer wurden die ehemaligen Mitglieder des Ordens.<br />
<br />
'''Heereswesen''':<br />
* Friedrich hatte von Anfang an auch an eine Vermehrung [[Preußische Armee|seines Heeres]] gedacht. Fünf neue Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment, daneben Artillerie und Garnisonstruppen konnten aufgestellt werden.<br />
* Zahlreich war der vorgefundene kaschubische Kleinadel. Der Adel war an Grundbesitz gebunden. Durch jahrhundertelange Erbteilungen waren aber viele Adelsgrundstücke auf die Größe von Kleinbauernstellen geschrumpft. Die Redensart „Ich bin pan (=Herr) und du bist pan; aber wer soll die Schweine hüten?“ gibt den Zustand treffend wieder. Diesem zahlreichen kaschubischen Kleinadel eröffneten sich Aussichten auf ein Weiterkommen im Militär- und Staatsdienst. Der militärischen Erziehung der westpreußischen jungen Adligen sollte das neugegründete Kadettenhaus in Kulm dienen. Es war zunächst für 60 Kadetten ausgelegt, die Zahl wurde dann auf 100 erhöht.<br />
<br />
'''Städte''': Der König ordnete die Neuordnung der städtischen Verwaltungen und ihrer Finanzen an. Die Landstädte trugen teilweise noch die Spuren des [[Zweiter Nordischer Krieg|Schwedisch-polnischen Krieges]] von 1655–1660. So waren z.&nbsp;B. in Kulm 212 „wüste“ Bauplätze vorhanden. Von den noch stehenden 313 Wohnhäusern drohten 70 bis 80 bald von selbst einzufallen.<br />
<br />
'''Bauernbefreiung''': Die [[Leibeigenschaft]], die vorzugsweise die polnischen und kaschubischen Bauern betroffen hatte, wurde durch VO vom 8.&nbsp;November 1773 durch die mildere [[Erbuntertänigkeit]] ersetzt.<br />
Jeder Untertan, auch der gutsherrliche, sollte bei den ordentlichen staatlichen Gerichten sein Recht suchen dürfen.<br />
<br />
'''Wissenschaft und Kultur''':<br />
* Die „[[Naturforschende Gesellschaft in Danzig]]“ war schon 1743 gegründet worden. Sie bestand bis 1945.<br />
* 1798–1801 erhielt Danzig sein Theater, die beliebte „Kaffeemühle“, wie das Haus am Kohlenmarkt wegen seiner kubischen Gestalt mit einem kugelschaligen Aufbau liebevoll genannt wurde. Es wurde bis 1945 genutzt. Schon 1794 war [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozarts]] [[Zauberflöte]] in Danzig mit Begeisterung aufgenommen worden.<br />
* 1773 wurde in Marienwerder die „Westpreußische Hofbuchdruckerei“ errichtet. In ihr erschien u.&nbsp;a. 1789 Goldbecks Topographie von Westpreußen.<br />
<br />
== Umbruchzeit 1806–1815 ==<br />
=== Preußischer Zusammenbruch (1806/07) ===<br />
Die grundstürzende Niederlage des preußischen Staates gegen das Erste Französische Kaiserreich im Jahre 1806 traf die Provinz Westpreußen völlig unerwartet. Am 14. Oktober wurde das preußische Heer in der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt]] vernichtet. Am 27. Oktober zog Kaiser [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] in Berlin ein. Sieben Minister und Mitglieder des Generaldirektoriums leisteten Napoleon den [[Treueeid]]. Der König war mit seiner Familie und einigen Ministern über [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] und die [[Kurische Nehrung]] nach [[Klaipėda|Memel]] geflohen. Erst am 13. November teilte die in Königsberg (Ostpr.) erscheinende „Königlich Preußische Staats- Kriegs- und Friedenszeitung“ die Niederlage bei Jena mit. Napoleon war mit Gewaltmärschen nach Osten vorgedrungen. In der [[Schlacht bei Preußisch Eylau]] am 8. Februar 1807 hatten die Russen das Schlachtfeld bereits aufgegeben, als General [[Anton Wilhelm von L’Estocq]] mit seinem ostpreußischen Korps sich gegen die Franzosen behauptete und Napoleon zwang, Winterquartiere zu beziehen. Napoleon verbrachte den Winter im [[Schloss Finckenstein]] an der Grenze zwischen Ost- und Westpreußen. Ende Mai 1807 fiel das von [[Friedrich Adolf Graf von Kalckreuth|General von Kalckreuth]] verteidigte Danzig.<br />
<br />
Durch den [[Frieden von Tilsit]] am 7. und 9. Juli 1807 verlor Westpreußen das Kulmerland mit Thorn und den Netzedistrikt bis auf einen schmalen nordwestlichen Streifen (um Flatow und Deutsch Krone) an das neugebildete [[Herzogtum Warschau]]. Ausgenommen war [[Grudziądz|Graudenz]], das bei Westpreußen blieb. Verloren ging aber vor allem Danzig, das zum „Freistaat“ (siehe [[Republik Danzig]]) erhoben wurde unter der Schutzherrschaft der Könige von Preußen und Sachsen, in Wirklichkeit aber ein französisches Waffenlager und Stützpunkt an der Ostsee wurde. Das Königreich Preußen wurde bis Ende 1807 bis zur Weichsel besetzt und mit hohen Kontributionen belastet.<br />
<br />
=== Reformen (1807–1813) ===<br />
In dieser Zeit wurde die als [[Preußische Reformen|Stein-Hardenbergische Reformen]] bekannte grundlegende Verwaltungsneuordnung in Preußen in Angriff genommen. Die obersten Verwaltungsbehörden wurden neu organisiert. Das Berliner [[Generaldirektorium]] fiel weg, mit ihm die Provinzialministerien. Am 26. Dezember 1808 erging die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden“. Die Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder wurde umbenannt in „Westpreußische Regierung“ mit Sitz in [[Kwidzyn|Marienwerder]]. Sie hatte nur noch Verwaltungsaufgaben. Die bisherige Westpreußische Regierung wurde zum [[Oberlandesgericht]] und befasste sich ausschließlich mit Rechtsprechung. Damit war die Trennung von Verwaltung und Justiz vollzogen.<br />
<br />
Die steckengebliebene Bauernbefreiung wurde 1807 wieder in Angriff genommen. Sie wurde erst 1850 vollendet.<br />
Die [[Steinsche Städteordnung]] (siehe [[Preußische Reformen]]) wurde 1808 erlassen, mit der den Städten Selbstverwaltung zugestanden wurde.<br />
Die [[Gewerbefreiheit]] wurde 1810 eingeführt. Die Juden wurden 1812 weitgehend emanzipiert. Alle diese Maßnahmen wirkten sich natürlich auch in Westpreußen aus.<br />
<br />
=== Befreiungskriege (1813/14) ===<br />
Die [[Befreiungskriege]] gingen von Ostpreußen aus, nachdem die [[Grande Armée]] im Spätherbst 1812 auf dem Rückzug von [[Moskau]] elend zugrunde gegangen war. Aber eine starke französische Besatzung unter [[Jean Rapp|General Rapp]] in Danzig hielt den Angriffen der vereinigten Russen und Preußen lange stand. Danzig erlitt dadurch herbe Verluste an Menschenleben und Sachwerten. Am 27. November 1813 kapitulierten die Franzosen. Am 19. Februar 1814 wurde der Freistaat aufgelöst und Danzig wieder mit Preußen vereinigt.<br />
<br />
Schwieriger gestaltete sich die Grenzregelung im Kulmer und Michelauer Land, das 1807 an das [[Herzogtum Warschau]] abgetreten worden war. Es war 1813 von [[Kaiserlich Russische Armee|russischen Truppen]] besetzt worden. Im Hinblick darauf, dass [[Toruń|Thorn]] eine deutschsprachige Stadt war, verzichtete der Zar zwar am 27. November auf Thorn, wollte es aber – wie die [[Republik Krakau]] – zu einer freien Stadt machen. Erst am 30. Januar 1815 stimmte er der Wiederangliederung Thorns und des ganzen [[Kulmerland]]es an Preußen zu. Erst am 22. Mai 1815 entband der bisherige Landesherr, [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August]], der König von Sachsen und Herzog von Warschau, seine bisherigen Untertanen von ihrem Eid. Und erst am 21. Juni, drei Tage nach [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] endgültiger Niederlage bei [[Schlacht bei Waterloo|Waterloo]], unterstellte die preußische Regierung die Stadt Thorn dem westpreußischen Regierungspräsidenten in Marienwerder. In diesen Grenzen blieb die Provinz Westpreußen bis 1920 bestehen.<br />
<br />
== Die Jahre 1815–1840 ==<br />
=== Neuordnung des Staates (1815) ===<br />
Auf dem [[Wiener Kongress]] wurden die Grundlagen für eine Neuordnung Europas gelegt. Noch von Wien aus erließ König Friedrich Wilhelm III. am 30. April 1815 die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“. In ihr wird der [[Regierungsbezirk Danzig]] zum ersten Mal erwähnt. Die Provinz Westpreußen wurde danach in die zwei Regierungsbezirke Danzig und [[Regierungsbezirk Marienwerder|Marienwerder]] geteilt. An die Spitze der Provinz trat der Oberpräsident [[Theodor von Schön]]. Sein Amtssitz wurde [[Danzig]]. Auch die obersten Provinzialbehörden wurden in Danzig angesiedelt, bis auf das [[Oberlandesgericht]], das in [[Kwidzyn|Marienwerder]] blieb.<br />
<br />
Die '''Kreisordnung''' wurde zwischen 1815 und 1818 eingeführt.<br />
Im '''Regierungsbezirk Danzig''' entstanden die kreisfreien Städte [[Danzig]] und [[Elbląg|Elbing]] und die Landkreise Danzig, Neustadt a.&nbsp;d. Rheda, Karthaus, Berent, Pr.&nbsp;Stargard, Elbing und Marienburg.<br />
Im '''Regierungsbezirk Marienwerder''' wurden gebildet die Kreise Deutsch-Krone, Flatow, Schlochau, Konitz, Schwetz, Graudenz, Kulm, Thorn, Stuhm, Marienwerder, Rosenberg, Löbau und Strasburg. An der Spitze jedes Kreises stand wie bisher der Landrat, aber das Kreisgebiet umfasste jetzt ein geschlossenes Territorium einschließlich der darin gelegenen Domänen und Landstädte.<br />
<br />
1821 erfolgte eine Geldreform mit der Einführung eines neuen Reichstalers zu je 30 [[Silbergroschen]] (letzterer Silbergroschen zu je 12 Kupferpfennig). Dieses Geld blieb im Umlauf bis 1871 (1873), als die Reichswährung Mark (=&nbsp;1/3 Thaler) zu je 100 Pfennig eingeführt wurde.<br />
<br />
Als im Jahr 1824 der ostpreußische Oberpräsident von Auerswald sein Amt niederlegte, übernahm Schön auch das ostpreußische Oberpräsidium und verlegte seinen Amtssitz nach Königsberg. Diese „Personalunion“ zwischen Ost- und Westpreußen wurde fünf Jahre später zur „Realunion“, als auf Schöns Betreiben am 3.&nbsp;Dezember 1829 durch königliches Dekret Ost- und Westpreußen zur [[Provinz Preußen]] vereinigt wurden.<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten''' waren in Danzig Theodor Balthasar Nicolovius (1819–1825) und Johann Carl Rothe (1825–1841); in Marienwerder [[Theodor Gottlieb von Hippel der Jüngere|Theodor Gottlieb von Hippel]], der Verfasser des Aufrufs ''[[An Mein Volk]]'' von 1813, (1815–1823), [[Eduard Heinrich von Flottwell]] (1825–1830) und Jacobus Justus Philipp Freiherr von Nordenflycht (1831–1850).<br />
<br />
'''Der Provinziallandtag'''<br />
<br />
Am 22. Mai 1815 hatte König [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]] die Gewährung einer Verfassung versprochen, dieses Versprechen aber nicht gehalten. In Verfolg der „[[Karlsbader Beschlüsse]]“ von 1819 beschränkte er sich 1823 auf die Gewährung von [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtagen]]. Sie hatten aber nur eine beratende Funktion und das „Recht“(!), Bittschriften an den König zu richten. 1824 fand in Königsberg der erste Provinziallandtag der vereinigten Provinz Preußen statt. In ihm waren drei Stände vertreten: der adlige und bürgerliche Großgrundbesitz mit 15, die Städte mit 13 und die Bauern mit 7&nbsp;Stimmen. Die folgenden Landtage fanden abwechselnd in Königsberg und Danzig statt.<br />
<br />
=== Landwirtschaft ===<br />
Wichtigste Aufgabe in der nachnapoleonischen Zeit war die Heilung der Kriegsschäden. Beide Provinzen waren durch Kampfhandlungen verwüstet, ausgeplündert und finanziell erschöpft. Die meisten Güter waren hoch verschuldet. Die Agrarprodukte, vor allem das Getreide, konnten nicht abgesetzt werden, weil der frühere Hauptabnehmer England inzwischen selbst Getreide anbaute und [[Schutzzoll|Schutzzölle]] erhob. Die Getreideausfuhr über Danzig, die auch zwischen 1793 und 1807 noch erheblich gewesen war, sank auf einen nie da gewesenen Tiefpunkt ab. Hinzu kam, dass [[Russland]] die Weichsel versanden ließ und seinen Export über seine eigenen Häfen [[Liepāja|Libau]], [[Riga]] und die Schwarzmeerhäfen leitete. Die preußische Regierung ließ aus politischen Gründen die Einfuhr billigen russischen Getreides zu. Mehrere reiche Ernten zu Beginn der 1820er Jahre vergrößerten das Übel. Die preußische Landwirtschaft erstickte im Getreide. Wegen fehlender Transportmöglichkeiten und der noch bestehenden Binnenzölle war ein Absatz in andere deutsche Gegenden nicht möglich. Dagegen waren die Zucht von [[Merinoschaf]]en und der Export der Wolle ein Erfolg. Auch die [[Pferdezucht]] gewann große Bedeutung.<br />
<br />
Zahlreiche Güter kamen in den Jahren 1824–1834 zur Zwangsversteigerung und dadurch in die (bürgerlichen) Hände kapitalkräftiger Käufer aus Handel und Gewerbe.<br />
<br />
=== Schulen ===<br />
{{Hauptartikel|Gymnasien in Westpreußen}}<br />
<br />
Schön bemühte sich besonders um die Hebung des Schulwesens. In wenigen Jahren gründete er über 400 Volksschulen. Diese Schulen wurden als „Simultanschulen“ geschaffen, in denen Deutsche und Polen, Protestanten und Katholiken einander nähergebracht werden sollten. Dabei mussten auch alle polnischen und kaschubischen Kinder die deutsche Sprache lernen. Das konnte zwar als Zwangsmaßnahme verstanden werden, eröffnete andererseits aber auch diesen Kindern den Weg in höhere Schulen und Universitäten, den viele von ihnen nahmen. Ausdrücklich band Schön auch die Gutsbesitzer in die Gründung von Schulen ein.<br />
<br />
=== Katholische Kirche ===<br />
Weite Teile der Provinz gehörten zu polnischen Diözesen, und die Kaschuben und Polen waren fast durchweg katholisch. Während bei der Masse der kaschubischen und polnischen Landbevölkerung ein politisches Bewusstsein noch wenig entwickelt war, waren der Adel und vor allem der polnische Klerus von Anbeginn Träger und Prediger eines sehr ausgeprägten polnischen Nationalbewusstseins, mit antideutscher Zielrichtung. Die katholische Religion war für Adel, Geistlichkeit und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch für die polnisch-kaschubischen Intellektuellen (die alle deutsche Gymnasien und Universitäten besucht hatten) die Identifikation mit dem Polentum, eine Abgrenzung gegen orthodoxe Russen einerseits und protestantische Preußen und Deutsche andererseits.<br />
<br />
'''Neuordnung der Bistumsgrenzen''': Nach Verhandlungen des preußischen Staates mit Rom wurden die kirchlichen Verhältnisse in Preußen neu geordnet. Durch die Circumscriptionsbulle ''[[De salute animarum]]'' vom 16. Juli 1821 wurde der größte Teil Westpreußens dem [[Bistum Kulm]] unterstellt. Das Gebiet um Elbing und Marienburg kam zum [[Bistum Ermland]]. Der Kreis Deutsch-Krone blieb dem Erzbistum Posen-Gnesen direkt unterstellt. Der Sitz des Bistums Kulm wurde nach [[Pelplin]] verlegt; die dortige Klosterkirche wurde bischöfliche Kathedrale und ist es noch heute. Hinsichtlich der Bischofswahl wurde bestimmt, dass das zuständige Domkapitel die durch die Kurie zu bestätigende Wahl vornehmen sollte, dass aber vor der Wahl „die dem König weniger angenehmen Kandidaten“ von der Kandidatenliste zu streichen seien. Schön setzte durch, dass der deutsche Domherr [[Ignatius Stanislaus von Mathy]] 1821 zum Bischof von Kulm ernannt wurde. Sein Nachfolger wurde der deutsche Schlesier [[Anastasius Sedlag]]. Bischöfe von Ermland waren Fürst [[Joseph von Hohenzollern-Hechingen]] und seit 1836 [[Andreas Stanislaus von Hatten]], der 1841 einem Raubmord zum Opfer fiel.<br />
<br />
'''Mischehenstreit''': Zu einem Zusammenstoß zwischen der Staatsmacht und der Kirche kam es 1838 im Zusammenhang mit dem Kölner Mischehenstreit, der auch auf die östlichen Diözesen übergriff. Die verschiedenen Konfessionen waren in Westpreußen fast immer auch Ausdruck verschiedener ethnischer Zugehörigkeit. Während es in den Diözesen Kulm und Ermland wegen der mäßigenden Haltung der dortigen Bischöfe zu keinen politischen Folgen kam, wurde der Erzbischof von Posen, der polnische Graf [[Martin von Dunin|Dunin-Sulgustowski]] (1831–1842), verhaftet wie schon vor ihm der Erzbischof von Köln [[Clemens August Droste zu Vischering|Clemens August, Freiherr von Droste zu Vischering]]. Beide hatten darauf bestanden, dass die Kinder aus gemischten Ehen katholisch erzogen werden müssten, während der Staat die Regelung getroffen hatte, dass die Kinder der Konfession des Vaters zu folgen hätten. In Westpreußen mit seinem überwiegend protestantischen deutschen und überwiegend katholischen polnischen Bevölkerungsteil waren konfessionelle Mischehen oft auch ethnische Mischehen, eine katholische Erziehung stärkte da die polnische Kultur.<br />
<br />
'''Klöster''': Mit Edikt vom 31. Oktober 1810 wurde die Aufhebung der Klöster angeordnet, wie es in anderen – auch katholischen – Ländern auch geschehen war. Die Ausführung geschah zögernd und war erst 1833 abgeschlossen. Die Konvente waren seit den Tagen der Reformation vielfach nur mit wenigen Mönchen besetzt.<br />
<br />
=== Polen und Kaschuben ===<br />
Das Polentum spielte in Westpreußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts politisch nur eine sehr geringe Rolle. Die Städte – bis auf Kulm – waren völlig oder ganz überwiegend deutsch. In weiten Teilen der Provinz, z.&nbsp;B. im Danziger Werder, in den rechts der Weichsel liegenden Kreisen und im Gebiet der einstigen Neumark mit Deutsch-Krone, Schlochau und Flatow war auch die ländliche Bevölkerung rein oder in der großen Mehrheit deutsch. Die große Masse der polnisch oder kaschubisch sprechenden Bevölkerung blieb mit wenigen Ausnahmen bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts politisch uninteressiert, besonders die [[Kaschuben]]. Ein wirkliches Nationalgefühl hat sich bei den Kaschuben nicht entwickelt, nur ein Regionalbewusstsein von wechselnder Stärke, das gegenüber den sogenannten „[[Kongresspolen]]“ (das sind die Einwohner des im Wiener Kongress geschaffenen Königreichs Polen) auch heute manchmal noch lebendig ist. Im Jahr 1819 lebten in Westpreußen 46 % Deutsche und Mennoniten, 52 % Polen und Kaschuben.<ref name="Georg Hassel2" /><br />
<br />
'''Der polnische Aufstand von 1830 in Kongresspolen''', der „[[Novemberaufstand]]“ führte in Westpreußen zu keinerlei Unruhen. Eine polnische Presse oder irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen Organisationen bestanden – noch – nicht.<br />
<br />
== Die Jahre 1840–1870 ==<br />
=== Versöhnungspolitik Friedrich Wilhelms IV. ===<br />
Im August 1840 folgte [[Friedrich Wilhelm IV.]] seinem Vater auf dem preußischen Thron. In seiner romantischen Auffassung, dass Adel und Kirche über alle ethnischen Gegensätze hinweg die Stützen von Thron und Altar seien, gab er Positionen auf, um eine Aussöhnung mit der katholischen Kirche und dem Polentum herbeizuführen. So verfügte er die sofortige Haftentlassung der beiden Erzbischöfe, ohne dass diese ihren Standpunkt in der Mischehenfrage geändert hatten. Im Triumph kehrten sie in ihre Diözesen zurück. Der König verfügte weiter 1841 die Einrichtung einer katholischen Abteilung im Kultusministerium. Sie war mit einer [[Geistliche Schulaufsicht|geistlichen Schulaufsicht]] verbunden. Der Oberpräsident [[Theodor von Schön]] wurde 1842 abberufen, weil er nach Ansicht des Königs einen zu harten antipolnischen und antikatholischen Kurs gesteuert hatte.<br />
<br />
Im Amt des '''Oberpräsidenten''' folgten<br />
* 1842–1848: [[Carl Wilhelm von Bötticher]]<br />
* 1848–1849: [[Rudolf von Auerswald]]<br />
* 1849–1850: [[Eduard von Flottwell]]<br />
* 1850–1869: [[Franz August Eichmann]]<br />
* 1869–1878: [[Karl von Horn (Verwaltungsbeamter, 1807)|Karl von Horn]]<br />
<br />
'''Regierungspräsidenten in Danzig''' waren<br />
* 1841–1863: [[Robert von Blumenthal]]<br />
* 1863–1868: [[Robert von Prittwitz und Gaffron]]<br />
* 1868–1876: [[Gustav von Diest]]<br />
<br />
'''Regierungspräsident in Marienwerder''' war<br />
* 1850–1874: [[Botho zu Eulenburg]]<br />
<br />
1843 wurde angeordnet, dass an allen Schulen mit polnisch sprechender Mehrheit Polnisch als Hauptunterrichtssprache einzuführen sei. Das führte dazu, dass vielerorts die deutsche Minderheit polonisiert wurde, so z.&nbsp;B. die völlige Polonisierung des 1837 gegründeten katholischen Gymnasiums in Kulm.<br />
<br />
=== Im Deutschen Bund (1848–1851) ===<br />
Von der Märzrevolution 1848 war Westpreußen verhältnismäßig wenig betroffen. Ostpreußen, Westpreußen und Posen erhielten das Recht, gleich den anderen deutschen Landschaften, ihre Vertreter in das Frankfurter Parlament zu entsenden. Der Antrag Preußens vom 11. April 1848, Ost- und Westpreußen in den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] aufzunehmen, wurde einstimmig angenommen. Es war das gebildete Bürgertum, das diese nationale Seite der Bewegung vertrat. Der Adel hielt sich zurück. Der Königsberger Universitätsprofessor [[Eduard von Simson]] wurde am 18. Dezember 1848 Präsident der [[Frankfurter Nationalversammlung]]. Er war es, der [[Friedrich Wilhelm IV.]] die Kaiserkrone anbot. Friedrich Wilhelm IV. lehnte ab. Die [[Nationalversammlung]] wurde 1849 aufgelöst. Im [[Olmützer Punktation|Vertrage von Olmütz]] im November 1850 mit dem [[Kaisertum Österreich]] musste Preußen der Wiederherstellung des Bundestages in seiner alten Form zustimmen. Das bedeutete, dass die Provinzen Preußen und Posen wieder aus dem Deutschen Bund ausscheiden mussten. Die entsprechende Verfügung erging am 3. Oktober 1851.<br />
<br />
== Im Deutschen Kaiserreich 1871–1918 ==<br />
[[Datei:Ost- und Westpreußen Meyers Lexikon Bd. 15 1908.jpg|mini|Westpreußens Grenzen zu [[Hinterpommern]], [[Ostpreußen]], [[Provinz Posen|Posen]] und Polen auf einer Landkarte von 1908.]]<br />
[[Datei:Sprachen Westpreussen.svg|mini|Sprachenverhältnisse in der Provinz Westpreußen nach der Volkszählung 1910.<ref>Nach Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Die preußische Sprachenstatistik in Bearbeitung und Kommentar.'' Verlag Herder-Institut. Marburg 1998, ISBN 3-87969-267-X.</ref><br />Legende der Kreisdiagramme: {{Farblegende|#FF0000|Deutschsprachig}}<br />
{{Farblegende|#0077CC|Polnischsprachig}}<br />
{{Farblegende|#77BB00|Kaschubische Sprache}}<br />
]]<br />
[[Datei:Preussische Ansiedlungskommision Map (1905) (Photo of the Map).jpg|mini|Karte der Landkäufe durch die Preussische Ansiedlungskommision Stand 1905]]<br />
Durch das Gesetz vom 19. März 1877 wurde die Provinz Preußen wieder geteilt; die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurden mit Wirkung zum 1.&nbsp;April 1878 wiederhergestellt.<ref>[[Kurt Jeserich]]: ''Die preussischen Provinzen. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Verfassungsreform''. Deutscher Kommunal-Verlag, Berlin-Friedenau 1931. S. 61.</ref> Für die neue Provinz Westpreußen wurde der [[Provinziallandtag der Provinz Westpreußen]] mit Sitz in Danzig als Volksvertretung eingerichtet.<br />
<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielten diese preußischen (ethnisch polnische) Kandidaten in Westpreußen (ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend) bei Reichstags- und Landtagswahlen rund ein Drittel der Wählerstimmen, in einigen ländlichen Wahlkreisen ([[Kreis Berent (Westpr.)|Berent]], [[Kreis Karthaus (Westpr.)|Karthaus]], [[Kreis Neustadt (Westpr.)|Neustadt]]) erreichten sie auch das [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)|Reichstagsmandat]]. Im Rahmen der Volkszählung von 1910 gaben 65 % der Bewohner Westpreußens Deutsch, 28 % Polnisch und 7 % Kaschubisch als Muttersprache an. Der Kauf adeligen Grundbesitzes durch Nichtadelige, in den meisten Provinzen Preußens verboten, um den Vorrang des Adels zu erhalten, war in Westpreußen erlaubt, da in vielen Teilen der Provinz verarmendem polnischem Adel ein deutsches Großbürgertum gegenüberstand.<br />
<br />
== Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg 1919–1945 ==<br />
=== Aufteilung (1919/20) ===<br />
Um Polen gemäß dem [[Friedensvertrag von Versailles]] einen Zugang zum Meer zu verschaffen, wurde das Gebiet der historisch heterogenen Provinz nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] aufgeteilt: Aus dem mittleren Teil entstand der ''[[Polnischer Korridor|Polnische Korridor]]'', der eine eigene Woiwodschaft bildete. „Die [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)|Woiwodschaft Pommerellen der Zwischenkriegszeit]] bildete nur einen Teil der Provinz Westpreußen (62 %)“<ref name="Stankowski 2001 17">Witold Stankowski: ''Lager für Deutsche in Polen am Beispiel Pommerellen, Westpreußen (1945–1950): Durchsicht und Analyse der polnischen Archivalien'' [Einheitssachtitel: ''Obozy dla Niemców w Polsce na przykładzie Pomorza Gdańskiego (1945–1950)''; dt.]. Historische Forschungen. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2001, ISBN 3-88557-207-9, S.&nbsp;17.</ref>, Gebiete im Westen und Nordosten mit besonders hohem deutschen Bevölkerungsanteil blieben bei Deutschland oder wurden Teil des Danziger [[Mandat (Völkerrecht)#Mandatsgebiete|Mandatsgebietes des Völkerbundes]]. Mit der ''[[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]]'' wurde ein deutscher Staat im polnischen Wirtschaftsraum geschaffen. In der Woiwodschaft Pommerellen hatten die großen Städte [[Toruń|Thorn]] und [[Grudziądz|Graudenz]] eine deutliche deutsche Mehrheit, aber insgesamt war das Zahlenverhältnis zwischen Deutschen und Polen bzw. Kaschuben etwa ausgeglichen. Trotz Überprüfbarkeit anhand der Volkszählung von 1910 schwanken die angegebenen Zahlen zwischen etwa 40:60 und 60:40 Prozent.<br />
<br />
Eine [[Referendum|Volksabstimmung]] zur Legitimation der Neuordnung konnten die deutschen Vertreter in Versailles nur für den östlichen Teil Westpreußens durchsetzen. Zum [[Abstimmungsgebiet Marienwerder]] gehörten zusammen mit der Stadt [[Elbląg|Elbing]] die Kreise [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]], [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]], [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]], [[Landkreis Rosenberg i. Westpr.|Rosenberg i.&nbsp;Westpr.]] und [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]. Sie entschieden sich mit großer Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland und wurden als ''[[Regierungsbezirk Westpreußen]]'' mit dem Sitz [[Kwidzyn|Marienwerder]] der Provinz [[Ostpreußen]] angegliedert.<br />
<br />
Etwa 60 km² des [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Kreises Neustadt]] westlich des [[Zarnowitzer See]]s kamen an den [[Provinz Pommern|pommerschen]] [[Landkreis Lauenburg i. Pom|Kreis Lauenburg]].<br />
<br />
Aus den westlichen Kreisen [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]], [[Landkreis Flatow|Flatow]] und [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] und den bei Deutschland verbliebenen westlichen Grenzgebieten der [[Provinz Posen]] entstand 1922 die neue preußische Provinz ''[[Grenzmark Posen-Westpreußen]]''. Sie ging 1938 in den Nachbarprovinzen [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]], Pommern und [[Provinz Schlesien|Schlesien]] auf.<br />
<br />
=== Zwischenkriegszeit (1920–1939) ===<br />
Zu Zeiten der [[Weimarer Republik]] galt der deutsch-polnische Grenzverlauf in der Region Westpreußen als strittig, da sich bedeutende Teile der deutschen Gesellschaft nicht mit der Abtretung von Gebieten mit großem deutschem Bevölkerungsanteil abfinden wollten. Zudem stand die Minderheitenpolitik der Regierung [[Józef Piłsudski|Piłsudski]] in der Kritik, da die Deutschen ebenso wie andere [[Minderheit]]en, z.&nbsp;B. [[Ukraine]]r, gewisse Repressionen erfuhren.<br />
<br />
=== Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) ===<br />
[[Datei:Danzig-Westpreussen.png|mini|Reichsgau Danzig-Westpreußen (August 1943)]]<br />
Zu Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] nahmen im [[Polenfeldzug]] 1939 deutsche Truppen die 62 % des vormals westpreußischen Gebiets ein, die seit 1920 zu Polen gehörten. Aus den zu Polen bzw. zur Freien Stadt Danzig gehörenden Teilen Westpreußens wurde am 1. November 1939 mit dem bis dahin zur Provinz Ostpreußen gehörenden [[Regierungsbezirk Westpreußen]] der [[Danzig-Westpreußen|Reichsgau Danzig-Westpreußen]] gebildet. Ferner ordneten die Besatzer die übrigen [[Großpommerellen|großpommerellischen]] [[Powiat]]e [[Powiat Bydgoski|Bromberg]] (als [[Landkreis Bromberg#Landkreis Bromberg im besetzten Polen|Landkreis Bromberg]]), [[Powiat Lipnowski|Lipno]] (als [[Landkreis Leipe]]), [[Powiat Rypiński|Rypin]] (als [[Landkreis Rippin]]), [[Powiat Wyrzyski|Wirsitz]] (als [[Landkreis Wirsitz]]) sowie [[Bydgoszcz|Bromberg]], Stadt im Range eines Powiat, als Stadtkreis dem neuen Reichsgau zu. Die Gebiete der Powiate Lipno und Rypin hatten nie zu Deutschland gehört, die Territorien von Bromberg-Stadt, Bromberg-Land und des [[Kreis Wirsitz|Kreises Wirsitz]] waren bis zu den Grenzveränderungen in Folge des Versailler Vertrags Teil der [[Provinz Posen]] gewesen.<br />
<br />
Kurz nach Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], zwischen September und Dezember 1939, ermordeten Angehörige der [[Schutzstaffel|SS]] und des [[Volksdeutscher Selbstschutz|Volksdeutschen Selbstschutzes]] in den Wäldern der Region Westpreußen mehrere tausend Menschen: Polen, Kaschuben und Juden. Das Chaos der ersten Kriegstage nutzten die Nationalsozialisten für eine Reihe systematisch geplanter Vernichtungsaktionen z.&nbsp;B. im Wald von [[Wielka Piaśnica|Piaśnica]], [[Wald bei Szpęgawsk|Wald von Szpęgawsk]], Wald von Mniszek (Mischke). Unter den Opfern befanden sich neben Angehörigen der polnischen und [[Kaschuben|kaschubischen]] [[Intelligenzija|Intelligenz]] auch Patienten deutscher und polnischer Psychiatriekliniken sowie [[Deportation|Deportierte]] aus dem Reichsgebiet.<br />
<br />
Zahlreiche [[Deutschbalten]], die im Zuge der Aktion „[[Heim ins Reich]]“ aus [[Estland]] und [[Lettland]] kamen, wurden in dieser Gegend angesiedelt, und nachdem die polnische Bevölkerung zum Teil vertrieben worden war, erhielten die Baltendeutschen den Wohnraum dieser Menschen.<br />
<br />
Während der [[Woiwodschaft Pommerellen (1919–1939)#Widerstand während der Besatzungszeit|Besatzungszeit in Pommerellen]] regte sich polnischer Widerstand. Im Jahr 1940 und bildete sich die ''Tajna Organizacja Wojskowa «Gryf Pomorski»'' (TOW; Geheime Militärorganisation «Pommerscher Greif»). Vorsitzender des Obersten Rats war [[Józef Wrycza]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Zeit des Nationalsozialismus|Marine-Flak#9. Marine-Flak-Regiment (Gotenhafen)}}<br />
<br />
== Das Ende 1945 ==<br />
Bei Kriegsende wurde das gesamte Gebiet Westpreußens von [[Rote Armee|sowjetischen Truppen]] erobert. Die polnische Regierung ließ fast die gesamte deutschsprachige Bevölkerung unter erzwungener Zurücklassung des nahezu gesamten mobilen und immobilen Besitzes vertreiben. Die [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945 bis 1950|Vertreibung]] selber war von Ausschreitungen polnischer und sowjetischer Soldaten an der deutschen Zivilbevölkerung begleitet (Vergewaltigungen, Raubmorde). Während die staatliche Zugehörigkeit der zum [[Deutsches Reich in den Grenzen von 1937|Deutschen Reich in den Grenzen von 1937]] gehörenden [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebiete]] ([[Ostpreußen]], [[Hinterpommern]], [[Grenzmark Posen-Westpreußen]], die [[Neumark Brandenburg]] und [[Schlesien]]) bis zum [[Warschauer Vertrag (1970)|Warschauer Vertrag]] 1970 bzw. bis zum [[Deutsch-Polnischer Grenzvertrag|deutsch-polnischen Grenzvertrag]] 1990 umstritten blieb, erhob die [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] im Gegensatz zur Weimarer Republik niemals territoriale Ansprüche auf den von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis 1772/73 zu Polen gehörenden größten Teil Westpreußens.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
=== Vor 1920 ===<br />
[[Datei:Prusy Zachodnie de.svg|mini|300px|Verwaltungsgliederung der Provinz Westpreußen: {{Farblegende|#FFAAAA|Regierungsbezirk Danzig}}<br />
{{Farblegende|#AACCFF|Regierungsbezirk Marienwerder}}]]<br />
'''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Danzig]]<br />
# [[Elbląg|Elbing]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Berent|Berent]]<br />
# [[Kreis Danziger Höhe|Danziger Höhe]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Danziger Niederung|Danziger Niederung]] [Sitz: Danzig]<br />
# [[Kreis Dirschau|Dirschau]]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-Land]]<br />
# [[Kreis Karthaus|Karthaus]]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Neustadt in Westpreußen|Neustadt i. Westpr.]]<br />
# [[Kreis Preußisch Stargard|Preußisch Stargard]]<br />
# [[Kreis Putzig|Putzig]]<br />
<br />
'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
<br />
Stadtkreise:<br />
# [[Grudziądz|Graudenz]]<br />
# [[Toruń|Thorn]]<br />
<br />
Kreise:<br />
# [[Kreis Briesen|Briesen]]<br />
# [[Kreis Kulm|Culm]]<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]]<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]]<br />
# [[Kreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
# [[Kreis Konitz|Konitz]]<br />
# [[Kreis Löbau (Westpreußen)|Löbau]] [Sitz: Neumark]<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]f<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]]<br />
# [[Kreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
# [[Kreis Strasburg in Westpreußen|Strasburg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
# [[Landkreis Thorn|Thorn-Land]]<br />
# [[Kreis Tuchel|Tuchel]]<br />
<br />
=== Nach Ende der Provinz ===<br />
Nach 1920 verblieben von Westpreußen die folgenden Kreise bei Deutschland:<br /><br />
'''Vom Regierungsbezirk Marienwerder''':<br />
# [[Landkreis Deutsch Krone|Deutsch Krone]] ¹<br />
# [[Landkreis Flatow|Flatow]] ¹<br />
# [[Landkreis Marienwerder|Marienwerder]]<br />
# [[Kreis Rosenberg in Westpreußen|Rosenberg i. Westpr.]]<br />
# [[Landkreis Schlochau|Schlochau]] ¹<br />
# [[Landkreis Stuhm|Stuhm]]<br />
<br />
'''Vom Regierungsbezirk Danzig''':<br />
# [[Elbląg|Elbing-''Stadt'']]<br />
# [[Landkreis Elbing|Elbing-''Land'']]<br />
# [[Landkreis Marienburg (Westpr.)|Marienburg (Westpr.)]]<br />
<br />
¹ ''ab 1922 Teil der Provinz [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]; die anderen bei Deutschland verbliebenen Kreise gehörten ab 1922 zu Ostpreußen''<br />
<br />
== Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen ==<br />
* 1815: [[Theodor von Schön]], ab 1824 Oberpräsident der neuen [[Provinz Preußen]]<br />
* 1878: [[Heinrich von Achenbach]]<br />
* 1879: [[Adolf Ernst von Ernsthausen]]<br />
* 1888: [[Adolf Hilmar von Leipziger]]<br />
* 1891: [[Gustav von Goßler]]<br />
* 1902: [[Clemens von Delbrück]]<br />
* 1905: [[Ernst von Jagow]]<br />
* 1919: [[Bernhard Schnackenburg]]<ref>[http://www.territorial.de/ Oberpräsidenten und Landesdirektoren/Landeshauptmänner auf territorial.de].</ref><br />
<br />
== Das ehemalige Provinzgebiet heute ==<br />
Heute gehört das Gebiet der ehemaligen Provinz Westpreußen zu den [[Polen|polnischen]] [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Pommern|Pommern]] und [[Woiwodschaft Kujawien-Pommern|Kujawien-Pommern]]. Der Bevölkerungsanteil der [[Deutsche Minderheit in Polen|deutschen Minderheit]] ist zwar höher als in Zentral- und Südostpolen, aber deutlich niedriger als in [[Oberschlesien]] (Woiwodschaften [[Woiwodschaft Oppeln|Oppeln]] und [[Woiwodschaft Schlesien|Schlesien]]) und in [[Ermland-Masuren]].<br />
<br />
== Demographie ==<br />
=== Bevölkerungsentwicklung ===<br />
Zur Verdeutlichung der demographischen Entwicklungen sind in der nachfolgenden Tabelle auch Werte für die Zeit zwischen 1829 und 1878 angegeben, als die Provinz nicht existierte, sondern Teil der Provinz Preußen war. Zu den Angaben zum Anteil an der preußischen Gesamtbevölkerung ist zu bemerken, dass sich letztere durch Gebietszuwächse zwischen 1849 und 1867 beträchtlich vergrößert hat.<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! Jahr<br />
! Einwohner<br />
! Anteil an preuß.<br />Gesamt-<br />bevölkerung<br />
! Einwohner pro<br />Quadrat-<br />kilometer<br />
! Anmerkungen<br />
|-<br />
| 1816 || align="center" | {{0}}571.081 || align="center" | 5,5 % || align="center" | 22 || <ref name="Stat">Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914.'' Marburg 1998, S. 17.<br />Michael Rademacher, Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920<br />[http://www.deutsche-schutzgebiete.de/provinz_westpreussen.htm www.deutsche-schutzgebiete.de].</ref><br />
|-<br />
| 1817 || align="center" | {{0}} 581.971 || align="center" | ? || align="center" | 23 || davon 289.060 Evangelische, 267.935 Katholische, 12.649 Mennoniten und 12.632 Juden<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1819 || align="center" | {{0}} 630.077 || align="center" | 5,5 % (1917) || align="center" | 25 || davon 327.300 Polen und Kaschuben, 290.000 Deutsche und Mennoniten, 12.700 Juden<ref name="Georg Hassel2">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Nationalverschiedenheit 1819: Polen – 327,300; Deutsche – 290,000; Juden – 12,700.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref><br />
|-<br />
| 1825 || align="center" | {{0}}700.000 || align="center" | ? || align="center" | 30 || davon 350.000 Polen und Kaschuben, 330.000 Deutsche und Mennoniten, 20.000 Juden<ref name="Karl Andree">[[Karl Andree (Geograph)]]: ''Polen: in geographischer, geschichtlicher und culturhistorischer Hinsicht'', Leipzig 1831</ref><br />
|-<br />
| 1831 || align="center" | {{0}}760.441 || align="center" | ? || align="center" | 30 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1861 || align="center" | 1.170.252 || align="center" | 6,3 % || align="center" | 46 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1871 || align="center" | 1.314.611 || align="center" | 5,3 % || align="center" | 51 || <ref name="Stat" /><br />
|-<br />
| 1875 || align="center" | 1.343.057 || align="center" | ? || align="center" | ? || <ref name="VWG">{{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}</ref><br />
|-<br />
| 1880 || align="center" | 1.405.898 || align="center" | 5,2 % || align="center" | 55 || <ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1890 || align="center" | 1.433.681 || align="center" | 4,8 % || align="center" | 56 || davon 581.195 Evangelische, 717.532 Katholiken, 13.158 andere Christen und 21.750 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1900 || align="center" | 1.563.658 || align="center" | 4,5 % || align="center" | 61 || davon 730.685 Evangelische, 800.395 Katholiken, 14.308 andere Christen und 18.226 Juden;<ref name="VWG" /> 1.007.400 Personen (64,4 %) mit deutscher, 99.357 Personen (6,4 %) mit [[Kaschubische Sprache|kaschubischer]] und 437.916 Personen (28,0 %) mit {{plS}}er Muttersprache;<ref name="VWG" /> 1.349 Personen (0,1 %) sprechen neben dem Deutschen kaschubisch, 16.130 Personen (1,0 %) sprechen neben dem Deutschen polnisch<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1905 || align="center" | 1.641.746 || align="center" | ? || align="center" | 64 || davon 764.719 Evangelische, 844.566 Katholiken und 16.139 Juden (567.318 [[Kaschuben]], [[Masurische Sprache|Masuren]] und [[Polen (Ethnie)|Polen]])<ref name="MKL547">''Westpreußen'' (Lexikoneintrag). In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 20. Band, Leipzig und Wien 1909, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-020-0567 S. 567–568.]</ref><br />
|-<br />
| 1910 || align="center" | 1.703.474 || align="center" | 4,2 % || align="center" | 67 || <ref name="Stat" /><br />
|}<br />
<br />
;Religionsgruppen<br />
{| class="wikitable"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="4"| Anteile der Konfessionen<ref name="VWG"/><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1817<ref name="Georg Hassel">[[Georg Hassel]]: ''Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Religionsverschiedenheit 1817: Evangelische – 289,060; Katholische – 267,935; Mennoniten - 12,649; Juden – 12,632; Kirchen, Kapellen, Synagogen 831.'' Verlag des Geographischen Instituts, Weimar 1823, [https://books.google.pl/books?id=31DMAJgQV28C&pg=PA42 S. 42.]</ref> || 1890 || 1900<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Katholiken''' || 46,0 % || 50,0 % || 51,2 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Evangelische''' || 49,7 % || 47,5 % || 46,7 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Juden''' || &nbsp;2,2 % || &nbsp;1,5 % || &nbsp;1,2 %<br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
=== Sprachen ===<br />
;Verbreitung der slawischen Sprachen 1819–1910<br />
{| class="wikitable" style="vertical-align:top"<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! style="background:#BBCCFF" align="left" colspan="6"| Anteil der Kaschubisch-, Masurisch- und Polnischsprachigen<ref>Leszek Belzyt: ''Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914''. Marburg 1998, S. 17&nbsp;f.</ref><br />
|- style="background:white" align="center"<br />
! align="center"| '''Jahr''' || 1819<ref name="Georg Hassel2" /> || 1825<ref name="Karl Andree" /> || 1861 || 1890 || 1910<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="center" | '''Amtliche Angaben''' ¹ || 51,9 % || 50,0 % || 32,4 % || 34,4 % || 35,5 %<br />
|- style="background:white" align="center"<br />
| align="left" colspan="6" | <small>1) unter Hinzurechnung der Gruppe der Zweisprachigen</small><br />
|- {{Absatz}}<br />
|}<br />
<br />
;Verbreitung der deutschen, kaschubischen, masurischen und polnischen Sprache im Jahr 1905 nach amtlichen Angaben<br />
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="3" style="background:#F4F4DB"<br />
|'''Kreis'''<br />
|'''Polnische Bezeichnung'''<br />
|'''Bevölkerung 1905'''<br />
|'''Kaschubisch, masurisch, polnisch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|'''Deutsch'''<br />
|'''Prozentualer Anteil'''<br />
|-<br />
| colspan="7" align="center"|'''Provinz Westpreußen'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''1.645.874'''<br />
|align="right" | '''567.328'''<br />
|align="right" | '''34,47'''<br />
|align="right" | '''1.061.803'''<br />
|align="right" | '''64,51'''<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"| '''Regierungsbezirk Danzig'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''709.312'''<br />
|align="right" | '''192.327'''<br />
|align="right" | '''27,11'''<br />
|align="right" | '''511.423'''<br />
|align="right" | '''72,10'''<br />
|-<br />
| Elbing-Stadt<br />
| [[Elbląg]]<br />
| align="right" | 55.627<br />
| align="right" | 175<br />
| align="right" | 0,31<br />
| align="right" | 55.328<br />
| align="right" | 99,46<br />
|-<br />
| Elbing-Land<br />
| Elbląg<br />
| align="right" | 38.871<br />
| align="right" | 105<br />
| align="right" | 0,27<br />
| align="right" | 38.737<br />
| align="right" | 99,66<br />
|-<br />
| Marienburg<br />
| [[Malbork]]<br />
| align="right" | 63.110<br />
| align="right" | 1.705<br />
| align="right" | 2,70<br />
| align="right" | 61.044<br />
| align="right" | 96,73<br />
|-<br />
| [[Danzig]]-Stadt<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 160.090<br />
| align="right" | 3.065<br />
| align="right" | 1,91<br />
| align="right" | 154.629<br />
| align="right" | 96,59<br />
|-<br />
| Danzig-Niederung<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 36.519<br />
| align="right" | 178<br />
| align="right" | 0,49<br />
| align="right" | 36.286<br />
| align="right" | 99,36<br />
|-<br />
| Danziger Höhe<br />
| Gdańsk<br />
| align="right" | 50.148<br />
| align="right" | 5.703<br />
| align="right" | 11,73<br />
| align="right" | 44.113<br />
| align="right" | 87,97<br />
|-<br />
| Dirschau<br />
| [[Tczew]]<br />
| align="right" | 40.856<br />
| align="right" | 15.144<br />
| align="right" | 37,07<br />
| align="right" | 25.466<br />
| align="right" | 62,33<br />
|-<br />
| Pr. Stargard<br />
| [[Starogard Gdański]]<br />
| align="right" | 62.465<br />
| align="right" | 44.809<br />
| align="right" | 71,73<br />
| align="right" | 17.425<br />
| align="right" | 27,90<br />
|-<br />
| Berent<br />
| [[Kościerzyna]]<br />
| align="right" | 53.726<br />
| align="right" | 29.898<br />
| align="right" | 55,65<br />
| align="right" | 23.515<br />
| align="right" | 43,77<br />
|-<br />
| Karthaus<br />
| [[Kartuzy]]<br />
| align="right" | 66.612<br />
| align="right" | 46.281<br />
| align="right" | 69,48<br />
| align="right" | 20.203<br />
| align="right" | 30,33<br />
|-<br />
| Neustadt<br />
| [[Wejherowo]]<br />
| align="right" | 55.587<br />
| align="right" | 27.358<br />
| align="right" | 49,22<br />
| align="right" | 27.048<br />
| align="right" | 48,66<br />
|-<br />
| Putzig<br />
| [[Puck (Polen)|Puck]]<br />
| align="right" | 25.701<br />
| align="right" | 17.906<br />
| align="right" | 69,67<br />
| align="right" | 7.629<br />
| align="right" | 29,68<br />
|-<br />
|colspan="7" align="center"|'''Regierungsbezirk Marienwerder'''<br />
|-<br />
|<br />
|<br />
|align="right" | '''936.562'''<br />
|align="right" | '''375.001'''<br />
|align="right" | '''40,04'''<br />
|align="right" | '''550.380'''<br />
|align="right" | '''58,77'''<br />
|-<br />
| Stuhm<br />
| [[Sztum]]<br />
| align="right" | 36.559<br />
| align="right" | 13.473<br />
| align="right" | 36,85<br />
| align="right" | 22.550<br />
| align="right" | 61,68<br />
|-<br />
| Marienwerder<br />
| [[Kwidzyn]]<br />
| align="right" | 68.096<br />
| align="right" | 24.541<br />
| align="right" | 36,04<br />
| align="right" | 42.699<br />
| align="right" | 62,70<br />
|-<br />
| Rosenberg<br />
| [[Susz]]<br />
| align="right" | 53.293<br />
| align="right" | 3.465<br />
| align="right" | 6,50<br />
| align="right" | 49.304<br />
| align="right" | 92,51<br />
|-<br />
| Löbau<br />
| [[Lubawa]]<br />
| align="right" | 57.285<br />
| align="right" | 45.510<br />
| align="right" | 79,44<br />
| align="right" | 11.368<br />
| align="right" | 19,84<br />
|-<br />
| Strasburg<br />
| [[Brodnica]]<br />
| align="right" | 59.927<br />
| align="right" | 38.507<br />
| align="right" | 64,26<br />
| align="right" | 21.008<br />
| align="right" | 35,06<br />
|-<br />
| Briesen<br />
| [[Wąbrzeźno]]<br />
| align="right" | 47.542<br />
| align="right" | 25.415<br />
| align="right" | 53,46<br />
| align="right" | 21.688<br />
| align="right" | 45,62<br />
|-<br />
| Thorn-Stadt<br />
| [[Toruń]]<br />
| align="right" | 43.658<br />
| align="right" | 13.988<br />
| align="right" | 32,04<br />
| align="right" | 29.230<br />
| align="right" | 66,59<br />
|-<br />
| Thorn-Land<br />
| Toruń<br />
| align="right" | 58.765<br />
| align="right" | 30.833<br />
| align="right" | 52,47<br />
| align="right" | 27.508<br />
| align="right" | 46,81<br />
|-<br />
| Kulm<br />
| [[Chełmno]]<br />
| align="right" | 49.521<br />
| align="right" | 25.659<br />
| align="right" | 51,89<br />
| align="right" | 23.521<br />
| align="right" | 47,50<br />
|-<br />
| Graudenz-Stadt<br />
| [[Grudziądz]]<br />
| align="right" | 39.953<br />
| align="right" | 4.421<br />
| align="right" | 11,07<br />
| align="right" | 30.709<br />
| align="right" | 76,86<br />
|-<br />
| [[Landkreis Graudenz|Graudenz-Land]]<br />
| Grudziądz<br />
| align="right" | 46.509<br />
| align="right" | 19.331<br />
| align="right" | 41,56<br />
| align="right" | 26.888<br />
| align="right" | 57,81<br />
|-<br />
| [[Landkreis Schwetz (Weichsel)|Schwetz]]<br />
| Świecie<br />
| align="right" | 87.151<br />
| align="right" | 47.779<br />
| align="right" | 54,82<br />
| align="right" | 39.276<br />
| align="right" | 45,07<br />
|-<br />
| Tuchel<br />
| [[Tuchola]]<br />
| align="right" | 30.803<br />
| align="right" | 20.540<br />
| align="right" | 66,68<br />
| align="right" | 9.925<br />
| align="right" | 32,22<br />
|-<br />
| Konitz<br />
| [[Chojnice]]<br />
| align="right" | 59.694<br />
| align="right" | 32.704<br />
| align="right" | 54,79<br />
| align="right" | 26.581<br />
| align="right" | 44,50<br />
|-<br />
| Schlochau<br />
| [[Człuchów]]<br />
| align="right" | 66.317<br />
| align="right" | 10.180<br />
| align="right" | 15,35<br />
| align="right" | 55.981<br />
| align="right" | 84,41<br />
|-<br />
| Flatow<br />
| [[Złotów]]<br />
| align="right" | 67.783<br />
| align="right" | 18.002<br />
| align="right" | 26,56<br />
| align="right" | 49.167<br />
| align="right" | 72,54<br />
|-<br />
| Deutsch Krone<br />
| [[Wałcz]]<br />
| align="right" | 63.706<br />
| align="right" | 653<br />
| align="right" | 1,03<br />
| align="right" | 62.977<br />
| align="right" | 98,86<br />
|}<br />
<br />
;Deutsche Dialekte<br />
Die [[Ostniederdeutsche Sprache|ostniederdeutschen]] und [[ostmitteldeutsch]]en Dialekte, die in Westpreußen gesprochen wurden, werden erfasst und beschrieben im [[Preußisches Wörterbuch|Preußischen Wörterbuch]]. [[Niederpreußisch]] und [[Hochpreußisch]] gelten als fast ausgestorben. Als [[Plautdietsch]] wird eine Varietät des Niederpreußischen noch heute jedoch weltweit von etwa einer halben Million [[Russlandmennoniten]] gesprochen (siehe auch [[Plautdietsch-Freunde]]).<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
* [[Eddi Arent]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Emil von Behring]], Serologe; erhielt 1901 den ersten Nobelpreis für Physiologie und Medizin<br />
* [[Hugo Conwentz]], Botaniker, Begründer des staatlichen Naturschutzes<br />
* [[Horst Ehmke]], deutscher Jurist und Politiker (SPD)<br />
* [[Gabriel Daniel Fahrenheit]], Physiker (Temperaturskala)<br />
* [[Johannes Daniel Falk]], Theologe und Schriftsteller<br />
* [[Georg Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Johann Reinhold Forster]], Naturwissenschaftler, Forscher<br />
* [[Tiedemann Giese]], [[Fürstbischof]] von [[Ermland]], aus der [[Patrizier]]familie Giese<br />
* [[Günter Grass]], Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger<br />
* [[Heinz Guderian]], deutscher Offizier und Truppenführer<br />
* [[Johannes Hevelius]], Astronom<br />
* [[Paul von Hindenburg]], Generalfeldmarschall, Reichspräsident<br />
* [[Klaus Kinski]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Nikolaus Kopernikus]], Astronom<br />
* [[Hilmar Kopper]], Bankmanager (prägte »Peanuts« als Unwort des Jahres 1994)<br />
* [[Arnold Krieger]], deutscher Schriftsteller<br />
* [[Werner Kriesel]], deutscher Professor, Pionier der Industriellen Kommunikationstechnik<br />
* [[Hermann Löns]], deutscher Journalist und Schriftsteller<br />
* [[Oskar Loerke]], deutscher Dichter des Expressionismus<br />
* [[Walther Nernst]], Physiker, Nobelpreis 1920<br />
* [[Bernd Neumann]], Politiker (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien)<br />
* [[Wolfgang Peller]], Pädagoge, Politiker (SPD)<br />
* [[Arthur Schopenhauer]], Philosoph<br />
* [[Johanna Schopenhauer]], geb. Trosiener, Schriftstellerin<br />
* [[Kurt Schumacher]], Politiker (SPD)<br />
* [[Clara Siewert]], Malerin<br />
* [[Elisabeth Siewert]], Schriftstellerin<br />
* [[Heinz-Günter Stamm]], deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Theaterregisseur<br />
* [[Alfred Struwe]], deutscher Schauspieler<br />
* [[Adam Wiebe]], Ingenieur, Erfinder der Seilbahn<br />
* [[Wolfgang Völz]], deutscher Schauspieler<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Landsmannschaft Westpreußen]]<br />
* [[Westpreußisches Landesmuseum]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt]]: ''Land und Leute in Westpreußen''. In: ''Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde''. Band 7, Berlin 1870, [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA33 S. 33–47.], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA189 S. 189–229], [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA553 S. 553–568] und [https://books.google.de/books?id=dbBSAAAAcAAJ&pg=PA610 S. 610–624.]<br />
* [[Max Bär (Archivar)|Max Bär]]: ''Die Ortsnamenänderungen in Westpreußen gegenüber dem Namenbestande der polnischen Zeit''. Danzig 1912 ([http://kpbc.umk.pl/publication/14220 Digitalisat]).<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''„Wie bist du wunderschön!“ Westpreußen – Das Land an der unteren Weichsel.'' Ibidem: Stuttgart 2012, ISBN 978-3-8382-0357-7.<br />
* Hartmut Boockmann: ''Ostpreußen und Westpreußen'' (=&nbsp;Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992, ISBN 3-88680-212-4.<br />
* Andreas Gehrke, R. Hecker, H. Preuß: ''Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule und Haus'', 2 Teile in einem Band. Danzig 1911; Neudruck Melchior, Wolfenbüttel 2006, ISBN 3-939102-53-9.<br />
* [[Johann Friedrich Goldbeck]]: ''Topographie des Königreichs Preussen''. Theil II: ''Topographie von West-Preussen ''. Marienwerder 1789, Ndr. Hamburg 1991.<br />
** Abschnitt 1: ''Systematischer geographischer Entwurf von West-Preussen '' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PR1 E-Kopie])<br />
** Abschnitt 2: ''Volständige Topographie vom West-Preussischen Cammer-Departement'' ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PA1-PA1 E-Kopie])<br />
* Richard Wagner: ''Ein Pommersches Herzogthum und eine Deutsche Ordens-Komthurei. Kulturgeschichte des Schwetzer Kreises nach den archivalischen und anderen Quellen bearbeitet. Ein Beitrag zur urkundlichen Geschichte des Deutschthums in Westpreußen, wie auch zur Kenntniß der Alterthümer dieses Landestheils, mit zahlreichen Illustrationen und bisher noch ungedruckten historischen Dokumenten''. Band&nbsp;1: ''Bis 1466.'' Posen 1872 ([https://books.google.de/books?id=GrBSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* Hermann Eckerdt: ''Geschichte des Kreises Marienburg''. Bretschneider, Marienburg 1868 ([http://books.google.de/books?id=3M8AAAAAcAAJ&pg=PA1#PPR3,M1 E-Kopie]).<br />
* Hans Prutz: ''Geschichte des Kreises Neustadt in Westpreußen''. Danzig 1872 ([https://books.google.de/books?id=_aJSAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
* [[Albert Reusch]]: ''Westpreussen unter polnischem Scepter. Festrede gehalten im Elbinger Gymnasium am 13. Spt. 1872''. In: ''Altpreußische Monatsschrift''. Band 10, Königsberg 1873, [https://books.google.de/books?id=n9AOAAAAYAAJ&pg=PA140 S. 140–154].<br />
* Erich Hoffmann: ''Theodor von Schön und die Gestaltung der Schule in Westpreußen''. Marburg/Lahn 1965.<br />
* Erich Keyser: ''Danzigs Geschichte''. Danzig 1928, Ndr. Hamburg bei Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg, o. J.<br />
* Friedrich Lorentz: ''Geschichte der Kaschuben''. Berlin 1926.<br />
* [[Ernst Opgenoorth]]: ''Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens'' (= ''Einzelschriften der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung''. Band 10). Im Auftrag der [[Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung|Historischen Kommission für ost- und Westpreußische Landesforschung]], Mehrteilig, Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1994 ff.<br />
* Heinz Neumeyer: ''Westpreußen, Geschichte und Schicksal''. München 1993, ISBN 3-8004-1273-X.<br />
* Manfred Raether: ''Polens deutsche Vergangenheit'', Schöneck, 2004, ISBN 3-00-012451-9 (Neuausgabe [2009] als E-Buch; Kindle-Version).<br />
* [[Gotthold Rhode]]: ''Geschichte Polens''. 3. Aufl., Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.<br />
* [[Bruno Schumacher]]: ''Geschichte Ost- und Westpreußens''. Würzburg 1958.<br />
* [[Jürgen W. Schmidt]] (Hg.): ''Als die Heimat zur Fremde wurde … Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Westpreußen.'' Köster, Berlin 2011, ISBN 978-3-89574-760-1.<br />
* [[Ernst zur Lippe-Weißenfeld|Ernst Lippe-Weißenfeld]]: ''Westpreußen unter Friedrich dem Großen. Nach urkundlichen Quellen bearbeitet''. Thorn 1866 ([http://books.google.de/books?id=Y_4AAAAAcAAJ&printsec=frontcover Volltext]).<br />
* [[Bernhard Stadié]]: ''Die Ansprüche der Polen auf Westpreußen''. Lambeck, Thorn 1867 ([http://books.google.de/books?id=f_sJAAAAIAAJ&pg=PA130 zeitgenössische Rezension]).<br />
* ''Altpreußische Biographie.'' Hgg. im Auftrag der Historischen Kommission für Ost- und Westpreussische Landesforschung von Klaus Bürger. Zu Ende geführt in Zusammenarbeit mit Joachim Artz von Bernhart Jähnig. Elwert, Marburg 1936{{ff}}. 2 Bde. (1936–1967), 3 Ergänzungsbände erschienen (Stand 2015).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|West Prussia|Westpreußen}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [http://www.gsta.spk-berlin.de/kategorie_detail.php?detail=315&PAGE_ID=952 Schlagwort „Westpreußen, Provinz“ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz]<br />
* [http://www.westpreussisches-landesmuseum.de/ Westpreußisches Landesmuseum]<br />
* {{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=p_westpreussen.html|name=Preußische Provinz Westpreußen 1871–1920}}<br />
* [http://www.kulturreferat-westpreussen.de/ Kulturreferat Westpreußen]<br />
* [http://www.deutsche-und-polen.de/orte/ort_jsp/key=ost_westpreussen_2.html Ost- und Westpreußen 1772–1918] – Rundfunk Berlin-Brandenburg<br />
* [http://www.odessa3.org/collections/land/wprussia/ Kontributionskataster 1772/1773]<br />
<br />
== Online-Landkarten ==<br />
Folgend sind Weblinks mit historischen Landkarten von Preußen einschließlich Westpreußen, Ostpreußen, [[Ermland]], Freie Stadt Danzig seit circa 1500 bis zum 20. Jahrhundert:<br />
* [http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/atlas/seite70.html Landkarte von Caspar Henneberg] circa 1550 Pomerania, Marca (Brandenburg), Prussia (westlicher Teil mit Danzig)<br />
* [http://www.orteliusmaps.com/book/ort156.html historische Landkarte PRVSSIA 1584] [[Abraham Ortelius]]<br />
* [http://wwwtest.library.ucla.edu/libraries/mgi/maps/blaeu/prvssia.jpg Blaeu’s Landkarte] – circa 1660 Prussia (West- u. Ost Preußen einschl. Danzig) nach [[Caspar Henneberg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/Hart4_m.jpg Landkarte aus ''Altes und Neues Preussen''], [[Christoph Hartknoch]] (Thorn), Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/m_reyilly.jpg Landkarte Preussen nach 1701] nordwestlicher Teil mit [[Freie Stadt Danzig]], Karte in [[Frombork|Frauenburg]]<br />
* [http://www.domwarminski.pl/images/stories/warmia_regionem/mapy_historyczne_tabula_geografica_w.jpg Ermland Warmia Landkarte 1755] von [[Johann Friedrich Endersch]], [[Elbląg|Elbing]] mit Teilen von Westpreußen und Ostpreußen<br />
* [http://www.frombork.art.pl/Frombork-foto/mapaXIX.jpg Ostpreußen nach dem Vertrag von Versailles]<br />
* [http://www.elbing.de/landkreis.htm Danzig und anschließender Landkreis Elbing auf einer Karte]<br />
* [http://www.preussenweb.de/provinz/westpreussen.jpg Karte von Westpreußen mit Grenze zu Pommern, einschl. Danzig, Elbing, Frauenburg]<br />
* [http://www.gemeindeverzeichnis.de/gem1900//gem1900.htm?westpreussen/westpreussen1900.htm Provinz Westpreußen (Landkreise, Gemeinden und Gutsbezirke) 1910]<br />
