https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=DoclbnWikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-05-01T19:20:12ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.44.0-wmf.25https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=%C5%8Cmu_Shinriky%C5%8D&diff=254529368Ōmu Shinrikyō2025-03-25T13:11:53Z<p>Doclbn: /* Milzbrand */ Korrektur Bildunterschrift: keine "Sporen", sondern "Kolonien"</p>
<hr />
<div>[[Datei:Aum symbol.svg|mini|Ōmu-Shinrikyō-Symbol]]<br />
[[Datei:Aleph-logo.png|mini|250px|Aleph-Symbol]]<br />
'''Ōmu Shinrikyō''' ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja|オウム真理教}}; zu Deutsch etwa „Om-Lehre der Wahrheit“), heutiger Name '''''Aleph''''' ({{lang|ja|アレフ}}, ''Arefu''), in der deutschsprachigen Presse häufig als '''Aum-Sekte''' bezeichnet, ist eine ursprünglich in [[Neue Religionen in Japan|Japan entstandene neureligiöse Gruppierung]], die insbesondere in [[Russland]] stark vertreten war. Sie wurde der weltweiten Öffentlichkeit durch ihren [[Giftgas]]anschlag in der [[U-Bahn Tokio|Tokioter U-Bahn]] am 20. März 1995 bekannt. Im Januar 2000 benannte sich Ōmu Shinrikyō in ''Aleph'' um. Ihr Gründer und Führer war der am 6. Juli 2018 hingerichtete [[Shōkō Asahara]]. Laut einem [[Deutschlandfunk]]-Beitrag zum 30. Jahrestag des Anschlags existieren 3 Folgeorganisationen der Ōmu Shinrikyō.<ref>''[https://www.deutschlandfunk.de/giftgasanschlag-tokio-1995-aum-sekte-100.html Aum-Sekte Der Giftgas-Anschlag in der U-Bahn von Tokio]'' [https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2025/03/20/20031995_aum_sekte_veruebt_giftgas_anschlag_in_der_u_bahn_dlf_20250320_0905_15803d6f.mp3 5.00 Minuten Audio-Version], von Martin Fritz, [[Deutschlandfunk]] Kalenderblatt, 20. März 2025.</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
=== Entstehung (1983 bis 1987) ===<br />
In Japan sind (per 31. Dezember 2021 bzw. 3. Jahr der ''[[Reiwa-Zeit|Reiwa-Ära]]'') 180.147 Religionsgesellschaften ({{lang|ja|宗教法人}}, ''shūkyō hōjin''), also Religionsgemeinschaften ({{lang|ja|宗教団体}}, ''shūkyō dantai'') mit dem Status [[Juristische Person|juristischer Personen]] nach dem [[Gesetz über die Religionsgesellschaften]] ({{lang|ja|宗教法人法}}, ''shūkyō hōjinhō'') von 1951 anerkannt; davon sind 172.957 einzelne, unabhängige Tempel, Schreine, Kirchen und sonstige Gemeinschaften.<ref name="r03">{{Internetquelle |url=https://www.bunka.go.jp/tokei_hakusho_shuppan/hakusho_nenjihokokusho/shukyo_nenkan/pdf/r03nenkan.pdf |titel={{lang|ja|宗教年鑑}} – „Religionsjahrbuch“ |titelerg={{lang|ja|第1部}} – {{lang|ja|日本の宗教の概要}} – {{lang|ja|はじめに}} – „Teil 1 – Übersicht zur Japans Religionen – Zur Beginn“ |werk=bunka.go.jp |hrsg=[[Bunka-chō]] – {{lang|ja|文化庁}} – Agency for Cultural Affairs |datum=2021-12 |seiten=1 |format=PDF; 4,1&nbsp;MB |sprache=ja |abruf=2022-07-17 |kommentar=Seite 1, Tabelle unten}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.bunka.go.jp/english/pdf/chapter_11.pdf |titel=XI – National Cultural Facilities |werk=bunka.go.jp |hrsg=[[Bunka-chō]] – {{lang|ja|文化庁}} – Agency for Cultural Affairs |format=PDF; 1,4&nbsp;MB |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090325031920/https://www.bunka.go.jp/english/pdf/chapter_11.pdf |archiv-datum=2009-03-25 |abruf=2022-07-17 |kommentar=Ursprungs-PDF-Datei war 52&nbsp;kB groß!}}</ref> Nach der Etablierung der „klassischen“ [[Buddhismus|buddhistischen]] und [[Sektenshintō|Shintō-Sekten]] und einer Welle von Gründungen jüngerer Kultgruppen in den 1950ern und 1960ern kam es ab Mitte der 1970er Jahre zu einer dritten Gründungswelle von Glaubensgemeinschaften.<ref name="Metraux_1141">Metraux, Daniel A. (1996): ''[https://www.jstor.org/stable/2645835 Religious Terrorism in Japan: The Fatal Appeal of Aum Shinrikyo].'' In: links.jstor.org, ''Asian Survey'' 35(12): 1140-1154, S. 1141 (englisch).</ref> Die dritte Gründungswelle, zu der auch Ōmu Shinrikyō gezählt wird, unterscheidet sich dabei von der zweiten Welle durch den höheren Status und größeren Reichtum der Sektenmitglieder.<ref name="Metraux_1141" /><br />
<br />
1984 gründete der stark sehbehinderte Chizuo Matsumoto unter dem Namen ''Ōmu Shinsen no Kai'' ({{lang|ja|オウム神仙の会}}; „Versammlung der Om-Einsiedler“) mit zunächst 15 Mitgliedern einen Verein für [[Yoga]]-Übungen, die [[Siddhi|psychische Kräfte]] aktivieren sollen.<ref name="Metraux_1147">Metraux, Daniel A. (1996): ''[https://www.jstor.org/stable/2645835Religious Terrorism in Japan: The Fatal Appeal of Aum Shinrikyo].'' In: links.jstor.org, ''Asian Survey'' 35(12): 1140-1154, S. 1147 (englisch).</ref><br />
<br />
Matsumoto gab an, er verfüge über die Fähigkeit zu [[Levitation (Parapsychologie)|schweben]], lange unter Wasser zu tauchen, die Fähigkeit, [[Außersinnliche Wahrnehmung|die Zukunft vorherzusagen]]<ref name="gartenstein-ross_2010" /> sowie [[Natalja Nikolajewna Djomkina|durch feste Objekte zu sehen]] und [[Jon Ronson#Werke (Auswahl)|durch sie hindurchzugehen]].<ref name="ashby">{{Internetquelle |autor=Christopher B. Ashby, Gregory S. Brinsfield |url=https://www.hsdl.org/?view&did=450644 |titel=Convergence and Religious Terrorism in America |hrsg=Naval Postgraduate School |datum=2004-09 |format=PDF; 402&nbsp;kB |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20200806143935/https://www.hsdl.org/?view&did=450644 |archiv-datum=2020-08-06 |abruf=2025-03-21}}</ref><br />
<br />
Zu dieser Zeit ändert Matsumoto auch seinen Namen in Shōkō Asahara<ref name="Metraux_1147" />, unter anderem wegen des [[Zahlensymbolik|numerologischen Wertes]] der Strichzahl in den entsprechenden Buchstaben.<ref>Nowicki, Brian (1996): ''[https://scispace.com/pdf/from-violence-to-salvation-toward-a-method-of-cult-study-4znjoy0how.pdf From Violence to Salvation: Toward a Method of Cult Study With the Branch Davidians and Aum Shinrikyothe Branch Davidians and Aum Shinrikyo].'' (PDF; 4,1&nbsp;MB) In: ''scispace.com'', Honors Projects., 3, S. 10 (englisch).</ref><br />
<br />
Nachdem er 1986 nach eigenen Angaben im Himalaja „die höchste Wahrheit“ erhalten habe, nannte er im Folgejahr den Verein in ''Ōmu Shinrikyō'' ''(Om-Lehre der Wahrheit)'' um.<ref name="Metraux_1147" /> Laut Shoko Asahara bezieht die [[Sanskrit]]-Silbe [[Om]], japanisch Ōmu geschrieben, sich auf „die Erschaffung, Bewahrung und Zerstörung des Universums“. Der Name der Gruppe soll also andeuten, dass sie die Wahrheit über die Erschaffung und Zerstörung des Universums und alles dazwischen lehren kann.<ref>{{Internetquelle |autor=Christopher Angus Muir |url=https://research-repository.st-andrews.ac.uk/bitstream/handle/10023/2799/AngusMuirPhDThesis.pdf?sequence=3 |titel=Destruction and redemption: the conduct of revealed religious violence in the contemporary era |hrsg=University of St Andrews |datum=2001 |format=PDF; 30&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2022-09-29}}</ref><br />
<br />
Ōmu Shinrikyō nahm nun allmählich die Form einer religiösen Gruppierung an.<br />
<br />
1985 traf Asahara in [[Dharamsala]] zum ersten Mal in seiner Funktion als Führer der Ōmu Shinsen no Kai den [[Dalai Lama]], welcher ihm offizielle Empfehlungsschreiben gab.<ref group="A">Da sich Asahara 1984 jedoch bereits Agon-shū angeschlossen hatte, eine buddhistische Bewegung, die den Dalai Lama im Mai 1984 nach Tokio zu einem Ritual mit 13.000 einlud, traf er ihn bereits zu diesem Zeitpunkt möglicherweise persönlich.</ref><br />
<br />
Ōmu Shinrikyō spendete ab Mai 1988 mehr als 1,5 Millionen [[US-Dollar]], in unterschiedlichen Währungen, an den Dalai Lama; im Juli 1992 weitere 1,2 Millionen US-Dollar.<ref name="hogendoorn" /><br />
<br />
Insgesamt fünfmal kamen Asahara und der Dalai Lama zusammen, wobei der Dalai Lama am 26. Mai 1989 beispielsweise in einer Urkunde bescheinigte, dass Asaharas Gruppe den [[Mahayana]]-Buddhismus praktiziere und seines Wissens danach strebe, „das öffentliche Bewußtsein durch religiöse und soziale Aktivitäten zu fördern“.<ref>Bloch, Werner (18. September 1995): ''[https://www.focus.de/politik/deutschland/unheilige-buergschaft-sekten_id_1856501.html Unheilige Bürgschaft]''.</ref><br />
<br />
Kurz nach dem ersten Treffen mit dem Dalai Lama veröffentlichte Asahara das Buch ''Supreme Initiation'', in dem er den Dalai Lama folgendermaßen zitiert:<br />
<br />
{{Zitat<br />
|Text=Lieber Freund, schau dir den heutigen Buddhismus Japans an. Er ist zum Zeremonialismus verkommen und hat die wesentliche Wahrheit der Lehre verloren. Wenn diese Situation fortfährt, wird der Buddhismus aus Japan verschwinden. Es muss etwas getan werden, und du solltest den wahren Buddhismus dort verbreiten. Das kannst du gut. Wenn du das tust, werde ich mich sehr freuen und es wird mir mit meiner Mission helfen […] Du kannst das gut tun, denn du hast ein [[Bodhichitta|Bodhi-Chitta]].<br />
|Autor=Shoko Asahara<br />
|Quelle=Supreme Initiation: An empirical spiritual science for the supreme truth.}}<br />
<br />
Shōkō Asahara besuchte zusammen mit seiner Frau Tomoko und etwa 20 Anhängern Indien zwischen Februar 1987<ref>Wieczorek, Iris (1996): ''[https://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/pdf/4-publikationen/buddhismus-in-geschichte-und-gegenwart/bd8-k13wieczorek.pdf Die Aum Shinrikyo in Japan: Zerstörung, um die Welt zu retten?].'' (PDF; 2,1&nbsp;MB), S. 237.</ref> und Juli 1992 sieben Mal, wobei er sich mindestens fünf- oder sechsmal mit dem Dalai Lama fotografieren und filmen ließ.<ref name="hogendoorn">Hogendoorn, Rob (2020): ''[https://openbuddhism.org/knave-or-fool-the-dalai-lama-and-shoko-asahara-affair-revisited/ Knave or Fool? The Dalai Lama and Shōkō Asahara Affair Revisited].'' (englisch).</ref><br />
<br />
Diese Treffen und die Dokumente wurden als Referenz bei der Anwerbung von neuen Mitgliedern und bei den Bemühungen um den steuerfreien Status einer Religionsgemeinschaft benutzt.<ref>[[Klaus Antoni]]: ''[https://books.google.de/books?id=oaAtT8Zl-wwC&pg=PA270&lpg=PA270&dq=asahara+dharamsala&source=web&ots=a39p2-FXyf&sig=HSdk5yFZ4aYiL6jJUhEE65JJbOM&hl=de Rituale und ihre Urheber: Invented Traditions in der japanischen Religionsgeschichte].'' 21.-23. März 1996, S. 270.</ref><br />
<br />
Dem Reiseschriftsteller Pico Iyer sagte der Dalai Lama, als er Shōkō Asahara zum ersten Mal getroffen habe, habe ihn die scheinbare Hingabe des Mannes zu Buddha dazu bewegt, Asahara zu unterstützen, dies sei jedoch im Nachhinein ein Fehler gewesen.<ref>Iyer, Pico (1997): ''[https://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,987571-2,00.html The God in Exile a Visit with the Leader of Tibet, the Subject of a New Movie, but a Star without A Stage].'' (englisch).</ref><ref name="hogendoorn" /><br />
<br />
=== Konsolidierung, internationale Expansion und Radikalisierung (1987 bis 1995) ===<br />
In den Jahren nach der Entstehung expandierte Ōmu Shinrikyō sowohl innerhalb Japans als auch über seine Grenzen hinaus. Gleichzeitig fand eine ideologische Radikalisierung statt.<br />
<br />
==== Konsolidierung in Japan ====<br />
In Japan etablierte sich Ōmu Shinrikyō als kleinere Minderheitenreligion. Im August 1989 erkannte die [[Präfektur Tokio]] Ōmu Shinrikyō als Religionsgesellschaft nach dem Gesetz über die Religionsgesellschaften von 1951 an,<ref name="STT141001">{{Internetquelle |autor=David Ballingrud |url=http://www.sptimes.com/News/101401/news_pf/Perspective/An_unheeded_warning.shtml |titel=An Unheeded Warning? |werk=sptimes.com |hrsg=[[Tampa Bay Times|St. Petersburg Times]] |datum=2001-10-14 |seiten=1D |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20071228051112/http://www.sptimes.com/News/101401/news_pf/Perspective/An_unheeded_warning.shtml |archiv-datum=2007-12-28 |abruf=2022-07-17}}</ref><ref>Jackie Fowler: {{Webarchiv |url=http://religiousmovements.lib.virginia.edu/nrms/aums.html |text=''Aum Shinrikyo.'' |wayback=20060829151531}} In: religiousmovements.lib.virginia.edu, ''Religious Movements Homepage Project'' der [[University of Virginia]] (englisch).</ref> obwohl Eltern von Mitgliedern vor der Organisation warnten.<br />
<br />
Bereits in dieser Zeit wurde die Organisation gewalttätig. Im Februar 1989 wurde Shuji Taguchi, der Ōmu Shinrikyō verlassen wollte, von fünf führenden Mitgliedern auf Befehl Asaharas erdrosselt. Im November 1989 wurde in [[Yokohama]] Tsutsumi Sakamoto, der als Rechtsanwalt der ''Vereinigung der Aum-Opfer'' ([[Japanische Schrift|jap.]] {{lang|ja|オウム真理教被害者の会}}; „Shinrikyō higaisha no kai“) Angehörige von Anhängern vertrat, [[Hideo Murai#Ermordung der Familie Sakamoto|zusammen mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn getötet]].<ref name="YS290700">N.N.: ''Court sentences Aum's Hayakawa to death'', ''[[Yomiuri Shimbun|The Daily Yomiuri]]'', 29. Juli 2000.</ref> Im Folgejahr gründete Asahara unter dem Namen ''Shinritō'' („Wahrheit“) eine politische Vertretung Ōmu Shinrikyōs und kandidierte zusammen mit 24 Anhängern für das [[Japanisches Parlament|japanische Parlament]].<ref name="straits times">Kin, Kwan Weng: ''From religious group to public enemy No. 1'', ''[[The Straits Times]]'' 4. Juni 1995, S. 12 (englisch).</ref> Während der Wahlkampagne trugen die Shinritō-Kandidaten ungewöhnliche Kleidung, so zum Beispiel Kapuzen, die Elefantenköpfe darstellten.<ref name="straits times" /> Bei der [[Shūgiin-Wahl 1990|Wahl]] selbst erhielten Asahara und seine Anhänger in ihren Wahlkreisen jeweils die wenigsten Stimmen, woraufhin Asahara den Behörden Wahlbetrug vorwarf.<ref name="straits times" /> Nach der Wahl geriet Ōmu Shinrikyō in finanzielle Probleme, viele Mitglieder verließen die Organisation.<br />
<br />
==== Internationale Expansion ====<br />
Ab Herbst 1987 expandierte Ōmu Shinrikyō über die Grenzen Japans hinaus. Zunächst ließ man sich in New York unter dem Namen ''Aum USA Company Ltd.'' als steuerbefreite religiöse Organisation registrieren<ref name="STT141001" /> und publizierte 1988 unter diesem Verlagsnamen ''Shoko Asahara: „Supreme Initiation“''.<ref>An Empirical Spiritual Science for the Supreme Truth, Translated from the Japanese by Jaya Prasad Nepal and Yoshitaka Aoki; Edited by Fumhiro Joyu, Aum USA Company Ltd, New York ISBN 0-945638-00-0 (englisch).</ref> Später wurden eine Niederlassung in [[Bonn]] unter dem Namen „Buddhismus- und Yoga-Center“ sowie in Sri Lanka weitere Dependancen eröffnet.<ref>Haworth, Abigail: "Cults: Aum Shinrikyo", ''[[The Observer]]'' 14. Mai 1995, S. 16 (englisch).</ref> Hauptrekrutierungsfeld wurde jedoch Russland, wo Asahara 1992 mit einigen seiner Mitstreiter vom damaligen Parlamentspräsidenten [[Ruslan Chasbulatow]] empfangen wurde. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte die Sekte eine beachtliche Medienkampagne in Russland begonnen, zu der u.&nbsp;a. eigene Fernseh- und Radioprogramme, über die sich Asahara direkt an seine Untergebenen wandte, oder Flugblattaktionen gehörten.<ref>[[Sven Felix Kellerhoff]]: ''[https://www.welt.de/geschichte/article206667993/Anschlag-in-Tokio-1995-Mit-Giftgas-den-Weltuntergang-vorbereiten.html Mit Giftgas wollte die Aum-Sekte den Weltuntergang vorbereiten].'' In: ''[[welt.de]]'', 20. März 2020, abgerufen am 17. Juli 2022.</ref> Genau wie in Japan wurden die Anhänger in landesweite Sektionen aufgeteilt. Nach gängigen Schätzungen wuchs Ōmu Shinrikyō bis 1995 auf etwa 40.000 Anhänger an, von denen ca. 10.000 auf Japan und ca. 30.000 auf Russland entfielen. Außerdem gab es zu diesem Zeitpunkt noch einige Dutzend Anhänger in Deutschland, Australien und den USA.<ref name="kaplan_209">Kaplan, David A. (2000): ''Aum Shinrikyo,'' S. 207–226 in Jonathan B. Tucker (Hrsg.): ''Toxic Terror''. Cambridge, MA: MIT Press, S. 209 (englisch).</ref><br />
<br />
==== Radikalisierung ====<br />
[[Datei:Overhead view of Satyan 7.png|mini|Überblick über Satyan 7 (Sanskrit सत्य śāntiḥ wörtlich „Wahrheit 7“<ref>{{Literatur |Autor=David Kaplan |Titel=The Cult at the End of the World: The Terrifying Story of the Aum Doomsday Cult, from the Subways of Tokyo to the Nuclear Arsenals of Russia |Verlag=Crown Publishing |Datum=1996 |ISBN=0-517-70543-5 |Seiten=197 |Sprache=en}}</ref>), eine mittelgroße Produktionsanlage für chemische Waffen, die darauf ausgelegt ist, Tausende von Kilogramm Sarin pro Jahr zu produzieren.<ref>Kyle B. Olson: [https://www.ojp.gov/ncjrs/virtual-library/abstracts/aum-shinrikyo-once-and-future-threat ojp.gov] In: ''[[Emerging Infectious Diseases]]'', August 1999 (englisch).</ref> ]]<br />
<br />
In der Expansions- und Konsolidierungsphase radikalisierte sich Ōmu Shinrikyō sowohl auf der ideologischen als auch auf der Handlungsebene, zunächst in Hinblick auf eine [[Apokalypse|apokalyptische]] Ideologie. Asahara, der sich als [[Reinkarnation]] von [[Shiva]] und [[Jesus Christus]] bezeichnete, datierte den Weltuntergang zunächst auf 1999<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=61 |Sprache=en}}</ref>, wobei er noch Bezug auf [[Seiyū Kiriyama]], Gründer der Agon-shū, nahm, dann auf 1997<ref>Ken Rafferty: ''[https://www.theguardian.com/world/1995/may/16/japan.fromthearchive Shoko Tactics].'' In: ''[[The Guardian]]'', 16. Mai 1995 (englisch).</ref><ref name="Goldwag" /> und schließlich 1995.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=61 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Die öffentliche Kritik an Ōmu begann 1989 mit dem Artikel „Der Wahnsinn von Aum Shinrikyo“ ({{jaS|オウム真理教の狂気}}) im Sonntags-Wochenmagazin von [[Mainichi Shimbun]].<ref>{{Literatur |Autor=Asbjørn Dyrendal |Titel=Handbook of Conspiracy Theory and Contemporary Religion |Verlag=Brill Academic Publishers |Datum=2018 |ISBN=978-90-04-38202-2 |Seiten=391 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Die Gesellschaft begann die Ōmu-Mitglieder wegen ihrer [[#Die Initiationen|Initiationsriten]] als Exzentriker zu betrachten und abzulehnen.<ref name="J.Lee">''[https://scholarship.tricolib.brynmawr.edu/server/api/core/bitstreams/af7ef93d-c540-45b1-b115-55eb770270f6/content Jenny Lee – The Evils of Aum Shinrikyo and Japanese Society].'' (PDF; 455&nbsp;kB) In: ''scholarship.tricolib.brynmawr.edu'' (englisch).</ref><ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=17 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Dies und Berichte und Untersuchungen von Fällen, in denen Ōmu und seine Anhänger Verbrechen verdächtigt wurde, wurden von der Gruppe alle als Ergebnisse einer vorsätzlichen Verschwörung angesehen, die darauf abzielte, sie zu unterdrücken.<ref>{{Literatur |Autor=Asbjørn Dyrendal |Titel=Handbook of Conspiracy Theory and Contemporary Religion |Verlag=Brill Academic Publishers |Datum=2018 |ISBN=978-90-04-38202-2 |Seiten=391 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
[[Politisches System Japans|Staat]], [[Japanische Polizei|Polizei]], und der [[Public Security Intelligence Agency|Sicherheitsapparat]], aber auch die Konkurrenzreligion [[Sōka Gakkai]] galten als zentrale Akteure dieser Verschwörung. Darüber hinaus bezichtigte Ōmu Shinrikyō die japanischen Selbstverteidigungskräfte sowie US-Streitkräfte, Gasangriffe auf ihrem Gelände durchzuführen.<ref>{{Literatur |Autor=Asbjørn Dyrendal |Titel=Handbook of Conspiracy Theory and Contemporary Religion |Verlag=Brill Academic Publishers |Datum=2018 |ISBN=978-90-04-38202-2 |Seiten=391 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Im Ōmu-Magazin ''Vajrayâna Sacca'' (Vajrayâna Sacca Nr. 9, 1995 S.&nbsp;36.) wurde als Reaktion auf die Razzien vom 22. März 1995 die Anschuldigung erhoben, dass seit November 1989 Giftgase gegen Aum im Fujinomiya-Gebiet eingesetzt worden seien.<br />
<br />
Erstmalig waren entsprechende Anschuldigungen in der Ausgabe vom Oktober 1993 veröffentlicht worden, und Asahara hielt diesbezüglich am 11. März 1994 eine Rede, in der Sarin erstmals eine prägnante Rolle spielte. Zu diesem Zeitpunkt sagte er bereits, die Ursprünge solcher Gasangriffe könnten bis 1989 zurückverfolgt werden, seitdem seien er und seine Familie wegen dieser Angriffe wiederholt krank geworden.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=66 |Sprache=en}}</ref>:<br />
<br />
Die erste Erwähnung von Armageddon im Jahr 1997 erfolgte durch Asahara in einem Vortrag am 28. März 1993 in [[Nagoya]]<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=61 |Sprache=en}}</ref>:<br />
<br />
Ein Nuklearangriff der USA würde Japan verwüsten und 90 % der Bevölkerung töten.<ref name="Goldwag">Arthur Goldwag. ''Cults, conspiracies, and secret societies: the straight scoop on Freemasons, the Illuminati, Skull & Bones, Black Helicopters, the New World Order, and many, many more''. Vintage, New York 2009, ISBN 978-0-307-39067-7, S. [http://books.google.ca/books?id=DDbM5GeMgXIC&pg=PA15 15–17] (englisch).</ref> Im Zuge dessen begann die Organisation mit der Vorbereitung terroristischer Handlungen.<br />
<br />
=== Anschlagsplanung ===<br />
Forschungen für die Produktion [[Biologische Waffe|biologischer Kampfstoffe]] wurden aufgenommen.<br />
<br />
==== Botulinumtoxin ====<br />
Asahara beabsichtigte, [[Botulinumtoxin]] aus Ballons zu verteilen, um wahllos Zerstörung in ganz Japan anzurichten. Ōmu Shinrikyō-Mitglieder kauften auch kleine Sprühgefäße zum Zwecke der Verbreitung dieses Mittels.<ref>Masaaki Sugishima: [https://www.cambridge.org/core/journals/prehospital-and-disaster-medicine/article/abs/aum-shinrikyo-and-the-japanese-law-on-bioterrorism/25804EA9BD5CC93DFCADBE60945BA69A cambridge.org] In: ''[[Cambridge University Press]]'', Juni, 2012 (englisch).</ref><ref>{{Literatur |Autor=Amy E. Smithson |Titel=Rethinking the Lessons of Tokyo |Sammelwerk=Ataxia: The Chemical And Biological Terrorism Threat And The US Response |Band=Re-thinking the Lessons of Tokyo |Datum=2000 |Seiten=80 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Zuvor war die Verwendung von Botulinumtoxin – laut [[Tomomasa Nakagawa]] – bereits als Tatmittel für die [[Hideo Murai#Ermordung der Familie Sakamoto|Beseitigung von Tsutsumi Sakamoto]] besprochen worden.<ref group="A">Als Asahara beschloss, dass Sakamoto getötet werden müsse fragte er, welches das stärkste Gift sei. Murai antwortete: „[B]otulinum, das gleiche Toxin, das in winzigen Mengen jetzt für die kosmetische Zwecke verwendet wird, aber in größeren, wenn auch immer noch sehr kleinen Mengen, das Nervensystem deaktiviert“.</ref><ref name="r_danzig">{{Internetquelle |autor=Richard Danzig, Marc Sageman, Terrance Leighton, Lloyd Hough, Hidemi Yuki, Rui Kotani and Zachary M. Hosford |url=https://www.files.ethz.ch/isn/131516/CNAS_AumShinrikyo_Danzig_0.pdf |titel=Aum Shinrikyo – Insights Into How Terrorists Develop Biological and Chemical Weapons |werk=[[ETH Zürich|files.ethz.ch]] |hrsg=Center for a New American Security |datum=2011-07 |format=PDF; 6&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2022-07-17}}</ref><br />
<br />
Seichi Endo, ein diplomierter Molekularbiologe, leitete eine Aum-Expedition auf der Insel Hokkaido im März 1990, um eine Saatkultur von [[Clostridium botulinum]] aus dem fermentierten Schlamm des [[Ishikari (Fluss)|Ishikari]] zu gewinnen.<ref>{{Literatur |Autor=Amy E. Smithson |Titel=Rethinking the Lessons of Tokyo |Sammelwerk=Ataxia: The Chemical And Biological Terrorism Threat And The US Response |Band=Re-thinking the Lessons of Tokyo |Datum=2000 |Seiten=90}}</ref> Die Ōmu-Wissenschaftler konnten jedoch technische Schwierigkeiten bei der Isolierung und Kultivierung von Clostridium botulinum nicht überwinden.<ref>Masaaki Sugishima: [https://www.cambridge.org/core/journals/prehospital-and-disaster-medicine/article/abs/aum-shinrikyo-and-the-japanese-law-on-bioterrorism/25804EA9BD5CC93DFCADBE60945BA69A cambridge.org] In: ''[[Cambridge University Press]]'', Juni, 2012 (englisch).</ref><br />