* [http://www.preussen-pommern.de.tl/Kartographie.htm Kartographische Darstellungen Westpreußens]<br />
* [http://www.posselt-landkarten.de/index_ostgebiete.htm Karte des Deutschen Reiches 1:100.000 (Schwerpunkt Ostgebiete)]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Provinzen Preußens<br />
|Navigationsleiste Oberpräsidenten in Westpreußen<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=42406-7|LCCN=|NDL=|VIAF=123753716}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Westpreussen}}<br />
[[Kategorie:Westpreußen| ]]<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1773]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1920]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Neuostpreu%C3%9Fen&diff=194934663Provinz Neuostpreußen2019-12-15T20:20:25Z<p>Exec: /* Bevölkerung */ Quelle ist Privatmeinung. Das Preußen des 18. Jahrhunderts kannte "Germanisierung" als Ziel von Siedlungspolitik nicht.</p>
<hr />
<div>[[Datei:Landkarte Neuostpreußen 1806.png|miniatur|Neuostpreußen (grün), Ostpreußen (rot), Westpreußen (gelb), Südpreußen (blau). Im Osten Russland (beige). Englische Karte von 1810]]<br />
[[Datei:Neuostpreußen.png|miniatur|Preußische Erwerbungen der Dritten Teilung Polens (türkis). Das Gebiet um Warschau erhielt Südpreußen (schräge Schraffur), die Kreise nördlich der Weichsel (waagrechte Schraffur) kamen von Südpreußen zum neu geschaffenen Neuostpreußen]]<br />
[[Datei:Karte polnischeteilungen4.png|miniatur|Die Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795]]<br />
<br />
'''Neuostpreußen''' ({{PlS|''Prusy Nowowschodnie''}}) war von 1795 bis 1807 eine Provinz des Königreichs [[Preußen]]. Die Provinz wurde nach der [[Dritte Teilung Polens|Dritten Teilung Polens]] (1795) geschaffen. Das bis dahin polnische Gebiet um Warschau südlich von Weichsel und Bug ging im Zuge der Teilung zur Provinz [[Südpreußen]]. Die nördlich (rechts) der Weichsel gelegenen südpreußischen Kreise kamen zu Neuostpreußen. Neuostpreußen umfasste in etwa die historischen Woiwodschaften [[Podlachien]] und [[Masowien]] zwischen [[Ostpreußen]] und den Flüssen [[Memel]] und [[Westlicher Bug|Bug]]. 1806 lebten in Neuostpreußen auf einem Gebiet von knapp 55.000 km² etwa 900.000 Einwohner.<br />
<br />
== Entstehung ==<br />
Bereits 1793 hatten sich Preußen und Russland über die Zweite [[Teilungen Polens|Teilung Polens]] verständigt, worauf sich das Verhältnis Preußens zu Russland und Österreich verschlechterte. Österreich konnte keinen Landgewinn verzeichnen. Der preußische König [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] († 1797) geriet 1794 durch den [[Kościuszko-Aufstand]] in kriegerische Auseinandersetzungen mit aufständischen, nach Unabhängigkeit strebenden Polen. Die preußische Armee unter dem König selbst eroberte Krakau, belagerte aber Warschau vergeblich. Erst Russland gelang es, den Aufstand niederzuschlagen. Den Russen fiel damit die Entscheidung über die letzte Teilung Polens zu. Russland und Österreich gelangten im Petersburger Vertrag vom [[3. Januar]] [[1795]] zu einer Verständigung über die endgültige Teilung Polens. Am [[24. Oktober]] [[1795]] trat auch Preußen dem Teilungsvertrag bei.<br />
<br />
== Geografie ==<br />
Preußen erhielt vom ehemaligen [[Polen-Litauen]] das Land nördlich des Bugs und südwestlich der Memel, Teile Nord-Masowiens mit Warschau, [[Ciechanów]] und [[Pultusk]], Teile von [[Podlachien]] mit [[Białystok]] und Teile Litauens südlich der Memel. Das entspricht den vorherigen [[Woiwodschaft]]en [[Woiwodschaft Masowien (bis 1795)|Masowien]], [[Woiwodschaft Podlachien (bis 1795)|Podlachien]] und [[Woiwodschaft Troki|Troki]] (litauisch ''Trakai'').<br />
<br />
Die Stadt Warschau wurde Preußen zugeschlagen, da weder Russland noch Österreich über die aufständische Stadt herrschen wollten. Anders als oft dargestellt, wurde sie Teil der Provinz Südpreußen, da die Weichsel und der Bug die Südgrenze von Neuostpreußen bildeten.<br />
<br />
Nach außen hin lag Neuostpreußen südöstlich von [[Ostpreußen]] sowie östlich von [[Südpreußen]], das Preußen bereits durch die Zweite Polnische Teilung zugeschlagen worden war. Südlich von Neuostpreußen lag das österreichische [[Westgalizien]], das Österreich ebenfalls durch die Dritte Teilung Polens erhalten hatte. Östlich lagen das nun russische [[Polesien]] (nicht zu verwechseln mit [[Podlachien]]) und nordöstlich das nun russische [[Litauen]].<br />
<br />
Durch die Dritte Polnische Teilung erhielt Preußen neben Neuostpreußen auch das kleine [[Neuschlesien]], einen Teil der Provinz Krakau zwischen Schlesien, Südpreußen und Westgalizien (siehe auch [[Republik Krakau]]). Nach der dritten polnischen Teilung verschwand Polen für 123 Jahre von der politischen Landkarte und wurde erst 1918 wieder selbstständig.<br />
<br />
== Name ==<br />
Preußen bezeichnete die „neue Aquisitation“ erst seit dem 20. November 1796 per Kabinettsresolution als „Neuostpreußen“, eine Bezeichnung die zuvor von der Bialystocker Kammerkommission für das von ihr verwaltete Gebiet eingeführt worden war. Ursprünglich sollte das neu erworbene Gebiet auf die benachbarten Departements aufgeteilt werden. Wegen der rückständigen Verhältnisse in den erworbenen Gebieten wurde das auch aus Ersparnisgründen gefasste Vorhaben jedoch nicht verwirklicht.<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
Preußen erhielt mit den beiden Provinzen 20 % des polnischen Staatsgebietes und 23 % der polnischen Bevölkerung. Durch Friedrich Wilhelms Erwerbung der Zweiten und Dritten Polnischen Teilung kamen auf 6 Mio. Deutsche fast 2,5 Mio. Polen, was eine innere Schwächung Preußens bedeutete. <br />
<br />
Zusätzlich erhöhte sich der Anteil der jüdischen Bevölkerung in der preußischen Monarchie um achtzig Prozent.<ref>Ingrid Lohmann: {{Webarchiv | url=http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/Inst01/Projekt/JF/intro-bd1.htm | wayback=20070609231304 | text=''Die jüdische Freischule in Berlin - eine bildungstheoretische und schulhistorische Analyse. Zur Einführung in die Quellensammlung.''}} Schriftenreihe Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Band 1.</ref><br />
<br />
== Ende ==<br />
Die Beziehungen Preußens zu Österreich erlitten durch die großen Gebietsgewinne Preußens einen Bruch. Die unstete Neutralitätspolitik des neuen, seit 1797 regierenden, preußischen Königes [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelms III.]] isolierten das Land zusätzlich. 1806 stand Preußen so fast allein in der [[Vierter Koalitionskrieg|Vierten Koalition]] der Koalitionskriege [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] gegenüber und verlor nach der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt]] im [[Frieden von Tilsit]] 1807 sämtliche linkselbischen Gebiete und den größten Teil der Landgewinne aus den Polnischen Teilungen.<br />
<br />
Napoleon schlug im Frieden von Tilsit Neuostpreußen dem neu geschaffenen Pufferstaat zu Russland und napoleonischen Satellitenstaat, dem [[Herzogtum Warschau]] (in Personalunion mit dem Königreich Sachsen) zu. Der Kreis Białystok wurde dem [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]] zugeschlagen. Neuostpreußen verschwand nach seiner kurzen zwölfjährigen Geschichte wieder von der politischen Landkarte. Nach dem [[Wiener Kongress]] 1815 wurde das Gebiet des ehemaligen Neuostpreußens dem neu geschaffenen [[Kongresspolen]] (Personalunion mit Russland) zugeschlagen.<br />
<gallery><br />
Datei:Preussen-1806.jpg|Preußen; blau: im Frieden von Tilsit verlorene Landesteile (1801–1807)<br />
Datei:Preußen 1807.gif|Preußen nach dem Frieden von Tilsit (1807)<br />
Datei:Herzogtum-Warschau.png|Herzogtum Warschau (1809)<br />
Datei:Karte_kongresspolen.png|Kongresspolen 1815, u.&nbsp;a. der 1807 Russland zugeschlagene Kreis Białystok<br />
</gallery><br />
<br />
== Verwaltung ==<br />
[[Datei:Neuostpreußen1806.png|miniatur|Die beiden Departments Bialystok im Osten und Plozk im Westen]]<br />
=== Administration ===<br />
;Militärgouverneur<br />
:1794–1796: [[Johann Heinrich von Günther]]<br />
<br />
;Provinzialminister, Oberaufseher<br />
:1796–1807: [[Friedrich Leopold von Schrötter]]<br />
<br />
=== Kammerdepartements ===<br />
1806 hatte Neuostpreußen in [[Białystok|Bialystok]] und [[Płock|Plozk]] zwei Departments der [[Kriegs- und Domänenkammer]] mit 16 landrätlichen Kreisen:<br />
<br />
;Bialystok<br />
:[[Łomża]]<br />
:[[Drohiczyn]]<br />
:[[Bielsk Podlaski|Bielsk]]<br />
:[[Suraż|Suracz]]<br />
:[[Białystok]]<br />
:[[Goniądz]] (Bobrz)<br />
:[[Dąbrowa Białostocka]] (Dombrowa)<br />
:[[Wigry]]<br />
:[[Kalvarija (Stadt)|Kalwaria]]<br />
:[[Marijampolė|Mariampol]]<br />
<br />
;Plozk<br />
:[[Wyszogród]] mit der Stadt [[Płock|Plozk]]<br />
:[[Lipno]]<br />
:[[Mława]]<br />
:[[Przasnysz]]<br />
:[[Pułtusk]]<br />
:[[Ostrołęka]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Ingeburg Charlotte Bussenius: ''Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen.'' Quelle & Meyer, Heidelberg 1960.<br />
* Ingeburg Charlotte Bussenius (bearb.): ''Urkunden und Akten zur Geschichte der preußischen Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen 1793–1806.'' Athenäum Verlag, Frankfurt am Main/Bonn 1961.<br />
* [[Daniel Friedrich Sotzmann]]: ''Topographisch militärische Karte vom vormaligen Neu-Ostpreussen.'' Berlin 1808.<br />
* [[August Karl Holsche|August Karl von Holsche]]: ''Geographie und Statistik von West-, Süd- und Neu-Ostpreußen. Nebst einer kurzen Geschichte des Königreichs Polen bis zu dessen Zertheilung'', Bd. 1. Friedrich Maurer, Berlin 1800 ([http://books.google.de/books?id=UNoAAAAAcAAJ&pg=PP5 Google Books]).<br />
* ''Verzeichnis sämmtlicher Gerichte im Departement des Königlichen Oberlandesgerichts von Litthauen, und der bei selbigem angestellten Justizbeamten. Am 1. Januar 1816.'' Insterburg 1816 ([http://books.google.de/books?id=yNkAAAAAcAAJ&pg=PA101 Google Books]).<br />
* David Georg Friedrich Herzberg: ''Süd-Preußen und Neu-Ost-Preußen nebst dem zu dem Preußischen Schlesien geschlagenen Theile der vormahligen Woiwodschaft Krakau und den der Provinz West-Preußen einverleibten Handelsstädte Danzig und Thorn. Mit Tabellen''. Berlin 1789 ([https://books.google.de/books?id=RtsAAAAAcAAJ&pg=PR1 E-Kopie]).<br />
* Karl Joseph Huebner: ''Historisch-statistisch-topographische Beschreibung von Südpreußen und Neu-Ostpreußen, oder der Königlich-Preußischen Besitznehmungen von Polen, in den Jahren 1793 und 1795 entworfen''. <br />
** Band 1: ''Mit sechs Kupfertafeln und drey Landkarten''. Leipzig 1798 ([https://books.google.de/books?id=wWpMAAAAcAAJ&printsec=frontcover E-Kopie]).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://odessa3.org/collections/land/poland/link/pcols2.txt Colonization of New East Prussia, 1805]<br />
* [http://www.berliner-klassik.de/berliner_klassik/projekte/forschung/werkvertraege/nathaus_minister/minister/schroett Friedrich Leopold Reichsfreiherr von Schrötter], ''Berliner Klassik'', Akademievohaben der [[Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften|Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Besitzungen und Provinzen Preußens}}<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4117837-3}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Neuostpreussen}}<br />
<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz]]<br />
[[Kategorie:Historisches Territorium (Polen)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1795]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1807]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kriegs-_und_Dom%C3%A4nenkammer&diff=194934521Kriegs- und Domänenkammer2019-12-15T20:15:14Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>'''Kriegs- und Domänenkammern''', auch "Kammerdepartements", hießen die Provinzialbehörden im [[Königreich Preußen]], die [[Friedrich Wilhelm I. (Preußen)|Friedrich Wilhelm I.]] bei der Reorganisation der Verwaltung im Jahre 1723 geschaffen hatte. Sie waren die Vorgänger der 1815 eingerichteten preußischen [[Regierungsbezirk]]e und ihrer Regierungen.<br />
<br />
== Entstehung und Aufgaben ==<br />
Sie gingen hervor aus der Zusammenlegung der Kriegskommissariate mit den Amtskammern, die [[Karl Heinrich zu Waldburg]] zuerst in [[Königsberg (Preußen)|Königsberg i. Pr.]] für das Königreich Preußen vorbereitet hatte. <br />
<br />
* Kriegskommissariate waren Behörden, die die Steuern und Abgaben zu erheben hatten, welche für die Bedürfnisse der Armee, für das stehende Heer, bestimmt waren.<br />
* Amtskammern verwalteten die Domänen und zogen die Pachtgelder für diese staatlichen Güter ein.<br />
<br />
Die Kriegs- und Domänenkammern standen unter der Leitung des General-Oberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektoriums ([[Generaldirektorium]]s) in Berlin, in dem [[Friedrich von Görne]] die maßgebliche Rolle spielte. Diese Ämter bestanden bis zu den großen [[Preußische Reformen|Preußischen Reformen]] durch [[Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom Stein]] und [[Karl August von Hardenberg]] im Jahre 1808, als sie die Bezeichnung „Regierungen“ erhielten.<br />
<br />
Es bestanden unter anderem folgende Kriegs- und Domänenkammern:<br />
# [[Kriegskammer (Königsberg)]] (1723–1808)<br />
# [[Littauische Kriegs- und Domänen-Kammer]] zu Gumbinnen (seit 1724 Deputation der Königsberger Kammer, dann selbständig 1736–1808)<br />
# [[Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Berlin (1723–1809)<br />
# [[Neumärkische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Küstrin (1733–1809)<br />
# [[Pommersche Kriegs- und Domänenkammer]] zu Stettin (1723–1808) <br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Magdeburg (1723–1807) mit Deputation in Halle<br />
# [[Halberstädtische Kriegs- und Domänenkammer]] (1723–1807), ab 1802 auch für das preußisch gewordene [[Hochstift Hildesheim|Fürstbistum Hildesheim]] zuständig<br />
# Clevesche Kriegs- und Domänenkammer mit Geldernschem Landes-Administrationskollegium und Meursischer Kammer-Deputation (bis 1798)<br />
# [[Märkische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Hamm (1788–1807) mit Kammer-Deputation in Wesel (bis 1806)<br />
# [[Kriegs- und Domänenkammer Minden]] für Minden-Ravensberg (1723–1807) mit Kammer-Deputation für Lingen und Tecklenburg (bis 1802)<br />
# [[Kriegs- und Domänenkammer Aurich]] für Ostfriesland <br />
# [[Westpreußische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Marienwerder (1772–1808) mit Kammer-Deputation zu Bromberg (1775–1807)<br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Breslau<br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Glogau<br />
# [[Ansbachische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Ansbach (1795–1806)<br />
# [[Baireuthische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Bayreuth (1795–1807)<br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Posen (1793–1807)<br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Petrikau (1793–1797) dann Kalisch (bis 1807)<br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Plock (1793–1807), ab 1796 mit KDK Bialystok in der „[[Provinz Neu-Ostpreußen]]“ <br />
# Kriegs- und Domänenkammer zu Warschau (1796–1807)<br />
# [[Neu-Ostpreußische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Bialystok (1796–1807)<ref>Hans Lippold: ''Die Kriegs- und Domänenkammer zu Białystok in ihrer Arbeit und Bedeutung für die preußische Staatsverwaltung''. Diss. Univ. Königsberg 1928</ref><br />
# Kriegs- und Domänenkammer Münster für Fürstentümer Münster und Paderborn, sowie Grafschaften Lingen und Tecklenburg (1802–1807)<br />
# [[Eichsfeld-Erfurtische Kriegs- und Domänenkammer]] zu Heiligenstadt (1802–1807)<br />
<br />
''Regierung'' waren in jener Zeit die ''Provinzialgerichtshöfe'', die ab 1808 [[Oberlandesgericht]] hießen. Die leitenden Verwaltungsbeamten der einzelnen Kammern hießen entsprechend ''Kriegs- und Domänenrat'' bzw. ''Kriegs- und Domänendirektor''.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Neuostpreußen]]<br />
* [[Ostpreußische Regierung (Justizbehörde)]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Otto Hintze]]: ''Einleitende Darstellung der Behördenorganisation und allgemeinen Verwaltung in Preußen bei Regierungsantritt Friedrich II.'' Parey, Berlin 1901 (erschienen als Teil der [[Acta Borussica]], Reihe: ''Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens im 18. Jahrhundert'', Bd. 6, Teil 1), Nachdruck 1987.<br />
*{{Literatur|Autor=[[Felix Rosenfeld]]|Titel=Die Entstehung der Magdeburgischen Kriegs- und Domänenkammer|Sammelwerk=Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg|Band=39|Nummer=|Datum=1904|Seiten=126-142|Online=[https://archive.org/stream/GeschichtsbltterFrStadtUndLandMagdeburgMitteilungenDesVereinsFr_265/Geschichts_Bltter_fr_Stadt_und_Land-39#page/n136/mode/1up archive.org]}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=4224157-1|VIAF=261477355}} <br />
<br />
[[Kategorie:Finanzbehörde]]<br />
[[Kategorie:Wirtschaft (Preußen)]]<br />
[[Kategorie:Politik (Preußen)]]<br />
[[Kategorie:Verwaltungsgliederung Preußens]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kwidzyn&diff=194934313Kwidzyn2019-12-15T20:08:32Z<p>Exec: /* Königreich Preußen */ Falsche Angaben über Lage von Marienwerder und historische Entwicklung zu Beginn der Errichtung der Provinz Westpreußen.</p>
<hr />
<div><!-- Zum Bearbeiten des Artikels nach unten scrollen. Eine Hilfe zur Bearbeitung der Tabelle befindet sich unter [[Vorlage Diskussion:Infobox Ort in Polen]] --><br />
{{Infobox Ort in Polen<br />
| Ort = Kwidzyn<br />
| Wappen = [[Datei:POL Kwidzyn COA.svg|119px|Wappen von Kwidzyn]]<br />
| Woiwodschaft = Pommern<br />
| Powiat = Kwidzyn<br />
| PowiatLink = Kwidzyński<br />
| Breitengrad = 53<br />
| Breitenminute = 44<br />
| Breitensekunde = <br />
| Längengrad = 18<br />
| Längenminute = 56<br />
| Längensekunde = <br />
| OrtFläche = 21.82<br />
| Höhe = 42<br />
| Postleitzahl = 82-500 bis 82-504<br />
| Telefonvorwahl = 55<br />
| KFZ-Kennzeichen = GKW<br />
| Straße1 = [[Droga krajowa 55|DK 55]]: [[Nowy Dwór Gdański]]–[[Stolno]]<br />
| Straße2 = [[Droga krajowa 90|DK 90]]: [[Dąbrówka (Gniew)|Dąbrówka]]–Kwidzyn<br />
| Straße3 = [[Droga wojewódzka 518|DW 518]]: [[Gniew]]–Kwidzyn<br />
| Schienen1 = [[Polnische Staatsbahn|PKP]]-[[Bahnstrecke Toruń–Malbork|Strecke 207: Toruń–Malbork]]<br />
| Flughafen1 = [[Lech-Wałęsa-Flughafen Danzig|Danzig]]<br />
| GemeindeTyp = Stadtgemeinde<br />
| GemeindeFläche = 21.82<br />
| GemeindeGliederung = <br />
| TERYT = 2207011<br />
| Bürgermeister = Andrzej Krzysztofiak<br />
| BürgermeisterArt = <br />
| BürgermeisterDatum = 2010<br />
| AnschriftStraße = ul. Warszawska 19<br />
| AnschriftOrt = 82-500 Kwidzyn<br />
| Webpräsenz = www.kwidzyn.pl<br />
}}<br />
<br />
'''Kwidzyn''' ({{IPA|ˈkfʲiʣɨn}}), {{deS|''Marienwerder''}}, ist eine Stadt in der [[Polen|polnischen]] [[Woiwodschaft Pommern]] und Sitz des [[Powiat Kwidzyński|Powiats Kwidzyński]].<br />
<br />
== Lage ==<br />
Die Stadt liegt im ehemaligen [[Westpreußen]], 5 km östlich der [[Weichsel]] am Fluss [[Liwa (Nogat)|Liwa]] (''Liebe'').<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Bis 1919 war Marienwerder die Hauptstadt des gleichnamigen [[Regierungsbezirk Marienwerder|Regierungsbezirks Marienwerder]] in der [[Provinz Westpreußen]]. Mit dem Schloss des [[Pomesanien|pomesanischen]] Domkapitels (''Bischofsburg'') beherbergt die Stadt eine der bedeutendsten Burganlagen des [[Deutschordensstaat]]es, die [[Burg Marienwerder]]. Schon der angelsächsische Seefahrer [[Wulfstan von Haithabu]] erwähnte Ende des 9. Jahrhunderts eine Insel namens ''Quidin'' im Weichseldelta. Der Name lässt sich auf das [[Altpreußische Sprache|prußische]] („kweita“) wie auf das slawische (polnisch „kwiat“) Wort für „Blume“ zurückführen.<br />
<br />
=== Deutschordensstaat ===<br />
Der [[Deutscher Orden|Deutsche Orden]] hatte unter [[Hermann von Balk|Hermann Balk]] 1233 auf einem von den [[Pruzzen]] befestigten Hügel auf dem Gebiet des Dorfes ''Queden'' (1236 bis 1945 ''Tiefenau'', seither ''Tychnowy'') eine Burg namens ''Insula sanctae Mariae'' angelegt. Noch im gleichen Jahr verlegte er sie 5 Kilometer weiter nach Süden auf einen Hügel, der ebenfalls zuvor von den Pruzzen befestigt worden war.<ref>[[Johannes Voigt (Historiker, 1786)|Johannes Voigt]]: ''Geschichte Preußens, von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des deutschen Ordens.'' Band 2. Königsberg 1827, [http://books.google.de/books?id=n9EtAAAAYAAJ&pg=PA234 S. 234 ff.].</ref> Die Stadt Marienwerder selbst legte der Orden wenig später nördlich dieser Burg an und stattete sie mit einer ''[[Handfeste]]'' aus. Nach Gründung des [[Bistum Pomesanien|Bistums Pomesanien]] kam die Ordensburg 1254 in den Besitz des Bischofs. Er erwählte sie 1285 zu seinem Sitz, residierte aber seit etwa 1300 in [[Prabuty|Riesenburg]] (poln. Prabuty). Nördlich der Stadt ließ er von 1264 bis 1284 eine Domkirche errichten. Im Jahre 1322 begann der Bischof dort mit dem Bau der ''Bischofsburg'' zur Unterbringung des 1284 gegründeten [[Domkapitel]]s. Um diese Zeit scheint auch die ''Lateinschule'' gegründet worden zu sein.<ref name="LW">L. Wiese: ''Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung.'' Berlin 1864, [http://books.google.de/books?id=0zQP-lB0E28C&pg=PA76 S. 76–77]</ref> Die heutige [[Domkirche (Marienwerder)|Domkirche]] entstand an Stelle der alten in den Jahren 1344 bis 1355. Sie enthält die Grabmäler dreier [[Hochmeister]] und der [[Pomesanien|pomesanischen]] Bischöfe.<ref name="MKL" /><br />
<br />
Am 14. März 1440 gründeten in Marienwerder Landadel und Städte des Ordensstaates den [[Preußischer Bund|Preußischen Bund]], der in Opposition zur Landesherrschaft des Ordens trat und sich 1454 gegen die Zusicherung großzügiger Privilegien dem [[König von Polen]] unterstellte. Bei der Teilung des bisherigen Ordensgebietes im [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Frieden von Thorn]] blieb Marienwerder dem [[Ordensstaat]] erhalten und war fortan dessen einzige Stadt an der Weichsel.<br />
<br />
=== Herzogtum Preußen ===<br />
Mit der [[Säkularisation]] des Ordensstaates 1525 unter [[Albrecht (Preußen)|Albrecht I.]] wurde die Stadt [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|lutherisch]] und Teil des [[Herzogtum Preußen|Herzogtums Preußen]], des späteren ''Königreichs Preußen''. Im Jahre 1540 begann der Abriss der Ordensburg bis auf einen kleinen Rest. Für den Burghügel südlich der heutigen Altstadt kam der Name ''Altschlösschen'' auf. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gehörte die Lateinschule von Marienwerder zu den bedeutenderen evangelischen Schulen. Im 18. Jahrhundert erlangte die Anstalt die Befugnis zur Entlassung auf die Universität. Ein neues Schulgebäude wurde für das [[Gymnasium Marienwerder]] im Zeitraum 1835–1838 errichtet.<ref name="LW" /><br />
<br />
=== Königreich Preußen ===<br />
[[Datei:Marienwerder-1 (2).jpg|mini|Marienwerder in den 1920er Jahren]]<br />
Durch die Neueinteilung des [[Königreich Preußen|Königreichs Preußens]] im Rahmen der ersten polnischen Teilung von 1772 wurde Marienwerder adminsitativ aus Ostpreußen ausgegliedert und diente nach Gründung der [[Provinz Westpreußen]] 1775 als Sitz der Verwaltung.<br />
Nach den Grenzregelungen des [[Wiener Kongress#Territoriale Neuordnung|Wiener Kongresses]] in den Jahren 1815–1818 wurde Westpreußen um Danzig erweitert, welches Marienwerder als Hauptstadt ablöste. <br />
Nun wurde sie Kreisstadt und Hauptstadt des [[Regierungsbezirk Marienwerder|Regierungsbezirks Marienwerder]], der das südliche Westpreußen umfasste. Dem [[Oberlandesgericht Marienwerder]] waren die Landgerichtsbezirke Danzig, Elbing, Graudenz, Konitz und Thorn zugeordnet. 1819 gründete hier in Marienwerder der königlich preußische Bauinspektor [[Salomo Sachs]] eine exzellente [[Baugewerkschule]], die 15 Jahre Bestand hatte. Bis 1820 war er deren Vorsteher und Lehrer. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Marienwerder zwei evangelische Kirchen (darunter der Dom), eine katholische Kirche, eine [[Synagoge]], eim Gymnasium, ein Amtsgericht, ein Oberlandesgericht und verschiedene gewerbliche Betriebe.<ref name="MKL" /><br />
<br />
Der [[Vertrag von Versailles]] hatte die Schaffung des [[Polnischer Korridor|Polnischen Korridors]] zur Ostsee auf westpreußischem Territorium und damit die Auflösung der Provinz Westpreußen zur Folge. Am 11. Juli 1920 stimmte die Bevölkerung im [[Abstimmungsgebiet Marienwerder]] mit über 92 Prozent für den Verbleib bei Deutschland, während der Rest der Provinz ohne Abstimmung zwischen Deutschland, dem Polnischen Korridor und der [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] aufgeteilt wurde. In der Stadt Marienwerder hatten 7811 Einwohner für den Anschluss an Ostpreußen und 362 für den an Polen gestimmt.<ref>[[Herbert Marzian]], [[Csaba Kenez]]: ''Selbstbestimmung für Ostdeutschland - Eine Dokumentation zum 50. Jahrestag der ost- und westpreussischen Volksabstimmung am 11. Juli 1920.'' Herausgeber: [[Göttinger Arbeitskreis]], 1970, S. 117</ref> Daraufhin kam der Osten der Provinz Westpreußen als [[Regierungsbezirk Westpreußen]] mit Sitz in Marienwerder bis 1939 zur [[Provinz Ostpreußen]]. Nach dem [[Überfall auf Polen]] gehörte Marienwerder von 1939 bis 1945 zum [[Reichsgau Danzig-Westpreußen]].<br />
<br />
=== Polen ===<br />
[[Datei:Kwidzyn Dom1.jpg|mini|Dom von Marienwerder]]<br />
Gegen Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurde Marienwerder im Januar 1945 von deutscher Seite [[Evakuierung|evakuiert]]. Einige Wochen später besetzte die [[Rote Armee]] die Stadt. Das unzerstört gebliebene Marienwerder diente von März bis November der [[2. Weißrussische Front|2. Weißrussischen Front]] als Lazarettstadt. Es kam zu mehreren Bränden, denen die Altstadt zum Opfer fiel.<ref>''Eine Stadt als Kriegsschauplatz'', Bericht über eine polnisch-deutsche Historikertagung im Jahre 2004: [http://www.mitteleuropa.de/kk1194.htm Mitteleuropa.de], dort auch die Information zur unerforschten Herkunft der Neusiedler.</ref> Gemäß dem [[Potsdamer Abkommen]] kam Marienwerder unter die Verwaltung der [[Volksrepublik Polen]]. Sie benannte Marienwerder in „Kwidzyn“ um und ersetzte die vertriebene Einwohnerschaft vollständig durch [[Polen (Ethnie)|Polen]]. Die in Marienwerder abgeräumten Trümmer gingen als Baumaterial nach [[Warschau]]. Seit 2002 wird die Altstadt auf historischem Grundriss wiederaufgebaut.<br />
<br />
{{Siehe auch|Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950}}<br />
<br />
== Demographie ==<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
|+ Bevölkerungsentwicklung<br />
! Jahr<br />
! Einwohner<br />
! Anmerkungen<br />
|-<br />
| 1400 || align="center" | ca. 700 || <ref name="HHS">Erich Weise (Hrsg.): ''Handbuch der historischen Stätten.'' Band: ''Ost- und Westpreußen'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Band 317). Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1966. Kröner, Stuttgart 1981, ISBN 3-520-31701-X, S. 133–136.</ref><br />
|-<br />
| 1572 || align="center" | ca. 700 || nicht viel mehr<ref name="HHS" /><br />
|-<br />
| 1782 || align="center" | 3.156 || meistens [[Evangelisch-lutherische Kirchen|evangelisch-lutherische]] Deutsche; Marienwerder war Regierungssitz der neuen Provinz Westpreußen mit Kulmerland, Pomesanien, Pommerellen und Teilen Großpolens geworden<ref name="JFG">[[Johann Friedrich Goldbeck]]: ''Volständige Topographie des Königreichs Preußen''. Teil II, Marienwerder 1789, [http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PA3 S. 3–6.]</ref><br />
|-<br />
| 1783 || align="center" | 3.297 || davon 124 Personen von der Garnison (eine Schwadron eines Depot-Bataillons)<ref name="JFG" /><br />
|-<br />
| 1831 || align="center" | 5.060 || <ref name="AEP">August Eduard Preuß: ''Preußische Landes- und Volkskunde''. Königsberg 1835, [http://books.google.de/books?id=L_sAAAAAcAAJ&pg=PA441 S. 441–444.]</ref><br />
|-<br />
| 1864 || align="center" | 7.373 || davon 6.360 Evangelische und 661 Katholiken<ref name="SHM">E. Jacobson: ''Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder'', Danzig 1868, [http://books.google.de/books?id=cQMrAQAAMAAJ&pg=RA2-PA106 S. 106–107, Nr. 158].</ref><br />
|-<br />
| 1871 || align=center| 7.172 || darunter 6.300 Evangelische und 620 Katholiken<ref>Gustav Neumann: ''Geographie des Preußischen Staats''. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, [https://books.google.de/books?id=mx5fAAAAcAAJ&pg=PA48 S. 48–49, Ziffer 2.]</ref><br />
|-<br />
| 1875 || align="center" | 7.580 || <ref name="VWG">{{Verwaltungsgeschichte.de|pfad=marienwerder_op.html|name=Provinz Westpreußen, Kreis Marienwerder}}</ref><br />
|-<br />
| 1880 || align="center" | 8.238 || <ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1890 || align="center" | 8.552 || davon 6.732 Protestanten, 1.542 Katholiken und 226 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1900 || align="center" | 9.686 || mit der Garnison (eine Abteilung [[Feldartillerie]] Nr. 71), davon 1.868 Katholiken und 160 Juden<ref name="MKL">''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, Band 13, Leipzig und Wien 1908, [http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Marienwerder?hl=marienwerder S. 299.]</ref><br />
|-<br />
| 1905 || align="center" | 11.819<ref name="HHS" /><br />
|-<br />
| 1925 || align="center" | 13.721 || davon 10.712 Protestanten, 2.724 Katholiken, 14 andere Christen und 190 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1930 || align="center" | 13.860 || meistens Protestanten, davon 2.870 Katholiken, 195 Juden und 290 Sonstige<ref>''Der Große Brockhaus'', 15. Auflage, Band 12, Leipzig 1932, S. 143.</ref><br />
|-<br />
| 1933 || align="center" | 15.548|| davon 12.197 Protestanten, 3.073 Katholiken, 23 andere Christen und 169 Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1939 || align="center" | 19.723 || davon 14.788 Protestanten, 4.307 Katholiken, 122 andere Christen und keine Juden<ref name="VWG" /><br />
|-<br />
| 1965 || align="center" | ca. 13.000 || <ref name="HHS" /><br />
|-<br />
| 2006 || align="center" | 37.814 ||<br />
|}<br />
<br />
== Bauwerke ==<br />
[[Datei:Kwidzyn Kulturzentrum1.jpg|mini|Kulturzentrum]]<br />
[[Datei:Kwidzyn-kosciol-sw-Trojcy.jpg|mini|Dreifaltigkeits- und Mariä-Himmelfahrt-Kirche]]<br />
* [[Burg Marienwerder]], Schloss des Domkapitels, ab 1322 erbaut, ursprünglich Vierflügelanlage, der Süd- und Ostflügel 1798 abgebrochen, die auch um die Domkirche herumlaufenden Wehrgänge ebenso bereits 1677, im 19. Jahrhundert Gerichtsgebäude und Gefängnis, heute Museum<br />
* [[Domkirche (Marienwerder)|Domkirche]], Backsteingotik, als Neubau 1344 bis etwa 1355 erbaut, mit den Grabmälern dreier [[Hochmeister]] und der pomesanischen Bischöfe<br />
* Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit, 1846–1858 als erste katholische Kirche in der Stadt seit der Reformation nach Entwurf von [[Karl Friedrich Schinkel]] im [[Rundbogenstil]] als Ziegelbau auf einem Steinfundament errichtet. Der Bau der beiden Türme wurde 1886 abgeschlossen. Die Kirche ist eine dreischiffige [[Basilika (Bautyp)|Basilika]] mit einer fünfseitigen Apsis am Chor auf der Ostseite. Der Haupteingang besteht aus drei miteinander verbundenen Portalen. Über den Portalen sind die Heiligenfiguren der Apostel Petrus und Paulus angebracht.<br />
* [[Alte Synagoge Marienwerder (Westpreußen)|Alte Synagoge]], erbaut in den 1830er Jahren<br />
<br />
== Verkehr ==<br />
Im Bahnhof Kwidzyn trifft die nicht mehr im Personenverkehr betriebene [[Bahnstrecke Prabuty–Kwidzyn]] auf die [[Bahnstrecke Toruń–Malbork]]. Früher begann hier auch die Strecke nach [[Kisielice|Freystadt i. Westpr.]]<br />
<br />
{{Siehe auch|Bahnstrecke Marienwerder–Schmentau}}<br />
<br />
Seit 2013 ist Kwidzyn über die neu angelegte [[Droga krajowa|Landesstraße 90]] und die [[Weichselbrücke bei Kwidzyn]] wieder mit der anderen Seite der Weichsel verbunden.<br />
<br />
== Landgemeinde Kwidzyn ==<br />
{{Hauptartikel|Kwidzyn (Landgemeinde)}}<br />
Die Landgemeinde Kwidzyn, zu der die Stadt selbst nicht gehört, umfasst eine Fläche von 207,25 km² und hat {{EWZ|PL|2207032}} Einwohner (Stand {{EWD|PL|2207032}}).<br />
<br />
== Städtepartnerschaft ==<br />
[[Datei:Celle Partnerstadt Marienwerder Kwidzyn.jpg|alt=Wappen in Partnerstadt Celle|mini|Wappen in der deutschen Partnerstadt Celle (Metallplakette)]]<br />
Kwidzyn unterhält seit dem 18. Oktober 1953 eine [[Städtepartnerschaft]] mit [[Celle]] in [[Niedersachsen]].<br />
<br />
== Persönlichkeiten ==<br />
=== Söhne und Töchter der Stadt ===<br />
* [[Johannes Marienwerder]] (1343–1417), Theologe<br />
* [[Johann Friedrich List]] (1787–1868), Oberbürgermeister von Königsberg<br />
* [[Ida von der Groeben]] (1791–1868), Pietistin und Schriftstellerin<br />
* [[Hans von Auerswald]] (1792–1848), preußischer General<br />
* [[Friedrich von Hering]] (1794–1871), preußischer General<br />
* [[Rudolf von Auerswald]] (1795–1866), preußischer Ministerpräsident<br />
* [[Heinrich Friedrich Jacobson]] (1804–1868), Kirchenrechtler und Kirchenhistoriker<br />
* [[Hermann Conrad (Politiker)|Hermann Conrad]] (1814–1885), Politiker und Rittergutsbesitzer<br />
* [[Ernst Kossak]] (1814–1880), Journalist<br />
* [[Hermann von Dechend]] (1814–1890), erster Präsident der [[Reichsbank]]<br />
* [[Bruno von Schrötter]] (1816–1888), Verwaltungsjurist<br />
* [[Julian Schmidt]] (1818–1886), Literaturhistoriker<br />
* [[Julius von Hennig]] (1822–1877), Politiker<br />
* [[Heinrich Ludwig Robert Giseke]] (1827–1890), Dichter und Schriftsteller<br />
* [[Richard Eduard John]] (1827–1889) Jurist<br />
* [[Adalbert von Flottwell]] (1829–1909), Politiker und Beamter<br />
* [[Rudolf Heidenhain]] (1834–1897), Physiologe<br />
* [[Gustav Cohn]] (1840–1919), deutscher Ökonom<br />
* [[Eugen Windmüller]] (1842–1927), Genre- und Landschaftsmaler<br />
* [[Wilhelm Räuber]] (1849–1926), Maler<br />
* [[Alfred Genzmer]] (1851–1912), Chirurg<br />
* [[Georg von Bülow (Generalmajor)|Georg von Bülow]] (1853–1936), preußischer Offizier, zuletzt Generalmajor.<br />
* [[Albert Kolbe]] (1871–1941), Oberbürgermeister von Stargard in Pommern<br />
* [[Ernst Kolbe]] (1876–1945), Maler<br />
* [[Kurt Rosenfeld]] (1877–1943), Politiker<br />
* [[Thuro Balzer]] (1882–1967), Maler<br />
* [[Friedrich Wagner-Poltrock]] (1883–1961), Architekt<br />
* [[Robert Witthoeft-Emden]] (1886–1960), Vizeadmiral der Kriegsmarine, Marineattaché in Washington<br />
* [[Joachim Witthöft]] (1887–1966), General der Infanterie<br />
* [[Kunz Finck von Finckenstein]] (1889–1932), Rittergutsbesitzer und Mitglied des Preußischen Herrenhauses<br />
* [[Kurt-Jürgen von Lützow]] (1892–1961), Generalleutnant<br />
* [[Ida Siekmann]] (1902–1961), erstes Todesopfer der [[Berliner Mauer]]<br />
* [[Rolf Lahr]] (1908–1985), Diplomat<br />
* [[Ernst Tillich (Theologe)|Ernst Tillich]] (1910–1985), Politiker<br />
* [[Dieter Gütt]] (1924–1990), Rundfunk- und Fernsehjournalist<br />
* [[Hans-Jürgen Karp]] (* 1935), Historiker und Herausgeber<br />
* [[Hans-Herlof Hardtke]] (* 1939), Unternehmer<br />
* [[Hardy Rodenstock]] (1941–2018), Künstlermanager und Musikverleger<br />
* [[Bodo Krämer]] (1945–2003), Schauspieler<br />
* [[Bernard Nowak]] (* 1950), Schriftsteller, Herausgeber und Redakteur<br />
* [[Zbigniew Jan Wesołowski]] (* 1957), Sinologe<br />
* [[Marek Szulen]] (* 1975), Komponist und Musiker<br />
<br />
=== Ehrenbürger ===<br />
* [[Hans Pfundtner]] (1881–1945), Staatssekretär im Reichsinnenministerium<br />
<br />
=== Sonstige ===<br />
* [[Otto Friedrich von der Groeben]] (1657–1728), preußischer Forschungsreisender und polnischer Generalleutnant, Grabdenkmal im Dom der Stadt.<br />
* [[August Kind]] (1824–1904), Oberbauinspektor in der Bauabteilung der Bezirksregierung, deutscher Architekt und Baubeamter der Reichspost<br />
<br />
=== Siehe auch ===<br />
* [[Gymnasium Marienwerder#Persönlichkeiten 1812–1945]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Daniel Heinrich Arnoldt]]: ''Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern.'' Königsberg 1777, [https://books.google.de/books?id=6x5dAAAAcAAJ&pg=PA485 S. 485–490.]<br />
* [[Johann Friedrich Goldbeck]]: ''Volständige Topographie des Königreichs Preussen.'' Teil II: ''Topographie von West-Preussen.'' Marienwerder 1789, S. 3–6 ([http://books.google.de/books?id=SQw_AAAAcAAJ&pg=PA3 Volltext]).<br />
* [[August Eduard Preuß]]: ''Preußische Landes- und Volkskunde.'' Königsberg 1835, S. 441–444, Nr. 58 ([http://books.google.de/books?id=L_sAAAAAcAAJ&pg=PA441 Volltext]).<br />
* Hans Christoph Wilhelm Jahn: ''Nachträge zur Ergänzung der Chronik der Stadt Marienwerder in Westpreußen.'' Kanter, 1843.<br />
* [[Max Toeppen]]: ''Geschichte der Stadt Marienwerder und ihrer Kunstbauten.'' Marienwerder 1875.<br />
* {{Meyers Online|11|248|spezialkapitel=Marienwerder}}<br />
* ''Marienwerder: Geschichte der ältesten Stadt der Reichsdeutschen Ostmark.'' Im Auftrag des Magistrats der Stadt Marienwerder bearbeitet von [[Erich Wernicke (Lehrer)|Erich Wernicke]]. Weichsel-Verlag, 1933.<br />
* [[Erich Weise]] (Hrsg.): ''[[Handbuch der historischen Stätten]]'', Band: ''Ost- und Westpreußen'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 317). Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1966. Kröner, Stuttgart 1981, ISBN 3-520-31701-X, S. 133–136.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons}}<br />
{{Wikisource|Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae: Marienwerder|Marienwerder in der Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae (Matthäus Merian)}}<br />
* [http://www.kwidzyn.pl/ Website der Stadt] (polnisch)<br />
* [http://www.ordensland.de/Marienwerder/mareinwerder.html Fotos und Geschichte Marienwerders und des Ordenslandes]<br />
* [http://www.zamek.malbork.pl/index.php?lang=de Schlossmuseum in Marienwerder]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Städte und Gemeinden im Powiat Kwidzyński (Kwidzyn)}}<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4037555-9}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ort der Woiwodschaft Pommern]]<br />
[[Kategorie:Deutscher Orden]]<br />
[[Kategorie:Kwidzyn| ]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bahnhof_Berlin-Mahlsdorf&diff=194808426Bahnhof Berlin-Mahlsdorf2019-12-11T00:22:59Z<p>Exec: /* Geschichte */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Bahnhof<br />
| Breite = 300px<br />
| Name = Berlin-Mahlsdorf<br />
| Bild = Berlin- Bahnhof Berlin-Mahlsdorf- Haupteingang 8.8.2013.jpg<br />
| Bildtext = Bahnhofsgebäude mit Eingang<br />
| Kategorie = 4<br />
| Lage = Zwischenbahnhof<br />
| Bauform = Durchgangsbahnhof<br />
| Bahnsteiggleise = 5<br />
| Abkürzung = BMDF<br />
| IBNR = 8089072<br />
| Eröffnung = 1. September 1895<br />
| Stilllegung = <br />
| Homepage = [https://sbahn.berlin/fahren/bahnhofsuebersicht/mahlsdorf/ sbahn.berlin]<br />
| Bahnhof.de ID = Berlin-Mahlsdorf<br />
| Baustil = <br />
| Architekt = [[Richard Brademann]]<br />
| Architekt_Bezeichnung = <br />
| Gemeinde = Berlin<br />
| Ort = Berlin-Mahlsdorf{{!}}Mahlsdorf<br />
| Breitengrad = 52.512091<br />
| Längengrad = 13.610583<br />
| Region-ISO = DE-BE<br />
| Höhe = <br />
| Höhe-Art = <br />
| Höhe-Bezug = <br />
| Strecken = <br />
* [[Bahnstrecke Berlin–Küstrin-Kietz Grenze|Berlin – Strausberg – Küstrin-Kietz Grenze]]<br /><small>({{Kursbuchlink|Nummer=200.5}}, 209.26; km 12,5)</small><br />
}}<br />
<br />
Der '''Bahnhof Berlin-Mahlsdorf''' ist ein [[S-Bahn Berlin|S-Bahnhof]] und Regionalbahnhof an der [[Preußische Ostbahn|Ostbahnstrecke]] [[Bahnstrecke Berlin–Küstrin-Kietz Grenze|Berlin – Küstrin-Kietz Grenze]]. Er liegt im Ortsteil [[Berlin-Mahlsdorf|Mahlsdorf]] des [[Bezirk Marzahn-Hellersdorf|Bezirks Marzahn-Hellersdorf]]. Die [[Denkmalschutz|denkmalgeschützte]] Anlage befindet sich an der Überführung über die [[Hönower Straße]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:VorortMahlsdorf1910.jpg|mini|links|Vorortbahnhof Mahlsdorf, 1910 (Blickrichtung Norden)]]<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1987-0815-015, Berlin, S-Bahn-Sonderfahrten.jpg|mini|links|Sonderfahrt eines [[DR-Baureihe ET 165|ET&nbsp;165]], 1987]]<br />
[[Datei:19910415a Mahlsdorf.jpg|mini|Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 1991]]<br />
[[Datei:Bf-b-mahlsdorf.jpg|mini|links Bahnsteig A, rechts Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 2007]]<br />
<br />
Die Station wurde am 1.&nbsp;September 1895 als Haltestelle ''Malsdorf'' an der Kreuzung der Hönower Straße mit der Ostbahn errichtet.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Strowitzki |Titel=S-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2004 |ISBN=3-89218-073-3 |Seiten=143}}</ref> Die Station war mit zwei [[Seitenbahnsteig]]en und einem einfachen Dienstgebäude ausgestattet.<ref name="Brademann 142-145">{{Literatur |Autor=Susanne Dost |Titel=Richard Brademann (1884–1965). Architekt der Berliner S-Bahn |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2002 |ISBN=3-933254-36-1 |Seiten=142–145}}</ref><br />
<br />
Bei der [[Geschichte der Berliner S-Bahn#Elektrisierung|„Großen Elektrisierung“]] der Strecken der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen war nach den Plänen der [[Deutsche Reichsbahn (1920–1945)|Deutschen Reichsbahn]] nur eine Ausweitung des elektrischen Betriebes bis zum benachbarten [[Bahnhof Berlin-Kaulsdorf|Bahnhof Kaulsdorf]] vorgesehen. Eine Verlängerung nach Mahlsdorf war wegen der angespannten Finanzlage der Reichsbahn nicht vorgesehen. Das [[Bezirk Lichtenberg|Bezirksamt Lichtenberg]] bat die [[Reichsbahndirektion Berlin]] daraufhin erneut mit der Prüfung des Vorhabens und verwies auf die seit 1920 um 50&nbsp;Prozent angestiegene Bevölkerung im Ortsteil Mahlsdorf und die Zunahme des Personenverkehrs auf den Bahnhöfen Kaulsdorf und Mahlsdorf. Der [[Kreis Niederbarnim]] wünschte ebenfalls eine Verlängerung der elektrischen Stadtgleise, sah aber als Endpunkt den [[Bahnhof Hoppegarten (Mark)|Bahnhof Hoppegarten]] vor mit Verweis auf die dort ansässige [[Galopprennbahn Hoppegarten|Galopprennbahn]]. Langfristig sollte der [[Bahnhof Strausberg]] erreicht werden. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Reichsbahn ergab, dass das Vorhaben 2,237&nbsp;Millionen [[Reichsmark]] kosten würde. Die Kosten würden bei Verzicht auf die geplante Überführung der [[Hönower Straße]] auf 1,669&nbsp;Millionen Reichsmark sinken. Eine Verzinsung des Kapitals und damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens waren nicht zu erwarten.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=143–144}}</ref><br />
<br />
Die Stadt [[Berlin]] bot der Deutschen Reichsbahn an, das Vorhaben zu kreditieren. Beide Seiten einigten sich auf die Ausführung des Entwurfs mit der Überführung der Hönower Straße. Der Brückenneubau sollte eine [[Lichtes Maß|lichte Weite]] von 34&nbsp;Metern aufweisen. Das von der Stadt gewährte Darlehen umfasste die Kosten für die Elektrifizierung der Strecke Kaulsdorf&nbsp;– Mahlsdorf und der damit erforderlichen Bahnanlagen inklusive des Neubaus eines [[Empfangsgebäude]]s für den Bahnhof Mahlsdorf sowie die Hälfte der Kosten, die für eine Überführung mit 11,40&nbsp;Meter lichter Weite erforderlich wären. Die übrigen Kosten für die Überführung sollte die Stadt Berlin tragen. Das Darlehen war vom ersten Betriebsjahr an mit jährlich fünf Prozent, ab dem sechsten Betriebsjahr mit jährlich sechs Prozent zu verzinsen. Die Rückzahlung sollte vom Ende des fünften Betriebsjahres an in fünf Jahresraten zu 370.000&nbsp;Reichsmark und einer Schlussrate von 365.000&nbsp;Reichsmark erfolgen. Der Vertragsabschluss war am 26.&nbsp;Februar 1929.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=144–145}}</ref><br />
<br />
Ab Mai 1929 begann die Deutsche Reichsbahn mit dem Neubau des Empfangsgebäudes sowie der zum Bahnhof Kaulsdorf zugehörigen Stellwerke Kd und Kdo. Das alte Stellwerk Kdo, welches sich im Bereich des späteren Fern- und Vorortbahnsteiges befand, entstand südlich des Fern- und Vorortgleispaares neu. In fünf darauf folgenden Bauabschnitten wurden dann nacheinander das Fern- und Vorortgleispaar neu verlegt, die Stadtgleise an den Bahnhof herangeführt und der Bahnhof Kaulsdorf anschließend umgebaut.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=146–147}}</ref> Geplant war, den elektrischen Betrieb am 5.&nbsp;Oktober 1930 aufzunehmen, die verspätete Fertigstellung der Überführung verzögerte allerdings die Anlage der Stadtgleise, sodass die Reichsbahn die elektrifizierten Stadtgleise am 15.&nbsp;Dezember 1930 in Betrieb nehmen konnte. Die Restarbeiten im Bahnhof Kaulsdorf zogen sich noch bis zum Sommer 1931 hin.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=149}}</ref> Die Stadt Berlin verzichtete ab 1933 auf eine Rückzahlung des Darlehens, nachdem sie mit der Reichsbahn eine Übereinkunft über die Rückführung der in Fremdbesitz gehaltenen Anteile der [[BEHALA]] in städtisches Eigentum getroffen hatte.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=150–151}}</ref><br />
<br />
Im September 1941 kam es zu einem S-Bahn-Unglück, als ein in den Bahnhof einfahrender Zug den [[Prellbock]] überfuhr und auf die dahinter gelegene Hönower Straße hinabstürzte. Glücklicherweise entstand nur Sachschaden.<ref>''Mahlsdorf 1345–1995.'' MAZZ-Verlagsgesellschaft, Berlin 1995, S. 50.</ref><br />
<br />
Die Pläne zur [[Welthauptstadt Germania]] sahen neben einer Verlängerung der S-Bahn nach Strausberg und [[Rüdersdorf bei Berlin|Rüdersdorf]] auch den Ausbau des Bahnhofs Mahlsdorf für den S-Bahn-Verkehr vor. Der dampfbetriebene Vorortverkehr sollte entfallen und die S-Bahn an beiden Bahnsteigen halten. Die beiden äußeren Bahnsteigkanten sollten einer Fern-S-Bahn dienen, die in Richtung Berlin ab Mahlsdorf ohne Halt verkehren sollte. Die Verlängerung der S-Bahn-Gleise bis Hoppegarten sollte nach ersten Plänen 1939 erfolgen, die Verlängerung nach Strausberg und Rüdersdorf sollte 1942 folgen. Infolge der strategischen Bedeutung der Ostbahn wurde der viergleisige Ausbau der Strecke auch nach 1943 nicht eingestellt.<ref>{{Literatur |Autor=Bernd Kuhlmann |Titel=Eisenbahn-Größenwahn in Berlin. Die Planungen von 1933 bis 1945 und deren Realisierung |Auflage=2. |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2008 |ISBN=3-89218-093-8 |Seiten=76–77}}</ref> Dabei wurde der Bahndamm in Mahlsdorf nach Süden verbreitert und ein zwei weitere Brückenüberbauten errichtet, um den Fern- und Güterverkehr am Vorortbahnsteig vorbeiführen zu können. Der südliche Ausgang musste hierfür abgebrochen werden.<ref name="Brademann 142-145" /> Ab dem 1.&nbsp;August 1944 verkehrten von Mahlsdorf aus [[Dampflokomotive|dampfbetriebene]] Vorortzüge auf dem separaten Gleispaar nach Strausberg. Die Elektrifizierung der Vorortstrecke ließ bis 1947 auf sich warten. Der Fernbahnsteig wurde seitdem von den S-Bahnen genutzt, wogegen die Fernbahn über ein neues Gleis am Bahnhof vorbeigeführt wurde. Der alte Bahnsteig wurde weiter für die Verstärker genutzt.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Strowitzki |Titel=S-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2004 |ISBN=3-89218-073-3 |Seiten=146–147}}</ref><br />
<br />
Seit Frühjahr 2016 erfolgt die [[S-Bahn Berlin#Abfertigungsverfahren|Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer mittels Führerraum-Monitor]] (ZAT-FM).<ref>{{Literatur |Titel=Kurzmeldungen – S-Bahn |Sammelwerk=[[Berliner Verkehrsblätter]] |Datum=2016-06 |Seiten=114}}</ref><br />
<br />
== Aufbau ==<br />
[[Datei:Berlin- Bahnhof Berlin-Mahlsdorf- Haupthalle 8.8.2013.jpg|mini|Bahnhofshalle, 2013]]<br />
<br />
Der Bahnhof im Ausbauzustand von 1930 umfasste zwei teilüberdachte Mittelbahnsteige für den S-Bahn- sowie für den Fern- und Vorortverkehr. Die Stadtgleise endeten stumpf vor der Hönower Straße, westlich an den Bahnsteig schloss sich eine zweigleisige [[Wendeanlage|Kehranlage]] an. Das neue Empfangsgebäude entstand auf der Nordseite an der Hönower Straße. Für den Entwurf zeichnete sich der Architekt [[Richard Brademann]] verantwortlich. Brademann begann noch vor Abschluss des Vertrags zwischen dem [[Magistrat von Groß-Berlin|Magistrat]] und der RBD Berlin im Januar 1928 mit ersten Skizzen für das Gebäude. Der Rohbau war im Oktober 1929 fertig. Der Bau ist mit [[Klinker]]n verblendet, eine Gliederung ansonsten flächig behandelten Außenhaut kommt durch Wandöffnungen und waagerecht sowie senkrecht gehaltene Fensterbänder zustande. Brademann setzte zudem die [[Fallrohr]]e als gliederndes Gestaltungsmerkmal ein.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Dem Gebäude ist an der Straßenseite eine zweite niedrige Wandfläche vorgesetzt, die sich in den [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlagern]] der Brücke fortsetzt. Der Haupteingang wird durch ein spitz zulaufendes [[Verdachung|Vordach]], an dessen Spitze eine [[Bahnhofsuhr]] senkrecht auskragt, betont. Beiderseits des Eingangs schließen sich drei großformatige Fensteröffnungen mit feinteiliger Sprossengliederung an. Die rechte Fensteröffnung reicht über Eck an das Empfangsgebäude ran, dahinter befindet sich ein „Erfrischungsraum“. Die beiden Fensteröffnungen links des Haupteingangs dienen der Beleuchtung der Schalterhalle. Südlich der Schalterhalle befand sich ein zweiter, schlicht gehaltener Ausgang zur [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mahlsdorf#Treskowstraße|Treskowstraße]], der beim Ausbau des Bahnhofs 1943/44 geschlossen wurde.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Die Zugänge zur Schalterhalle weisen keinen [[Windfang (Architektur)|Windfang]] auf. In der Halle waren neben den [[Fahrkartenschalter]]n und [[Passimeter]]häuschen eine Gepäckannahme, öffentliche Toiletten, Zeitungsstände, Fahrkarten- und Fernsprechautomaten eingerichtet. Der Zugang zu den beiden Bahnsteigen erfolgt über zwei breite Treppenaufgänge. Die Hallenwände waren hell [[Putz (Baustoff)|verputzt]] und im unteren Bereich mit braungelben [[Keramikfliese]]n verkleidet. Stellenweise waren Bild- und [[Werbetafel]] angebracht. Die Decke wird von zwei [[Oberlicht]]ern durchbrochen.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Das Empfangsgebäude wurde in den Jahren 1986/87 grundsaniert. Dabei ist das architektonische Erscheinungsbild teilweise stark verändert worden. Der Vorbau des Empfangsgebäudes mit der Bahnhofsuhr wurde bei den Arbeiten entfernt. Ebenso wurde die Fensterfront des Erfrischungsraumes durch einen dreiteiligen Aluminiumrahmen ersetzt. Anstelle der markanten Ecke wurde ein abgeschrägtes Fenster eingebaut. Die Fensterfronten links des Haupteinganges wurden durch Seiteneingänge ersetzt.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
== Regionalbahnhof ==<br />
[[Datei:Bahnhof Berlin-Mahlsdorf (20180412 162445).jpg|mini|Neu errichteter Bahnsteig für den Regionalbahnverkehr, 2018]]<br />
Seit dem 10. Dezember 2017 halten in Mahlsdorf Züge der [[Regionalbahn]]linie RB 26 zwischen [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]] und [[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]].<ref name="DB-2017-11-17" /> Der symbolische [[Spatenstich|erste Spatenstich]] für den Bau des Regionalbahnsteigs erfolgte am 29.&nbsp;Mai 2017. Die Umsetzung des Vorhabens war ursprünglich bereits bis 2013<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/16/NichtbehMdlAn/n16-07216.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 16/20710 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2010-11-11 |abruf=2010-01-11 |format=PDF; 22&nbsp;kB}}</ref> vorgesehen.<br />
<br />
Der [[Außenbahnsteig]] hat eine Länge von 140 Metern bei einer Bahnsteighöhe von 55&nbsp;cm. Für den Zugang ist zunächst eine provisorische Treppe errichtet worden, der Endzustand mit Treppenanlage und Aufzug an der Hönower Straße soll bis 2019 entstehen.<ref>''[https://www.berliner-woche.de/mahlsdorf/c-verkehr/nur-zugang-zum-regionalbahnsteig-wird-noch-2018-fertig_a192940 Nur Zugang zum Regionalbahnsteig wird noch 2018 fertig.]'' In: ''[[Berliner Woche]]'', Ausgabe Marzahn-Hellersdorf, 14. Dezember 2018</ref>{{Zukunft|2019}} Das Bahnsteigpodest wird von einem ca. 11,5&nbsp;m × 7,5&nbsp;m großen Dach überspannt. Darüber hinaus sind zwei Wetterschutzhäuser im weiteren Verlauf des Bahnsteigs angeordnet.<ref name="ds-18-13538" /> Rund 3,5 Millionen Euro werden in das Vorhaben investiert.<ref name="DB-2017-11-17">{{Internetquelle |url=http://www.deutschebahn.com/presse/berlin/de/aktuell/presseinformationen/16156276/RB_26_haelt_ab_10._Dezember_auch_in_Mahlsdorf.html |titel=RB 26 hält ab 10. Dezember auch in Mahlsdorf |hrsg=Deutsche Bahn AG |datum=2017-11-17 |archiv-url=http://web.archive.org/web/20171207003412/https://www.deutschebahn.com/presse/berlin/de/aktuell/presseinformationen/16156276/RB_26_haelt_ab_10._Dezember_auch_in_Mahlsdorf.html |archiv-datum=2017-12-07 |abruf=2017-11-20 |offline=1}}</ref> Darüber hinaus entstehen weitere Fahrradabstellplätze sowie im Bahnhofsgebäude eine öffentliche Toilette.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.tagesspiegel.de/berlin/marzahn-hellersdorf-neuer-halt-in-mahlsdorf/19861732.html |titel=Neuer Halt in Mahlsdorf |werk=[[Der Tagesspiegel]] |datum=2017-05-29 |abruf=2017-06-06}}</ref> Ein Aufzug zwischen Straßenebene und Regionalbahnsteig wurde am 7. Juni 2019 eröffnet.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-19039.pdf |titel=Drucksache 18/19039 |abruf=2019-10-28 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
Zusätzlich zu den heute rund 13.300&nbsp;täglichen S-Bahn-Fahrgästen werden durch den Regionalbahnhalt weitere 1400 Fahrgäste pro Tag erwartet.<ref name="DB-2017-11-17" /> Im Januar 2018 nutzten im Durchschnitt montags bis freitags 180 und am Wochenende 110 Fahrgäste pro Tag den Regionalbahnhalt.<ref name="ds-18-13538">{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-13538.pdf |titel=Drucksache 18/13538 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2018-03-02 |abruf=2018-03-16 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
== Zukunft ==<br />
Darüber hinaus soll die [[Straßenbahn Berlin|Straßenbahn]] bis unmittelbar an den Bahnhofseingang herangeführt und auf einen 10-Minuten-Takt verdichtet werden, wenn der Ortskern durch den ebenfalls geplanten Bau einer neuen Straßenverbindung vom Durchgangsverkehr entlastet wird.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/KlAnfr/ka17-10601.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 17/10601 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2012-07-04 |abruf=2012-08-22 |format=PDF; 34&nbsp;kB}}</ref> Derzeit ruhen die Planungen aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen seitens Senat und Bezirksamt zur Verkehrslösung Mahlsdorf, ein Beginn der Baumaßnahmen ist daher nicht absehbar.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/NichtbehMdlAn/n17-03725.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 17/20431 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2013-11-01 |abruf=2013-12-17 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
== Anbindung ==<br />
Der Bahnhof Mahlsdorf wird von der S-Bahn-Linie&nbsp;S5 zwischen [[Bahnhof Berlin Westkreuz|Westkreuz]] und [[Bahnhof Strausberg Nord|Strausberg Nord]] bedient. Hier halten auch Regionalzüge der Linie RB&nbsp;26 [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]]–[[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]].<br />
<br />
Unmittelbar am Bahnhof bestehen Umsteigemöglichkeiten zu den [[Busverkehr in Berlin|Omnibuslinien]] 195, 197, 395 und 398 der [[Berliner Verkehrsbetriebe]]. Die Linie 62 der [[Straßenbahn Berlin|Berliner Straßenbahn]] verkehrt in Bahnhofsnähe in der [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mahlsdorf#Treskowstraße*|Treskowstraße]].<br />
<br />
Die Straßenbahnverbindung in Richtung Köpenick besteht seit dem 10.&nbsp;Mai 1907. Die [[Städtische Straßenbahn Cöpenick]] bediente den neuen Abschnitt zunächst mit einem Pendelwagen, seit 1908 fahren die Linie&nbsp;1 und ihre Nachfolgelinien von hier bis nach [[Wendenschloß]].<ref>{{Literatur |Autor=Uwe Kerl, Wolfgang Kramer |Titel=100 Jahre elektrisch durch Cöpenick. Die Geschichte der Cöpenicker Straßenbahn. Teil 1 |Sammelwerk=[[Berliner Verkehrsblätter]] |Datum=2003-08 |Seiten=147–152}}</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Linie<br />
! Verlauf<br />
{{Linienverlauf SPNV Berlin|S5}}<br />
|-<br />
| style="text-align:center" |{{Bahnlinie-BB|RB|26}}<br />
| [[Bahnhof Berlin Ostkreuz|Berlin Ostkreuz]]&nbsp;– [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]]&nbsp;– '''Berlin-Mahlsdorf''' – [[Bahnhof Strausberg|Strausberg]] – [[Rehfelde|Herrensee]] – [[Bahnhof Rehfelde|Rehfelde]] – [[Bahnhof Müncheberg (Mark)|Müncheberg]] – [[Bahnhof Seelow-Gusow|Seelow-Gusow]]&nbsp;– [[Bahnhof Werbig|Werbig]]&nbsp;– [[Bahnhof Küstrin-Kietz|Küstrin-Kietz]]&nbsp;– [[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]]<br />
|}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{LDLBerlin|09045358}}<br />
* {{Internetquelle |url=http://www.stadtschnellbahn-berlin.de/bahnhof/bahnhof.php?bhf=311 |titel=Mahlsdorf |hrsg=stadtschnellbahn-berlin.de |datum=2008-03-13 |abruf=2011-01-10}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Berliner Fern- und Regionalbahnhöfe}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bahnhof in Berlin|Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Bahnhof in Europa|Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Bahnhof der S-Bahn Berlin|Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Kulturdenkmal (Berlin)|Bahnhof Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Berlin-Mahlsdorf|Bahnhof Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Preußische Ostbahn|BerlinMahlsdorf]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bahnhof_Berlin-Mahlsdorf&diff=194808309Bahnhof Berlin-Mahlsdorf2019-12-11T00:08:11Z<p>Exec: /* Geschichte */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Bahnhof<br />
| Breite = 300px<br />
| Name = Berlin-Mahlsdorf<br />
| Bild = Berlin- Bahnhof Berlin-Mahlsdorf- Haupteingang 8.8.2013.jpg<br />
| Bildtext = Bahnhofsgebäude mit Eingang<br />
| Kategorie = 4<br />
| Lage = Zwischenbahnhof<br />