<br />
Trotzdem versuchten Sektenanhänger, Extrakte aus ebendiesem Schlamm im April 1990 für Anschläge auf den [[Flughafen Tokio-Narita]], den [[Kaiserpalast Tokio|Kaiserpalast]] und Flottenstützpunkte der [[United States Forces Japan]] zu verwenden, ohne jedoch die gewünschten katastrophalen Folgen (die Tötung Tausender Menschen<ref>''[https://www.babs.admin.ch/content/babs-internet/de/aufgabenbabs/gefaehrdrisiken/natgefaehrdanalyse/gefaehrddossier/_jcr_content/contentPar/accordion/accordionItems/gesellschaftsbedingt/accordionPar/downloadlist/downloadItems/163_1604483644026.download/36-Anschlag-Toxin-GD-de.pdf Anschlag mit Toxin].'' (PDF; 238&nbsp;kB) In: ''Nationale Risikoanalyse «Katastrophen und Notlagen Schweiz»'', 2020.</ref>) auszulösen.<ref name="nonproli_chronology">''[https://www.nonproliferation.org/wp-content/uploads/2016/06/aum_chrn.pdf Chronology of Aum Shinrikyo’s CBW Activities].'' (PDF; 246&nbsp;kB) In: ''nonproliferation.org'', 2001 (englisch).</ref><br />
<br />
[[Richard Danzig]] vermutet, dass verschiedene Faktoren verantwortlich für die mangelhafte Giftigkeit der eingesetzten Extrakte waren:<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Möglicherweise wurde von Beginn an keine geeignete Sorte von C. botulinum gewonnen, d.&nbsp;h. eine solche, die in der Lage ist, ausreichende Konzentrationen von aktivem Toxin zu produzieren. Es könnten auch die für die Produktion von Toxin durch C. botulinum erforderlichen spezifischen Kulturbedingungen nicht erreicht worden sein – wie eine angemessene Zusammensetzung der Fermentationsbrühe oder eine anaerobe Umgebung. Außerdem könnten andere Bakterien die Fermenter kontaminiert und C. botulinum verdrängt haben, wenn es nicht gelungen ist, sterile Bedingungen aufrechtzuerhalten.<br />
<br />
Nach dieser Reihe von gescheiterten Verbreitungsversuchen von Botulinumtoxin stellten die Mitglieder von Ōmu Shinrikyō die Herstellung vorübergehend ein und demontierten die Produktionsanlage, versuchten jedoch im November 1993 noch einmal die Verbreitung von Clostridium botulinum zusammen mit Sarin rund um das Hauptquartier der konkurrierenden religiösen Bewegung [[Sōka Gakkai]].<ref>Masaaki Sugishima: [https://www.cambridge.org/core/journals/prehospital-and-disaster-medicine/article/abs/aum-shinrikyo-and-the-japanese-law-on-bioterrorism/25804EA9BD5CC93DFCADBE60945BA69A cambridge.org] In: ''[[Cambridge University Press]]'', Juni, 2012 (englisch).</ref><br />
<br />
==== Milzbrand ====<br />
[[Datei:1993 Kameido site fluid petri.jpg|mini|250px|Mischkultur mit Kolonien des Milzbrand-Erregers [[Bacillus anthracis]], angezüchtet aus der in Kameido versprühten Flüssigkeit]]<br />
<br />
1992 wurde unter [[Seiichi Endō]]s Führung das Biowaffenprogramm wieder in Betrieb genommen, wobei man sich diesmal [[Bacillus anthracis]] (B. anthracis), dem Milzbrand-Erreger, zuwandte, da dieser vermeintlich leichter waffenfähig zu machen ist als das Botulinum-Neuro-Toxin.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Er glaubte, über einen Ōmu-Anhänger an der [[Universität Tsukuba]] einen virulenten Milzbrand-Erreger-Stamm erhalten zu haben, tatsächlich handelte es sich jedoch um den veterinärmedizinischen Impfstoffstamm.<ref>{{Literatur |Autor=Amy E. Smithson |Titel=Rethinking the Lessons of Tokyo |Sammelwerk=Ataxia: The Chemical And Biological Terrorism Threat And The US Response |Band=Re-thinking the Lessons of Tokyo |Datum=2000 |Seiten=78}}</ref><ref group="A">Tomomasa Nakagawa gab im Widerspruch dazu an, es sei klar gewesen, dass ein ungefährlicher Impfstamm vorgelegen habe, aber man habe geglaubt, dass Endo mittels „Gentechnik“ diesen gutartigen Anthrax-Stamm in eine tödliche Form umwandeln könne.</ref><br />
<br />
Ein versuchtes Attentat auf die Hochzeit von [[Naruhito|Prinz Naruhito]] am 9. Mai 1992<ref>Masaaki Sugishima: [https://www.cambridge.org/core/journals/prehospital-and-disaster-medicine/article/abs/aum-shinrikyo-and-the-japanese-law-on-bioterrorism/25804EA9BD5CC93DFCADBE60945BA69A cambridge.org] In: ''[[Cambridge University Press]]'', Juni, 2012 (englisch).</ref> und weitere Anschlagsversuche mit [[Milzbrand]]erregern scheiterten daher.<ref name="oberhaus">Daniel Oberhaus: ''[https://www.vice.com/de/article/gy3xex/japanische-sekte-omu-shinrikyo-shoko-asahara-tokio-giftgas Die Geschichte der japanischen Sekte, die mit Yoga, Schlamm und Giftgas gegen den Weltuntergang kämpfte].'' In: ''[[Vice (Magazin)|Vice.de]]'', 11. Juli 2018.</ref><br />
<br />
Im Juni 1993 versprühten Mitglieder von Ōmu Shinrikyō eine flüssige Suspension von B. anthracis aus ihrem Hauptquartier in [[Kameido-Schrein|Kameido]], in der Nähe von Tokio.<ref>Paul Keim, Kimothy L. Smith, Christine Keys, Hiroshi Takahashi,Takeshi Kurata,Arnold Kaufmann: ''Molecular Investigation of the Aum Shinrikyo Anthrax Release in Kameido, Japan.'' In: ''Journal of Clinical Microbiology'', 2001, Band 39, Nummer 12, S. 4566–4567, [[doi:10.1128/JCM.39.12.4566-4567.2001]].</ref><br />
<br />
Ōmu-Wissenschaftler hatten ein Leitungssystem entwickelt und gebaut, mit dem eine flüssige Bakteriensuspension über acht Stockwerke des Hauptquartiers zu einem Aerosol-Verteilungsgerät auf dem Dach gepumpt werden konnte. Während der Aerosolausbreitung gingen bei den Gesundheitsbehörden zahlreiche öffentliche Beschwerden über vom Gebäude ausgehende Gerüche ein. Bei der Untersuchung beobachteten und sammelten Mitarbeiter Proben im Umfeld. Zu Gesundheitsproblemen oder Todesfällen kam es jedoch auch in diesem Fall nicht.<ref>Paul Keim, Kimothy L. Smith, Christine Keys, Hiroshi Takahashi,Takeshi Kurata,Arnold Kaufmann: ''Molecular Investigation of the Aum Shinrikyo Anthrax Release in Kameido, Japan.'' In: ''Journal of Clinical Microbiology'', 2001, Band 39, Nummer 12, S. 4566–4567, [[doi:10.1128/JCM.39.12.4566-4567.2001]] (englisch).</ref><br />
<br />
==== Ebola ====<br />
Im Jahr 1992 reiste Asahara mit insgesamt 16 Ōmu-Ärzten und Pflegekräften<ref>Kyle B. Olson: [https://www.ojp.gov/ncjrs/virtual-library/abstracts/aum-shinrikyo-once-and-future-threat ojp.gov] In: ''[[Emerging Infectious Diseases]]'', August 1999 (englisch).</ref> nach [[Zaire]], um Proben des [[Ebolavirus]] zu sammeln, was ihnen aber schließlich nicht gelang, da es zu diesem Zeitpunkt keine gemeldeten Ebola-Fälle in Afrika gab. Jedoch hatte sich etwa zwei Monate vor dieser Reise ein japanischer Tourist auf einer Gorilla-Safari mit einem unbekannten hämorrhagischen Fieber infiziert, das bei seiner Rückkehr nach Japan ausbrach, woraufhin er starb. Die öffentliche Bekanntgabe der Diagnose als „mutmaßlich Ebola“ könnte die Reise nach Zaire motiviert haben.<ref>Leitenberg, Milton: [https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/09546559908427537?journalCode=ftpv20 tandfonline.com] In: ''Terrorism and Political Violence '', 1999 (englisch).</ref><br />
<br />
Während einer Radiosendung im Dezember 1994 sprach [[Seiichi Endō]] über das Potenzial von Ebola als biologische Waffe. Aum verfügte jedoch nicht über die Ausrüstung, um das Ebola-Virus zu kultivieren, und besaß diese vermutlich auch nie.<ref>{{Literatur |Autor=Amy E. Smithson |Titel=Rethinking the Lessons of Tokyo |Sammelwerk=Ataxia: The Chemical And Biological Terrorism Threat And The US Response |Band=Re-thinking the Lessons of Tokyo |Datum=2000 |Seiten=77 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
==== Q-Fieber ====<br />
[[Q-Fieber]], erstmals 1937 in Australien wissenschaftlich beschrieben, war in Japan erstmals 1987 festgestellt worden und war daher in den 90er Jahren ein neues Phänomen.<ref>M. G. Madariaga, K. Rezai, G. M. Trenholme, R. A. Weinstein: ''Q fever: a biological weapon in your backyard.'' In: ''The Lancet'', 2003, Band 3, Nr. 11, S. 709–721, [[doi:10.1016/S1473-3099(03)00804-1]].</ref><br />
<br />
Bedingt durch den Infektionsweg und die Ausbildung von Dauerformen gilt die Verbreitung von Q-Fieber als [[biologische Waffe]], die die Aktionsfähigkeit der betroffenen [[Einheit (Militär)|Einheit]] signifikant beeinflusst.<ref>M. G. Madariaga, K. Rezai, G. M. Trenholme, R. A. Weinstein: ''Q fever: a biological weapon in your backyard.'' In: ''The Lancet'', 2003, Band 3, Nr. 11, S. 709–721, [[doi:10.1016/S1473-3099(03)00804-1]] (englisch).</ref><br />
<br />
Asahara gab 1994 in einer Predigt an, er sei von amerikanischen Flugzeugen mit Coxiella burnetii verseucht worden und daher an Q-Fieber erkrankt, was eine Krebserkrankung zur Folge gehabt habe. – Untersuchungen von Asaharas Gesundheitszustand nach seiner Festnahme konnten diese Behauptungen jedoch widerlegen.<ref>H Akimoto: ''Two cases of pseudologia phantastica: Consideration from the viewpoint of forensic psychiatry.'' In: ''Psychiatry Clin Neurosci'', 1997, Band 51, Nr. 4, S. 185–95, [[doi:10.1111/j.1440-1819.1997.tb02581.x]] (englisch).</ref><br />
<br />
Irrtümlichen Berichten zufolge betrieb Ōmu Shinrikyō selbst Forschung mit Q-Fieber, von dem Asahara behauptete, es sei auf Hunderte seiner Anhänger gesprüht worden. Berichten zufolge brachte er eine Q-Fieber-Kultur von der Banjawarn Station mit, die Kiyohide Hayakawa in seinem Auftrag 1993 in Australien gekauft hatte. Ōmu Shinrikyō hatte eine Produktionsanlage für Hühnereier, die zur Anzucht der Mikrobe Coxiella burnetii geeignet sind.<ref>{{Literatur |Autor=Amy E. Smithson |Titel=Rethinking the Lessons of Tokyo |Sammelwerk=Ataxia: The Chemical And Biological Terrorism Threat And The US Response |Band=Re-thinking the Lessons of Tokyo |Datum=2000 |Seiten=76 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Wenn 50 kg C. burnetii entlang einer 2 km langen Linie gegen den Wind in einer Stadt mit 500.000 Einwohnern freigesetzt werden, wird die Mikrobe Gebiete in einem Radius von 20 km erreichen, rund 150 Todesfälle verursachen und dazu führen, dass 125.000 Menschen arbeitsunfähig werden, von denen 9000 einen chronischen Krankheitsverlauf des Q-Fiebers entwickeln dürften, sowie eine ungewisse Zahl von akuten und chronischen [[Psychische Störung|psychischen Störungen]].<ref>M. G. Madariaga, K. Rezai, G. M. Trenholme, R. A. Weinstein: ''Q fever: a biological weapon in your backyard.'' In: ''The Lancet'', 2003, Band 3, Nr. 11, S. 709–721, [[doi:10.1016/S1473-3099(03)00804-1]] (englisch).</ref><br />
<br />
Milton Leitenberg, Mitarbeiter des Center for International and Security Studies at Maryland (CISSM), legte in einer Veröffentlichung 1999 dar, dass Aums tatsächliche Versuche mit Coxiella burnetii sich auf die Beschaffung eines Diagnose-Testkits aus Australien beschränkten.<ref>A. Kelle, A. Schaper: ''Terrorism using biological and nuclear weapons.'' In: ''Peace Research Institute Frankfurt Reports'', 2003, Band 64 (englisch).</ref><br />
<br />
Er gab an, es gäbe keinerlei Beweis, dass Ōmu Shinrikyō tatsächlich Kulturen von Coxiella burnetii zur Verfügung gehabt hatte.<ref>M. Leitenberg: ''um Shinrikyo's Efforts to Produce Biological Weapons: A Case Study in the Serial Propagation of Misinformation.'' In: ''Terrorism and Political Violence'', 1999, Band 64. 11(4): 149-158. [[doi:10.1080/09546559908427537]] (englisch).</ref><br />
<br />
==== Laserwaffen ====<br />
Nachdem Asahara sich in den späten 1980er Jahren in erster Linie von seiner Frau Tomoko Ishii und seinen Konkubinen Hisako Ishii und Sanae Ouchi beraten lassen hatte, wurde er 1992 zunehmend von seinen männlichen Anhängern, wie dem Physiker Hideo Murai, beraten. Das Interesse der Gruppe wandte sich mehr und mehr der Wissenschaft zu, dies galt auch für die gewalttätigen Aspekte ihrer Planung, immer wieder sprachen sie über riesige Laserkanonen und andere<ref name="r_danzig" /> Massenvernichtungswaffen, wobei sie davon ausgingen, dass diese den Vereinigten Staaten bereits zur Verfügung stehen würden.<br />
<br />
Ōmu-Mitglieder erwarben einen grünen Laser im Wert von 400.000 US-Dollar, um eine Waffe zu entwickeln, die Massen von Menschen [[Blendwaffe|blendet]].<ref>{{Internetquelle |autor=Neal A. Clinehens |url=https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.167.7334&rep=rep1&type=pdf |titel=Aum Shinrikyo and Weapons of Mass Destruction: A Case Study |werk=A Research Report |hrsg=Air Command and Staff College – Air University |datum=2000-04 |format=PDF <!-- ; xxx&nbsp;MB --> |sprache=en |abruf=2022-10-10}}</ref><br />
<br />
Das menschliche Auge reagiert am empfindlichsten auf grünes Licht, und Laser, die Licht der grünen Wellenlänge emittieren, gelten als effektivste Methode, um Blendungen zu erreichen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.iasa.com.au/folders/Security_Issues/lasered.html |titel=FBI warns pilots to look away from unexpected light |titelerg=Not to be made Light Of |hrsg=Air Command and Staff College – Air University |datum=2000 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20200111041951/http://www.iasa.com.au/folders/Security_Issues/lasered.html |archiv-datum=2020-01-11 |abruf=2025-03-21}}</ref><br />
<br />
Während Besuchen in Russland konsultierten Asahara und Kiyohide Hayakawa russische Wissenschaftler, um Laser- und Nukleartechnologien zu erhalten.<ref name="nehorayoff">{{Internetquelle |autor=Andrea A. Nehorayoff, Benjamin Ash, Daniel S. Smith |url=https://digitalcommons.usf.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1510&context=jss |titel=Aum Shinriky um Shinrikyo’s Nuclear and Chemical Weapons Development Efforts |titelerg=Journal of Strategic Security |werk=digitalcommons.usf.edu |hrsg=[[University of South Florida]] |datum=2016-01 |format=PDF; 459&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2025-03-21}}</ref><br />
<br />
Sie planten eine [[Kernwaffentechnik#238U-Fission durch einen 238U-Reflektor bzw. -Mantel|Uranbombe]] zu bauen und in diesem Zusammenhang [[Laser]]technik zur [[SILEX-Verfahren|Urananreicherung]] zu nutzen. Die Laseranreicherung scheint hierbei eine kontraintuitive Methode zu sein, denn obwohl das Grundkonzept der Laser-Isotopentrennung gut bekannt ist, werden die entsprechenden technischen Komponenten und Prozesse von den Regierungen, die sie nutzen, streng kontrolliert. Nur die USA verwenden Laseranreicherung derzeit im industriellen Maßstab. Diese Wahl der Anreicherungsmethode widerspiegelte daher wohl auch eher Shoko Asaharas [[Fixe Idee|allgemeine Faszination für Laser]], als dass es sich um die praktikabelste verfügbare Methode gehandelt hatte.<ref name="nehorayoff" /><br />
<br />
==== Sarinherstellung ====<br />
Während des Gerichtsverfahrens gegen das Ōmu-Mitglied Takahashi Masaya ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Asahara den Befehl zur Herstellung von Sarin im März 1993 gab, als er Saringas erstmals öffentlich erwähnte und gemäß der Darstellung der Staatsanwaltschaft die Herstellung anordnete, um seine Prophezeiungen zu bewahrheiten und die für die Apokalypse seiner Meinung nach erforderliche Destabilisierung zu fördern.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=72 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
1993 reisten einige Sektenmitglieder nach [[Australien]] ein, wobei Zollbeamte [[Schwefelsäure]] und andere Chemikalien bei ihnen sicherten und konfiszierten. [[Richard Danzig]] vermutet ebenfalls, dass die Sekte zu diesem Zeitpunkt versuchte, Chemiewaffen zu produzieren und auf einer Farm in [[Western Australia]] an Schafen zu testen.<ref>Julian Morgans: ''[https://www.vice.com/de/article/evpqbe/dieser-mann-hat-mitglieder-einer-japanischen-terror-sekte-interviewt Dieser Mann hat Mitglieder einer japanischen Terror-Sekte interviewt].'' In: ''[[Vice (Magazin)|Vice.de]]'', 4. Oktober 2017.</ref> Asahara glaubte, Australien würde von Armageddon nicht betroffen sein; ein weiterer Grund, warum er dort eine dauerhafte Einrichtung errichten wollte.<ref>Sara Daly, John Parachini, William Rosenau: [https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/documented_briefings/2005/RAND_DB458.pdf rand.org] In: ''[[RAND Corporation]]'', 2005 (englisch).</ref><br />
<br />
1994 stellte Ōmu Shinrikyō erstmals erfolgreich das Nervengas [[Sarin]] her.<ref group="A">Liedtext aus einem Handbuch, datiert auf den 30. Dezember 1994, das die Polizei in einer Aum-Einrichtung sichergestellte: ''Lied von Sarin, dem Magier'':<br />
<poem>Es kam aus Nazi-Deutschland,<br />
Eine gefährliche kleine chemische Waffe,<br />
Sarin–, Sarin<br />
–<br />
Wenn Du den mysteriösen Dampf einatmest,<br />
Wirst du fallen mit blutiger Kotze aus deinem Mund,<br />
Sarin–, Sarin–, Sarin<br />
–<br />
Die chemische Waffe.<br />
Lied von Sarin, dem Tapferen.<br />
In der friedlichen Nacht von Matsumoto City<br />
Können Menschen getötet werden, sogar mit ihren eigenen Händen,<br />
Der Ort ist überall voller Leichen,<br />
Dort! Sarin einatmen –, Sarin<br />
–<br />
Bereite Sarin zu! Bereite Sarin zu!<br />
Sofort werden giftige Gaswaffen den Ort füllen.<br />
Sprühen! Sprühen!<br />
Sarin, der tapfere Sarin.</poem></ref><br />
<br />
Ein Sarinanschlag auf das Parlamentsviertel in Tokio im April schlug jedoch fehl. Am 27. Juni erfolgte in [[Matsumoto]] ein [[Hideo Murai#Sarinanschlag im Juni 1994|Sarin-Anschlag auf die Richter eines Grundstücksprozesses]], in den die Organisation verwickelt war. Bei diesem ersten zivilen Sarin-Attentat der Welt starben 7 Menschen, ohne dass der Verdacht zunächst auf Ōmu Shinrikyō fiel. Im September 1994 folgten [[Tomomitsu Niimi#VX-Anschlag am 12. Dezember 1994|weitere Anschläge]] mit selbstproduzierten [[VX-Gas]] auf Aussteiger der Sekte, wobei insgesamt 20 Menschen getötet wurden. Es folgten weitere Anschlagsversuche mit Sarin, VX und Botulinumtoxin auf ehemalige Mitglieder, deren Anwälte, [[Tomomitsu Niimi#Phosgenanschlag am 20. September 1994|Journalisten]] und rivalisierende religiöse Anführer. Die Sekte experimentierte außerdem mit der Produktion von [[Soman]], [[Tabun]], [[Senfgas]] sowie [[Cyanwasserstoff]]. Dafür wurde auch Material aus den Beständen der US-Streitkräfte entwendet.<ref name="nonproli_chronology" /><br />
<br />
{{Anker|Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn}}<br />
<br />
=== Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn (1995) ===<br />
Die größte Zäsur in der Geschichte der Organisation ereignete sich 1995: Durch ein Attentat auf die Tokioter U-Bahn wurde Ōmu Shinrikyō global bekannt.<br />
<br />
==== Tathergang ====<br />
[[Datei:KasumigasekiSta.jpg|mini|U-Bahnhof Kasumigaseki]]<br />
<br />
Am 20. März 1995 wurden von fünf Ōmu-Shinrikyō-Mitgliedern zur morgendlichen Hauptverkehrszeit in fünf im [[U-Bahnhof Kasumigaseki]], im [[Kasumigaseki|Zentrum Tokios]], zusammentreffenden Pendlerzügen von drei Tokioter U-Bahn-Linien in Zeitungspapier eingewickelte Kunststoffbeutel deponiert, die das [[Nervengift]] [[Sarin]] enthielten.<ref name="Pangi_424">Pangi, Robyn (2002): ''Consequence Management in the 1995 Sarin Attacks on the Japanese Subway System.'' In: ''Studies in Conflict and Terrorism'' 25(6): 421-448, S. 424 (englisch).</ref> Unmittelbar vor dem Aussteigen bohrten die Täter mit Regenschirmen Löcher in die elf verteilten Beutel, um das flüssige Sarin freizusetzen.<ref>Bork, Henrik: „Der schwarze Blitz der Erinnerung: Keine Fürsorge, kein Geld, keine Antwort – die Opfer werden mit ihren Sorgen allein gelassen und erleiden jetzt die Albträume von 1995 noch einmal“, ''[[Süddeutsche Zeitung]]'', 5. November 2001, S. 3.</ref> Die Attentäter entkamen zunächst mittels an ihren Aussteigestationen bereitgestellten Fluchtautos samt Fahrer.<ref name="THES">Fazackerley, Anna. ''A Graphic Warning From Japan.'' In: ''The Times Higher Education Supplement'', 15. Juli 2005, S. 16 (englisch).</ref> Die austretenden Dämpfe verbreiteten sich in den betroffenen U-Bahnen und circa 15 U-Bahn-Stationen.<ref>Barr, Cameron W.: ''Japan Hunts for Culprits In Tokyo Subway Attack.'' In: ''[[Christian Science Monitor]]'', 21. Mai 1995, S. 1 (englisch).</ref> Durch den Anschlag starben insgesamt 13 Menschen (neun sofort, einer später am selben Tag, einer zwei Tage später, zwei weitere nach einigen Wochen), es gab etwa 1.000 Verletzte, 37 davon schwer. Insgesamt 5.000 meldeten sich in Krankenhäusern.<ref>Kaplan, David A.: {{Webarchiv |url=http://www.usnews.com/usnews/news/badguys/060919/so_long_shoko.htm?s_cid=rss:site1 |text=''So long, Shoko – The Mafia: A 21st-century Cosa Nostra.'' |wayback=20131203013313}} In: usnews.com, ''U.S. News & World Report'', 19. September 2006 (englisch).</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://gsn.nti.org/gsn/nw_20100308_6468.php |titel=Additional Death Counted in Tokyo Sarin Attack |werk=gsn.nti.org |hrsg=Global Security Newswire |datum=2010-03-09 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20100516023201/http://gsn.nti.org/gsn/nw_20100308_6468.php |archiv-datum=2010-05-16 |abruf=2022-07-17 |kommentar=Quelle: Jiji-Press}}</ref> Im Jahr 2008 führte die Polizeibehörde der Präfektur Tokio eine Befragung der Opfer des Anschlags durch, um Entschädigungen zuzuweisen. Im Zuge dessen stellte sich heraus, dass ein Mann, der am Tag nach dem Angriff gestorben war, ebenfalls durch Sarin-Inhalation getötet worden war, wodurch sich die offiziell anerkannte Zahl der Todesopfer von bis dahin 12 auf 13 erhöhte.<br />
<br />
Insgesamt gab es 13 Tote und 1039 Verletzte sowie 4460 Opfer, die mit Symptomen ins Krankenhaus gingen. Von diesen insgesamt 5.511 wurden 688 mit Krankenwagen in Krankenhäuser transportiert, während über 4.000 zu Fuß, mit dem Taxi, oder Privatfahrzeugen usw. ankamen.<ref name="nonproli_chronology" /><br />
<br />
Bei der Ankunft im Krankenhaus wurden 17 Personen als kritisch eingestuft (von denen im weiteren Verlauf 12 starben), 37 als schwer und 984 als mittelschwer verletzt eingestuft. Der Rest wurde als psychogene Patienten ohne echte körperliche Symptome eingestuft.<ref name="nonproli_chronology" /><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|+ Symptome<ref>{{Internetquelle |autor=Yasuharu Tokuda; Makiko Kikuchi; Osamu Takahashi; Gerald H. Stein |url=https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16325985/ |titel=Prehospital management of sarin nerve gas terrorism in urban settings: 10 years of progress after the Tokyo subway sarin attack. |werk=Resuscitation |datum=2006 |sprache=en |abruf=2025-03-21 |kommentar=[[doi:10.1016/j.resuscitation.2005.05.023]]}}</ref><br />
!Symptome und Anzeichen<br />
!% der Patienten<br />
|-<br />
|[[Miosis]]<br />
| 99,0<br />
|-<br />
|[[Kopfschmerzen]]<br />
| 74,8<br />
|-<br />
|[[Dyspnoe]]<br />
| 63,1<br />
|-<br />
|[[Übelkeit]]<br />
| 60,4<br />
|-<br />
|Augenschmerzen<br />
| 45,0<br />
|-<br />
|[[Sehschärfe|Verschwommen- oder Unscharfsehen]]<br />
| 39,6<br />
|-<br />
|[[Nachtblindheit|Hemeralopie]]<br />
| 37,8<br />
|-<br />
|Erbrechen<br />
| 36,9<br />
|-<br />
|[[Fatigue]]<br />
| 36,9<br />
|-<br />
|Husten<br />
| 34,2<br />
|-<br />
|[[Agitation (Medizin)|Agitation]]<br />
| 33,3<br />
|-<br />
|[[Faszikulation]]<br />
| 23,4<br />
|-<br />
|[[Tonisch-klonischer Krampfanfall]]<br />
| 2,7<br />
|}<br />
<br />
2010 wurde die Zahl der Opfer durch die Polizei auf 6.252 revidiert.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.japantoday.com/category/crime/view/victims-of-1995-aum-tokyo-subway-sarin-gas-attack-near-6300 |titel=Victims of 1995 Aum Tokyo subway sarin gas attack near 6,300 |werk=japantoday.com |hrsg=Japan Today |datum=2010-03-11 |sprache=ja |offline=1 |abruf=2022-07-17 |kommentar=Quelle: Kyodo News; Ursprungslink unauffindbar im [[Internet Archive]]}}</ref><ref name="r_danzig" /><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|+ Opfer<ref name="b_sheppard">{{Internetquelle |autor=Ben Sheppard |url=https://www.defence.lk/upload/ebooks/(Contemporary%20Terrorism%20Studies)%20Ben%20Sheppard%20-%20The%20Psychology%20of%20Strategic%20Terrorism_%20Public%20and%20Government%20Responses%20to%20Attack%20-Routledge%20(2008).pdf |titel=The Psychology of Strategic Terrorism |werk=Contemporary terrorism studies |datum=2009 |format=PDF; 975&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2022-09-22}}</ref><ref name="alqithami_haegele_2014_s5">{{Literatur |Autor=Saad Alqithami, Jennifer Haegele, Henry Hexmoor |Titel=Conceptual Modeling of Networked Organizations: The Case of Aum Shinrikyo |Datum=2014-09-01 |Seiten=5 |Sprache=en |Online=https://www2.cs.siu.edu/~hexmoor/CV/PUBLICATIONS/BOOKS/Case/Aum.pdf |Format=PDF |KBytes=678 |Abruf=2023-03-12 |DOI=10.1201/b17333-20}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=John David Ebert |Titel=Age of Catastrophe: Disaster and Humanity in Modern Times |Verlag=McFarland & Company, Inc. |Ort=New York City |Datum=2012 |Seiten=97–101 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
!Linie<br />
!Zugnummer<br />
!Tote<br />
!Verletzte<br />
!Täter<br />
!Fahrer<br />
|-<br />
|[[Chiyoda-Linie]] nach [[Bahnhof Yoyogi|Yoyogi]]<br />
|A725K<br />
|2<br />
|231<br />
|[[Ikuo Hayashi]]<br />
|[[Tomomitsu Niimi]]<br />
|-<br />
|[[Marunouchi-Linie]] nach [[Bahnhof Ogikubo|Ogikubo]]<br />
|A777<br />
|1<br />
|358<br />
|[[Kenichi Hirose]]<br />
|[[Koichi Kitamura]]<br />
|-<br />
|[[Marunouchi-Linie]] nach [[Bahnhof Ikebukuro|Ikebukur]]<br />
|B801<br />
|0<br />
|200<br />
|[[Masato Yokoyama]]<br />
|[[Kiyotaka Tonozaki]]<br />
|-<br />
|[[Hibiya-Linie]] nach [[Hibiya-Linie#Bahnhöfe|Naka-Meguro]]<br />
|A720S<br />
|7<br />
|2.475<br />
|[[Yasuo Hayashi]]<br />
|[[Shigeo Sumimoto]]<br />
|-<br />
|[[Hibiya-Linie]] nach Bahnhof [[Bahnhof Kita-Senju|Kita-Senju]] (Auch als „East Zoo Park“ bezeichnet.<ref name="b_sheppard" />)<br />
|B711<br />
|1<br />
|532<br />
|[[Toru Toyoda]]<br />
|[[Katsuya Takahashi]]<br />
|-<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
Die Sekte organisierte den Anschlag in großer Eile. Das lag an einer zu erwartenden polizeilichen Razzia, nachdem ein paar Tage vor dem Anschlag bereits versehentlich Sarin aus der Anlage der Sekte zur Produktion des Sarins freigesetzt wurde.<ref>Jens Naß: ''[https://www.google.de/books/edition/Qualitative_Risikobewertung_zu_Gefahrgut/rFR4DwAAQBAJ Qualitative Risikobewertung zu Gefahrguttransporten von Chlor auf den Verkehrsträgern Straße und Schiene in Deutschland unter dem Aspekt eines möglichen Terroranschlages].'' Tectum Wissenschaftsverlag, 2016, ISBN 978-3-8288-6439-9.</ref> Das bei dem Anschlag verwendete Sarin besaß deshalb eine verhältnismäßig geringe Reinheit von 30 Prozent, was zu der geringen Anzahl von Todesopfern führte.<ref name="opcw_01">{{Internetquelle |url=https://www.opcw.org/media-centre/news/2001/06/sarin-gas-attack-japan-and-related-forensic-investigation |titel=The Sarin Gas Attack in Japan and the Related Forensic Investigation |titelerg=News |werk=opcw.org |hrsg=[[Organisation für das Verbot chemischer Waffen|Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons]] – OPCW |datum=2001-06-01 |sprache=en |abruf=2023-03-12}}</ref><br />
<br />
Ein weiterer Grund war die wenig effektive Methode der Ausbreitung. Die Beteiligten hatten falsch berechnet, wie schnell das Sarin verdunsten würde, wie stark der Luftstrom war und wie das Zugpersonal reagieren würde.<ref name="gartenstein-ross_2010">{{Internetquelle |autor=Daveed Gartenstein-Ross |url=https://s3.us-east-2.amazonaws.com/defenddemocracy/uploads/documents/11302010_Aum_Shinrikyo_PPT.pdf |titel=Aum Shinrikyo |werk=s3.us-east-2.amazonaws.com |datum=2010-11-30 |format=PDF; 322&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2023-03-12 |kommentar=PPT-Powerpointpräsentation}}</ref><br />
<br />
Hätte die Gruppe zuvor das Stromnetz Tokios infiltriert, um so die Passagiere in den Zügen gefangen zu halten, wäre die Anzahl der Opfer ebenfalls deutlich größer gewesen.<ref>{{Literatur |Autor=Lech J. Janczewski, Andrew Colarik |Titel=Cyber Warfare and Cyber Terrorism |Verlag=Information Science Reference |Datum=2007-05-30 |Seiten=9}}</ref><ref>Noble, J. J. I.: ''Cyberterrorism hype.'' In: ''Intelligence Review.'' 1999.</ref><br />
<br />
==== Unmittelbare Folgen ====<br />
[[Datei:サティアン.jpg|mini|hochkant=1.2|Ōmu Shinrikyō in Kamikuishiki, September 1996]]<br />
<br />
Die [[japanische Polizei]] verhaftete infolge des Attentats zahlreiche Mitglieder Ōmu Shinrikyōs. Zudem wurden landesweit Razzien in den Niederlassungen der Sekte durchgeführt. Dabei fanden Polizeibeamte u.&nbsp;a. im Hauptquartier im Dorf [[Kamikuishiki]] am [[Fuji (Vulkan)|Berg Fuji]] unterernährte Gefangene der Sekte sowie riesige Mengen an Chemikalien für die Herstellung von Chemiewaffen, [[LSD]] und [[Methamphetamin]]. Zudem wurde Bargeld und Gold im Wert von mehreren Millionen [[US-Dollar]], [[Sprengstoff]] und Material für den Bau von [[Sturmgewehr]]en vom Typ [[AK-47]] sichergestellt.<ref name="oberhaus" /> Am 23. April wurde Hideo Murai, „Wissenschafts- und Technologieminister“ Ōmu Shinrikyōs, vor der Tokioter Niederlassung vor laufenden Fernsehkameras [[Hideo Murai#Tod|vom 29-jährigen Hiroyuki Jo erstochen]]. Am 16. Mai wurde auch schließlich Asahara von den Behörden festgenommen.<br />
<br />
Die Polizei durchsuchte eines der Gebäude des Omu-Hauptquartiers in Kamikuishiki und fand Asahra in einem kleinen, verborgenen Raum, wo er sich im Besitz einer großen Geldsumme verbarg.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=5 |Sprache=en}}</ref><ref group="A">"''Sind Sie Shoko Asahara?''" fragten die Polizisten. „''Ja, das bin ich''.“, antwortete Asahara. "''Was machen Sie hier?''" fragten sie. „''Ich bin seit zwei Tagen hier, um zu meditieren und mich zu erholen''.“ antwortete er. Als Beamte ihn ergreifen wollten, warnte er sie. "''Ich komme selbst heraus. Niemand, nicht einmal meine Anhänger, darf mich berühren''".</ref><ref name="times_950529">{{Internetquelle |autor=Edward W. Desmond |url=https://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,982360,00.html |titel=Under Arrest – Finally |titelerg=Two Months After The Incident, Police Seize The Alleged Mastermind Of The Subway Gas Attack |werk=content.time.com |hrsg=[[Time|TIME MAgazin]] |datum=1995-05-29 |sprache=en-US |abruf=2023-03-12}}</ref><br />
<br />
==== Verurteilungen ====<br />
In der Folge des Sarin-Attentats wurden zwölf Mitglieder Ōmu Shinrikyōs [[Todesstrafe|zum Tode verurteilt]].<ref name="SZ160906">Köckritz, Angela: "Zehn Jahre bis zum Urteil: Aum-Sekten-Chef soll für Gasanschlag von Tokio gehängt werden", ''[[Süddeutsche Zeitung]]'' 16. September 2006, S. 14.</ref> Darunter befanden sich auch die Attentäter [[Masato Yokoyama]] und [[Yasuo Hayashi]].<ref name="NYT180700">N.N.: ''Two Sentenced to Death for 1995 Gas Attack on Tokyo Subways'', ''[[The New York Times]]'', 18. Juli 2000, S. A10 (englisch).</ref> Des Weiteren wurden die Hersteller des Sarins, die beiden Forscher [[Seiichi Endō]] und [[Masami Tsuchiya (Terrorist)|Masami Tsuchiya]],<ref name="YS310104">N.N.: ''Aum's Tsuchiya gets death: Court rules cultist willingly participated in fatal gas attacks'', ''[[Yomiuri Shimbun|The Daily Yomiuri]]'', 31. Januar 2004, S. 2 (englisch).</ref> sowie der Mediziner [[Tomomasa Nakagawa]] zum Tod verurteilt.<ref name="Times311002">{{Internetquelle |autor=Leo Lewis |url=http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/article1005333.ece |titel=Eight years on, gas attack trial nears end |werk=timesonline.co.uk |hrsg=[[The Times]] |datum=2003-10-31 |seiten=23 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140109155739/https://login.thetimes.co.uk/?gotoUrl=http%3A%2F%2Fwww.thetimes.co.uk%2Ftto%2Fnews%2Fworld%2F |archiv-datum=2014-01-09 |abruf=2023-03-12 |kommentar=Ursprungslink unauffindbar im [[Internet Archive]]}}</ref> Schließlich wurde [[Shōkō Asahara]] als Drahtzieher sowohl in diesem Attentat als auch bei dem Gasanschlag in [[Matsumoto]] verurteilt.<ref name="SZ160906" /><br />
<br />
Die [[Todesstrafe|Todesurteile]] gegen Asahara sowie sechs weitere Mitglieder der Sekte wurden am 6. Juli 2018 [[Hinrichtung|vollstreckt]], gegen die restlichen sechs Verurteilten am 25. Juli 2018.<ref>''[https://www.sueddeutsche.de/panorama/hinrichtung-in-japan-das-ende-eines-sektenfuehrers-der-andere-morden-liess-1.4043247 Das Ende eines Sektenführers, der andere morden ließ].'' In: ''[[Süddeutsche Zeitung]].'' 6. Juli 2018, abgerufen am 6. Juli 2018.</ref><br />
<br />
Eine Reihe anderer Tatbeteiligter wurde zu geringen Strafen verurteilt. – Als einziger derjenigen Täter, die Sarin ausbrachten, wurde Hayashi nicht zum Tode, sondern zu lebenslanger Haft verurteilt, unter anderem weil er sich gestellt und mehr als die anderen Angeklagten bei den weiteren Ermittlungen kooperiert hatte.<ref>''[https://www.welt.de/print-welt/article619568/Er-liess-das-Giftgas-ausstroemen.html Er ließ das Giftgas ausströmen].'' In: ''[[Die Welt]].'' 27. Mai 1998, abgerufen am 26. September 2022.</ref><br />
<br />
Einige weitere Todesurteile standen nicht direkt in Zusammenhang mit dem Attentat, sondern die beurteilten Tatumstände wurden erst infolge weiterer Ermittlungen offenbar. Dies betrifft insbesondere den 1989 begangenen Mord an der Familie des Anti-Ōmu-Shinrikyō-Rechtsanwalts, für den drei führende Ōmu-Shinrikyō-Mitglieder zum Tode verurteilt wurden. Neben Satoru Hashimoto und [[Kiyohide Hayakawa]], die im Juli 2000 in getrennten Verfahren verurteilt wurden,<ref name="YS290700" /> betrifft dies das geständige Gründungsmitglied Kazuaki Okazaki, der am 22. Oktober 1998 ebenfalls für den Mord an einem Ōmu-Shinrikyō-Mitglied, das die Organisation verlassen wollte, verurteilt wurde.<ref>N.N.: "Ex-Cultist Loses Top Court Appeal", ''[[The Asahi Shimbun]]'' 8. April 2005 (englisch).</ref><br />
<br />
Am 15. Juni 2012 nahm die japanische Polizei mit [[Katsuya Takahashi]] den letzten flüchtigen Verdächtigen des Anschlags in Tokio fest. Wenige Tage zuvor war mit Naoko Kikuchi<ref>{{Internetquelle |url=https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/giftgasanschlag-auf-tokioter-u-bahn-sektenmitglied-nach-17-jahren-gefasst-11786674.html |titel=Sektenmitglied nach 17 Jahren gefasst |werk=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] |datum=2012-06-15 |abruf=2012-06-15}}</ref> ein weibliches Sektenmitglied festgenommen worden, das an der Produktion des Giftgases beteiligt gewesen sein soll.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article106606376/17-Jahre-lange-Flucht-endet-vor-Internet-Cafe-in-Tokio.html |titel=17 Jahre lange Flucht endet vor Internet-Café in Tokio |werk=[[Die Welt]] |datum=2012-06-15 |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
=== Spasmodische Angriffe unmittelbar nach dem 20. März 1995 ===<br />
Nach Angriff auf die U-Bahn von Tokio führten Ōmu noch mehrere, von Richard Danzig als ''spasmodisch'' bezeichnete Attacken aus, obwohl die biologischen und chemischen Waffenprogramme grundsätzlich beendet waren.<ref name="r_danzig" /> Es kam unter anderem zu einem versuchten Schusswaffen-Attentat auf das Oberhaupt der japanischen [[Keisatsu-chō|nationalen Polizeibehörde]] Takaji Kunimatsu<ref>{{Internetquelle |url=https://www.japantimes.co.jp/news/2010/03/30/national/1995-shooting-of-police-chief-goes-unsolved/ |titel=1995 shooting of police chief goes unsolved |hrsg=Kyodo News |datum=2010 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20190107201400/https://www.japantimes.co.jp/news/2010/03/30/national/1995-shooting-of-police-chief-goes-unsolved/#.XDOzFnbP1qY |archiv-datum=2019-01-07 |abruf=2025-03-21}}</ref>, und eine Bombe wurde am Tag von Asaharas Verhaftung an das Büro des Tokioer Gouverneurs geschickt, und verletzte seinen Sekretär schwer.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=32 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Weiterhin kam es zu einer [[Hideo Murai#Planung weiterer Anschläge|Reihe von versuchten Angriffen mit Giftgasen]] in Zügen und Bahnhöfen im Raum Tokio-Yokohama.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=32 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Am 21. Juni 1995 entführte der Ōmu-Anhänger Fumio Kucumi All Nippon Airways-Flug 857 auf dem Flughafen Hakodate in Hokkaido, mit dem Ziel Asahara freizupressen, wurde jedoch von Spezialkräften verhaftet.<ref>{{Internetquelle |autor=Derek Finegan |url=https://stateofguns.com/the-modern-samurai-2290/ |titel=''Special Forces – The Modern Samurai'' |hrsg=''State of Guns'' 24. Mai 2015. |sprache=en |abruf=2022-09-29}}</ref><br />
<br />
=== Nach dem Giftgasanschlag: Untergrundarbeit und Wiederaufbau (seit 1995) ===<br />
Unter dem Eindruck des weltweit verurteilten Attentats verlor Ōmu Shinrikyō die Mehrzahl seiner Mitglieder und wurde staatlicherseits streng überwacht.<br />
<br />
==== Von Ōmu Shinrikyō zu Aleph ====<br />
[[Datei:Aum-yokohamasibu.jpg|mini|Ōmu-Shinrikyō-Niederlassung in [[Yokohama]] im Juli 1995]]<br />
<br />
Die Organisation verlor infolge des Attentats einen Großteil ihrer Mitglieder und ihres Vermögens, das von staatlichen Stellen konfisziert wurde. Russland fror bereits am 28. März 1995, drei Tage nach dem Attentat, sämtliche liquiden Mittel der Organisation ein und konfiszierte ihr Eigentum.<ref>Ford, Peter: ''Sect Sends 'Salvation' to Russian Musicians – by Paycheck'', ''Christian Science Monitor'', 30. März 1995, S. 8 (englisch).</ref><br />
<br />
In Japan sank die Mitgliederzahl Ōmu Shinrikyōs von etwa 10.000 am Tag des Attentats bis auf 5.000 im Jahr 1998.<ref name="miller">Miller, Judith: ''Some in Japan Fear Authors of Subway Attack Are Regaining Ground.'' In: nytimes.com, ''[[The New York Times]]'' 11. Oktober 1998, S. A12 (englisch).</ref><br />
<br />
Ōmu Shinrikyō sagte sich zwar im Jahr 2000 offiziell von ihrem Gründer und Gewalt los, hält nach Meinung der Journalistin [[Shōko Egawa]] allerdings weiterhin an seinen Lehren fest.<ref>Onishi, Norimitsu: ''After 8-Year Trial in Japan, Cultist Is Sentenced to Death.'' In: nytimes.com, ''[[The New York Times]]'' 28. Februar 2004, S. A3 (englisch).</ref> [[Tatsuko Muraoka]] wurde zur neuen Repräsentantin. Erst Ende 1999 bat Muraoka im Namen Ōmu Shinrikyōs öffentlich für das Giftgasattentat um Entschuldigung.<ref>BBC World News: ''[http://news.bbc.co.uk/1/low/world/asia-pacific/544847.stm Japan sect apologises for gas attack].'' In: news.bbc.co.uk, 1. Dezember 1999, abgerufen am 17. Juli 2022 (englisch).</ref><!-- Bitte nicht löschen, Alternativquelle unter:<ref>BBC: &lt;[http://news.bbc.co.uk/1/low/world/asia-pacific/544847.stm http://news.bbc.co.uk/1/low/world/asia-pacific/544847.stm]&gt; abgerufen am 27. März 2007 (englisch).</ref> --><br />
<br />
Im Januar 2000 benannte sich Ōmu Shinrikyō in ''[[Aleph]]'' nach dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets um. Die Sekte steht unter ständiger Überwachung durch die Behörden und hat noch ca. 1.500 bis 2.000 Anhänger. Am 16. Februar 2004 durchsuchte die japanische Polizei bei der größten Razzia seit der Umbenennung in Aleph elf Anwesen der Organisation; die Mitgliederzahl wurde von offizieller Seite auf 1.650 in Japan und 300 in Russland geschätzt.<br />
<br />
Größere Veränderungen in der Zahl der Aleph-Anhänger gab es selbst nach Asaharas Hinrichtung 2018 nicht.<ref>{{Internetquelle |autor=N. N. |url=https://www.moj.go.jp/content/001317654.pdf |titel=Internal Situation 1: Aum Shinrikyo |titelerg=Aum Shinrikyo maintains dangerous traits even a year after the execution of Asahara and others |werk=moj.go.jp |hrsg=[[Justizministerium (Japan)|The Ministry of Justice (Japan)]] |datum=2019 |format=PDF; 545&nbsp;kB |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20211027003640/https://www.moj.go.jp/content/001317654.pdf |archiv-datum=2021-10-27 |abruf=2023-03-12}}</ref><br />
<br />
2007 gründete [[Fumihiro Jōyū]] eine Abspaltung von Aleph namens ''Hikari no Wa'' ({{lang|ja|ひかりの輪}}, wörtlich: „Rad des Lichts“, engl. Eigenname: ''The Circle of Rainbow Light''), der sich etwa ein Viertel aller Aleph-Mitglieder anschloss.<ref>N.N.: ''Japanse Aum-sekte valt uit elkaar'' In: ''[[Provinciale Zeeuwse Courant]].'', 6. März 2007, S. 8 (niederländisch).</ref><br />
<br />
==== Reaktionen von staatlicher Seite ====<br />
Die Reaktionen verschiedener Staaten auf das Attentat waren recht unterschiedlich und keinesfalls proportional zur tatsächlichen Betroffenheit der Staaten: Während viele Staaten die Gruppe verboten, konfiszierte Japan lediglich ihr Eigentum. Allgemein waren die Reaktionen von staatlicher Seite zunächst sehr repressiv, erlaubten aber eine Neuorientierung und den Wiederaufbau der Organisation.<br />
<br />
===== Japan =====<br />
In Japan entzog das Tokioter Bezirksgericht ({{lang|ja|東京地方裁判所}}, ''Tōkyō chihō saibansho'') in der Folge des Attentats Ōmu Shinrikyō auf Grund von Artikel 81 des Gesetzes über die Religionsgesellschaften am 30. Oktober 1995 zunächst den Religionsstatus und konfiszierte das Eigentum des Vereins.<ref name="miller" /><ref name="kisala">Robert J. Kisala: {{Webarchiv |url=http://www.nanzan-u.ac.jp/SHUBUNKEN/publications/Bulletin_and_Shoho/pdf/20-Kisala.pdf |text=''Living in a Post-Aum World.'' |wayback=20070927213224}} (PDF; 114&nbsp;kB) In: nanzan-u.ac.jp, ''Bulletin of the Nanzan Institute for Religion & Culture'' 20/1996, S. 7–18., abgerufen am 17. Juli 2022 (englisch).</ref> Diese Entscheidung wurde am 19. Dezember desselben Jahres zunächst vom [[Obergericht Tokio]] und in letzter Instanz am 31. Januar 1996 vom [[Oberster Gerichtshof (Japan)|Obersten Gerichtshof]] bestätigt.<ref name="kisala" /><br />
<br />
Parallel zu den gerichtlichen Folgen erließ das [[Kokkai|japanische Parlament]] am 15. Dezember 1995 zum ersten Mal eine [[Novelle (Recht)|Novelle]] des Gesetzes über die Religionsgesellschaften. Die neue Fassung des Gesetzes, die in der Phase ihrer Entstehung auf massiven Widerstand sowohl von den etablierten als auch den neuen religiösen Gruppierungen in Japan stieß, sah nun unter anderem vor, das Bildungsministerium als zentralstaatliche Registrierungsinstanz einzuschalten, sobald eine Religionsgesellschaft über eine [[Präfekturen Japans|Präfektur]] hinaus aktiv tätig wird; strengere Untersuchungsbestimmungen in Bezug auf die finanziellen Unterlagen einer Religionsgesellschaft; erweiterte staatliche Befugnisse zur Hinterfragung und Untersuchung von Religionsgesellschaften bei Verdacht auf Verstoß gegen das Gesetz. Diese Änderungen gelten aber nicht nur als Antwort auf die Terroranschläge von Ōmu Shinrikyō, sondern auch als politisches Instrument zur Steuerung von Gruppen wie [[Sōka Gakkai]], die zu dieser Zeit gerade im Verbund mit der Partei [[Shinshintō]] an politischer Macht gewann.<ref name="kisala" /><br />
<br />
1997 beschloss die „Prüfungskommission für Öffentliche Sicherheit“ ''(kōan shinsa iinkai)'', Ōmu Shinrikyō nicht auf Grundlage des [[Gesetz gegen subversive Aktivitäten|Gesetzes gegen subversive Aktivitäten]] zu verbieten, da keine Gefahr mehr von ihr ausginge. [[Seizaburo Satō]], Forschungsdirektor des Japanischen Instituts für Internationale Politikstudien, glaubt, dass Politiker aufgrund des hohen Wählermobilisierungspotenzials japanischer Sekten vor harscheren Maßnahmen zurückschrecken.<ref name="miller" /><br />
<br />
Im Jahr 1999 verabschiedete das Parlament das „Gesetz in Bezug auf die Kontrolle von Gruppierungen, die Akte wahllosen Massenmords verübt haben“ ({{lang|ja|無差別大量殺人行為を行った団体の規制に関する法律}}), wegen seiner offenbaren Bezugnahme auf Ōmu Shinrikyō auch als „Neues Ōmu-Gesetz“ ({{lang|ja|オウム新法}})<ref>{{Internetquelle |url=http://law.e-gov.go.jp/cgi-bin/idxsearch.cgi?H_RYAKU_SUBMIT=ON#4 |titel={{lang|ja|オウム新法|ōmu shinpō}} – „Neue Ōmu-Gesetze“ |titelerg={{lang|ja|略称法令名一覧|ryakushō hōreina ichiran}} – „Überblick der Abkürzungen zur Gesetzesbezeichnung“ |werk=law.e-gov.go.jp |sprache=ja |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20081220110622/http://law.e-gov.go.jp/cgi-bin/idxsearch.cgi?H_RYAKU_SUBMIT=ON#4 |archiv-datum=2008-12-20 |abruf=2022-07-17 |kommentar=Liste der Gesetzesabkürzungen bei der staatlichen Onlinedatenbank für Gesetzestexte}}</ref> bezeichnet. Auf dessen Grundlage genehmigte die „Prüfungskommission“ im Jahr 2000 die Überwachung von Ōmu Shinrikyō, im selben Jahr in Aleph umbenannt, durch die [[Public Security Intelligence Agency]] (PSIA).<ref>[[Public Security Intelligence Agency|Public Security Intelligence Agency – PSIA]] – {{lang|ja|公安調查庁|Kōanchōsa-chō}}: ''[https://www.moj.go.jp/psia/kouan_topics_topics01.html {{lang|ja|無差別大量殺人行為を行った団体の規制に関する法律の施行状況}}].'' In: moj.go.jp, [[Justizministerium (Japan)|Japanese Ministry of Justice]] – {{lang|ja|法務省}} – ''Hōmu-shō'', „Stand der Anwendung des Gesetzes in Bezug auf die Kontrolle von Gruppierungen, die Akte wahllosen Massenmords verübt haben, enthält die Überwachungsanträge der PSIA, die Entscheidungen der Kommission und jährliche Berichte an das Parlament“ (japanisch).</ref> Die Erlaubnis zur Überwachung wurde dreimal um je drei weitere Jahre verlängert, zuletzt im Januar 2009. Die Beobachtung durch die PSIA erstreckt sich auch auf die 2007 gegründete Abspaltung ''Hikari no Wa''.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nikkei.co.jp/news/main/im20081201AS1G2902D01122008.html |titel={{lang|ja|オウム観察処分、3回目の更新請求 公安調査庁}} |werk=[[Nihon Keizai Shimbun]] |datum=2008-12-01 |sprache=ja |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20081205020248/http://www.nikkei.co.jp/news/main/im20081201AS1G2902D01122008.html |archiv-datum=2008-12-05 |abruf=2022-07-17}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.yomiuri.co.jp/national/news/20090123-OYT1T00869.htm |titel={{lang|ja|オウム観察処分、3度目の更新…「ひかりの輪」も対象}} |werk=[[Yomiuri Shimbun]] Online |datum=2009-01-23 |sprache=ja |offline=1 |abruf=2022-07-17 |kommentar=Ursprungslink unauffindbar im [[Internet Archive]]}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://policestory.cocolog-nifty.com/blog/2009/01/post-40d6.html |titel={{lang|ja|オウム観察処分、3度目の更新…「ひかりの輪」も対象}} |werk=policestory.cocolog-nifty.com |hrsg=Police Story JP – {{lang|ja|東京都警察官友の会会員}} – „Mitglied des Freundschaftsverein der Tokyo Metropolitan Police“ |datum=2009-01-23 |sprache=ja |abruf=2022-07-17 |kommentar=Ursprungsquelle [[Yomiuri Shimbun]] Online}}</ref><br />
<br />