| Bauform = Durchgangsbahnhof<br />
| Bahnsteiggleise = 5<br />
| Abkürzung = BMDF<br />
| IBNR = 8089072<br />
| Eröffnung = 1. September 1895<br />
| Stilllegung = <br />
| Homepage = [https://sbahn.berlin/fahren/bahnhofsuebersicht/mahlsdorf/ sbahn.berlin]<br />
| Bahnhof.de ID = Berlin-Mahlsdorf<br />
| Baustil = <br />
| Architekt = [[Richard Brademann]]<br />
| Architekt_Bezeichnung = <br />
| Gemeinde = Berlin<br />
| Ort = Berlin-Mahlsdorf{{!}}Mahlsdorf<br />
| Breitengrad = 52.512091<br />
| Längengrad = 13.610583<br />
| Region-ISO = DE-BE<br />
| Höhe = <br />
| Höhe-Art = <br />
| Höhe-Bezug = <br />
| Strecken = <br />
* [[Bahnstrecke Berlin–Küstrin-Kietz Grenze|Berlin – Strausberg – Küstrin-Kietz Grenze]]<br /><small>({{Kursbuchlink|Nummer=200.5}}, 209.26; km 12,5)</small><br />
}}<br />
<br />
Der '''Bahnhof Berlin-Mahlsdorf''' ist ein [[S-Bahn Berlin|S-Bahnhof]] und Regionalbahnhof an der [[Preußische Ostbahn|Ostbahnstrecke]] [[Bahnstrecke Berlin–Küstrin-Kietz Grenze|Berlin – Küstrin-Kietz Grenze]]. Er liegt im Ortsteil [[Berlin-Mahlsdorf|Mahlsdorf]] des [[Bezirk Marzahn-Hellersdorf|Bezirks Marzahn-Hellersdorf]]. Die [[Denkmalschutz|denkmalgeschützte]] Anlage befindet sich an der Überführung über die [[Hönower Straße]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:VorortMahlsdorf1910.jpg|mini|links|Vorortbahnhof Mahlsdorf, 1910 (Blickrichtung Norden)]]<br />
[[Datei:19910415a Mahlsdorf.jpg|mini|Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 1991]]<br />
[[Datei:Bf-b-mahlsdorf.jpg|mini|links Bahnsteig A, rechts Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 2007]]<br />
<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1987-0815-015, Berlin, S-Bahn-Sonderfahrten.jpg|mini|links|Sonderfahrt eines [[DR-Baureihe ET 165|ET&nbsp;165]], 1987]]<br />
[[Datei:19910415a Mahlsdorf.jpg|mini|Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 1991]]<br />
[[Datei:Bf-b-mahlsdorf.jpg|mini|links Bahnsteig A, rechts Bahnsteig B (Richtung Strausberg), 2007]]<br />
<br />
Die Station wurde am 1.&nbsp;September 1895 als Haltestelle ''Malsdorf'' an der Kreuzung der Hönower Straße mit der Ostbahn errichtet.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Strowitzki |Titel=S-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2004 |ISBN=3-89218-073-3 |Seiten=143}}</ref> Die Station war mit zwei [[Seitenbahnsteig]]en und einem einfachen Dienstgebäude ausgestattet.<ref name="Brademann 142-145">{{Literatur |Autor=Susanne Dost |Titel=Richard Brademann (1884–1965). Architekt der Berliner S-Bahn |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2002 |ISBN=3-933254-36-1 |Seiten=142–145}}</ref><br />
<br />
Bei der [[Geschichte der Berliner S-Bahn#Elektrisierung|„Großen Elektrisierung“]] der Strecken der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen war nach den Plänen der [[Deutsche Reichsbahn (1920–1945)|Deutschen Reichsbahn]] nur eine Ausweitung des elektrischen Betriebes bis zum benachbarten [[Bahnhof Berlin-Kaulsdorf|Bahnhof Kaulsdorf]] vorgesehen. Eine Verlängerung nach Mahlsdorf war wegen der angespannten Finanzlage der Reichsbahn nicht vorgesehen. Das [[Bezirk Lichtenberg|Bezirksamt Lichtenberg]] bat die [[Reichsbahndirektion Berlin]] daraufhin erneut mit der Prüfung des Vorhabens und verwies auf die seit 1920 um 50&nbsp;Prozent angestiegene Bevölkerung im Ortsteil Mahlsdorf und die Zunahme des Personenverkehrs auf den Bahnhöfen Kaulsdorf und Mahlsdorf. Der [[Kreis Niederbarnim]] wünschte ebenfalls eine Verlängerung der elektrischen Stadtgleise, sah aber als Endpunkt den [[Bahnhof Hoppegarten (Mark)|Bahnhof Hoppegarten]] vor mit Verweis auf die dort ansässige [[Galopprennbahn Hoppegarten|Galopprennbahn]]. Langfristig sollte der [[Bahnhof Strausberg]] erreicht werden. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Reichsbahn ergab, dass das Vorhaben 2,237&nbsp;Millionen [[Reichsmark]] kosten würde. Die Kosten würden bei Verzicht auf die geplante Überführung der [[Hönower Straße]] auf 1,669&nbsp;Millionen Reichsmark sinken. Eine Verzinsung des Kapitals und damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens waren nicht zu erwarten.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=143–144}}</ref><br />
<br />
Die Stadt [[Berlin]] bot der Deutschen Reichsbahn an, das Vorhaben zu kreditieren. Beide Seiten einigten sich auf die Ausführung des Entwurfs mit der Überführung der Hönower Straße. Der Brückenneubau sollte eine [[Lichtes Maß|lichte Weite]] von 34&nbsp;Metern aufweisen. Das von der Stadt gewährte Darlehen umfasste die Kosten für die Elektrifizierung der Strecke Kaulsdorf&nbsp;– Mahlsdorf und der damit erforderlichen Bahnanlagen inklusive des Neubaus eines [[Empfangsgebäude]]s für den Bahnhof Mahlsdorf sowie die Hälfte der Kosten, die für eine Überführung mit 11,40&nbsp;Meter lichter Weite erforderlich wären. Die übrigen Kosten für die Überführung sollte die Stadt Berlin tragen. Das Darlehen war vom ersten Betriebsjahr an mit jährlich fünf Prozent, ab dem sechsten Betriebsjahr mit jährlich sechs Prozent zu verzinsen. Die Rückzahlung sollte vom Ende des fünften Betriebsjahres an in fünf Jahresraten zu 370.000&nbsp;Reichsmark und einer Schlussrate von 365.000&nbsp;Reichsmark erfolgen. Der Vertragsabschluss war am 26.&nbsp;Februar 1929.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=144–145}}</ref><br />
<br />
Ab Mai 1929 begann die Deutsche Reichsbahn mit dem Neubau des Empfangsgebäudes sowie der zum Bahnhof Kaulsdorf zugehörigen Stellwerke Kd und Kdo. Das alte Stellwerk Kdo, welches sich im Bereich des späteren Fern- und Vorortbahnsteiges befand, entstand südlich des Fern- und Vorortgleispaares neu. In fünf darauf folgenden Bauabschnitten wurden dann nacheinander das Fern- und Vorortgleispaar neu verlegt, die Stadtgleise an den Bahnhof herangeführt und der Bahnhof Kaulsdorf anschließend umgebaut.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=146–147}}</ref> Geplant war, den elektrischen Betrieb am 5.&nbsp;Oktober 1930 aufzunehmen, die verspätete Fertigstellung der Überführung verzögerte allerdings die Anlage der Stadtgleise, sodass die Reichsbahn die elektrifizierten Stadtgleise am 15.&nbsp;Dezember 1930 in Betrieb nehmen konnte. Die Restarbeiten im Bahnhof Kaulsdorf zogen sich noch bis zum Sommer 1931 hin.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=149}}</ref> Die Stadt Berlin verzichtete ab 1933 auf eine Rückzahlung des Darlehens, nachdem sie mit der Reichsbahn eine Übereinkunft über die Rückführung der in Fremdbesitz gehaltenen Anteile der [[BEHALA]] in städtisches Eigentum getroffen hatte.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Kiebert |Titel=Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 2.1: Die große Elektrisierung – 1926 bis 1930 |Verlag=VBN Verlag B. Neddermeyer |Ort=Berlin |Datum=2015 |ISBN=978-3-933254-15-3 |Seiten=150–151}}</ref><br />
<br />
Im September 1941 kam es zu einem S-Bahn-Unglück, als ein in den Bahnhof einfahrender Zug den [[Prellbock]] überfuhr und auf die dahinter gelegene Hönower Straße hinabstürzte. Glücklicherweise entstand nur Sachschaden.<ref>''Mahlsdorf 1345–1995.'' MAZZ-Verlagsgesellschaft, Berlin 1995, S. 50.</ref><br />
<br />
Die Pläne zur [[Welthauptstadt Germania]] sahen neben einer Verlängerung der S-Bahn nach Strausberg und [[Rüdersdorf bei Berlin|Rüdersdorf]] auch den Ausbau des Bahnhofs Mahlsdorf für den S-Bahn-Verkehr vor. Der dampfbetriebene Vorortverkehr sollte entfallen und die S-Bahn an beiden Bahnsteigen halten. Die beiden äußeren Bahnsteigkanten sollten einer Fern-S-Bahn dienen, die in Richtung Berlin ab Mahlsdorf ohne Halt verkehren sollte. Die Verlängerung der S-Bahn-Gleise bis Hoppegarten sollte nach ersten Plänen 1939 erfolgen, die Verlängerung nach Strausberg und Rüdersdorf sollte 1942 folgen. Infolge der strategischen Bedeutung der Ostbahn wurde der viergleisige Ausbau der Strecke auch nach 1943 nicht eingestellt.<ref>{{Literatur |Autor=Bernd Kuhlmann |Titel=Eisenbahn-Größenwahn in Berlin. Die Planungen von 1933 bis 1945 und deren Realisierung |Auflage=2. |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2008 |ISBN=3-89218-093-8 |Seiten=76–77}}</ref> Dabei wurde der Bahndamm in Mahlsdorf nach Süden verbreitert und ein zwei weitere Brückenüberbauten errichtet, um den Fern- und Güterverkehr am Vorortbahnsteig vorbeiführen zu können. Der südliche Ausgang musste hierfür abgebrochen werden.<ref name="Brademann 142-145" /> Ab dem 1.&nbsp;August 1944 verkehrten von Mahlsdorf aus [[Dampflokomotive|dampfbetriebene]] Vorortzüge auf dem separaten Gleispaar nach Strausberg. Die Elektrifizierung der Vorortstrecke ließ bis 1947 auf sich warten. Der Fernbahnsteig wurde seitdem von den S-Bahnen genutzt, wogegen die Fernbahn über ein neues Gleis am Bahnhof vorbeigeführt wurde. Der alte Bahnsteig wurde weiter für die Verstärker genutzt.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Strowitzki |Titel=S-Bahn Berlin. Geschichte(n) für unterwegs |Verlag=Verlag GVE |Ort=Berlin |Datum=2004 |ISBN=3-89218-073-3 |Seiten=146–147}}</ref><br />
<br />
Seit Frühjahr 2016 erfolgt die [[S-Bahn Berlin#Abfertigungsverfahren|Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer mittels Führerraum-Monitor]] (ZAT-FM).<ref>{{Literatur |Titel=Kurzmeldungen – S-Bahn |Sammelwerk=[[Berliner Verkehrsblätter]] |Datum=2016-06 |Seiten=114}}</ref><br />
<br />
== Aufbau ==<br />
[[Datei:Berlin- Bahnhof Berlin-Mahlsdorf- Haupthalle 8.8.2013.jpg|mini|Bahnhofshalle, 2013]]<br />
<br />
Der Bahnhof im Ausbauzustand von 1930 umfasste zwei teilüberdachte Mittelbahnsteige für den S-Bahn- sowie für den Fern- und Vorortverkehr. Die Stadtgleise endeten stumpf vor der Hönower Straße, westlich an den Bahnsteig schloss sich eine zweigleisige [[Wendeanlage|Kehranlage]] an. Das neue Empfangsgebäude entstand auf der Nordseite an der Hönower Straße. Für den Entwurf zeichnete sich der Architekt [[Richard Brademann]] verantwortlich. Brademann begann noch vor Abschluss des Vertrags zwischen dem [[Magistrat von Groß-Berlin|Magistrat]] und der RBD Berlin im Januar 1928 mit ersten Skizzen für das Gebäude. Der Rohbau war im Oktober 1929 fertig. Der Bau ist mit [[Klinker]]n verblendet, eine Gliederung ansonsten flächig behandelten Außenhaut kommt durch Wandöffnungen und waagerecht sowie senkrecht gehaltene Fensterbänder zustande. Brademann setzte zudem die [[Fallrohr]]e als gliederndes Gestaltungsmerkmal ein.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Dem Gebäude ist an der Straßenseite eine zweite niedrige Wandfläche vorgesetzt, die sich in den [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlagern]] der Brücke fortsetzt. Der Haupteingang wird durch ein spitz zulaufendes [[Verdachung|Vordach]], an dessen Spitze eine [[Bahnhofsuhr]] senkrecht auskragt, betont. Beiderseits des Eingangs schließen sich drei großformatige Fensteröffnungen mit feinteiliger Sprossengliederung an. Die rechte Fensteröffnung reicht über Eck an das Empfangsgebäude ran, dahinter befindet sich ein „Erfrischungsraum“. Die beiden Fensteröffnungen links des Haupteingangs dienen der Beleuchtung der Schalterhalle. Südlich der Schalterhalle befand sich ein zweiter, schlicht gehaltener Ausgang zur [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mahlsdorf#Treskowstraße|Treskowstraße]], der beim Ausbau des Bahnhofs 1943/44 geschlossen wurde.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Die Zugänge zur Schalterhalle weisen keinen [[Windfang (Architektur)|Windfang]] auf. In der Halle waren neben den [[Fahrkartenschalter]]n und [[Passimeter]]häuschen eine Gepäckannahme, öffentliche Toiletten, Zeitungsstände, Fahrkarten- und Fernsprechautomaten eingerichtet. Der Zugang zu den beiden Bahnsteigen erfolgt über zwei breite Treppenaufgänge. Die Hallenwände waren hell [[Putz (Baustoff)|verputzt]] und im unteren Bereich mit braungelben [[Keramikfliese]]n verkleidet. Stellenweise waren Bild- und [[Werbetafel]] angebracht. Die Decke wird von zwei [[Oberlicht]]ern durchbrochen.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
Das Empfangsgebäude wurde in den Jahren 1986/87 grundsaniert. Dabei ist das architektonische Erscheinungsbild teilweise stark verändert worden. Der Vorbau des Empfangsgebäudes mit der Bahnhofsuhr wurde bei den Arbeiten entfernt. Ebenso wurde die Fensterfront des Erfrischungsraumes durch einen dreiteiligen Aluminiumrahmen ersetzt. Anstelle der markanten Ecke wurde ein abgeschrägtes Fenster eingebaut. Die Fensterfronten links des Haupteinganges wurden durch Seiteneingänge ersetzt.<ref name="Brademann 142-145" /><br />
<br />
== Regionalbahnhof ==<br />
[[Datei:Bahnhof Berlin-Mahlsdorf (20180412 162445).jpg|mini|Neu errichteter Bahnsteig für den Regionalbahnverkehr, 2018]]<br />
Seit dem 10. Dezember 2017 halten in Mahlsdorf Züge der [[Regionalbahn]]linie RB 26 zwischen [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]] und [[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]].<ref name="DB-2017-11-17" /> Der symbolische [[Spatenstich|erste Spatenstich]] für den Bau des Regionalbahnsteigs erfolgte am 29.&nbsp;Mai 2017. Die Umsetzung des Vorhabens war ursprünglich bereits bis 2013<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/16/NichtbehMdlAn/n16-07216.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 16/20710 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2010-11-11 |abruf=2010-01-11 |format=PDF; 22&nbsp;kB}}</ref> vorgesehen.<br />
<br />
Der [[Außenbahnsteig]] hat eine Länge von 140 Metern bei einer Bahnsteighöhe von 55&nbsp;cm. Für den Zugang ist zunächst eine provisorische Treppe errichtet worden, der Endzustand mit Treppenanlage und Aufzug an der Hönower Straße soll bis 2019 entstehen.<ref>''[https://www.berliner-woche.de/mahlsdorf/c-verkehr/nur-zugang-zum-regionalbahnsteig-wird-noch-2018-fertig_a192940 Nur Zugang zum Regionalbahnsteig wird noch 2018 fertig.]'' In: ''[[Berliner Woche]]'', Ausgabe Marzahn-Hellersdorf, 14. Dezember 2018</ref>{{Zukunft|2019}} Das Bahnsteigpodest wird von einem ca. 11,5&nbsp;m × 7,5&nbsp;m großen Dach überspannt. Darüber hinaus sind zwei Wetterschutzhäuser im weiteren Verlauf des Bahnsteigs angeordnet.<ref name="ds-18-13538" /> Rund 3,5 Millionen Euro werden in das Vorhaben investiert.<ref name="DB-2017-11-17">{{Internetquelle |url=http://www.deutschebahn.com/presse/berlin/de/aktuell/presseinformationen/16156276/RB_26_haelt_ab_10._Dezember_auch_in_Mahlsdorf.html |titel=RB 26 hält ab 10. Dezember auch in Mahlsdorf |hrsg=Deutsche Bahn AG |datum=2017-11-17 |archiv-url=http://web.archive.org/web/20171207003412/https://www.deutschebahn.com/presse/berlin/de/aktuell/presseinformationen/16156276/RB_26_haelt_ab_10._Dezember_auch_in_Mahlsdorf.html |archiv-datum=2017-12-07 |abruf=2017-11-20 |offline=1}}</ref> Darüber hinaus entstehen weitere Fahrradabstellplätze sowie im Bahnhofsgebäude eine öffentliche Toilette.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.tagesspiegel.de/berlin/marzahn-hellersdorf-neuer-halt-in-mahlsdorf/19861732.html |titel=Neuer Halt in Mahlsdorf |werk=[[Der Tagesspiegel]] |datum=2017-05-29 |abruf=2017-06-06}}</ref> Ein Aufzug zwischen Straßenebene und Regionalbahnsteig wurde am 7. Juni 2019 eröffnet.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-19039.pdf |titel=Drucksache 18/19039 |abruf=2019-10-28 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
Zusätzlich zu den heute rund 13.300&nbsp;täglichen S-Bahn-Fahrgästen werden durch den Regionalbahnhalt weitere 1400 Fahrgäste pro Tag erwartet.<ref name="DB-2017-11-17" /> Im Januar 2018 nutzten im Durchschnitt montags bis freitags 180 und am Wochenende 110 Fahrgäste pro Tag den Regionalbahnhalt.<ref name="ds-18-13538">{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-13538.pdf |titel=Drucksache 18/13538 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2018-03-02 |abruf=2018-03-16 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
== Zukunft ==<br />
Darüber hinaus soll die [[Straßenbahn Berlin|Straßenbahn]] bis unmittelbar an den Bahnhofseingang herangeführt und auf einen 10-Minuten-Takt verdichtet werden, wenn der Ortskern durch den ebenfalls geplanten Bau einer neuen Straßenverbindung vom Durchgangsverkehr entlastet wird.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/KlAnfr/ka17-10601.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 17/10601 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2012-07-04 |abruf=2012-08-22 |format=PDF; 34&nbsp;kB}}</ref> Derzeit ruhen die Planungen aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen seitens Senat und Bezirksamt zur Verkehrslösung Mahlsdorf, ein Beginn der Baumaßnahmen ist daher nicht absehbar.<ref>{{Internetquelle |url=http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/NichtbehMdlAn/n17-03725.pdf |titel=Antwortschreiben Drucksache 17/20431 |hrsg=Abgeordnetenhaus Berlin |datum=2013-11-01 |abruf=2013-12-17 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
== Anbindung ==<br />
Der Bahnhof Mahlsdorf wird von der S-Bahn-Linie&nbsp;S5 zwischen [[Bahnhof Berlin Westkreuz|Westkreuz]] und [[Bahnhof Strausberg Nord|Strausberg Nord]] bedient. Hier halten auch Regionalzüge der Linie RB&nbsp;26 [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]]–[[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]].<br />
<br />
Unmittelbar am Bahnhof bestehen Umsteigemöglichkeiten zu den [[Busverkehr in Berlin|Omnibuslinien]] 195, 197, 395 und 398 der [[Berliner Verkehrsbetriebe]]. Die Linie 62 der [[Straßenbahn Berlin|Berliner Straßenbahn]] verkehrt in Bahnhofsnähe in der [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mahlsdorf#Treskowstraße*|Treskowstraße]].<br />
<br />
Die Straßenbahnverbindung in Richtung Köpenick besteht seit dem 10.&nbsp;Mai 1907. Die [[Städtische Straßenbahn Cöpenick]] bediente den neuen Abschnitt zunächst mit einem Pendelwagen, seit 1908 fahren die Linie&nbsp;1 und ihre Nachfolgelinien von hier bis nach [[Wendenschloß]].<ref>{{Literatur |Autor=Uwe Kerl, Wolfgang Kramer |Titel=100 Jahre elektrisch durch Cöpenick. Die Geschichte der Cöpenicker Straßenbahn. Teil 1 |Sammelwerk=[[Berliner Verkehrsblätter]] |Datum=2003-08 |Seiten=147–152}}</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Linie<br />
! Verlauf<br />
{{Linienverlauf SPNV Berlin|S5}}<br />
|-<br />
| style="text-align:center" |{{Bahnlinie-BB|RB|26}}<br />
| [[Bahnhof Berlin Ostkreuz|Berlin Ostkreuz]]&nbsp;– [[Bahnhof Berlin-Lichtenberg|Berlin-Lichtenberg]]&nbsp;– '''Berlin-Mahlsdorf''' – [[Bahnhof Strausberg|Strausberg]] – [[Rehfelde|Herrensee]] – [[Bahnhof Rehfelde|Rehfelde]] – [[Bahnhof Müncheberg (Mark)|Müncheberg]] – [[Bahnhof Seelow-Gusow|Seelow-Gusow]]&nbsp;– [[Bahnhof Werbig|Werbig]]&nbsp;– [[Bahnhof Küstrin-Kietz|Küstrin-Kietz]]&nbsp;– [[Kostrzyn nad Odrą|Kostrzyn]]<br />
|}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{LDLBerlin|09045358}}<br />
* {{Internetquelle |url=http://www.stadtschnellbahn-berlin.de/bahnhof/bahnhof.php?bhf=311 |titel=Mahlsdorf |hrsg=stadtschnellbahn-berlin.de |datum=2008-03-13 |abruf=2011-01-10}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Berliner Fern- und Regionalbahnhöfe}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bahnhof in Berlin|Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Bahnhof in Europa|Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Bahnhof der S-Bahn Berlin|Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Kulturdenkmal (Berlin)|Bahnhof Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Berlin-Mahlsdorf|Bahnhof Berlin Mahlsdorf]]<br />
[[Kategorie:Preußische Ostbahn|BerlinMahlsdorf]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:VorortMahlsdorf1910.jpg&diff=194808231Datei:VorortMahlsdorf1910.jpg2019-12-11T00:02:43Z<p>Exec: Exec lud eine neue Version von Datei:VorortMahlsdorf1910.jpg hoch</p>
<hr />
<div>== Beschreibung, Quelle ==<br />
{{Information<br />
|Beschreibung = Vorortzug im Bahnhof Mahlsdorf, um 1910<br />
|Quelle = Dirk Winkler,Eisenbahn-Metropole Berlin 1894-1934, EK-Verlag, S. 19<br />
|Urheber = unbekannt<br />
|Datum = um 1910<br />
|Genehmigung = <br />
|Andere Versionen = <br />
|Anmerkungen = <br />
}}<br />
== Lizenz ==<br />
{{Bild-PD-alt-100}}</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Verwaltungsgliederung_Preu%C3%9Fens&diff=169592457Verwaltungsgliederung Preußens2017-10-01T16:58:46Z<p>Exec: /* Nach 1945 */</p>
<hr />
<div>Der [[Deutschland|deutsche]] Staat '''Preußen''' besaß seit den [[Preußische Reformen|Verwaltungsreformen]] von 1815/1818 eine für die damalige Zeit sehr moderne '''Landesverwaltung'''. Zwischen Landesregierung und der kommunalen Ebene wurden drei regionale Verwaltungsebenen geschaffen: die [[Provinz]]en, die [[Regierungsbezirk]]e und die [[Landkreis|Kreise]].<br />
<br />
== Ebenen ==<br />
Die drei preußischen Verwaltungsebenen wurden zum Vorbild für die Verwaltungsgliederung auch im übrigen Deutschland. Landkreise und Regierungsbezirke sind bis heute Bestandteil der [[Verwaltungsgliederung Deutschlands|deutschen Verwaltungsgliederung]]. Die Provinzen entsprachen in ihrer Größe etwa den heutigen [[Land (Deutschland)|Ländern]] und wurden nach der Auflösung Preußens zur Grundlage der Neugliederung der deutschen Länder durch die Besatzungsbehörden 1945/1946.<br />
<br />
{{Großes Bild|Prussia (political map before 1905).jpg|900|Die 12 Provinzen Preußens und ihre Regierungsbezirke (1895)}}<br />
<br />
=== Provinzen ===<br />
{{Hauptartikel|Liste der Provinzen Preußens}}<br />
<br />
Da nach der Reichsgründung 1871 über die Hälfte des Reichsgebiets zu [[Preußen]] gehörte, spielten im traditionell föderal geprägten Deutschland die preußischen Provinzen eine ähnliche Identifikationsrolle wie ansonsten nur die Länder außerhalb Preußens, denen sie (im Gegensatz zum preußischen Gesamtstaat) nach Größe, Bevölkerung und wirtschaftlicher Bedeutung vergleichbar waren. Dabei war hilfreich, dass die Abgrenzung und Benennung der Provinzen in den meisten Fällen auf gewachsene historische und landsmannschaftliche Zusammenhänge Rücksicht nahm. Für die Identifikation der (ggf. ehemaligen) Bewohner mit ihrer Heimat spielen die ehemaligen preußischen Provinzen bis heute eine wichtige Rolle, vor allem in den Regionen, die heute nicht mehr als einheitliche Verwaltungseinheit existieren, wie etwa in [[Westfalen]], [[Schlesien]], dem [[Rheinland]] oder [[Ostpreußen]].<br />
<br />
Ab 1875 waren die Provinzen zugleich Körperschaften der Selbstverwaltung der angehörigen Land- und Stadtkreise wie auch nachgeordnete Verwaltungseinheiten der preußischen Staatsregierung. Dies spiegelte sich in entsprechenden doppelten Institutionen wider. Land- und Stadtkreise entsandten Abgeordnete in die [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtage]] mit jeweils sechsjähriger Legislaturperiode. Der Provinziallandtag wählte aus seiner Mitte eine provinziale Regierung, den Provinzialausschuss, und dessen Leiter, den Landesdirektor (für 6 bis 12 Jahre). Provinziallandtag, -ausschuss und Landesdirektor erfüllten kreisübergreifende Aufgaben wie z.&nbsp;B. Pflege von Kultur und Gesundheitsversorgung (Provinzialnervenheilanstalten). Der preußische Innenminister berief für die Staatsregierung in jeder Provinz einen [[Oberpräsident]]en, dem ein eingesetzter Provinzialrat zur Seite stand. Oberpräsident und Rat übten im provinzialen Rahmen Aufsichtsfunktionen für die Staatsregierung aus. <br />
<br />
Die heutigen Länder [[Schleswig-Holstein]] und [[Brandenburg]] gehen unmittelbar auf preußische Provinzen zurück, die Länder [[Niedersachsen]], [[Hessen]] und [[Sachsen-Anhalt]] entstanden durch den Zusammenschluss preußischer Provinzen mit ihren selbständig gebliebenen nichtpreußischen Nachbarstaaten.<br />
<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts und nach 1919 gab es zahlreiche Umgliederungen, Zusammenschlüsse und Teilungen preußischer Provinzen. In der Zeit dazwischen blieb die Einteilung stabil, so dass sich die zwölf Provinzen dieser Zeit als „klassisch“ im deutschen Bewusstsein etablieren konnten:<br />
<br />
;Die sechs westlichen Provinzen<br />
: [[Provinz Sachsen|Sachsen]]<br />
: [[Provinz Westfalen|Westfalen]]<br />
: [[Rheinprovinz]]<br />
: [[Provinz Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]] ''(ab 1866)''<br />
: [[Provinz Hannover|Hannover]] ''(ab 1866)''<br />
: [[Hessen-Nassau]] ''(ab 1866)''<br />
<br />
;Die sechs östlichen Provinzen <br />
: [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]]<br />
: [[Provinz Pommern|Pommern]]<br />
: [[Provinz Schlesien|Schlesien]]<br />
: [[Provinz Posen|Posen]]<br />
: [[Westpreußen]]<br />
: [[Ostpreußen]]<br />
<br />
West- und Ostpreußen bildeten 1824–1877 eine gemeinsame [[Provinz Preußen]]. Da dieser sehr peripher gelegene Teil des Deutschen Reiches aber vor allem im Zusammenhang mit den erzwungenen Gebietsabtretungen 1920, den Kriegsereignissen 1944/45 und den anschließenden Vertreibungen ins deutschlandweite Bewusstsein einging, sind heute die damals üblichen Einheiten und Bezeichnungen Ost- und Westpreußen wesentlich geläufiger.<br />
<br />
Der Spitzenbeamte einer Provinz hatte die Bezeichnung [[Oberpräsident]], die anfangs ständische, später gewählte Legislative [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtag]].<br />
<br />
=== Regierungsbezirke ===<br />
{{Siehe auch|Liste der Regierungsbezirke Preußens}}<br />
<br />
Unterhalb der Provinzebene wurden „königliche Regierungen“ eingerichtet, die später als [[Regierungsbezirk]] bezeichnet und als Mittelinstanz auch von anderen Ländern eingeführt wurden. Pro Provinz gab es zwischen einem (Schleswig-Holstein) und sechs (Hannover, Rheinprovinz) Regierungsbezirken; Schlesien, Sachsen, Pommern und Westfalen drei, die übrigen Provinzen zwei. An der Spitze eines Regierungsbezirks stand, wie heute, ein [[Regierungspräsident (Deutschland)|Regierungspräsident]].<br />
<br />
Im Gegensatz zu den Provinzen trugen die Regierungsbezirke und Landkreise nicht einen traditionellen Namen, sondern den ihres Verwaltungssitzes. Diese lagen in manchen Fällen nicht im größten Ort. So wurden etwa das östliche [[Ruhrgebiet]] von [[Regierungsbezirk Arnsberg|Arnsberg]], das südliche Westpreußen von [[Regierungsbezirk Marienwerder|Marienwerder]] und die Stadt [[Frankfurt am Main]] von [[Regierungsbezirk Wiesbaden|Wiesbaden]] aus regiert. Beides trug dazu bei, dass die Identifikation der Bevölkerung mit der regionalen Ebene Regierungsbezirk, wie heute, gering war. <br />
<br />
Ausnahmen bestanden dort, wo die Regierungsbezirke traditionelle Teilregionen ihrer Länder (Provinzen) abbildeten, auch wenn dies nicht im Namen zum Ausdruck kam: So entsprach etwa der [[Regierungsbezirk Stettin]] dem historischen [[Vorpommern]] und der [[Regierungsbezirk Oppeln]] konnte als hinreichende geographische Definition für [[Oberschlesien]] gelten. In der Weimarer Republik bildete er sogar eine eigene [[Provinz Oberschlesien|Provinz]] unter diesem Namen.<br />
<br />
=== Kreise ===<br />
{{Siehe auch|Geschichte der Kreisbildung in Deutschland#Preußen}}<br />
<br />
Auf lokaler Ebene wurden Kreise eingerichtet, die ein Bindeglied zwischen der staatlichen Verwaltung und der durch die geplante (aber erst Ende des 19. Jahrhunderts verwirklichte) [[kommunale Selbstverwaltung]] zu größerer Bedeutung gelangten [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeindeebene]] bilden sollte. Die nunmehr selbständigen und von einem meist ehrenamtlichen [[Bürgermeister]] repräsentierten Gemeinden wurden durch die Kreisverwaltung und ihre professionelleren Strukturen in der Ausübung ihrer Amtsgeschäfte unterstützt. <br />
<br />
Den Spitzenbeamten eines Landkreises nannte man damals wie heute [[Landrat (Deutschland)|Landrat]], den Sitz der Kreisverwaltung [[Landratsamt]] oder Kreishaus.<br />
<br />
Die Größe eines Kreises sollte so bemessen sein, dass von jedem Dorf aus innerhalb eines Tages eine Reise mit der Kutsche zum Sitz der Kreisverwaltung, die Ausführung der geplanten Amtsgeschäfte und die Rückreise möglich sein sollte, oder umgekehrt der Landrat ein entlegenes Dorf besuchen konnte, ohne dort übernachten zu müssen.<br />
<br />
Größere [[Stadt|Städte]] blieben außerhalb der Zuständigkeit der Landkreise, da sie selbst über eine professionelle Verwaltung verfügten und ihre Amtsgeschäfte allein erledigen konnten. Sie bildeten einen [[Stadtkreis (Deutschland)#Geschichte|Stadtkreis]], später als [[kreisfreie Stadt]] bezeichnet. Auch dieses Phänomen ist bis heute Teil des deutschen Verwaltungsaufbaus. Da die Ära des hier beschriebenen Verwaltungsaufbaus (1815–1945) auch die für Europas Städte extrem bedeutende Zeit der [[Industrialisierung]] umfasst, das unter anderem von einem rasanten Wachstum der Städte gekennzeichnet war, stieg die Zahl der kreisfreien Städte in Preußen immer weiter an, weil ehemalige Kleinstädte oder gar Dörfer innerhalb weniger Jahrzehnte fünf- oder sechsstellige Einwohnerzahlen erreichten und damit den Rahmen der für ländliche Gebiete gedachten Kreisverwaltungen sprengten und deshalb, oft gegen den erbitterten Widerstand der Landräte, aus ihren Landkreisen austreten durften.<br />
<br />
Kreise, deren Verwaltungssitz in einer ihr nicht angehörenden Stadt lag, wurden ''Landkreis'' genannt, im Gegensatz zum gleichnamigen ''Stadtkreis''. Alle übrigen Kreise hießen amtlich ''Kreis''. <br />
<br />
== Geschichte ==<br />
{{Hauptartikel|Herzogtum Preußen}}<br />
=== 1701–1807 ===<br />
[[Datei:Preussen-GrKF.jpg|mini|Die Landesteile Preußens am Ende des 17. Jahrhunderts]]<br />
[[Datei:Preussen-FdG.jpg|mini|Gebietszuwächse im 18. Jahrhundert]]<br />
Die hohenzollernschen Gebiete, aus denen sich nach der Krönung [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrichs I.]] im 18. Jahrhundert ein Staat unter dem Namen „Preußen“ entwickelte, bestanden Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Landesteilen Preußen (dem Königreich), Brandenburg, Pommern, [[Herzogtum Geldern]], [[Herzogtum Kleve]], [[Moers]], [[Tecklenburg]], [[Grafschaft Lingen]], [[Fürstentum Minden]], [[Grafschaft Mark]], [[Grafschaft Ravensberg]], [[Lippstadt]], [[Herzogtum Magdeburg]], [[Bistum Halberstadt]], [[Kanton Neuenburg]] und [[Valangin NE]].<br />
<br />
1713 wurden die Landesteile in folgende [[Provinz]]en gegliedert: <br />
# [[Mittelmark]], [[Uckermark]] und [[Altmark]]<br />
# Neumark-Pommern-Kaschubei<br />
# Herzogtum Preußen, das „Königreich“<br />
# Geldern-Kleve<br />
# Minden-Mark-Ravensberg<br />
# Magdeburg-Halberstadt<br />
# Kanton Neuenburg<br />
# Valangin<br />
<br />
1740 wurden die Provinzialbehörden in [[Kriegs- und Domänenkammer]]n überführt oder neu gegliedert. Auch deren Gestalt änderte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals, als weitere Gebiete zu Preußen kamen, etwa das [[Herzogtum Schlesien]] 1742.<br />
<br />
{{Siehe auch|Schlacht bei Jena und Auerstedt|Tugendbund|Befreiungskriege}}<br />
<br />
=== 1815–1866 ===<br />
{{Hauptartikel|Preußische Reformen|Deutsche Revolution 1848/1849}}<br />
Nach dem [[Wiener Kongress]] wurde der Staat Preußen mit der ''Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden vom 30. April 1815''<ref>Wortlaut der Verordnung bei „Verfassungen der Welt“: [http://www.verfassungen.de/de/preussen/gesetze/provinzialeinrichtungen15.htm]</ref> in zehn Provinzen eingeteilt (in Klammern die [[Hauptstadt]]), die mit Ausnahme von Ostpreußen, Westpreußen und Posen als Verwaltungseinheiten Preußens zum Territorium des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] zählten:<br />
<br />
# [[Ostpreußen|Provinz Ostpreußen]] ([[Königsberg (Preußen)|Königsberg]]), zusammen mit Westpreußen [[Provinz Preußen|Provinz Königreich Preußen]] (Königsberg)<br />
# [[Westpreußen|Provinz Westpreußen]] ([[Danzig]])<br />
# [[Provinz Pommern]] ([[Stettin]])<br />
# [[Provinz Brandenburg]] ([[Potsdam]])<br />
# [[Provinz Sachsen]] ([[Magdeburg]])<br />
# [[Provinz Posen|Provinz Großherzogtum Posen]] ([[Posen]])<br />
# [[Provinz Schlesien]] ([[Breslau]])<br />
# [[Provinz Jülich-Kleve-Berg]] ([[Köln]])<br />
# [[Provinz Westfalen]] ([[Münster]])<br />
# [[Provinz Großherzogtum Niederrhein]] ([[Koblenz]])<br />
<br />
Seit 1822 bildeten die Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein die [[Rheinprovinz]] mit der Hauptstadt Koblenz. 1829 wurden Ost- und Westpreußen zur [[Provinz Preußen]] (Hauptstadt Königsberg) vereinigt. Damit verringerte sich die Zahl der Provinzen auf acht.<br />
<br />
1849 verzichteten die Fürsten von [[Hohenzollern-Hechingen|Hechingen]] und [[Hohenzollern-Sigmaringen|Sigmaringen]] auf ihre Herrschaft, wodurch beide Fürstentümer an Preußen fielen. Sie wurden zum [[Regierungsbezirk Sigmaringen]] zusammengefasst, der später auch als ''Hohenzollernsche Lande'' bezeichnet wurde.<br />
<br />
1853 erwarb Preußen von [[Oldenburg (Land)#Großherzogtum Oldenburg|Oldenburg]] einen Landstrich am [[Jadebusen]] und der [[Innenjade]], auf dem ein Hafen angelegt wurde. 1869 erhielt dieses Gebiet zusammen mit der umliegenden Siedlung den Namen [[Wilhelmshaven]] und wurde der 1867 gebildeten [[Hannover (Provinz)|Provinz Hannover]] angegliedert.<br />
<br />
=== 1866–1918 ===<br />
[[File:Karte Deutsches Reich, Verwaltungsgliederung 1900-01-01.png|thumb|240 px|Verwaltungsgliederung am 1. Januar 1900]]<br />
{{Hauptartikel|Deutsche Einigungskriege}}<br />
Nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] von 1866 annektierte Preußen das [[Königreich Hannover]], das [[Kurfürstentum Hessen]], das [[Herzogtum Nassau]], die Herzogtümer Schleswig und Holstein sowie die Freie Stadt [[Frankfurt am Main]]. Aus diesen Gebieten wurden drei Provinzen gebildet:<br />
* [[Provinz Hannover]] ([[Hannover]])<br />
* [[Hessen-Nassau|Provinz Hessen-Nassau]] ([[Kassel]])<br />
* [[Provinz Schleswig-Holstein]] ([[Kiel]], 1879–1917 [[Schleswig]])<br />
<br />
Zum 1. April 1878 wurde die Provinz Preußen wieder in die beiden Provinzen [[Ostpreußen]] (Hauptstadt: Königsberg) und [[Westpreußen]] (Hauptstadt: [[Danzig]]) geteilt. Preußen umfasste damit zwölf Provinzen. "Seit 1. April 1881 ist [[Berlin|B.[erlin] ]] aus der Provinz Brandenburg ausgeschieden und bildet einen Verwaltungsbezirk für sich."<ref>''Meyers großes Konversations-Lexikon'': 20 Bde. – gänzl. neu bearbeitete und vermehrte Aufl., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1903–08, hier Zweiter Band: Astilbe bis Bismarck, Artikel 'Berlin', p. 700. Der im Original abgekürzte Stadtname ist hier als B.[erlin] ausgeschrieben. Keine ISBN</ref> Abweichend von den anderen Provinzen bestand Berlin aber nur aus einem Stadtkreis. Daher wurde kein separater Provinziallandtag, kein Landesdirektor und kein Provinzialausschuss gewählt, sondern die Stadtverordnetenversammlung, der Oberbürgermeister und der Magistrat erfüllten die jeweiligen Aufgaben simultan. Wie für jede Provinz wurde auch für Berlin eine Landesversicherungsanstalt gegründet, getrennt von der brandenburgischen. Die Aufgaben des Oberpräsidenten übertrug der preußische Innenminister dem von ihm berufenen [[Polizeipräsident in Berlin|Polizeipräsidenten in Berlin]]. Medizinal- und Schulangelegenheiten wurden weiter mit Brandenburg zusammen geregelt, auch das [[Evangelisches Konsistorium (Berlin)|Konsistorium in Berlin]], das die märkische [[Kirchenprovinz (Altpreußische Union)|Kirchenprovinz]] der [[Evangelische Kirche der altpreußischen Union|Evangelischen Kirche der älteren Provinzen Preußens]] leitete, blieb für Berlin und Brandenburg zuständig.<ref>Cf. ''Meyers großes Konversations-Lexikon'': 20 Bde. – gänzl. neu bearbeitete und vermehrte Aufl., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1903–08, hier Zweiter Band: Astilbe bis Bismarck, Artikel 'Berlin', p. 700. Keine ISBN</ref><br />
<br />
* Stadt [[Berlin]] (Stadtkreis noch ohne Vororte), als provinzfreier Regierungsbezirk mit provinzähnlichen Funktionen<br />
<br />
=== 1919–1938 ===<br />
[[Datei:Prussia 1925.png|miniatur|250px|Die zwölf preußischen Provinzen, 1922–1938]]<br />
<br />
Durch die [[Novemberrevolution]] wurde auf Reichs- und Länderebene die [[Monarchie]] abgeschafft und die [[Republik]] ausgerufen. Das bisherige Königreich bildete nun einen demokratischen, republikanischen Staat, den [[Freistaat Preußen]].<br />
<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland durch den [[Versailler Vertrag]] zu großen Gebietsabtretungen gezwungen, die außer dem vollständig an Frankreich verlorenen [[Reichsland Elsaß-Lothringen]] ausschließlich Preußen betrafen:<br />
* Der Norden Schleswig-Holsteins ([[Nordschleswig]]) musste an [[Dänemark]] abgetreten werden<br />
* Der größte Teil der [[Kreis Eupen|Kreise Eupen]] und [[Kreis Malmedy|Malmedy]] in der Rheinprovinz wurde nach [[Belgien]] umgegliedert (das heutige [[Ostbelgien]])<br />
* Die Provinz Posen wurde nahezu ganz an [[Polen]] abgetreten.<br />
* Die Provinz Westpreußen kam überwiegend an Polen und an die von den Alliierten neugebildete [[Freie Stadt Danzig]]. Nur der östliche Teil Westpreußens blieb bei Preußen und wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert.<br />
<br />
Die ebenfalls bei Preußen verbliebenen restlichen Gebiete von Posen und Westpreußen wurden 1922 zu einer neuen (geographisch zweigeteilten) Provinz vereinigt, die den Namen Provinz [[Grenzmark Posen-Westpreußen]] erhielt und deren Hauptstadt [[Schneidemühl]] wurde.<br />
<br />
1919, war die Provinz Schlesien in zwei Provinzen [[Niederschlesien]] (Hauptstadt: [[Breslau]]) und [[Oberschlesien]] (Hauptstadt: [[Oppeln]]) aufgeteilt worden. Ein Jahr später schied Berlin aus dem [[Provinzialverband Brandenburg]] aus und bildete eine eigene Provinz.<br />
<br />
Ab 1922 bestand der Freistaat Preußen somit aus den folgenden 12 Provinzen und Berlin:<br />
* Stadt [[Berlin]] (seit 1920 [[Groß-Berlin]] umfassend) als provinzfreier Regierungsbezirk mit provinzähnlichen Funktionen<br />
* [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]]<br />
* [[Provinz Hannover|Hannover]]<br />
* [[Hessen-Nassau]]<br />
* [[Ostpreußen]]<br />
* [[Pommern (Provinz)|Pommern]]<br />
* [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]<br />
* [[Rheinprovinz]] (einschließlich der [[Hohenzollernsche Lande|Hohenzollernschen Lande]] und der Exklave [[Kreis Wetzlar|Wetzlar]])<br />
* [[Provinz Sachsen]]<br />
* [[Provinz Niederschlesien|Niederschlesien]]<br />
* [[Provinz Oberschlesien|Oberschlesien]]<br />
* [[Provinz Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]]<br />
* [[Provinz Westfalen|Westfalen]]<br />
<br />
=== 1938–1947 ===<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|rechts|Gliederung des Großdeutschen Reiches 1944]]<br />
{{Hauptartikel|Deutsches Reich 1933 bis 1945|Großdeutsches Reich}}<br />
1938 wurden die beiden schlesischen Provinzen wiedervereinigt jedoch schon 1941 wieder getrennt. Die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen wurde 1938 aufgelöst und auf die Nachbarprovinzen Pommern, Brandenburg und [[Provinz Schlesien|Schlesien]] aufgeteilt. Am 21. März 1939 wurde die Provinz Brandenburg in Mark Brandenburg umbenannt. 1944 wurde die Provinz Hessen-Nessau in [[Provinz Kurhessen|Kurhessen]] und [[Provinz Nassau|Nassau]], sowie die Provinz Sachsen in die [[Provinz Halle-Merseburg]], [[Provinz Magdeburg]] und den [[Regierungsbezirk Erfurt]] geteilt. Letzterer war keiner preußischen Provinz mehr zugeordnet sondern durch den [[Reichsstatthalter]] und [[Gauleiter]] von Thüringen verwaltet.<br />
<br />
Somit bestand Preußen 1944 bis zu seiner formellen Auflösung 1947 aus 13 Provinzen und Berlin. Die rückwirkende Festlegung der Reichsgrenzen durch die Alliierten auf den [[Deutsches_Reich_in_den_Grenzen_vom_31._Dezember_1937|31. Dezember 1937]] änderte an der Zahl der offiziellen Provinzen nichts da formal nur die Rheinprovinz sowie die Provinzen Oberschlesien und Ostpreußens auf den Stand von 1938 zurückgesetzt wurden.<br />
<br />
=== Nach 1945 ===<br />
{{Hauptartikel|Deutschland 1945 bis 1949}}<br />
Nach 1945 wurde Preußen gem. Artikel 1 des [[Kontrollratsgesetz Nr. 46|Kontrollratsgesetzes Nr. 46]] des [[Alliierter Kontrollrat|Alliierten Kontrollrates]] aufgelöst und unter der [[Sowjetunion]], [[Polen]] und den neuen deutschen [[Land (Deutschland)|Ländern]] in vier [[Besatzungszone]]n aufgeteilt:<br />
<br />
* Die [[Rheinprovinz]] wurde entlang von Regierungsbezirksgrenzen südlich von [[Bonn]] geteilt, das Gebiet südlich kam in die [[Französische Besatzungszone]] und später zum dort gegründeten neuen Bundesland [[Rheinland-Pfalz]], der größere Nordteil in die [[Britische Besatzungszone|Britische Zone]] und zum neuen Land [[Nordrhein-Westfalen]]. Hauptstadt wurde [[Düsseldorf]], der bisherige Sitz des Provinziallandtags der Rheinprovinz. Den südlichsten Teil der Rheinprovinz trennten die Franzosen 1947 von ihrer Besatzungszone und damit von Deutschland ab, trat jedoch 1957 nach einer Volksabstimmung der Bundesrepublik Deutschland bei und bildet dort das [[Saarland]]. Der [[Regierungsbezirk Sigmaringen]] wurde, ebenfalls in der Französischen Zone, Teil von [[Württemberg-Hohenzollern]].<br />
* Die [[Provinz Westfalen]] lag in der britischen Zone und wurde Bestandteil des Lands Nordrhein-Westfalen.<br />
* Die Provinzen [[Provinz Kurhessen|Kurhessen]] und [[Provinz Nassau|Nassau]] lagen zum größten Teil in der [[Amerikanische Besatzungszone|Amerikanischen Zone]] und wurde von der dortigen Besatzungsmacht mit dem bisherigen, nichtpreußischen [[Volksstaat Hessen]] zu [[Groß-Hessen]], dem heutigen Land [[Hessen]] zusammengeschlossen. Hauptstadt wurde [[Wiesbaden]], bisher Hauptstadt der [[Provinz Nassau]], die anderen Provinzhauptstadt [[Kassel]] und die bisherige Landeshauptstadt [[Darmstadt]] bewarben sich erfolglos, während sich die größte Stadt, [[Frankfurt am Main]] nicht für die Landesregierung, sondern nur als [[Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland|Bundeshauptstadt]] bewarb.<br />
* Die [[Provinz Hannover]] gehörte zur britischen Zone; im August 1946 wurde daraus das [[Land Hannover]], das drei Monate später mit den Ländern [[Land Braunschweig|Braunschweig]], [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]] und [[Schaumburg-Lippe]] zum neuen Land [[Niedersachsen]] vereinigt wurde; die bisherige Provinzhauptstadt [[Hannover]] wurde Landeshauptstadt.<br />
* Die Provinzen [[Provinz Halle-Merseburg|Halle-Merseburg]] und [[Provinz Magdeburg|Magdeburg]] lagen in der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] und wurden 1945 zusammen mit dem [[Freistaat Anhalt]] zur neuen preußischen Provinz Sachsen, die 1946 in Provinz Sachsen-Anhalt umbenannt wurde und am 10. Januar 1947 auf sowjetische Anordnung zum Land Sachsen-Anhalt wurde. Hauptstadt wurde [[Halle (Saale)]].<br />
* Der [[Regierungsbezirk Erfurt]] wurde an das [[Land Thüringen (1920–1952)|Land Thüringen]] angeschlossen<br />
* Die [[Provinz Oberschlesien]] fiel vollständig an Polen und war damit obsolet<br />
* Die [[Provinz Niederschlesien]] fiel zum größten Teil an Polen und war damit obsolet, die wenigen bei Deutschland verbliebenen Landkreise wurden dem in der Sowjetzone gegründeten [[Geschichte Sachsens#Die Nachkriegszeit bis zur Auflösung der Länder in der DDR 1952|Land Sachsen]] zugeteilt.<br />
* Die [[Provinz Brandenburg|Provinz Mark Brandenburg]] verlor das östliche Drittel ihres Landes (die [[Neumark (Landschaft)|Neumark]]) an Polen, die zur sowjetischen Zone gehörenden Gebiete wurden zu einem eigenständigen [[Land Brandenburg (1947–1952)|Land Brandenburg]] erhoben.<br />
* Die [[Provinz Pommern]] fiel zum größeren Teil an Polen, das mit Ausnahme der Hauptstadt Stettin überwiegend deutsch gebliebene [[Vorpommern]] wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht mit dem benachbarten [[Mecklenburg]] zum Land [[Mecklenburg-Vorpommern#Geschichte|Mecklenburg-Vorpommern]] vereint, das jedoch ab 1947 nur noch „Mecklenburg“ hieß.<br />
* Die Provinz [[Ostpreußen]] entfiel ersatzlos, da ihr gesamtes Territorium verlorenging. Der südliche Teil fiel an Polen, der nördliche an die Sowjetunion (das [[Memelland]] an die [[Litauische Sozialistische Sowjetrepublik|Litauische SSR]], die übrigen Gebiete an die [[Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik|RSFSR]]).<br />
<br />
Die östlich von [[Oder]] und [[Lausitzer Neiße]] gelegenen Gebiete – und die westlich davon liegenden Regionen [[Swinemünde]] und [[Stettin]] – fielen 1945 unter polnische oder sowjetische Verwaltung. Der größte Teil der östlich der [[Oder-Neiße-Grenze|Oder-Neiße-Linie]] lebenden deutschen Bevölkerung, etwa 11 Millionen Menschen, [[Flucht|floh]] oder wurde [[Vertreibung|vertrieben]]. In den [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebieten des Deutschen Reiches]] wurden nach 1945 vor allem polnische Neusiedler aus Zentralpolen sowie rund 1,5 Millionen Vertriebene aus den ehemals polnischen Ostgebieten angesiedelt.<br />
<br />
Die in der sowjetischen Zone liegenden [[Land (DDR)|Länder]] Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg wurden von der [[DDR]] 1952 ihrerseits aufgelöst und durch 14 [[Bezirk (DDR)|Bezirke]] ersetzt, jedoch nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 in leicht veränderter Form wiederbegründet.<br />
<br />
=== Ehemals preußische Gebietseinheiten in den heutigen Ländern ===<br />
Unterhalb der Provinzebene bestehen zahlreiche preußische Verwaltungseinheiten bis heute fort. Fünf der 21 heute noch bestehenden Regierungsbezirke sowie zahlreiche Landkreise wurden in preußischer Zeit gegründet und seither teilweise kaum verändert. Die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Arnsberg|Arnsberg]], [[Regierungsbezirk Düsseldorf|Düsseldorf]], [[Regierungsbezirk Köln|Köln]] und [[Regierungsbezirk Münster|Münster]] in Nordrhein-Westfalen sind fast 200 Jahre alt (Dienstbeginn war der 22. April 1816) und gehören damit zu den ältesten bestehenden regionalen Verwaltungseinheiten in Deutschland.<br />
<br />
Unter den 16 Ländern der heutigen Bundesrepublik gibt es kein einziges ohne ehemals preußische Gebiete:<br />
{| class="wikitable" <br />
|-<br />
| [[Baden-Württemberg]]<br />
|Zu Baden-Württemberg gehören die ehemaligen [[Hohenzollernsche Lande|Hohenzollerschen Lande]], der ehemalige [[Regierungsbezirk Sigmaringen]]. Die beiden dortigen Landkreise [[Landkreis Sigmaringen#Der „alte“ Landkreis Sigmaringen|Sigmaringen]] und [[Landkreis Hechingen|Hechingen]] wurden zum Jahresende 1972 aufgelöst.<br />
|-<br />
| [[Bayern]]<br />
|In Bayern liegen die bis 1805/10 preußischen Fürstentümer [[Fürstentum Ansbach|Ansbach]] und [[Fürstentum Bayreuth|Bayreuth/Kulmbach]].<br />
|-<br />
| [[Berlin]]<br />
|Berlin ist das einzige Land, dessen Territorium zu 100 % zu Preußen gehörte. Die heutige Verwaltungsstruktur der Stadt wurde im Wesentlichen bereits im [[Groß-Berlin-Gesetz]] von 1920 festgelegt. Der [[Bezirk Neukölln]], der [[Bezirk Reinickendorf]] und der [[Bezirk Spandau]] bestehen seither weitgehend unverändert.<br />
|-<br />
| [[Brandenburg]]<br />
|Brandenburg gehörte überwiegend zur [[Provinz Brandenburg|gleichnamigen preußischen Provinz]]. Im Norden umfasst es vormals mecklenburgische Gebiete, unter anderem das [[Fürstenberger Werder]] mit der Stadt [[Fürstenberg/Havel]]. Im Westen und Süden hat es Anteil an ehemaligen Gebieten der Provinz Sachsen sowie des Freistaats Sachsen. Die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Potsdam|Potsdam]] und [[Regierungsbezirk Frankfurt|Frankfurt (Oder)]] wurden 1946 aufgelöst, erstanden aber 1952 in verändertem Umfang als DDR-Bezirke [[Bezirk Potsdam|Potsdam]] und [[Bezirk Frankfurt|Frankfurt]] wieder. Ebenfalls 1952 wurden die Landkreise völlig neu zugeschnitten. Das 1990 neugegründete Land Brandenburg hat keine Regierungsbezirke.<br />
|-<br />
|[[Freie Hansestadt Bremen|Bremen]]<br />
|Das Land Bremen umfasst ehemals preußische Gebiete der [[Provinz Hannover]] im Bereich von [[Bremen-Nord]] und der heute zu [[Bremerhaven]] gehörenden Stadt [[Wesermünde]].<br />
|-<br />
| [[Hamburg]]<br />
|Das Land Hamburg erhielt 1937 durch das [[Groß-Hamburg-Gesetz]] die preußischen Städte [[Harburg-Wilhelmsburg]], [[Bezirk Altona|Altona]] und [[Bezirk Wandsbek|Wandsbek]] sowie weitere Gebiete der Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein. <br />
|-<br />
| [[Hessen]]<br />
|Der Norden, Westen und Osten des Landes gehörte seit der Okkupation 1866 zu Preußen, ab 1868 zur [[Provinz Hessen-Nassau]]. Der [[Kreis Wetzlar]] gehörte bereits ab 1815 als Exklave zur [[Rheinprovinz]]. Der [[Regierungsbezirk Wiesbaden]] wurde erst 1968 aufgelöst, der [[Regierungsbezirk Kassel]] besteht bis heute in fast unveränderter Form. Während im nichtpreußischen Teil Hessens noch vier Landkreise annähernd in ihrer 1822 geschaffenen Form existieren, wurden alle 1821 geschaffenen und 1866 von Preußen übernommenen [[Kurfürstentum Hessen|kurhessischen]] Kreise während der Gebietsreformen zu größeren Einheiten fusioniert. Die Landkreise [[Landkreis Kassel|Kassel]] und [[Landkreis Fulda|Fulda]] existieren bis heute unter diesem Namen, allerdings um benachbarte Landkreise vergrößert.<br />
|-<br />
| [[Mecklenburg-Vorpommern]]<br />
|Das Land umfasst das Gros des deutsch gebliebenen Teils der [[Provinz Pommern]] und kleinere Gebiete der [[Provinz Brandenburg]]. Von der Provinz Schleswig-Holstein kamen durch das [[Barber-Ljaschtschenko-Abkommen]] im November 1945 die Gemeinden [[Dechow]], Groß und Klein Thurow sowie [[Lassahn]] dazu. Der [[Landkreis Rügen]] bestand mit Ausnahme einer zwischenzeitlichen Aufteilung in praktisch unveränderter Form von 1818 bis 2011. Auch einen [[Landkreis Demmin]] gab es bereits so lange. Der bis 2011 bestehende Landkreis war allerdings Produkt einer Zusammenlegung mehrerer kleinerer Landkreise einschließlich eines mecklenburgischen.<br />
|-<br />
| [[Niedersachsen]]<br />
|Den größten Teil von Niedersachsen stellt das Gebiet der [[Provinz Hannover]]. Die von Preußen gegründeten Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Aurich|Aurich]], [[Regierungsbezirk Hildesheim|Hildesheim]], [[Regierungsbezirk Stade|Stade]] und [[Regierungsbezirk Osnabrück|Osnabrück]] bestanden bis 1978, die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Hannover|Hannover]] und [[Regierungsbezirk Lüneburg|Lüneburg]] sogar bis zur Abschaffung der Bezirksregierungen im Jahr 2004. Die Landkreise in der Provinz Hannover wurden 1885 geschaffen, einige von ihnen bestehen bis heute unter gleichem Namen, aber meist um Nachbarkreise vergrößert fort.<br />
|-<br />
| [[Nordrhein-Westfalen]]<br />
|Das Land entstand aus dem Norden der preußischen [[Rheinprovinz]] und der [[Provinz Westfalen]] sowie dem [[Freistaat Lippe]], mit Ausnahme der lippischen Gebiete gehörte das gesamte heutige Land zum preußischen Territorium. Die Landschaftsverbände [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe|Westfalen-Lippe]] und [[Landschaftsverband Rheinland|Rheinland]] führen die Tradition der beiden früheren Provinzen weiter. Vier der fünf Regierungsbezirke des Landes stammen aus der preußischen Zeit.<br />
|-<br />
| [[Rheinland-Pfalz]] <br />
|Rheinland-Pfalz umfasst den Südteil der [[Rheinprovinz]] und einen kleinen Teil der Provinz [[Hessen-Nassau]]. Die 1816 gegründeten Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Koblenz|Koblenz]] und [[Regierungsbezirk Trier|Trier]] wurden bis ins Jahr 2000 weitergeführt, als in Rheinland-Pfalz die mittlere Verwaltungsebene abgeschafft wurde.<br />
|-<br />
| [[Saarland]]<br />
| Das Saarland gehörte zu ⅔ zur preußischen [[Rheinprovinz]] und zu ⅓ zur [[bayerische Pfalz|bayerischen Pfalz]]. Bayerisch waren der heutige saarländische [[Saarpfalz-Kreis]] mit Ausnahme von [[Rentrisch]], die heute zu [[Saarbrücken]] gehörenden Orte [[Saarbrücken-Ensheim|Ensheim]] und [[Eschringen]] sowie [[Schnappach]], das heute zu [[Sulzbach/Saar|Sulzbach]] gehört.<br />
|-<br />
| [[Sachsen]] <br />
| Der Freistaat Sachsen umfasst Teile [[Niederschlesien]]s rund um [[Görlitz]] und [[Hoyerswerda]] sowie Teile der Provinz Sachsen nördlich von Leipzig.<br />
|-<br />
| [[Sachsen-Anhalt]]<br />
| Sachsen-Anhalt ist der Nachfolgestaat der preußischen [[Provinz Sachsen]]. Mit Ausnahme des ehemaligen [[Freistaat Anhalt|Freistaats Anhalt]] und braunschweigischer Gebiete (Ost-[[Landkreis Blankenburg]], [[Calvörde]]) gehörte das Landesgebiet früher ganz zu Preußen. Der 1815 gegründete [[Regierungsbezirk Magdeburg]] wurde erst 2004 aufgelöst. Der [[Regierungsbezirk Merseburg]] bestand als [[Regierungsbezirk Halle]] ebenfalls bis 2004 weiter. In der DDR gab es an ihrer Stelle die [[Bezirk (DDR)|Bezirke]] [[Bezirk Magdeburg|Magdeburg]] und [[Bezirk Halle|Halle]].<br />
|-<br />
| [[Schleswig-Holstein]]<br />
|Schleswig-Holstein ging − wie Brandenburg − unmittelbar aus der ehemaligen preußischen [[Provinz Schleswig-Holstein]] hervor. Fast das gesamte Landesgebiet gehörte zu Preußen, einige Gebiete (vor allem [[Großhansdorf]], die Städte [[Lübeck]], [[Geesthacht]] und der [[Kreis Eutin]]) allerdings erst seit dem [[Groß-Hamburg-Gesetz]] von 1937. Die mecklenburgischen Gemeinden [[Bäk]], [[Mechow]], [[Römnitz]], [[Ziethen (Lauenburg)|Ziethen bei Ratzeburg]] sowie die [[Domhof Ratzeburg|Ratzeburger Domfreiheit]] kamen erst im November 1945 durch das [[Barber-Ljaschtschenko-Abkommen]] dazu. <br />
|-<br />
| [[Thüringen]]<br />
| Der Norden und die Mitte des heutigen Freistaats gehörten zum [[Regierungsbezirk Erfurt]] in der [[Provinz Sachsen]].<br />
|}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste der Provinzen Preußens]]<br />
* [[Liste der Landkreise Preußens]]<br />
* [[Liste der Stadtkreise Preußens]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Besitzungen und Provinzen Preußens<br />
|Navigationsleiste Provinzen Preußens<br />
}}<br />
<br />
[[Kategorie:Politik (Preußen)]]<br />
[[Kategorie:Verwaltungsgliederung Preußens| ]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Verwaltungsgliederung_Preu%C3%9Fens&diff=169592296Verwaltungsgliederung Preußens2017-10-01T16:53:26Z<p>Exec: /* 1938–1947 */</p>
<hr />
<div>Der [[Deutschland|deutsche]] Staat '''Preußen''' besaß seit den [[Preußische Reformen|Verwaltungsreformen]] von 1815/1818 eine für die damalige Zeit sehr moderne '''Landesverwaltung'''. Zwischen Landesregierung und der kommunalen Ebene wurden drei regionale Verwaltungsebenen geschaffen: die [[Provinz]]en, die [[Regierungsbezirk]]e und die [[Landkreis|Kreise]].<br />
<br />
== Ebenen ==<br />
Die drei preußischen Verwaltungsebenen wurden zum Vorbild für die Verwaltungsgliederung auch im übrigen Deutschland. Landkreise und Regierungsbezirke sind bis heute Bestandteil der [[Verwaltungsgliederung Deutschlands|deutschen Verwaltungsgliederung]]. Die Provinzen entsprachen in ihrer Größe etwa den heutigen [[Land (Deutschland)|Ländern]] und wurden nach der Auflösung Preußens zur Grundlage der Neugliederung der deutschen Länder durch die Besatzungsbehörden 1945/1946.<br />
<br />
{{Großes Bild|Prussia (political map before 1905).jpg|900|Die 12 Provinzen Preußens und ihre Regierungsbezirke (1895)}}<br />
<br />
=== Provinzen ===<br />
{{Hauptartikel|Liste der Provinzen Preußens}}<br />
<br />
Da nach der Reichsgründung 1871 über die Hälfte des Reichsgebiets zu [[Preußen]] gehörte, spielten im traditionell föderal geprägten Deutschland die preußischen Provinzen eine ähnliche Identifikationsrolle wie ansonsten nur die Länder außerhalb Preußens, denen sie (im Gegensatz zum preußischen Gesamtstaat) nach Größe, Bevölkerung und wirtschaftlicher Bedeutung vergleichbar waren. Dabei war hilfreich, dass die Abgrenzung und Benennung der Provinzen in den meisten Fällen auf gewachsene historische und landsmannschaftliche Zusammenhänge Rücksicht nahm. Für die Identifikation der (ggf. ehemaligen) Bewohner mit ihrer Heimat spielen die ehemaligen preußischen Provinzen bis heute eine wichtige Rolle, vor allem in den Regionen, die heute nicht mehr als einheitliche Verwaltungseinheit existieren, wie etwa in [[Westfalen]], [[Schlesien]], dem [[Rheinland]] oder [[Ostpreußen]].<br />
<br />
Ab 1875 waren die Provinzen zugleich Körperschaften der Selbstverwaltung der angehörigen Land- und Stadtkreise wie auch nachgeordnete Verwaltungseinheiten der preußischen Staatsregierung. Dies spiegelte sich in entsprechenden doppelten Institutionen wider. Land- und Stadtkreise entsandten Abgeordnete in die [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtage]] mit jeweils sechsjähriger Legislaturperiode. Der Provinziallandtag wählte aus seiner Mitte eine provinziale Regierung, den Provinzialausschuss, und dessen Leiter, den Landesdirektor (für 6 bis 12 Jahre). Provinziallandtag, -ausschuss und Landesdirektor erfüllten kreisübergreifende Aufgaben wie z.&nbsp;B. Pflege von Kultur und Gesundheitsversorgung (Provinzialnervenheilanstalten). Der preußische Innenminister berief für die Staatsregierung in jeder Provinz einen [[Oberpräsident]]en, dem ein eingesetzter Provinzialrat zur Seite stand. Oberpräsident und Rat übten im provinzialen Rahmen Aufsichtsfunktionen für die Staatsregierung aus. <br />
<br />
Die heutigen Länder [[Schleswig-Holstein]] und [[Brandenburg]] gehen unmittelbar auf preußische Provinzen zurück, die Länder [[Niedersachsen]], [[Hessen]] und [[Sachsen-Anhalt]] entstanden durch den Zusammenschluss preußischer Provinzen mit ihren selbständig gebliebenen nichtpreußischen Nachbarstaaten.<br />
<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts und nach 1919 gab es zahlreiche Umgliederungen, Zusammenschlüsse und Teilungen preußischer Provinzen. In der Zeit dazwischen blieb die Einteilung stabil, so dass sich die zwölf Provinzen dieser Zeit als „klassisch“ im deutschen Bewusstsein etablieren konnten:<br />
<br />
;Die sechs westlichen Provinzen<br />
: [[Provinz Sachsen|Sachsen]]<br />
: [[Provinz Westfalen|Westfalen]]<br />
: [[Rheinprovinz]]<br />
: [[Provinz Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]] ''(ab 1866)''<br />
: [[Provinz Hannover|Hannover]] ''(ab 1866)''<br />
: [[Hessen-Nassau]] ''(ab 1866)''<br />
<br />
;Die sechs östlichen Provinzen <br />
: [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]]<br />
: [[Provinz Pommern|Pommern]]<br />
: [[Provinz Schlesien|Schlesien]]<br />
: [[Provinz Posen|Posen]]<br />
: [[Westpreußen]]<br />
: [[Ostpreußen]]<br />
<br />