Im erzwungenen Insolvenzverfahren von Ōmu Shinrikyō wurden die Vermögenswerte der Organisation ab 1996 liquidiert. Sondergesetze aus den Jahren 1998<ref>{{Webarchiv |url=http://law.e-gov.go.jp/htmldata/H10/H10HO045.html |text=''{{lang|ja|オウム真理教に係る破産手続における国の債権に関する特例に関する法律}}.'' |wayback=20080611053931}} In: law.e-gov.go.jp (japanisch).</ref> und 1999<ref>{{Webarchiv |url=http://law.e-gov.go.jp/htmldata/H11/H11HO148.html |text=''{{lang|ja|特定破産法人の破産財団に属すべき財産の回復に関する特別措置法}}.'' |wayback=20071228040843}} In: law.e-gov.go.jp (japanisch).</ref> räumten der Entschädigung der Opfer Priorität vor staatlichen Ansprüchen ein und stellten sicher, dass auch das Eigentum der Nachfolgeorganisationen von Ōmu Shinrikyō in das Verfahren einbezogen werden konnten. Das Ende des Verfahrens wurde im November 2008 verkündet: Insgesamt wurden 1,54 Milliarden [[Yen]] (rund 12 Mio. Euro) als Entschädigung ausgezahlt, das entspricht 40 % der den Opfern zugesprochenen Summe von 3,8 Milliarden Yen. Ein neues Sondergesetz<!-- <ref>''[http://www.gov-online.go.jp/pr/theme/oumusinrikyo_higaisya_kyusaihoshiko.html {{lang|ja|オウム真理教犯罪被害者救済法施行}}].'' In: gov-online.go.jp (japanisch).</ref> --> soll ermöglichen, den verbleibenden Betrag aus Steuermitteln bereitzustellen.<ref>{{Internetquelle |url=http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/nn20081127a6.html |titel=Bankruptcy process at Aum ends; taxpayers to foot rest of redress |werk=[[Japan Times]] |datum=2008-11-27 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090722010055/http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/nn20081127a6.html |archiv-datum=2009-07-22 |abruf=2022-07-17}}</ref><br />
<br />
Als indirekte Folgen wurden hauptsächlich in Ostjapan öffentliche Mülleimer entfernt.<ref>{{Internetquelle |url=http://kyoto-np.co.jp/politics/article/20140117000046 |titel={{lang|ja|京都市、街頭ごみ箱の撤去進む 観光地でも検討}} |werk=kyoto-np.co.jp |hrsg=Kyōto Shimbun |datum=2014-01-17 |sprache=ja |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140128090927/http://kyoto-np.co.jp/politics/article/20140117000046 |archiv-datum=2014-01-28 |abruf=2016-07-27}}</ref> Damit soll eine Wiederholung des Anschlags verhindert werden.<br />
<br />
===== Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion =====<br />
Russland – wie auch die [[Ukraine]] und [[Kasachstan]] – verboten die Organisation gänzlich, sie konnte aber, auch unter Rückgriff auf verschlüsselte Internetkommunikation, im Untergrund überleben.<ref name="miller" /><br />
<br />
===== Europäische Union =====<br />
Von 2010 bis 2011 stand die Organisation auf der [[EU-Terroristenliste]].<ref>{{Literatur |Titel=Beschluss 2010/386/GASP des Rates vom 12. Juli 2010 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden |Sammelwerk=[[Amtsblatt der Europäischen Union]] |Nummer=L 178 |Datum=2010-07-13 |Seiten=0028-0030 |Online={{EUR-Lex-Rechtsakt |reihe=L |jahr=2010 |amtsblattnummer=178 |anfangsseite=28 |endseite=1 |titel=Online}} bei [[EUR-Lex]]}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=Beschluss 2011/430/GASP des Rates vom 18. Juli 2011 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden |Sammelwerk=[[Amtsblatt der Europäischen Union]] |Nummer=L 188 |Datum=2011-07-19 |Seiten=0047–0049 |Online={{EUR-Lex-Rechtsakt |reihe=L |jahr=2011 |amtsblattnummer=188 |anfangsseite=47 |endseite=1 |titel=Online}} bei [[EUR-Lex]]}}</ref><br />
<br />
===== USA =====<br />
In den [[USA]] ist die Organisation seit dem 8. Oktober 1997 als „[[Liste der durch das Außenministerium der Vereinigten Staaten ausgewiesenen terroristischen Organisationen im Ausland|Foreign Terrorist Organization]]“ aufgelistet.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.state.gov/s/ct/rls/fs/37191.htm |text=''Foreign Terrorist Organizations (FTOs).'' |wayback=20050324113844}} In: state.gov, ''United States Department of State'' (englisch).</ref><br />
<br />
== Organisationsstruktur ==<br />
Ōmu Shinrikyō besteht aus kleinen Freiwilligengruppen, die sich weitgehend von der Außenwelt abschotten.<ref name="Metraux_1142">Metraux, Daniel A. (1996): ''[https://www.jstor.org/stable/2645835 Religious Terrorism in Japan: The Fatal Appeal of Aum Shinrikyo].'' In: links.jstor.org, ''Asian Survey'' 35(12): 1140-1154, S. 1142 (englisch).</ref> Auch nach der Umbenennung und Neuausrichtung der Sekte leben auch heute noch zahlreiche Mitglieder untereinander in isolierten Wohnprojekten.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.npa.go.jp/kouhousi/biki2/sec03/sec03_04.htm |titel={{lang|ja|第3章 警備情勢の展望と警察の対応}} – {{lang|ja|オウム真理教対策}} |titelerg={{deS|Kapitel 3: Überblick der Situation der Wache und Reaktion der Polizei – Gegenmaßnahme zum Ōmu Shinrikyō}} |werk=npa.go.jp |hrsg={{lang|ja|警察庁|keisatsu chō|de=Nationale Polizeibehörde}} |sprache=ja |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20110725105241/http://www.npa.go.jp/kouhousi/biki2/sec03/sec03_04.htm |archiv-datum=2011-07-25 |abruf=2025-03-21}}</ref> Die Anhänger wurden in landesweite Sektionen aufgeteilt. Die Organisation finanzierte sich von Anfang an von horrenden Mitgliederbeiträgen, so besaß die Sekte im Jahre 1992 ein Vermögen von etwa einer Milliarde US-Dollar.<ref name="oberhaus" /> Dazu kamen Einnahmen durch Spenden oder die Möglichkeit für Mitglieder, [[#Die Initiationen|religiöse Dienstleistungen]] gegen Geld zu erwerben.<br />
<br />
=== Hierarchie / „Ministerien“ ===<br />
Ab 1994 ahmte Ōmu Shinrikyō die Struktur der japanischen Regierung nach und untergliederte sich hierarchisch in 21 unterschiedliche Ministerien und Abteilungen, die von Asaharas 23 engsten Vertrauten geleitet wurden.<ref name="alqithami_haegele_2014_s5" /><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|+Ministerien<ref name="alqithami_haegele_2014_s5" /><br />
!Ministerium<br />
!Name<br />
!Alter (1995)<br />
|-<br />
|Göttlicher Führer (shinseihôô)<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=31 |Sprache=en}}</ref><br />
|[[Shoko Asahara]]<br />
|40<br />
|-<br />
|[[Kaiserliches Hofamt]]<br />
|[[Tomomasa Nakagawa]]<br />
|33<br />
|-<br />
|Sekretariat<br />
|[[Reika Matsumoto]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Handelsministerium<br />
|[[Yofune Shirakawa]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Bauministerium<br />
|[[Kiyohide Hayakawa]]<br />
|46<br />
|-<br />
|Verteidigungsministerium<br />
|[[Tetsuya Kibe]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Bildungsministerium<br />
|[[Shigeru Sugiura]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Finanzministerium<br />
|[[Hisako Ishii]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Außenministerium<br />
|[[Hisako Ishii]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Heilungsministerium<br />
|[[Ikuo Hayashi]]<br />
|48<br />
|-<br />
|Gesundheitsministerium<br />
|[[Seiichi Endo]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Innenministerium<br />
|[[Tomomitsu Niimi]]<br />
|31<br />
|-<br />
|Nachrichtendienstliches Ministerium<br />
|[[Yoshihiro Inoue]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Justizministerium<br />
|[[Yoshinobu Aoyama]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Arbeitsministerium<br />
|Mayumi Yamamoto<br />
|/<br />
|-<br />
|Telekommunikationsministerium<br />
|[[Tomoko Ishii]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Wissenschaftsministerium<br />
|[[Hideo Murai]]<br />
|37<br />
|-<br />
|Verkehrsministerium<br />
|[[Naruhito Noda]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Ministerium für östliche Anhänger<br />
|[[Eriko Iida]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Ministerium für neue Anhänger<br />
|[[Sanae Ouchi]]<br />
|/<br />
|-<br />
|Ministerium für westliche Anhänger<br />
|[[Kazuko Miyakozawa]]<br />
|/<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Rekrutierungspool ==<br />
Wie viele neuere religiöse Bewegungen in Japan und Russland hat Ōmu Shinrikyō seine Mitglieder vornehmlich aus den neuen Mittelschichten rekrutiert, insbesondere ist die Zahl der Jungakademiker überdurchschnittlich groß.<ref name="Hielscher">Hielscher, Gebhard: "Die Aum-Sekte – Suche nach Erklärungen Der blinde Guru und seine Jungakademiker", ''[[Süddeutsche Zeitung]]'' 20. April 1995.</ref> Ōmu Shinrikyō rekrutierte dabei vor allem naturwissenschaftliche Studierende an den Universitäten, alle fünf Attentäter von Tokio hatten Abschlüsse von den prestigeträchtigsten Universitäten Japans.<ref name="THES" /><br />
<br />
Ōmu Shinrikyō rekrutierte hochgebildete Anhänger, darunter mehr als 300 Wissenschaftler mit Abschlüssen in [[Medizin]], [[Biochemie]], [[Biologie]] und [[Genetik]].<ref>Sara Daly, John Parachini, William Rosenau: [https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/documented_briefings/2005/RAND_DB458.pdf rand.org] In: ''[[RAND Corporation]]'', 2005 (englisch).</ref><br />
<br />
Viele Aum-Wissenschaftler waren jedoch, obwohl Absolventen einiger der besten Universitäten Japans, normalerweise nicht führend in ihren Bereichen, so dass Ōmu Shinrikyō ihnen eine zweite Karrierechance eröffnete, indem ihnen unbegrenzte finanzielle Mittel, Labore auf dem aktuellsten Stand der Technik, und die Gelegenheit, originelle Forschung zu betreiben, offeriert wurden.<ref>Sara Daly, John Parachini, William Rosenau: [https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/documented_briefings/2005/RAND_DB458.pdf rand.org] In: ''[[RAND Corporation]]'', 2005 (englisch).</ref><br />
<br />
1995 stellten Ermittler fest, dass 75 % der Mitglieder zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt waren.<ref>''[https://link.springer.com/article/10.1007/s10767-018-9282-1 Latency Through Uncertainty: the 1994 Matsumoto Sarin Incident as a Delayed Cultural Trauma].'' In: ''link.springer.com'' (englisch).</ref><br />
<br />
Menschen, die im Japan von 1995 zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt waren, wurden auch als „Aum-Generation“ bezeichnet.<ref name="J.Lee" /><br />
<br />
Professor [[Sadao Asami]], Religionswissenschaftler der [[Tōhoku-Gakuin-Universität]], sagte 1995 bezüglich der jungen Anhängerschaft Asaharas, dass es Religionsunterricht an japanischen Schulen nicht gäbe, weshalb junge Japaner die großen Religionen der Welt überhaupt nicht kennen würden, wodurch sie leicht von Verführern wie Asahara getäuscht werden könnten.<ref name="gartenstein-ross_2010" /><br />
[[Anime]] und [[Manga]] waren von der Bewegung bevorzugte Medien zur Rekrutierung, da sie sich zur Dramatisierung, Übertreibung und Vermittlung der einfachen Botschaften gut eignen und dem damals aktuellen Trend der Mediennutzung entsprachen. So hatte der Kult ein eigenes Produktionsstudio für Manga und Anime, AUM MAT Studio. Diese erzählen vom Werdegang Asaharas, von dessen Prophezeiungen, Versprechen und der kommenden Apokalypse sowie in Kurzgeschichten von jungen Anhänger, die neu zum Kult kamen und wie sie damit zu einem besseren Leben gefunden hätten. Sie sind von verschiedenen Künstlern des Studios geschaffen worden – dabei aber stets mit dem Guru als verantwortlichen Redakteur – und in wechselnden Stilen gefasst: Die Erzählungen vom Leben Asaharas in ernsthaftem [[Gekiga]]-Stil, Geschichten über junge Anhänger auch im niedlichen Stil von [[Shōjo]]-Manga. Die Bücher und Filme waren hochwertig produziert und wurden zusammen mit anderem Merchandise unter anderem auch in eigenen Läden verkauft.<ref name="schodt">Frederik L. Schodt: ''Dreamland Japan. Writings On Modern Manga.'' (Collector Edition). Stone Bridge Press, Berkeley 2011, ISBN 978-1-880656-23-5, S. 230–232 (englisch).</ref><br />
<br />
== Ideologie ==<br />
Die religiöse Situation in Japan in den 1980er Jahren wird von einigen Autoren als „[[okkult]]er Boom“ bezeichnet, da die Menschen nach einer Religion suchten und viele Neue Religionen ([[Neue Religionen in Japan|Shinshūkyō]] ({{jaS|新宗教}})) als Antwort auf dieses Bedürfnis entstanden. Ōmu Shinrikyō war ursprünglich eine solche Religion, und in ihren Anfängen deutete nichts darauf hin, dass sie später eine terroristische Organisation werden würde.<ref name="raevsky">{{Literatur |Autor=Alexander E. Raevsky (Alexander E. Raevskiy) |Titel=Psychological aspects of the aum shinrikyo affair |Reihe=Psychology in Russia: State of the Art |BandReihe=7 |HrsgReihe=[[Lomonossow-Universität Moskau|Lomonosov Moscow State University]] |NummerReihe=1 |Ort=Moskau |Datum=2014 |ISSN=2074-6857 |Seiten=34–39 |Sprache=en |Kommentar=alternativer [https://www.researchgate.net/publication/290614584_Psychological_aspects_of_the_Aum_Shinrikyo_affair Link] |Online=https://psychologyinrussia.com/volumes/index.php?article=3027 |Format=PDF |KBytes=336 |Abruf=2025-03-21 |DOI=10.11621/pir.2014.0104 |OCLC=807029501}}</ref><br />
<br />
Im Februar 1984 löste sich Matsumoto von der Gruppe [[Agon-shū]] und eröffnete in einem kleinen Studio in [[Tokio]] eine eigene Yogaschule, die er Aum Inc. nannte. Matsumoto gab an, dass er eine Quelle spiritueller Kraft sei und vollzog Initiation Zeremonien, bei denen er seinen Daumen auf die Stirn eines Eingeweihten, um positive Energie zu übertragen und negative zu absorbieren.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Dieses Ritual wurde Shaktipat genannt und ist aus dem Hinduismus stammend.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=30 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Die Gruppe war noch nicht religiös – die Betonung lag darauf, [[Yoga]] zu nutzen, um psychische Kräfte zu entwickeln.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
In den Anfangsjahren lag der weltanschauliche Schwerpunkt auf dem indischen und tibetischen [[Buddhismus]], [[Hinduismus]] und [[Taoismus]]. Diese unterschiedlichen Traditionen wurden nicht getrennt betrachtet, sondern vereint durch ihr gemeinsames Interesse an körperlicher Schulung durch Askese-Übungen (Yoga, Atmung, Meditationstechniken usw.).<ref name="m_maekawa">{{Internetquelle |autor=Michiko Maekawa |url=http://human.kanagawa-u.ac.jp/gakkai/publ/pdf/no154/15407.pdf |titel=Syncretism in Japanese New Religions: The Case of Aum Shinrikyo and Aleph |datum=2020 |format=PDF; 41&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2025-03-21}}</ref><br />
<br />
Im Frühjahr 1985 hatte Matsumoto begonnen zu behaupten, er sei ein [[Gotteskrieger|heiliger Krieger]] und [[Held]], beauftragt, die Welt zu retten. Nach einer Reise zwecks Selbstfindung zu einem Berg im Norden Japans, gab er an, dass er einen alten Mann getroffen habe, der ihn vor einer kommenden [[Apokalypse]] gewarnt und prophezeit habe, dass die einigen Überlebenden wohlwollende „''Shinsen''“ (Bergeinsiedler) sein würden.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Auf einer zweimonatigen Reise nach Indien im Jahr 1986 behauptete Asahara, einem weiteren Weisen begegnet zu sein der vorausgesagt habe, dass die Welt auf eine Katastrophe zusteuere, weshalb Matsumoto beschloss, seinen eigenen Askesetechniken einzusetzen, um die Welt zu retten. Dann formalisierte er seine Gruppe von etwa 35 Anhängern in eine Organisation namens ''Aum Shinsen no Kai'' („Aum-Berg-Zauberer“).<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Die Mitglieder von Aum Shinrikyo glaubten, dass sie, wenn sie Asahara folgten, seine angeblichen übernatürlichen Kräfte erlangen würden, wie die Fähigkeit zu schweben und in der Lage zu sein, durch feste Objekte zu sehen und durch sie hindurchzugehen.<ref name="ashby" /><br />
<br />
Asahara behauptete, er könne die Katastrophe durch die Herbeiführung eines neuen spirituellen Zeitalters verhindern, das den „''gefährlichen materialistischen Trend''“ umkehren würde. Er müsse Aum-Zentren auf der ganzen Welt eröffnen und mindestens 30.000 spirituell Erleuchtete überzeugen der Welt zu entsagen.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Diejenigen, die sich Aum anschlossen, wurden ermutigt, ihren weltlichen Status aufzugeben und Shukkesha ({{jaS|出家得度}}) zu werden. Der korrespondierende Begriff ''Shukke'' bedeutet, das Haus zu verlassen, und beschreibt die traditionelle Aufgabe der Familie und irdischen Besitztümer durch buddhistische Mönche und das folgende klösterliche Dasein in Armut.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=25 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Die entsprechende Vision davon, wie die Welt aussehen würde, wenn Ōmu zur Jahrtausendwende diese 30.000 Shukkesha erlangt hätte, waren vage, beinhalteten aber das Aufkommen eines [[Messias]] (Asahara) und die Errichtung einer utopischen Gesellschaft, deren Anhänger sehr lange leben würden, wobei ein ideales buddhistisches Königreich [[Shambhala (Königreich)|Shambala]] als Vereinigung von Religion und Politik errichtet würde.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=24 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Die moderne Welt befände sich momentan im [[Drei Zeitalter (Buddhismus)|Zeitalter von Mappō]] ({{jaS|末法思想}}, mappō shisō), das vollständig von Materialismus dominiert würde. Die letzte Möglichkeit, zwischen Ruin und Regeneration zu wählen sei jetzt. Nur Aums Wahrheit könne die Welt retten und das Zeitalter des wahren Gesetzes Zōbō zurückbringen.<ref>{{Literatur |Autor=Asbjørn Dyrendal |Titel=Handbook of Conspiracy Theory and Contemporary Religion |Verlag=Brill Academic Publishers |Datum=2018 |ISBN=978-90-04-38202-2 |Seiten=394 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
=== Die Rolle Asaharas ===<br />
Die Rollen, die Asahara in der Bewegung spielte, werden von Maekawa in vier Kategorien unterteilt:<ref name="m_maekawa" /><br />
<br />
# Der '''beispielhafte Suchende''': Er sei durch seine spirituelle Befreiung zum Buddha geworden.<br />
# Der '''Guru''': Er präsentierte sich als Interpret der großen Tradition und klärte die Verwirrungen seiner Schüler auf.<br />
# Der '''Prophet'''/der '''lebende Gott''': Er übermittelte religiöse Botschaften des Gottes Shiva und zahlreicher anderer Götter der hinduistischen Mythologie und identifizierte sich letztendlich mit Schiva.<br />
# Der '''Weltretter''': Er erklärte sich selbst zu einem Retter, einem Christus. der die Schmerzen und Qualen seiner Anhänger absorbierte.<br />
<br />
=== Die Vier Säulen ===<br />
Laut Asahara ist die Einzigartigkeit seiner Lehre in „vier Säulen“ begründet<ref name="mariotti">{{Internetquelle |autor=Marcella Mariotti |url=https://edizionicafoscari.unive.it/media/pdf/books/978-88-6969-528-5/978-88-6969-528-5-ch-11.pdf |titel=My First Steps in Religious Fieldwork: Exploring Aum Shinrikyō in 1995 |hrsg=Itineraries of an Anthropologist Studies in Honour of Massimo Raveri |datum=1995 |format=PDF; 684&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2025-03-21}}</ref>:<br />
<br />
# Ein '''konkretes Lehrsystem''', das auf die ursprünglichen Lehren von Yoga und Buddhismus zurückgeht<br />
# '''Initiationen''' auf dem Weg zum spirituellen Erwachen. Mit diesen wird Energie übertragen, um das Bewusstsein zu verändern, und so erhält man Zugang zu den mysteriösen Teilen der Persönlichkeit, der nicht durch bloßes Lesen von Texten oder Hören verstanden werden kann<br />
# Die '''Hilfe''' derjenigen, die spirituelle Ergebnisse erzielt haben: Asketen, die bereits die dreifache Erlösung erreicht haben (absolute Freiheit, absolutes Glück, absolute Freude)<br />
# Die '''charismatische Existenz''' des Gründungsgurus und seine niedergeschriebenen Lehren.<br />
<br />
==== Die Initiationen ====<br />
Die Initiationen, oder Einweihung, stellen die geheime Übermittlung der Lehren des Gurus an seine Schüler dar:<ref name="mariotti" /><br />
<br />
Der Prozess der Emanzipation wird durch die Übertragung der Erfahrungen des Meisters beschleunigt, der kraft seiner Fähigkeiten, Leidenschaften identifiziert, die der Schüler allein nicht erkennen und daher nicht entfernen kann. Dadurch soll der Ōmu mit Schmerzen oder Freuden konfrontiert werden, die der Summe von hundert oder zweihundert Leben entspricht und, indem er sie überwindet, sich schnell der absoluten Erlösung nähern.<br />
<br />
Das Eingreifen des Guru gilt als unverzichtbar für diesen Prozess, der sonst zu zeitaufwändig wäre und in diesem Leben kein Glück möglich machen würde.<br />
<br />
Das Beschreiten des [[Edler achtfacher Pfad|Edlen achtfachen Pfades]] wird von Asahara als praktisch unmöglich angesehen, da bereits der erste Schritt in der modernen Gesellschaft unzugänglich geworden sei: „''Richtig zu sehen''“ – also die [[Vier edle Wahrheiten|Kette der zwölf Beziehungen]] allen Leids zu verstehen – sei wegen der kontinuierlichen Fixierung auf Glück der Gesellschaft unmöglich. Ein einfacher, angemessener und sofort „wirksamer“ Weg sei daher unerlässlich.<br />
<br />
Das grundlegende Bedürfnis nach einem direkteren Weg zur Erlösung wurde jedoch auch durch die vermeintlich immer näher kommende Apokalypse motiviert.<br />
<br />
Es gab vier Arten der Initiationen, die von Asahara beschrieben werden:<br />
<br />
# Eine '''Zeremonie, um die fünf Buddhas zu werden''': [[Adibuddha#Akshobhya|Buddha Akṣobhya]] (mit der Spende von Asaharas Bade-Wasser), [[Adibuddha#Ratnasambhava|Buddha Ratnasaṃbhāva]] (mit der Übergabe eines mystischen Schwertes zur Auslöschung unnötiger Gedanken), Buddha Amitabha (mit dem Schlagen der [[Vajra]]-Glocke), [[Adibuddha#Amoghasiddhi|Buddha Amoghasiddhi]] (mit dem Erwerb [[Siddhi|besonderer Kräfte]]) und [[Adibuddha#Vairocana|Buddha Vairochana]] (mit der telepathischen Übertragung eines Bildes einer Person anderen Geschlechts, durch den Guru)<br />
# '''Geheime Initiationen''', bei der [[Sperma]] und [[Blut]] des Meisters aufgenommen werden, symbolisiert durch [[Joghurt]] und [[Tee]], oder bei fortgeschrittenen Praktizierende in realer Form: Das Blut soll in den Blutgefäßen und Gehirnzellen zirkulieren, während der Samen die Erfahrung des Meisters vermitteln soll, der [[Geheimwissen|Eingeweihte]] wird so zu einem „Kind des Gurus“.<br />
# '''Mahasuka, höchstes Vergnügen:''' Der Guru zeigt die Darstellung von [[Dakini]], der himmlischen Jungfrau, wodurch sexuelle Energie stimuliert und dazu gebracht wird, zum Brahma-Randra (Verbindungspunkt am Scheitel) aufzusteigen und so den Geist reinigt zur Erweckung der [[Kundalini]] und [[Tummo|Chandali]] zum Erleben extremer Freude. So erwirbt man Körper und Geist des Buddha, den „subtilen Körper“ und das „klare Licht“.<br />
# Der Guru führt den Schüler von mystischen Erfahrungen zur Emanzipation, der Verschmelzung mit Körper und Geist des Buddha, der Schüler wird zum [[Guhyasamaja]].<br />
<br />
Letztlich beinhalteten die Initiationspraktiken, die dazu dienten, den Schüler dem Meister näher zu bringen, das Tragen von sogenannten PSI-Kappen (Perfect-Salvation-Initiation – '''Initiation der Vollkommenen Erlösung'''). Geräte, die für eine Million Yen<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=32 |Sprache=en}}</ref> jeweils für einen Monat gemietet wurden<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=31 |Sprache=en}}</ref> und den Schüler auf die gleiche [[Elektroenzephalografie|Gehirnschwingung]] einstimmen sollte wie Asahara. Diejenigen Mitglieder, die sie mieteten, trugen sie ständig um so [[Sensorische Deprivation|alle äußeren Reize abzuschneiden]] und vermeintlich in [[Harmonie]] mit ihrem spirituellen Meister zu existieren.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=4 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
=== Soteriologie ===<br />
Der [[Soteriologie|soteriologische Weg]] von Ōmu beinhaltet drei mögliche Arten der [[Erlösung#Buddhismus|Erlösung]]:<ref name="mariotti" /><br />
<br />
# '''Befreiung von Krankheiten''' durch:<br />
#* Anwendung von Yoga-Techniken, insbesondere der esoterischen Lehre des [[Rama (Guru)|Himalaya-Yoga]]<br />