West- und Ostpreußen bildeten 1824–1877 eine gemeinsame [[Provinz Preußen]]. Da dieser sehr peripher gelegene Teil des Deutschen Reiches aber vor allem im Zusammenhang mit den erzwungenen Gebietsabtretungen 1920, den Kriegsereignissen 1944/45 und den anschließenden Vertreibungen ins deutschlandweite Bewusstsein einging, sind heute die damals üblichen Einheiten und Bezeichnungen Ost- und Westpreußen wesentlich geläufiger.<br />
<br />
Der Spitzenbeamte einer Provinz hatte die Bezeichnung [[Oberpräsident]], die anfangs ständische, später gewählte Legislative [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtag]].<br />
<br />
=== Regierungsbezirke ===<br />
{{Siehe auch|Liste der Regierungsbezirke Preußens}}<br />
<br />
Unterhalb der Provinzebene wurden „königliche Regierungen“ eingerichtet, die später als [[Regierungsbezirk]] bezeichnet und als Mittelinstanz auch von anderen Ländern eingeführt wurden. Pro Provinz gab es zwischen einem (Schleswig-Holstein) und sechs (Hannover, Rheinprovinz) Regierungsbezirken; Schlesien, Sachsen, Pommern und Westfalen drei, die übrigen Provinzen zwei. An der Spitze eines Regierungsbezirks stand, wie heute, ein [[Regierungspräsident (Deutschland)|Regierungspräsident]].<br />
<br />
Im Gegensatz zu den Provinzen trugen die Regierungsbezirke und Landkreise nicht einen traditionellen Namen, sondern den ihres Verwaltungssitzes. Diese lagen in manchen Fällen nicht im größten Ort. So wurden etwa das östliche [[Ruhrgebiet]] von [[Regierungsbezirk Arnsberg|Arnsberg]], das südliche Westpreußen von [[Regierungsbezirk Marienwerder|Marienwerder]] und die Stadt [[Frankfurt am Main]] von [[Regierungsbezirk Wiesbaden|Wiesbaden]] aus regiert. Beides trug dazu bei, dass die Identifikation der Bevölkerung mit der regionalen Ebene Regierungsbezirk, wie heute, gering war. <br />
<br />
Ausnahmen bestanden dort, wo die Regierungsbezirke traditionelle Teilregionen ihrer Länder (Provinzen) abbildeten, auch wenn dies nicht im Namen zum Ausdruck kam: So entsprach etwa der [[Regierungsbezirk Stettin]] dem historischen [[Vorpommern]] und der [[Regierungsbezirk Oppeln]] konnte als hinreichende geographische Definition für [[Oberschlesien]] gelten. In der Weimarer Republik bildete er sogar eine eigene [[Provinz Oberschlesien|Provinz]] unter diesem Namen.<br />
<br />
=== Kreise ===<br />
{{Siehe auch|Geschichte der Kreisbildung in Deutschland#Preußen}}<br />
<br />
Auf lokaler Ebene wurden Kreise eingerichtet, die ein Bindeglied zwischen der staatlichen Verwaltung und der durch die geplante (aber erst Ende des 19. Jahrhunderts verwirklichte) [[kommunale Selbstverwaltung]] zu größerer Bedeutung gelangten [[Gemeinde (Deutschland)|Gemeindeebene]] bilden sollte. Die nunmehr selbständigen und von einem meist ehrenamtlichen [[Bürgermeister]] repräsentierten Gemeinden wurden durch die Kreisverwaltung und ihre professionelleren Strukturen in der Ausübung ihrer Amtsgeschäfte unterstützt. <br />
<br />
Den Spitzenbeamten eines Landkreises nannte man damals wie heute [[Landrat (Deutschland)|Landrat]], den Sitz der Kreisverwaltung [[Landratsamt]] oder Kreishaus.<br />
<br />
Die Größe eines Kreises sollte so bemessen sein, dass von jedem Dorf aus innerhalb eines Tages eine Reise mit der Kutsche zum Sitz der Kreisverwaltung, die Ausführung der geplanten Amtsgeschäfte und die Rückreise möglich sein sollte, oder umgekehrt der Landrat ein entlegenes Dorf besuchen konnte, ohne dort übernachten zu müssen.<br />
<br />
Größere [[Stadt|Städte]] blieben außerhalb der Zuständigkeit der Landkreise, da sie selbst über eine professionelle Verwaltung verfügten und ihre Amtsgeschäfte allein erledigen konnten. Sie bildeten einen [[Stadtkreis (Deutschland)#Geschichte|Stadtkreis]], später als [[kreisfreie Stadt]] bezeichnet. Auch dieses Phänomen ist bis heute Teil des deutschen Verwaltungsaufbaus. Da die Ära des hier beschriebenen Verwaltungsaufbaus (1815–1945) auch die für Europas Städte extrem bedeutende Zeit der [[Industrialisierung]] umfasst, das unter anderem von einem rasanten Wachstum der Städte gekennzeichnet war, stieg die Zahl der kreisfreien Städte in Preußen immer weiter an, weil ehemalige Kleinstädte oder gar Dörfer innerhalb weniger Jahrzehnte fünf- oder sechsstellige Einwohnerzahlen erreichten und damit den Rahmen der für ländliche Gebiete gedachten Kreisverwaltungen sprengten und deshalb, oft gegen den erbitterten Widerstand der Landräte, aus ihren Landkreisen austreten durften.<br />
<br />
Kreise, deren Verwaltungssitz in einer ihr nicht angehörenden Stadt lag, wurden ''Landkreis'' genannt, im Gegensatz zum gleichnamigen ''Stadtkreis''. Alle übrigen Kreise hießen amtlich ''Kreis''. <br />
<br />
== Geschichte ==<br />
{{Hauptartikel|Herzogtum Preußen}}<br />
=== 1701–1807 ===<br />
[[Datei:Preussen-GrKF.jpg|mini|Die Landesteile Preußens am Ende des 17. Jahrhunderts]]<br />
[[Datei:Preussen-FdG.jpg|mini|Gebietszuwächse im 18. Jahrhundert]]<br />
Die hohenzollernschen Gebiete, aus denen sich nach der Krönung [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrichs I.]] im 18. Jahrhundert ein Staat unter dem Namen „Preußen“ entwickelte, bestanden Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Landesteilen Preußen (dem Königreich), Brandenburg, Pommern, [[Herzogtum Geldern]], [[Herzogtum Kleve]], [[Moers]], [[Tecklenburg]], [[Grafschaft Lingen]], [[Fürstentum Minden]], [[Grafschaft Mark]], [[Grafschaft Ravensberg]], [[Lippstadt]], [[Herzogtum Magdeburg]], [[Bistum Halberstadt]], [[Kanton Neuenburg]] und [[Valangin NE]].<br />
<br />
1713 wurden die Landesteile in folgende [[Provinz]]en gegliedert: <br />
# [[Mittelmark]], [[Uckermark]] und [[Altmark]]<br />
# Neumark-Pommern-Kaschubei<br />
# Herzogtum Preußen, das „Königreich“<br />
# Geldern-Kleve<br />
# Minden-Mark-Ravensberg<br />
# Magdeburg-Halberstadt<br />
# Kanton Neuenburg<br />
# Valangin<br />
<br />
1740 wurden die Provinzialbehörden in [[Kriegs- und Domänenkammer]]n überführt oder neu gegliedert. Auch deren Gestalt änderte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals, als weitere Gebiete zu Preußen kamen, etwa das [[Herzogtum Schlesien]] 1742.<br />
<br />
{{Siehe auch|Schlacht bei Jena und Auerstedt|Tugendbund|Befreiungskriege}}<br />
<br />
=== 1815–1866 ===<br />
{{Hauptartikel|Preußische Reformen|Deutsche Revolution 1848/1849}}<br />
Nach dem [[Wiener Kongress]] wurde der Staat Preußen mit der ''Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden vom 30. April 1815''<ref>Wortlaut der Verordnung bei „Verfassungen der Welt“: [http://www.verfassungen.de/de/preussen/gesetze/provinzialeinrichtungen15.htm]</ref> in zehn Provinzen eingeteilt (in Klammern die [[Hauptstadt]]), die mit Ausnahme von Ostpreußen, Westpreußen und Posen als Verwaltungseinheiten Preußens zum Territorium des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] zählten:<br />
<br />
# [[Ostpreußen|Provinz Ostpreußen]] ([[Königsberg (Preußen)|Königsberg]]), zusammen mit Westpreußen [[Provinz Preußen|Provinz Königreich Preußen]] (Königsberg)<br />
# [[Westpreußen|Provinz Westpreußen]] ([[Danzig]])<br />
# [[Provinz Pommern]] ([[Stettin]])<br />
# [[Provinz Brandenburg]] ([[Potsdam]])<br />
# [[Provinz Sachsen]] ([[Magdeburg]])<br />
# [[Provinz Posen|Provinz Großherzogtum Posen]] ([[Posen]])<br />
# [[Provinz Schlesien]] ([[Breslau]])<br />
# [[Provinz Jülich-Kleve-Berg]] ([[Köln]])<br />
# [[Provinz Westfalen]] ([[Münster]])<br />
# [[Provinz Großherzogtum Niederrhein]] ([[Koblenz]])<br />
<br />
Seit 1822 bildeten die Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein die [[Rheinprovinz]] mit der Hauptstadt Koblenz. 1829 wurden Ost- und Westpreußen zur [[Provinz Preußen]] (Hauptstadt Königsberg) vereinigt. Damit verringerte sich die Zahl der Provinzen auf acht.<br />
<br />
1849 verzichteten die Fürsten von [[Hohenzollern-Hechingen|Hechingen]] und [[Hohenzollern-Sigmaringen|Sigmaringen]] auf ihre Herrschaft, wodurch beide Fürstentümer an Preußen fielen. Sie wurden zum [[Regierungsbezirk Sigmaringen]] zusammengefasst, der später auch als ''Hohenzollernsche Lande'' bezeichnet wurde.<br />
<br />
1853 erwarb Preußen von [[Oldenburg (Land)#Großherzogtum Oldenburg|Oldenburg]] einen Landstrich am [[Jadebusen]] und der [[Innenjade]], auf dem ein Hafen angelegt wurde. 1869 erhielt dieses Gebiet zusammen mit der umliegenden Siedlung den Namen [[Wilhelmshaven]] und wurde der 1867 gebildeten [[Hannover (Provinz)|Provinz Hannover]] angegliedert.<br />
<br />
=== 1866–1918 ===<br />
[[File:Karte Deutsches Reich, Verwaltungsgliederung 1900-01-01.png|thumb|240 px|Verwaltungsgliederung am 1. Januar 1900]]<br />
{{Hauptartikel|Deutsche Einigungskriege}}<br />
Nach dem [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] von 1866 annektierte Preußen das [[Königreich Hannover]], das [[Kurfürstentum Hessen]], das [[Herzogtum Nassau]], die Herzogtümer Schleswig und Holstein sowie die Freie Stadt [[Frankfurt am Main]]. Aus diesen Gebieten wurden drei Provinzen gebildet:<br />
* [[Provinz Hannover]] ([[Hannover]])<br />
* [[Hessen-Nassau|Provinz Hessen-Nassau]] ([[Kassel]])<br />
* [[Provinz Schleswig-Holstein]] ([[Kiel]], 1879–1917 [[Schleswig]])<br />
<br />
Zum 1. April 1878 wurde die Provinz Preußen wieder in die beiden Provinzen [[Ostpreußen]] (Hauptstadt: Königsberg) und [[Westpreußen]] (Hauptstadt: [[Danzig]]) geteilt. Preußen umfasste damit zwölf Provinzen. "Seit 1. April 1881 ist [[Berlin|B.[erlin] ]] aus der Provinz Brandenburg ausgeschieden und bildet einen Verwaltungsbezirk für sich."<ref>''Meyers großes Konversations-Lexikon'': 20 Bde. – gänzl. neu bearbeitete und vermehrte Aufl., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1903–08, hier Zweiter Band: Astilbe bis Bismarck, Artikel 'Berlin', p. 700. Der im Original abgekürzte Stadtname ist hier als B.[erlin] ausgeschrieben. Keine ISBN</ref> Abweichend von den anderen Provinzen bestand Berlin aber nur aus einem Stadtkreis. Daher wurde kein separater Provinziallandtag, kein Landesdirektor und kein Provinzialausschuss gewählt, sondern die Stadtverordnetenversammlung, der Oberbürgermeister und der Magistrat erfüllten die jeweiligen Aufgaben simultan. Wie für jede Provinz wurde auch für Berlin eine Landesversicherungsanstalt gegründet, getrennt von der brandenburgischen. Die Aufgaben des Oberpräsidenten übertrug der preußische Innenminister dem von ihm berufenen [[Polizeipräsident in Berlin|Polizeipräsidenten in Berlin]]. Medizinal- und Schulangelegenheiten wurden weiter mit Brandenburg zusammen geregelt, auch das [[Evangelisches Konsistorium (Berlin)|Konsistorium in Berlin]], das die märkische [[Kirchenprovinz (Altpreußische Union)|Kirchenprovinz]] der [[Evangelische Kirche der altpreußischen Union|Evangelischen Kirche der älteren Provinzen Preußens]] leitete, blieb für Berlin und Brandenburg zuständig.<ref>Cf. ''Meyers großes Konversations-Lexikon'': 20 Bde. – gänzl. neu bearbeitete und vermehrte Aufl., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1903–08, hier Zweiter Band: Astilbe bis Bismarck, Artikel 'Berlin', p. 700. Keine ISBN</ref><br />
<br />
* Stadt [[Berlin]] (Stadtkreis noch ohne Vororte), als provinzfreier Regierungsbezirk mit provinzähnlichen Funktionen<br />
<br />
=== 1919–1938 ===<br />
[[Datei:Prussia 1925.png|miniatur|250px|Die zwölf preußischen Provinzen, 1922–1938]]<br />
<br />
Durch die [[Novemberrevolution]] wurde auf Reichs- und Länderebene die [[Monarchie]] abgeschafft und die [[Republik]] ausgerufen. Das bisherige Königreich bildete nun einen demokratischen, republikanischen Staat, den [[Freistaat Preußen]].<br />
<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutschland durch den [[Versailler Vertrag]] zu großen Gebietsabtretungen gezwungen, die außer dem vollständig an Frankreich verlorenen [[Reichsland Elsaß-Lothringen]] ausschließlich Preußen betrafen:<br />
* Der Norden Schleswig-Holsteins ([[Nordschleswig]]) musste an [[Dänemark]] abgetreten werden<br />
* Der größte Teil der [[Kreis Eupen|Kreise Eupen]] und [[Kreis Malmedy|Malmedy]] in der Rheinprovinz wurde nach [[Belgien]] umgegliedert (das heutige [[Ostbelgien]])<br />
* Die Provinz Posen wurde nahezu ganz an [[Polen]] abgetreten.<br />
* Die Provinz Westpreußen kam überwiegend an Polen und an die von den Alliierten neugebildete [[Freie Stadt Danzig]]. Nur der östliche Teil Westpreußens blieb bei Preußen und wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert.<br />
<br />
Die ebenfalls bei Preußen verbliebenen restlichen Gebiete von Posen und Westpreußen wurden 1922 zu einer neuen (geographisch zweigeteilten) Provinz vereinigt, die den Namen Provinz [[Grenzmark Posen-Westpreußen]] erhielt und deren Hauptstadt [[Schneidemühl]] wurde.<br />
<br />
1919, war die Provinz Schlesien in zwei Provinzen [[Niederschlesien]] (Hauptstadt: [[Breslau]]) und [[Oberschlesien]] (Hauptstadt: [[Oppeln]]) aufgeteilt worden. Ein Jahr später schied Berlin aus dem [[Provinzialverband Brandenburg]] aus und bildete eine eigene Provinz.<br />
<br />
Ab 1922 bestand der Freistaat Preußen somit aus den folgenden 12 Provinzen und Berlin:<br />
* Stadt [[Berlin]] (seit 1920 [[Groß-Berlin]] umfassend) als provinzfreier Regierungsbezirk mit provinzähnlichen Funktionen<br />
* [[Provinz Brandenburg|Brandenburg]]<br />
* [[Provinz Hannover|Hannover]]<br />
* [[Hessen-Nassau]]<br />
* [[Ostpreußen]]<br />
* [[Pommern (Provinz)|Pommern]]<br />
* [[Grenzmark Posen-Westpreußen]]<br />
* [[Rheinprovinz]] (einschließlich der [[Hohenzollernsche Lande|Hohenzollernschen Lande]] und der Exklave [[Kreis Wetzlar|Wetzlar]])<br />
* [[Provinz Sachsen]]<br />
* [[Provinz Niederschlesien|Niederschlesien]]<br />
* [[Provinz Oberschlesien|Oberschlesien]]<br />
* [[Provinz Schleswig-Holstein|Schleswig-Holstein]]<br />
* [[Provinz Westfalen|Westfalen]]<br />
<br />
=== 1938–1947 ===<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|rechts|Gliederung des Großdeutschen Reiches 1944]]<br />
{{Hauptartikel|Deutsches Reich 1933 bis 1945|Großdeutsches Reich}}<br />
1938 wurden die beiden schlesischen Provinzen wiedervereinigt jedoch schon 1941 wieder getrennt. Die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen wurde 1938 aufgelöst und auf die Nachbarprovinzen Pommern, Brandenburg und [[Provinz Schlesien|Schlesien]] aufgeteilt. Am 21. März 1939 wurde die Provinz Brandenburg in Mark Brandenburg umbenannt. 1944 wurde die Provinz Hessen-Nessau in [[Provinz Kurhessen|Kurhessen]] und [[Provinz Nassau|Nassau]], sowie die Provinz Sachsen in die [[Provinz Halle-Merseburg]], [[Provinz Magdeburg]] und den [[Regierungsbezirk Erfurt]] geteilt. Letzterer war keiner preußischen Provinz mehr zugeordnet sondern durch den [[Reichsstatthalter]] und [[Gauleiter]] von Thüringen verwaltet.<br />
<br />
Somit bestand Preußen 1944 bis zu seiner formellen Auflösung 1947 aus 13 Provinzen und Berlin. Die rückwirkende Festlegung der Reichsgrenzen durch die Alliierten auf den [[Deutsches_Reich_in_den_Grenzen_vom_31._Dezember_1937|31. Dezember 1937]] änderte an der Zahl der offiziellen Provinzen nichts da formal nur die Rheinprovinz sowie die Provinzen Oberschlesien und Ostpreußens auf den Stand von 1938 zurückgesetzt wurden.<br />
<br />
=== Nach 1945 ===<br />
{{Hauptartikel|Deutschland 1945 bis 1949}}<br />
Nach 1945 wurde Preußen gem. Artikel 1 des [[Kontrollratsgesetz Nr. 46|Kontrollratsgesetzes Nr. 46]] des [[Alliierter Kontrollrat|Alliierten Kontrollrates]] aufgelöst und unter der [[Sowjetunion]], [[Polen]] und den neuen deutschen [[Land (Deutschland)|Ländern]] in vier [[Besatzungszone]]n aufgeteilt:<br />
<br />
* Die [[Rheinprovinz]] wurde entlang einer Linie südlich von [[Bonn]] geteilt, das Gebiet südlich dieser Linie kam in die [[Französische Besatzungszone]] und später zum dort gegründeten neuen Bundesland [[Rheinland-Pfalz]], der größere Nordteil in die [[Britische Besatzungszone|Britische Zone]] und zum neuen Land [[Nordrhein-Westfalen]]. Hauptstadt wurde [[Düsseldorf]], der bisherige Sitz des Provinziallandtags der Rheinprovinz. Den südlichsten Teil der Rheinprovinz trennten die Franzosen 1947 von ihrer Besatzungszone und damit von Deutschland ab, trat jedoch 1957 nach einer Volksabstimmung der Bundesrepublik Deutschland bei und bildet dort das [[Saarland]]. Der [[Regierungsbezirk Sigmaringen]] wurde, ebenfalls in der Französischen Zone, Teil von [[Württemberg-Hohenzollern]].<br />
* Die [[Provinz Westfalen]] lag in der britischen Zone und wurde Bestandteil des Lands Nordrhein-Westfalen.<br />
* Die Provinzen [[Provinz Kurhessen|Kurhessen]] und [[Provinz Nassau|Nassau]] lagen zum größten Teil in der [[Amerikanische Besatzungszone|Amerikanischen Zone]] und wurde von der dortigen Besatzungsmacht mit dem bisherigen, nichtpreußischen [[Volksstaat Hessen]] zu [[Groß-Hessen]], dem heutigen Land [[Hessen]] zusammengeschlossen. Hauptstadt wurde [[Wiesbaden]], bisher Hauptstadt der [[Provinz Nassau]], die anderen Provinzhauptstadt [[Kassel]] und die bisherige Landeshauptstadt [[Darmstadt]] bewarben sich erfolglos, während sich die größte Stadt, [[Frankfurt am Main]] nicht für die Landesregierung, sondern nur als [[Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland|Bundeshauptstadt]] bewarb.<br />
* Die [[Provinz Hannover]] gehörte zur britischen Zone; im August 1946 wurde daraus das [[Land Hannover]], das drei Monate später mit den Ländern [[Land Braunschweig|Braunschweig]], [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]] und [[Schaumburg-Lippe]] zum neuen Land [[Niedersachsen]] vereinigt wurde; die bisherige Provinzhauptstadt [[Hannover]] wurde Landeshauptstadt.<br />
* Die Provinzen [[Provinz Halle-Merseburg|Halle-Merseburg]] und [[Provinz Magdeburg|Magdeburg]] lagen in der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] und wurden 1945 zusammen mit dem [[Freistaat Anhalt]] zur neuen Provinz Sachsen, die 1946 in Provinz Sachsen-Anhalt umbenannt wurde. Hauptstadt wurde [[Halle (Saale)]].<br />
* Der [[Regierungsbezirk Erfurt]] wurde an das [[Land Thüringen (1920–1952)|Land Thüringen]] angeschlossen<br />
* Die [[Provinz Oberschlesien]] fiel vollständig an Polen und war damit obsolet<br />
* Die [[Provinz Niederschlesien]] fiel zum größten Teil an Polen und war damit obsolet, die wenigen bei Deutschland verbliebenen Landkreise wurden dem in der Sowjetzone gegründeten [[Geschichte Sachsens#Die Nachkriegszeit bis zur Auflösung der Länder in der DDR 1952|Land Sachsen]] zugeteilt.<br />
* Die [[Provinz Brandenburg|Provinz Mark Brandenburg]] verlor das östliche Drittel ihres Landes (die [[Neumark (Landschaft)|Neumark]]) an Polen, die zur sowjetischen Zone gehörenden Gebiete wurden zu einem eigenständigen [[Land Brandenburg (1947–1952)|Land Brandenburg]] erhoben.<br />
* Die [[Provinz Pommern]] fiel zum größeren Teil an Polen, das mit Ausnahme der Hauptstadt Stettin überwiegend deutsch gebliebene [[Vorpommern]] wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht mit dem benachbarten [[Mecklenburg]] zum Land [[Mecklenburg-Vorpommern#Geschichte|Mecklenburg-Vorpommern]] vereint, das jedoch ab 1947 nur noch „Mecklenburg“ hieß.<br />
* Die Provinz [[Ostpreußen]] entfiel ersatzlos, da ihr gesamtes Territorium verlorenging. Der südliche Teil fiel an Polen, der nördliche an die Sowjetunion (das [[Memelland]] an die [[Litauische Sozialistische Sowjetrepublik|Litauische SSR]], die übrigen Gebiete an die [[Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik|RSFSR]]).<br />
<br />
Die östlich von [[Oder]] und [[Lausitzer Neiße]] gelegenen Gebiete – und die westlich davon liegenden Regionen [[Swinemünde]] und [[Stettin]] – fielen 1945 unter polnische oder sowjetische Verwaltung. Der größte Teil der östlich der [[Oder-Neiße-Grenze|Oder-Neiße-Linie]] lebenden deutschen Bevölkerung, etwa 11 Millionen Menschen, [[Flucht|floh]] oder wurde [[Vertreibung|vertrieben]]. In den [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebieten des Deutschen Reiches]] wurden nach 1945 vor allem polnische Neusiedler aus Zentralpolen sowie rund 1,5 Millionen Vertriebene aus den ehemals polnischen Ostgebieten angesiedelt.<br />
<br />
Die in der sowjetischen Zone liegenden [[Land (DDR)|Länder]] Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg wurden von der [[DDR]] 1952 ihrerseits aufgelöst und durch 14 [[Bezirk (DDR)|Bezirke]] ersetzt, jedoch nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 in leicht veränderter Form wiederbegründet.<br />
<br />
=== Ehemals preußische Gebietseinheiten in den heutigen Ländern ===<br />
Unterhalb der Provinzebene bestehen zahlreiche preußische Verwaltungseinheiten bis heute fort. Fünf der 21 heute noch bestehenden Regierungsbezirke sowie zahlreiche Landkreise wurden in preußischer Zeit gegründet und seither teilweise kaum verändert. Die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Arnsberg|Arnsberg]], [[Regierungsbezirk Düsseldorf|Düsseldorf]], [[Regierungsbezirk Köln|Köln]] und [[Regierungsbezirk Münster|Münster]] in Nordrhein-Westfalen sind fast 200 Jahre alt (Dienstbeginn war der 22. April 1816) und gehören damit zu den ältesten bestehenden regionalen Verwaltungseinheiten in Deutschland.<br />
<br />
Unter den 16 Ländern der heutigen Bundesrepublik gibt es kein einziges ohne ehemals preußische Gebiete:<br />
{| class="wikitable" <br />
|-<br />
| [[Baden-Württemberg]]<br />
|Zu Baden-Württemberg gehören die ehemaligen [[Hohenzollernsche Lande|Hohenzollerschen Lande]], der ehemalige [[Regierungsbezirk Sigmaringen]]. Die beiden dortigen Landkreise [[Landkreis Sigmaringen#Der „alte“ Landkreis Sigmaringen|Sigmaringen]] und [[Landkreis Hechingen|Hechingen]] wurden zum Jahresende 1972 aufgelöst.<br />
|-<br />
| [[Bayern]]<br />
|In Bayern liegen die bis 1805/10 preußischen Fürstentümer [[Fürstentum Ansbach|Ansbach]] und [[Fürstentum Bayreuth|Bayreuth/Kulmbach]].<br />
|-<br />
| [[Berlin]]<br />
|Berlin ist das einzige Land, dessen Territorium zu 100 % zu Preußen gehörte. Die heutige Verwaltungsstruktur der Stadt wurde im Wesentlichen bereits im [[Groß-Berlin-Gesetz]] von 1920 festgelegt. Der [[Bezirk Neukölln]], der [[Bezirk Reinickendorf]] und der [[Bezirk Spandau]] bestehen seither weitgehend unverändert.<br />
|-<br />
| [[Brandenburg]]<br />
|Brandenburg gehörte überwiegend zur [[Provinz Brandenburg|gleichnamigen preußischen Provinz]]. Im Norden umfasst es vormals mecklenburgische Gebiete, unter anderem das [[Fürstenberger Werder]] mit der Stadt [[Fürstenberg/Havel]]. Im Westen und Süden hat es Anteil an ehemaligen Gebieten der Provinz Sachsen sowie des Freistaats Sachsen. Die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Potsdam|Potsdam]] und [[Regierungsbezirk Frankfurt|Frankfurt (Oder)]] wurden 1946 aufgelöst, erstanden aber 1952 in verändertem Umfang als DDR-Bezirke [[Bezirk Potsdam|Potsdam]] und [[Bezirk Frankfurt|Frankfurt]] wieder. Ebenfalls 1952 wurden die Landkreise völlig neu zugeschnitten. Das 1990 neugegründete Land Brandenburg hat keine Regierungsbezirke.<br />
|-<br />
|[[Freie Hansestadt Bremen|Bremen]]<br />
|Das Land Bremen umfasst ehemals preußische Gebiete der [[Provinz Hannover]] im Bereich von [[Bremen-Nord]] und der heute zu [[Bremerhaven]] gehörenden Stadt [[Wesermünde]].<br />
|-<br />
| [[Hamburg]]<br />
|Das Land Hamburg erhielt 1937 durch das [[Groß-Hamburg-Gesetz]] die preußischen Städte [[Harburg-Wilhelmsburg]], [[Bezirk Altona|Altona]] und [[Bezirk Wandsbek|Wandsbek]] sowie weitere Gebiete der Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein. <br />
|-<br />
| [[Hessen]]<br />
|Der Norden, Westen und Osten des Landes gehörte seit der Okkupation 1866 zu Preußen, ab 1868 zur [[Provinz Hessen-Nassau]]. Der [[Kreis Wetzlar]] gehörte bereits ab 1815 als Exklave zur [[Rheinprovinz]]. Der [[Regierungsbezirk Wiesbaden]] wurde erst 1968 aufgelöst, der [[Regierungsbezirk Kassel]] besteht bis heute in fast unveränderter Form. Während im nichtpreußischen Teil Hessens noch vier Landkreise annähernd in ihrer 1822 geschaffenen Form existieren, wurden alle 1821 geschaffenen und 1866 von Preußen übernommenen [[Kurfürstentum Hessen|kurhessischen]] Kreise während der Gebietsreformen zu größeren Einheiten fusioniert. Die Landkreise [[Landkreis Kassel|Kassel]] und [[Landkreis Fulda|Fulda]] existieren bis heute unter diesem Namen, allerdings um benachbarte Landkreise vergrößert.<br />
|-<br />
| [[Mecklenburg-Vorpommern]]<br />
|Das Land umfasst das Gros des deutsch gebliebenen Teils der [[Provinz Pommern]] und kleinere Gebiete der [[Provinz Brandenburg]]. Von der Provinz Schleswig-Holstein kamen durch das [[Barber-Ljaschtschenko-Abkommen]] im November 1945 die Gemeinden [[Dechow]], Groß und Klein Thurow sowie [[Lassahn]] dazu. Der [[Landkreis Rügen]] bestand mit Ausnahme einer zwischenzeitlichen Aufteilung in praktisch unveränderter Form von 1818 bis 2011. Auch einen [[Landkreis Demmin]] gab es bereits so lange. Der bis 2011 bestehende Landkreis war allerdings Produkt einer Zusammenlegung mehrerer kleinerer Landkreise einschließlich eines mecklenburgischen.<br />
|-<br />
| [[Niedersachsen]]<br />
|Den größten Teil von Niedersachsen stellt das Gebiet der [[Provinz Hannover]]. Die von Preußen gegründeten Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Aurich|Aurich]], [[Regierungsbezirk Hildesheim|Hildesheim]], [[Regierungsbezirk Stade|Stade]] und [[Regierungsbezirk Osnabrück|Osnabrück]] bestanden bis 1978, die Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Hannover|Hannover]] und [[Regierungsbezirk Lüneburg|Lüneburg]] sogar bis zur Abschaffung der Bezirksregierungen im Jahr 2004. Die Landkreise in der Provinz Hannover wurden 1885 geschaffen, einige von ihnen bestehen bis heute unter gleichem Namen, aber meist um Nachbarkreise vergrößert fort.<br />
|-<br />
| [[Nordrhein-Westfalen]]<br />
|Das Land entstand aus dem Norden der preußischen [[Rheinprovinz]] und der [[Provinz Westfalen]] sowie dem [[Freistaat Lippe]], mit Ausnahme der lippischen Gebiete gehörte das gesamte heutige Land zum preußischen Territorium. Die Landschaftsverbände [[Landschaftsverband Westfalen-Lippe|Westfalen-Lippe]] und [[Landschaftsverband Rheinland|Rheinland]] führen die Tradition der beiden früheren Provinzen weiter. Vier der fünf Regierungsbezirke des Landes stammen aus der preußischen Zeit.<br />
|-<br />
| [[Rheinland-Pfalz]] <br />
|Rheinland-Pfalz umfasst den Südteil der [[Rheinprovinz]] und einen kleinen Teil der Provinz [[Hessen-Nassau]]. Die 1816 gegründeten Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Koblenz|Koblenz]] und [[Regierungsbezirk Trier|Trier]] wurden bis ins Jahr 2000 weitergeführt, als in Rheinland-Pfalz die mittlere Verwaltungsebene abgeschafft wurde.<br />
|-<br />
| [[Saarland]]<br />
| Das Saarland gehörte zu ⅔ zur preußischen [[Rheinprovinz]] und zu ⅓ zur [[bayerische Pfalz|bayerischen Pfalz]]. Bayerisch waren der heutige saarländische [[Saarpfalz-Kreis]] mit Ausnahme von [[Rentrisch]], die heute zu [[Saarbrücken]] gehörenden Orte [[Saarbrücken-Ensheim|Ensheim]] und [[Eschringen]] sowie [[Schnappach]], das heute zu [[Sulzbach/Saar|Sulzbach]] gehört.<br />
|-<br />
| [[Sachsen]] <br />
| Der Freistaat Sachsen umfasst Teile [[Niederschlesien]]s rund um [[Görlitz]] und [[Hoyerswerda]] sowie Teile der Provinz Sachsen nördlich von Leipzig.<br />
|-<br />
| [[Sachsen-Anhalt]]<br />
| Sachsen-Anhalt ist der Nachfolgestaat der preußischen [[Provinz Sachsen]]. Mit Ausnahme des ehemaligen [[Freistaat Anhalt|Freistaats Anhalt]] und braunschweigischer Gebiete (Ost-[[Landkreis Blankenburg]], [[Calvörde]]) gehörte das Landesgebiet früher ganz zu Preußen. Der 1815 gegründete [[Regierungsbezirk Magdeburg]] wurde erst 2004 aufgelöst. Der [[Regierungsbezirk Merseburg]] bestand als [[Regierungsbezirk Halle]] ebenfalls bis 2004 weiter. In der DDR gab es an ihrer Stelle die [[Bezirk (DDR)|Bezirke]] [[Bezirk Magdeburg|Magdeburg]] und [[Bezirk Halle|Halle]].<br />
|-<br />
| [[Schleswig-Holstein]]<br />
|Schleswig-Holstein ging − wie Brandenburg − unmittelbar aus der ehemaligen preußischen [[Provinz Schleswig-Holstein]] hervor. Fast das gesamte Landesgebiet gehörte zu Preußen, einige Gebiete (vor allem [[Großhansdorf]], die Städte [[Lübeck]], [[Geesthacht]] und der [[Kreis Eutin]]) allerdings erst seit dem [[Groß-Hamburg-Gesetz]] von 1937. Die mecklenburgischen Gemeinden [[Bäk]], [[Mechow]], [[Römnitz]], [[Ziethen (Lauenburg)|Ziethen bei Ratzeburg]] sowie die [[Domhof Ratzeburg|Ratzeburger Domfreiheit]] kamen erst im November 1945 durch das [[Barber-Ljaschtschenko-Abkommen]] dazu. <br />
|-<br />
| [[Thüringen]]<br />
| Der Norden und die Mitte des heutigen Freistaats gehörten zum [[Regierungsbezirk Erfurt]] in der [[Provinz Sachsen]].<br />
|}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste der Provinzen Preußens]]<br />
* [[Liste der Landkreise Preußens]]<br />
* [[Liste der Stadtkreise Preußens]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Besitzungen und Provinzen Preußens<br />
|Navigationsleiste Provinzen Preußens<br />
}}<br />
<br />
[[Kategorie:Politik (Preußen)]]<br />
[[Kategorie:Verwaltungsgliederung Preußens| ]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Vandalismusmeldung&diff=168633650Wikipedia:Vandalismusmeldung2017-08-31T00:11:57Z<p>Exec: Neuer Abschnitt /* Benutzer:DIREKTOR */</p>
<hr />
<div>{{Weiterleitungshinweis|WP:VM|Siehe auch: [[Wikipedia:Vermittlungsausschuss]].}}<br />
{{/Intro}}<!-- Beachte bitte, dass Anzahl Tage („Alter=“) mit „Wikipedia:Vandalismusmeldung/Intro“ übereinstimmen soll. --><br />
<br />
== [[Benutzer:Pass3456]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|Pass3456}} <br />
<br />
Grober PA: [https://de.wikipedia.org/w/index.php?diff=168611451&oldid=168609477&title=Diskussion:G20-Gipfel_in_Hamburg_2017 "Wenn jemand hingegen '''eine Streitschrift gegen das Schweinesystem verfassen will''' ist der TAZ Belge natürlich so gut wie jeder andere oder auch gar keiner."]<br />
<br />
Ich hatte direkt vorher ausführlich und sachlich die Vorteile eines taz-Berichts für eine konkrete Information [https://de.wikipedia.org/w/index.php?diff=168609280&oldid=168607162&title=Diskussion:G20-Gipfel_in_Hamburg_2017 erläutert]. Daraufhin vergleicht er das / mich mit "jemand", der ein Terroristenpamphlet in der Sprache der RAF beabsichtigt. Das ist etwas zu abgedreht und kein Maß von Polemik, das man anderen Benutzern (egal wem) antun kann. <br />
<br />
[[Benutzer:Kopilot|Kopilot]] ([[Benutzer Diskussion:Kopilot|Diskussion]]) 13:11, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
:Ich bitte alle Beteiligten, verbal abzurüsten bzw. unsachliche Passagen vorsichtig zu entfernen und sich nur auf das Thema zu konzentrieren. Du hast ja bereits geantwortet [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:G20-Gipfel_in_Hamburg_2017&diff=next&oldid=168611451] und könntest den Passus gem. [[WP:KPA]] und [[WP:DS]] entfernen, anstatt hier nach Deiner Antwort [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Vandalismusmeldung&diff=prev&oldid=168615836] vorstellig zu werden. Die beanstandete Wendung ist nicht sachlich und daher überflüssig. Auf der Disk. finden sich allerdings zahlreiche politische Einschätzungen und Unterstellungen auch von Deiner Seite, die einen bestimmten POV beim Diskussionsgegner vermuten und hervorheben, die eigene Position adelnd, auf Sympathie hoffend..., was letztlich sinnlos ist, denn der potentielle Leser mag ja einen ganz anderen POV haben. Neben DonPedro wirst auch Du nicht müde, anderen Mitarbeitern Haltungen zu unterstellen und häufig ebenfalls gegen KPA zu verstoßen, indem Du irgendwo sinngemäß von „Polizeistaats-POV“, antidemokratischen Tendenzen (Diffs und genauen Wortlaut suche ich jetzt aus Zeitgründen nicht) etc. sprichst. Rax hat es bislang recht gut gemacht, allerdings wird der Artikel in einigen Tagen wieder „frei" sein, bei erneuten Verstößen sollten die je Verantwortlichen ausgebremst werden.<br />
<br />
:So könnte dieser an sich ja richtige Hinweis, auf unsachliche und aggressive Polemik zu verzichten, [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:G20-Gipfel_in_Hamburg_2017&diff=prev&oldid=168560082] auch Dir häufig entgegengehalten werden.<br />
:Nebenbei: Du hast sicher etliche heiße Eisen vorangebracht und kannst mit riesigen Textmasse umgehen, schnell antworten und Dinge strukturieren. Deine Stärken liegen m.E. eher in den Bereichen Christentum, evangelische Theologie, Antisemitismus und Verschwörungstheorien usw., nicht dort, wo es um Rechtsfragen oder politische Ereignisse geht. --[[Benutzer:Gustav von Aschenbach|Gustav]] ([[Benutzer Diskussion:Gustav von Aschenbach|Diskussion]]) 15:14, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
::Von mir findest du auf der ganzen Seite NIRGENDS einen PA dieses Kalibers. Ich habe niemand Editieren für ein "Schweinesystem" vorgeworfen und käme nicht entfernt auf die Idee, in der Erläuterung eines normalen Zeitungsbelegs eine derartige POV-Absicht zu sehen.<br />
::Ich hatte mehrmals angriffige Formulierngen von mir freiwillig und unaufgefordert gelöscht. <br />
::Im Kontext des Threads habe ich ich niemand POV unterstellt, und es war schon fast Konsens erreicht. <br />
::Und selbst wenn nicht, rechtfertigt das natürlich NICHT so einen PA. Also ist auch das Verknüpfen mit anderem falsch, wie jeder Kenner von WP:KPA weiß. <br />
::Und NEIN, ich habe Pass3456 danach nicht geantwortet, sondern nur für Dritte festgestellt, wie ich sein Verhalen sehe. Ich werde seinen PA nach den bisherigen Erfahrungen dort nicht selbst löschen. Falls niemand das löscht, kann ich dort nicht mehr mit Pass3456 zusammenarbeiten. [[Benutzer:Kopilot|Kopilot]] ([[Benutzer Diskussion:Kopilot|Diskussion]]) 16:12, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
== [[Benutzer:Schloss Nymphenburg]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|Schloss Nymphenburg}}: Frische Socke, ungeeigneter Benutzername (keine Einsicht [[Benutzer_Diskussion:Schloss_Nymphenburg#Dein_Benutzername|auf Benutzerdisk]]), Alibiedits, Editwar um Petitesse: [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Karl_Marek_(1850%E2%80%931937)&diff=prev&oldid=168629007][https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Karl_Marek_(1850%E2%80%931937)&diff=prev&oldid=168629378][https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Karl_Marek_(1850%E2%80%931937)&diff=prev&oldid=168629007]. Fazit: kWzeMe --[[Benutzer:Otberg|Otberg]] ([[Benutzer Diskussion:Otberg|Diskussion]]) 21:59, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
:{{ping|Otberg}} Nachdem ich mittlerweile weiß was eine Socke ist und mich eingelesen habe, kann ich dir nur raten, einen Checkuser-Antrag zu stellen. Denn so ist es nur ein unhaltbarer Vorwurf. Wie in der Formatvorlage Biografie, die du verlinkt hast, zu lesen ist, kann man die Nationalität verlinken. Einen sachdienlichen Hinweis deinerseits auf der Diskussionsseite, vermisse ich. [https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Karl_Marek_(1850%E2%80%931937)] Beste Grüsse --[[Benutzer:Schloss Nymphenburg|Nymphenburg]] ([[Benutzer Diskussion:Schloss Nymphenburg|Diskussion]]) 22:10, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
::Verlinkungen auf Deutschland, Österreich und Schweiz sind völlig unnötig, diese dienen nur dem Editcounter um der neuen Socke die Stimmberechtigung zu verschaffen. Editwar gegen Artikelersteller wegen Geschmacksfragen ist Nogo. Konto ist mehr als verzichtbar. --[[Benutzer:Otberg|Otberg]] ([[Benutzer Diskussion:Otberg|Diskussion]]) 22:15, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
:::Außerdem weise ich dich darauf hin, dass der Benutzername laut [[Wikipedia:Benutzername]] keinen Fehler aufweist. Es gibt keinerlei offizielle Stelle, die den selben Namen trägt. Für das Gebäude als Name ist keine Verifizierung notwendig. Deine Vorwürfe, ich sei eine Socke sind nicht haltbar. Bitte unterlasse sie, solange du keinerlei Beweise hast. --[[Benutzer:Schloss Nymphenburg|Nymphenburg]] ([[Benutzer Diskussion:Schloss Nymphenburg|Diskussion]]) 22:19, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
:::Unterlasse Deine unbelegten Sockenpuppenvorwürfe - das ist ein NoGo - und sowas von einem "Admin" <span style="color:black;font-family:Trebuchet">[[Benutzer:Majo statt Senf| -- - Majo <s>Senf</s>]] - <sup>[[Benutzer Diskussion:Majo statt Senf|Mitteilungen an mich]]</sup> </span> 22:21, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
::::Das ist sicher kein neuer Mitarbeiter; die Frage war [https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Vandalismusmeldung/Archiv/2017/08/21#Benutzer:Schloss_Nymphenburg_.28erl..29 hier] bereits aufgetaucht. Für mich ist das Alkim aka FT aka usw.. Das Spielchen mit diesem Benutzer muss nicht immer neu gespielt werden. --[[Benutzer:Horst Gräbner|Horst Gräbner]] ([[Benutzer Diskussion:Horst Gräbner|Diskussion]]) 22:41, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
::::VM-Missbrauch von jemandem, der es eigentlich besser wissen sollte. Und einen EW wegen der Ablehnung einer Verlinkung aufgrund der gewünschten Sonderbehandlung für bestimmte Staaten (auf welcher sachlichen Grundlage eigentlich?) zu starten, ist nur noch lächerlich. Nicht belegte Sockenpuppenvorwürfe halte ich für billig und bedenklich - auch das von jemandem, dem das Regelwerk bekannt sein sollte. --[[Benutzer:RonaldH|RonaldH]] ([[Benutzer Diskussion:RonaldH|Diskussion]]) 22:46, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
Siehe [[Schloss Nymphenburg]]. Verifizierung wird verweigert, ergo Konto schließen, egal ob Alkim oder nicht. --[[Benutzer:Otberg|Otberg]] ([[Benutzer Diskussion:Otberg|Diskussion]]) 22:55, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
:An dieser Stelle hat der Benutzer aber recht. Hier gibt es nichts zu verifizieren, weil es sich lediglich um ein Gebäude handelt. [[Benutzer:MBxd1|MBxd1]] ([[Benutzer Diskussion:MBxd1|Diskussion]]) 23:03, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
::Sonst müßtest du nachweisen, daß du ein Triebwagen bist... ;) --[[Benutzer:Ralf Roletschek|M@rcela]] [[Bild:Miniauge2.gif|27px]] 23:04, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
:::Nochmals von meiner Benutzerseite kopiert: Ich habe mir soeben die Seite [[[[Hilfe:Benutzerkonto anlegen#Ungeeignet]] durchgelesen, und kann es leider nicht nachvollziehen. Auf dieser Seite steht nicht, dass man sich nicht nach einem Gebäude benennen darf. Das Schloss Nymphenburg wird von der [http://www.schloss-nymphenburg.de/deutsch/ueberuns/index.htm Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen], exakt [Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg] verwaltet. Da ich mich nicht als diese Organisation ausgebe, dürfte das hiermit erledigt sein. Außerdem war der Name Nymphenburg schon vergeben. --[[Benutzer:Schloss Nymphenburg|Nymphenburg]] ([[Benutzer Diskussion:Schloss Nymphenburg|Diskussion]]) 23:35, 30. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
::::Sinnloses Layering. Schloss Nymphenburg suggeriert Du sprichst für das Schloss Nymphenburg, egal wer der Rechtsträger ist. Das Ganze ist ohnehin nur ein Zeichen für die mangelnde Seriösität des Accounts, der eine typische Edithistorie eines Sperrumgehers hat. Das erkennt jeder erfahrene Benutzer ohne viel Aufwand. --[[Benutzer:Otberg|Otberg]] ([[Benutzer Diskussion:Otberg|Diskussion]]) 00:02, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
== Neuanmeldungslogbuch (erl.) ==<br />
<br />
Bitte das [[Spezial:Logbuch/newusers|Neuanmeldungslogbuch]] 00:09:52 beachten. Bei solchen Benutzernamen kommt üblicherweise um die Uhrzeit auch nichts sinnvolles. --[[Benutzer:Codc|<span style="color:black;font-family:Comic Sans MS">codc </span>]]<sup>[[Benutzer Diskussion:Codc|<code style="border:none;background:none">Disk</code>]]</sup> 00:14, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
by Zollernalb. --[[Benutzer:Logograph|Logo]] 00:53, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
== [[Benutzer:87.166.55.80]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|87.166.55.80}} Friedjof mit neuen Stubs [[Benutzer:Codc|<span style="color:black;font-family:Comic Sans MS">codc </span>]]<sup>[[Benutzer Diskussion:Codc|<code style="border:none;background:none">Disk</code>]]</sup> 00:56, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>87.166.55.80 wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Neozoon}} Neozoon]</span> für ''1 Tag'' gesperrt, Begründung war: ''Sperrumgehung, keine Besserung erkennbar: gemäß VM Friedjof mit neuen Stubs''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 01:08, 31. Aug. 2017 (CEST)</div><br />
<br />
== [[Benutzer:79.243.127.135]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|79.243.127.135}} Hat nachher Schule und muss schlafen. [[Benutzer:Codc|<span style="color:black;font-family:Comic Sans MS">codc </span>]]<sup>[[Benutzer Diskussion:Codc|<code style="border:none;background:none">Disk</code>]]</sup> 01:06, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>79.243.127.135 wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Neozoon}} Neozoon]</span> für ''1 Tag'' gesperrt, Begründung war: ''[[WP:Vd|Unsinnige Bearbeitungen]]: gemäß VM''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 01:09, 31. Aug. 2017 (CEST)</div><br />
<br />
== [[Benutzer:Aktiengesellschaftsharmagedon]] (erl.) ==<br />
<br />
{{Benutzer|Aktiengesellschaftsharmagedon}} Reine Beschäftigungstherapie für die [[WP:AU|Auskunft]]. [[Benutzer:Codc|<span style="color:black;font-family:Comic Sans MS">codc </span>]]<sup>[[Benutzer Diskussion:Codc|<code style="border:none;background:none">Disk</code>]]</sup> 01:25, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
Die Anderen Sachen waren schon schwach aber die letzte Anfrage ist tatsächlich zu eindeutig, 1 Tag Pause Groetjes --[[Benutzer:Neozoon|Neozoon]] ([[Benutzer Diskussion:Neozoon|Diskussion]]) 01:33, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<div style='clear:both;padding:0 5px 0 15px; border-left: 2px green solid;border-right:2px green solid;'>Aktiengesellschaftsharmagedon wurde von <span class="plainlinks">[{{canonicalurl:User:Neozoon}} Neozoon]</span> für ''1 Tag'' gesperrt, Begründung war: ''Meta[[WP:SOP|sockenpuppe]] oder -diskussionsaccount/-IP: Gemäß VM Beschääftigungstherapie auf der Auskunft mit Pädophilie Thema''. –[[Benutzer:Xqbot|Xqbot]] ([[Benutzer Diskussion:Xqbot|Diskussion]]) 01:34, 31. Aug. 2017 (CEST)</div><br />
<br />
== [[Benutzer:Quickhand]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|Quickhand}} Werbetreibende für den bereits gelöschten [[TEC-Verlag]] [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Quickhand&diff=prev&oldid=168633390 PA-Kurs]. Besteht auf seine SEO-Links. [[Benutzer:Codc|<span style="color:black;font-family:Comic Sans MS">codc </span>]]<sup>[[Benutzer Diskussion:Codc|<code style="border:none;background:none">Disk</code>]]</sup> 01:59, 31. Aug. 2017 (CEST)<br />
<br />
== [[Benutzer:DIREKTOR]] ==<br />
<br />
{{Benutzer|DIREKTOR}} Der Nutzer begann 2015 damit meine Karte zu modifizieren. Dies tat er handwerklich schlecht und inhaltlich falsch. Erst an einer Stelle dann an einer anderen, aber immer falsch. Es folgte eine lange Diskussion (siehe Links) bei der ich alle seine "Ideen" und seine "Meinung" zu Änderungen mit ihm diskutiert habe und ihm, aus meiner Sicht, rational, sachlich und klar erläutert habe warum seine Ansichten dazu inkorrekt sind und bestimmte Änderungen unsinnig. Zunächst schien er aufzugeben, ging dann aber dazu über eine eigene Kopie zu erstellen, seine "Verbesserungen" einzubauen und dann meine Karte in allen Artikeln auszutauschen. Ich meldete alles, revertierte alles, forderte die Löschung seiner Kopien und es sah wieder eine Weile ruhig aus. Nun hat er mit dem Global Replace Tool einfach in Sekunden wieder alle meine Karten ausgetauscht. Das muss aufhören.<br />
<br />
Ich bin beruflich qualifiziert die Gestaltung und in den thematischen Inhalt dieser Karten zu beurteilen, er nicht. Das Problem scheint aber zu sein, dass der Nutzer ein klassischer Typ mit einer Macke zu sein scheint. Er will nicht einsehen, dass seine Vorstellung keine Verbesserung ist und die "Admins" sind bisher keine Hilfe, da diese nicht im Thema sind und meinen seine Änderungen könnten durch die Community "verhandelbar" sein. Sie machen die Karten aber inhaltlich tatsächlich falsch. <br />
<br />
Es mag Admins egal sein, aber ich habe schon einige wichtige Karten zum Thema NS für Wikipedia gemacht, aber wenn Vandalismus nicht unterbunden wird und Fachleute die etwas Eigenes beitragen auf eine Stufe gestellt werden mit, Entschuldung, Spinnern die mit Paint in den Karten rum hantieren, keine Ahnung von den historischen Details und der Konzeption von Karten haben, sehe ich keinen Sinn darin weiter irgendetwas zu Wikipedia beizutragen. Wenn es Laien wirklich gelingt nach Belieben professionelle Beiträge zu verschlechtern bin ich bald raus und veröffentliche lieber einen Altas.<br />
<br />
Ich hoffe in diesem Anlauf einen Weg zu finden diesen Nutzer von seinem Fetisch abzubringen und einen zu finden Admin der inhaltlich so weit im Thema ist um die Unsinnigkeit seiner Änderungen zu erkennen.<br />
<br />
<br />
Diskussion:<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File_talk:Greater_German_Reich_NS_Administration_1944.png<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:DIREKTOR#stop_.22tweaking.22_Greater_German_Reich_NS_Administration_1944<br />
<br />
meine Originale (Kartenserie):<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Greater_German_Reich_NS_Administration_1944.png<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grossdeutsches_Reich_NS_Administration_1944.png<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grossdeutsches_Reich_Staatliche_Administration_1944.png<br />
<br />
seine Replikate<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Internal_divisions_of_Germany_1944.png<br />
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Administrative_divisions_of_Germany,_February_1944.png<br />
<br />
<br />
--[[Benutzer:Exec|Exec]] ([[Benutzer Diskussion:Exec|Diskussion]]) 02:11, 31. Aug. 2017 (CEST)</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gau_Westfalen-Nord&diff=167729923Gau Westfalen-Nord2017-07-30T17:40:42Z<p>Exec: /* Geschichte und Struktur */ Zugehörigkeit des Landkreises Grafschaft Schaumburg außerhalb der Provinz Westfalen war bisher unerwähnt.</p>
<hr />
<div>[[File:NS administrative Gliederung 1944.png|mini|Gaue des Deutschen Reiches 1944]]<br />
Der '''Gau Westfalen-Nord''' war als [[Parteigau]] eine Gliederung der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)]]. <br />
<br />
== Geschichte und Struktur ==<br />
Einen '''Gau Westfalen''' gab es bereits seit 1924 unter dem [[Freikorps]]- und späteren [[Sturmabteilung|SA]]-Führer [[Franz Pfeffer von Salomon]]. Schon 1926 ging er im '''Gau Ruhr''' unter [[Karl Kaufmann (Gauleiter)]] bzw. ab 1929 [[Josef Wagner (Gauleiter)]] auf. Der nach der Abtrennung von [[Adolf Hitler]] eingesetzte [[Gauleiter]] von 1931 bis 1945 war [[Alfred Meyer (NSDAP)|Alfred Meyer]] MdR, sein Stellvertreter seit 1931 [[Peter Stangier]] MdR. Der Gau umfasste das nördliche Gebiet der preußischen [[Provinz Westfalen]], also die damaligen Regierungsbezirke [[Regierungsbezirk Münster|Münster]] und [[Regierungsbezirk Minden|Minden]] (heute [[Regierungsbezirk Detmold]]), dem Landkreis [[Grafschaft Schaumburg]] der [[Provinz Hessen-Nassau]] bzw. der [[Provinz Hannover]] (ab 30.09.1932) sowie die Gebiete der Länder [[Schaumburg-Lippe]] und [[Lippe (Land)|Lippe]]. Sein Pendant war der [[Gau Westfalen-Süd]]. <br />
<br />
Auf der Staatsseite wurde der konservative Katholik (DNVP) [[Ferdinand von Lüninck]] wurde 1933 zum [[Oberpräsident]]en der preußischen [[Provinz Westfalen]] ernannt und erst 1938 durch den Gauleiter Meyer ersetzt, womit die Staats- und die Parteiebene nicht mehr zu trennen waren. Schon seit dem 16. Mai 1933 war Meyer [[Reichsstatthalter]] in den Ländern [[Schaumburg-Lippe]] und [[Lippe (Land)|Lippe]]. Am 24. Februar 1936 wurde er dort ''Führer der Landesregierung'' und Staatsminister (Ministerpräsident) (mit Wirkung vom 1. Februar 1936). [[Karl-Friedrich Kolbow]] sorgte als Landeshauptmann für die Durchsetzung der NS-Politik.<br />
<br />
Eine Parteizeitung gab es mit der ''Roten Erde'', die in Bochum erschien, sowie der ''[[Nationalzeitung (Essen)]]''. Der Verwaltungssitz des Gaus war bis 1. Oktober 1932 in [[Gelsenkirchen]], dann in der Provinzialhauptstadt [[Münster]] in wechselnden Gebäuden, ab Ende 1936 in der Bismarck-Allee 5.<ref>Joachim Kuropka: ''[http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-9311.pdf Auf dem Weg in die Diktatur]''. In: Westfälische Zeitschrift 134, 1984, S. 184 / [http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org Internet-Portal „Westfälische Geschichte“]</ref> Die Fläche betrug 14.559 km², die Einwohnerzahl (1941) 2.822.603. Gauamtsleiter und Gauinspekteur war von 1936 bis 1938 [[Wilhelm Rosenbaum (Politiker)|Wilhelm Rosenbaum]], Gaupropagandaleiter und Gaukulturwalter der spätere [[Reichskommissar für die Niederlande]] [[Fritz Schmidt (Generalkommissar)]]. Der Münsteraner [[Hermann Bartels (Architekt)]] war Gaukulturamtsleiter und für die Renovierung der [[Wewelsburg]] sowie die Umgestaltung der Gauhauptstadt Münster zuständig. [[Gauwirtschaftsberater]] war der IHK-Präsident [[Christian Franke (Politiker, 1891)|Christian Franke]]. [[Gauführerschule]]n bestanden in [[Schloss Nordkirchen]] und in [[Lübbecke]] (Am Weingarten).<br />
<br />
Meyer vereinte viele weitere staatliche Ämter auf sich: Beauftragter des [[Reichsverteidigungskommissar]]s für den [[Wehrkreis]] VI im Gau Westfalen-Nord, zugleich Mitglied des Verteidigungsausschusses des Wehrkreises VI, 17. Dezember 1939 mit städtebaulichen Maßnahmen für Münster beauftragt, 29. Mai 1940-20. Februar 1942 "für die Dauer der Abwesenheit des Oberpräsidenten Terboven" (in Norwegen) mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichsverteidigungskommissars im Wehrkreis VI beauftragt, 15. November 1940-1945 Gauwohnungskommissar des Gaues Westfalen-Nord, 20. Januar 1942 Teilnehmer der "[[Wannsee-Konferenz]]", 6. April 1942-1945 Beauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz [[Fritz Sauckel]] für den Gau Westfalen-Nord, 16.11.1942-11.04.1945 Reichsverteidigungskommissar für den Gau Westfalen-Nord, 25. September 1944-1945 Führer des [[Deutscher Volkssturm|Deutschen Volkssturms]] im Gau Westfalen-Nord. Er verübte wahrscheinlich am Ende mit einem Bekenntnis zu Hitler Selbstmord.<br />
<br />
Meyer versuchte mit einer regionalen Kulturpolitik Loyalitäten zu sichern. So führte er den [[Westfalentag]] im Sinne der NSDAP und der [[Heimatschutzbewegung]] durch, ließ in Lippe den Dichter [[Christian Dietrich Grabbe]] hochleben und pflegte den Kult um das [[Hermannsdenkmal]]. 1938 schuf er die [[Annette von Droste-Hülshoff]]-Tage. Im Ruhrgebiet wurde der erfolgreiche Fußballverein [[Schalke 04]] besonders geehrt, um die Sympathien der Arbeiterschaft zu gewinnen.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* ''Der Gau Westfalen-Nord'', hrsg. vom Gau Westfalen-Nord. Vorw. Alfred Meyer, Detmold: Lippische Staatszeitung/NS-Verlag 1939<br />
* Joachim Kuropka: ''Auf dem Weg in die Diktatur. Zu Politik und Gesellschaft in der Provinzialhauptstadt Münster 1929-1934 '', in: Westfälische Zeitschrift 134, 1984, S. 157–199 <br />
* Heinz-Jürgen Priamus: ''Regionale Aspekte in der Politik des nordwestfälischen Gauleiters Meyer'', in: Möller/Wirsching/Ziegler: ''Nationalsozialismus in der Region: Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich'', München 1996, S. 175–198 ISBN 3-486-64500-5<br />
* Christoph Schmidt: ''Nationalsozialistische Kulturpolitik im Gau Westfalen-Nord: regionale Strukturen und lokale Milieus (1933-1945)'', Paderborn u.a. 2005 <br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Internetquelle |url=http://www.verwaltungsgeschichte.de/gau_wnord.html |titel=Der Gau Westfalen-Nord |autor=Michael Rademacher |werk=Homepage Deutsche Verwaltungsgeschichte 1871-1990 |datum= |zugriff=2010-1-3 |kommentar= }}<br />
* [http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=251&url_tabelle=tab_person Internet-Portal Westfälische Geschichte]<br />
* [http://www.tenhumbergreinhard.de/taeter-und-mitlaeufer/die-hoheitstraeger-der-nsdap/gau-westfalen-nord.html Reinhard Tenhumberg: Gau Westfalen-Nord mit den Kreisleitern und Ortsgruppen]<br />
<br />
== Einzelbelege ==<br />
<references/><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=5165686-3|VIAF=143907808}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Gaue im NS-Staat}}<br />
{{Coordinate|article=/|NS=51.961893|EW=7.635434|type=landmark|region=DE-NW}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Gau Westfalennord}}<br />
[[Kategorie:Gau (NSDAP)|Westfalennord]]<br />
[[Kategorie:Provinz Westfalen]]<br />
[[Kategorie:Geschichte (Lippe)]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Münster)]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Gelsenkirchen)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet in den 1920er Jahren]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Reichsstatthalter&diff=142388368Reichsstatthalter2015-05-22T21:57:51Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den Reichsstatthalter im Deutschen Reich 1933–1945. Für den Statthalter des Reiches 1879–1918 in Elsaß-Lothringen siehe [[Statthalter]].}}<br />
In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] im [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutschen Reich]] von 1933 bis 1945 gab es '''Reichsstatthalter''' für in etwa den deutschen Teilstaaten entsprechende, reichsunmittelbare Verwaltungsbezirke.<ref>Ralf Gebel, ''„Heim ins Reich!“ Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945)'', 2. Aufl., Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56468-4, S.&nbsp;[http://books.google.de/books?id=UVssq26mK0wC&pg=PA96&dq=bildung+reichsgaue&hl=de&ei=08RxTKSqLoXDswadzJzDBg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=4&ved=0CDoQ6AEwAw#v=onepage&q=bildung%20reichsgaue&f=false 96].</ref> Sie waren als Beauftragte der Reichszentrale auf der Ebene der [[Reichsgau]]e mit Überwachungs-, Eingriffs- und Leitungsfunktionen betraut und verantwortlich für die länderseitige [[Gleichschaltung]], die mit dem ''[[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|Vorläufigen Gleichschaltungsgesetz]]'' vom 31. März 1933 eingeleitet worden war. Ihre Aufgabe entsprach in etwa der des Landespräsidenten, teilweise übten sie dieses Amt in [[Personalunion]] aus.<br />
<br />
== Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933 ==<br />
=== Befugnisse ===<br />
Die neu eingesetzten Reichsstatthalter hatten die Aufgabe, für die Beachtung der vom [[Reichskanzler]] [[Adolf Hitler]] aufgestellten ''Richtlinien der Politik'' zu sorgen. Ihnen standen im Wesentlichen die folgenden Befugnisse zu:<br />
* Ernennung und Entlassung des Vorsitzenden der Landesregierung,<br />
* Auflösung und Anordnung der Neuwahl des Landtags,<br />
* Ausfertigung und Verkündung der Landesgesetze,<br />
* Ernennung und Entlassung der wichtigsten Staatsbeamten und Richter,<br />
* das [[Begnadigungsrecht]].<br />
<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Länder und Reichsgaue 1944]]<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|miniatur|Gaue der NSDAP 1944]]<br />
<br />
<br />
=== Land Preußen ===<br />
In [[Freistaat Preußen|Preußen]] übte der Reichskanzler die Geschäfte des Reichsstatthalters aus. Damit sollte der Dualismus [[Deutsches Reich|Reich]]/[[Preußen]] ein Ende finden; der größte Teilstaat sollte endgültig im Reich „aufgehen“. Die Befugnisse des Reichsstatthalters in Preußen waren von Hitler bereits am 10. April 1933 dem preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertragen worden.<br />
<br />
Seit dem 27. November 1934 wurden ferner „bis zur Durchführung der Neugliederung des Reiches“ in Preußen die [[Oberpräsident]]en für den Bereich ihrer [[Provinz]]en zu ''ständigen Vertretern'' der [[Reichsregierung]] ernannt. Sie hatten die Befugnis, sich von sämtlichen Reichs- und Landesbehörden in ihrem Bereich unterrichten zu lassen und „sie auf die maßgebenden Gesichtspunkte und die danach erforderlichen Maßnahmen ''aufmerksam'' zu machen“. Ferner durften sie bei Gefahr im Verzug [[einstweilige Anordnung]]en treffen.<br />
<br />
=== Außerpreußische Länder (ohne Saarland) ===<br />
Für jedes größere ''außer''preußische Land war ein Reichsstatthalter bestimmt. Für Länder unter zwei Millionen Einwohner gab es gemeinsame Bezirke mit anderen Ländern (z.&nbsp;B. Oldenburg und Bremen, Mecklenburg und Lübeck, Lippe und Schaumburg-Lippe).<br />
<br />
In fast allen Fällen ernannte Hitler ausgewählte [[Gauleiter]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] zu Reichsstatthaltern; neben Preußen, wo er selbst bzw. Göring dieses Amt versahen, bildete einzig Bayern mit [[Franz Ritter von Epp|Franz von Epp]] eine Ausnahme.<br />
<br />
Die landespolitischen Befugnisse dieser Reichsstatthalter/Gauleiter bildeten einen wichtigen Hebel zur nationalsozialistischen Durchdringung des Staatsapparates. Zugleich erfolgte dadurch eine machtpolitische Differenzierung im Kreis der NS-Gauleiter, ja selbst innerhalb der Reichsstatthalter: Einige durften nach 1935 Reichsstatthalter- und Ministerpräsidenten-Ämter kombinieren, andere Reichsstatthalter- und Oberpräsidentenämter.<br />
<br />
== Reichsstatthaltergesetz vom 30. Januar 1935 ==<br />
<br />
Nunmehr wurden alle Reichsstatthalter für ihren Bezirk zu ''ständigen Vertretern'' der Reichsregierung und hatten die Aufgabe, „für die Beobachtung der vom Führer und Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik zu sorgen“.<br />
<br />
Sie hatten ebenso wie die preußischen Oberpräsidenten die Befugnis, sich von sämtlichen Reichs- und Landesbehörden in ihrem Bereich ''unterrichten zu lassen'' und „sie auf die maßgebenden Gesichtspunkte und die danach erforderlichen Maßnahmen ''aufmerksam'' zu machen“. Ferner durften sie bei Gefahr im Verzug ''einstweilige Anordnungen'' treffen. Darüber hinaus konnte der Reichsstatthalter auch mit der Führung einer Landesregierung beauftragt werden. Für den Zuschnitt der Bezirke der Reichsstatthalter trat keine Änderung ein.<br />
<br />
== Saarland/„Westmark“ ==<br />
<br />
Nach der „Rückgliederung“ des [[Saargebiet]]es ab 1. März 1935 wurde in Saarbrücken eine neue Verwaltungsbehörde eingerichtet, die bis 1944 unter der Führung von [[Josef Bürckel]] stand, zum Kriegsende unter [[Willi Stöhr]] (ab 4. Oktober 1944 zunächst kommissarisch, ab 31. Januar 1945 dann als Gauleiter des Gaus Westmark). Bürckel erhielt den Titel „[[Reichskommissar]] für die Rückgliederung des Saarlandes“ und hatte als ständiger Vertreter der Reichsregierung im [[Saarland]] die Aufgabe, für die Beachtung der von ''[[Führer#Adolf Hitler|Führer]] und Reichskanzler'' Hitler aufgestellten Richtlinien der Politik zu sorgen.<br />
<br />
Die Behördenbezeichnung änderte sich im Laufe der Jahre wie folgt:<br />
* 11. Februar 1935: ''Reichskommissar für die Rückgliederung des Saargebiets'',<br />
* 17. Juni 1936: ''Reichskommissar für das Saarland'',<br />
* 1940: ''Reichskommissar für die Saarpfalz'' (gemeinsame Verwaltung – kein formeller Zusammenschluss – des Saarlandes und des [[Bayerische Pfalz|bayerischen Regierungsbezirks Pfalz]]),<br />
* 1941: ''Reichsstatthalter in der Westmark'' (gemeinsame Verwaltung – kein formeller Zusammenschluss – des Saarlandes, des bayerischen Regierungsbezirks Pfalz und des [[CdZ-Gebiet Lothringen|CdZ-Gebietes Lothringen]]).<br />
<br />
== Reichsstatthalter im Altreich ==<br />
<br />
{| class="prettytable"<br />
! Statthalterbezirk !! Sitz !! Amtsinhaber<br />
|-<br />
| [[Baden (Land)|Baden]]<br />(1940–45 Baden-Elsaß) || [[Karlsruhe]] || [[Robert Wagner (Politiker)|Robert Wagner]]<br />
|-<br />
| [[Bayern]] || [[München]] || [[Franz Ritter von Epp|Franz von Epp]]<br />
|-<br />
| [[Freistaat Braunschweig|Braunschweig]]/[[Freistaat Anhalt|Anhalt]] || [[Dessau]] || 1933–1935: [[Wilhelm Friedrich Loeper|Wilhelm Loeper]]<br />1935–1937: [[Fritz Sauckel]]<br />1937–1945: [[Rudolf Jordan (Politiker)|Rudolf Jordan]]<br />
|-<br />
| [[Hamburg im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg|Hamburg]] || [[Hamburg]] || [[Karl Kaufmann (Gauleiter)|Karl Kaufmann]]<br />
|-<br />
| [[Volksstaat Hessen|Hessen]] || [[Darmstadt]] || [[Jakob Sprenger (Politiker)|Jakob Sprenger]]<br />
|-<br />
| [[Lippe (Land)|Lippe]]/[[Schaumburg-Lippe]] || [[Detmold]] || [[Alfred Meyer (NSDAP)|Alfred Meyer]]<ref>Heinz-Jürgen Priamus: ''Meyer. Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft. Biographische Konturen eines deutschen Bürgers''. Klartext Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0592-4.</ref><br />
|-<br />
| [[Mecklenburg-Schwerin]]/[[Lübeck]]/[[Mecklenburg-Strelitz]]<br />(1934–1937 Mecklenburg/Lübeck)<br />(1937–1945 Mecklenburg) || [[Schwerin]] || [[Friedrich Hildebrandt (Politiker)|Friedrich Hildebrandt]]<br />
|-<br />
| [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]/[[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] || [[Oldenburg (Oldenburg)]] || 1933–1942: [[Carl Röver]]<br />1942–1945: [[Paul Wegener (Gauleiter)|Paul Wegener]]<br />
|-<br />
| [[Preußen]] || [[Berlin]] || 1933–1935: [[Adolf Hitler]]<br />1935–1945: [[Hermann Göring]] ''(amtierend)''<br />
|-<br />
| [[Sachsen]] || [[Dresden]] || [[Martin Mutschmann]]<br />
|-<br />
| [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]] || [[Weimar]] || [[Fritz Sauckel]]<br />
|-<br />
| [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]] || [[Stuttgart]] || [[Wilhelm Murr]]<br />
|}<br />
<br />
== Reichsstatthalter in den angeschlossenen Reichsgauen ==<br />
<br />
In den neuen Reichsgauen ([[Reichsgau Sudetenland|Sudetenland]], [[Danzig-Westpreußen]], [[Wartheland]] und den [[Alpen- und Donau-Reichsgaue]]n) leitete der Reichsstatthalter die Verwaltung. Er war in Personalunion [[Gauleiter]] des gleichnamigen (Partei-)Gaues der NSDAP.<br />
<br />
{| class="prettytable"<br />
! Statthalterbezirk !! Sitz !! Amtsinhaber<br />
|-<br />
| [[Danzig-Westpreußen]] || [[Danzig]] || 1939–1945: [[Albert Forster]]<br />
|-<br />
| [[Kärnten]] || [[Klagenfurt]] || 1940–1941: [[Franz Kutschera (SS-Mitglied)|Franz Kutschera]]<br />1941–1945: [[Friedrich Rainer]]<br />
|-<br />
| [[Niederösterreich|Niederdonau]] (Niederösterreich) || [[Wien]] || 1940–1945: [[Hugo Jury]] <br />
|-<br />
| [[Oberösterreich|Oberdonau]] (Oberösterreich) || [[Linz]] || 1940–1945: [[August Eigruber]]<br />
|-<br />
| [[Salzburg (Bundesland)|Salzburg]] || [[Salzburg]] || 1940–1941: [[Friedrich Rainer]]<br />1941–1945: [[Gustav Adolf Scheel]]<br />
|-<br />
| [[Steiermark]] || [[Graz]] || 1940–1945: [[Sigfried Uiberreither]]<br />
|-<br />
| [[Sudetenland]] || [[Liberec|Reichenberg]] || 1939–1945: [[Konrad Henlein]]<br />
|-<br />
| [[Tirol-Vorarlberg]] || [[Innsbruck]] || 1940–1945: [[Franz Hofer (Gauleiter)|Franz Hofer]]<br />
|-<br />
| [[Wartheland]] || [[Posen]] || 1939–1945: [[Arthur Greiser]]<br />
|-<br />
| [[Westmark (Gau)|Westmark]] (Pfalz, Saarland, Lothringen) || [[Saarbrücken]] || 1941–1944: [[Josef Bürckel]]<br />1944–1945: [[Willi Stöhr]]<ref>{{cite web|url=http://verwaltungshandbuch.bayerische-landesbibliothek-online.de/stoehr-willi|title=Stöhr, Willi|publisher=[[Bayerische Landesbibliothek|Bayerische Landesbibliothek Online]]|date=2012-09-11|accessdate=2012-09-19}} Artikel von [[Joachim Lilla]] in: ''Staatsminister, leitende Verwaltungsbeamte und (NS-)Funktionsträger in Bayern 1918 bis 1945''.</ref><br />
|-<br />
| [[Groß-Wien]] || [[Wien]] || 1940{{0|–9999}}: [[Josef Bürckel]]<br />1940–1945: [[Baldur von Schirach]]<br />
|}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]<br />
* [[Preußenschlag]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.verfassungen.de/de/de33-45/gleichschaltung33-2.htm Reichsstatthaltergesetz]<br />
<br />
[[Kategorie:Recht (Deutsches Reich 1933–1945)]]<br />
[[Kategorie:Historische Amtsbezeichnung]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Nassau&diff=142388332Provinz Nassau2015-05-22T21:56:03Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{| class="toccolours" style="width:240px; margin-left: 1em; font-size: 85%;" align="right"<br />
|+ style="font-size: small; margin: inherit;" | Preußische Provinz<br /><span style="font-size: large; margin: inherit;">Nassau</span><br />
|-<br />
{| cellpadding="2" style="float: right; width: 235px; background: #e3e3e3; margin-left: 0em; border-spacing: 1px;"<br />
! style="background-color: #000000;" align="center"| <span style="color:#FFFFFF">Flagge Hessen-Nassau</span><br />
! style="background-color: #000000;" align="center"| <span style="color:#FFFFFF">Wappen Hessen-Nassau</span><br />
|- style="background: #C0C0C0; text-align: center;" <br />
|[[Bild:Flagge Preußen - Provinz Hessen-Nassau.svg|150px|Flagge der Provinz Hessen-Nassau]]<br />
|[[Bild:Wappen Hessen-Nassau.png|150px|Wappen der Provinz Hessen-Nassau]]<br />
|-<br />
{| cellpadding="2" style="float: right; width: 235px; background: #e3e3e3; margin-left: 0em; border-spacing: 1px;"<br />
! style="background-color: #000000;" align="center"| <span style="color:#FFFFFF">Flagge Nassau</span><br />
! style="background-color: #000000;" align="center"| <span style="color:#FFFFFF">Wappen Nassau</span><br />
|- style="background: #C0C0C0; text-align: center;" <br />
|[[Bild:Flagge Nassau.svg|150px|Flagge von Nassau]]<br />
|[[Bild:Wappen-Nassau.jpg|120px|Wappen von Nassau]]<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" bgcolor="#000000" | <span style="color:#FFFFFF"> '''Lage in Preußen''' </span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background:white;" | [[Datei:Province_of_Nassau_(1944).png|250px|Karte stellt das DR und darin hervorgehoben die Provinzen Preußens, insbesondere die Prov. Nassau, während der Zeit von 1944-45 dar.]]<br />
|-<br />
| Bestehen || style="background:white;" | 1944/45<br />
|-<br />
| Hauptstadt|Provinzhauptstadt || style="background:white;" | Wiesbaden<br />
|-<br />
| Fläche || style="background:white;" | 7.366,34 [[km²]] (1944)<br />
|-<br />
| Einwohner || style="background:white;" | ca. 1.670.000 (1930er Jahre, bezogen auf den Gebietsstand von 1944/45)<br />
|-<br />
| Entstanden aus || style="background:white;" | [[Provinz Hessen-Nassau]]<br />
|-<br />
| Nachfolger || style="background:white;" | Hessen (Regierungsbezirk Wiesbaden) und Rheinland-Pfalz (Regierungsbezirk Montabaur)<br />
|-<br />
| Heute Teil von || style="background:white;" | Hessen (Wiesbaden, Frankfurt, Hanau) und Rheinland-Pfalz (Montabaur)<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" bgcolor="#000000" | <span style="color:#FFFFFF"> '''Karte''' </span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" | [[Bild:Prov.-Nassau.png|275px|Landkarte der Preußischen Provinz Nassau]]<br />
|}<br />
|}<br />
|}<br />
Die [[Preußen|preußische]] Provinz '''Nassau''' bestand im Verband des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] von [[1944]] bis [[1945]].<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
== Geschichte ==<br />
Durch den "Erlaß des Führers über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau" vom 1. April 1944 wurde die preußische Provinz [[Hessen-Nassau]] mit Wirkung zum 1. Juli 1944 aufgelöst; ihre Regierungsbezirke Wiesbaden und Kassel bildeten nun die preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen (siehe auch [[Provinz Kurhessen]]). Allerdings wurden dem bisherigen Regierungsbezirk Wiesbaden die Stadt Hanau und die Landkreise Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern zugeteilt, die bisher zum [[Regierungsbezirk Kassel]] (jetzt Provinz Kurhessen) gehört hatten. Gleichzeitig wurde der [[Landkreis Herrschaft Schmalkalden|Landkreis Schmalkalden]], der bis dahin eine Exklave Hessen-Nassaus im Thüringischen darstellte, an den preußischen [[Regierungsbezirk Erfurt]] angeschlossen.<br />
<br />
Zum [[Oberpräsident]]en der neuen preußischen Provinz Nassau wurde der NS-Politiker [[Jakob Sprenger (Politiker)|Jakob Sprenger]] ([[NSDAP]]) ernannt, der außerdem in Personalunion Ministerpräsident von Hessen-Darmstadt, [[Reichsstatthalter]] für Hessen-Darmstadt und NSDAP-[[Gauleiter]] von Hessen-Nassau war. Mit der Ernennung zum Oberpräsidenten der Provinz Nassau vereinigte Jakob Sprenger auch alle staatlichen Spitzenpositionen innerhalb des Gebietes des NSDAP-Gaues Hessen-Nassau in seiner Person. Für die neue Provinz Nassau wurde, um Kosten zu sparen, keine neue Oberpräsidiums-Behörde eingerichtet. Der Oberpräsident der Provinz Nassau bediente sich der im [[Landeshaus (Wiesbaden)|Landeshaus in Wiesbaden]] angesiedelten, weiterbestehenden Behörde des bisherigen [[Regierungsbezirk Wiesbaden|Regierungsbezirks Wiesbaden]] (Regierungspräsidium). Stellvertreter des Oberpräsidenten war der [[Regierungspräsident (Deutschland)|Regierungspräsident]].<br />
<br />
Die 1944 erfolgte Teilung der bisherigen preußischen Provinz Hessen-Nassau in die neuen Provinzen Nassau und Kurhessen diente in erster Linie dem Zweck, die Gliederung der preußischen Verwaltungseinheiten auf dem Gebiet Hessens vollständig an die Struktur der [[Wehrkreis|Reichsverteidigungsbezirk]]e anzupassen. Die neue Provinz Nassau und das Land Hessen-Darmstadt entsprachen dem Reichsverteidigungsbezirk Rhein-Main, der wiederum identisch mit dem [[Struktur der NSDAP#Tabelle der Gaue inklusive vorheriger Strukturen und Leiter|NSDAP-Parteigau]] Hessen-Nassau war.<br />
<br />
Neben [[Adolf Hitler]], [[Martin Bormann]], [[Hans Heinrich Lammers]] und Jakob Sprenger war vor allem der aus Wiesbaden stammende Jurist und NS-Politiker [[Wilhelm Stuckart]], zu dieser Zeit Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren und unter dem letzten Reichspräsidenten [[Karl Dönitz]] Innenminister, an der Bildung der Provinz Nassau interessiert und federführend beteiligt.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
<br />
Sitz des Oberpräsidenten der Provinz Nassau war das Regierungspräsidium in Wiesbaden, dessen Regierungspräsident 1944/45 Stellvertreter des Oberpräsidenten der Provinz Nassau war.<br />
<br />
[[Bild:Landeshaus-Wiesbaden-Portikus.jpg|thumb|left|Das 1907 erbaute Landeshaus in Wiesbaden war Sitz des Oberpräsidenten der Provinz Nassau.]]<br />
<br />
Im März und April 1945 wurde das gesamte Gebiet der Provinz Nassau von US-amerikanischen Streitkräften besetzt. Die Provinz Nassau wurde von der [[Office of Military Government for Germany (U.S.)|Militärregierung der Vereinigten Staaten]] wieder in den Regierungsbezirk Wiesbaden umgewandelt, was mit dem Wegfall der Regierungsgewalt des Reiches (und damit auch Preußens) begründet worden war. Der neue Regierungsbezirk Wiesbaden war zunächst hinsichtlich seines territorialen Umfangs mit der von Juli 1944 bis Mai 1945 existierenden preußischen Provinz Nassau identisch. Zum Regierungspräsidenten ernannte die amerikanische Militärregierung am 4. Mai 1945 den Schöpfer des deutschen Rundfunks [[Hans Bredow]].<br />
<br />
Im Juli 1945 wurde der Regierungsbezirk Wiesbaden durch die nun dauerhaft festgelegte Zonengrenze zwischen US-amerikanischer und französischer Besatzungszone geteilt. Dadurch wurden die westlichen Landkreise Oberwesterwald, St. Goarshausen, Unterlahn und Unterwesterwald vom Regierungsbezirk Wiesbaden abgetrennt.<br />
<br />
Der zur Amerikanischen Zone gehörende restliche Hauptteil des Regierungsbezirks wurde am 19. September 1945 durch Erlass der amerikanischen Militärregierung zusammen mit dem preußischen Kurhessen und den [[Volksstaat Hessen|hessischen]] Provinzen [[Provinz Oberhessen|Oberhessen]] und [[Provinz Starkenburg|Starkenburg]] zum neuen Land [[Groß-Hessen]] (heutiges Bundesland [[Hessen]]) zusammengefasst. Die vier zur Französischen Besatzungszone gehörenden Landkreise Oberwesterwald, St. Goarshausen, Unterlahn und Unterwesterwald wurden 1946 von der französischen Militärregierung mit der südlichen Rheinprovinz, der Rheinpfalz und der bisher hessischen [[Provinz Rheinhessen]] zum neuen Land [[Rheinland-Pfalz]] vereinigt.<br />
<br />
Direkte verwaltungsmäßige Nachfolgegebilde der 1944/45 bestehenden preußischen Provinz Nassau waren demnach in der Nachkriegszeit die Regierungsbezirke Wiesbaden und [[Regierungsbezirk Montabaur|Montabaur]], welche in einer fiktiven territorialen Addition (abzüglich der Wiesbadener AKK-Stadtteile, siehe hierzu auch [[Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz]] bzw. [[AKK-Konflikt]]) genau das Gebiet der von 1944/45 bestehenden preußischen Provinz Nassau ergeben hätten; außerdem von 1945 bis 1953 der 1886 gegründete [[Bezirksverband Wiesbaden|Bezirkskommunalverband Wiesbaden]]. Er wurde durch das Mittelstufengesetz des Landes Hessen vom 7. Mai 1953 in den [[Landeswohlfahrtsverband Hessen]] überführt.<br />
Die Regierungsbezirke Wiesbaden und Montabaur wurden 1968 bzw. 1969 im Zuge von Gebietsreformen der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz aufgelöst und neuen größeren Verwaltungseinheiten zugeschlagen (den damaligen Regierungsbezirken Darmstadt und Koblenz).<br />
<br />
== Sonstiges ==<br />
<br />
Die Provinz Nassau, deren Vorläufer und Nachfolger (Regierungsbezirk Wiesbaden, Bezirkskommunalverband Wiesbaden) waren bis 1953 Träger der [[Nassauische Sparkasse|Nassauischen Sparkasse]] (Naspa) und des 1922 gegründeten sozialen Wohnungsbauunternehmens [[Nassauische Heimstätte]].<br />
<br />
== Kreise in der Provinz Nassau 1944/45 ==<br />
<br />
=== Stadtkreise ===<br />
# [[Frankfurt am Main]]<br />
# [[Hanau]]<br />
# [[Wiesbaden]]<br />
<br />
=== Landkreise ===<br />
#[[Landkreis Biedenkopf]]<br />
#[[Dillkreis]] (Dillenburg)<br />
#[[Landkreis Gelnhausen]]<br />
#[[Landkreis Hanau]]<br />
#[[Landkreis Limburg]]<br />
#[[Main-Taunus-Kreis]] (Frankfurt-Höchst)<br />
#[[Oberlahnkreis]] (Weilburg)<br />
#[[Obertaunuskreis]] (Bad Homburg)<br />
#[[Oberwesterwaldkreis]] (Westerburg)<br />
#[[Rheingaukreis]] (Rüdesheim)<br />
#[[Landkreis Schlüchtern]]<br />
#[[Landkreis Sankt Goarshausen]]<br />
#[[Unterlahnkreis]] (Diez)<br />
#[[Untertaunuskreis]] (Bad Schwalbach)<br />
#[[Unterwesterwaldkreis]] (Montabaur)<br />
#[[Landkreis Usingen]]<br />
#[[Landkreis Wetzlar]]<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
*[[Herzogtum Nassau]]<br />
*[[Hessen-Nassau]]<br />
*[[Regierungsbezirk Wiesbaden]]<br />
*[[Regierungsbezirk Montabaur]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
*Müller, Karl: Preußischer Adler und Hessischer Löwe. 100 Jahre Wiesbadener Regierung 1866-1966, Wiesbaden 1966.<br />
*Witte, O. (Landeshauptmann, Hrsg.): 80 Jahre Kommunalverband des Regierungsbezirks Wiesbaden, Wiesbaden 1948.<br />
<br />
==Weblinks==<br />
<br />
*[http://www.verfassungen.de/de/preussen/kurhessen-nassau44.htm Erlaß von 1944 über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau]<br />
*[http://www.lwv-hessen.de/webcom/show_article.php/_c-454/_nr-7/i.html Institutionengeschichte der Provinz, sowie deren Vorläufer und Nachfolger]<br />
*[http://www.verfassungen.de/de/he/index.htm Dokumente über die Bildung des heutigen Landes Hessen und die damit einhergehende Auflösung der preußischen Provinz Nassau]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Provinzen Preußens}}<br />
<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz|Nassau]]<br />
[[Kategorie:Rhein-Lahn-Kreis|Nassau]]<br />
[[Kategorie:Provinz Hessen-Nassau| ]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1944]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Kurhessen&diff=142388320Provinz Kurhessen2015-05-22T21:55:34Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{| class="toccolours" style="width:240px; margin-left: 1em; font-size: 85%;" align="right"<br />
|+ style="font-size: small; margin: inherit;" | Preußische Provinz<br /><span style="font-size: large; margin: inherit;">Kurhessen</span><br />
|-<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" bgcolor="#000000" | <span style="color:#FFFFFF"> '''Lage in Preußen''' </span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background:white;" | [[Datei:LocationofKurhessen.png|250px|Karte stellt das DR und darin hervorgehoben die Provinzen Preußens dar.]]<br />
|-<br />
| Bestehen || style="background:white;" | 1944/45<br />
|-<br />
| Hauptstadt|Provinzhauptstadt || style="background:white;" | Kassel<br />
|-<br />
| Fläche || style="background:white;" | 9.195,24 [[km²]] (1944)<br />
|-<br />
| Einwohner || style="background:white;" | ca. 900.000 (1930er Jahre, bezogen auf den Gebietsstand von 1944/45)<br />
|-<br />
| Entstanden aus || style="background:white;" | [[Provinz Hessen-Nassau]]<br />
|-<br />
| Nachfolger || style="background:white;" | Regierungsbezirk Kassel, Land Hessen<br />
|-<br />
| Heute Teil von || style="background:white;" | Land Hessen<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" bgcolor="#000000" | <span style="color:#FFFFFF"> '''Karte''' </span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" | [[Bild:Provinz-Kurhessen.png|275px|Landkarte der Preußischen Provinz Kurhessen]]<br />
|}<br />
Die [[Freistaat Preußen|preußische]] Provinz '''Kurhessen''' bestand im Verband des [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|Deutschen Reiches]] von [[1944]] bis [[1945]].<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
== Geschichte ==<br />
Durch den „[[Führererlass|Erlass des Führers]] über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau“ vom 1. April 1944 wurde die preußische Provinz [[Hessen-Nassau]] mit Wirkung zum 1. Juli 1944 aufgelöst und ihr bisheriges Gebiet auf die gleichentags neugeschaffenen preußischen Provinzen Kurhessen und Nassau (siehe auch: [[Provinz Nassau]]) aufgeteilt. Gleichzeitig wurde der [[Landkreis Herrschaft Schmalkalden|Landkreis Schmalkalden]], der bis dahin eine Exklave Hessen-Nassaus im Thüringischen darstellte, an den preußischen [[Regierungsbezirk Erfurt]] angeschlossen.<br />
Zum Oberpräsidenten der neuen preußischen Provinz Kurhessen wurde [[Karl Gerland]], der amtierende [[NSDAP-Gauleiter]] des Parteigaues „Kurhessen“, ernannt.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
<br />
Die zum 1. Juli 1944 neugeschaffene Provinz Kurhessen bestand aus dem bisherigen Regierungsbezirk Kassel abzüglich der Landkreise Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern, der damals kreisfreien Stadt Hanau, welche an die neue Provinz Nassau abgetreten werden mussten, außerdem wurde der bisher kurhessische Landkreis Schmalkalden Teil des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt. Sitz des neuen Oberpräsidiums war das bisherige Regierungspräsidium in Kassel, der bisherige Regierungspräsident hatte 1944/45 die Funktion eines Stellvertreters des Oberpräsidenten inne. <br />
Am 19. September 1945 wurde Kurhessen durch Erlass der US-amerikanischen Militärregierung zusammen mit Nassau (ohne den westlichen Teil um Montabaur), Oberhessen und Starkenburg zum neuen Land Groß-Hessen (heutiges Bundesland [[Hessen]]) zusammengefasst.<br />
<br />
Aus der preußischen Provinz Kurhessen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Regierungsbezirk Kassel, der bis 1974 vom territorialen Umfang her mit der preußischen Provinz Kurhessen deckungsgleich war.<br />
<br />
== Kreise in der Provinz Kurhessen 1944/45 ==<br />
===Stadtkreise===<br />
# [[Kassel]]<br />
# [[Marburg]]<br />
# [[Fulda]]<br />
<br />
===Landkreise===<br />
#[[Landkreis Eschwege]]<br />
#[[Landkreis Frankenberg]]<br />
#[[Landkreis Fritzlar-Homberg]]<br />
#[[Landkreis Fulda]]<br />
#[[Landkreis Hersfeld]]<br />
#[[Landkreis Hofgeismar]]<br />
#[[Landkreis Hünfeld]]<br />
#[[Landkreis Kassel]]<br />
#[[Landkreis Marburg]]<br />
#[[Landkreis Melsungen]]<br />
#[[Landkreis Rotenburg (Fulda)]]<br />
#[[Landkreis Waldeck]]<br />
#[[Landkreis Wolfhagen]]<br />
#[[Landkreis Witzenhausen]]<br />
#[[Landkreis Ziegenhain]]<br />
<br />
==Weblinks==<br />
<br />
*[http://www.verfassungen.de/de/preussen/kurhessen-nassau44.htm Erlaß des Führers über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau]<br />
*[http://www.verfassungen.de/de/he/index.htm Dokumente über die Bildung des heutigen Landes Hessen und die damit einhergehende Auflösung der preußischen Provinz Kurhessen]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Provinzen Preußens}}<br />
<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz|Kurhessen]]<br />
[[Kategorie:Provinz Hessen-Nassau| ]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1944]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Magdeburg&diff=142388311Provinz Magdeburg2015-05-22T21:55:09Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{{Infobox Preußische Provinz|<br />
|Provinzname = Magdeburg<br />
|Flagge = <br />
|Wappen = <br />
| Karte = [[Datei:Province Saxony (1815-1937).jpg|275px|Karte der Provinz]]<br />
|Hauptstadt = [[Magdeburg]]<br />
|Periode = [[1944]]-[[1945]]<br />
|Fläche = 11.587,87 [[km²]] (1944)<br />
|Einwohner = 1.303.848 (1933, bezogen auf den Gebietsstand von 1944/45)<br />
|Bevölkerungsdichte = 112,5 Ew. auf 1 km² (1933)<br />
|Religionen =<br />
|Vorläufer = [[Provinz Sachsen]] <br />
|Nachfolger = Provinz Sachsen-Anhalt<br />
Land Sachsen-Anhalt ([[1947]]-[[1952|52]])<br />
|Heute = [[Sachsen-Anhalt]]<br />
|Karte Preußen =<br />
|Kfz-Kennzeichen =<br />
|Verwaltung = 13 Landkreise<br />
7 Stadtkreise<br />
}}<br />
<br />
Die [[Preußen|preußische]] '''Provinz Magdeburg''' bestand im Verband des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] von 1944 bis 1945.<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Durch den ''„Erlaß des Führers über die Aufgliederung der Provinz Sachsen“'' vom 1. April 1944 wurde die preußische [[Provinz Sachsen]] zum 1. Juli 1944 aufgelöst, um die Verwaltungsbezirke an die [[Wehrkreis|Reichsverteidigungsbezirk]]e anzugleichen. Aus dem nördlichsten Regierungsbezirk der bisherigen Provinz Sachsen wurde die Provinz Magdeburg mit Sitz in [[Magdeburg]] gebildet, der mittlere Bezirk wurde zur [[Provinz Halle-Merseburg]].<br />
<br />
Zum [[Oberpräsident]]en der Provinz Magdeburg wurde der [[Reichsstatthalter]] für die Länder [[Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]] und [[NSDAP]]-[[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|Gauleiter]] des Gaues [[Magdeburg-Anhalt]] mit Sitz in Dessau [[Rudolf Jordan (Politiker)|Rudolf Jordan]] bestellt. Die Behörde des Oberpräsidenten wurde mit der Magdeburger [[Bezirksregierung]] verschmolzen, der Vertreter des Oberpräsidenten erhielt die Aufgaben des Magdeburger [[Regierungspräsident (Deutschland)|Regierungspräsidenten]] übertragen.<br />
<br />
Nach der Eroberung Magdeburgs durch US-amerikanische Truppen im Mai 1945 blieb die Provinz Magdeburg zunächst bestehen. An die Stelle von Gauleiter Jordan, der aus Magdeburg geflohen war, trat der bisherige Regierungsrat [[Götz von Götz]], dem die Leitung sowohl der Regierung wie auch des Oberpräsidiums in Magdeburg übertragen wurde. Nach der Übernahme Magdeburgs durch die Sowjets im Juli 1945 wurde die Provinz Magdeburg der am 9./23. Juli 1945 aus den Provinzen Magdeburg und [[Provinz Halle-Merseburg|Halle-Merseburg]] sowie dem Land [[Anhalt]] neu errichteten „Provinz Sachsen“ eingegliedert, welche später „Provinz Sachsen-Anhalt“ genannt wurde und schließlich im neuen Land [[Sachsen-Anhalt]] aufging.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
<br />
Die Provinz Magdeburg umfasste den in der aufgelösten preußischen Provinz Sachsen bestandenden [[Regierungsbezirk Magdeburg]] mit der entsprechenden Anzahl von Stadt- und Landkreisen.<br />
<br />
=== Stadtkreise ===<br />
<br />
# [[Aschersleben]]<br />
# [[Burg (bei Magdeburg)|Burg b. M.]]<br />
# [[Halberstadt]]<br />
# [[Magdeburg]]<br />
# [[Quedlinburg]]<br />
# [[Salzwedel]]<br />
# [[Stendal]]<br />
<br />
=== Landkreise ===<br />
<br />
# [[Landkreis Calbe a./S.|Calbe a./S.]]<br />
# [[Landkreis Gardelegen|Gardelegen]]<br />
# [[Landkreis Haldensleben|Haldensleben]]<br />
# [[Landkreis Jerichow I|Jerichow I]] [Sitz: Burg b. M.]<br />
# [[Landkreis Jerichow II|Jerichow II]] [Sitz: Genthin]<br />
# [[Landkreis Oschersleben (Bode)|Oschersleben (Bode)]]<br />
# [[Landkreis Osterburg|Osterburg]]<br />
# [[Landkreis Quedlinburg|Quedlinburg]]<br />
# [[Landkreis Salzwedel|Salzwedel]]<br />
# [[Landkreis Stendal|Stendal]]<br />
# [[Landkreis Wanzleben|Wanzleben]]<br />
# [[Landkreis Wernigerode|Wernigerode]]<br />
# [[Landkreis Wolmirstedt|Wolmirstedt]]<br />
<br />
== Oberpräsidenten ==<br />
* 1944–1945: [[Rudolf Jordan (Politiker)|Rudolf Jordan]]<br />
<br />
<br />
<br />
{{Navigationsleiste Provinzen Preußens}}<br />
<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz|Magdeburg, Provinz]]<br />
[[Kategorie:Provinz Sachsen]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Provinz_Halle-Merseburg&diff=142388297Provinz Halle-Merseburg2015-05-22T21:54:38Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{{Infobox Preußische Provinz|<br />
|Provinzname = Halle-Merseburg<br />
|Flagge = <br />
|Wappen = <br />
| Karte = [[Bild:Province Saxony (1815-1937).jpg|275px|Karte der Provinz]]<br />
|Hauptstadt = [[Merseburg]]<br />
|Periode = [[1944]]-[[1945]]<br />
|Fläche = 10.217,26 [[km²]] (1944)<br />
|Einwohner = 1.486.274 (1933, bezogen auf den Gebietsstand von 1944/45)<br />
|Bevölkerungsdichte = 145,5 Ew. auf 1 km² (1933)<br />
|Religionen =<br />
|Vorläufer = [[Provinz Sachsen]] <br />
|Nachfolger = Provinz Sachsen-Anhalt<br />
Land Sachsen-Anhalt ([[1947]]-[[1952|52]])<br />
|Heute = [[Sachsen-Anhalt]], [[Sachsen]] (Torgau), [[Brandenburg]] (Herzberg)<br />
|Karte Preußen =<br />
|Kfz-Kennzeichen = I M<br />
|Verwaltung = 15 Landkreise<br />
7 Stadtkreise<br />
}}<br />
<br />
Die [[Preußen|preußische]] '''Provinz Halle-Merseburg''' bestand im Verband des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] von 1944 bis 1945.<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
Durch den ''„Erlaß des Führers über die Aufgliederung der Provinz Sachsen“'' vom 1. April 1944 wurde die preußische [[Provinz Sachsen]] zum 1. Juli 1944 aufgelöst, um die Verwaltungsbezirke in [[Mitteldeutschland]] an die [[Wehrkreis|Reichsverteidigungsbezirk]]e anzugleichen. Aus dem Regierungsbezirk Merseburg der bisherigen Provinz Sachsen wurde die Provinz Halle-Merseburg gebildet, während der Regierungsbezirk Magdeburg zur [[Provinz Magdeburg]] wurde. Der [[Regierungsbezirk Erfurt]] wurde dem [[Reichsstatthalter]] in Thüringen unterstellt.<br />
<br />
Zum [[Oberpräsident|Oberpräsidenten]] der neugebildeten Provinz Halle-Merseburg wurde der [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|Gauleiter]] des [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]-Gaus Halle-Merseburg, [[Joachim Albrecht Eggeling]], bestellt.<br />
<br />
Im Juli 1945 wurde die Provinz Halle-Merseburg auf Geheiß der [[Sowjetische Militäradministration in Deutschland|Sowjetischen Militäradministration]] (SMAD) mit der Provinz Magdeburg und dem [[Freistaat Anhalt|Land Anhalt]] zur neuen „Provinz Sachsen“ vereinigt, die 1946 in „Provinz Sachsen-Anhalt“ umbenannt wurde und schließlich 1947 im Land [[Sachsen-Anhalt]] aufging.<br />
<br />
== Verwaltungsgliederung ==<br />
Die Provinz Halle-Merseburg umfasste den bisherigen [[Regierungsbezirk Merseburg]] mit der entsprechenden Anzahl von Stadt- und Landkreisen.<br />
<br />
Zum Sitz der Provinz wurde die Stadt [[Merseburg]] bestimmt. <br />
<br />
=== Stadtkreise ===<br />
# [[Eisleben]]<br />
# [[Halle (Saale)|Halle a. S.]]<br />
# [[Merseburg]]<br />
# [[Naumburg (Saale)|Naumburg a. S.]]<br />
# [[Weißenfels]]<br />
# [[Lutherstadt Wittenberg]]<br />
# [[Zeitz]]<br />
<br />
=== Landkreise ===<br />
#[[Landkreis Bitterfeld (Provinz Sachsen)|Bitterfeld]]<br />
#[[Landkreis Delitzsch (Provinz Sachsen)|Delitzsch]]<br />
#[[Landkreis Eckartsberga|Eckartsberga]] [Sitz: Kölleda]<br />
#[[Landkreis Liebenwerda|Liebenwerda]] [Sitz: Bad Liebenwerda]<br />
#[[Mansfelder Gebirgskreis]] [Sitz: Mansfeld]<br />
#[[Mansfelder Seekreis]] [Sitz: Eisleben]<br />
#[[Landkreis Merseburg|Merseburg]]<br />
#[[Landkreis Querfurt|Querfurt]]<br />
#[[Saalkreis]] [Sitz: Halle a. S.]<br />
#[[Landkreis Sangerhausen|Sangerhausen]]<br />
#[[Landkreis Schweinitz|Schweinitz]] [Sitz: Herzberg (Elster)]<br />
#[[Landkreis Torgau|Torgau]]<br />
#[[Landkreis Weißenfels|Weißenfels]]<br />
#[[Landkreis Wittenberg|Wittenberg]]<br />
#[[Landkreis Zeitz|Zeitz]]<br />
<br />
==Oberpräsidenten==<br />
* 1944–1945: [[Joachim Albrecht Eggeling]]<br />
<br />
<br />
<br />
{{Navigationsleiste Provinzen Preußens}}<br />
<br />
[[Kategorie:Preußische Provinz|Halle-Merseburg, Provinz]]<br />
[[Kategorie:Provinz Sachsen]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1944]]<br />
[[Kategorie:Aufgelöst 1945]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NS-Staat&diff=142388284NS-Staat2015-05-22T21:53:40Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsform, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu Aufstieg der NSDAP ab 1918 und Regierung von 1933 bis 1945 siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]], zur Ideologie siehe [[Nationalsozialismus]], zum Parteiaufbau [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| border="1" cellpadding="2" style="float:right; border-collapse:collapse; border-color:#f2f2f4; margin-left:15px; margin-bottom:15px; width:340px; font-size:95%; border:1px solid #aaaaaa;"<br />
| align="center" colspan="2" style="line-height:1.7em; background-color:#E0E0E0;" | <span style="font-size:1.5em">'''Deutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''1933–1945'''</span><br /><span style="font-size:1.2em">'''Großdeutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''(ab 1943)'''</span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%" style="border:none; margin:0; padding:0;"<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Reichsadler.svg|150px|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|-<br />
| align="center" | <small>[[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge<br />(ab 1935)]]</small><br />
| align="center" | [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus|Wappen]]<br />
|}<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#E0E0E0; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%"<br />
| align="left" width="33%" | <span style="font-size:1.2em">[[Weimarer Republik|←]]</span> [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />
| align="center" width="34%" | '''Navigation'''<br />
| align="right" width="33%" | [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] <span style="font-size:1.2em">[[Deutschland 1945 bis 1949|→]]</span><br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] <span style="font-size:1.2em">[[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]</span><br />
|}<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Verfassung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | <small>Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 faktisch außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Amtssprache]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Berlin]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Republik]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | Moderne [[Diktatur]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br /><small>– 1925 bis 1934</small><br /><small>– 1934 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichspräsident]]<br /><small>[[Paul von Hindenburg]]</small><br /><small>[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])</small><br /><small>[[Karl Dönitz]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Regierungschef]]'''<br /><small>– 1933 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br /><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichskanzler]]<br /><small>Adolf Hitler</small><br /><small>[[Joseph Goebbels]]</small><br />''[[Regierung Dönitz|Leitender&nbsp;Minister]]''<br /><small>[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Lutz Graf Schwerin von Krosigk]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA; vertical-align:top;" | '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />– 1939<br />– 1940/41<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich'', Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus'', Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />– 1938<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Währung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichsmark]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Lied der Deutschen|Deutschlandlied]]<br />[[Horst-Wessel-Lied]] ''([[De jure/de facto|de facto]])''<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Zeitzone]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[UTC+1]] [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''Karte'''<br />
|-<br />
| colspan="2" align="center" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Das '''[[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]''' war von '''1933 bis 1945''' eine [[Diktatur]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP). Unter [[Adolf Hitler]] wurde [[Zeit des Nationalsozialismus|in dieser Zeit]] eine [[Führerdiktatur]] errichtet. Mit dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]], dem [[Münchner Abkommen]] und der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ erweiterte das NS-Regime bis 1939 das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs. Hitler führte den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als [[Vernichtungskrieg|Vernichtungs-]] und [[Eroberungskrieg]], um das „Großdeutsche Reich“ bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]] auszudehnen.<br />
<br />
Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] und dem Untergang des „[[Drittes Reich|Dritten Reichs]]“ stellte sich die [[Rechtslage Deutschlands nach 1945|Frage nach Untergang oder Fortbestand des deutschen Nationalstaates]]. Während bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] unterschiedliche Auffassungen zur [[völkerrecht]]lichen Identität von [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] und Deutschem Reich bestanden, wird seitdem davon ausgegangen, dass die heutige [[Deutschland|Bundesrepublik]] mit dem früheren Deutschen Reich als [[Völkerrechtssubjekt]] identisch ist.<br />
<br />
== Bezeichnungen ==<br />
=== Deutsches Reich ===<br />
[[Deutschland]] durchlief unter dem Namen ''Deutsches Reich'' verschiedene Epochen mit entsprechenden [[Verfassung]]en: Das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserreich]] bestand von der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung]] 1871 bis zur [[Novemberrevolution]] 1918 als ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchien]] und [[Freie Stadt#19. Jahrhundert|Freien Städten]]. Die [[Weimarer Republik]] bestand im Wesentlichen von 1919 bis zur Annahme des [[Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich|Ermächtigungsgesetzes]] am 23. März 1933 als [[Repräsentative Demokratie#Parlamentarische Demokratie|parlamentarische Demokratie]].<br />
<br />
Diese wurde ab der [[Ernennung Hitlers zum Reichskanzler]] am 30. Januar 1933 durch einen künftigen ([[#Reichskanzlei|ab August 1934]]) „nationalsozialistischen [[Führerstaat]]“ abgelöst.<ref name="Kotulla_DtVerfGesch_Vom_Alten_Reich_bis_Weimar_Rn2432f">[[Michael Kotulla]]: ''Deutsche Verfassungsgeschichte: Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934)'', Springer, Berlin 2008, § 35 [http://books.google.de/books?id=mfjijA5t9bUC&pg=PA622 Rn 2432 f.]</ref> Dieser endete gleichzeitig mit dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in Europa durch die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte]] am 8. Mai 1945. Kurz nach der bedingungslosen Kapitulation wurde zudem die sogenannte [[Regierung Dönitz|Geschäftsführende Reichsregierung]] mit [[Karl Dönitz]] in [[Flensburg]]-[[Mürwik]] verhaftet.<br />
<br />
=== Großdeutsches Reich ===<br />
[[Datei:DR 1944 894 Arbeitsdienst.jpg|mini|hochkant|Briefmarke (Juni 1944). „RAD“ steht für [[Reichsarbeitsdienst]].]]<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erweiterten das deutsche [[Staatsgebiet]] schrittweise. Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] an das Deutsche Reich am 12. und 13. März 1938 benannten sie [[Österreich]] in „[[Ostmarkgesetz|Ostmark]]“, 1942 in [[Donau- und Alpenreichsgaue]] um. Deutsche und ehemals österreichische Teilgebiete zusammen nannten sie ab März 1938 inoffiziell '''Großdeutsches Reich'''; die Kurzbezeichnung ''Großdeutschland'' wurde umgangssprachlich verwendet, den Terminus ''Großdeutsches Reich'' gab es im [[Reichsgesetzblatt]].<br />
<br />
Mit diesem Begriff beanspruchte das [[NS-Regime]], die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] „[[großdeutsche Lösung]]“ – die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]] – erreicht zu haben. Dies hatte vor ihnen der [[Alldeutscher Verband|Alldeutsche Verband]] erfolglos angestrebt; bei der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung 1871]] war [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] „[[kleindeutsche Lösung]]“ realisiert worden. Darüber hinaus deutete der nationalsozialistische Begriff des „Großdeutschen Reichs“ expansive Absichten an: Weitere Gebiete mit [[Volksdeutsche]]n sollten in das Staatsgebiet eingegliedert werden, um ein „Großgermanisches Reich“ zu schaffen.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref> Dieses sollte weit über Deutschlands Grenzen hinausgehen und wurde als historische Notwendigkeit propagiert.<ref>Robert Bohn: ''Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern 1940–1945'', Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07099-0, [http://books.google.de/books?id=08al1e8BdRIC&pg=PA7 S. 7].</ref><br />
<br />
Das [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920 rechtfertigte diese Ziele mit den völkischen und rassistischen Ideen der „[[Volksgemeinschaft]]“ und dem „[[Volk ohne Raum]]“. Darum erklärte das NS-Regime auch die später eroberten Gebiete mit Ausnahme des [[Generalgouvernement]]s (dieses wurde stattdessen zum ''Nebenland'' erklärt) zu „Gebieten des Großdeutschen Reiches“, verleibte sie dem Deutschen Reich also einseitig und [[völkerrecht]]swidrig ein.<br />
<br />
Der Erlass ''RK 7669 E'' des ''Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei'', [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung amtlich verbindlich.<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt Jahrgang 1943, Teil I, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> Die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert, sondern zeigte sich erstmals am 24. Oktober 1943 auf damaligen Briefmarken, ab Juni 1944 auf sämtlichen Ausgaben.<br />
<br />
{{Siehe auch|Nationalsozialistische Europapläne}}<br />
<br />
=== Altreich ===<br />
Als ''Altreich'' bezeichneten die deutschen Staats- und Verwaltungsbehörden ebenfalls ab März 1938 das deutsche Staatsgebiet vor der von ihnen so genannten „[[Anschluss Österreichs|Wiedervereinigung]] mit [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> Dazu zählten sie das 1935 dem Deutschen Reich wieder angeschlossene [[Saargebiet]], aber nicht das [[Sudetenland]], das sie nach dem [[Münchner Abkommen]] Anfang Oktober 1938 annektierten, und auch nicht die 1939 eroberte [[Freie Stadt Danzig]]. Sie unterschieden es streng von diesen neu eingegliederten Gebieten, da sie für diese abweichende Gesetzgebungsverfahren und Verwaltungsstrukturen schufen.<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[Deutschland in den Grenzen von 1937]]'' akzeptierten die westlichen Siegermächte nach Kriegsende das Saargebiet als Teil Deutschlands. Auch Danzig behandelten sie nicht als eroberte Stadt, so dass sie oft fälschlich nachträglich zum „Altreich“ gezählt wird.<br />
<br />
=== Drittes Reich ===<br />
Der Ausdruck ''[[Drittes Reich]]'' stammt aus der christlichen [[Apokalyptik]] des Mittelalters. [[Arthur Moeller van den Bruck]] bezog ihn 1923 auf ein künftiges vom [[Nationaler Sozialismus|nationalen Sozialismus]] geprägtes Großdeutschland, das dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] und dem [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] folgen und die Anläufe zu einem völkisch vereinheitlichten Nationalstaat beerben und vervollkommnen sollte. In diesem Sinne verwendeten viele Gegner der Weimarer Republik diesen Begriff vor 1933. Damit klammerten die Antidemokraten diese erste deutsche [[Demokratie]] aus ihrer Geschichtsschau aus, da sie ihnen als baldmöglichst abzulösende Fehlentwicklung galt.<br />
<br />
Die [[NS-Propaganda]] übernahm van den Brucks Buchtitel vor 1933 für den von ihr angestrebten autoritären Führerstaat, ließ den Begriff aber nach der [[Machtergreifung#Hitlers Reichskanzlerschaft|nationalsozialistischen Machtkonsolidierung]], spätestens 1939 vornehmlich wegen seiner christlichen Implikationen wieder fallen.<ref>Johannes Schmitt: ''Der bedrohte „Arier“: Anmerkungen zur nationalsozialistischen Dramaturgie der Rassenhetze'', Lit Verlag, Berlin/Münster 2010, ISBN 978-3-643-10620-9, [http://books.google.de/books?id=jsAgVN7BABoC&pg=PA71 S. 71, Anm. 118].</ref><br />
<br />
=== Tausendjähriges Reich ===<br />
Der Begriff ''Tausendjähriges Reich'' hat ähnliche ideologische Wurzeln wie „Drittes Reich“. Er wurde von der NS-Propaganda aufgegriffen, um ihren Anspruch auf eine nicht mehr ablösbare, unendlich andauernde Herrschaftsordnung als Endzustand der deutschen und universalen Geschichte auszudrücken.<br />
<br />
=== Heutige Bezeichnungen ===<br />
Heute wird das nationalsozialistische Deutschland in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oft als „NS-Staat“, „Führerstaat“ oder weiterhin als „Drittes Reich“ bezeichnet. In der [[Umgangssprache]] finden sich auch Benennungen wie „Nazi-Deutschland“ oder „Hitlerdeutschland“.<br />
<br />
== Ideologie ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:WernerGoldberg.jpg|mini|hochkant|„Der ideale deutsche Soldat“, ''Berliner Tageblatt'', 1939]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Volksbewegung. Er strebte die Aufhebung der für die [[Weimarer Verfassung]] grundlegenden Rechtsprinzipien an: vor allem der individuellen [[Bürgerrechte]] und der institutionalisierten [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits, [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits. Sie sollten nicht nur gemäß Punkt 25 des Parteiprogramms von 1920 einer „starken Zentralgewalt des Reiches“ untergeordnet, sondern entweder durch neu aufgebaute Behörden ersetzt oder entmachtet und umstrukturiert werden, um fortan Teil eines von oben nach unten organisierten „Führerstaats“ zu sein.<br />
<br />
Die Idee der Volksgemeinschaft sollte Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der dynamische, keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. Formal nicht normierte emotionale Leitgedanken wie das „[[Gesundes Volksempfinden|gesunde Volksempfinden]]“, der Aufstieg der „Tüchtigen“ durch „Kampf und Auslese“ usw. sollten zu neuen Quellen des [[Verfassungsrecht]]s werden. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien sollte die persönliche Verpflichtung treten, die dann durch „[[Führereid]]e“ bekräftigt werden musste.<br />
<br />
Hitler hatte als [[Parteichef]] der NSDAP mit seinem Legalitätseid vom 25. September 1930 ([[Ulmer Reichswehrprozess]]) die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten und spätere Umgestaltung des Staates nach der eigenen Weltanschauung angekündigt. Jedoch besaß die intern nach diesen Prinzipien organisierte NSDAP kein schlüssiges Konzept für den Neuaufbau der gesamten überkommenen Staatsverwaltung.<br />
<br />
Dem entsprach, dass das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen ließ, um sie dann in der Phase der [[Gleichschaltung]] in weiten Bereichen, jedoch nicht vollständig, zu entmachten oder durch eine Vielzahl neuer Reichsbehörden zu erweitern und zu „überwölben“. Deshalb kam es nach 1933 zu widersprüchlichen Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Die Gleichschaltungsmaßnahmen nutzten die ''[[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]]'' („Reichstagsbrandverordnung“, 28. Februar 1933), das ''[[Ermächtigungsgesetz|Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich]]'' (23. März 1933) und das ''[[Heimtückegesetz]]'' (20. Dezember 1934) aus.<br />
<br />
Sie hoben zuerst die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik auf. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem Süddeutschlands – und die Senate der Hansestädte aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch konnten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nachrücken. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, [[Reichsstatthalter]] mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter dann fast überall Hitlers Vorschlägen alter Gefolgsleute und NSDAP-Gauleiter.<br />
<br />
Mit dem Verbot der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] am 28. Februar, der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem [[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]] noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder zunächst ihre staatliche [[Souveränität]], so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== Territorium ==<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
Deutschland blieb während der NS-Zeit in die bestehenden Länder gegliedert, die als Verwaltungseinheiten jedoch nur noch ausführende [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Behörden waren.<br />
<br />
* Der [[Freistaat Preußen]] war das größte einzelne Land des NS-Staates. Seine Verwaltungsstrukturen wurden schon 1932 beim sogenannten ''Preußenschlag'' stark geschwächt. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren dessen zentralstaatliche Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Preußische Provinz|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der ''Reichsstatthalter'' von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen Befugnisse an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Länder mit je einem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
<br />
=== Erweiterungen des Herrschaftsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
* Das [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] gesetzten Frist und einer Volksabstimmung am 1. März 1935 ins Reich eingegliedert.<br />
<br />
* Der „Anschluss“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der [[Wehrmacht]] am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Weitere Gebiete wurden durch politische Erpressung, militärische Drohung und kriegerische Besetzung einverleibt:<br />
* Die [[Tschechoslowakei]] musste das [[Sudetenland]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland]] wurde mit dem deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 ein Teil Preußens.<br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Erste Slowakische Republik|Slowakei]] musste sich von Prag unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 erhielt das ''[[Protektorat Böhmen und Mähren]]'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors und galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen Staatsgebiets völkerrechtlich unwirksam.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
Einige Gebiete [[Zweite Polnische Republik|Polens]] wurden nach dem [[Polenfeldzug]] 1939 im Sinne einer [[Annexion]] in das Deutsche Reich eingegliedert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]],<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des von Deutschland besetzten polnischen Staatsgebietes wurden als [[Generalgouvernement]] mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten werden mussten, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200 km nach Osten.<br />
<br />
Einige eroberte Gebiete wurden nach dem [[Westfeldzug]] 1940 einem Besatzungsverwalter – genannt „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) – unterstellt. Dort wurde eine „Eindeutschungspolitik“ zur Vorbereitung einer späteren Annexion betrieben, so in:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]]<br />
* [[Elsass]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
* [[Eupen-Malmedy]] wurde als ehemaliges deutsches Gebiet sofort eingegliedert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://geo.uni.lu/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=1493&Itemid=322 GR-Atlas: ''GA067 1940: Eupen, Malmedy …''] (Aufzählung der annektierten Gemeinden im vierten Absatz).</ref><br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug]] 1941 wurden [[Königreich Jugoslawien|jugoslawische]] Gebiete in Slowenien unter CdZ-Verwaltung gestellt:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 kam der<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]] unter eine deutsche Zivilverwaltung.<br />
<br />
Nachdem Deutschland 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] besetzt und [[Benito Mussolini]] nach dem Willen Hitlers in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] als [[Italienischer Faschismus|faschistischer]] Satellitenstaat einrichten durfte, wurden zwei Teilgebiete davon unter deutsche Verwaltung gestellt:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
In diesen Besatzungsgebieten wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Die sogenannten ''[[Volksdeutsche]]n'' erhielten „nach Maßgabe näherer Vorschriften“ die [[deutsche Staatsangehörigkeit]] und wurden damit [[wehrpflicht]]ig. Die spätere völlige Einverleibung in ein Großdeutsches Reich war damit vorbereitet und sollte nach dem Krieg vollzogen werden.<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Für die Zeit nach dem erhofften „[[Endsieg]]“ planten führende Nationalsozialisten detailliert, Teile der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und Russlands, die Halbinsel [[Krim]] (damals „[[Taurien]]“ genannt), das [[Baltikum]] sowie die französische [[Ärmelkanal|Kanalküste]] dem Großdeutschen Reich „einzugliedern“. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden 1941 in den besetzten Gebieten das ''[[Reichskommissariat Ostland]]'' und das ''[[Reichskommissariat Ukraine]]'' gegründet; die Bildung weiterer Reichskommissariate für ''[[Moskowien]]'' und ''[[Reichskommissariat Kaukasien|Kaukasien]]'' vereitelte der Kriegsverlauf.<br />
<br />
Vorgesehen war also eine Ausdehnung des Großdeutschen Reiches bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]]. Die einheimische Bevölkerung sollte im Rahmen des [[Generalplan Ost|Generalplans Ost]] vor allem durch [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]], massenhafte [[Sterilisation]]en von Frauen, [[Vertreibung]]en, [[Hungerplan|geplantes Verhungern]] und [[Massenmord]]e allmählich vernichtet werden. Dadurch wollte das vom [[Reichsführer SS]] [[Heinrich Himmler]] geleitete [[Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums]] Platz für die Ansiedlung von 500 bis 600 Millionen „[[Germanen|germanischen]] Menschen“ in Osteuropa schaffen, wie zum Beispiel „deutsche Siedlungsperlen“ an [[Wolga]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Lebensraum im Osten}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung (1942) elf Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer), im Nordosten und Osten an die [[Sowjetunion]], im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], das [[Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Davon waren alle außer Italien, Liechtenstein, der Schweiz und Teilen der Sowjetunion von deutschen Truppen besetzt. Die Slowakei war zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene” Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Aufgrund der in der NS-Ideologie proklamierten „Einheit von Volk und Staat“ erhielten die obersten Regierungsämter sowohl legislative wie exekutive und judikative Kompetenzen. Das Bestreben, den „Führerwillen“ in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam werden zu lassen, führte einerseits zur Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits zu ihrer oft wildwüchsigen Vermehrung.<br />
<br />
Aus sich überschneidenden Aufgaben von zentralisierten und neugeschaffenen Staatsbehörden sowie obersten Parteiämtern ergaben sich eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oft durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches'' vom 1.&nbsp;August 1934 übernahm Hitler einen Tag zuvor Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die [[Reichskanzlei]] in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Kleine Reichskanzlei]]'' in Berchtesgaden errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem Ministerrat für die Reichsverteidigung angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Martin Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von Philipp Bouhler geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder Albert Bormann tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Deutschland hatte nach 1933 wie zuvor bis zur militärischen Kapitulation 1945 eine [[Reichsregierung]]. Sie bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Ihre Aufgabe war, unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen.<br />
<br />
Hitler hielt jedoch nur wenige Monate lang regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das [[Kabinett Hitler]] nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Führer delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, der mit direkten Verordnungen regierte, wurden sämtliche Minister faktisch zu seinen Befehlsempfängern. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach Hitlers Selbstmord wurde Anfang Mai 1945 das [[Kabinett Schwerin von Krosigk]] gebildet. Es amtierte nur noch wenige Tage bis zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]].<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]].]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''Reichsjägermeisters'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau und Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen]] (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] (Chef der Sicherheitspolizei und des SD; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Weimarer Beamtenschaft stammte noch aus der Kaiserzeit und fühlte sich deren antidemokratischen Werten verpflichtet. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, wobei das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
<br />
Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
<br />
Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Hermann Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
<br />
Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung, nicht politischer Linientreue besetzt. So blieben NSDAP-Mitglieder in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, so im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium.<br />
<br />
Dort wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26. Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von nationalsozialistischer [[Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
<br />
In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zugleich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation Hitler ergebener, zugleich fachkompetenter NS-Spitzenbeamten durch.<br />
<br />
Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''Reichskommissar'' für das preußische Innenministerium ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke Hilfspolizei auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zu ständiger [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.ä. auf und erhielt diese vielfach auch.<br />
<br />
Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die Politische Polizei und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Im Juni 1936 wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Deutsche Polizei|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Aufgabe war einerseits, die dem Chef der Polizei, andererseits, die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
<br />
Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Hauptamt Sicherheitspolizei|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
<br />
In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
<br />
''Zur Organisation der SS siehe: [[Organisationsstruktur der SS]], [[SS-Hauptämter]]''<br />
<br />
=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]]]]<br />
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Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen [[Bürgerrecht]]e unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