#* Verbreitung der Theorien der [[Ayurveda|indischen Medizin]], die auf einerseits auf buddhistischen Lehren und Philosophien und andererseits auf einersogenannt „spirituellen theoretischen Wissenschaft“ beruhe.<br />
#* Heilen mit mystischen und übernatürlichen Kräften: Identifizierung kranken Körperteilseil mit dem [[Drittes Auge|Spirituellen Auge]] und Heilung durch Energiezufuhr.<br />
#* Verwendung von Astralmedizin: Als [[Siddhi]] kann Asahara sogenannte [[Außerkörperliche Erfahrung|„Astralreisen“]], über seinen [[Trikaya#Nirmāṇakāya|Nirmāṇakāya-Ausstrahlungskörper]] aus dem [[Manipura|Manipura Chakra]] unternehmen, von denen er u.&nbsp;a. aufgeladenen Stein mit Heilkraft die ''Hihi'irokane'', oder andere Heilmittel mitbringt.<br />
# '''Glück in diesem Leben:''' Die Verabreichung des Shaktipat hilft Unglück zu vermeiden (Probleme in der Liebe oder Freundschaft, wirtschaftliche Probleme) und zu Erfolg haben.<br />
# '''Erleuchtung und Emanzipation:''' Diejenigen, die die ersten beiden Errettungen erreicht haben und daher totales Vertrauen in Asahara haben, folgen ihm zum höchsten Zustand.<br />
<br />
Um die absolute Erlösung zu erlangen, das heißt ''Erleuchtung'' und ''Emanzipation'' müssen sich die Mitglieder von Ōmu Shinrikyō einer Reihe von anstrengenden Praktiken unterwerfen: Den Sechs „''Extremen Disziplinen''“: Meditation, um die Begierden dieser Welt auszulöschen.<br />
<br />
Die sechs extremen Disziplinen, durch die [[Karma]] modifiziert werden kann bestehen aus:<br />
<br />
# '''Opfergaben:''' Sie entsprechen Niyama Yoga (Sanskrit: नियम; persönliche Verpflichtungen) und es gibt drei Arten:<br />
#* Material (zaise) – diese helfen einem, weniger Anhaftung zu verlieren zu seinem Besitz<br />
#* von geistigem Frieden (anshinse) – diese geben einen spirituellen Ruhe das Mittel, nicht an der Welt zu hängen, und al- so um andere Linderung von Leiden zu gewähren<br />
#* des [[Dharma]] oder der Wahrheit.<br />
# '''Einhaltung der Gebote:''' Der Guru teilt jedem Praktizierenden individuelle Gebote zu; wodurch dieser unangenehme Dinge vermeidet.<br />
# '''Geduld:''' Stärkung von Ausdauer, Willen und Konzentration bis zur äußersten Grenze.<br />
# '''Hingabe:''' Bedingungslose Anwendung der drei bisherigen Disziplinen, da diese Konzentration es ermöglicht Atem und Sinne zu kontrollieren.<br />
# '''Meditation:''' Verhinderung von Abschweifungen des Geistes und Bemühung um die Beantwortung der Frage: ‚Wer oder was bin ich?‘ die Erleuchtung durch die Erkenntnis erlangt wird, „nur transparentes Wasser“ zu sein.<br />
# '''Höchste Weisheit:''' Der Schüler transzendiert die versuchenden Gegenstände, um so die nächste Stufe nach der Erleuchtung zu erreichen, und kann ins Maha-Nirvana zurückkehren.<br />
<br />
=== Einordnung unter den Neuen Religionen ===<br />
Susumu Shimazono Professor Universität Tokio gibt fünf gemeinsame Merkmale der [[Neue Religionen in Japan|Neuen Religionen]] (darunter Aum) an:<ref name="J.Lee" /><br />
# Transzendentalismus: Erreicht durch Meditation oder andere Wege, zur Entwicklung psychischer Kräfte<br />
# allgegenwärtige spirituelle Existenz: Interaktion stellt Mittel und Zweck zum Erreichen von Transzendenz dar<br />
# individuelle spirituelle Erleuchtung: soll zur Transformation der Menschheit beitragen<br />
# Transzendenz die unabhängig erreicht werden kann: die Rituale der meisten Religionen unterdrücken diese Fähigkeiten vermeintlich nur<br />
# Religion und Wissenschaft: Werden als eins wahrgenommen, nicht aber als [[dichotom]]<br />
<br />
=== Eklektische Lehre und Apokalyptik ===<br />
Die meisten Personen, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre zu Aum kamen, hatten zuvor mit anderen spirituellen Wegen experimentiert, philosophische und religiöse Autoren gelesen (z. B. [[Swedenborg]], [[Nietzsche]], [[Gurdjieff]] und [[Kafka]]) und andere Religionen ausprobiert (z. B. christliche Gruppen, esoterischer [[Buddhismus]], [[Zen]], [[Soka Gakkai]]). Die apokalyptischen Prophezeiungen von [[Nostradamus]] – in Japan in den 1980er Jahren weit verbreitet und von Asahara übersetzt – wurden von den meisten Befragten erwähnt, wobei einer gegenüber [[Haruki Murakami]] seinen „''großen Einfluss auf meine Generation''“ bekräftigte; Dieser Befragte sagt, er plane seinen „''Lebensplan um seine Prophezeiungen herum''“.<ref name="knott">{{Internetquelle |autor=Kim Knott, Benjamin J. Lee |url=https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/21567689.2020.1732938 |titel=Ideological Transmission in Extremist Contexts: Towards a Framework of How Ideas Are Shared |werk=[[Politics, Religion & Ideology]] |datum=2020 |format=PDF; 2,1&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2025-03-21}}</ref><br />
<br />
Auslöser eines regelrechten „Nostradamus Booms“ war zuvor bereits die Veröffentlichung von „Die Prophezeiungen von Nostradamus“ („ノストラダムスの大予言“ Nostradamus no daiyogen), durch [[Tsutomu Goto]] im Jahr 1973 gewesen. – Basierend auf diesem Buch war auch der Film „Prophecies of Nostradamus“ 1974 in Japan veröffentlicht worden.<ref>Richard A. Gardner: ''Aum Shinrikyō and a Panic About Manga and Anime''. Routledge, 2008, ISBN 978-1-315-70315-2, S. 201.</ref><br />
<br />
Der Fokus wurde auf Armageddon als heilsnotwendig gelegt, dieser [[Millenialismus]] stellte den gemeinsamen ideologischen Bezugspunkt innerhalb von Aum dar.<ref name="knott" /><br />
<br />
Ōmu Shinrikyōs [[Eklektizismus|eklektische]] Lehre bezieht sich primär auf hinduistische [[Yoga]]-Traditionen und [[Buddhismus in Tibet|Tibetischen Buddhismus]].<ref name="Metraux_1144">Metraux, Daniel A. (1996): ''[https://www.jstor.org/stable/2645835 Religious Terrorism in Japan: The Fatal Appeal of Aum Shinrikyo].'' In: links.jstor.org, ''Asian Survey'' 35(12): 1140-1154, S. 1144 (englisch).</ref> Außerdem benutzt die apokalyptische Ideologie Elemente aus [[pseudowissenschaft]]lichen Traditionen, [[Large Group Awareness Training]], [[Nostradamus]]-Weissagungen, [[Chiliasmus|chiliastischem]] [[Christentum]], [[Hinduismus]] sowie dem [[Foundation-Zyklus]] des [[Science-Fiction]]-Schriftstellers [[Isaac Asimov]]. Einige Ideen waren auch aus der [[Anime]]-Serie ''[[Uchū Senkan Yamato]]'' entnommen<ref group="A">Ein ehemaliges Ōmu-Mitglied, das Asahara als Chauffeur diente, gab an: „Als wir einmal mit dem Auto unterwegs waren sang ich mit dem Meister den Titelsong von ‚The Space Battleship Yamato‘. Der Meister sagte: ‚Die Yamato war ein Schiff, das die letzte Hoffnung für die Erde trug. Genau wie wir, nicht wahr?‘ […]“.</ref><ref name="Goldwag" /><ref>''[https://www.spiegel.de/politik/erhabene-wahrheit-a-f1a3a255-0002-0001-0000-000008911132?context=issue Japan: Erhabene Wahrheit].'' In: [[Der Spiegel (online)]], 22. April 1996, abgerufen am 17. Juli 2022.</ref><ref>John Parachini: ''Aum Shinrikyo''. In: John C. Baker: ''Aptitude for Destruction: Case Studies of Organizational Learning in Five Terrorist Groups''. [[RAND Corporation]], Santa Monica (CA) 2005, ISBN 0-8330-3764-1, S. [http://books.google.de/books?id=_QnxNh-de18C&pg=PA11 11 f.] (englisch).</ref><ref>Richard A. Gardner: ''Aum Shinrikyō and a Panic About Manga and Anime''. Routledge, 2008, ISBN 978-1-315-70315-2, Seite 209.</ref> und Asahara war als begeisterter Leser der post-apokalyptischen [[Manga]]-Serie ''[[Nausicaä aus dem Tal der Winde (Manga)|Nausicaä aus dem Tal der Winde]]'' bekannt. Er und seine Anhänger waren auch darüber hinaus an apokalyptischen Anime- und Manga-Serien interessiert.<ref>{{Literatur |Autor=[[Susan J. Napier]] |Titel=Anime from Akira to Princess Mononoke : experiencing contemporary Japanese animation |Auflage=1. |Verlag=Palgrave |Ort=New York |Datum=2001 |ISBN=0-312-23862-2 |Seiten=195}}</ref><br />
<br />
Die zentrale Gottheit für die Sekte ist der Hindugott [[Shiva]], und wahre Erleuchtung ist nur innerhalb der abgeschlossenen Gemeinschaft möglich.<br />
<br />
Dies ist insofern bedeutsam, als dass Shiva der Gott der Zerstörung ist, was die Betonung auf das Weltende Armageddon mit erklärt, denn eigentlich ist das „Ende der Welt“ kein normaler Bestandteil des Buddhismus oder anderer in Japan verbreiteter östlicher Religionen.<ref>{{Internetquelle |url=https://irp.fas.org/congress/1995_rpt/aum/part03.htm |titel=Background of the Cult |werk=Senate Government Affairs Permanent Subcommittee on Investigations |hrsg=Permanent Subcommittee on Investigations |datum=1995-10-31 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
Die „äußere Welt“ wird als korrupt und verdorben betrachtet und muss notfalls gewaltsam bekämpft werden.<br />
<br />
=== Hinwendung zur Gewalt ===<br />
1988 starb der 21-jährige Schüler Majima Terayuki während einer 24-stündigen [[Meditation]]ssitzung im Dunkeln an einem [[Herzinfarkt]], was Asahara als [[Trauma (Psychologie)|schweren psychologischen Schlag]] wahrnahm: Aus dem [[Vajrayana]], einem Zweig des tibetischen Buddhismus, entnahm er die Praxis des „[[Phowa|Poa]]“ und interpretierte sie als heiliges Töten im Namen des Guru: Menschen können demnach getötet werden, wenn sie schlechtes [[Karma]] anhäufen. In diesem Fall ermögliche ihnen der Tod bzw. die Tötung, im nächsten Leben mit besserem Karma wiedergeboren zu werden.<ref name="raevsky" /><br />
<br />
Als die Japaner bei der [[Shūgiin-Wahl 1990|Parlamentswahl 1990]] nicht für '''Aum Shinrito''' ({{jaS|真理党}}; Aums politische Partei) stimmten, verkündete Asahara, die Gesellschaft (mit Ausnahme der Aum-Mitglieder) sei voller schlechtem Karma und müsse bekämpft werden, und zwar durch Poa, was bedeutete, dass Aum innerhalb weniger Jahre sein Hauptziel geändert hatte – von der Rettung der Menschheit zu deren Zerstörung.<ref name="raevsky" /> Die Wahlniederlage festigte Asaharas Überzeugung, dass die Menschen im Allgemeinen nicht rettungswürdig waren. Am 11. März 1990 erklärte Asahara die Niederlage in einer Predigt, wobei er eine dunkle Internationale Verschwörung von Freimaurern und Juden erwähnte, die auf Weltherrschaft und Unterdrückung abzielten.<ref name="r_danzig" /><br />
<br />
Aufgrund der Wahlniederlage gäbe es nun keine Hoffnung mehr auf Verhinderung des Weltuntergangs, jedoch würden Aum-Adepten rechtzeitig übernatürliche Kräfte zum Überleben entwickeln, um ein neues Tausendjähriges Reich auf Erden zu errichten. – Dies sei das gleiche [[Millenarismus|Tausendjähriges Reich]], das [[Johannes (Apostel)|Sankt Johannes]] in der [[Offenbarung des Johannes|Offenbarung]], [[Nostradamus]] und [[Adolf Hitler]] (laut Asahara ein weiterer großer Seher) vorhergesehen hätten.<br />
<br />
Asahara, die Wahlen von 1990 seien ein Test für den [[Mahayana]]-Weg gewesen, und dieser sei gescheitert die Gruppe müsse nun auf dem [[Vajrayana]]-Weg weitergehen. Hierbei bezieht sich Mahayana auf die freiwillige und allmähliche Errettung durch Erhebung aller Seelen auf die Stufe von Ōmu während Vajrayana die unfreiwillige und plötzliche Erlösung meint, die allein durch die Kraft des Gurus verursacht wird.<ref>{{Literatur |Autor=Asbjørn Dyrendal |Titel=Handbook of Conspiracy Theory and Contemporary Religion |Verlag=Brill Academic Publishers |Datum=2018 |ISBN=978-90-04-38202-2 |Seiten=396 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Ein weiterer Grund für die Hinwendung zur Vajrayana-Doktrin mag laut Reader gewesen sein, dass die Strenge von Aums Askese ein ernsthaftes Hemmnis für das Wachstum der Anzahl von [[#Ideologie|Shukkesha]] geworden war (Insgesamt entschieden sich rund 1200 Mitglieder der Welt zu entsagen). Zwischen 1986 und 1990 entschieden sich 537 Menschen dafür, für Ōmu Shukkesha zu werden, bis zu einem Höchststand von 246 im Jahr 1990. Als die Anzahl der neuen Shukkesha 1991 und 1992 auf nur 43 sank, und nur weniger als 2 Prozent der für 1999 angestrebten 30.000 umfasste, mag dies Asaharas stärker apokalyptischen Rhetorik befeuert haben, zumal in diesem Zusammenhang von 1993 bis 1994 die Anzahl neuer Shukkesha wieder sprunghaft anstieg.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=30 |Sprache=en}}</ref><br />
<br />
Unter der Vajrayana-Doktrin wurde Poa von den Omu-Anhängern nicht als Mord verstanden, sondern als ein Akt des „Mitgefühls“, durch den eingeweihte Mitglieder die „Höchsten Erleuchtung“ erreichen.<ref name="J.Lee" /><br />
<br />
Im 1993 veröffentlichten Text „Shivering Predictions of Shoko Asahara“ wird das Datum für Armageddon auf 1997 verschoben und Asahara gab an:<ref>{{Internetquelle |url=https://irp.fas.org/congress/1995_rpt/aum/part03.htm |titel=Background of the Cult |werk=Senate Government Affairs Permanent Subcommittee on Investigations |hrsg=Permanent Subcommittee on Investigations |datum=1995-10-31 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
{{Zitat<br />
|Text=From now until the year 2000, a series of violent phenomena filled with fear that are too difficult to describe will occur. Japan will turn into waste land as a result of a nuclear weapons' attack. This will occur from 1996 through January 1998. An alliance centering on the United States will attack Japan. In large cities in Japan, only one-tenth of the population will be able to survive. Nine out of ten people will die.<br />
|Sprache=en<br />
|Autor=Shoko Asahara<br />
|Quelle=Shivering Predictions by Shoko Asahara<br />
|Übersetzung=Von jetzt an bis zum Jahr 2000 wird eine Reihe von Gewaltphänomenen voller Angst auftreten, die zu schwer zum Beschreiben sind. Japan wird sich als Ergebnis eines Atomwaffenangriffs in ein Ödland verwandeln. Dies wird von 1996 bis Januar 1998 geschehen. Ein Bündnis um die Vereinigten Staaten wird Japan angreifen. In den großen Städten Japans wird nur ein Zehntel der Bevölkerung überleben können. Neun von zehn Menschen werden sterben.}}<br />
<br />
Im Vorwort Asaharas Buches „Disaster Approaches the Land of the Rising Sun“ (weniger als drei Wochen vor dem 20. März 1995 veröffentlicht) behauptete er, am [[8. Januar]] [[1995]] eine Katastrophe vorhergesagt zu haben, die um den 18. Januar herum in Kobe geschehen würde. Dies sei mit dem [[Erdbeben von Kōbe 1995|verheerenden Beben dort]] auch eingetreten. Dieses Erdbeben sei kein Naturereignis gewesen, sondern durch eine neue Art von Waffen verursacht worden, und so der erste Schlag im letzten Krieg, der damit bereits begonnen hatte.<ref>{{Literatur |Autor=Ian Reader |Titel=A Poisonous Cocktail?: Aum Shinrikyo's Path to Violence |Verlag=NIAS Press |Datum=1998 |ISBN=87-87062-55-0 |Seiten=63}}</ref><br />
<br />
Ein Aum-Mitglied beschrieb ein allgemeines „Gefühl des Schreckens über die nahe Zukunft, die Richtung, in die sich unsere Welt bewegt“, und betonte ausdrücklich die zentrale Bedeutung der Endzeit für Aum-Anhänger: Aum sei „eine Ansammlung von Menschen, die das Ende akzeptiert haben.“<ref name="knott" /><br />
<br />
=== Beziehung zu anderen Weltanschauungen ===<br />
[[Freimaurer]] und [[Juden]] wurden von Asahara als Agenten bezeichnet, die an der Verschwörung beteiligt seien, die die Welt in eine Katastrophe führe.<ref>{{Internetquelle |autor=Ely Karmon |url=https://www.sullivan-county.com/id3/aum.htm |titel=The Anti-Semitism of Japan’s Aum Shinrikyo: A Dangerous Revival, Herzliya |werk=sullivan-county.com |hrsg=[[International Policy Institute for Counter-Terrorism]] – ICT |datum=1999-10-15 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
In einer 95-seitigen Ausgabe des Ōmu-Magazins ''Vajrayâna Sacca'' mit dem Titel „Handbuch der Angst“ wurden die Juden zwei Monate vor dem Anschlag in der Tokioter U-Bahn als „''verborgener Feind''“ bezeichnet. Das Traktat begann mit einer Kriegserklärung an das jüdische Volk<ref>{{Internetquelle |url=https://irp.fas.org/congress/1995_rpt/aum/part03.htm |titel=Background of the Cult |werk=Senate Government Affairs Permanent Subcommittee on Investigations |hrsg=Permanent Subcommittee on Investigations |datum=1995-10-31 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://jcpa.org/article/buddhist-anti-semitism/ |titel=Buddhist Anti-Semitism |werk=[[Jewish Political Studies Review]] |hrsg=Jerusalem Center for Public Affairs |datum=2021-02-22 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
{{Zitat<br />
|Text=On behalf of the earth's 5.5 billion people, Vajrayana Sacca hereby formally declares war on the 'world shadow government' that murders untold numbers of people and, while hiding behind sonorous phrases and high sounding principles, plans to brainwash and control the rest. Japanese awake! The enemy's plot has long since torn our lives to shreds.<br />
|Sprache=en<br />
|Autor=Ōmu Shinrikyō<br />
|Quelle=Manual of Fear: The Jewish Ambition – Total World Conquest.<br />
|Übersetzung=Im Namen der 5,5 Milliarden Menschen auf der Erde erklärt Vajrayana Sacca hiermit offiziell den Krieg gegen die 'Weltschattenregierung', die unzählige Menschen ermordet und, während sie sich hinter klangvollen Phrasen und hochtrabenden Prinzipien versteckt, die Gehirnwäsche und Kontrolle des Rests plant. Japaner wacht auf! Die Verschwörung des Feindes hat unser Leben längst in Stücke gerissen.}}<br />
<br />
Der Traktat zitiert umfangreich aus [[Antisemitismus|antisemitischen]] Schriften und macht das jüdische Volk unter anderem für die [[Genozid in Kambodscha|Massenmorde der Roten Khmer]] in [[Kambodscha]], die [[Massaker von Gospić|Massaker von Serben]] und [[Massaker von Vukovar|Kroaten]] in [[Jugoslawienkriege|Bosnien]] und die [[Ruanda#Seit der Unabhängigkeitserklärung|Stammeskriege]] in [[Ruanda]] verantwortlich. Es wird behauptet, dass die Juden ähnliche Massaker in anderen Teilen der Welt planen, um einen [[Neue Weltordnung (Verschwörungstheorie)|finsteren Plan]] auszuführen, die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2000 um drei Milliarden Menschen zu reduzieren. Ōmu Shinrikyō hat die Juden auch mit ihren anderen Feinden innerhalb der japanischen Gesellschaft in Verbindung gebracht – der „schwarzen Aristokratie“ der japanischen „Internationalisten“.<ref>{{Internetquelle |url=https://irp.fas.org/congress/1995_rpt/aum/part03.htm |titel=Background of the Cult |werk=Senate Government Affairs Permanent Subcommittee on Investigations |hrsg=Permanent Subcommittee on Investigations |datum=1995-10-31 |sprache=en |abruf=2022-09-26}}</ref><br />
<br />
Als „schwarzherzige Aristokraten, die ihre Seele an den Teufel verkauft haben,“ wurden unter anderem folgenden Personen des öffentlichen Lebens bezeichnet:<br />
<br />
[[Daisaku Ikeda]] (Vorsitzender von [[Soka Gakkai]]), Yukio Aoshima, der Gouverneur von Tokio; [[Ichiro Ozawa]], Vorsitzender der [[Neue Fortschrittspartei|Neuen Fortschrittspartei]], der von Aum wegen seiner engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten als „''König der Dunkelheit''“ bezeichnet; und die damalige [[Masako (Kaiserin)|Kronprinzessin Masako]], eine vermeintliche „Agentin des amerikanischen Kapitals“.<ref>{{Literatur |Autor=D. W. Brackett |Titel=Holy Terror |Verlag=Weatherhill |Ort=New York City |Datum=1996-05-01 |Seiten=106}}</ref> Darüber hinaus [[Sadako Ogata]], die damalige [[Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen|UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge]].<ref>{{Literatur |Autor=Rotem Kowner |Titel=On Symbolic Antisemitism: Motives for the Success of the Protocols in Japan and Its Consequences |Verlag=Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism |Ort=Jerusalem |Datum=2006 |Seiten=15}}</ref><br />
<br />
== Rezeption ==<br />
Ōmu Shinrikyō wird als ein herausragendes Beispiel charismatischer Führung und blinder Gefolgschaft betrachtet; dabei entstehe eine quasi-[[Totalitarismus|totalitäre]] Gruppenstruktur.<ref>Benjamin Beit-Hallahmi: ''Death, Fantasy, and Religious Transformations'' in Jerry S. Piven (Hrsg.): ''The psychology of death in fantasy and history'', Praeger Publishers/Greenwood Publishing Group, Westport CT 2004, S. 87–117 (englisch).</ref> [[Robert Jay Lifton|Robert J. Lifton]] beschrieb Ōmu Shinrikyō als Beispiel eines neuen, von nichtstaatlichen Gruppen ausgehenden internationalen [[Terrorismus]].<ref>Robert J. Lifton: ''Destroying the World to Save It: Aum Shinrikyo, Apocalyptic Violence and the New Global Terrorism'', Henry Holt & Co, New York 1999, ISBN 0-8050-6511-3 (englisch).</ref> Durch gezielte Anwendung von [[Meditation]]stechniken wie schnellem Atmen seien die Mitglieder in einen Zustand religiöser Erregung versetzt und an die Gruppe gebunden worden. Sie hätten mit der Zeit eine „Aum-Identität“ entwickelt, zu der es gehört habe, Gewaltanwendung der Gruppe nicht wahrzunehmen und mögliche, von ihrer „Nicht-Aum-Identität“ ausgehende Fragen zu unterdrücken. Von den Versuchen Asaharas, [[Chemische Waffen|Chemie-]] und [[Kernwaffe|Nuklearwaffen]] zu beschaffen, hätten sie deshalb keine Kenntnis gehabt.<ref>''[http://globetrotter.berkeley.edu/people/Lifton/lifton-con4.html Interview mit Lifton].'' In: globetrotter.berkeley.edu, ''Conversations with History, Institute of International Studies, University of California Berkeley'', 1999 (englisch).</ref><br />
<br />
Der Giftgasanschlag in Tokio wird, zusammen mit dem Massenselbstmord [[Heaven’s Gate (Neue Religiöse Bewegung)|Heaven’s Gates]] 1997 und den (Selbst-)Morden der [[Sonnentempler]] 1994–97, als wichtigster Auslöser einer Reihe administrativer und legislativer Maßnahmen gegen nicht-etablierte religiöse Gruppierungen in den späten 1990er Jahren in mehreren europäischen Ländern, insbesondere Belgien,<ref>Willy Fautré: ''Belgium’s Anti-Sect War'', Social Justice Research 12(4), 1999, S. 377–397. [[doi:10.1023/A:1022025326484]] (englisch).</ref> angesehen.<ref>[[Massimo Introvigne]]: ''“There Is No Place for Us to Go but Up”: New Religious Movements and Violence'', Social Compass 49(2), 2002, S. 213–224. [[doi:10.1177/0037768602049002006]] (englisch).</ref> Unterstützt wird diese Gesetzgebung durch Studien, die im apokalyptischen Teil des „kultischen Milieus“ eine Reihe gewaltbereiter Personen konstatieren.<ref>Bradley C. Whitsel: ''[https://www.ingentaconnect.com/content/routledg/uter/2000/00000023/00000001/art00002 Catastrophic New Age Groups and Public Order].'' In: ingentaconnect.com, ''Studies in Conflict and Terrorism'' 23(1), 2000, S. 21–36 (englisch).</ref><br />
<br />
Auch die Vereinigten Staaten reagierten auf den Giftgasanschlag, aber nicht mit einer Verschärfung des Religionsrechts; stattdessen wurde die Forschung nach Gegenmitteln gegen Biowaffen intensiviert, obwohl der Anschlag gezeigt hatte, dass terroristische Gruppen wie Ōmu Shinrikyō auch mit viel Geld keine besonders effektiven Biowaffen herstellen können.<ref>Milton Leitenberg: ''Aum Shinrikyo’s Efforts to Produce Biological Weapons: A Case Study in the Serial Propagation of Misinformation.'', ''Terrorism and Political Violence'' 11(4), 1999, S. 149–158 (englisch).</ref><br />
<br />
Das Attentat wurde von dem Schriftsteller [[Haruki Murakami]] mit einer Serie von Interviews mit Überlebenden, Angehörigen der Toten und Mitgliedern der Sekte literarisch aufgearbeitet.<ref>{{Literatur |Autor=[[Haruki Murakami]] |Titel=[[Untergrundkrieg: Der Anschlag von Tokyo|Untergrundkrieg]] |TitelErg=Der Anschlag von Tokyo |Auflage=1. |Verlag=DuMont |Ort=Köln |Datum=2002 |ISBN=3-8321-5697-6 |Kommentar=Übersetzung aus dem Japanischen |Originaltitel={{lang|ja|アンダーグラウンド|Andaguraundo|en=Underground}} |Originalsprache=ja |Originaljahr=1997 |Originalort=Tokyo |Übersetzer=Ursula Gräfe |VerlagEA=Kodansha |OrtEA=Tokio |JahrEA=1997}}</ref><br />
<br />