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Dieser Ideologie gemäß brachen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes wesentliche Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
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Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde damit zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung stärkte dessen Loyalität zum Führerstaat: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
<br />
Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
Widerspruch dagegen regte sich innerhalb der männlichen Justizbeamtenschaft kaum. Deren deutschnational eingestellte Mehrheit vertraute Hitlers ab seinem Ulmer Legalitätseid häufigen Versprechungen von formal legalem Vorgehen.<br />
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Fortan wurde neben dem traditionellen Gerichtswesen für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
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Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten ''Erbgesundheitsgerichte'' angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Oberste von drei Instanzen war das neugeschaffene [[Reichserbhofgericht]], das dem Reichsernährungsminister unterstellt wurde. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
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Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
<br />
Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
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[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile vom Sondergericht Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
<br />
Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', ibidem, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die Rechtsprechung zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
<br />
In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Verwendung während der Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
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Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die [[Reichswehr]]. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Reichswehr persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|[[Reichsparteitag]] 1938, „Tag der Wehrmacht“: [[Erhard Milch|Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder, [[Maximilian von Weichs|Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|Allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 Prozent der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen, nicht nur politischen Oberbefehl über das neugebildete Oberkommando der Wehrmacht (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war wie folgt gegliedert:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht: [[Wilhelm Keitel]]<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]]: [[Alfred Jodl]]<br />
** [[Oberkommando des Heeres]]: [[Walther von Brauchitsch]]<br />
** [[Oberkommando der Marine]]: [[Erich Raeder]]<br />
** [[Oberkommando der Luftwaffe]]: [[Hermann Göring]], [[Robert von Greim|Robert Ritter von Greim]]<br />
<br />
== Die Frage der Nachkriegskontinuität ==<br />
{{Hauptartikel|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
<br />
Die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] und die anschließende [[Deutschland 1945 bis 1949|Aufteilung Deutschlands]] und [[Besetztes Nachkriegsösterreich|Österreichs]] in [[Besatzungszone]]n der [[Alliierte#Die Vier Mächte|alliierten Siegermächte]] führten nicht zur Auflösung des deutschen Staates. Das Land [[Preußen]] wurde aufgelöst, die [[Österreich|Republik Österreich]] „wiederhergestellt“ in ihren Grenzen vor dem „Anschluss“ 1938; die historischen [[Land (Deutschland)#Geschichte der deutschen Länder ab 1945|deutschen Länder]] blieben, wurden aber neugegründet mit teils veränderten Grenzen. Sowohl die 1949 gegründete [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] als auch zunächst die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] hatten am juristischen Fortbestand des Deutschen Reiches festgehalten. Während man in der DDR jedoch später zur [[Debellatio|Untergangstheorie]] neigte, sind in der Bundesrepublik wie auch im [[Ausland]] seither unterschiedliche Identitäts- beziehungsweise Fortbestandstheorien vertreten worden.<ref>[[Kay Hailbronner]], in: [[Wolfgang Graf Vitzthum|Graf Vitzthum]] (Hrsg.), ''Völkerrecht'', 4. Aufl. 2007, 3. Abschn., [http://books.google.de/books?id=umn7Df1E-KUC&pg=PA225 Rn 200–203]; [[Georg Dahm]] ([[Jost Delbrück|Delbrück]]/[[Rüdiger Wolfrum|Wolfrum]]), ''Völkerrecht'', Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 145–150 ([http://books.google.de/books?id=co4MGcGCr74C&pg=PA146 146&nbsp;ff.]); vgl. dazu das bis 1990 verfassungsrechtlich verankerte [[Wiedervereinigungsgebot]].</ref><br />
<br />
Nach der [[Lehrmeinung]] maßgeblicher [[Staatsrechtslehrer|Staatsrechtler]] wie auch gemäß der [[Höchstrichterliche Rechtsprechung|höchstrichterlichen Rechtsprechung]] und der in der Staatenpraxis international anerkannten<ref>[[Georg Ress]], in: Ulrich Beyerlin, ''Recht zwischen Umbruch und Bewahrung'' (=&nbsp;Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 120), 1995, [http://books.google.de/books?id=OumydERAANUC&pg=PA844 S.&nbsp;843&nbsp;f.], [http://books.google.com/books?id=OumydERAANUC&lpg=PA849 849].</ref> und vollständig durchgesetzten Rechtsposition ist das heutige Deutschland, die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]], als [[Völkerrechtssubjekt]] mit dem Deutschen Reich identisch;<ref>Vgl. hierzu umfassend [[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation'', Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 71&nbsp;f., [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PA83 82&nbsp;f.], 87 f., 92 mit weiteren Nachweisen; [[Klaus Stern (Rechtswissenschaftler)|Klaus Stern]], ''Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland'', Band V, C.H. Beck, München 2000, [http://www.krr-faq.net/ster1964.htm S. 1964&nbsp;f.]; [[Dieter Blumenwitz]], [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 1990, S. 3041&nbsp;ff. mit weiteren Nachweisen; [[Jochen Abraham Frowein|Jochen Abr. Frowein]], ''Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts'', in: [[Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer|VVDStRL]], Heft 49, 1990, S. 7–33.</ref> der vormalige NS-Staat gliederte sich daher 1949 zu einem Bundesstaat auf.<ref>[[Karl Doehring]]: ''Völkerrecht'', 2., neubearbeitete Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004, [http://books.google.de/books?id=MRU_q5e8-XsC&pg=PA64 Rn 139, Anm.&nbsp;177].</ref> Mit dem Hinweis darauf, dass den Deutschen in der DDR [[freie Wahl]]en verwehrt waren und ihnen das [[Selbstbestimmungsrecht]] fehlte, erhoben die Regierungen der Bundesrepublik, die sich als Regierung des ganzen Deutschlands verstanden, anfangs einen [[Alleinvertretungsanspruch#Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Alleinvertretungsanspruch]] auch für die [[Staatsbürgerschaft der DDR|Staatsbürger der DDR]].<br />
<br />
Demgegenüber besagt der [[Zeitgeschichte|zeitgeschichtliche]] Befund etwa des Historikers [[Heinrich August Winkler]]: {{"|Mit dem ‚Dritten Reich’ ging am 8. Mai 1945 auch das Deutsche Reich unter, das [[Thomas Mann]] das ‚unheilige Deutsche Reich preußischer Nation’ nannte, das immer nur ein ‚Kriegsreich’ habe sein können.}} Am Ende des Krieges, so Winkler, hätten die Deutschen nicht nur das Reich verloren; es habe nicht einmal Gewissheit darüber gegeben, dass es in Zukunft überhaupt wieder zu einem deutschen [[Nationalstaat]] kommen würde. Winkler führt aus: „Am Ende des Zweiten Weltkriegs war der preußische Mythos so verbraucht wie der sehr viel ältere [[Reichsidee|Reichsmythos]], der den Untergang des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] im Jahre 1806 um 139 Jahre überlebt hatte. Mehr zu sein als die anderen europäischen Nationen und ihre Nationalstaaten: nichts hatte die Deutschen vom Westen so sehr getrennt wie der universalistische Anspruch, den sie mit dem Reich verbanden.“<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' 5., durchges. Aufl., München 2002, S.&nbsp;114.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''Unter dem Hakenkreuz: Die deutschen Feuerwehren 1933–1945'', ibidem, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-89821-997-6.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945'', 6. erweiterte und aktualisierte Neuauflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich – Aufstieg'' (Band 1 der dreibändigen Geschichte des Dritten Reichs), München 2004, ISBN 3-421-05652-8; es folgten: Band 2 – ''Diktatur.'' 2007, ISBN 978-3-421-05653-5; Band 3 – ''Krieg.'' 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik''. 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;Handbuch der deutschen Geschichte, Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
* [[Ursula Wolf]]: ''Litteris Et Patriae: Das Janusgesicht der Historie'', Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06875-9, ISBN 978-3-515-06875-8. ([http://books.google.de/books?id=d0W1phP8rKsC&pg=PA147 Google Books])<br />
* Michael H. Kater: ''Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches'', Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57950-9, ISBN 978-3-486-57950-5. ([http://books.google.de/books?id=VoCHA6npCHkC&pg=PA176 Google Books])<br />
<br />
== Film ==<br />
* Michael Kloft: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/ Das Bundesarchiv]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste deutsche Staatssysteme<br />
|Navigationsleiste Länder des Deutschen Reiches 1933–1945}}<br />
<br />
[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der deutschen Länder]]<br />
[[Kategorie:Diktatur]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Salzgitter-Gesetz&diff=142388261Salzgitter-Gesetz2015-05-22T21:52:43Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>Die '''Verordnung über Gebietsbereinigungen im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter''' (auch '''Salzgitter-Gesetz''' genannt) vom 25. Juni 1941<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] I S. 357.</ref> war eine [[Verordnung]] des [[Reichsministerium des Innern|Reichsministeriums des Innern]] zur territorialen Neuordnung der Grenzen der Freistaaten [[Freistaat Braunschweig|Braunschweig]] und [[Freistaat Preußen|Preußen]] im Zuge der vom [[Deutsches Reich 1933 bis 1945|NS-Regime]] betriebenen [[Gleichschaltung]], [[Flurbereinigung]] und [[Wirtschaftsförderung]]. Ziel war es, neben der territorialen [[Arrondierung]] [[Mitteldeutschland]]s die Voraussetzung für den Ausbau der [[Reichswerke Hermann Göring]] und Schaffung des Stadtkreises [[Salzgitter|Watenstedt–Salzgitter]] zu schaffen. Die Verordnung betraf die preußischen Provinzen [[Provinz Hannover|Hannover]] und [[Provinz Hannover|Sachsen]] sowie das [[Freistaat Braunschweig|Land Braunschweig]]. Es basierte auf Artikel 5 des [[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs|Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs]] vom 30. Januar 1934.<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] I S. 75.</ref> Sie wurde vom [[Reichsministerium des Innern|Reichsminister des Innern]] [[Wilhelm Frick]] [[Gesetzgebung|ausgefertigt]] und trat am 1. August 1941 in Kraft. <br />
Am 1. April 1942 verfügte der [[Reichsstatthalter]] von [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Freistaat Braunschweig|Braunschweig]], [[Rudolf Jordan (Politiker)|Rudolf Jordan]], die Gründung der Stadt [[Salzgitter|Watenstedt–Salzgitter]].<ref>http://www.salzgitter.de/stadtleben/kultur/stadtgeschichte/chronik.php www.salzgitter.de Chronik</ref> <br />
[[Datei:Braunschweig_1932-1945.png|miniatur|Territoriale Änderungen im Gebiet Braunschweig 1932 bis 1945]]<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|miniatur|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
== Inhalt ==<br />
=== § 1 Gebiete die vom Land Preußen zum Land Braunschweig wechseln ===<br />
==== Von der Provinz Hannover ====<br />
* [[Landkreis Goslar]]<br />
* [[Goslar|Stadtkreis Goslar]]<br />
* Gemeinden aus dem [[Landkreis Marienburg (Hannover)|Landkreis Marienburg]] (Regierungsbezirk Hildesheim) in den [[Landkreis Wolfenbüttel]]:<br />
** [[Watenstedt (Salzgitter)|Wartjenstedt]]<br />
** [[Binder (Baddeckenstedt)|Binder]]<br />
** [[Rhene]]<br />
** [[Baddeckenstedt]]<br />
** [[Groß Elbe]]<br />
** [[Klein Elbe]]<br />
** [[Gustedt]]<br />
** [[Heere|Groß Heere]]<br />
** [[Heere|Klein Heere]]<br />
** [[Sehlde]]<br />
** [[Sillium]], die Teile:<br />
*** „die im Norden von der Grenze zwischen der Feldmark und dem bisherigen Staatsforst Sillium, im Osten und Süden von der bisherigen Gemeindegrenze und im Westen ebenfalls von der bisherigen Gemeindegrenze sowie in deren nördlicher Verlängerung von einer in der Mitte des Sennebachs verlaufenden Linie umschlossen sind.“<br />
<br />
==== Von der Provinz Sachsen ====<br />
* Gemeinden aus dem [[Landkreis Wernigerode]] (Regierungsbezirk Magdeburg) in den [[Landkreis Wolfenbüttel]]:<br />
** [[Hornburg (Schladen-Werla)|Hornburg]]<br />
** [[Isingerode]]<br />
** [[Roklum]]<br />
<br />
=== § 2 Gebiete die vom Land Braunschweig zum Land Preußen wechseln ===<br />
==== In die Provinz Hannover ====<br />
* der [[Landkreis Holzminden]] (zum [[Regierungsbezirk Hildesheim]])<br />
* aus dem [[Landkreis Gandersheim]] (zum [[Landkreis Marienburg (Hannover)|Landkreis Marienburg]]) die Gemeinden:<br />
** [[Bodenburg]]<br />
** [[Östrum]]<br />
* aus dem Landkreis Braunschweig (zum [[Landkreis Peine]]) die Gemeinden:<br />
** [[Ölsburg]]<br />
** [[Neuölsburg]]<br />
** [[Woltorf]], die Teile auf denen das Land Braunschweig Hoheitsrechte ausübt<br />
<br />
==== In die Provinz Sachsen ====<br />
* aus dem [[Landkreis Wolfenbüttel]] (zum [[Landkreis Wernigerode]]) die Gemeinden:<br />
** [[Hessen (Osterwieck)|Hessen]]<br />
* aus dem [[Landkreis Wolfenbüttel]] (zum [[Landkreis Oschersleben]]) die Gemeinden:<br />
** [[Pabstorf]]<br />
<br />
=== § 3 bis 8 ===<br />
Behandeln die Rechte des Landes Braunschweig an dem Bitumenvorkommen im Landkreis Holzminden und Einzelheiten der Durchführung des Gebietstausches.<br />
<br />
== Schaffung des Stadtkreises Watenstedt–Salzgitter ==<br />
Im Harzer Vorland, mit geschätzten zwei Milliarden Tonnen [[Eisenerz]] die bedeutendsten innerdeutschen Erzvorkommen, sollten die [[Reichswerke Hermann Göring]] errichtet werden. Sie sollten jährlich 6 Millionen Tonnen Erz fördern und mit 32 Hochöfen 4 Millionen Tonnen Stahl produzieren (1/4 der gesamtdeutschen Produktion, 2 % der damaligen Welterzeugung). Damit sich das Werk wirtschaftlich gut entwickeln konnte, wurde im Vorfeld durch das „Salzgitter-Gesetz“ eine einheitliche Verwaltungsstruktur im gesamten Raum geschaffen. Zusätzlich sollte ein Gebiet von 209 km² Fläche, in dem es nur mehrere kleine Ortschaften gab, zur Großstadt mit 500.000 Einwohnern ausgebaut werden. <br />
<br />
Am 15. Juli 1937, vor dem Gebietsaustausch, bestimmte [[Hermann Göring]] per Fingerzeig auf einer Karte den künftigen Standort der neuen Hütte der [[Reichswerke Hermann Göring|Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten „Hermann Göring“]] (''Hermann-Göring-Werke'') in der Nähe von Salzgitter in der preußischen Provinz Hannover. Um den neuen Standort im eigenen Land zu haben, verschob der braunschweigische Ministerpräsident [[Dietrich Klagges]] den Standort heimlich ins Land Braunschweig nach [[Watenstedt (Salzgitter)|Watenstedt]] ins Amt [[Salder]]. Dadurch musste die Erzbahn später eine 15 km lange Strecke von den Salzgitter-Schächten zur eigentlichen Hütte zurücklegen. Die historische Bergbaustadt [[Goslar]] blieb außen vor, so dass der 1552 eingestellte Bergbau nicht wiederbelebt wurde.<ref name="Spiegel3549">[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44438228.html|DER SPIEGEL 35/1949] Für einen Katastrophenfall - Es wachse das Erz</ref><br />
<br />
Nach dem Inkrafttreten des raumordnenden „Salzgitter-Gesetzes“ am 1. August 1941 verfügte am 1. April 1942 der [[Reichsstatthalter]] von [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Freistaat Braunschweig|Braunschweig]], [[Rudolf Jordan (Politiker)|Rudolf Jordan]], die Gründung der [[Planstadt]] [[Salzgitter|Watenstedt–Salzgitter]]<ref>http://www.salzgitter.de/stadtleben/kultur/stadtgeschichte/chronik.php www.salzgitter.de Chronik</ref> aus sieben Gemeinden des zum [[Land Braunschweig]] gekommenen [[Landkreis Goslar|Landkreises Goslar]] und 21 Gemeinden des [[Land Braunschweig|braunschweigischen]] [[Landkreis Wolfenbüttel|Landkreises Wolfenbüttel]]. 26 Tage später, am 27. April 1942, wurde sie zur [[Stadtkreis (Deutschland)|kreisfreien Stadt]] erhoben<ref>http://digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de/dfg-files/00042534/DWL/00000273.pdf S. 251.</ref><br />
<br />
Das 300-Einwohnerdorf [[Lebenstedt]] sollte als „Hermann-Göring-Stadt“ den Stadtkern mit 250.000 Einwohnern bilden. [[Adolf Hitler]] lehnte den Namen für die gesamte Stadt ab, so dass die braunschweigische Landesregierung durchsetzen konnte, dass der führende Teil des Doppelnamens der Name der braunschweigischen Gemeinde [[Watenstedt (Salzgitter)|Watenstedt]] wurde. <br />
<br />
Die Verhüttungsanlagen wurden von amerikanischen Firmen geplant und britischen Banken finanziert. Der Raum zwischen Goslar, Wolfenbüttel und Braunschweig wurde bis 1945 zu einer der größten Baustellen Europas. Bis Kriegsende blieb die neue Großstadt unvollendet.<br />
<br />
Dennoch war in den 40er Jahren das Kraftwerk der ehemaligen Reichswerke das größte Niedersachsens mit einer Kapazität von etwa 100 Millionen kWh im Monat (ein Drittel der damals in Niedersachsen verbrauchten Energie).<br />
Da die fünf Wasserwerke für die Industrieanlagen und Stadt bereits fertig waren, mussten jährlich 50 Millionen Kubikmeter Harzer Trinkwasser weggeschüttet werden.<ref name="Spiegel3549" /><br />
<br />
== Folgen ==<br />
Durch vier kleinere Verordnungen (1936,<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] 1936 II. S. 146.</ref> 1938,<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] 1938 II. S. 847.</ref> 1939<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] 1939 II. S. 997.</ref> und 1942<ref>[[Reichsgesetzblatt|RGBl.]] 1942 II. S. 287.</ref>) und der größten, dem „Salzgitter-Gesetz“, wurden die Grenzen des [[Freistaat Braunschweig|Freistaates Braunschweig]] teilweise stark modifiziert. Die territoriale Zersplitterung [[Freistaat Braunschweig|Braunschweigs]] wurde minimiert. Der [[Landkreis Gandersheim]] und die Exklave [[Bad Harzburg]] wurden mit dem Kerngebiet verbunden und bildeten nun ein kompakteres Territorium. Betrug die Zahl größerer [[Exklaven]] um das braunschweiger Kernterritorium vor 1941 noch sieben, wurden sie durch das Gesetz auf drei ([[Thedinghausen]], [[Landkreis Blankenburg|Blankenburg]] und [[Amt_Calvörde|Calvörde]]) reduziert. Die beiden letzteren lagen nach 1945 in der [[Sowjetische Besatzungszone|sowjetischen Besatzungszone]]. Der in der [[britische Besatzungszone|britischen Besatzungszone]] verbliebene Rest des [[Landkreis Blankenburg (Niedersachsen)|Landkreises Blankenburg]] bestand noch bis 1972, Sitz der Kreisverwaltung war [[Braunlage]]. <br />
<br />
Eine ähnliche, da mit Braunschweig räumlich verwoben, Entwicklung nahm die preußische [[Provinz Hannover]]. Sukzessiv wurde sie von ihren historisch gewachsenen, aber administrativ unvorteilhaften, Ex- und Enklaven befreit. Zum Einen wurden durch Gebietsreformen im [[Freistaat Preußen]] Gebiete mit der [[Provinz Sachsen]] und der [[Provinz Hessen-Nassau]] getauscht, zum Anderen wurde die räumliche Zersplitterung zuletzt durch das Salzgitter-Gesetz nahezu beseitigt. <br />
<br />
Das Salzgitter-Gesetz kann im größeren Kontext daher auch als Teil der Flurbereinigung des heutigen Landes [[Niedersachsen]] betrachtet werden.<br />
<br />
== Fortwirkung ==<br />
Die Verordnungen wurden von den Alliierten nicht rückgängig gemacht, sondern durch weitere Vereinbarungen wie dem [[Zonenprotokoll]] ausgebaut und auch nach der Wiedervereinigung nicht mehr revidiert. Somit bildet die Entwicklung die Basis der gegenwärtigen Grenze zwischen dem Land [[Niedersachsen]] und dem Land [[Sachsen-Anhalt]].<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Barber-Ljaschtschenko-Abkommen]]<br />
* [[Geschichte der Verwaltungsgliederung Thüringens#1945 bis 1952]]<br />
* [[Wanfrieder Abkommen]]<br />
* [[Salzgitter#1933_bis_1945]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Gesetz über den Neuaufbau des Reichs}}<br />
* [http://www.verfassungen.de/de/nds/braunschweig/braunschweig41.htm Verordnung über Gebietsbereinigungen im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter vom 25. Juni 1941 (Abschrift)]<br />
* [http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=1941&size=45&page=385 Verordnung über Gebietsbereinigungen im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter vom 25. Juni 1941 (Original)]<br />
* http://digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de/dfg-files/00042534/DWL/00000273.pdf<br />
* [http://www.verfassungen.de/de/hb/bremerhaven39.htm Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs (Volltext)]<br />
<br />
[[Kategorie:Rechtsquelle (Zeit des Nationalsozialismus)]]<br />
[[Kategorie:Föderalismus in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Verfassungsgeschichte (Deutsches Reich 1933–1945)]]<br />
[[Kategorie:Politik (Braunschweig)]]<br />
[[Kategorie:Politik (Preußen)]]<br />
[[Kategorie:Provinz Sachsen]]<br />
[[Kategorie:Provinz Hannover]]<br />
[[Kategorie:1941]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NS-Staat&diff=142388198NS-Staat2015-05-22T21:49:37Z<p>Exec: /* Territorium */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsform, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu Aufstieg der NSDAP ab 1918 und Regierung von 1933 bis 1945 siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]], zur Ideologie siehe [[Nationalsozialismus]], zum Parteiaufbau [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| border="1" cellpadding="2" style="float:right; border-collapse:collapse; border-color:#f2f2f4; margin-left:15px; margin-bottom:15px; width:340px; font-size:95%; border:1px solid #aaaaaa;"<br />
| align="center" colspan="2" style="line-height:1.7em; background-color:#E0E0E0;" | <span style="font-size:1.5em">'''Deutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''1933–1945'''</span><br /><span style="font-size:1.2em">'''Großdeutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''(ab 1943)'''</span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%" style="border:none; margin:0; padding:0;"<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Reichsadler.svg|150px|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|-<br />
| align="center" | <small>[[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge<br />(ab 1935)]]</small><br />
| align="center" | [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus|Wappen]]<br />
|}<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#E0E0E0; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%"<br />
| align="left" width="33%" | <span style="font-size:1.2em">[[Weimarer Republik|←]]</span> [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />
| align="center" width="34%" | '''Navigation'''<br />
| align="right" width="33%" | [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] <span style="font-size:1.2em">[[Deutschland 1945 bis 1949|→]]</span><br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] <span style="font-size:1.2em">[[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]</span><br />
|}<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Verfassung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | <small>Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 faktisch außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Amtssprache]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Berlin]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Republik]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | Moderne [[Diktatur]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br /><small>– 1925 bis 1934</small><br /><small>– 1934 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichspräsident]]<br /><small>[[Paul von Hindenburg]]</small><br /><small>[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])</small><br /><small>[[Karl Dönitz]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Regierungschef]]'''<br /><small>– 1933 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br /><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichskanzler]]<br /><small>Adolf Hitler</small><br /><small>[[Joseph Goebbels]]</small><br />''[[Regierung Dönitz|Leitender&nbsp;Minister]]''<br /><small>[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Lutz Graf Schwerin von Krosigk]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA; vertical-align:top;" | '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />– 1939<br />– 1940/41<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich'', Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus'', Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />– 1938<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Währung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichsmark]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Lied der Deutschen|Deutschlandlied]]<br />[[Horst-Wessel-Lied]] ''([[De jure/de facto|de facto]])''<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Zeitzone]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[UTC+1]] [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''Karte'''<br />
|-<br />
| colspan="2" align="center" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Das '''[[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]''' war von '''1933 bis 1945''' eine [[Diktatur]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP). Unter [[Adolf Hitler]] wurde [[Zeit des Nationalsozialismus|in dieser Zeit]] eine [[Führerdiktatur]] errichtet. Mit dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]], dem [[Münchner Abkommen]] und der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ erweiterte das NS-Regime bis 1939 das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs. Hitler führte den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als [[Vernichtungskrieg|Vernichtungs-]] und [[Eroberungskrieg]], um das „Großdeutsche Reich“ bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]] auszudehnen.<br />
<br />
Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] und dem Untergang des „[[Drittes Reich|Dritten Reichs]]“ stellte sich die [[Rechtslage Deutschlands nach 1945|Frage nach Untergang oder Fortbestand des deutschen Nationalstaates]]. Während bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] unterschiedliche Auffassungen zur [[völkerrecht]]lichen Identität von [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] und Deutschem Reich bestanden, wird seitdem davon ausgegangen, dass die heutige [[Deutschland|Bundesrepublik]] mit dem früheren Deutschen Reich als [[Völkerrechtssubjekt]] identisch ist.<br />
<br />
== Bezeichnungen ==<br />
=== Deutsches Reich ===<br />
[[Deutschland]] durchlief unter dem Namen ''Deutsches Reich'' verschiedene Epochen mit entsprechenden [[Verfassung]]en: Das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserreich]] bestand von der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung]] 1871 bis zur [[Novemberrevolution]] 1918 als ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchien]] und [[Freie Stadt#19. Jahrhundert|Freien Städten]]. Die [[Weimarer Republik]] bestand im Wesentlichen von 1919 bis zur Annahme des [[Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich|Ermächtigungsgesetzes]] am 23. März 1933 als [[Repräsentative Demokratie#Parlamentarische Demokratie|parlamentarische Demokratie]].<br />
<br />
Diese wurde ab der [[Ernennung Hitlers zum Reichskanzler]] am 30. Januar 1933 durch einen künftigen ([[#Reichskanzlei|ab August 1934]]) „nationalsozialistischen [[Führerstaat]]“ abgelöst.<ref name="Kotulla_DtVerfGesch_Vom_Alten_Reich_bis_Weimar_Rn2432f">[[Michael Kotulla]]: ''Deutsche Verfassungsgeschichte: Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934)'', Springer, Berlin 2008, § 35 [http://books.google.de/books?id=mfjijA5t9bUC&pg=PA622 Rn 2432 f.]</ref> Dieser endete gleichzeitig mit dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in Europa durch die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte]] am 8. Mai 1945. Kurz nach der bedingungslosen Kapitulation wurde zudem die sogenannte [[Regierung Dönitz|Geschäftsführende Reichsregierung]] mit [[Karl Dönitz]] in [[Flensburg]]-[[Mürwik]] verhaftet.<br />
<br />
=== Großdeutsches Reich ===<br />
[[Datei:DR 1944 894 Arbeitsdienst.jpg|mini|hochkant|Briefmarke (Juni 1944). „RAD“ steht für [[Reichsarbeitsdienst]].]]<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erweiterten das deutsche [[Staatsgebiet]] schrittweise. Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] an das Deutsche Reich am 12. und 13. März 1938 benannten sie [[Österreich]] in „[[Ostmarkgesetz|Ostmark]]“, 1942 in [[Donau- und Alpenreichsgaue]] um. Deutsche und ehemals österreichische Teilgebiete zusammen nannten sie ab März 1938 inoffiziell '''Großdeutsches Reich'''; die Kurzbezeichnung ''Großdeutschland'' wurde umgangssprachlich verwendet, den Terminus ''Großdeutsches Reich'' gab es im [[Reichsgesetzblatt]].<br />
<br />
Mit diesem Begriff beanspruchte das [[NS-Regime]], die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] „[[großdeutsche Lösung]]“ – die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]] – erreicht zu haben. Dies hatte vor ihnen der [[Alldeutscher Verband|Alldeutsche Verband]] erfolglos angestrebt; bei der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung 1871]] war [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] „[[kleindeutsche Lösung]]“ realisiert worden. Darüber hinaus deutete der nationalsozialistische Begriff des „Großdeutschen Reichs“ expansive Absichten an: Weitere Gebiete mit [[Volksdeutsche]]n sollten in das Staatsgebiet eingegliedert werden, um ein „Großgermanisches Reich“ zu schaffen.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref> Dieses sollte weit über Deutschlands Grenzen hinausgehen und wurde als historische Notwendigkeit propagiert.<ref>Robert Bohn: ''Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern 1940–1945'', Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07099-0, [http://books.google.de/books?id=08al1e8BdRIC&pg=PA7 S. 7].</ref><br />
<br />
Das [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920 rechtfertigte diese Ziele mit den völkischen und rassistischen Ideen der „[[Volksgemeinschaft]]“ und dem „[[Volk ohne Raum]]“. Darum erklärte das NS-Regime auch die später eroberten Gebiete mit Ausnahme des [[Generalgouvernement]]s (dieses wurde stattdessen zum ''Nebenland'' erklärt) zu „Gebieten des Großdeutschen Reiches“, verleibte sie dem Deutschen Reich also einseitig und [[völkerrecht]]swidrig ein.<br />
<br />
Der Erlass ''RK 7669 E'' des ''Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei'', [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung amtlich verbindlich.<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt Jahrgang 1943, Teil I, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> Die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert, sondern zeigte sich erstmals am 24. Oktober 1943 auf damaligen Briefmarken, ab Juni 1944 auf sämtlichen Ausgaben.<br />
<br />
{{Siehe auch|Nationalsozialistische Europapläne}}<br />
<br />
=== Altreich ===<br />
Als ''Altreich'' bezeichneten die deutschen Staats- und Verwaltungsbehörden ebenfalls ab März 1938 das deutsche Staatsgebiet vor der von ihnen so genannten „[[Anschluss Österreichs|Wiedervereinigung]] mit [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> Dazu zählten sie das 1935 dem Deutschen Reich wieder angeschlossene [[Saargebiet]], aber nicht das [[Sudetenland]], das sie nach dem [[Münchner Abkommen]] Anfang Oktober 1938 annektierten, und auch nicht die 1939 eroberte [[Freie Stadt Danzig]]. Sie unterschieden es streng von diesen neu eingegliederten Gebieten, da sie für diese abweichende Gesetzgebungsverfahren und Verwaltungsstrukturen schufen.<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[Deutschland in den Grenzen von 1937]]'' akzeptierten die westlichen Siegermächte nach Kriegsende das Saargebiet als Teil Deutschlands. Auch Danzig behandelten sie nicht als eroberte Stadt, so dass sie oft fälschlich nachträglich zum „Altreich“ gezählt wird.<br />
<br />
=== Drittes Reich ===<br />
Der Ausdruck ''[[Drittes Reich]]'' stammt aus der christlichen [[Apokalyptik]] des Mittelalters. [[Arthur Moeller van den Bruck]] bezog ihn 1923 auf ein künftiges vom [[Nationaler Sozialismus|nationalen Sozialismus]] geprägtes Großdeutschland, das dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] und dem [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] folgen und die Anläufe zu einem völkisch vereinheitlichten Nationalstaat beerben und vervollkommnen sollte. In diesem Sinne verwendeten viele Gegner der Weimarer Republik diesen Begriff vor 1933. Damit klammerten die Antidemokraten diese erste deutsche [[Demokratie]] aus ihrer Geschichtsschau aus, da sie ihnen als baldmöglichst abzulösende Fehlentwicklung galt.<br />
<br />
Die [[NS-Propaganda]] übernahm van den Brucks Buchtitel vor 1933 für den von ihr angestrebten autoritären Führerstaat, ließ den Begriff aber nach der [[Machtergreifung#Hitlers Reichskanzlerschaft|nationalsozialistischen Machtkonsolidierung]], spätestens 1939 vornehmlich wegen seiner christlichen Implikationen wieder fallen.<ref>Johannes Schmitt: ''Der bedrohte „Arier“: Anmerkungen zur nationalsozialistischen Dramaturgie der Rassenhetze'', Lit Verlag, Berlin/Münster 2010, ISBN 978-3-643-10620-9, [http://books.google.de/books?id=jsAgVN7BABoC&pg=PA71 S. 71, Anm. 118].</ref><br />
<br />
=== Tausendjähriges Reich ===<br />
Der Begriff ''Tausendjähriges Reich'' hat ähnliche ideologische Wurzeln wie „Drittes Reich“. Er wurde von der NS-Propaganda aufgegriffen, um ihren Anspruch auf eine nicht mehr ablösbare, unendlich andauernde Herrschaftsordnung als Endzustand der deutschen und universalen Geschichte auszudrücken.<br />
<br />
=== Heutige Bezeichnungen ===<br />
Heute wird das nationalsozialistische Deutschland in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oft als „NS-Staat“, „Führerstaat“ oder weiterhin als „Drittes Reich“ bezeichnet. In der [[Umgangssprache]] finden sich auch Benennungen wie „Nazi-Deutschland“ oder „Hitlerdeutschland“.<br />
<br />
== Ideologie ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:WernerGoldberg.jpg|mini|hochkant|„Der ideale deutsche Soldat“, ''Berliner Tageblatt'', 1939]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Volksbewegung. Er strebte die Aufhebung der für die [[Weimarer Verfassung]] grundlegenden Rechtsprinzipien an: vor allem der individuellen [[Bürgerrechte]] und der institutionalisierten [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits, [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits. Sie sollten nicht nur gemäß Punkt 25 des Parteiprogramms von 1920 einer „starken Zentralgewalt des Reiches“ untergeordnet, sondern entweder durch neu aufgebaute Behörden ersetzt oder entmachtet und umstrukturiert werden, um fortan Teil eines von oben nach unten organisierten „Führerstaats“ zu sein.<br />
<br />
Die Idee der Volksgemeinschaft sollte Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der dynamische, keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. Formal nicht normierte emotionale Leitgedanken wie das „[[Gesundes Volksempfinden|gesunde Volksempfinden]]“, der Aufstieg der „Tüchtigen“ durch „Kampf und Auslese“ usw. sollten zu neuen Quellen des [[Verfassungsrecht]]s werden. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien sollte die persönliche Verpflichtung treten, die dann durch „[[Führereid]]e“ bekräftigt werden musste.<br />
<br />
Hitler hatte als [[Parteichef]] der NSDAP mit seinem Legalitätseid vom 25. September 1930 ([[Ulmer Reichswehrprozess]]) die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten und spätere Umgestaltung des Staates nach der eigenen Weltanschauung angekündigt. Jedoch besaß die intern nach diesen Prinzipien organisierte NSDAP kein schlüssiges Konzept für den Neuaufbau der gesamten überkommenen Staatsverwaltung.<br />
<br />
Dem entsprach, dass das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen ließ, um sie dann in der Phase der [[Gleichschaltung]] in weiten Bereichen, jedoch nicht vollständig, zu entmachten oder durch eine Vielzahl neuer Reichsbehörden zu erweitern und zu „überwölben“. Deshalb kam es nach 1933 zu widersprüchlichen Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Die Gleichschaltungsmaßnahmen nutzten die ''[[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]]'' („Reichstagsbrandverordnung“, 28. Februar 1933), das ''[[Ermächtigungsgesetz|Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich]]'' (23. März 1933) und das ''[[Heimtückegesetz]]'' (20. Dezember 1934) aus.<br />
<br />
Sie hoben zuerst die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik auf. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem Süddeutschlands – und die Senate der Hansestädte aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch konnten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nachrücken. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, [[Reichsstatthalter]] mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter dann fast überall Hitlers Vorschlägen alter Gefolgsleute und NSDAP-Gauleiter.<br />
<br />
Mit dem Verbot der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] am 28. Februar, der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem [[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]] noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder zunächst ihre staatliche [[Souveränität]], so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== Territorium ==<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|rechts|334px|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944.]]<br />
<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
Deutschland blieb während der NS-Zeit in die bestehenden Länder gegliedert, die als Verwaltungseinheiten jedoch nur noch ausführende [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Behörden waren.<br />
<br />
* Der [[Freistaat Preußen]] war das größte einzelne Land des NS-Staates. Seine Verwaltungsstrukturen wurden schon 1932 beim sogenannten ''Preußenschlag'' stark geschwächt. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren dessen zentralstaatliche Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Preußische Provinz|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der ''Reichsstatthalter'' von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen Befugnisse an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Länder mit je einem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
<br />
=== Erweiterungen des Herrschaftsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
* Das [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] gesetzten Frist und einer Volksabstimmung am 1. März 1935 ins Reich eingegliedert.<br />
<br />
* Der „Anschluss“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der [[Wehrmacht]] am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Weitere Gebiete wurden durch politische Erpressung, militärische Drohung und kriegerische Besetzung einverleibt:<br />
* Die [[Tschechoslowakei]] musste das [[Sudetenland]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland]] wurde mit dem deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 ein Teil Preußens.<br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Erste Slowakische Republik|Slowakei]] musste sich von Prag unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 erhielt das ''[[Protektorat Böhmen und Mähren]]'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors und galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen Staatsgebiets völkerrechtlich unwirksam.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
Einige Gebiete [[Zweite Polnische Republik|Polens]] wurden nach dem [[Polenfeldzug]] 1939 im Sinne einer [[Annexion]] in das Deutsche Reich eingegliedert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]],<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des von Deutschland besetzten polnischen Staatsgebietes wurden als [[Generalgouvernement]] mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten werden mussten, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200 km nach Osten.<br />
<br />
Einige eroberte Gebiete wurden nach dem [[Westfeldzug]] 1940 einem Besatzungsverwalter – genannt „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) – unterstellt. Dort wurde eine „Eindeutschungspolitik“ zur Vorbereitung einer späteren Annexion betrieben, so in:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]]<br />
* [[Elsass]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
* [[Eupen-Malmedy]] wurde als ehemaliges deutsches Gebiet sofort eingegliedert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://geo.uni.lu/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=1493&Itemid=322 GR-Atlas: ''GA067 1940: Eupen, Malmedy …''] (Aufzählung der annektierten Gemeinden im vierten Absatz).</ref><br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug]] 1941 wurden [[Königreich Jugoslawien|jugoslawische]] Gebiete in Slowenien unter CdZ-Verwaltung gestellt:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 kam der<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]] unter eine deutsche Zivilverwaltung.<br />
<br />
Nachdem Deutschland 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] besetzt und [[Benito Mussolini]] nach dem Willen Hitlers in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] als [[Italienischer Faschismus|faschistischer]] Satellitenstaat einrichten durfte, wurden zwei Teilgebiete davon unter deutsche Verwaltung gestellt:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
In diesen Besatzungsgebieten wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Die sogenannten ''[[Volksdeutsche]]n'' erhielten „nach Maßgabe näherer Vorschriften“ die [[deutsche Staatsangehörigkeit]] und wurden damit [[wehrpflicht]]ig. Die spätere völlige Einverleibung in ein Großdeutsches Reich war damit vorbereitet und sollte nach dem Krieg vollzogen werden.<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Für die Zeit nach dem erhofften „[[Endsieg]]“ planten führende Nationalsozialisten detailliert, Teile der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und Russlands, die Halbinsel [[Krim]] (damals „[[Taurien]]“ genannt), das [[Baltikum]] sowie die französische [[Ärmelkanal|Kanalküste]] dem Großdeutschen Reich „einzugliedern“. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden 1941 in den besetzten Gebieten das ''[[Reichskommissariat Ostland]]'' und das ''[[Reichskommissariat Ukraine]]'' gegründet; die Bildung weiterer Reichskommissariate für ''[[Moskowien]]'' und ''[[Reichskommissariat Kaukasien|Kaukasien]]'' vereitelte der Kriegsverlauf.<br />
<br />
Vorgesehen war also eine Ausdehnung des Großdeutschen Reiches bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]]. Die einheimische Bevölkerung sollte im Rahmen des [[Generalplan Ost|Generalplans Ost]] vor allem durch [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]], massenhafte [[Sterilisation]]en von Frauen, [[Vertreibung]]en, [[Hungerplan|geplantes Verhungern]] und [[Massenmord]]e allmählich vernichtet werden. Dadurch wollte das vom [[Reichsführer SS]] [[Heinrich Himmler]] geleitete [[Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums]] Platz für die Ansiedlung von 500 bis 600 Millionen „[[Germanen|germanischen]] Menschen“ in Osteuropa schaffen, wie zum Beispiel „deutsche Siedlungsperlen“ an [[Wolga]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Lebensraum im Osten}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung (1942) elf Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer), im Nordosten und Osten an die [[Sowjetunion]], im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], das [[Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Davon waren alle außer Italien, Liechtenstein, der Schweiz und Teilen der Sowjetunion von deutschen Truppen besetzt. Die Slowakei war zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene” Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Aufgrund der in der NS-Ideologie proklamierten „Einheit von Volk und Staat“ erhielten die obersten Regierungsämter sowohl legislative wie exekutive und judikative Kompetenzen. Das Bestreben, den „Führerwillen“ in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam werden zu lassen, führte einerseits zur Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits zu ihrer oft wildwüchsigen Vermehrung.<br />
<br />
Aus sich überschneidenden Aufgaben von zentralisierten und neugeschaffenen Staatsbehörden sowie obersten Parteiämtern ergaben sich eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oft durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches'' vom 1.&nbsp;August 1934 übernahm Hitler einen Tag zuvor Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die [[Reichskanzlei]] in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Kleine Reichskanzlei]]'' in Berchtesgaden errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem Ministerrat für die Reichsverteidigung angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Martin Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von Philipp Bouhler geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder Albert Bormann tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Deutschland hatte nach 1933 wie zuvor bis zur militärischen Kapitulation 1945 eine [[Reichsregierung]]. Sie bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Ihre Aufgabe war, unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen.<br />
<br />
Hitler hielt jedoch nur wenige Monate lang regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das [[Kabinett Hitler]] nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Führer delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, der mit direkten Verordnungen regierte, wurden sämtliche Minister faktisch zu seinen Befehlsempfängern. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach Hitlers Selbstmord wurde Anfang Mai 1945 das [[Kabinett Schwerin von Krosigk]] gebildet. Es amtierte nur noch wenige Tage bis zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]].<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]].]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''Reichsjägermeisters'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau und Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen]] (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] (Chef der Sicherheitspolizei und des SD; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Weimarer Beamtenschaft stammte noch aus der Kaiserzeit und fühlte sich deren antidemokratischen Werten verpflichtet. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, wobei das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
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Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
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Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Hermann Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
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Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung, nicht politischer Linientreue besetzt. So blieben NSDAP-Mitglieder in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, so im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium.<br />
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Dort wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26. Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von nationalsozialistischer [[Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
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In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zugleich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation Hitler ergebener, zugleich fachkompetenter NS-Spitzenbeamten durch.<br />
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Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
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=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''Reichskommissar'' für das preußische Innenministerium ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke Hilfspolizei auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zu ständiger [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.ä. auf und erhielt diese vielfach auch.<br />
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Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die Politische Polizei und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Im Juni 1936 wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Deutsche Polizei|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Aufgabe war einerseits, die dem Chef der Polizei, andererseits, die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
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Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Hauptamt Sicherheitspolizei|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
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In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
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''Zur Organisation der SS siehe: [[Organisationsstruktur der SS]], [[SS-Hauptämter]]''<br />
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=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]]]]<br />
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Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen [[Bürgerrecht]]e unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
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Dieser Ideologie gemäß brachen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes wesentliche Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
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Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde damit zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung stärkte dessen Loyalität zum Führerstaat: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
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Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
Widerspruch dagegen regte sich innerhalb der männlichen Justizbeamtenschaft kaum. Deren deutschnational eingestellte Mehrheit vertraute Hitlers ab seinem Ulmer Legalitätseid häufigen Versprechungen von formal legalem Vorgehen.<br />
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Fortan wurde neben dem traditionellen Gerichtswesen für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
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Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten ''Erbgesundheitsgerichte'' angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Oberste von drei Instanzen war das neugeschaffene [[Reichserbhofgericht]], das dem Reichsernährungsminister unterstellt wurde. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
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Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
<br />
Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
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[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile vom Sondergericht Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
<br />
Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', ibidem, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die Rechtsprechung zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
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In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
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== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Verwendung während der Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
<br />
Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die [[Reichswehr]]. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Reichswehr persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|[[Reichsparteitag]] 1938, „Tag der Wehrmacht“: [[Erhard Milch|Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder, [[Maximilian von Weichs|Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|Allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 Prozent der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen, nicht nur politischen Oberbefehl über das neugebildete Oberkommando der Wehrmacht (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war wie folgt gegliedert:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht: [[Wilhelm Keitel]]<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]]: [[Alfred Jodl]]<br />
** [[Oberkommando des Heeres]]: [[Walther von Brauchitsch]]<br />
** [[Oberkommando der Marine]]: [[Erich Raeder]]<br />
** [[Oberkommando der Luftwaffe]]: [[Hermann Göring]], [[Robert von Greim|Robert Ritter von Greim]]<br />
<br />
== Die Frage der Nachkriegskontinuität ==<br />
{{Hauptartikel|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
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Die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] und die anschließende [[Deutschland 1945 bis 1949|Aufteilung Deutschlands]] und [[Besetztes Nachkriegsösterreich|Österreichs]] in [[Besatzungszone]]n der [[Alliierte#Die Vier Mächte|alliierten Siegermächte]] führten nicht zur Auflösung des deutschen Staates. Das Land [[Preußen]] wurde aufgelöst, die [[Österreich|Republik Österreich]] „wiederhergestellt“ in ihren Grenzen vor dem „Anschluss“ 1938; die historischen [[Land (Deutschland)#Geschichte der deutschen Länder ab 1945|deutschen Länder]] blieben, wurden aber neugegründet mit teils veränderten Grenzen. Sowohl die 1949 gegründete [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] als auch zunächst die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] hatten am juristischen Fortbestand des Deutschen Reiches festgehalten. Während man in der DDR jedoch später zur [[Debellatio|Untergangstheorie]] neigte, sind in der Bundesrepublik wie auch im [[Ausland]] seither unterschiedliche Identitäts- beziehungsweise Fortbestandstheorien vertreten worden.<ref>[[Kay Hailbronner]], in: [[Wolfgang Graf Vitzthum|Graf Vitzthum]] (Hrsg.), ''Völkerrecht'', 4. Aufl. 2007, 3. Abschn., [http://books.google.de/books?id=umn7Df1E-KUC&pg=PA225 Rn 200–203]; [[Georg Dahm]] ([[Jost Delbrück|Delbrück]]/[[Rüdiger Wolfrum|Wolfrum]]), ''Völkerrecht'', Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 145–150 ([http://books.google.de/books?id=co4MGcGCr74C&pg=PA146 146&nbsp;ff.]); vgl. dazu das bis 1990 verfassungsrechtlich verankerte [[Wiedervereinigungsgebot]].</ref><br />
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Nach der [[Lehrmeinung]] maßgeblicher [[Staatsrechtslehrer|Staatsrechtler]] wie auch gemäß der [[Höchstrichterliche Rechtsprechung|höchstrichterlichen Rechtsprechung]] und der in der Staatenpraxis international anerkannten<ref>[[Georg Ress]], in: Ulrich Beyerlin, ''Recht zwischen Umbruch und Bewahrung'' (=&nbsp;Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 120), 1995, [http://books.google.de/books?id=OumydERAANUC&pg=PA844 S.&nbsp;843&nbsp;f.], [http://books.google.com/books?id=OumydERAANUC&lpg=PA849 849].</ref> und vollständig durchgesetzten Rechtsposition ist das heutige Deutschland, die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]], als [[Völkerrechtssubjekt]] mit dem Deutschen Reich identisch;<ref>Vgl. hierzu umfassend [[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation'', Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 71&nbsp;f., [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PA83 82&nbsp;f.], 87 f., 92 mit weiteren Nachweisen; [[Klaus Stern (Rechtswissenschaftler)|Klaus Stern]], ''Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland'', Band V, C.H. Beck, München 2000, [http://www.krr-faq.net/ster1964.htm S. 1964&nbsp;f.]; [[Dieter Blumenwitz]], [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 1990, S. 3041&nbsp;ff. mit weiteren Nachweisen; [[Jochen Abraham Frowein|Jochen Abr. Frowein]], ''Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts'', in: [[Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer|VVDStRL]], Heft 49, 1990, S. 7–33.</ref> der vormalige NS-Staat gliederte sich daher 1949 zu einem Bundesstaat auf.<ref>[[Karl Doehring]]: ''Völkerrecht'', 2., neubearbeitete Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004, [http://books.google.de/books?id=MRU_q5e8-XsC&pg=PA64 Rn 139, Anm.&nbsp;177].</ref> Mit dem Hinweis darauf, dass den Deutschen in der DDR [[freie Wahl]]en verwehrt waren und ihnen das [[Selbstbestimmungsrecht]] fehlte, erhoben die Regierungen der Bundesrepublik, die sich als Regierung des ganzen Deutschlands verstanden, anfangs einen [[Alleinvertretungsanspruch#Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Alleinvertretungsanspruch]] auch für die [[Staatsbürgerschaft der DDR|Staatsbürger der DDR]].<br />
<br />