Der Regisseur [[Tatsuya Mori]] veröffentlichte 1998 und 2001 die Dokumentarfilme „A“ und „A2“, die wegen des breiten Raums, der Aum-Mitgliedern eingeräumt wurde, von weiten Teilen der Öffentlichkeit kritisiert wurden.<ref>Cultural trauma, counter-narratives, and dialogical intellectuals: the works of Murakami Haruki and Mori Tatsuya in the context of the Aum affair [[doi:10.1007/s11186-016-9279-6]] (englisch).</ref><br />
<br />
== Audio ==<br />
* ''[https://www.deutschlandfunk.de/giftgasanschlag-tokio-1995-aum-sekte-100.html Aum-Sekte Der Giftgas-Anschlag in der U-Bahn von Tokio]'' [https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2025/03/20/20031995_aum_sekte_veruebt_giftgas_anschlag_in_der_u_bahn_dlf_20250320_0905_15803d6f.mp3 5.00 Minuten Audio-Version], von Martin Fritz, [[Deutschlandfunk]] Kalenderblatt, 20. März 2025<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Kaplan, David E. & Andrew Marshall. 1998. ''AUM, Eine Sekte greift nach der Welt''. Hamburg: Ullstein, ISBN 3-548-35717-2.<br />
* [[Robert Jay Lifton|Lifton, Robert J.]]: ''Terror für die Unsterblichkeit. Erlösungssekten proben den Weltuntergang''. München & Wien: Hanser Verlag, ISBN 3-446-19879-2.<br />
* Ian Reader. 2000. ''Religious Violence in Contemporary Japan: The Case of Aum Shinrikyo''. Honolulu, HI: University of Hawaii Press, ISBN 0-8248-2340-0 (englisch).<br />
* Repp, Martin. 1997. ''Aum Shinrikyō: Ein Kapitel krimineller Religionsgeschichte''. Marburg: DiagonalVerlag, ISBN 3-927165-46-8.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Aum Shinrikyo|Ōmu Shinrikyō|audio=1|video=0}}<br />
<!-- Originaleintrag bitte nicht löschen, bei Bedarf Kommentierung aufheben, THX!* [http://english.aleph.to/ Offizielle Website von Alephs] (englisch) --><br />
* {{Webarchiv |url=http://english.aleph.to/ |text=Offizielle Website von Alephs |wayback=20230612170818}} (englisch)<br />
* [https://www.skeptica.dk/2007/pdf_filer/Aum%20bibliografi%201995-2006.pdf Extensive Ōmu-Shinrikyō-Bibliographie] (PDF; 354&nbsp;kB, dänisch)<br />
* [https://www.welt.de/geschichte/article206667993/Anschlag-in-Tokio-1995-Mit-Giftgas-den-Weltuntergang-vorbereiten.html Mit Giftgas wollte die Aum-Sekte den Weltuntergang vorbereiten] In: ''[[Die Welt]]''<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references group="A" /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=4404387-9|LCCN=n88150443|VIAF=145525223}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Omu Shinrikyo}}<br />
[[Kategorie:Neue religiöse Bewegung]]<br />
[[Kategorie:Terrorismus in Japan]]<br />
[[Kategorie:Religion (Russland)]]<br />
[[Kategorie:Religiöse Organisation (Japan)]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Antisemitismus)]]<br />
[[Kategorie:Bewaffnete Untergrundorganisation]]<br />
[[Kategorie:Mordfall]]<br />
[[Kategorie:Kriminalfall 1995]]<br />
[[Kategorie:Kriminalfall in Japan]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gemeiner_Pfennig&diff=254026824Gemeiner Pfennig2025-03-09T08:23:05Z<p>Doclbn: /* Gründe für das Scheitern */Typo</p>
<hr />
<div>Der '''Gemeine Pfennig''' (auch: ''Reichspfennig'') war eine [[Reichssteuer]], die auf Betreiben [[Maximilian I. (HRR)|Maximilians I.]] 1495 auf dem [[Reichstag zu Worms (1495)|Reichstag zu Worms]] beschlossen wurde, um dem [[Kaiser]] die Mittel für die [[Italienische Kriege|Kriege gegen Frankreich]], [[Türkenkriege|gegen das Osmanische Reich]] und vor allem zum Unterhalt des [[Reichskammergericht]]s zu verschaffen.<br />
<br />
== Name ==<br />
Die Bezeichnung ''Gemeiner Pfennig'' bezieht sich auf die allgemeinere Bedeutung des Wortes ''Pfennig'' als Geld bzw. Geldabgabe, ähnlich dem [[Peterspfennig]] als Abgabe an die katholische Kirche bzw. den Papst in Rom. [[Gemein]] meint eine allgemeine Steuer bzw. Abgabe.<ref>{{HLS|13767|Gemeiner Pfennig|Autor=Benedikt Zäch|Datum=2006-11-23|Zugriff=2018-07-30}}</ref><br />
Die Steuer wurde als „Gemein“ bezeichnet, weil sie die Allgemeinheit, sprich alle Personen ab 15 Jahren betreffen sollte.<ref>Tobias Birken: [https://www.datev-magazin.de/archiv/der-fruehe-versuch-einer-steuerreform-2019 ''Der Gemeine Pfennig. Der frühe Versuch einer Steuerreform.'']DATEV-Magazin vom 23. Oktober 2017</ref><br />
<br />
== Vorgeschichte ==<br />
Genau wie die anderen Projekte und Vorhaben im Heiligen Römischen Reich, die zu [[Reichsreform (Heiliges Römisches Reich)|Reformen]] auf dem Wormser Reichstag von 1495 führten, war auch der Gemeine Pfennig das Ergebnis von Entwicklungen und Diskussionen, die bereits seit Beginn des 15. Jahrhunderts andauerten; seine Einführung steht am Ende einer Reihe von Versuchen, das immer drängendere Problem der Reichsfinanzen dauerhaft zu lösen.<br />
<br />
=== Finanzierung der Kriege des Reiches ===<br />
Mit der bis zum 15. Jahrhundert üblichen Gestellung von Reichsheeren konnten die zahlreichen militärischen Anforderungen nicht mehr erfüllt werden, wie die [[Hussitenkriege|Niederlagen gegen die Hussiten]] in den Jahren 1421 und 1422 zeigten. Außerdem fand in dieser Zeit eine grundlegende Umwälzung im Militärwesen statt. An die Stelle der Heere, die durch die Lehensnehmer gestellt wurden und dem Reich kaum Kosten verursachten, traten [[Söldner#Söldner in der europäischen Geschichte|Söldnerheere]] mit moderner Militärtechnik. Diese Söldnerheere mussten aber besoldet werden, was zu einer ungeheuren Aufwertung des Geldes im Bewusstsein der Zeitgenossen führte, und die Diskussion um die Kriegsfinanzen wurde eine Triebfeder für die Steuerdiskussionen dieser Zeit.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Schmid |Titel=Der gemeine Pfennig von 1495. Vorgeschichte und Entstehung, verfassungsgeschichtliche, politische und finanzielle Bedeutung |Reihe=Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 34 |BandReihe=34 |Ort=Göttingen |Datum=1989 |Seiten=16}}</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Die Steuer wurde zunächst auf vier Jahre bewilligt. Als „gemeine“ (allgemeine) Steuer war sie so konzipiert, dass sie von jedem [[Untertan]]en im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] über 15 Jahren nach Vermögen gestaffelt erhoben werden sollte und für die Einwohner aller Territorien galt.<br />
Je nach persönlichem Status und Vermögen war sie als [[Kopfsteuer|Kopf-]], [[Einkommensteuer|Einkommen-]] und [[Vermögensteuer]] gestaltet. Ihre Einziehung erfolgte durch die [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholische]] Kirchenadministration, über die einzelnen [[Pfarrei]]en.<ref>[[Thomas Kaufmann (Kirchenhistoriker)|Thomas Kaufmann]]: ''Geschichte der Reformation.'' Verlag der Weltreligionen, Frankfurt am Main / Leipzig 2009, ISBN 978-3-458-71024-0, S.&nbsp;41–54</ref><br />
<br />
Der Gemeine Pfennig war nach vier Jahren wie vereinbart ausgelaufen. Die an den [[Kämmerer#Erzkämmerer des Heiligen Römischen Reiches|Reichsschatzmeister]] geflossenen Steuergelder erbrachten nur 43.254 Gulden.<ref>Peter Schmid: ''Der gemeine Pfennig von 1495. Vorgeschichte und Entstehung, verfassungsgeschichtliche, politische und finanzielle Bedeutung'' (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 34. Band 34). Göttingen 1989 [https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00047157_00570.html S. 571]</ref> statt der erwarteten ca. zwei Millionen Gulden.<ref> Gabriele Annas: [http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wormser_Reichstag,_1495 ''Wormser Reichstag, 1495''] 9. Dezemer2019 In: [[Historisches Lexikon Bayerns]]</ref><br />
<br />
Wegen der großen Schwierigkeiten bei der Eintreibung wurde der Gemeine Pfennig bereits 1505 wieder ausgesetzt. Bis 1551 wurde er mit ebenso zweifelhaftem Erfolg noch mehrmals ausgeschrieben.<ref>{{HLS|13767|Gemeiner Pfennig|Autor=Benedikt Zäch|Datum=2006-11-23|Zugriff=2020-07-12}}</ref><br />
<br />
=== Gründe für das Scheitern ===<br />
Viele Berichte über Schwierigkeiten bei der Steuereintreibung sind im sogenannten „Buch der Gebrechen“ gesammelt. Dieses ist ein Kompilat der den Steuereinnehmern in Frankfurt am Main mitgeteilten Probleme. So geht aus diesen Berichten hervor, dass sich im Hochstift Worms die Frage ergab, welcher Landesherr in den [[Kondominium|Kondominaten]] des Stiftes, also in den Gebieten, die von mehreren Herren verwaltet wurden, die Steuer eintreiben sollte. Ebenso ergaben sich Probleme bei Leibeigenen, wenn diese der Gerichtsbarkeit eines anderen Herrn unterstanden, da sie sich mit Hinweis auf ein Verbot der Steuerzahlung durch ihren Herrn weigerten die Steuer zu entrichten. Andererseits versuchte der Leibherr oft gar nicht, Leibeigene in fremden Gerichtsbezirken zur Steuer heranzuziehen. In den Städten weigerten sich Ordensleute und ritterschaftliche Adlige, die Steuer zu zahlen, und gelegentlich konnten die Gebiete nicht klar bestimmt werden, in denen beispielsweise Städte das Recht der Steuereintreibung besaßen. Besonders kläglich waren die Versuche des [[Deutscher Orden|Deutschen Ordens]], die Steuer einzunehmen.<ref>{{Literatur |Autor=[[Peter Blickle (Historiker)|Peter Blickle]] |Titel=Gemeiner Pfennig und Obrigkeit (1495) |Sammelwerk=[[Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte]] |Band=63 |Nummer=2 |Datum=1976 |Seiten=180-193}}, hier [https://www.jstor.org/stable/20730344?seq=5 S. 184ff.]</ref><br />
<br />
Aus den Berichten im „Buch der Gebrechen“ wird ersichtlich, dass die Steuereintreibung immer dann besonders schwierig oder sogar unmöglich war, wenn die Herrschaftsverhältnisse in einem Gebiet nicht eindeutig waren. Also immer dann, wenn die Hoheitsrechte, von der Grund- über die Leibherrschaft und die Niedergerichtsbarkeit bis hin zur Hochgerichtsbarkeit, nicht alle in einer Hand lagen, weigerten sich viele Herren, anderen konkurrierenden Herrschaften das Recht der Steuereintreibung zuzubilligen, da mit dem Recht der Steuereintreibung eigene obrigkeitliche Rechte tangiert wurden. Dieses Problem wurde noch dadurch verschärft, dass nicht klar war, welche Befugnisse für die Steuereintreibung notwendig waren. Hinzu kam, dass durch eine Nichteintreibung der Steuer den Herrschaften keinerlei finanzielle Einbußen entstanden und dem Reich die exekutiven Möglichkeiten fehlten, um die Verweigerung der Steuerzahlung zu ahnden.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Blickle |Titel=Gemeiner Pfennig und Obrigkeit (1495) |Sammelwerk=Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte |Band=63 |Nummer=2 |Datum=1976 |Seiten=180-193, hier S. 187}}</ref><br />
<br />
Das Recht auf die Eintreibung der Steuer gegenüber anderen Obrigkeiten durchzusetzen, bedeutete einen Zugewinn an Macht und wurde als Präjudiz für andere obrigkeitliche Rechte angesehen. Deshalb wurde teilweise verbissen um dieses Recht gestritten und man verbot den eigenen Leibeigenen oder Vögten die Steuer zu entrichten oder gebot den Gemeinen Pfennig an diesen oder jenen zu entrichten. Angesichts der in den Quellen erscheinenden Probleme kann es als wahrscheinlich angesehen werden, dass der Gemeine Pfennig das Gegenteil erreichte von dem, was gewollt war. Nicht die fehlende oder wenig ausgeprägte Reichsbürokratie ließ den Gemeinen Pfennig scheitern, sondern sein Prinzip widersprach der bereits weit fortgeschrittenen Souveränität der Glieder des Reiches. Somit verfehlte er, neben dem gesicherten Finanzstrom an das Reich, auch eines seiner weiteren Ziele, nämlich den Reichsverband mit seiner ständischen Gliederung vom Kaiser bis zum einfachen Bauern zu stärken.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Blickle |Titel=Gemeiner Pfennig und Obrigkeit (1495) |Sammelwerk=Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte |Band=63 |Nummer=2 |Datum=1976 |Seiten=180-193, hier S. 192f.}}</ref><br />
<br />
Nachfolger des Gemeinen Pfennigs als Reichssteuer war der [[Kammerzieler]], der aber nur der Finanzierung des [[Reichskammergericht]]es diente.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Reichstürkenhilfe]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Eberhard Isenmann]]: ''The Holy Roman Empire in the Middle Ages.'' In: ''The Rise of the Fiscal State in Europe. ca. 1200–1815.'' Herausgegeben von Richard Bonney, Oxford 1999, S. 243–280, hier S. 265–267.<br />
* Eberhard Isenmann: ''Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert''. In: ''Zeitschrift für Historische Forschung 7''. 1980, S. 1–76, 129–218.<br />
* [[Peter Moraw]]: ''Der »Gemeine Pfennig«''. In: ''Mit dem Zehnten fing es an''. Herausgegeben von U. Schultz, 1986, S. 130–142.<br />
* {{Literatur |Autor=[[Peter Schmid (Historiker)|Peter Schmid]] |Titel=Der gemeine Pfennig von 1495. Vorgeschichte und Entstehung, verfassungsgeschichtliche, politische und finanzielle Bedeutung |Reihe=Schriftenreihe der [[Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften|Historischen Kommission bei der Bayerische Akademie der Wissenschaften]] |BandReihe=34 |Ort=Göttingen |Datum=1989|ISBN =3-525-35933-0|Online=https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00047157_00002.html}}<br />
* {{Literatur |Autor=Peter Schmid |Titel=Der Deutsche Orden und die Reichssteuer des Gemeinen Pfennigs von 1495. Die Grundherrschaft des Deutschen Ordens im Reich an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert|Reihe=Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns |BandReihe=76|Verlag= Degener|Ort=Neustadt a. d. Aisch |Datum=2000|ISBN =3-7686-4197-X|Online=}}<br />
* {{Literatur |Autor=[[Brigitte Degler-Spengler]] |Titel=Der gemeine Pfennig und seine Erhebung in Basel|Sammelwerk=[[Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde]] |Band=74|Datum=1974|Seiten=237–258|Online=https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bzg-002%3A1974%3A74%3A%3A437}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikisource|Ordnung des gemeinen Pfennigs}}<br />
* [https://ra.smixx.de/media/files/Gemeiner-Pfennig-1495.pdf ''Die Ordnung des gemeinen Pfennigs vom 7. August 1495''] Aus dem Frühneuhochdeutschen übertragen von Ralph Glücksmann, abgerufen am 19. August 2024<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Recht (Heiliges Römisches Reich)]]<br />
[[Kategorie:Steuerrechtsgeschichte]]<br />
[[Kategorie:Wirtschaft (Heiliges Römisches Reich)]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Paso_Peruano&diff=253939051Paso Peruano2025-03-06T07:07:18Z<p>Doclbn: Link verweist nicht mehr auf den Verein --~~~~</p>
<hr />
<div>{{Infobox Pferderasse<br />
|Bild = Peruvian Paso.jpg<br />
|Bild_Beschreibung = <br />
|Ursprung = Peru<br />
|Zuchtgebiet = Peru<br />
|Verbreitung = Andenländer, USA, Europa<br />
|Stockmaß = 142 – 152 cm<br />
|Farben = alle, Schecken sind nicht zur Zucht zugelassen<br />
|Einsatzgebiet = Freizeitreiten<br />
|Bild_Brandzeichen_Zeichnung = <br />
|Bild_Brandzeichen_Fell = <br />
}}<br />
Der '''Paso Peruano''' oder '''Caballo Peruano de Paso''' ist eine [[Pferderasse]] aus Südamerika.<br />
<br />
{{Pferdezucht-Hintergrund}}<br />
<br />
== Exterieur ==<br />
Im Quadrat stehendes Pferd. Trockener Kopf mit geradem bis konvexen Profil; hoch angesetzter Hals mit natürlicher Aufrichtung; abfallende Kruppe mit tiefem Schweifansatz; klare Beine mit elastischer, für europäische Maßstäbe langer Fesselung und starker Hankenwinkelung; kleine, harte Hufe. Allen Farben, abzeichenloser Fuchs bevorzugt, Schecken nicht zur Zucht zugelassen. Füchse, Braune und Palominos sind am meisten vertreten.<br />
<br />
== Gangmechanik ==<br />
Die Gangarten des Peruano sind<br />
* ''Paso'' (Schritt);<br />
* ''Paso Llano'' (urspr. Paso Catellano = isochroner Viertakt oder [[Pferdegangart#Tölt|Tölt]] mit Lateralverschiebung);<br />
* ''Sobreandando'' (Rennpass);<br />
* ''Galope'' (Galopp);<br />
* ''Trote'' (Trab).<br />
(''Huachano'' = reine Laterale, zeigen häufig Fohlen als Gangqualitätskriterium; geritten nicht akzeptiert)<br />
<br />
; Drei-, Vier- oder Fünfgänger?<br />
In Europa würde man den Paso Peruano als Fünfgänger sehen, weil hier auch einige Pferde im Trab und im Galopp geritten werden. In Peru wird Trab als Mangel gesehen und somit nicht akzeptiert. In seiner Heimat Peru wird der Paso Peruano hauptsächlich im Paso Llano ausgebildet und am Turnier geprüft – Galopp ist nicht relevant. Etliche Exemplare zeigen keinen bzw. keinen sauberen Galopp (Kreuzgalopp, Lateralgalopp)<br />
<br />
„Gangzuchtziel“ ist es, das bequemste Pferd weltweit zu schaffen, bei höchst ökonomischem Bewegungsablauf. Das Pferd soll lange Schritte mit grösstmöglichem Raumgriff machen; dabei aber im Gegensatz zu vielen anderen Gangpferderassen, wenig Lift bzw. Vertikal-Aktion zeigen – denn dadurch würde es unbequem für den Reiter und kraftraubend für das Pferd. Um dennoch genügend Schwung für die Vorwärtsbewegung zu generieren, ist dem Peruano eine Besonderheit im Bewegungsablauf eigen: der ''Termino''. Der Peruano bewegt aus der Schulter heraus die Vorderbeine in einer nach außen schwingenden, kraulenden Bewegung (nicht zu verwechseln mit dem hier bekannten und schädlichen Bügeln). Dadurch lässt das Pferd seinen Reiter in allen Gangarten erschütterungsfrei sitzen – eine Alternative bei Rückenproblemen des Reiters wie Skoliosen oder Bandscheibenschäden.<br />
<br />
Die Hinterbeine führt der Peruano knapp überm Boden, gerade nach vorne. Dabei darf die Kruppe in Höhe des Schweifansatzes kaum Bewegung zeigen (Turnier-Richtkriterium). Durch die starken Winkelungen im Exterieur fällt es dem Peruano leicht, ordentlich Schub und Tragkraft zu erzeugen, sodass der Reiter wesentlich weniger sportlichen Aufwand an Versammlungsarbeit leisten muss.<br />
<gallery><br />
Datei:Lima Caballos de Paso 0059.jpg|Paso Peruanos in Lima<br />
</gallery><br />
<br />
== Interieur ==<br />
Das Interieur wird als ''Brio'' bezeichnet, wobei die Charaktereigenschaften schon klar definiert sind, nämlich: höchste Sensibilität mit ausgesprochener Reaktionsfreude, bei absoluter Kontrollierbarkeit; volle Kooperation und Koordination zwischen Pferd/Reiter; Nervenstärke, eifrige Leistungsbereitschaft, ausdrucksvolle Präsentation. Ein Pferd mit Brio hat keine unerwünschten Charaktereigenschaften, wie Faulheit, Ungezogenheit (Buckeln, Durchgehen).<br />
<br />
Der Paso Peruano ist ein hochsensibler Spezialist und das reiterliche „Traumziel“ für den erfahrenen, anspruchsvollen Freizeitreiter.<br />
<br />
[[Datei:Caballo peruano de paso.JPG|mini|links|350px|Statue]]<br />
<br />
== Zuchtgeschichte ==<br />
Nach der [[Entdeckung Amerikas 1492]] durch Kolumbus gründete die [[Spanien|spanische Krone]] Gestüte auf den [[Westindische Inseln|westindischen Inseln]], auf die zahlreiche Pferde aus Spanien gebracht wurden. 1531 kamen mit dem spanischen Eroberer [[Francisco Pizarro]] die ersten Pferde nach Peru. In der spanischen Kolonie [[Vizekönigreich Peru]] entwickelten sich Pferde des Paso-Llano Typs, der Paso Peruano. Die Zucht basiert auf [[Berber (Pferd)|Berbern]], andalusischen Genetten,<ref>Bennett, Deb. (1998). ''Conquerors: The Roots of New World Horsemanship,'' First Edition, Amigo Publications. ISBN 0-9658533-0-6</ref> Galliceños, [[Nationalpark Peneda-Gerês#Garrano|Garrano]]s und Asturcones, die hauptsächlich aus Spanien, [[Jamaika]] und [[Panama]] importiert wurden.<ref>Bonnie Lou Hendricks: ''International Encyclopedia of Horse Breeds''. University of Oklahoma Press, 1995, ISBN 9780806138848.</ref> Wegen der steinigen Wege und langen Strecken wurde auf einen komfortablen erschütterungsfreien Gang selektioniert und gezüchtet. In Peru waren Paso Peruanos die bevorzugten Reisepferde der sozial und ökonomisch herrschenden Klasse, mit denen die großen Distanzen im Vizekönigreich zurückgelegt wurden.<br />
<br />
1972 brachten der Westernreiter [[Jean-Claude Dysli]] und der Pferdearzt Dr. Isenbügel die ersten Pferde aus den USA in die Schweiz und damit nach Europa. 1975 stellten die beiden erstmals Pasos auf der [[Equitana]] vor und machten sie einem größeren Publikum bekannt.<ref>Interview mit Jean-Claude Dysli, in 'Freizeit im Sattel'5/1983, S. 219</ref> Hauptsächlich findet man Paso Peruanos in Deutschland, Österreich, Italien, den Benelux-Staaten und der Schweiz.<br />
<br />
Seit 1982 existiert eine europäische Paso Peruano Vereinigung. Nach einer Spaltung ging der PCI (''Paso Club International - Schweiz'') und der PPV (''Paso Peruano Vereinigung - Deutschland'') hervor. Ab 2004 wurde aus dem PPV der PPE (''Paso Peruano Europa'').<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste von Pferderassen]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Peruvian Paso|audio=0|video=0}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Pferderasse]]<br />
[[Kategorie:Pferdesport (Peru)]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hauskirche_von_Dura_Europos&diff=253410143Hauskirche von Dura Europos2025-02-17T08:32:06Z<p>Doclbn: Typo</p>
<hr />
<div>{{Coordinate|NS=34.745829 |EW=40.727958|type=city|region=SY}}<br />
[[Datei:Dura Europos synagogue location.png|mini|''Domus Ecclesiae:'' Lage der Kirche]]<br />
[[Datei:Church dura.jpg|mini|Plan der Kirche. Rechts oben das [[Baptisterium]]]]<br />
Die '''Hauskirche von Dura Europos''' ist die bisher älteste archäologisch nachgewiesene [[Kirche (Bauwerk)|Kirche]]. Sie datiert um 232/233 n. Chr. und lag in [[Dura Europos]] am [[Euphrat]]. Die antike Stadt im Osten von [[Syrien]] gehörte damals zur römischen Provinz [[Koilesyrien|Syria Coele]]. Vor allem die Malereien im [[Baptisterium]] sind von besonderer Bedeutung, da sie zu den frühsten christlichen Bildern überhaupt gehören. Die Kirche wurde von 1931 bis 1932 innerhalb von zwei Grabungskampagnen durch ein französisch-amerikanisches Grabungsteam in der Stadt freigelegt. Die Malereien wurden kurz nach der Auffindung von der Wand genommen und befinden sich heute in der [[Yale University Art Gallery]].<br />
<br />
== Der Bau ==<br />
Das aus Lehmziegeln bestehende Haus, in dem sich die Kirche befand, hat wohl einige Jahre als normales Wohnhaus gedient, bevor es zu einer Kirche umgewandelt wurde. Grabungen unter dem Haus zeigen, dass hier etwa seit Christi Geburt ein Haus stand, das irgendwann verlassen wurde. Der Platz blieb eine längere Zeit unbebaut, bis ein neues Haus errichtet wurde. Der neue Bau war etwa 17,40 m lang und 19 m breit. Das Haus steht nahe an der Stadtmauer und ist von dieser nur durch eine Straße getrennt. Es bestand aus einem [[Peristyl]] mit den Wohnräumen an allen vier Seiten. Im Norden befindet sich der Eingang, von dem man in einen Vorraum gelangt und von dort in das Peristyl, das an der Ostseite zwei Säulen hatte. Einige Räume waren 5,22 m hoch, andere Räume waren wohl etwa 4 m hoch. Die Bewohner scheinen vergleichsweise wohlhabend gewesen sein. Es findet sich eine Treppe zum Dach. Es gab einen kleinen Keller. Ein Raum war mit einer Stuckleiste, die dionysische Szenen zeigt, dekoriert. Diese Beobachtung ist von Bedeutung, da man vermuten kann, dass die letzten Bewohner nicht zu den Ärmsten gehörten, als der Bau in eine Kirche umgewandelt wurde.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 7–32</ref><br />
<br />
Um 232/233 wurde das Haus umgebaut. Das Datum ist von einer Inschrift im Putz bekannt, wobei diverse Autoren es auch als Erbauungsdatum des Wohnhauses ansehen. Der Putz war noch nass, als die Inschrift angebracht wurde. Bei diesem Umbau wurden zwei Wohnräume des Hauses zu einem 13&nbsp;×&nbsp;5&nbsp;m großen Saal zusammengefasst. An der Ostseite des Saales stand ein Podest. Im Raum gab es keine Bänke wie oftmals in religiösen Gebäuden der Stadt. In der vorherigen Phase gab es Bänke entlang der Wände, diese wurden aber beim Umbau eingeebnet. Um das Jahr 241 (so eine im Estrich verstrichene Münze) wurde ein weiterer Raum des Hauses zu einem [[Baptisterium]] (Taufraum) umfunktioniert. Hier fand sich ein steinernes Bassin mit einem steinernen [[Baldachin]]. In diesem Raum befanden sich auch zahlreiche Wandmalereien. Die Malereien waren bei ihrer Auffindung noch relativ gut erhalten. Sie sind in einem Stil angefertigt, der in der Tradition der [[Parthische Kunst|parthischen]] Kunst steht, wobei sie qualitätsmäßig deutlich unter denen der [[Synagoge von Dura Europos]] stehen und andeuten, dass die christliche Gemeinde der Stadt bei weitem nicht so finanzkräftig wie die jüdische Gemeinde war. Auch das Haus ist klein und bescheiden im Vergleich zur Synagoge. Das ganze Haus hätte Platz in der Versammlungshalle der Synagoge.<ref>Charles B. McClendon: ''The Articulation of Sacred Space in the Synagoge and Christian Building at Dura Europos'', in: Lisa R. Brody und Gail L. Hoffman (Hrsg.): ''Dura Europos, Crossrodas of Antiquity'', Boston 2011, ISBN 978-1-892850-16-4, S. 157</ref><br />
<br />
Die Malereien haben sich erhalten, da man im Jahr 256 die Stadtmauer von Dura Europos aufschüttete und so die umgebenden Häuser mit Sand aufgefüllt wurden. Nach ihrer teilweisen Verbringung in die [[Yale University]] haben sie aufgrund ungeeigneter Lagerung starke Beschädigungen erfahren.<br />
<br />
== Die Malereien ==<br />
[[Datei:Dura Europos Baptistry Good Shepherd.jpg|mini|100px|Der [[Guter Hirte|Gute Hirte]], [[Adam und Eva]]]]<br />
<br />
=== Taufnische ===<br />
Nur der Taufraum war mit Wandmalereien dekoriert. Die Decke des Raumes kann anhand von Putzfragmenten rekonstruiert werden. Sie war flach und dunkelblau mit hellen Sternen bemalt.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 43–44</ref> Das eigentliche Taufbecken stand an der Westseite, einer Kurzseite des Raumes. Hier befand sich ein gemauerter Baldachin mit gewölbter Decke und zwei Säulen an der Vorderseite. Die Säulen sind dunkelgrün mit schwarzen Adern bemalt, sicherlich um Marmor zu imitieren. Die Frontseite über dem Bogen der Nische zeigt Früchte in diversen Feldern. Die Decke im Inneren der Nische ist blau mit hellen Sternen.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 44–45</ref> Innerhalb der Nische stand das Taufbecken. Auf der Rückwand befinden sich figürliche Malereien. Hier sieht man auf der linken Seite den [[Guter Hirte|Guten Hirten]],<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 50–57</ref> wie er einen Widder auf seinen Schultern trägt. Die Figur ist etwa 40 cm hoch. Vor ihm, in der Mitte des Feldes und auf der rechten Seite ist eine Schafherde dargestellt. Die genaue Anzahl der Schafe und Widder lässt sich heute nicht mehr ermitteln, wahrscheinlich waren es einst dreizehn, vielleicht aber auch bis zu sechzehn. Es ist auch nicht mehr auszumachen, wie viele Schafe und wie viele Widder dargestellt waren. Gras ist wiedergegeben. Die Schafe ganz rechts trinken Wasser, obwohl dieser Teil der Szene unsicher ist. Die große Anzahl von Schafen ist eher untypisch für vergleichbare Darstellungen. Unter dem Hirten sind [[Adam und Eva]] wiedergegeben, wobei beide Figuren anscheinend eine spätere Ergänzung sind. Das ganze Bild fand sich nicht gut erhalten und wurde in Fragmenten aufgefunden, die wieder zusammengesetzt werden mussten. Es ist unsicher, ob die Zahl der Schafe eine symbolische Bedeutung hatte. Die Darstellung des Guten Hirten war ausgesprochen beliebt in der Antike. Es handelt sich immer um das Bild eines jungen, bartlosen Mannes in einem kurzen Rock mit einem Schaf auf dem Rücken.<ref>Peppard: ''The World’s Oldest Church'', S. 100</ref><br />
[[Datei:Dura Europos baptistry women at the tomb.jpg|mini|Frauen an der Nordwand]]<br />
<br />
=== Darstellung von Frauen ===<br />
Der Hauptteil der Ost- und Nordwand wird in der unteren Hälfte von einer einzigen Szene eingenommen, die jedoch nur zum Teil erhalten ist. Auf der Ostwand waren bei der Auffindung der Malereien noch die Füße von fünf Frauen zu sehen, die nach links gehen. Die Szene setzt sich auf der Nordwand fort, wo sich die Reste einer gemalten, halb geschlossenen Tür befinden, die genau gegenüber der Haupttür des Raumes lag und somit als erstes gesehen wurde, wenn man den Raum betrat. Der nachfolgende Teil der Darstellung, links von der Tür, ist vollkommen zerstört, worauf die Darstellung von zwei Frauen gut erhalten ist. Eine dritte Frauenfigur ist nur in wenigen Resten überliefert, zwei weitere Figuren könnten sich im zerstörten Teil der Malereien befunden haben. Die Frauen halten in einer Hand Fackeln und ein Gefäß in der anderen. Sie sind weiß gekleidet, tragen einen Schleier und stehen vor einem weißen kastenförmigen Objekt. Die Darstellung war offensichtlich ausgesprochen wichtig, da sie das Hauptfeld von zwei Wänden einnahm. Ihre Interpretation ist umstritten. Nach ältere Deutungen sind hier Frauen am Grab von Jesus abgebildet.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 190–197; Peppard: ''The World’s Oldest Church'', S. 111</ref> Andere Untersuchungen kommen dagegen zu dem Ergebnis, dass hier die das [[Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen]] ({{B|Mt|25|1–13}}) dargestellt ist.<ref>Sanne Klaver: ''The Brides of Christ: 'The Women in Procession' in the Baptistery of Dura-Europos'', in: ''Eastern Christian Art'', 9 (2012–2013), S. 63–78; Peppard: ''The World’s Oldest Church'', S. 119</ref> Zehn Jungfrauen warten hier auf einen Bräutigam, um ihn zu seiner Hochzeit zu begleiten. Sie haben Öllampen dabei, um ihm zu leuchten. Die Wartezeit ist länger als gedacht und die Lampen sind fast ausgebrannt, ehe der Bräutigam kommt. Fünf der Frauen, die sogenannten klugen Jungfrauen, sind darauf vorbereitet und haben einen zusätzlichen Vorrat Öl mitgebracht. Als die fünf anderen, die sogenannten törichten Jungfrauen sie bitten, ihren Vorrat mit ihnen zu teilen, raten sie ihnen, sie sollten sich Öl kaufen, worauf die törichten Jungfrauen auch losziehen. Während die törichten Jungfrauen fort sind, kommt der Bräutigam und die klugen Jungfrauen leuchten ihm bis in den Hochzeitssaal, dessen Tür hinter ihnen geschlossen wurde, sodass die später ankommenden Jungfrauen nicht eintreten konnten. Das weiße Objekt stellt demnach den Hochzeitssaal oder ein Hochzeitszelt dar.<ref>Sanne Klaver: ''The Brides of Christ: 'The Women in Procession' in the Baptistery of Dura-Europos'', in: ''Eastern Christian Art'', 9 (2012–2013), S. 69–70</ref> Die Tür zum Hochzeitssaal befindet sich ganz rechts auf der Wand, während sich die fünf törichten Jungfrauen auf der Ostwand, vor der Tür befanden. Die Taufe wurde in der östlichen Kirche als eine Art Heirat zwischen dem Getauften und Jesus angesehen, was die Wichtigkeit der Szenen erklärt. In der östlichen Kirche waren die zehn Jungfrauen die Bräute von Jesus.<ref>Klaver, in: ''Eastern Christian Art'', 9 (2012–2013), S. 67</ref><br />
<br />
=== Wundertaten von Jesus ===<br />
[[Datei:Dura Baptistry Healing of the Paralytic.jpg|mini|links|100px|Heilung des Gelähmten]]<br />
Über dem Hauptfeld der Wand mit der Darstellungen der Frauen befanden sich mehrere Szenen in kleineren Feldern, wobei jedoch nur zwei von ihnen erhalten sind (die Szenen sind etwa 90 cm hoch und im unteren Teil 1,9 m breit, soweit erhalten). Im unteren Drittel findet sich jeweils die Darstellung von Wasser und es ist möglich, dass dies ein verbindendes Element aller Szenen war. Wahrscheinlich waren hier diverse Wundertaten von Jesus darstellt. Auf der Nordwand befinden sich im oberen [[Register (Kunst)|Register]] auf der linken Seite drei Figuren. In der Mitte und über den anderen stehend sieht man einen Mann, bei dem es sich wahrscheinlich um Jesus handelt. Darunter sieht man auf der rechten Seite einen Mann, der auf einem Bett liegt. Auf der linken Seite sieht man einen Mann, der mit einem Bett, das er auf seinen Schultern trägt, davon geht. In der Forschung besteht Einigkeit dazu, dass es sich hier um die Geschichte der Heilung des Gelähmten handelt (Evangelium nach Markus, 2, 1–12), obwohl es auch andere Meinungen zur Deutung der Szene gibt.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 57–61</ref><br />
[[Datei:Dura Baptistry Christ walking on water.jpg|mini|100px|Wandmalerei aus dem Baptisterium: [[Jesus]] und [[Simon Petrus]] gehen auf dem Wasser]]<br />
Rechts davon findet sich eine weitere Szene. Sie zeigt zwei Männer, die auf Wasser gehen. Es handelt sich um die im Evangelium nach Markus 6, 45–61 und im [[Evangelium nach Matthäus]] (14, 22–34) bezeugte Geschichte, in der Jesus auf dem Wasser geht. Die Szene ist nur zum Teil erhalten, da an dieser Stelle die Mauer in der Antike niedergerissen wurde. Es handelt sich um Jesus und Simon Petrus. Im Hintergrund sieht man ein großes Schiff mit den Aposteln an Bord, die die beiden Männer beobachten. Fünf Figuren sind noch erhalten.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 61–65</ref><br />
<br />
=== Frau am Brunnen und Garten ===<br />
[[Datei:Yale 1932.1204.2.jpg|mini|100px|links|Wandmalerei aus dem Baptisterium: Die Jungfrau Maria am Brunnen]]<br />
Die Südwand hat zwei Türen und eine Nische, von daher war hier weniger Platz für Malereien. Auf der Südwand nahe der Hauptnische ist die Figur einer Frau erhalten, die an einem Brunnen steht. Sie wendet sich nach links und trägt ein langes Gewand mit einer Rosette auf der Brust. Vor ihr ist ein Brunnen, in den sie zwei Stricke hinablässt. Auf ihren Rücken sind zwei Linien zu sehen, die vom Himmel kommen. Die Frau wurde in der älteren Literatur als die Samariterin am Brunnen interpretiert, manchmal auch als [[Rebekka]].<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 186–188</ref> Neuere Überlegungen machen es jedoch wahrscheinlicher, dass hier die [[Jungfrau Maria]] dargestellt ist.<ref>Dominic Serra: ''The Baptistery at Dura-Europos'', in ''Ephemerides Liturgicae'', 120 (2006), 161–177, 186–188</ref> Wenn die Identifizierung als Jungfrau Maria zutrifft, handelt es sich um die älteste bisher bekannte Abbildung von Maria.<ref>[https://www.nytimes.com/2016/01/31/opinion/sunday/is-this-the-oldest-image-of-the-virgin-mary.html ''Is This the Oldest Image of the Virgin Mary?'', in: ''New York Times'' Jan. 30, 2016]</ref> Im [[Protoevangelium des Jakobus]] findet sich der Bericht, dass die [[Verkündigung des Herrn]] an einem Brunnen stattfand. Das Protoevangelium des Jakobus war besonders bei Christen im Orient beliebt.<br />
<br />
Oberhalb der Frau am Brunnen im oberen Teil der Wand neben dem Baldachin war ein Garten gemalt. Die Szene ist nur in Beschreibungen und einem schlechten Foto überliefert.<ref>Kraeling: ''The Christian building'', 65–66</ref><br />
<br />
=== David und Goliat ===<br />
Auf der Südwand unter einer Nische zwischen den beiden Türen befindet sich eine weitere Darstellung, leider nicht gut erhalten. Hier sind [[David]] und [[Goliat]] dargestellt, wie Beischriften zu den Figuren es eindeutig bezeugen. Oberhalb der Szene befindet sich eine griechische Beischrift: „τὸν Χ(ριστὸ)ν Ἰ(ησοῦ)ν ὑμεῖν. Μν[ή]σκεσθε [... Πρ]όκλου“ („Christus Jesus (sei) mit Euch, gedenkt [des Pr]oklos“). Ob die Inschrift mit einer Stiftung von Seiten des erwähnten Proklos in Verbindung steht oder aber nach dessen Tod zu seinem Gedenken angebracht wurde, ist unklar.<ref>Zu der Beischrift siehe Peppard: ''The World’s Oldest Church'', S. 68; L. Michael White: ''The Social Origins of Christian Architecture.'' Band 2: ''Texts and Monuments for the Christian Domus Ecclesiae in its Environment'' (= ''Harvard Theological Studies.'' Band 42). Trinity Press, Valley Forge 1990, ISBN 1-56338-180-X, S. 131 f.</ref> David steht rechts und schlägt auf Goliat ein. Beide Figuren sind jedoch kaum erhalten. Interessant ist, dass David als römischer Soldat erscheint, Goliat jedoch in der Tracht eines Persers, die ja die damaligen Feinde waren. Die Darstellung des David in einer Taufkapelle mag überraschen, aber in der Vorstellung der östlichen Kirche war David der Prototyp eines gesalbten Mannes. In der Taufkapelle fanden auch Salbungen statt, wobei die Taufe auch als eine Art Salbung angesehen wurde.<ref>Peppard: ''The World’s Oldest Church'', S. 46–85</ref><br />
<br />
== Graffiti ==<br />
An den Wänden des Hauses fanden sich diverse Graffiti und Zeichnungen. Für die Baugeschichte ist eine griechische Inschrift auf der Westwand des Versammlungshalle wichtig. Sie nennt das Jahr 545 der [[Seleukidische Ära|seleukidischen Ära]], was dem Jahr 232/3 n. Chr. entspricht.<ref>B. Welles, in: Kraeling: ''The Christian building'', 90</ref> Mehrmals findet sich das griechische Alphabet, einmal auch das [[Syrisches Alphabet|Syrische Alphabet]].<ref>B. Welles, in: Kraeling: ''The Christian building'', 91</ref> Bemerkenswert sind weiterhin zwei Strichzeichnungen, die jeweils einen Reiter darstellen.<br />
<br />
== Vergleichbare Bauten ==<br />
Die Ruine der ältesten Hauskirche aus Steinquadern, die Anfang des 4. Jahrhunderts durch Umbau eines Wohnhauses entstand, liegt im Nordwesten Syriens in [[Qirqbize]]. Im nahegelegenen Dorf [[Fafertin]] stand das älteste als solches geplante Kirchengebäude, das inschriftlich in das Jahr 372 datiert.<br />
<br />
== Galerie ==<br />
<gallery><br />
DuraEuropos-Church.jpg|Vom Innenhof auf die Reste der westlich gelegenen Räume. Im Hintergrund die Stadtmauer<br />
Dura Europos domus ecclesiae isometric view.svg|Isometrische Zeichnung der Hausruine<br />
Doura Europos domus ecclesiae front.jpg|Die Reste heute<br />
Bible Museum - Christliches Taufbecken Dura Europos.jpg|Moderne Rekonstruktion des Baldachins in der Taufkapelle<br />
</gallery><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Arne Effenberger]]: ''Frühchristliche Kunst und Kultur'', Leipzig 1986, S. 87–89, ISBN 3-7338-0010-9<br />
* C. Hopkins: ''The Christian Church.'' In: ''The excavations at Dura-Europos: conducted by Yale University and the French Academy of Inscriptions and Letters. Preliminary Report of the Fifth Season of Work, October 1931–March 1932.'' Yale University Press, New Haven 1934, [https://archive.org/details/in.ernet.dli.2015.283179/page/n253 S. 238–288]<br />
* Carl H. Kraeling with a contribution by C. Bradford Welles: ''The excavations at Dura-Europos: conducted by Yale University and the French Academy of Letters, Final Report 8 Part 2, The Christian building'', New Haven: Dura-Europos Publications, Locust Valley, New York, 1967<br />
* [[Ulrich Mell]], ''Christliche Hauskirche und Neues Testament''. Die Ikonologie des Baptisteriums von Dura Europos und das Diatessaron Tatians, NTOA 77, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010, ISBN 978-3-525-53394-9<br />
* Annabel Jane Wharton: ''Refiguring the post classical city: Dura Europos, Jerash, Jerusalem and Ravenna''. Cambridge 1995.<br />
* Michael Peppard: ''The World’s Oldest Church, Bible, Art and Ritual at Dura-Europos, Syria'', Yale, University Press, New Haven, London 2016, ISBN 978-0-300-21399-7.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Dura Europos domus ecclesiae}}<br />
* [http://www.pitt.edu/~tokerism/0040/syl/christian.html Early Christian Architecture]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Kirchenrest]]<br />
[[Kategorie:Christentumsgeschichte (Syrien)]]<br />
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Syrien)|Dura Europos]]<br />
[[Kategorie:Frühchristliche Kirche]]<br />
[[Kategorie:Dura Europos]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=A%C5%A1%C5%A1ur-b%C4%81ni-apli&diff=250231596Aššur-bāni-apli2024-11-11T01:00:50Z<p>Doclbn: /* Iškuza in den Erwähnungen Aššur-bāni-apli */ Einheitliche Schreibung, siehe Link. --~~~~</p>
<hr />
<div>[[Datei:Feldzug Assurbanipal.JPG|mini|hochkant=1.5|Relief um 650 v. Chr., zeigt wahrscheinlich den Feldzug von Aššur-bāni-apli gegen die elamische Stadt Hamanu]]<br />
<br />
'''Aššur-bāni-apli''' ([[Assyrische Sprache|neuassyrisch]], auch '''Aschschur-bani-apli''', '''Assur-bani-apli''', [[Bibel|biblisch]] '''Assurbanipal''') war vom [[27. Oktober]] [[669 v. Chr.]] bis 631/627 v.&nbsp;Chr.<ref>siehe Datierung gemäß [[Liste der assyrischen Könige]]</ref> oder von 668 bis 627 v. Chr.<ref>[[Erika Bleibtreu]]: ''Iran von prähistorischer Zeit bis zu den Medern. Kurzer Einblick in sechs Jahrtausende iranischer Kulturgeschichte.'' In: [[Wilfried Seipel]] (Hrsg.): ''7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des [[Iranisches Nationalmuseum|Iranischen Nationalmuseums]] in Teheran.'' Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 40–53, hier: S. 46.</ref> König des [[Assyrisches Reich|Assyrischen Reiches]]. Sein Name bedeutet „[[Aššur (Gott)|Aššur]] ist Erschaffer des Erbsohnes“. Aus einer assyrischen Chronik des Jahres 640 v.&nbsp;Chr. geht hervor, dass Aššur-bāni-apli der 83.&nbsp;assyrische König „nach [[Erišum I.|Erišum]], Sohn des [[Ilu-šuma]]“, war.<ref>Simo Parpola: ''Letters from Assyrian Scholars to the Kings Esarhaddon and Ashurbanipal''. S.&nbsp;449.</ref><br />
<br />
Er war Zeitgenosse des letzten Herrschers der [[25. Dynastie]] [[Tanotamun]] und von [[Psammetich I.]], dem Gründer der [[26. Dynastie]] in [[Ägypten]].<br />
<br />
19 Jahre nach dem Tod des Aššur-bāni-apli 631/627 v.&nbsp;Chr. ging das Assyrische Reich nach Thronfolgekämpfen und der [[Eroberungskrieg|Eroberung]] durch die [[Meder (Volk)|Meder]] und [[Babylonier]] unter.<br />
<br />
== Leben ==<br />
<br />
=== Anfänge ===<br />
[[Datei:Assurbanipal op jacht.jpg|mini|hochkant=1.1|Aššur-bāni-apli auf der Jagd]]<br />
<br />
Als zweitgeborener Sohn [[Asarhaddon|Aššur-aḫḫe-iddinas]], ursprünglich nicht als Thronfolger vorgesehen, wurde Aššur-bāni-apli von seinem Vater Aššur-aḫḫe-iddina zum [[Designation|designierten]] König ernannt, nachdem Aššur-bāni-aplis Großmutter [[Naqia]] ihre direkte Verwandtschaftslinie durchsetzen konnte. Bereits Aššur-aḫḫe-iddina war unter Mithilfe Naqias entgegen der üblichen Rangfolge von [[Sîn-aḫḫe-eriba]] als Kronprinz von Assyrien ausgewählt worden. Noch als Kronprinz heiratete er [[Libbāli-šarrat]].<br />
<br />
Durch seinen Lehrer [[Balasi]] genoss Aššur-bāni-apli wie auch Sîn-aḫḫe-eriba und Aššur-aḫḫe-iddina eine sorgfältige literarische Erziehung. Er hinterließ in [[Ninive]] eine bedeutende [[Bibliothek des Aššurbanipal|Bibliothek]], die didaktische, literarische, religiöse, heilkundliche<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 2.</ref> und [[Astronomie|astronomische]] Texte umfasste. Seine Residenzen ließ er mit prächtigen [[Relief]]s schmücken, die Kriegs-,<ref>Vgl. etwa [[Ernst Friedrich Weidner]]: ''Beschreibung der Kriegs-Reliefs Aššurbānaplis.'' In: ''Archiv für Orientforschung.'' Band 8, 1932/1933, S. 175–203.</ref> Jagd- und Alltagsszenen aus dem Palastleben darstellen.<br />
<br />
=== Iškuza in den Erwähnungen Aššur-bāni-apli ===<br />
Aššur-bāni-apli berichtet um 665 v. Chr. von ''einem [[heuschrecken]]artigen Einfall [[barbar]]ischer Zerstörer, die das Land verwüsteten'' und verwendete für deren Anführer [[Dugdamme]] (nach griechischer Überlieferung ''Lygdamis'') das assyrische Schimpfwort ''[[Gutäer]]''. Bereits um 667 v. Chr. bat der [[Lydien|lydische]] König [[Gyges]] um assyrische Hilfe gegen die ''umherziehenden [[Iškuza]]ia''. Aššur-bāni-apli folgte dem Hilferuf nicht und vermerkte kurze Zeit später die Gefangennahme von Gyges. Im weiteren Verlauf muss Gyges die Rückeroberung gelungen sein, da zwischen 666 v. Chr. und 650 v. Chr. ein Sieg über die ''Iškuzaia'' vermeldet wird.<br />
<br />
Ob Aššur-bāni-apli den Angriff der Iškuzaia vollständig abwehren konnte, bleibt strittig. Der [[Astrologe|Orakelpriester]] ''Akullanu'' titulierte um 657 v. Chr. in einer [[Keilschrift]]tafel die ''Iškuzaia'' als ''Kiššutu''. Diese Benennung wurde sonst im Zusammenhang mit assyrischen Königen gebraucht, was für eine kurzzeitige Herrschaft sprechen würde.<br />
<br />
Nach dem Tod des Gyges im Jahr 644 v. Chr. bat sein Sohn und Nachfolger [[Ardys II.]] erneut um assyrische Hilfe. Ob diesmal dem Gesuch Folge geleistet wurde, konnte bislang nicht geklärt werden. Die schriftliche Überlieferung für Dugdamme endet um 642 v. Chr. mit seinem Tod in [[Kilikien]]. Sein Sohn und Nachfolger [[Sandakkurru]] (auch Lesung ''Sandakšatru'' möglich) wird in einer [[Hymne]] an [[Šamaš]] um 640 v. Chr. genannt, in der Aššur-bāni-apli einen endgültigen Sieg über die ''Iškuzaia'' erbittet; ein weiterer Beweis, dass die Bedrohung auch in den Jahren nach Dugdamme noch andauerte.<br />
<br />
=== Weiterer Verlauf ===<br />
Sein Bruder [[Šamaš-šuma-ukin]] wurde, wie von Aššur-aḫḫe-iddina festgesetzt, König von [[Babylon]]. Er rebellierte mit der Unterstützung der [[Aramäer (Volk)|Aramäer]], [[Elamiter]] und [[Araber]]. 647 v. Chr. unterwarf Aššur-bāni-apli nach vierjährigen Kämpfen Babylonien. Šamaš-šuma-ukin verbrannte in den Ruinen seines Palastes. Dieser Frevel gegen das religiöse Herz von Mesopotamien dürfte Aššur-bāni-apli aber letztlich die Herrschaft gekostet haben. Mit [[Urartu]] pflegte Aššur-bāni-apli freundschaftliche Beziehungen; auch mit den [[Skythen]] hielt er später Freundschaft. Nach einem Aufstand brachte er [[Mannäer|Manna]] wieder unter assyrische Kontrolle. Nach der Eroberung Elams, etwa 636 v. Chr. brechen die Nachrichten über seine Regierungszeit ab.<br />
<br />
Die von ihm angelegte große [[Tontafelsammlung des Assurbanipal|Bibliothek]] hat noch der modernen Assyriologie unschätzbare Dienste geleistet, da der Fund dieser Tontafelbücherei in Kujundschik, einem Teil des alten [[Ninive]], der [[Assyriologie]] die Grundlagen für ihren weiteren Ausbau lieferte.<br />
<br />
In allen Städten Babyloniens wie Assyriens hat Aššur-bāni-apli eine reiche Bautätigkeit entfaltet. Am wichtigsten sind der Ausbau eines alten und die Errichtung eines neuen Palastes in Ninive. Den Griechen, denen er unter dem Namen Sardanapal bekannt wurde, galt er als das Urbild eines Schwelgers, was den geschichtlichen Tatsachen wenig entspricht.<br />
<br />
<gallery class="center"><br />
Milkau Eingang zu den 'Archive Chambers' im Palast des Assurbanipals 13-2.jpg|Archivkammern im Palast<br />
Milkau Assurbanipal als hoher Priester 51-2.jpg|Aššur-bāni-apli als Bauherr mit Korb<br />
</gallery><br />
<br />
== Eponyme ==<br />
1997 wurde der [[Asteroid]] [[(7208) Ashurbanipal]] nach ihm benannt.<ref>[http://www.minorplanetcenter.net/iau/ECS/MPCArchive/1997/MPC_19971016.pdf Minor Planet Circ. 30800]</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Bibliothek des Aššurbanipal]]<br />
* [[Sardanapal]] (griechische Bezeichnung, meist mit Aššur-bāni-apli gleichgesetzt)<br />
* [[Der Tod des Sardanapal]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Albert Kirk Grayson]]: ''The Chronology of the Reign of Ashurbanipal.'' In: ''[[Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie|Zeitschrift für Assyriologie]].'' Band 70, 1981, S. 227–245.<br />
* [[Richard Anthony Parker]], Waldo H. Dubberstein: ''Babylonian Chronology 626 BC – AD 75.'' Brown University Press, Rhode Island 1956.<br />
* Simo Parpola: ''Letters from Assyrian Scholars to the Kings Esarhaddon and Ashurbanipal. Teil 1: Texts.'' 1970; Neudruck Eisenbrauns, Winona Lake 2007, ISBN 978-1-57506-137-5<br />