Demgegenüber besagt der [[Zeitgeschichte|zeitgeschichtliche]] Befund etwa des Historikers [[Heinrich August Winkler]]: {{"|Mit dem ‚Dritten Reich’ ging am 8. Mai 1945 auch das Deutsche Reich unter, das [[Thomas Mann]] das ‚unheilige Deutsche Reich preußischer Nation’ nannte, das immer nur ein ‚Kriegsreich’ habe sein können.}} Am Ende des Krieges, so Winkler, hätten die Deutschen nicht nur das Reich verloren; es habe nicht einmal Gewissheit darüber gegeben, dass es in Zukunft überhaupt wieder zu einem deutschen [[Nationalstaat]] kommen würde. Winkler führt aus: „Am Ende des Zweiten Weltkriegs war der preußische Mythos so verbraucht wie der sehr viel ältere [[Reichsidee|Reichsmythos]], der den Untergang des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] im Jahre 1806 um 139 Jahre überlebt hatte. Mehr zu sein als die anderen europäischen Nationen und ihre Nationalstaaten: nichts hatte die Deutschen vom Westen so sehr getrennt wie der universalistische Anspruch, den sie mit dem Reich verbanden.“<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' 5., durchges. Aufl., München 2002, S.&nbsp;114.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''Unter dem Hakenkreuz: Die deutschen Feuerwehren 1933–1945'', ibidem, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-89821-997-6.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945'', 6. erweiterte und aktualisierte Neuauflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich – Aufstieg'' (Band 1 der dreibändigen Geschichte des Dritten Reichs), München 2004, ISBN 3-421-05652-8; es folgten: Band 2 – ''Diktatur.'' 2007, ISBN 978-3-421-05653-5; Band 3 – ''Krieg.'' 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik''. 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;Handbuch der deutschen Geschichte, Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
* [[Ursula Wolf]]: ''Litteris Et Patriae: Das Janusgesicht der Historie'', Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06875-9, ISBN 978-3-515-06875-8. ([http://books.google.de/books?id=d0W1phP8rKsC&pg=PA147 Google Books])<br />
* Michael H. Kater: ''Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches'', Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57950-9, ISBN 978-3-486-57950-5. ([http://books.google.de/books?id=VoCHA6npCHkC&pg=PA176 Google Books])<br />
<br />
== Film ==<br />
* Michael Kloft: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/ Das Bundesarchiv]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste deutsche Staatssysteme<br />
|Navigationsleiste Länder des Deutschen Reiches 1933–1945}}<br />
<br />
[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der deutschen Länder]]<br />
[[Kategorie:Diktatur]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NS-Staat&diff=142388169NS-Staat2015-05-22T21:48:17Z<p>Exec: /* Territorium */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsform, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu Aufstieg der NSDAP ab 1918 und Regierung von 1933 bis 1945 siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]], zur Ideologie siehe [[Nationalsozialismus]], zum Parteiaufbau [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| border="1" cellpadding="2" style="float:right; border-collapse:collapse; border-color:#f2f2f4; margin-left:15px; margin-bottom:15px; width:340px; font-size:95%; border:1px solid #aaaaaa;"<br />
| align="center" colspan="2" style="line-height:1.7em; background-color:#E0E0E0;" | <span style="font-size:1.5em">'''Deutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''1933–1945'''</span><br /><span style="font-size:1.2em">'''Großdeutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''(ab 1943)'''</span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%" style="border:none; margin:0; padding:0;"<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Reichsadler.svg|150px|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|-<br />
| align="center" | <small>[[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge<br />(ab 1935)]]</small><br />
| align="center" | [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus|Wappen]]<br />
|}<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#E0E0E0; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%"<br />
| align="left" width="33%" | <span style="font-size:1.2em">[[Weimarer Republik|←]]</span> [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />
| align="center" width="34%" | '''Navigation'''<br />
| align="right" width="33%" | [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] <span style="font-size:1.2em">[[Deutschland 1945 bis 1949|→]]</span><br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] <span style="font-size:1.2em">[[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]</span><br />
|}<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Verfassung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | <small>Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 faktisch außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Amtssprache]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Berlin]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Republik]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | Moderne [[Diktatur]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br /><small>– 1925 bis 1934</small><br /><small>– 1934 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichspräsident]]<br /><small>[[Paul von Hindenburg]]</small><br /><small>[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])</small><br /><small>[[Karl Dönitz]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Regierungschef]]'''<br /><small>– 1933 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br /><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichskanzler]]<br /><small>Adolf Hitler</small><br /><small>[[Joseph Goebbels]]</small><br />''[[Regierung Dönitz|Leitender&nbsp;Minister]]''<br /><small>[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Lutz Graf Schwerin von Krosigk]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA; vertical-align:top;" | '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />– 1939<br />– 1940/41<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich'', Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus'', Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />– 1938<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Währung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichsmark]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Lied der Deutschen|Deutschlandlied]]<br />[[Horst-Wessel-Lied]] ''([[De jure/de facto|de facto]])''<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Zeitzone]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[UTC+1]] [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''Karte'''<br />
|-<br />
| colspan="2" align="center" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Das '''[[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]''' war von '''1933 bis 1945''' eine [[Diktatur]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP). Unter [[Adolf Hitler]] wurde [[Zeit des Nationalsozialismus|in dieser Zeit]] eine [[Führerdiktatur]] errichtet. Mit dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]], dem [[Münchner Abkommen]] und der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ erweiterte das NS-Regime bis 1939 das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs. Hitler führte den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als [[Vernichtungskrieg|Vernichtungs-]] und [[Eroberungskrieg]], um das „Großdeutsche Reich“ bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]] auszudehnen.<br />
<br />
Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] und dem Untergang des „[[Drittes Reich|Dritten Reichs]]“ stellte sich die [[Rechtslage Deutschlands nach 1945|Frage nach Untergang oder Fortbestand des deutschen Nationalstaates]]. Während bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] unterschiedliche Auffassungen zur [[völkerrecht]]lichen Identität von [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] und Deutschem Reich bestanden, wird seitdem davon ausgegangen, dass die heutige [[Deutschland|Bundesrepublik]] mit dem früheren Deutschen Reich als [[Völkerrechtssubjekt]] identisch ist.<br />
<br />
== Bezeichnungen ==<br />
=== Deutsches Reich ===<br />
[[Deutschland]] durchlief unter dem Namen ''Deutsches Reich'' verschiedene Epochen mit entsprechenden [[Verfassung]]en: Das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserreich]] bestand von der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung]] 1871 bis zur [[Novemberrevolution]] 1918 als ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchien]] und [[Freie Stadt#19. Jahrhundert|Freien Städten]]. Die [[Weimarer Republik]] bestand im Wesentlichen von 1919 bis zur Annahme des [[Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich|Ermächtigungsgesetzes]] am 23. März 1933 als [[Repräsentative Demokratie#Parlamentarische Demokratie|parlamentarische Demokratie]].<br />
<br />
Diese wurde ab der [[Ernennung Hitlers zum Reichskanzler]] am 30. Januar 1933 durch einen künftigen ([[#Reichskanzlei|ab August 1934]]) „nationalsozialistischen [[Führerstaat]]“ abgelöst.<ref name="Kotulla_DtVerfGesch_Vom_Alten_Reich_bis_Weimar_Rn2432f">[[Michael Kotulla]]: ''Deutsche Verfassungsgeschichte: Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934)'', Springer, Berlin 2008, § 35 [http://books.google.de/books?id=mfjijA5t9bUC&pg=PA622 Rn 2432 f.]</ref> Dieser endete gleichzeitig mit dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in Europa durch die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte]] am 8. Mai 1945. Kurz nach der bedingungslosen Kapitulation wurde zudem die sogenannte [[Regierung Dönitz|Geschäftsführende Reichsregierung]] mit [[Karl Dönitz]] in [[Flensburg]]-[[Mürwik]] verhaftet.<br />
<br />
=== Großdeutsches Reich ===<br />
[[Datei:DR 1944 894 Arbeitsdienst.jpg|mini|hochkant|Briefmarke (Juni 1944). „RAD“ steht für [[Reichsarbeitsdienst]].]]<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erweiterten das deutsche [[Staatsgebiet]] schrittweise. Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] an das Deutsche Reich am 12. und 13. März 1938 benannten sie [[Österreich]] in „[[Ostmarkgesetz|Ostmark]]“, 1942 in [[Donau- und Alpenreichsgaue]] um. Deutsche und ehemals österreichische Teilgebiete zusammen nannten sie ab März 1938 inoffiziell '''Großdeutsches Reich'''; die Kurzbezeichnung ''Großdeutschland'' wurde umgangssprachlich verwendet, den Terminus ''Großdeutsches Reich'' gab es im [[Reichsgesetzblatt]].<br />
<br />
Mit diesem Begriff beanspruchte das [[NS-Regime]], die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] „[[großdeutsche Lösung]]“ – die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]] – erreicht zu haben. Dies hatte vor ihnen der [[Alldeutscher Verband|Alldeutsche Verband]] erfolglos angestrebt; bei der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung 1871]] war [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] „[[kleindeutsche Lösung]]“ realisiert worden. Darüber hinaus deutete der nationalsozialistische Begriff des „Großdeutschen Reichs“ expansive Absichten an: Weitere Gebiete mit [[Volksdeutsche]]n sollten in das Staatsgebiet eingegliedert werden, um ein „Großgermanisches Reich“ zu schaffen.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref> Dieses sollte weit über Deutschlands Grenzen hinausgehen und wurde als historische Notwendigkeit propagiert.<ref>Robert Bohn: ''Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern 1940–1945'', Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07099-0, [http://books.google.de/books?id=08al1e8BdRIC&pg=PA7 S. 7].</ref><br />
<br />
Das [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920 rechtfertigte diese Ziele mit den völkischen und rassistischen Ideen der „[[Volksgemeinschaft]]“ und dem „[[Volk ohne Raum]]“. Darum erklärte das NS-Regime auch die später eroberten Gebiete mit Ausnahme des [[Generalgouvernement]]s (dieses wurde stattdessen zum ''Nebenland'' erklärt) zu „Gebieten des Großdeutschen Reiches“, verleibte sie dem Deutschen Reich also einseitig und [[völkerrecht]]swidrig ein.<br />
<br />
Der Erlass ''RK 7669 E'' des ''Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei'', [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung amtlich verbindlich.<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt Jahrgang 1943, Teil I, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> Die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert, sondern zeigte sich erstmals am 24. Oktober 1943 auf damaligen Briefmarken, ab Juni 1944 auf sämtlichen Ausgaben.<br />
<br />
{{Siehe auch|Nationalsozialistische Europapläne}}<br />
<br />
=== Altreich ===<br />
Als ''Altreich'' bezeichneten die deutschen Staats- und Verwaltungsbehörden ebenfalls ab März 1938 das deutsche Staatsgebiet vor der von ihnen so genannten „[[Anschluss Österreichs|Wiedervereinigung]] mit [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> Dazu zählten sie das 1935 dem Deutschen Reich wieder angeschlossene [[Saargebiet]], aber nicht das [[Sudetenland]], das sie nach dem [[Münchner Abkommen]] Anfang Oktober 1938 annektierten, und auch nicht die 1939 eroberte [[Freie Stadt Danzig]]. Sie unterschieden es streng von diesen neu eingegliederten Gebieten, da sie für diese abweichende Gesetzgebungsverfahren und Verwaltungsstrukturen schufen.<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[Deutschland in den Grenzen von 1937]]'' akzeptierten die westlichen Siegermächte nach Kriegsende das Saargebiet als Teil Deutschlands. Auch Danzig behandelten sie nicht als eroberte Stadt, so dass sie oft fälschlich nachträglich zum „Altreich“ gezählt wird.<br />
<br />
=== Drittes Reich ===<br />
Der Ausdruck ''[[Drittes Reich]]'' stammt aus der christlichen [[Apokalyptik]] des Mittelalters. [[Arthur Moeller van den Bruck]] bezog ihn 1923 auf ein künftiges vom [[Nationaler Sozialismus|nationalen Sozialismus]] geprägtes Großdeutschland, das dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] und dem [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] folgen und die Anläufe zu einem völkisch vereinheitlichten Nationalstaat beerben und vervollkommnen sollte. In diesem Sinne verwendeten viele Gegner der Weimarer Republik diesen Begriff vor 1933. Damit klammerten die Antidemokraten diese erste deutsche [[Demokratie]] aus ihrer Geschichtsschau aus, da sie ihnen als baldmöglichst abzulösende Fehlentwicklung galt.<br />
<br />
Die [[NS-Propaganda]] übernahm van den Brucks Buchtitel vor 1933 für den von ihr angestrebten autoritären Führerstaat, ließ den Begriff aber nach der [[Machtergreifung#Hitlers Reichskanzlerschaft|nationalsozialistischen Machtkonsolidierung]], spätestens 1939 vornehmlich wegen seiner christlichen Implikationen wieder fallen.<ref>Johannes Schmitt: ''Der bedrohte „Arier“: Anmerkungen zur nationalsozialistischen Dramaturgie der Rassenhetze'', Lit Verlag, Berlin/Münster 2010, ISBN 978-3-643-10620-9, [http://books.google.de/books?id=jsAgVN7BABoC&pg=PA71 S. 71, Anm. 118].</ref><br />
<br />
=== Tausendjähriges Reich ===<br />
Der Begriff ''Tausendjähriges Reich'' hat ähnliche ideologische Wurzeln wie „Drittes Reich“. Er wurde von der NS-Propaganda aufgegriffen, um ihren Anspruch auf eine nicht mehr ablösbare, unendlich andauernde Herrschaftsordnung als Endzustand der deutschen und universalen Geschichte auszudrücken.<br />
<br />
=== Heutige Bezeichnungen ===<br />
Heute wird das nationalsozialistische Deutschland in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oft als „NS-Staat“, „Führerstaat“ oder weiterhin als „Drittes Reich“ bezeichnet. In der [[Umgangssprache]] finden sich auch Benennungen wie „Nazi-Deutschland“ oder „Hitlerdeutschland“.<br />
<br />
== Ideologie ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:WernerGoldberg.jpg|mini|hochkant|„Der ideale deutsche Soldat“, ''Berliner Tageblatt'', 1939]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Volksbewegung. Er strebte die Aufhebung der für die [[Weimarer Verfassung]] grundlegenden Rechtsprinzipien an: vor allem der individuellen [[Bürgerrechte]] und der institutionalisierten [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits, [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits. Sie sollten nicht nur gemäß Punkt 25 des Parteiprogramms von 1920 einer „starken Zentralgewalt des Reiches“ untergeordnet, sondern entweder durch neu aufgebaute Behörden ersetzt oder entmachtet und umstrukturiert werden, um fortan Teil eines von oben nach unten organisierten „Führerstaats“ zu sein.<br />
<br />
Die Idee der Volksgemeinschaft sollte Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der dynamische, keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. Formal nicht normierte emotionale Leitgedanken wie das „[[Gesundes Volksempfinden|gesunde Volksempfinden]]“, der Aufstieg der „Tüchtigen“ durch „Kampf und Auslese“ usw. sollten zu neuen Quellen des [[Verfassungsrecht]]s werden. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien sollte die persönliche Verpflichtung treten, die dann durch „[[Führereid]]e“ bekräftigt werden musste.<br />
<br />
Hitler hatte als [[Parteichef]] der NSDAP mit seinem Legalitätseid vom 25. September 1930 ([[Ulmer Reichswehrprozess]]) die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten und spätere Umgestaltung des Staates nach der eigenen Weltanschauung angekündigt. Jedoch besaß die intern nach diesen Prinzipien organisierte NSDAP kein schlüssiges Konzept für den Neuaufbau der gesamten überkommenen Staatsverwaltung.<br />
<br />
Dem entsprach, dass das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen ließ, um sie dann in der Phase der [[Gleichschaltung]] in weiten Bereichen, jedoch nicht vollständig, zu entmachten oder durch eine Vielzahl neuer Reichsbehörden zu erweitern und zu „überwölben“. Deshalb kam es nach 1933 zu widersprüchlichen Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Die Gleichschaltungsmaßnahmen nutzten die ''[[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]]'' („Reichstagsbrandverordnung“, 28. Februar 1933), das ''[[Ermächtigungsgesetz|Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich]]'' (23. März 1933) und das ''[[Heimtückegesetz]]'' (20. Dezember 1934) aus.<br />
<br />
Sie hoben zuerst die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik auf. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem Süddeutschlands – und die Senate der Hansestädte aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch konnten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nachrücken. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, [[Reichsstatthalter]] mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter dann fast überall Hitlers Vorschlägen alter Gefolgsleute und NSDAP-Gauleiter.<br />
<br />
Mit dem Verbot der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] am 28. Februar, der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem [[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]] noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder zunächst ihre staatliche [[Souveränität]], so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== Territorium ==<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|rechts|334px|Großdeutsches Reich (Länder und Gaue) 1944]]<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
Deutschland blieb während der NS-Zeit in die bestehenden Länder gegliedert, die als Verwaltungseinheiten jedoch nur noch ausführende [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Behörden waren.<br />
<br />
* Der [[Freistaat Preußen]] war das größte einzelne Land des NS-Staates. Seine Verwaltungsstrukturen wurden schon 1932 beim sogenannten ''Preußenschlag'' stark geschwächt. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren dessen zentralstaatliche Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Preußische Provinz|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der ''Reichsstatthalter'' von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen Befugnisse an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Länder mit je einem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
<br />
=== Erweiterungen des Herrschaftsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
* Das [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] gesetzten Frist und einer Volksabstimmung am 1. März 1935 ins Reich eingegliedert.<br />
<br />
* Der „Anschluss“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der [[Wehrmacht]] am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Weitere Gebiete wurden durch politische Erpressung, militärische Drohung und kriegerische Besetzung einverleibt:<br />
* Die [[Tschechoslowakei]] musste das [[Sudetenland]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland]] wurde mit dem deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 ein Teil Preußens.<br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Erste Slowakische Republik|Slowakei]] musste sich von Prag unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 erhielt das ''[[Protektorat Böhmen und Mähren]]'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors und galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen Staatsgebiets völkerrechtlich unwirksam.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
Einige Gebiete [[Zweite Polnische Republik|Polens]] wurden nach dem [[Polenfeldzug]] 1939 im Sinne einer [[Annexion]] in das Deutsche Reich eingegliedert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]],<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des von Deutschland besetzten polnischen Staatsgebietes wurden als [[Generalgouvernement]] mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten werden mussten, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200 km nach Osten.<br />
<br />
Einige eroberte Gebiete wurden nach dem [[Westfeldzug]] 1940 einem Besatzungsverwalter – genannt „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) – unterstellt. Dort wurde eine „Eindeutschungspolitik“ zur Vorbereitung einer späteren Annexion betrieben, so in:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]]<br />
* [[Elsass]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
* [[Eupen-Malmedy]] wurde als ehemaliges deutsches Gebiet sofort eingegliedert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://geo.uni.lu/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=1493&Itemid=322 GR-Atlas: ''GA067 1940: Eupen, Malmedy …''] (Aufzählung der annektierten Gemeinden im vierten Absatz).</ref><br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug]] 1941 wurden [[Königreich Jugoslawien|jugoslawische]] Gebiete in Slowenien unter CdZ-Verwaltung gestellt:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 kam der<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]] unter eine deutsche Zivilverwaltung.<br />
<br />
Nachdem Deutschland 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] besetzt und [[Benito Mussolini]] nach dem Willen Hitlers in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] als [[Italienischer Faschismus|faschistischer]] Satellitenstaat einrichten durfte, wurden zwei Teilgebiete davon unter deutsche Verwaltung gestellt:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
In diesen Besatzungsgebieten wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Die sogenannten ''[[Volksdeutsche]]n'' erhielten „nach Maßgabe näherer Vorschriften“ die [[deutsche Staatsangehörigkeit]] und wurden damit [[wehrpflicht]]ig. Die spätere völlige Einverleibung in ein Großdeutsches Reich war damit vorbereitet und sollte nach dem Krieg vollzogen werden.<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Für die Zeit nach dem erhofften „[[Endsieg]]“ planten führende Nationalsozialisten detailliert, Teile der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und Russlands, die Halbinsel [[Krim]] (damals „[[Taurien]]“ genannt), das [[Baltikum]] sowie die französische [[Ärmelkanal|Kanalküste]] dem Großdeutschen Reich „einzugliedern“. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden 1941 in den besetzten Gebieten das ''[[Reichskommissariat Ostland]]'' und das ''[[Reichskommissariat Ukraine]]'' gegründet; die Bildung weiterer Reichskommissariate für ''[[Moskowien]]'' und ''[[Reichskommissariat Kaukasien|Kaukasien]]'' vereitelte der Kriegsverlauf.<br />
<br />
Vorgesehen war also eine Ausdehnung des Großdeutschen Reiches bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]]. Die einheimische Bevölkerung sollte im Rahmen des [[Generalplan Ost|Generalplans Ost]] vor allem durch [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]], massenhafte [[Sterilisation]]en von Frauen, [[Vertreibung]]en, [[Hungerplan|geplantes Verhungern]] und [[Massenmord]]e allmählich vernichtet werden. Dadurch wollte das vom [[Reichsführer SS]] [[Heinrich Himmler]] geleitete [[Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums]] Platz für die Ansiedlung von 500 bis 600 Millionen „[[Germanen|germanischen]] Menschen“ in Osteuropa schaffen, wie zum Beispiel „deutsche Siedlungsperlen“ an [[Wolga]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Lebensraum im Osten}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung (1942) elf Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer), im Nordosten und Osten an die [[Sowjetunion]], im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], das [[Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Davon waren alle außer Italien, Liechtenstein, der Schweiz und Teilen der Sowjetunion von deutschen Truppen besetzt. Die Slowakei war zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene” Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Aufgrund der in der NS-Ideologie proklamierten „Einheit von Volk und Staat“ erhielten die obersten Regierungsämter sowohl legislative wie exekutive und judikative Kompetenzen. Das Bestreben, den „Führerwillen“ in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam werden zu lassen, führte einerseits zur Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits zu ihrer oft wildwüchsigen Vermehrung.<br />
<br />
Aus sich überschneidenden Aufgaben von zentralisierten und neugeschaffenen Staatsbehörden sowie obersten Parteiämtern ergaben sich eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oft durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches'' vom 1.&nbsp;August 1934 übernahm Hitler einen Tag zuvor Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die [[Reichskanzlei]] in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Kleine Reichskanzlei]]'' in Berchtesgaden errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem Ministerrat für die Reichsverteidigung angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Martin Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von Philipp Bouhler geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder Albert Bormann tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Deutschland hatte nach 1933 wie zuvor bis zur militärischen Kapitulation 1945 eine [[Reichsregierung]]. Sie bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Ihre Aufgabe war, unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen.<br />
<br />
Hitler hielt jedoch nur wenige Monate lang regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das [[Kabinett Hitler]] nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Führer delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, der mit direkten Verordnungen regierte, wurden sämtliche Minister faktisch zu seinen Befehlsempfängern. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach Hitlers Selbstmord wurde Anfang Mai 1945 das [[Kabinett Schwerin von Krosigk]] gebildet. Es amtierte nur noch wenige Tage bis zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]].<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]].]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''Reichsjägermeisters'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau und Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen]] (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] (Chef der Sicherheitspolizei und des SD; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Weimarer Beamtenschaft stammte noch aus der Kaiserzeit und fühlte sich deren antidemokratischen Werten verpflichtet. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, wobei das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
<br />
Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
<br />
Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Hermann Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
<br />
Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung, nicht politischer Linientreue besetzt. So blieben NSDAP-Mitglieder in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, so im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium.<br />
<br />
Dort wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26. Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von nationalsozialistischer [[Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
<br />
In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zugleich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation Hitler ergebener, zugleich fachkompetenter NS-Spitzenbeamten durch.<br />
<br />
Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''Reichskommissar'' für das preußische Innenministerium ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke Hilfspolizei auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zu ständiger [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.ä. auf und erhielt diese vielfach auch.<br />
<br />
Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die Politische Polizei und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Im Juni 1936 wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Deutsche Polizei|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Aufgabe war einerseits, die dem Chef der Polizei, andererseits, die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
<br />
Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Hauptamt Sicherheitspolizei|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
<br />
In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
<br />
''Zur Organisation der SS siehe: [[Organisationsstruktur der SS]], [[SS-Hauptämter]]''<br />
<br />
=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]]]]<br />
<br />
Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen [[Bürgerrecht]]e unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
<br />
Dieser Ideologie gemäß brachen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes wesentliche Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
<br />
Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde damit zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung stärkte dessen Loyalität zum Führerstaat: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
<br />
Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
Widerspruch dagegen regte sich innerhalb der männlichen Justizbeamtenschaft kaum. Deren deutschnational eingestellte Mehrheit vertraute Hitlers ab seinem Ulmer Legalitätseid häufigen Versprechungen von formal legalem Vorgehen.<br />
<br />
Fortan wurde neben dem traditionellen Gerichtswesen für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
<br />
Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten ''Erbgesundheitsgerichte'' angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Oberste von drei Instanzen war das neugeschaffene [[Reichserbhofgericht]], das dem Reichsernährungsminister unterstellt wurde. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
<br />
Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
<br />
Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
<br />
[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile vom Sondergericht Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
<br />
Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', ibidem, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die Rechtsprechung zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
<br />
In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Verwendung während der Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
<br />
Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die [[Reichswehr]]. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Reichswehr persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|[[Reichsparteitag]] 1938, „Tag der Wehrmacht“: [[Erhard Milch|Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder, [[Maximilian von Weichs|Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|Allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 Prozent der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen, nicht nur politischen Oberbefehl über das neugebildete Oberkommando der Wehrmacht (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war wie folgt gegliedert:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht: [[Wilhelm Keitel]]<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]]: [[Alfred Jodl]]<br />
** [[Oberkommando des Heeres]]: [[Walther von Brauchitsch]]<br />
** [[Oberkommando der Marine]]: [[Erich Raeder]]<br />
** [[Oberkommando der Luftwaffe]]: [[Hermann Göring]], [[Robert von Greim|Robert Ritter von Greim]]<br />
<br />
== Die Frage der Nachkriegskontinuität ==<br />
{{Hauptartikel|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
<br />
Die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] und die anschließende [[Deutschland 1945 bis 1949|Aufteilung Deutschlands]] und [[Besetztes Nachkriegsösterreich|Österreichs]] in [[Besatzungszone]]n der [[Alliierte#Die Vier Mächte|alliierten Siegermächte]] führten nicht zur Auflösung des deutschen Staates. Das Land [[Preußen]] wurde aufgelöst, die [[Österreich|Republik Österreich]] „wiederhergestellt“ in ihren Grenzen vor dem „Anschluss“ 1938; die historischen [[Land (Deutschland)#Geschichte der deutschen Länder ab 1945|deutschen Länder]] blieben, wurden aber neugegründet mit teils veränderten Grenzen. Sowohl die 1949 gegründete [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] als auch zunächst die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] hatten am juristischen Fortbestand des Deutschen Reiches festgehalten. Während man in der DDR jedoch später zur [[Debellatio|Untergangstheorie]] neigte, sind in der Bundesrepublik wie auch im [[Ausland]] seither unterschiedliche Identitäts- beziehungsweise Fortbestandstheorien vertreten worden.<ref>[[Kay Hailbronner]], in: [[Wolfgang Graf Vitzthum|Graf Vitzthum]] (Hrsg.), ''Völkerrecht'', 4. Aufl. 2007, 3. Abschn., [http://books.google.de/books?id=umn7Df1E-KUC&pg=PA225 Rn 200–203]; [[Georg Dahm]] ([[Jost Delbrück|Delbrück]]/[[Rüdiger Wolfrum|Wolfrum]]), ''Völkerrecht'', Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 145–150 ([http://books.google.de/books?id=co4MGcGCr74C&pg=PA146 146&nbsp;ff.]); vgl. dazu das bis 1990 verfassungsrechtlich verankerte [[Wiedervereinigungsgebot]].</ref><br />
<br />
Nach der [[Lehrmeinung]] maßgeblicher [[Staatsrechtslehrer|Staatsrechtler]] wie auch gemäß der [[Höchstrichterliche Rechtsprechung|höchstrichterlichen Rechtsprechung]] und der in der Staatenpraxis international anerkannten<ref>[[Georg Ress]], in: Ulrich Beyerlin, ''Recht zwischen Umbruch und Bewahrung'' (=&nbsp;Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 120), 1995, [http://books.google.de/books?id=OumydERAANUC&pg=PA844 S.&nbsp;843&nbsp;f.], [http://books.google.com/books?id=OumydERAANUC&lpg=PA849 849].</ref> und vollständig durchgesetzten Rechtsposition ist das heutige Deutschland, die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]], als [[Völkerrechtssubjekt]] mit dem Deutschen Reich identisch;<ref>Vgl. hierzu umfassend [[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation'', Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 71&nbsp;f., [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PA83 82&nbsp;f.], 87 f., 92 mit weiteren Nachweisen; [[Klaus Stern (Rechtswissenschaftler)|Klaus Stern]], ''Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland'', Band V, C.H. Beck, München 2000, [http://www.krr-faq.net/ster1964.htm S. 1964&nbsp;f.]; [[Dieter Blumenwitz]], [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 1990, S. 3041&nbsp;ff. mit weiteren Nachweisen; [[Jochen Abraham Frowein|Jochen Abr. Frowein]], ''Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts'', in: [[Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer|VVDStRL]], Heft 49, 1990, S. 7–33.</ref> der vormalige NS-Staat gliederte sich daher 1949 zu einem Bundesstaat auf.<ref>[[Karl Doehring]]: ''Völkerrecht'', 2., neubearbeitete Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004, [http://books.google.de/books?id=MRU_q5e8-XsC&pg=PA64 Rn 139, Anm.&nbsp;177].</ref> Mit dem Hinweis darauf, dass den Deutschen in der DDR [[freie Wahl]]en verwehrt waren und ihnen das [[Selbstbestimmungsrecht]] fehlte, erhoben die Regierungen der Bundesrepublik, die sich als Regierung des ganzen Deutschlands verstanden, anfangs einen [[Alleinvertretungsanspruch#Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Alleinvertretungsanspruch]] auch für die [[Staatsbürgerschaft der DDR|Staatsbürger der DDR]].<br />
<br />
Demgegenüber besagt der [[Zeitgeschichte|zeitgeschichtliche]] Befund etwa des Historikers [[Heinrich August Winkler]]: {{"|Mit dem ‚Dritten Reich’ ging am 8. Mai 1945 auch das Deutsche Reich unter, das [[Thomas Mann]] das ‚unheilige Deutsche Reich preußischer Nation’ nannte, das immer nur ein ‚Kriegsreich’ habe sein können.}} Am Ende des Krieges, so Winkler, hätten die Deutschen nicht nur das Reich verloren; es habe nicht einmal Gewissheit darüber gegeben, dass es in Zukunft überhaupt wieder zu einem deutschen [[Nationalstaat]] kommen würde. Winkler führt aus: „Am Ende des Zweiten Weltkriegs war der preußische Mythos so verbraucht wie der sehr viel ältere [[Reichsidee|Reichsmythos]], der den Untergang des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] im Jahre 1806 um 139 Jahre überlebt hatte. Mehr zu sein als die anderen europäischen Nationen und ihre Nationalstaaten: nichts hatte die Deutschen vom Westen so sehr getrennt wie der universalistische Anspruch, den sie mit dem Reich verbanden.“<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' 5., durchges. Aufl., München 2002, S.&nbsp;114.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''Unter dem Hakenkreuz: Die deutschen Feuerwehren 1933–1945'', ibidem, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-89821-997-6.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945'', 6. erweiterte und aktualisierte Neuauflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich – Aufstieg'' (Band 1 der dreibändigen Geschichte des Dritten Reichs), München 2004, ISBN 3-421-05652-8; es folgten: Band 2 – ''Diktatur.'' 2007, ISBN 978-3-421-05653-5; Band 3 – ''Krieg.'' 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik''. 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;Handbuch der deutschen Geschichte, Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
* [[Ursula Wolf]]: ''Litteris Et Patriae: Das Janusgesicht der Historie'', Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06875-9, ISBN 978-3-515-06875-8. ([http://books.google.de/books?id=d0W1phP8rKsC&pg=PA147 Google Books])<br />
* Michael H. Kater: ''Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches'', Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57950-9, ISBN 978-3-486-57950-5. ([http://books.google.de/books?id=VoCHA6npCHkC&pg=PA176 Google Books])<br />
<br />
== Film ==<br />
* Michael Kloft: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/ Das Bundesarchiv]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste deutsche Staatssysteme<br />
|Navigationsleiste Länder des Deutschen Reiches 1933–1945}}<br />
<br />
[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der deutschen Länder]]<br />
[[Kategorie:Diktatur]]</div>Exechttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=NS-Staat&diff=142388133NS-Staat2015-05-22T21:46:00Z<p>Exec: </p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Staatsform, Behörden und Staatsgebiet Deutschlands unter nationalsozialistischer Herrschaft. Zu Aufstieg der NSDAP ab 1918 und Regierung von 1933 bis 1945 siehe [[Zeit des Nationalsozialismus]], zur Ideologie siehe [[Nationalsozialismus]], zum Parteiaufbau [[Struktur der NSDAP]].}}<br />
{| border="1" cellpadding="2" style="float:right; border-collapse:collapse; border-color:#f2f2f4; margin-left:15px; margin-bottom:15px; width:340px; font-size:95%; border:1px solid #aaaaaa;"<br />
| align="center" colspan="2" style="line-height:1.7em; background-color:#E0E0E0;" | <span style="font-size:1.5em">'''Deutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''1933–1945'''</span><br /><span style="font-size:1.2em">'''Großdeutsches Reich'''</span><br /><span style="font-size:1.05em; letter-spacing:1.0px;">'''(ab 1943)'''</span><br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%" style="border:none; margin:0; padding:0;"<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Flag of German Reich (1935–1945).svg|150px|rand|Flagge des Deutschen Reiches 1935–1945]]<br />
| align="center" width="50%" | [[Datei:Reichsadler.svg|150px|Wappen des Deutschen Reiches: Reichsadler 1935–1945]]<br />
|-<br />
| align="center" | <small>[[Flagge Deutschlands#Nationalsozialismus|Reichs- und Nationalflagge<br />(ab 1935)]]</small><br />
| align="center" | [[Bundeswappen Deutschlands#Zeit des Nationalsozialismus|Wappen]]<br />
|}<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#E0E0E0; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />
{| border="0" cellpadding="2" cellspacing="0" width="100%"<br />
| align="left" width="33%" | <span style="font-size:1.2em">[[Weimarer Republik|←]]</span> [[Datei:Flag of Germany (3-2 aspect ratio).svg|20px|rand|verweis=Weimarer Republik]]<br />
| align="center" width="34%" | '''Navigation'''<br />
| align="right" width="33%" | [[Datei:Flag of Germany (1946-1949).svg|20px|rand|verweis=Deutschland 1945 bis 1949]] <span style="font-size:1.2em">[[Deutschland 1945 bis 1949|→]]</span><br />[[Datei:Flag of Austria.svg|20px|rand|verweis=Zweite Republik Österreich]] <span style="font-size:1.2em">[[Besetztes Nachkriegsösterreich|→]]</span><br />
|}<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Verfassung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | <small>Durch [[Notstandsgesetzgebung]] formal beibehaltene, schrittweise bis 1934 faktisch außer Kraft gesetzte [[Weimarer Verfassung]] vom 11. August 1919</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Amtssprache]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Deutsche Sprache|Deutsch]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Hauptstadt]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Berlin]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Republik]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Herrschaftsform]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | Moderne [[Diktatur]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Staatsoberhaupt]]'''<br /><small>– 1925 bis 1934</small><br /><small>– 1934 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichspräsident]]<br /><small>[[Paul von Hindenburg]]</small><br /><small>[[Adolf Hitler]] (als [[Führer]])</small><br /><small>[[Karl Dönitz]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Regierungschef]]'''<br /><small>– 1933 bis 1945</small><br /><small>– 1945</small><br /><br /><small>– 1945</small><br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichskanzler]]<br /><small>Adolf Hitler</small><br /><small>[[Joseph Goebbels]]</small><br />''[[Regierung Dönitz|Leitender&nbsp;Minister]]''<br /><small>[[Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk|Lutz Graf Schwerin von Krosigk]]</small><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA; vertical-align:top;" | '''[[Staatsgebiet|Fläche]]'''<br />– 1939<br />– 1940/41<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />633.786 km²<ref name="Knaur">Knaurs Lexikon, Th. Knaur Nachf. Verlag, Berlin 1939.</ref><br />698.368 km²<br /><small>(Protektorat Böhmen und Mähren: 48.959 km²)</small><ref>Josef Wenzler: ''Wirtschaftliche Erdkunde, Band I. Das Großdeutsche Reich'', Konkordia, Bühl 1941, S. 72 (Reprint der Originalausgabe von 1941, ''Das Großdeutsche Reich – Erdkunde und Wirtschaft für Schule und Haus'', Melchior Historischer Verlag, Wolfenbüttel 2010).</ref><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Einwohnerzahl]]'''<br />– 1938<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" |<br />78.800.000<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Bevölkerungsdichte]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | 135 Einwohner pro km²<ref name="Knaur" /><br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Währung]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Reichsmark]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Ideologie|Staatsdoktrin]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Nationalsozialismus]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalhymne]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Lied der Deutschen|Deutschlandlied]]<br />[[Horst-Wessel-Lied]] ''([[De jure/de facto|de facto]])''<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Nationalfeiertag]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Tag der nationalen Arbeit|1. Mai – „Tag der nationalen Arbeit“]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Zeitzone]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[UTC+1]] [[Mitteleuropäische Zeit|MEZ]]<br />
|-<br />
| style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''[[Liste der Kfz-Nationalitätszeichen|Kfz-Kennzeichen]]'''<br />
| style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Kfz-Kennzeichen (Deutschland)#Geschichte|D]]<br />
|-<br />
| align="center" colspan="2" style="background-color:#F2F2F4; border:1px solid #AAAAAA;" | '''Karte'''<br />
|-<br />
| colspan="2" align="center" style="background-color:#F9F9F9; border:1px solid #AAAAAA;" | [[Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png|zentriert|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
|}<br />
<br />
Das '''[[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]''' war von '''1933 bis 1945''' eine [[Diktatur]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] (NSDAP). Unter [[Adolf Hitler]] wurde [[Zeit des Nationalsozialismus|in dieser Zeit]] eine [[Führerdiktatur]] errichtet. Mit dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]], dem [[Münchner Abkommen]] und der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ erweiterte das NS-Regime bis 1939 das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs. Hitler führte den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als [[Vernichtungskrieg|Vernichtungs-]] und [[Eroberungskrieg]], um das „Großdeutsche Reich“ bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]] auszudehnen.<br />
<br />
Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] und dem Untergang des „[[Drittes Reich|Dritten Reichs]]“ stellte sich die [[Rechtslage Deutschlands nach 1945|Frage nach Untergang oder Fortbestand des deutschen Nationalstaates]]. Während bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] unterschiedliche Auffassungen zur [[völkerrecht]]lichen Identität von [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] und Deutschem Reich bestanden, wird seitdem davon ausgegangen, dass die heutige [[Deutschland|Bundesrepublik]] mit dem früheren Deutschen Reich als [[Völkerrechtssubjekt]] identisch ist.<br />
<br />
== Bezeichnungen ==<br />
=== Deutsches Reich ===<br />
[[Deutschland]] durchlief unter dem Namen ''Deutsches Reich'' verschiedene Epochen mit entsprechenden [[Verfassung]]en: Das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Kaiserreich]] bestand von der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung]] 1871 bis zur [[Novemberrevolution]] 1918 als ein [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaat]] aus [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionellen Monarchien]] und [[Freie Stadt#19. Jahrhundert|Freien Städten]]. Die [[Weimarer Republik]] bestand im Wesentlichen von 1919 bis zur Annahme des [[Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich|Ermächtigungsgesetzes]] am 23. März 1933 als [[Repräsentative Demokratie#Parlamentarische Demokratie|parlamentarische Demokratie]].<br />
<br />
Diese wurde ab der [[Ernennung Hitlers zum Reichskanzler]] am 30. Januar 1933 durch einen künftigen ([[#Reichskanzlei|ab August 1934]]) „nationalsozialistischen [[Führerstaat]]“ abgelöst.<ref name="Kotulla_DtVerfGesch_Vom_Alten_Reich_bis_Weimar_Rn2432f">[[Michael Kotulla]]: ''Deutsche Verfassungsgeschichte: Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934)'', Springer, Berlin 2008, § 35 [http://books.google.de/books?id=mfjijA5t9bUC&pg=PA622 Rn 2432 f.]</ref> Dieser endete gleichzeitig mit dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in Europa durch die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte]] am 8. Mai 1945. Kurz nach der bedingungslosen Kapitulation wurde zudem die sogenannte [[Regierung Dönitz|Geschäftsführende Reichsregierung]] mit [[Karl Dönitz]] in [[Flensburg]]-[[Mürwik]] verhaftet.<br />
<br />
=== Großdeutsches Reich ===<br />
[[Datei:DR 1944 894 Arbeitsdienst.jpg|mini|hochkant|Briefmarke (Juni 1944). „RAD“ steht für [[Reichsarbeitsdienst]].]]<br />
<br />
Die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] erweiterten das deutsche [[Staatsgebiet]] schrittweise. Nach dem [[Anschluss Österreichs|„Anschluss“ Österreichs]] an das Deutsche Reich am 12. und 13. März 1938 benannten sie [[Österreich]] in „[[Ostmarkgesetz|Ostmark]]“, 1942 in [[Donau- und Alpenreichsgaue]] um. Deutsche und ehemals österreichische Teilgebiete zusammen nannten sie ab März 1938 inoffiziell '''Großdeutsches Reich'''; die Kurzbezeichnung ''Großdeutschland'' wurde umgangssprachlich verwendet, den Terminus ''Großdeutsches Reich'' gab es im [[Reichsgesetzblatt]].<br />
<br />
Mit diesem Begriff beanspruchte das [[NS-Regime]], die [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848 erwogene]] „[[großdeutsche Lösung]]“ – die Einbeziehung der Deutschen in der [[Habsburgermonarchie]] in einen einheitlichen [[Nationalstaat]] – erreicht zu haben. Dies hatte vor ihnen der [[Alldeutscher Verband|Alldeutsche Verband]] erfolglos angestrebt; bei der [[Deutsche Reichsgründung|Reichsgründung 1871]] war [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] „[[kleindeutsche Lösung]]“ realisiert worden. Darüber hinaus deutete der nationalsozialistische Begriff des „Großdeutschen Reichs“ expansive Absichten an: Weitere Gebiete mit [[Volksdeutsche]]n sollten in das Staatsgebiet eingegliedert werden, um ein „Großgermanisches Reich“ zu schaffen.<ref>[[Klaus Hildebrand]]: ''Das vergangene Reich: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871–1945.'' Oldenbourg, München 2008, ISBN 3-486-58605-X, S. 704 ff.</ref> Dieses sollte weit über Deutschlands Grenzen hinausgehen und wurde als historische Notwendigkeit propagiert.<ref>Robert Bohn: ''Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern 1940–1945'', Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07099-0, [http://books.google.de/books?id=08al1e8BdRIC&pg=PA7 S. 7].</ref><br />
<br />
Das [[25-Punkte-Programm]] der NSDAP von 1920 rechtfertigte diese Ziele mit den völkischen und rassistischen Ideen der „[[Volksgemeinschaft]]“ und dem „[[Volk ohne Raum]]“. Darum erklärte das NS-Regime auch die später eroberten Gebiete mit Ausnahme des [[Generalgouvernement]]s (dieses wurde stattdessen zum ''Nebenland'' erklärt) zu „Gebieten des Großdeutschen Reiches“, verleibte sie dem Deutschen Reich also einseitig und [[völkerrecht]]swidrig ein.<br />
<br />
Der Erlass ''RK 7669 E'' des ''Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei'', [[Hans Heinrich Lammers]], vom 26. Juni 1943 machte die bis dahin inoffizielle Sprachregelung amtlich verbindlich.<ref>[[commons:File:Reichsarbeitsblatt 1943 Teil I Nr. 23 S. 413.png|Faksimile: Reichsarbeitsblatt Jahrgang 1943, Teil I, Nr. 23 vom 15. August 1943, S. 413]].</ref> Die Namensänderung wurde aber nicht proklamiert, sondern zeigte sich erstmals am 24. Oktober 1943 auf damaligen Briefmarken, ab Juni 1944 auf sämtlichen Ausgaben.<br />
<br />
{{Siehe auch|Nationalsozialistische Europapläne}}<br />
<br />
=== Altreich ===<br />
Als ''Altreich'' bezeichneten die deutschen Staats- und Verwaltungsbehörden ebenfalls ab März 1938 das deutsche Staatsgebiet vor der von ihnen so genannten „[[Anschluss Österreichs|Wiedervereinigung]] mit [[Ständestaat (Österreich)|Österreich]]“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/ns/1938/anschluss_oesterreich_deutsches-reich.html ''Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich'' vom 13. März 1938]</ref> Dazu zählten sie das 1935 dem Deutschen Reich wieder angeschlossene [[Saargebiet]], aber nicht das [[Sudetenland]], das sie nach dem [[Münchner Abkommen]] Anfang Oktober 1938 annektierten, und auch nicht die 1939 eroberte [[Freie Stadt Danzig]]. Sie unterschieden es streng von diesen neu eingegliederten Gebieten, da sie für diese abweichende Gesetzgebungsverfahren und Verwaltungsstrukturen schufen.<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[Deutschland in den Grenzen von 1937]]'' akzeptierten die westlichen Siegermächte nach Kriegsende das Saargebiet als Teil Deutschlands. Auch Danzig behandelten sie nicht als eroberte Stadt, so dass sie oft fälschlich nachträglich zum „Altreich“ gezählt wird.<br />
<br />
=== Drittes Reich ===<br />
Der Ausdruck ''[[Drittes Reich]]'' stammt aus der christlichen [[Apokalyptik]] des Mittelalters. [[Arthur Moeller van den Bruck]] bezog ihn 1923 auf ein künftiges vom [[Nationaler Sozialismus|nationalen Sozialismus]] geprägtes Großdeutschland, das dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]] und dem [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] folgen und die Anläufe zu einem völkisch vereinheitlichten Nationalstaat beerben und vervollkommnen sollte. In diesem Sinne verwendeten viele Gegner der Weimarer Republik diesen Begriff vor 1933. Damit klammerten die Antidemokraten diese erste deutsche [[Demokratie]] aus ihrer Geschichtsschau aus, da sie ihnen als baldmöglichst abzulösende Fehlentwicklung galt.<br />
<br />
Die [[NS-Propaganda]] übernahm van den Brucks Buchtitel vor 1933 für den von ihr angestrebten autoritären Führerstaat, ließ den Begriff aber nach der [[Machtergreifung#Hitlers Reichskanzlerschaft|nationalsozialistischen Machtkonsolidierung]], spätestens 1939 vornehmlich wegen seiner christlichen Implikationen wieder fallen.<ref>Johannes Schmitt: ''Der bedrohte „Arier“: Anmerkungen zur nationalsozialistischen Dramaturgie der Rassenhetze'', Lit Verlag, Berlin/Münster 2010, ISBN 978-3-643-10620-9, [http://books.google.de/books?id=jsAgVN7BABoC&pg=PA71 S. 71, Anm. 118].</ref><br />
<br />
=== Tausendjähriges Reich ===<br />
Der Begriff ''Tausendjähriges Reich'' hat ähnliche ideologische Wurzeln wie „Drittes Reich“. Er wurde von der NS-Propaganda aufgegriffen, um ihren Anspruch auf eine nicht mehr ablösbare, unendlich andauernde Herrschaftsordnung als Endzustand der deutschen und universalen Geschichte auszudrücken.<br />
<br />
=== Heutige Bezeichnungen ===<br />
Heute wird das nationalsozialistische Deutschland in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oft als „NS-Staat“, „Führerstaat“ oder weiterhin als „Drittes Reich“ bezeichnet. In der [[Umgangssprache]] finden sich auch Benennungen wie „Nazi-Deutschland“ oder „Hitlerdeutschland“.<br />
<br />
== Ideologie ==<br />
{{Hauptartikel|Nationalsozialismus}}<br />
[[Datei:WernerGoldberg.jpg|mini|hochkant|„Der ideale deutsche Soldat“, ''Berliner Tageblatt'', 1939]]<br />
<br />
Der Nationalsozialismus verstand sich als alle Bereiche von Staat und Gesellschaft umgestaltende, revolutionäre Volksbewegung. Er strebte die Aufhebung der für die [[Weimarer Verfassung]] grundlegenden Rechtsprinzipien an: vor allem der individuellen [[Bürgerrechte]] und der institutionalisierten [[Gewaltenteilung]] zwischen Reichs- und Landesregierungen einerseits, [[Legislative]], [[Exekutive]] und [[Judikative]] andererseits. Sie sollten nicht nur gemäß Punkt 25 des Parteiprogramms von 1920 einer „starken Zentralgewalt des Reiches“ untergeordnet, sondern entweder durch neu aufgebaute Behörden ersetzt oder entmachtet und umstrukturiert werden, um fortan Teil eines von oben nach unten organisierten „Führerstaats“ zu sein.<br />
<br />
Die Idee der Volksgemeinschaft sollte Politik, Moral und Recht zu einem unauflösbaren Ganzen zusammenschweißen. Der dynamische, keiner höheren Rechtsinstanz verpflichtete „Führerwille“ sollte – von den Parteigliederungen im vorauseilenden Gehorsam erahnt – eine neue nationalsozialistische [[Herrschaftsform|Herrschafts-]] und [[Regierungssystem|Regierungsform]] schaffen. Formal nicht normierte emotionale Leitgedanken wie das „[[Gesundes Volksempfinden|gesunde Volksempfinden]]“, der Aufstieg der „Tüchtigen“ durch „Kampf und Auslese“ usw. sollten zu neuen Quellen des [[Verfassungsrecht]]s werden. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsbeamten auf allgemeine Rechtsprinzipien sollte die persönliche Verpflichtung treten, die dann durch „[[Führereid]]e“ bekräftigt werden musste.<br />
<br />
Hitler hatte als [[Parteichef]] der NSDAP mit seinem Legalitätseid vom 25. September 1930 ([[Ulmer Reichswehrprozess]]) die Ausnutzung der legalen Möglichkeiten und spätere Umgestaltung des Staates nach der eigenen Weltanschauung angekündigt. Jedoch besaß die intern nach diesen Prinzipien organisierte NSDAP kein schlüssiges Konzept für den Neuaufbau der gesamten überkommenen Staatsverwaltung.<br />
<br />
Dem entsprach, dass das NS-Regime die vorhandene Bürokratie in der Phase der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] vorläufig bestehen ließ, um sie dann in der Phase der [[Gleichschaltung]] in weiten Bereichen, jedoch nicht vollständig, zu entmachten oder durch eine Vielzahl neuer Reichsbehörden zu erweitern und zu „überwölben“. Deshalb kam es nach 1933 zu widersprüchlichen Entwicklungen in Staatsaufbau und Staatsverwaltung.<ref>Ernst Ritter: ''NS-Justiz und innere Verwaltung'', in: [[Enzyklopädie des Nationalsozialismus]], 1998, S. 85&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
== Gleichschaltung ==<br />
{{Hauptartikel|Gleichschaltung}}<br />
<br />
Die Gleichschaltungsmaßnahmen nutzten die ''[[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat]]'' („Reichstagsbrandverordnung“, 28. Februar 1933), das ''[[Ermächtigungsgesetz|Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich]]'' (23. März 1933) und das ''[[Heimtückegesetz]]'' (20. Dezember 1934) aus.<br />
<br />
Sie hoben zuerst die [[Föderalismus|föderalen]] Strukturen der Weimarer Republik auf. Die beiden dazu erlassenen Gesetze schalteten sämtliche bis dahin gewählten Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten der Länder – vor allem Süddeutschlands – und die Senate der Hansestädte aus. Das [[Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|erste Gleichschaltungsgesetz]] vom 31. März 1933 löste die Landtage, Bürgerschaften, Kreistage und Gemeinderäte auf und ermächtigte die Landesregierungen, Gesetze auch gegen die Landesverfassungen zu erlassen. Die Selbstverwaltungskörperschaften mussten nach den Stimmverhältnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt werden. Dadurch konnten Tausende NSDAP-Mitglieder auf freigewordene Posten nachrücken. Das zweite Gleichschaltungsgesetz vom 7. April 1933 schuf in allen Ländern außer [[Freistaat Preußen|Preußen]], in dem dies schon durch den „[[Preußenschlag]]“ 1932 geschehen war, [[Reichsstatthalter]] mit diktatorischen Vollmachten, die vom Reichspräsidenten ernannt werden durften, direkt dem [[Reichskanzler]] unterstellt und den Landesregierungen übergeordnet waren. Sie durften deren Mitglieder, sonstige Staatsbeamte und Richter ernennen und entlassen. Auch das Recht, Gesetze zu erlassen, wurde ihnen übertragen. Das Amt eines Staatspräsidenten, das einige Landesverfassungen verankerten, wurde für beendet erklärt. In der Praxis folgte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] bei der Besetzung der Reichsstatthalter dann fast überall Hitlers Vorschlägen alter Gefolgsleute und NSDAP-Gauleiter.<br />
<br />
Mit dem Verbot der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] am 28. Februar, der SPD am 22. Juni und der Selbstauflösung der übrigen Parteien bis zum ''[[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]]'' vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP zur einzigen und alleinherrschenden Partei des Reiches, was im Dezember 1933 mit dem [[Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat]] noch bekräftigt wurde. Damit war ein [[Einparteiensystem]] errichtet und der als Kennzeichen des verhassten „[[System (Nationalsozialismus)|Systems]]“ betrachtete [[Parlamentarismus]] beseitigt.<br />
<br />
Der [[Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)|Reichstag]] hatte seine legislative und die Exekutive kontrollierende Funktion bereits mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 aufgegeben. Er blieb als Institution formal bestehen, um für Hitlers Regierungserklärungen eine [[Staffage]] zu liefern und auch gegenüber dem Ausland einen demokratischen Schein zu bewahren. Er war nun zur Hälfte mit Parteimitgliedern, zur anderen Hälfte mit Vertretern von SA, SS und der Partei angeschlossenen Verbänden besetzt. Bis 1939 erließ er noch neun Gesetze, während die übrigen an die 5.000 Gesetze und Verordnungen von den Spitzen des NS-Regimes direkt erlassen wurden.<br />
<br />
Mit dem ''[[Gesetz über den Neuaufbau des Reichs]]'' vom 30. Januar 1934 verloren die Länder zunächst ihre staatliche [[Souveränität]], so dass in den bis 1935 anhaltenden Gleichschaltungsverordnungen die Justiz- und Verwaltungshoheit der Länder vollständig ausgehebelt wurde, bis diese den zuständigen Reichsministerien direkt unterstellt war. Der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]], der als Ländervertretung in der Weimarer Verfassung ein Einspruchsrecht gegen alle Gesetzesvorlagen der Reichsregierung hatte, wurde am 14. Februar 1934 aufgelöst.<br />
<br />
== Territorium ==<br />
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|rechts|334px|Großdeutsches Reich 1944]]<br />
=== Länder des „Altreichs“ ===<br />
Deutschland blieb während der NS-Zeit in die bestehenden Länder gegliedert, die als Verwaltungseinheiten jedoch nur noch ausführende [[Organ (Recht)|Organe]] der zentralen Behörden waren.<br />
<br />
* Der [[Freistaat Preußen]] war das größte einzelne Land des NS-Staates. Seine Verwaltungsstrukturen wurden schon 1932 beim sogenannten ''Preußenschlag'' stark geschwächt. Mit der Gleichschaltung Preußens verloren dessen zentralstaatliche Institutionen 1933 weiter an Bedeutung und traten gegenüber der Reichsregierung und den Oberpräsidien der [[Preußische Provinz|preußischen Provinzen]] in den Hintergrund. In manchen Provinzen wurde das Amt des ''Oberpräsidenten'' vom jeweiligen [[Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter|NSDAP-Gauleiter]] bekleidet, wie etwa in [[Ostpreußen]] von [[Erich Koch]]. Der ''Reichsstatthalter'' von Preußen war Hitler selbst, der jedoch seine diesbezüglichen Befugnisse an den preußischen Ministerpräsidenten [[Hermann Göring]] übertrug.<br />
<br />
Länder mit je einem Reichsstatthalter waren:<br />
* [[Republik Baden|Baden]]<br />
* [[Bayern]]<br />
* [[Hamburg im Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg|Hamburg]]<br />
* [[Volksstaat Hessen|Hessen]]<br />
* [[Mecklenburg]] (ab 1934 aus Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz)<br />
* [[Sachsen]]<br />
* [[Thüringen im Nationalsozialismus|Thüringen]]<br />
* [[Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus|Württemberg]]<br />
<br />
Länder, die mit anderen von einem gemeinsamen Reichsstatthalter regiert wurden, waren:<br />
* [[Freistaat Anhalt|Anhalt]] und [[Land Braunschweig|Braunschweig]]<br />
* [[Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus|Bremen]] und [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]]<br />
* [[Lippe (Land)|Lippe]] und [[Schaumburg-Lippe]]<br />
<br />
=== Erweiterungen des Herrschaftsgebiets ===<br />
Das NS-Regime erweiterte das Gebiet der Weimarer Republik bis zum Kriegsbeginn 1939 schrittweise durch die Eingliederung Österreichs und mehrheitlich von [[Deutsche]]n besiedelter Randgebiete der Nachbarstaaten. Dort wurden 1939 [[Reichsgau]]e unter einem oder mehreren [[Reichsstatthalter]]n gebildet, die später auch im übrigen Reich eingerichtet werden sollten.<br />
<br />
* Das [[Saargebiet]] wurde nach Auslaufen der im [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] gesetzten Frist und einer Volksabstimmung am 1. März 1935 ins Reich eingegliedert.<br />
<br />
* Der „Anschluss“ des österreichischen Staates an das nationalsozialistische Deutschland wurde mit dem Einmarsch der [[Wehrmacht]] am 12. März 1938 begonnen.<br />
<br />
Weitere Gebiete wurden durch politische Erpressung, militärische Drohung und kriegerische Besetzung einverleibt:<br />
* Die [[Tschechoslowakei]] musste das [[Sudetenland]] nach dem [[Münchner Abkommen]] am 10. Oktober 1938 an das Reich abtreten.<br />
* Das [[Memelland]] wurde mit dem deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22. März 1939 ein Teil Preußens.<br />
Diese vor dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Angliederungen wurden [[Staatsrecht (Deutschland)|staatsrechtlich]] wirksam.<br />
<br />
Die [[Erste Slowakische Republik|Slowakei]] musste sich von Prag unabhängig erklären (14. März 1939), erhielt eine beschränkte Selbständigkeit und den [[Satellitenstaat|Satellitenstatus]] eines deutschen Verbündeten.<br /><br />
Nach der „[[Zerschlagung der Rest-Tschechei]]“ am 15. März 1939 erhielt das ''[[Protektorat Böhmen und Mähren]]'' eine scheinbare [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]<ref>Vgl. [[Rainer F. Schmidt]]: ''Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933–1939'', Klett-Cotta, Stuttgart 2002, [https://books.google.de/books?id=3RtRuFUoI88C&pg=PA311 S. 311].</ref> unter der Aufsicht eines deutschen Reichsprotektors und galt als Bestandteil des Reiches, das auch die höchste [[Regierungsgewalt]] hatte. Die Bildung dieses [[Protektorat]]s brach einen [[Völkerrechtlicher Vertrag|internationalen Vertrag]] und war damit ebenso wie die folgenden, durch militärische Eroberungen erreichten Erweiterungen des deutschen Staatsgebiets völkerrechtlich unwirksam.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv R 49 Bild-0131, Aussiedlung von Polen im Wartheland.jpg|mini|Vertreibung von [[Polen (Ethnie)|Polen]] aus dem Wartheland, 1939]]<br />
Einige Gebiete [[Zweite Polnische Republik|Polens]] wurden nach dem [[Polenfeldzug]] 1939 im Sinne einer [[Annexion]] in das Deutsche Reich eingegliedert:<br />
* [[Danzig-Westpreußen]] mit dem [[Polnischer Korridor|Danziger Korridor]] wurde zum Reichsgau.<br />
* Das [[Wartheland]] ([[Posen]] bis [[Łódź]]) wurde als Reichsgau aus dem Großteil der früheren preußischen [[Provinz Posen]] und weiteren angrenzenden polnischen Gebieten geschaffen.<br />
* Der [[Regierungsbezirk Zichenau]],<br />
* der [[Landkreis Sudauen]] und<br />
* [[Autonome Woiwodschaft Schlesien|Ostoberschlesien]] mit dem [[Olsagebiet]] (früher [[Österreichisch-Schlesien]]) kamen zu Preußen.<br />
* Die übrigen Teile des von Deutschland besetzten polnischen Staatsgebietes wurden als [[Generalgouvernement]] mit den Distrikten [[Krakau]], [[Lublin]], [[Radom]] und [[Warschau]] von einer Hitler direkt unterstellten Regierung verwaltet.<br />
Die eingegliederten Gebiete Polens waren doppelt so groß wie diejenigen, die 1919 abgetreten werden mussten, und verschoben die Reichsgrenze um 150 bis 200 km nach Osten.<br />
<br />
Einige eroberte Gebiete wurden nach dem [[Westfeldzug]] 1940 einem Besatzungsverwalter – genannt „[[Chef der Zivilverwaltung]]“ (CdZ) – unterstellt. Dort wurde eine „Eindeutschungspolitik“ zur Vorbereitung einer späteren Annexion betrieben, so in:<br />
* [[CdZ-Gebiet Lothringen|Lothringen]]<br />
* [[Elsass]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Luxemburg|Luxemburg]].<br />
* [[Eupen-Malmedy]] wurde als ehemaliges deutsches Gebiet sofort eingegliedert, dabei jedoch um Gemeinden vergrößert, die vor 1920 nicht zum Deutschen Reich gehört hatten.<ref>[http://geo.uni.lu/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=1493&Itemid=322 GR-Atlas: ''GA067 1940: Eupen, Malmedy …''] (Aufzählung der annektierten Gemeinden im vierten Absatz).</ref><br />
<br />
Nach dem [[Balkanfeldzug]] 1941 wurden [[Königreich Jugoslawien|jugoslawische]] Gebiete in Slowenien unter CdZ-Verwaltung gestellt:<br />
* [[CdZ-Gebiet Kärnten und Krain|Südkärnten und Krain]]<br />
* [[CdZ-Gebiet Untersteiermark|Untersteiermark]].<br />
<br />
Nach dem [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Angriff auf die Sowjetunion]] (Russlandfeldzug) 1941 kam der<br />
* [[Distrikt Galizien]] mit [[Lemberg]] unter die Verwaltung des Generalgouvernements,<br />
* [[Bezirk Bialystok]] unter eine deutsche Zivilverwaltung.<br />
<br />
Nachdem Deutschland 1943 auch [[Königreich Italien (1861–1946)|Italien]] besetzt und [[Benito Mussolini]] nach dem Willen Hitlers in Oberitalien die [[Italienische Sozialrepublik]] als [[Italienischer Faschismus|faschistischer]] Satellitenstaat einrichten durfte, wurden zwei Teilgebiete davon unter deutsche Verwaltung gestellt:<br />
* die „[[Operationszone Alpenvorland]]“, zu der die [[Italienische Provinzen|Provinzen]] Bozen ([[Südtirol]]), [[Trentino|Trient]] und [[Provinz Belluno|Belluno]] gehörten;<br />
* die „[[Operationszone Adriatisches Küstenland]]“, ein Gebiet etwa von [[Udine]] bis [[Provinz Laibach|Laibach]].<br />
<br />
In diesen Besatzungsgebieten wurde weitgehend deutsches Recht und die deutsche Amtssprache eingeführt. Die sogenannten ''[[Volksdeutsche]]n'' erhielten „nach Maßgabe näherer Vorschriften“ die [[deutsche Staatsangehörigkeit]] und wurden damit [[wehrpflicht]]ig. Die spätere völlige Einverleibung in ein Großdeutsches Reich war damit vorbereitet und sollte nach dem Krieg vollzogen werden.<br />
<br />
=== Geplante Erweiterungen ===<br />
Für die Zeit nach dem erhofften „[[Endsieg]]“ planten führende Nationalsozialisten detailliert, Teile der [[Ukraine]], [[Weißrussland]]s und Russlands, die Halbinsel [[Krim]] (damals „[[Taurien]]“ genannt), das [[Baltikum]] sowie die französische [[Ärmelkanal|Kanalküste]] dem Großdeutschen Reich „einzugliedern“. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden 1941 in den besetzten Gebieten das ''[[Reichskommissariat Ostland]]'' und das ''[[Reichskommissariat Ukraine]]'' gegründet; die Bildung weiterer Reichskommissariate für ''[[Moskowien]]'' und ''[[Reichskommissariat Kaukasien|Kaukasien]]'' vereitelte der Kriegsverlauf.<br />
<br />
Vorgesehen war also eine Ausdehnung des Großdeutschen Reiches bis an die Grenzen [[Zentralasien|Mittelasiens]]. Die einheimische Bevölkerung sollte im Rahmen des [[Generalplan Ost|Generalplans Ost]] vor allem durch [[Zwangsarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus|Zwangsarbeit]], massenhafte [[Sterilisation]]en von Frauen, [[Vertreibung]]en, [[Hungerplan|geplantes Verhungern]] und [[Massenmord]]e allmählich vernichtet werden. Dadurch wollte das vom [[Reichsführer SS]] [[Heinrich Himmler]] geleitete [[Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums]] Platz für die Ansiedlung von 500 bis 600 Millionen „[[Germanen|germanischen]] Menschen“ in Osteuropa schaffen, wie zum Beispiel „deutsche Siedlungsperlen“ an [[Wolga]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]].<br />
<br />
{{Siehe auch|Lebensraum im Osten}}<br />
<br />
=== Geografisch-politische Lage ===<br />
Das Deutsche Reich hatte zur Zeit seiner größten Ausdehnung (1942) elf Nachbarstaaten: Im Norden grenzte es an [[Dänemark]] (67 Kilometer), im Nordosten und Osten an die [[Sowjetunion]], im Südosten an die [[Erste Slowakische Republik]] sowie [[Königreich Ungarn|Ungarn]] und [[Unabhängiger Staat Kroatien|Kroatien]], im Süden an [[Italien]], das [[Fürstentum Liechtenstein]] (35 Kilometer) und die [[Schweiz]] (550 Kilometer), im Südwesten an [[Frankreich]] (392 Kilometer), im Westen an [[Belgien]] (221 Kilometer) und im Nordwesten an die [[Niederlande]] (567 Kilometer).<br />
<br />
Davon waren alle außer Italien, Liechtenstein, der Schweiz und Teilen der Sowjetunion von deutschen Truppen besetzt. Die Slowakei war zum [[Vasallenstaat]] gemacht worden.<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
[[Datei:Pyramide1939.jpg|mini|Alterspyramide 1939 (aus den Zahlen der nebenstehenden Tabelle); Männer links, Frauen rechts. Die starke Einschnürung beruht auf den schlechten Zeiten um und nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] (siehe u.&nbsp;a. [[Steckrübenwinter]], [[Spanische Grippe]] und [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923]]); bei den Männern vor dem Jahrgang 1900 fehlen die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.]]<br />
<br />
Einer [[Volkszählung im Deutschen Reich 1939|Volkszählung]] zufolge lebten 1939 auf dem deutschen Reichsgebiet 79.375.281 Menschen, einschließlich der Mitarbeiter von [[Reichsarbeitsdienst]] und Militär. Darunter fielen 38.761.645 (48,83 %) Männer und 40.613.636 (51,17 %) Frauen. Davon lebten in Großstädten 24.187.422 (30,47 %), in Gemeinden von 2.000 bis unter 100.000 Einwohnern 29.875.968 (37,64 %) und in Gemeinden von unter 2.000 Einwohnern 25.311.877 (31,89 %) Menschen. Das ehemalige Gebiet Preußens mit seinen zahlreichen Provinzen machte dabei den bei Weitem größten Bevölkerungsraum aus (40.941.155 Einwohner bzw. 51,58 %). Auf das zu diesem Zeitpunkt bereits „angeschlossene” Österreich entfielen 6.881.457 Personen (8,67 %).<br />
<br />
== „Oberste Reichsbehörden“ ==<br />
Aufgrund der in der NS-Ideologie proklamierten „Einheit von Volk und Staat“ erhielten die obersten Regierungsämter sowohl legislative wie exekutive und judikative Kompetenzen. Das Bestreben, den „Führerwillen“ in allen staatlichen Aufgabenbereichen und auf allen Staatsebenen wirksam werden zu lassen, führte einerseits zur Zentralisierung der bisherigen Ressorts und Ämter, andererseits zu ihrer oft wildwüchsigen Vermehrung.<br />
<br />
Aus sich überschneidenden Aufgaben von zentralisierten und neugeschaffenen Staatsbehörden sowie obersten Parteiämtern ergaben sich eine Fülle von Kompetenzstreitigkeiten und Rivalitäten, die dann oft durch eine Entscheidung Hitlers autoritativ beendet werden mussten. In der Regel wurden im Ergebnis Verwaltungsbehörden mit Parteiämtern verschmolzen. Daraus entstand eine Reihe neuer „Oberster Reichsbehörden“.<br />
<br />
=== Reichskanzlei ===<br />
[[Reichskanzler]] des Deutschen Reiches war Adolf Hitler, [[Staatsoberhaupt]] war bis zu seinem Tod am 2. August 1934 [[Reichspräsident]] von Hindenburg. Mit dem ''Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches'' vom 1.&nbsp;August 1934 übernahm Hitler einen Tag zuvor Hindenburgs Ämter. Er trug seitdem bis Ende 1938 den Titel „[[Führer#Adolf Hitler|Führer und Reichskanzler]] des Deutschen Reiches“, ab Januar 1939 nur noch „[[Führerprinzip|Führer]]“. Spätestens jetzt war die weiterhin formal in Kraft gebliebene<ref>[[Ingo von Münch]], ''Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft'', Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-89949-433-4, [http://books.google.de/books?id=U0BVt0eewacC&pg=PA59 S. 59&nbsp;f.]</ref> Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgehöhlt und alle [[Staatsgewalt]] in der Person Hitlers vereinigt.<ref>Werner Frotscher/Bodo Pieroth, ''Verfassungsgeschichte'', 5. Auflage, München 2005, Rn 634; Ernst Rudolf Huber, ''Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches'', 2. Auflage, Hamburg 1939, S. 230.</ref><br />
<br />
Hitlers Amtssitz als Reichskanzler war die [[Reichskanzlei]] in Berlin. Diese fungierte als Behörde zur Abwicklung der laufenden Regierungsgeschäfte und zugleich als Parteizentrale der NSDAP. Für die Regierungsgeschäfte zuständig war der Staatssekretär [[Hans Heinrich Lammers]], später [[Martin Bormann]]. 1937 wurde zudem die ''[[Kleine Reichskanzlei]]'' in Berchtesgaden errichtet.<br />
<br />
Zentrales Führungsorgan der NSDAP und für die Koordination von Reichskanzlei und Ministerien zuständig war der [[Stab des Stellvertreters des Führers]] von [[Rudolf Heß]], der im Rang eines Ministers dem Reichskabinett und dem Ministerrat für die Reichsverteidigung angehörte. Zudem hatte er ein Mitspracherecht bei wichtigen Verordnungen der Reichsministerien und Ernennung hoher Staatsbeamter. Ab 1941 wurde diese Stelle unter der Bezeichnung [[Parteikanzlei]] von Martin Bormann weitergeführt. Die als „Privatkanzlei Adolf Hitlers“ 1934 geschaffene [[Kanzlei des Führers|Kanzlei des Führers der NSDAP]], die von Philipp Bouhler geleitet wurde und in der auch Martin Bormanns Bruder Albert Bormann tätig war, beschränkte sich bei Parteiangelegenheiten auf Gnadengesuche und Petitionen, steuerte aber auch die „[[Aktion T4]]“.<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2008-0922-500, Reichstag, Begrüßung Adolf Hitler.jpg|mini|Adolf Hitler vor dem Reichstag zum Abschluss des [[Polenfeldzug|Feldzugs gegen Polen]], 6. Oktober 1939]]<br />
<br />
Am 12. Januar 1939 verlegte Hitler seinen Amtssitz in die von [[Albert Speer]] konzipierte ''[[Neue Reichskanzlei]]'' an der Voßstraße Berlin.<br />
<br />
{{Siehe auch|Reichskabinettsrat}}<br />
<br />
=== Reichsregierung ===<br />
Deutschland hatte nach 1933 wie zuvor bis zur militärischen Kapitulation 1945 eine [[Reichsregierung]]. Sie bestand aus 12 bis 15 Reichsministern mit und ohne Geschäftsbereich und weiteren Spitzenbeamten des NS-Staates. Ihre Aufgabe war, unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Gesetzentwürfe zu beraten und mit Stimmenmehrheit zu beschließen.<br />
<br />
Hitler hielt jedoch nur wenige Monate lang regelmäßige Kabinettssitzungen ab. Ab 1935 tagte das [[Kabinett Hitler]] nur noch unregelmäßig und immer seltener. Es verabschiedete dann im Eilverfahren reihenweise neue Gesetze, ohne diese zu diskutieren. Die letzte gemeinsame Sitzung fand am 5. Februar 1938 statt.<br />
<br />
Indem immer mehr Kompetenzen an den Führer delegiert bzw. von diesem an sich gezogen wurden, der mit direkten Verordnungen regierte, wurden sämtliche Minister faktisch zu seinen Befehlsempfängern. Damit verlor das Kabinett seine gesetzgeberische Rolle und zerfiel schließlich während des Krieges in Teilressorts, die sich nur noch partiell untereinander abstimmten.<br />
<br />
Nach Hitlers Selbstmord wurde Anfang Mai 1945 das [[Kabinett Schwerin von Krosigk]] gebildet. Es amtierte nur noch wenige Tage bis zur Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch das [[Oberkommando der Wehrmacht]].<br />
<br />
=== Reichsministerien ===<br />
Als ''Reichsministerium'' wurden ab 1933 folgende Behörden bezeichnet:<br />
* [[Reichsarbeitsministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft]]<br />
* [[Reichsministerium der Finanzen|Reichsfinanzministerium]]<br />
* [[Reichsministerium der Justiz|Reichsjustizministerium]]<br />
* [[Reichspostministerium]]<br />
* [[Reichsverkehrsministerium]]<br />
* [[Reichswirtschaftsministerium]]<br />
* [[Auswärtiges Amt#Deutsches Reich (1933–1945, Zeit des Nationalsozialismus)|Reichsministerium des Auswärtigen]] (seit 1919 übliche Langbezeichnung neben dem weiterhin verwendeten Namen „Auswärtiges Amt“)<br />
* [[Reichsministerium des Innern]]<br />
* [[Reichswehrministerium|Reichskriegsministerium]] (zuvor ''Reichswehrministerium''; am 4. Februar 1938 beseitigt)<br />
<br />
Dabei veränderte das NS-Regime Zuschnitt und reale Kompetenzen der einzelnen Ministerien teilweise erheblich. Ab 1933 wurden folgende Ressorts neu eingerichtet:<br />
* [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]]<br />
* [[Reichsluftfahrtministerium]]<br />
* [[Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung]]<br />
* [[Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten]]<br />
* [[Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete]]<br />
* [[Reichsministerium für Bewaffnung und Munition]] (ab September 1942: ''Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion'')<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H28708, Paris, Eifelturm, Besuch Adolf Hitler.jpg|mini|180px|Juni 1940: Hitler nach der Besichtigung des [[Eiffelturm]]s in Begleitung von [[Albert Speer]], [[Martin Bormann]] und [[Wilhelm Keitel]].]]<br />
<br />
=== Weitere Reichsbehörden und Spitzenämter ===<br />
Zu den obersten Reichsbehörden und Spitzenämtern, die keinem Reichsministerium, aber direkt der Reichskanzlei unterstellt waren oder wurden, zählten:<br />
* die Dienststelle Stellvertreter des Führers ([[Parteikanzlei]], ab Juni 1933)<br />
* die [[Reichsgericht]]e<br />
* der [[Rechnungshof des Deutschen Reiches]]<br />
* der [[Reichsbauernführer]] ([[Richard Walther Darré]], später in Personalunion mit dem Ernährungsminister)<br />
* das [[Reichsforstamt]] ([[Hermann Göring]], Personalunion mit dem Amt des ''Reichsjägermeisters'')<br />
* das [[Reichsamt für Wirtschaftsausbau und Reichsstelle für Wohnungs- und Siedlungswesen]] (1939–1940)<br />
* der Reichskommissar für sozialen Wohnungsbau<br />
* der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen ([[Fritz Todt]], ab November 1933)<br />
* der [[Generalbauinspektor|Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt]] (Albert Speer, ab Januar 1937)<br />
* das [[Rasse- und Siedlungshauptamt]]<br />
* das [[Reichsamt für Wetterdienst]] (Februar 1933 bis November 1934: ''Reichsamt für Flugsicherung'')<br />
* das [[Statistisches Reichsamt|Statistische Reichsamt]] (bis 1940)<br />
* das [[Reichsversicherungsamt]] (bis 1944)<br />
* die [[Reichsversicherungsanstalt für Angestellte]] (bis 1935)<br />
* das [[Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen]] (bis Juni 1943: ''Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung'')<br />
* das [[Reichsgesundheitsamt]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung]] (ab 1941/42)<br />
* die [[Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung]] (Präsident bis Ende 1938: [[Friedrich Syrup]], ab Januar 1939 Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister)<br />
* der [[Reichsarbeitsdienst]] ([[Konstantin Hierl]], von 1935 bis 1943; danach Teil des Innenministeriums)<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft (1935; später für Kriegswirtschaft)<br />
* der Chef des Technischen Amtes des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Hauptdienststellenleiter [[Karl Saur|Karl-Otto Saur]] (1945 [[Politisches Testament Adolf Hitlers|testamentarisch]] Rüstungsminister [[in spe]])<br />
* die [[Reichsstelle für Raumordnung]] (1935)<br />
* das [[Reichsamt für Landesaufnahme]]<br />
* der [[Reichswohnungskommissar]] (1942–1945)<br />
* das [[Reichspatentamt]]<br />
* die [[Reichsjugendführung]] ([[Baldur von Schirach]], ab 1936)<br />
* der [[Reichskommissar für die Preisbildung|Reichskommissar für Preisbildung]] ([[Carl Friedrich Goerdeler]], ab November 1936)<br />
* der [[Reichssportführer]] (ab 1936)<br />
* der Beauftragte für den Vierjahresplan (Staatssekretär [[Erich Neumann (Staatssekretär)|Erich Neumann]], ab 1936)<br />
* der [[Reichsführer SS|Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei]] (Chef der Sicherheitspolizei und des SD; [[Heinrich Himmler]], ab 1936)<br />
* der [[Generalgouvernement|Generalgouverneur]] ([[Hans Frank]], ab 1941 auch dessen ständiger Stellvertreter Staatssekretär [[Josef Bühler]])<br />
* der Generalbevollmächtigte für die Reichsverwaltung (ab 1938)<br />
* der [[Ministerrat für die Reichsverteidigung]] bzw. Geheime Kabinettsrat (ab 1938)<br />
* die [[Reichsbank]] (ab Juni 1939)<br />
* die [[Reichshauptkasse]] (bis 1939)<br />
* die [[Reichsschuldenverwaltung]] (bis 1938)<br />
* die [[Reichsdruckerei]]<br />
* der [[Reichsprotektor in Böhmen und Mähren]] (ab März 1939)<br />
* der [[Reichsarbeitsführer]] (Konstantin Hierl, ab 1943)<br />
* der ''Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz'' ([[Fritz Sauckel]], ab März 1943)<br />
* der ''Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz'' ([[Joseph Goebbels]], ab Juli 1944)<br />
<br />
== Innere Verwaltung und Justiz ==<br />
=== Beamtenschaft ===<br />
Ein Großteil der Weimarer Beamtenschaft stammte noch aus der Kaiserzeit und fühlte sich deren antidemokratischen Werten verpflichtet. In Preußen waren schon ab 1930 überdurchschnittlich viele Beamte in die NSDAP eingetreten, wobei das Beamtengesetz ihnen politische Betätigung für diese Partei – ebenso wie für die KPD – verbot.<br />
<br />
Beim Machtantritt Hitlers blieben die meisten Beamten passiv; erst nach den Reichstagswahlen vom März 1933 kam es zu einer Welle von Aufnahmeanträgen in die NSDAP. Der [[Reichsbund der Deutschen Beamten]] rief seine Mitglieder dazu auf, sich der „nationalen Revolution“ anzuschließen. Proteste der Altkader in der NSDAP führten jedoch dazu, dass die als „[[Märzgefallene]]“ verhöhnten Neubewerber einen untergeordneten Mitgliedsstatus erhielten und schließlich Neuaufnahmen ganz gestoppt wurden.<br />
<br />
Zugleich entließ die neue Reichsregierung von Anfang an möglichst viele missliebige Spitzenbeamte, bei denen man politische Unzuverlässigkeit annahm. Besonders in Preußen entließ Hermann Göring viele Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Polizeipräsidenten. Bis 1941 wurden dort 354 von 365 Landratsstellen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt, darunter 201 „[[Alter Kämpfer|alte Kämpfer]]“. In den Kommunen vertrieb die [[Sturmabteilung|SA]] oft ohne gesetzliche Grundlagen Beamte aus ihren Ämtern. Hinzu kam am 7. April 1933 das „[[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums]]“, das Angehörige von Linksparteien und [[Juden]] ausschließen sollte, dessen Wirkung jedoch durch das von Hindenburg eingeführte „[[Frontkämpferprivileg]]“ zunächst eingeschränkt blieb.<br />
<br />
Dennoch ließ das NS-Regime den Beamtenapparat insgesamt weitgehend unangetastet. Die NSDAP verfügte zudem nicht über genügend qualifizierte Funktionsträger, die in freigemachte Stellen hätten nachrücken können. Diese wurden vielfach weiterhin nach Befähigung, nicht politischer Linientreue besetzt. So blieben NSDAP-Mitglieder in manchen Verwaltungsbereichen und Ressorts in der Minderheit, so im Reichsarbeitsministerium und im Innenministerium.<br />
<br />
Dort wurde das [[Deutsches Beamtengesetz|Deutsche Beamtengesetz]] vom 26. Januar 1937 entworfen, das auf Weimarer Reformansätzen beruhte und 1953 durch das [[Bundesbeamtengesetz]] aufgehoben und ersetzt wurde. Es legte traditionelle Pflichten, Rechte und formale Dienstwege für die Beamten fest, um so politische Einflussnahme, Willkür und Korruption auch für NSDAP-Mitglieder einzuschränken, wobei dennoch ein „von nationalsozialistischer [[Weltanschauung]] durchdrungenes [[Berufsbeamtentum]], das dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in Treue verbunden ist“, laut [[Präambel]] zum „Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates“ werden sollte. Das Gesetz konnte gegen Widerstände aus der NSDAP und Vorbehalte Hitlers, der sich nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterordnen wollte, in Kraft treten.<br />
<br />
In der Folgezeit beschnitt das NS-Regime das Eigengewicht der Bürokratie immer stärker. Bei Neubesetzungen kommunaler Ämter hatten die NSDAP-Gauleiter ein Vorschlagsrecht, bei Reichsbehörden hatte die Parteikanzlei ein Widerspruchsrecht. Dieses wurde zur regelmäßigen „politischen Beurteilung“ von Amtskandidaten genutzt, was die Anpassung der Beamten an das Regime begünstigte und vertiefte. Mit einem ''Führereid'' wurden u.&nbsp;a. Hochschulprofessoren zu einem Loyalitätsbekenntnis zu Hitler gezwungen; wer ihn verweigerte, verlor in der Regel sein Amt. Zugleich richtete die NSDAP in vielen Bereichen konkurrierende Verwaltungs- und Vollzugsorgane ein. Bei der Personalpolitik löste Martin Bormann den eher moderaten Rudolf Heß ab und setzte allmählich eine neue Generation Hitler ergebener, zugleich fachkompetenter NS-Spitzenbeamten durch.<br />
<br />
Am 26. April 1942 beanspruchte Hitler im Reichstag das persönliche Recht, jeden Staatsbediensteten zum Rücktritt zu zwingen oder zu entlassen, der aus seiner Sicht seine Pflichten verletzte (→&nbsp;[[Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942]]). Dieses Recht nahm er vor allem nach dem [[20. Juli 1944]] für großflächige „Säuberungen“ auch in der Beamtenschaft in Anspruch. Damit verloren die deutschnationalen Beamten, die anfangs eine wesentliche Stütze für Hitlers Machtkonsolidierung gewesen waren, in der NS-Zeit endgültig ihre gestaltenden Einflussmöglichkeiten.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: [[Wolfgang Benz]], [[Hermann Graml]], [[Hermann Weiß (Historiker)|Hermann Weiß]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 86&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
=== Sicherheitsapparat ===<br />
Hitler hatte Hermann Göring im Januar 1933 zum ''Reichskommissar'' für das preußische Innenministerium ernannt. Göring nutzte dies umgehend, um die preußische Polizei zur Machtsäule des NS-Regimes umzubauen. Im Februar 1933 stellte er aus SA- und SS-Truppen eine 50.000 Mann starke Hilfspolizei auf, die dann auch in den Ländern eingeführt wurde. Ende April 1933 gründete er zudem ein ''Geheimes Staatspolizeiamt für Preußen'' mit der Aufgabe, „alle staatsgefährlichen politischen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen“. Daraus entstand die [[Geheime Staatspolizei]] (''Gestapo''). Diese blieb wegen einer relativ geringen Personaldecke jedoch auf Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Die NS-Propaganda rief die Deutschen zu ständiger [[Denunziation]] missliebiger Nachbarn, Kollegen o.ä. auf und erhielt diese vielfach auch.<br />
<br />
Heinrich Himmler führte ab 1929 die [[Schutzstaffel|SS]], die bis zum [[Röhm-Putsch]] 1934 der [[Sturmabteilung|SA]] unterstellt war. Er brachte bis 1934 die Politische Polizei und die [[Konzentrationslager]] im gesamten Reich unter die Kontrolle der SS. Im Juni 1936 wurde er als ''Reichsführer SS'' auch zum ''Chef der [[Deutsche Polizei|Deutschen Polizei]] im Reichsministerium des Innern'' ernannt und leitete somit beide Organisationen in Personalunion. 1937 wurde diese Verklammerung durch die [[SS- und Polizeiführer|Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)]] durchgängig auch institutionell verankert. Ihre Aufgabe war einerseits, die dem Chef der Polizei, andererseits, die dem Reichsführer SS unterstellten Kräfte einheitlich zu führen.<ref>Dazu ausführlich Andreas Schwegel, ''Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931–1944'', Mohr Siebeck, Tübingen 2005, [https://books.google.de/books?id=MEpvyagKwAIC&pg=PA201 S. 201–204].</ref><br />
<br />
Himmler baute die SS fortan systematisch und erfolgreich zur Schaltzentrale und zum „Gehirn“ des NS-Systems aus. Ziel der Machtkonzentration war der Aufbau einer parallelen, auf Überwachung ausgerichteten Machtelite als „Staat im Staate“ mit starker Bindung an den „Führer“, die später überall die Führungsschicht des deutschen Großreichs bilden sollte. Als zentrale Leitungsbehörde zur Lenkung der bisher staatlichen Polizei und des parteieigenen Sicherheitsapparats wurde 1938 das [[Reichssicherheitshauptamt]] (RSHA) unter [[Reinhard Heydrich]], später [[Ernst Kaltenbrunner]] gegründet. Es entstand aus der Zusammenlegung von [[Hauptamt Sicherheitspolizei|Sicherheitspolizei]] (SiPo) und [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] (SD). Dem RSHA unterstanden auch die Gestapo unter [[Heinrich Müller (Gestapo)|Heinrich Müller]] und ab Kriegsbeginn die [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]]. Das RSHA war zentral an der Planung und Durchführung der Judenverfolgung und des [[Holocaust]] sowie der nationalsozialistischen [[Umvolkung]]s- und Rassenpolitik beteiligt.<br />
<br />
In den besetzten Gebieten trat die SS teilweise in Konkurrenz zu den zivilen und militärischen Verwaltungen.<br />
<br />
''Zur Organisation der SS siehe: [[Organisationsstruktur der SS]], [[SS-Hauptämter]]''<br />
<br />
=== Justiz ===<br />
[[Datei:Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog.jpg|mini|hochkant|Der Preußische Justizminister [[Hanns Kerrl]] bei einem Besuch im Referendarlager in [[Jüterbog#Geschichte|Jüterbog]]]]<br />
<br />
Wie für den Verwaltungsapparat besaß die NSDAP auch für die von ihr angestrebte Rechtsordnung kein klares Konzept. Das 25-Punkte-Programm hatte in Punkt 19 ein nicht näher definiertes „deutsches Gemeinrecht“ als „Ersatz für das der materialistischen Weltanschauung dienende römische Recht“ gefordert. Darunter verstand die NSDAP vor allem die Unterordnung der individuellen [[Bürgerrecht]]e unter das angebliche Gesamtinteresse der „Volksgemeinschaft“: ''Recht ist, was dem Volke nützt.'' Als oberste Rechtsgüter wurden unklar definierte Begriffe wie Rasse, Erbgut, Ehre, Treue, Wehrhaftigkeit, Arbeitskraft, Zucht und Ordnung propagiert.<br />
<br />
Dieser Ideologie gemäß brachen schon einige der ersten Maßnahmen des NS-Regimes wesentliche Prinzipien des [[Rechtsstaat]]s wie die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und ''[[nulla poena sine lege]]'': so die „Reichstagsbrandverordnung“, das „Heimtückegesetz“ und das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der [[Todesstrafe]]“ (''[[Lex van der Lubbe]]''). Das [[Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft]] vom 7. April 1933 zielte auf die Ausschaltung jüdischer Rechtsanwälte, doch aufgrund der von Reichspräsident Hindenburg geforderten Ausnahmeregelung („[[Frontkämpferprivileg]]“) konnte ein von den [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemiten]] unvorhergesehen großer Teil der jüdischen Anwälte ihren Beruf bis 1938 weiter ausüben. Hitlers Mordbefehle und ihre Ausführung beim angeblichen [[Röhm-Putsch]] vom 30. Juni bis 3. Juli 1934 wurden nachträglich legalisiert. Damit wurden der Wille und die ausführende Gewalt des Führers dem kodifizierten Recht und Gesetz übergeordnet.<br />
<br />
Die Gleichschaltungsgesetze und -maßnahmen hoben bis Januar 1935 auch die Justizhoheit der Länder auf. Das Reichsjustizministerium wurde damit zur obersten Aufsichtsbehörde über alle Gerichte, Strafvollzugsanstalten und deren Personal. Eine einheitliche Justizausbildungsverordnung stärkte dessen Loyalität zum Führerstaat: Sie sah für [[Rechtsreferendar|Referendare]] eine zweimonatige ideologische Schulung im „Gemeinschaftslager [[Hanns Kerrl]]“ und die mündliche Prüfung des Fachs „Volks- und Staatskunde im weitesten Sinn“ vor.<br />
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Andererseits wurden die meisten seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Justizbehörden beibehalten. Von den Richtern, die bis 1933 nur selten NSDAP-Mitglieder waren, wurden nur etwa 600 entlassen. Die Spitzenpositionen des Reichsjustizministers und [[Reichsgericht]]spräsidenten wurden deutschnationalen Vertretern überlassen und nicht neu besetzt. Dagegen betraf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor allem „nichtarische“ und politisch missliebige Rechtsanwälte. Alle Anwälte mussten sich in der ''Reichsrechtsanwaltskammer'' und der ''Reichsnotarkammer'' registrieren lassen, die ihre Zulassung regelte und politische Zuverlässigkeit überwachte. Später mussten alle Richter einen persönlichen Treueeid auf den „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler ablegen, der ab 30. Juni 1934 auch der „oberste Gerichtsherr des deutschen Volkes“ zu sein beanspruchte. Frauen wurden ab 1935 nicht mehr als Richterinnen, Staats- und Rechtsanwälte zugelassen.<br />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 151-39-23, Volksgerichtshof, Reinecke, Freisler, Lautz.jpg|mini|[[Roland Freisler]] (Mitte) als Präsident des [[Volksgerichtshof]]es, 1944]]<br />
Widerspruch dagegen regte sich innerhalb der männlichen Justizbeamtenschaft kaum. Deren deutschnational eingestellte Mehrheit vertraute Hitlers ab seinem Ulmer Legalitätseid häufigen Versprechungen von formal legalem Vorgehen.<br />
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Fortan wurde neben dem traditionellen Gerichtswesen für immer mehr Bereiche eine Sonder- und Standesgerichtsbarkeit aufgebaut. Nur für „Artgleiche“ galt annähernd gleiches Recht, für zu „Artfremden“ erklärte Bevölkerungsgruppen dagegen wurde Sonderrecht eingeführt: so für die „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asozialen]]“, [[Deutsche Juden|Juden]] und „[[Fremdvölkische]]n“, vor allem Polen und Russen. Juden durften nur noch als „[[Konsulent (Deutschland)|Konsulenten]]“ für andere Juden vor Gericht erscheinen. Für [[Polen (Volk)|Polen]] und [[Juden in Polen|Juden]] im vom [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Deutschen Reich besetzten Polen]] galt ab Dezember 1941 die [[Polenstrafrechtsverordnung]].<br />
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Schon ab Juli 1933 wurden allen Amtsgerichten ''Erbgesundheitsgerichte'' angegliedert, die u.&nbsp;a. das ''[[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]]'' mit Gesundheitszeugnissen durchführen sollten. Oberste von drei Instanzen war das neugeschaffene [[Reichserbhofgericht]], das dem Reichsernährungsminister unterstellt wurde. Im [[Bürgerliches Recht|bürgerlichen Recht]] wurden Eheverbote aus [[Eugenik|eugenischen]] Gründen ermöglicht. Bei rassischen „Mischehen“ wurde die [[Ehescheidung]] erleichtert und die Fortpflanzung verboten. Den Versuch, Unfruchtbarkeit als Scheidungsgrund zu legalisieren, verhinderte die katholische Kirche. Zugleich wurden unverheiratete Mütter und uneheliche Kinder rechtlich besser gestellt; „arische“ Frauen durften ab 1941 sogar gefallene Soldaten nachträglich heiraten.<br />
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Die [[Sondergericht]]e für politische Delikte und der neu geschaffene [[Volksgerichtshof]] blieben zwar dem Justizministerium unterstellt, aber für dort durchgeführte Verfahren gab es keine [[Revision (Recht)|Revisionsinstanzen]]. Neben sie traten ab Mai 1933 selbständige Kriegsgerichte, die ab 1936 dem neu eingerichteten [[Reichskriegsgericht]] unterstellt waren. Diese durften unter bestimmten Bedingungen auch Zivilisten verurteilen. Seit Kriegsbeginn entfielen auch dort Instanzenwege und Berufungsmöglichkeiten; die Urteile wurden nur von den jeweiligen Militärbefehlshabern bestätigt oder zur Neuverhandlung – fast immer mit dem Ziel einer Strafverschärfung – angewiesen.<br />
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Heinrich Himmler schuf nach dem Röhmputsch 1934 für die SS ein eigenes ''Ehrengericht'', aus dem sich ab Oktober 1939 eine besondere SS- und Polizeigerichtsbarkeit unter dem ''[[Hauptamt SS-Gericht]]'' entwickelte. Dessen Gerichtsherr war er selbst. Das neu geschaffene [[Reichsverwaltungsgericht]] unterstand dem Reichsinnenministerium, durfte aber keine politisch veranlassten Willkürakte vor allem der Polizei überprüfen. Sämtliche Gewaltakte der SA, Gestapo und SS blieben so der Strafverfolgung unabhängiger Gerichte entzogen. In präventive „[[Schutzhaft (Nationalsozialismus)|Schutzhaft]]“ genommene Strafgefangene waren entrechtet.<br />
<br />
In der Strafjustiz wurden die Kriterien für Straftatbestände immer mehr von eindeutigen Tatmerkmalen auf die ''[[Gesinnungsstrafrecht|Gesinnung]]'' eines mutmaßlichen Täters verlagert. Den Richtern wurde dabei ein viel größerer Ermessensspielraum als bisher zugestanden. Diese Aufweichung zielte praktisch auf Strafverschärfung. Zugleich wurden viele Straftatbestände direkt mit höheren Strafen belegt, einige neu geschaffen. Die 1941 geänderten, am [[Täterstrafrecht]] orientierten [[Mord (Deutschland)|Mordmerkmale]] wurden dennoch nach 1945 unverändert im [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]] beibehalten.<br />
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[[Datei:Poprava 30 6 1943.jpg|mini|21 Todesurteile vom Sondergericht Brünn, 30. Juni 1943]]<br />
Der Grundsatz ''nulla poena sine lege'' wurde nach punktueller Missachtung ganz aufgegeben. So erließ Hitler nach zwei Einzelfällen im Juni 1938 rückwirkend neue Strafen und Gesetze für diese und analoge Taten: Er verlangte z.&nbsp;B. die Todesstrafe für einen im Vorjahr begangenen erpresserischen Kindesraub und für das vorsätzliche Stellen einer „[[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer|Autofalle]]“ ([[Lex Götze]]), die nicht näher definiert wurde. Nachdem das Reichsgericht die Angeklagten in einem Fall von „Elektrizitätsdiebstahl“ und einem Fall von „Fernsprechautomatenbetrug“ freigesprochen hatte, wurde auch das [[Analogieverbot]] im Strafrecht aufgehoben. Richter durften nun nicht ausdrücklich strafbare Taten nach ihnen vergleichbar erscheinenden Straftatbeständen „in Übereinstimmung mit dem völkischen Rechtsempfinden“ verurteilen.<br />
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Die Todesstrafe, die 1933 für drei Tatbestände vorgesehen war, wurde auf zuletzt 46 Tatbestände ausgedehnt und vor allem im Krieg exzessiv angewandt. Die [[Militärgerichtsbarkeit (Nationalsozialismus)|Kriegsgerichte]] bezogen Tatbestände wie „[[Wehrkraftzersetzung]]“ auch auf subjektive Einstellungen; als [[Kriegswirtschaftsverordnung|Kriegswirtschaftsverbrechen]] galten immer geringfügigere Vergehen. Die 5. Verordnung zum Kriegssonderstrafrecht vom 5. Mai 1940 erlaubte den Sonderrichtern schließlich, für jede Straftat jede Strafe bis einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, wenn der nach Gesetzestext vorgesehene Strafrahmen „nach gesundem Volksempfinden“ für eine [[Sühne]] nicht ausreiche. Infolge dieser Rechtswillkür fällten die zivilen Sondergerichte rund 16.000 Todesurteile, 15.000 davon ab 1941; die Kriegsgerichte fällten rund 30.000 Todesurteile, davon etwa 23.000 wegen [[Fahnenflucht]].<ref>Vgl. Matthias Blazek: ''Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945'', ibidem, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0107-8, insb. S. 78&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
1942 begann das NS-Regime, die Rechtsprechung zusätzlich durch regelmäßige ''Richterbriefe'' und analoge ''Rechtsanwaltsbriefe'' zu lenken. Zudem ermächtigte Hitler den Reichsjustizminister, alle ihm erforderlich erscheinenden, auch vom bisherigen Recht abweichenden Maßnahmen zum Aufbau einer „nationalsozialistischen Rechtspflege“ zu treffen. Gewöhnliche Landes- und Oberlandesgerichte waren jedoch schon ab 1933 Teil des staatlichen Verfolgungsapparates geworden, indem sie viele Fälle von Regimekritik, Oppositionsverhalten, „[[Rundfunkverbrechen]]“ und „[[Rassenschande]]“ verurteilten.<br />
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In einer Reichstagsrede im Frühjahr 1942 beschwerte sich Hitler über angeblich zu milde Urteile der Justiz. Die Gestapo wurde daraufhin bei politischen oder gewöhnlichen, aber politisierten Delikten faktisch zur Revisionsinstanz und durfte bereits Verurteilte, die ihre Strafe verbüßt hatten, nach eigenem Ermessen erneut festnehmen, wobei Folterungen mit Todesfolge in der Regel strafrechtlich nicht geahndet wurden. Die „Fremdarbeiter“ verfolgte und bestrafte sie direkt ohne Gesetzesgrundlage, Anzeige, Gerichtsverfahren und Urteil.<ref>Ernst Ritter: ''Justiz und innere Verwaltung.'' In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): ''Enzyklopädie des Nationalsozialismus'', 3., korrigierte Aufl., Stuttgart 1998, S. 92–97.</ref><br />
<br />
'''Weitere Gerichte und Gerichtshöfe:'''<br />
* [[Reichswirtschaftsgericht]]<br />
* [[Reichsarbeitsgericht]]<br />
* [[Reichsfinanzhof]]<br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft im Nationalsozialismus}}<br />
<br />
== Militär ==<br />
[[Datei:War Ensign of Germany 1938-1945.svg|mini|Die [[Reichskriegsflagge#Verwendung während der Zeit des Nationalsozialismus|Kriegsflagge des Deutschen Reiches]] (ab 1938)]]<br />
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Seit seinem Machtantritt setzte Hitler die unter seinen Vorgängern begonnene, zunächst noch geheimgehaltene [[Aufrüstung der Wehrmacht|Aufrüstung]] der durch den [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrag]] begrenzten [[Reichswehr]] energisch fort, die er als zweite Säule des nationalsozialistischen Staates neben der Partei betrachtete. Die immer deutlicher werdende Rivalität zwischen Reichswehr und [[Sturmabteilung|SA]] ließ er im Juni 1934 durch die als Niederschlagung des [[Röhm-Putsch]]s getarnte Entmachtung der SA-Führung beenden, die Reichswehr wurde zum alleinigen Waffenträger der Nation erklärt. Nachdem er sich mit Hilfe des am 1. August 1934 erlassenen „Gesetzes über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs“ zum Nachfolger des einen Tag später verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg hatte erklären lassen, übernahm er Kraft der Weimarer Verfassung den politischen Oberbefehl über die [[Reichswehr]]. Der Reichswehrminister und militärische Oberbefehlshaber [[Werner von Blomberg]] ließ in der Folge die Reichswehr persönlich auf Hitler vereidigen. Ebenfalls 1934 begann der Aufbau der [[SS-Verfügungstruppe]], aus der später die [[Waffen-SS]] hervorgehen sollte.<br />
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H12262, Nürnberg, Reichsparteitag, Tag der Wehrmacht.jpg|mini|[[Reichsparteitag]] 1938, „Tag der Wehrmacht“: [[Erhard Milch|Milch]], Keitel, Brauchitsch, Raeder, [[Maximilian von Weichs|Weichs]] (v.l.n.r)]]<br />
Bereits im Oktober 1933 hatte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] unter gleichzeitigem Rückzug von der [[Genfer Abrüstungskonferenz]] verkündet, auf der Deutschland von den anderen europäischen Mächten noch eine Rüstungsparität angeboten worden war. Am 16. März 1935 verkündete das Deutsche Reich mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ die Wiedererlangung der [[Wehrhoheit]], die Wiedereinführung der [[Wehrpflicht|Allgemeinen Wehrpflicht]] und das Ziel des Aufbaus eines [[Heer (Wehrmacht)|Heeres]] von 550.000 Mann. Von nun ab wurde die Armee nur noch als „[[Wehrmacht]]“ bezeichnet, die [[Reichsmarine]] wurde wenig später in „[[Kriegsmarine]]“ umbenannt. Bereits am 11. März hatte Reichsluftfahrtminister Göring die Existenz einer deutschen [[Luftwaffe (Wehrmacht)|Luftwaffe]] bekanntgegeben. Von den anderen Mächten wurden diese eklatanten Verletzungen des Versailler Vertrags weitgehend hingenommen, so schloss Großbritannien im Juni 1935 das [[Deutsch-britisches Flottenabkommen|deutsch-britische Flottenabkommen]] ab, das Deutschland eine Aufrüstung der Kriegsmarine auf 35 Prozent der [[Royal Navy]] erlaubte. Im März 1936 führten deutsche Truppen unter Bruch der [[Verträge von Locarno]] die [[Rheinlandbesetzung (1936)|Wiederbesetzung des Rheinlands]] durch. Kurz darauf wurde mit der Einführung des [[Vierjahresplan]]es die Herstellung der Kriegsfähigkeit des Landes und der Wehrmacht binnen vier Jahren beschlossen. Im gleichen Jahr griffen deutsche Truppen erstmals auf Seiten der spanischen Nationalisten in den [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] ein.<br />
<br />
Im Zuge der [[Blomberg-Fritsch-Krise]] setzte Hitler am 4. Februar 1938 Reichswehrminister Blomberg und den Oberbefehlshaber des Heeres [[Werner von Fritsch|Fritsch]] ab, löste das Kriegsministerium auf und übernahm auch den operativen, nicht nur politischen Oberbefehl über das neugebildete Oberkommando der Wehrmacht (OKW), das sein persönlicher Generalstab wurde. Es war wie folgt gegliedert:<br />
* Oberkommando der Wehrmacht: [[Wilhelm Keitel]]<br />
** [[Wehrmachtführungsstab#Zeit des Nationalsozialismus|Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab)]]: [[Alfred Jodl]]<br />
** [[Oberkommando des Heeres]]: [[Walther von Brauchitsch]]<br />
** [[Oberkommando der Marine]]: [[Erich Raeder]]<br />
** [[Oberkommando der Luftwaffe]]: [[Hermann Göring]], [[Robert von Greim|Robert Ritter von Greim]]<br />
<br />
== Die Frage der Nachkriegskontinuität ==<br />
{{Hauptartikel|Rechtslage Deutschlands nach 1945}}<br />
<br />
Die [[bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht]] und die anschließende [[Deutschland 1945 bis 1949|Aufteilung Deutschlands]] und [[Besetztes Nachkriegsösterreich|Österreichs]] in [[Besatzungszone]]n der [[Alliierte#Die Vier Mächte|alliierten Siegermächte]] führten nicht zur Auflösung des deutschen Staates. Das Land [[Preußen]] wurde aufgelöst, die [[Österreich|Republik Österreich]] „wiederhergestellt“ in ihren Grenzen vor dem „Anschluss“ 1938; die historischen [[Land (Deutschland)#Geschichte der deutschen Länder ab 1945|deutschen Länder]] blieben, wurden aber neugegründet mit teils veränderten Grenzen. Sowohl die 1949 gegründete [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] als auch zunächst die [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] hatten am juristischen Fortbestand des Deutschen Reiches festgehalten. Während man in der DDR jedoch später zur [[Debellatio|Untergangstheorie]] neigte, sind in der Bundesrepublik wie auch im [[Ausland]] seither unterschiedliche Identitäts- beziehungsweise Fortbestandstheorien vertreten worden.<ref>[[Kay Hailbronner]], in: [[Wolfgang Graf Vitzthum|Graf Vitzthum]] (Hrsg.), ''Völkerrecht'', 4. Aufl. 2007, 3. Abschn., [http://books.google.de/books?id=umn7Df1E-KUC&pg=PA225 Rn 200–203]; [[Georg Dahm]] ([[Jost Delbrück|Delbrück]]/[[Rüdiger Wolfrum|Wolfrum]]), ''Völkerrecht'', Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 145–150 ([http://books.google.de/books?id=co4MGcGCr74C&pg=PA146 146&nbsp;ff.]); vgl. dazu das bis 1990 verfassungsrechtlich verankerte [[Wiedervereinigungsgebot]].</ref><br />
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Nach der [[Lehrmeinung]] maßgeblicher [[Staatsrechtslehrer|Staatsrechtler]] wie auch gemäß der [[Höchstrichterliche Rechtsprechung|höchstrichterlichen Rechtsprechung]] und der in der Staatenpraxis international anerkannten<ref>[[Georg Ress]], in: Ulrich Beyerlin, ''Recht zwischen Umbruch und Bewahrung'' (=&nbsp;Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 120), 1995, [http://books.google.de/books?id=OumydERAANUC&pg=PA844 S.&nbsp;843&nbsp;f.], [http://books.google.com/books?id=OumydERAANUC&lpg=PA849 849].</ref> und vollständig durchgesetzten Rechtsposition ist das heutige Deutschland, die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]], als [[Völkerrechtssubjekt]] mit dem Deutschen Reich identisch;<ref>Vgl. hierzu umfassend [[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation'', Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 71&nbsp;f., [http://books.google.de/books?id=oPkRR6sykxwC&lpg=PA83 82&nbsp;f.], 87 f., 92 mit weiteren Nachweisen; [[Klaus Stern (Rechtswissenschaftler)|Klaus Stern]], ''Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland'', Band V, C.H. Beck, München 2000, [http://www.krr-faq.net/ster1964.htm S. 1964&nbsp;f.]; [[Dieter Blumenwitz]], [[Neue Juristische Wochenschrift|NJW]] 1990, S. 3041&nbsp;ff. mit weiteren Nachweisen; [[Jochen Abraham Frowein|Jochen Abr. Frowein]], ''Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts'', in: [[Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer|VVDStRL]], Heft 49, 1990, S. 7–33.</ref> der vormalige NS-Staat gliederte sich daher 1949 zu einem Bundesstaat auf.<ref>[[Karl Doehring]]: ''Völkerrecht'', 2., neubearbeitete Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2004, [http://books.google.de/books?id=MRU_q5e8-XsC&pg=PA64 Rn 139, Anm.&nbsp;177].</ref> Mit dem Hinweis darauf, dass den Deutschen in der DDR [[freie Wahl]]en verwehrt waren und ihnen das [[Selbstbestimmungsrecht]] fehlte, erhoben die Regierungen der Bundesrepublik, die sich als Regierung des ganzen Deutschlands verstanden, anfangs einen [[Alleinvertretungsanspruch#Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Alleinvertretungsanspruch]] auch für die [[Staatsbürgerschaft der DDR|Staatsbürger der DDR]].<br />
<br />
Demgegenüber besagt der [[Zeitgeschichte|zeitgeschichtliche]] Befund etwa des Historikers [[Heinrich August Winkler]]: {{"|Mit dem ‚Dritten Reich’ ging am 8. Mai 1945 auch das Deutsche Reich unter, das [[Thomas Mann]] das ‚unheilige Deutsche Reich preußischer Nation’ nannte, das immer nur ein ‚Kriegsreich’ habe sein können.}} Am Ende des Krieges, so Winkler, hätten die Deutschen nicht nur das Reich verloren; es habe nicht einmal Gewissheit darüber gegeben, dass es in Zukunft überhaupt wieder zu einem deutschen [[Nationalstaat]] kommen würde. Winkler führt aus: „Am Ende des Zweiten Weltkriegs war der preußische Mythos so verbraucht wie der sehr viel ältere [[Reichsidee|Reichsmythos]], der den Untergang des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]] im Jahre 1806 um 139 Jahre überlebt hatte. Mehr zu sein als die anderen europäischen Nationen und ihre Nationalstaaten: nichts hatte die Deutschen vom Westen so sehr getrennt wie der universalistische Anspruch, den sie mit dem Reich verbanden.“<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' 5., durchges. Aufl., München 2002, S.&nbsp;114.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Götz Aly]]: ''[[Hitlers Volksstaat]]. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus.'' 5. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000420-5.<br />
* [[Matthias Blazek]]: ''Unter dem Hakenkreuz: Die deutschen Feuerwehren 1933–1945'', ibidem, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-89821-997-6.<br />
* [[Martin Broszat]]: ''Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung.'' dtv, Reihe Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1. Auflage 1969), 12. Auflage, München 1989, ISBN 3-423-04009-2; Marix, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-113-1.<br />
* [[Norbert Frei]]: ''Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945'', 6. erweiterte und aktualisierte Neuauflage, dtv, München 2001, ISBN 3-423-30785-4.<br />
* [[Michael Grüttner]]: ''Das Dritte Reich. 1933–1939'' (=&nbsp;''[[Handbuch der deutschen Geschichte|Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 19). Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-60019-3.<br />
* [[Klaus Hildebrand]]: ''Das Dritte Reich.'' 6. Auflage, Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49096-6.<br />
* [[Richard J. Evans]]: ''Das Dritte Reich – Aufstieg'' (Band 1 der dreibändigen Geschichte des Dritten Reichs), München 2004, ISBN 3-421-05652-8; es folgten: Band 2 – ''Diktatur.'' 2007, ISBN 978-3-421-05653-5; Band 3 – ''Krieg.'' 2009, ISBN 978-3-421-05800-3.<br />
* [[Ian Kershaw]]: ''Hitlers Macht. Das Profil der NS-Herrschaft.'' dtv, München 1992, ISBN 3-423-04582-5.<br />
* Ian Kershaw: ''Der NS-Staat – Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick''. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60796-4.<br />
* [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik''. 2 Bände, Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985.<br />
:* Band 1: ''„Volksgemeinschaft“ und Großmachtpolitik 1933–1939'', ISBN 3-423-02925-0.<br />
:* Band 2: ''Weltmachtanspruch und nationaler Zusammenbruch 1939–1945'', ISBN 3-423-02926-9.<br />
* [[Rolf-Dieter Müller]]: ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;Handbuch der deutschen Geschichte, Band 21). Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3.<br />
* [[Ursula Wolf]]: ''Litteris Et Patriae: Das Janusgesicht der Historie'', Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06875-9, ISBN 978-3-515-06875-8. ([http://books.google.de/books?id=d0W1phP8rKsC&pg=PA147 Google Books])<br />
* Michael H. Kater: ''Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches'', Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57950-9, ISBN 978-3-486-57950-5. ([http://books.google.de/books?id=VoCHA6npCHkC&pg=PA176 Google Books])<br />
<br />
== Film ==<br />
* Michael Kloft: ''„12 Jahre, 3 Monate, 9 Tage“ – Die Jahreschronik des Dritten Reichs'', [[Spiegel TV]], Dokumentation/Reportage, 210 Min., Deutschland 2006<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Nationalsozialistisches Recht}}<br />
{{Wiktionary|Großdeutsches Reich}}<br />
{{Commons|Third Reich|Drittes Reich}}<br />
* [http://www.bpb.de/themen/3X63VA,0,0,NSStaat.html Dossier über den NS-Staat] – [[Bundeszentrale für politische Bildung]]<br />
* [http://www.bundesarchiv.de/foxpublic/ Das Bundesarchiv]<br />
* [http://www.ns-archiv.de/sitemap.php NS-Archiv, digitalisierte Dokumente zum Nationalsozialismus] (private Website)<br />
* [http://www.documentarchiv.de/ns.html Dokumentarchiv: Sammlung der in der NS-Zeit erlassenen Rechtsnormen] (private Website)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste deutsche Staatssysteme<br />
|Navigationsleiste Länder des Deutschen Reiches 1933–1945}}<br />
<br />
[[Kategorie:Deutsches Reich (1933–1945)| ]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der deutschen Länder]]<br />
[[Kategorie:Diktatur]]</div>Exec