* [[Maximilian Streck]]: ''Assurbanipal und die letzten assyrischen Könige bis zum Untergange Niniveh’s.'' 3 Teile. Leipzig 1916; Nachdruck ebenda 1975.<br />
** Teil 1: ''Einleitung: Das urkundliche Material, Chronologie und Geschichte''<br />
** Teil 2: ''Texte: Die Inschriften Assurbanipals und der letzten assyrischen Könige''<br />
** Teil 3: ''Register: Glossar, Verzeichnis der Eigennamen, Schluss-Nachträge und kleinere Berichtigungen''<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Ashurbanipal|Assurbanipal}}<br />
* [http://www.livius.org/k/kinglist/uruk.html Die Uruk-Tafel: Assurbanipals Regierungszeit]<br />
* {{EIr|assurbanipal-king-of-assyria-666-25-bc|Verfasser=J. A. Delaunay|Artikelname=Aššurbanipal|Band=2|Artikeldatum=2011-08-17}}<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.uni-essen.de/Ev-Theologie/courses/course-stuff/Hecker,%20Karl-TUAT_omina.doc | wayback=20130801112740 | text=TUAT: (73+74) Omenanfrage des Assurbanipal wegen seines Bruders}}<br />
* {{WiBiLex|Referenz=14105|Titel=Assurbanipal|Autoren=Ariel M. Bagg|Abruf=3. September 2008}}<br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Personenleiste<br />
|VORGÄNGER=[[Asarhaddon|Aššur-aḫḫe-iddina]]<br /><small>(Asarhaddon)</small><br />
|AMT=[[Liste der assyrischen Könige|Assyrischer König]]<br />
|ZEIT=669–631/627 v. Chr.<br />
|NACHFOLGER= [[Aššur-etil-ilani]]<br />
|VORGÄNGER2=[[Asarhaddon|Aššur-aḫḫe-iddina]]<br /><small>(Asarhaddon)</small><br />
|AMT2=[[Liste der babylonischen Könige#10. Dynastie (Assyrische Dynastie)|König von Babylonien]]<br />
|ZEIT2=669–668 v. Chr.<br />
|NACHFOLGER2=[[Šamaš-šuma-ukin]]<br />
|VORGÄNGER3=[[Šamaš-šuma-ukin]]<br />
|AMT3=[[Nippur|König über die babylonische Region Nippur]]<br />
|ZEIT3=647–631/627 v. Chr.<br />
|NACHFOLGER3=[[Aššur-etil-ilani]]<br />
}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Könige des neuassyrischen Reichs}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118504746|LCCN=n50032567|VIAF=172660457}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Assurbaniapli}}<br />
[[Kategorie:König (Assyrien)]]<br />
[[Kategorie:König (Babylonien)]]<br />
[[Kategorie:Bibliophiler]]<br />
[[Kategorie:Person als Namensgeber für einen Asteroiden]]<br />
[[Kategorie:Geboren im 8. Jahrhundert v. Chr.]]<br />
[[Kategorie:Gestorben im 7. Jahrhundert v. Chr.]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
[[Kategorie:Person im Buch Esra]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Aššur-bāni-apli<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Assurbanipal<br />
|KURZBESCHREIBUNG=assyrischer Herrscher<br />
|GEBURTSDATUM=8. Jahrhundert v. Chr.<br />
|GEBURTSORT=<br />
|STERBEDATUM=zwischen 631 v. Chr. und 627 v. Chr.<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Salter-Osteotomie&diff=250017109Diskussion:Salter-Osteotomie2024-11-03T20:18:30Z<p>Doclbn: /* Referenzabbildung normale Hüfte */ Antwort</p>
<hr />
<div>{{War AdT|1=3. November 2024}}<br />
Ich möchte diesen Artikel nach [[Salter-Osteotomie]] verschieben, um unter dem Namen "Beckenosteotomie" eine Übersicht zu den verschiedenen, aktuell gängigen, Beckenosteotomien zu erstellen. Weitere Artikel über Beckenosteotomien, z.B. die Acetabuloplastik, die Chiari-Osteotomie, die periacetabuläre- Osteotomie, ... sind schon in Arbeit und können dann dort verlinkt werden.<br />
Im übrigen ist der Name "Beckeno..." vielleicht nicht so aussagekräftig, wie der Artikel, der dahinter steckt.<br />
Wenn keiner Einwende hat, werde ich dies in den nächsten Tagen vornehmen.<br />
Grruß, --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 21:28, 13. Apr. 2008 (CEST)<br />
<br />
== Archivierung der erfolgreichen Lesenswert-Kandidatur vom 24. bis zum 31. Mai 2008 ==<br />
<br />
''Die Osteotomie nach Salter (Innominate Osteotomy) ist eine orthopädische Operationstechnik zur mechanischen Verbesserung der Überdachung des Hüftkopfes. Als einfache (zweidimensionale) Beckenosteotomien zählt sie zur Kategorie der Acetabuloplastiken, und somit zu den Standardverfahren in der Hüftdysplasietherapie.''<br />
<br />
Benannt ist sie nach Dr. Robert Bruce Salter, einem Spezialisten für Kinderorthopädie in Toronto, der sie seit 1960 entwickelte und 1961 das erste Mal anwandte. Zu dieser Zeit wurde die Osteotomie noch ausschließlich in Verbindung mit einer offenen (operativen) Reposition des Hüftkopfes eingesetzt. Heute ist dies eher der seltenste Fall.<br />
<br />
Der Artikel entstand aus dem Ursprungsartikel '''Beckenosteotomie''', der Hauptanlass für meine Mitarbeit bei Wiki war. Ich habe Beckenosteotomie zur BKL gemacht und aus der kurzen Erklärung zur Salter-OT, die da stand, diesen Artikel gefertigt. [[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:04, 24. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
* {{Pro}} Sehr schöne Arbeit. NB: Ich habe mal angefangen die Refs mit einer PMID zu versehen. Die Originalarbeit von Salter scheint von 1966 zu sein. Schau doch mal drüber. PMIDs sind ganz hilfreich. lg -- [[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] 21:59, 27. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
* {{pro}} Der Artikel ist wichtig und sowohl für Laien (Eltern betroffener Kinder) gut lesbar und relevant, als auch für Mediziner (außer vielleicht dem operativ tätigen Orthopäden, der sollte den Ihalt auswendig kennen), besonders Medizinstudenten hinreichend ausführlich und wissenschaftlich dargelegt. Er ist in klarer, sauberer Sprache geschrieben, gut strukturiert und hervorragend bebildert. Klar lesenswert, bald sicher auch mehr. <br />
<br />
Danke Thomas. <s>Ein guter Freund von mir schreibt jetzt seine Inaug.-Diss. über das Thema Ersatzbefriedigung (im weitesten Sinne, denn eigentlich geht es um Placebos). In diesem Zusammenhang fand ich dies "Contra" recht spaßig. <br />
Aber mal ganz ernsthaft: Lieber Bewerter, der Grundgedanke einer Enzyklopedie ist, so umfangreich, wie nur möglich, zu sein, oder??? Allen Beteiligten wäre viel mehr damit geholfen, wenn, sollten Sie den Artikel schlecht finden, die Kritik ein wenig klarer und zuweisbarer formuliert würde.</s> Ich muss revidieren, nachdem ich mich mit dieser Art der Massenwertung mal kurz näher befasst habe. Meinen ersten Kommentar lass ich der Richtigkeit halber durchgestrichen stehen, bitte dies aber als Enthalt eines jeden Kommentares meinerseits zu werten. Liebe Grüße, ----[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 18:36, 30. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
*{{Pro}} Klassisch lesenswerter Artikel, gut lesbar und bebildert. Somit für betroffene Eltern eine hervorragende Informationsquelle.[[Benutzer:Uwe Gille|Uwe G.]] [[Benutzer Diskussion:Uwe Gille|¿⇔?]] <sup>[[Wikipedia:Redaktion Medizin|RM]]</sup> 09:05, 31. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
<br />
Artikel hat mit 3 zu 0 Pro-Stimmen die Mindestanforderungen für ''lesenswert'' knapp erreicht. <br />
--[[Spezial:Beiträge/130.133.134.83|130.133.134.83]] 10:40, 1. Jun. 2008 (CEST)<br />
== [[Salter-Osteotomie]] Reviewarchivierung ==<br />
Der Artikel hieß vorher "Beckenosteotomie" und beschrieb die Salter-Technik eher mager. Hab ihn verschoben und jetzt, wo ich Zeit hatte, das ganze mal mit Text gefüllt. <br />
Ich hoffe auf reichlich Kritik. --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 09:51, 10. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
:Paar Kleinigkeiten habe ich schon gemacht. Den Geschichtsteil würde ich weiter nach vorne packen (ist aber Geschmackssache) und dessen letzten Satz überarbeiten. Widerspricht sich der nicht (''abgelöst'' vs. ''gleiche bleibt'')? [[Benutzer:Curtis Newton|Curtis Newton]] [[Benutzer Diskussion:Curtis Newton|↯]] 20:51, 16. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
Diesmal ein wenig kürzer:<br />
*Was mir schon beim anderen Artikel aufgefallen ist: Du verwendest sehr gerne Bindestriche um einzelne Gedanken abzutrennen. In den meisten Fällen sind die aber gar nicht notwendig. Außerdem wirfst du immer mal Halbsätze in Klammern ein, die ausformuliert wesentlich ästhetischer wären.<br />
*Ein Bild des normalen Hüftgelenks wäre evtl. nicht schlecht.<br />
*Die Erwähnung von Morbus Perthes kommt ein wenig überraschend.<br />
*Der Technikabschnitt sollte noch ausgebaut werden, insbesondere wie die Schwenkung erreicht wird (Irgendwo weiter unten erwähnst du mal einen Knochenkeil. Wo kommt der her?)<br />
:MfG, [[Benutzer:Lennert B|Lennert B]] [[User Talk:Lennert B|<small>d</small>]] 01:25, 17. Mai 2008 (CEST)<br />
UPDATE: Technik, Geschichte, Indikationen nochmal überarbeitet. Bild einer gesunden kindlichen Hüfte ist bereit drin.<br />
<br />
--[[Benutzer:Rainer Lippert|Rainer Lippert]] 17:41, 29. Mai 2008 (CEST)<br />
{{Erl.|1=[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:40, 1. Jun. 2008 (CEST)}}<br />
<br />
== Referenzabbildung normale Hüfte ==<br />
<br />
Es tut zwar der Aussagekraft im Artikel keinen Abbruch, und es ist in Bild und Beschreibungsseite auch keine explizite Seite angegeben, aber einem erfahrenen Radiologen springt dennoch sofort ins Auge, dass das als Referenz gezeigte Röntgenbild der normalen, nach üblicher Konvention „rechten“ Hüfte höchstwahrscheinlich die ausgeschnittene und spiegelverkehrt abgebildete „linke“ Hüfte auf dem gezeigten Röntgenbild mit der Dysplasie „rechts“ ist. Beide Bilder datieren Mai 2008 und stammen von demselben Autor @[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]], was dieser These zumindest nicht widerspricht.<br />
Wäre es (nach Verifikation mit einer Bildverarbeitungssoftware) sinnvoll, dies als Hinweis bei den Abbildungen anzugeben? --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 10:55, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
<br />
:Hallo Doclbn. Ich freue mich, wenn Du als Radiologe bei uns mittun willst, Orthopad ist schon lange nicht mehr aktiv. Ich pinge mal unseren Kollegen @[[Benutzer:MBq|Mbq]] an, der sich da auch ein wenig auskennt. LG --[[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] ([[Benutzer Diskussion:Andreas Werle|Diskussion]]) 12:00, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
::Hallo Andreas,<br />
::vielen Dank für den freundlichen Empfang. Ich bin ja seit 2001 intensiver WP-Nutzer und habe viele anonyme Edits gemacht, konnte mich aber erst kürzlich zu einem Benutzerkonto durchringen :)<br />
::Ich werde meine kühne Behauptung schnellstmöglich per Bildverarbeitung überprüfen und vom Ergebnis hier berichten. --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 13:14, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
:::Die Weichteilschatten, Darmgas etc. sind spiegelbildlich identisch, das spricht sehr für Deine Vermutung. —[[Benutzer:MBq|MBq]] <sup><small>[[Benutzer Diskussion:MBq|Disk]]</small></sup> 14:57, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
::::Ja, ich denke reicht auch Handauflegen oder einen kleinen Spiegel daneben halten ... :-) LG --[[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] ([[Benutzer Diskussion:Andreas Werle|Diskussion]]) 15:48, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
:::::Ich habe den Ausschnitt herausgenommen. --[[Benutzer:MBq|MBq]] <sup><small>[[Benutzer Diskussion:MBq|Disk]]</small></sup> 19:18, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
::::::Danke! LG --[[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] ([[Benutzer Diskussion:Andreas Werle|Diskussion]]) 20:36, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
:::::Ich habe das Bild mittlerweile per Software überprüft; es ist identisch mit der linken Hüfte der Übersichtsaufnahme, nur vertikal gespiegelt und skaliert.<br />
:::::Danke für‘s rausnehmen.<br />
:::::Ist auch kein Verlust - das meiner Meinung nach didaktisch gute „Originalbild“ enthält den Vergleich schließlich schon. --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 21:18, 3. Nov. 2024 (CET)</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Salter-Osteotomie&diff=250002484Diskussion:Salter-Osteotomie2024-11-03T12:14:17Z<p>Doclbn: /* Referenzabbildung normale Hüfte */ Antwort</p>
<hr />
<div>{{War AdT|1=3. November 2024}}<br />
Ich möchte diesen Artikel nach [[Salter-Osteotomie]] verschieben, um unter dem Namen "Beckenosteotomie" eine Übersicht zu den verschiedenen, aktuell gängigen, Beckenosteotomien zu erstellen. Weitere Artikel über Beckenosteotomien, z.B. die Acetabuloplastik, die Chiari-Osteotomie, die periacetabuläre- Osteotomie, ... sind schon in Arbeit und können dann dort verlinkt werden.<br />
Im übrigen ist der Name "Beckeno..." vielleicht nicht so aussagekräftig, wie der Artikel, der dahinter steckt.<br />
Wenn keiner Einwende hat, werde ich dies in den nächsten Tagen vornehmen.<br />
Grruß, --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 21:28, 13. Apr. 2008 (CEST)<br />
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== Archivierung der erfolgreichen Lesenswert-Kandidatur vom 24. bis zum 31. Mai 2008 ==<br />
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''Die Osteotomie nach Salter (Innominate Osteotomy) ist eine orthopädische Operationstechnik zur mechanischen Verbesserung der Überdachung des Hüftkopfes. Als einfache (zweidimensionale) Beckenosteotomien zählt sie zur Kategorie der Acetabuloplastiken, und somit zu den Standardverfahren in der Hüftdysplasietherapie.''<br />
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Benannt ist sie nach Dr. Robert Bruce Salter, einem Spezialisten für Kinderorthopädie in Toronto, der sie seit 1960 entwickelte und 1961 das erste Mal anwandte. Zu dieser Zeit wurde die Osteotomie noch ausschließlich in Verbindung mit einer offenen (operativen) Reposition des Hüftkopfes eingesetzt. Heute ist dies eher der seltenste Fall.<br />
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Der Artikel entstand aus dem Ursprungsartikel '''Beckenosteotomie''', der Hauptanlass für meine Mitarbeit bei Wiki war. Ich habe Beckenosteotomie zur BKL gemacht und aus der kurzen Erklärung zur Salter-OT, die da stand, diesen Artikel gefertigt. [[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:04, 24. Mai 2008 (CEST)<br />
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* {{Pro}} Sehr schöne Arbeit. NB: Ich habe mal angefangen die Refs mit einer PMID zu versehen. Die Originalarbeit von Salter scheint von 1966 zu sein. Schau doch mal drüber. PMIDs sind ganz hilfreich. lg -- [[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] 21:59, 27. Mai 2008 (CEST)<br />
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* {{pro}} Der Artikel ist wichtig und sowohl für Laien (Eltern betroffener Kinder) gut lesbar und relevant, als auch für Mediziner (außer vielleicht dem operativ tätigen Orthopäden, der sollte den Ihalt auswendig kennen), besonders Medizinstudenten hinreichend ausführlich und wissenschaftlich dargelegt. Er ist in klarer, sauberer Sprache geschrieben, gut strukturiert und hervorragend bebildert. Klar lesenswert, bald sicher auch mehr. <br />
<br />
Danke Thomas. <s>Ein guter Freund von mir schreibt jetzt seine Inaug.-Diss. über das Thema Ersatzbefriedigung (im weitesten Sinne, denn eigentlich geht es um Placebos). In diesem Zusammenhang fand ich dies "Contra" recht spaßig. <br />
Aber mal ganz ernsthaft: Lieber Bewerter, der Grundgedanke einer Enzyklopedie ist, so umfangreich, wie nur möglich, zu sein, oder??? Allen Beteiligten wäre viel mehr damit geholfen, wenn, sollten Sie den Artikel schlecht finden, die Kritik ein wenig klarer und zuweisbarer formuliert würde.</s> Ich muss revidieren, nachdem ich mich mit dieser Art der Massenwertung mal kurz näher befasst habe. Meinen ersten Kommentar lass ich der Richtigkeit halber durchgestrichen stehen, bitte dies aber als Enthalt eines jeden Kommentares meinerseits zu werten. Liebe Grüße, ----[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 18:36, 30. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
*{{Pro}} Klassisch lesenswerter Artikel, gut lesbar und bebildert. Somit für betroffene Eltern eine hervorragende Informationsquelle.[[Benutzer:Uwe Gille|Uwe G.]] [[Benutzer Diskussion:Uwe Gille|¿⇔?]] <sup>[[Wikipedia:Redaktion Medizin|RM]]</sup> 09:05, 31. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
<br />
Artikel hat mit 3 zu 0 Pro-Stimmen die Mindestanforderungen für ''lesenswert'' knapp erreicht. <br />
--[[Spezial:Beiträge/130.133.134.83|130.133.134.83]] 10:40, 1. Jun. 2008 (CEST)<br />
== [[Salter-Osteotomie]] Reviewarchivierung ==<br />
Der Artikel hieß vorher "Beckenosteotomie" und beschrieb die Salter-Technik eher mager. Hab ihn verschoben und jetzt, wo ich Zeit hatte, das ganze mal mit Text gefüllt. <br />
Ich hoffe auf reichlich Kritik. --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 09:51, 10. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
:Paar Kleinigkeiten habe ich schon gemacht. Den Geschichtsteil würde ich weiter nach vorne packen (ist aber Geschmackssache) und dessen letzten Satz überarbeiten. Widerspricht sich der nicht (''abgelöst'' vs. ''gleiche bleibt'')? [[Benutzer:Curtis Newton|Curtis Newton]] [[Benutzer Diskussion:Curtis Newton|↯]] 20:51, 16. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
Diesmal ein wenig kürzer:<br />
*Was mir schon beim anderen Artikel aufgefallen ist: Du verwendest sehr gerne Bindestriche um einzelne Gedanken abzutrennen. In den meisten Fällen sind die aber gar nicht notwendig. Außerdem wirfst du immer mal Halbsätze in Klammern ein, die ausformuliert wesentlich ästhetischer wären.<br />
*Ein Bild des normalen Hüftgelenks wäre evtl. nicht schlecht.<br />
*Die Erwähnung von Morbus Perthes kommt ein wenig überraschend.<br />
*Der Technikabschnitt sollte noch ausgebaut werden, insbesondere wie die Schwenkung erreicht wird (Irgendwo weiter unten erwähnst du mal einen Knochenkeil. Wo kommt der her?)<br />
:MfG, [[Benutzer:Lennert B|Lennert B]] [[User Talk:Lennert B|<small>d</small>]] 01:25, 17. Mai 2008 (CEST)<br />
UPDATE: Technik, Geschichte, Indikationen nochmal überarbeitet. Bild einer gesunden kindlichen Hüfte ist bereit drin.<br />
<br />
--[[Benutzer:Rainer Lippert|Rainer Lippert]] 17:41, 29. Mai 2008 (CEST)<br />
{{Erl.|1=[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:40, 1. Jun. 2008 (CEST)}}<br />
<br />
== Referenzabbildung normale Hüfte ==<br />
<br />
Es tut zwar der Aussagekraft im Artikel keinen Abbruch, und es ist in Bild und Beschreibungsseite auch keine explizite Seite angegeben, aber einem erfahrenen Radiologen springt dennoch sofort ins Auge, dass das als Referenz gezeigte Röntgenbild der normalen, nach üblicher Konvention „rechten“ Hüfte höchstwahrscheinlich die ausgeschnittene und spiegelverkehrt abgebildete „linke“ Hüfte auf dem gezeigten Röntgenbild mit der Dysplasie „rechts“ ist. Beide Bilder datieren Mai 2008 und stammen von demselben Autor @[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]], was dieser These zumindest nicht widerspricht.<br />
Wäre es (nach Verifikation mit einer Bildverarbeitungssoftware) sinnvoll, dies als Hinweis bei den Abbildungen anzugeben? --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 10:55, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
<br />
:Hallo Doclbn. Ich freue mich, wenn Du als Radiologe bei uns mittun willst, Orthopad ist schon lange nicht mehr aktiv. Ich pinge mal unseren Kollegen @[[Benutzer:MBq|Mbq]] an, der sich da auch ein wenig auskennt. LG --[[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] ([[Benutzer Diskussion:Andreas Werle|Diskussion]]) 12:00, 3. Nov. 2024 (CET)<br />
::Hallo Andreas,<br />
::vielen Dank für den freundlichen Empfang. Ich bin ja seit 2001 intensiver WP-Nutzer und habe viele anonyme Edits gemacht, konnte mich aber erst kürzlich zu einem Benutzerkonto durchringen :)<br />
::Ich werde meine kühne Behauptung schnellstmöglich per Bildverarbeitung überprüfen und vom Ergebnis hier berichten. --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 13:14, 3. Nov. 2024 (CET)</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Doclbn&diff=249999828Benutzer:Doclbn2024-11-03T10:35:23Z<p>Doclbn: AZ: Weiterleitung nach Benutzer Diskussion:Doclbn erstellt</p>
<hr />
<div>#REDIRECT [[Benutzer_Diskussion:Doclbn]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Doclbn&diff=249999490Benutzer:Doclbn2024-11-03T10:24:03Z<p>Doclbn: AZ: Weiterleitung auf Https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer Diskussion:Doclbn entfernt</p>
<hr />
<div>https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Doclbn</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Doclbn&diff=249999391Benutzer:Doclbn2024-11-03T10:20:47Z<p>Doclbn: AZ: Weiterleitungsziel von Https://de.wikipedia.org/wiki/User talk:Doclbn nach Https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer Diskussion:Doclbn geändert</p>
<hr />
<div>#REDIRECT [[https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Doclbn]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Doclbn&diff=249999246Benutzer:Doclbn2024-11-03T10:17:31Z<p>Doclbn: Redirect auf die Diskussionsseite</p>
<hr />
<div>#REDIRECT [[https://de.wikipedia.org/wiki/User_talk:Doclbn]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer_Diskussion:Doclbn&diff=249999202Benutzer Diskussion:Doclbn2024-11-03T10:15:57Z<p>Doclbn: Neuer Abschnitt /* Vorstellung */</p>
<hr />
<div>== Vorstellung ==<br />
<br />
Hallo, ich bin Doclbn. Ich freue mich über jeden Diskussionsbeitrag. --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 11:15, 3. Nov. 2024 (CET)</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Salter-Osteotomie&diff=249998642Diskussion:Salter-Osteotomie2024-11-03T09:55:58Z<p>Doclbn: Neuer Abschnitt /* Referenzabbildung normale Hüfte */</p>
<hr />
<div>{{War AdT|1=3. November 2024}}<br />
Ich möchte diesen Artikel nach [[Salter-Osteotomie]] verschieben, um unter dem Namen "Beckenosteotomie" eine Übersicht zu den verschiedenen, aktuell gängigen, Beckenosteotomien zu erstellen. Weitere Artikel über Beckenosteotomien, z.B. die Acetabuloplastik, die Chiari-Osteotomie, die periacetabuläre- Osteotomie, ... sind schon in Arbeit und können dann dort verlinkt werden.<br />
Im übrigen ist der Name "Beckeno..." vielleicht nicht so aussagekräftig, wie der Artikel, der dahinter steckt.<br />
Wenn keiner Einwende hat, werde ich dies in den nächsten Tagen vornehmen.<br />
Grruß, --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 21:28, 13. Apr. 2008 (CEST)<br />
<br />
== Archivierung der erfolgreichen Lesenswert-Kandidatur vom 24. bis zum 31. Mai 2008 ==<br />
<br />
''Die Osteotomie nach Salter (Innominate Osteotomy) ist eine orthopädische Operationstechnik zur mechanischen Verbesserung der Überdachung des Hüftkopfes. Als einfache (zweidimensionale) Beckenosteotomien zählt sie zur Kategorie der Acetabuloplastiken, und somit zu den Standardverfahren in der Hüftdysplasietherapie.''<br />
<br />
Benannt ist sie nach Dr. Robert Bruce Salter, einem Spezialisten für Kinderorthopädie in Toronto, der sie seit 1960 entwickelte und 1961 das erste Mal anwandte. Zu dieser Zeit wurde die Osteotomie noch ausschließlich in Verbindung mit einer offenen (operativen) Reposition des Hüftkopfes eingesetzt. Heute ist dies eher der seltenste Fall.<br />
<br />
Der Artikel entstand aus dem Ursprungsartikel '''Beckenosteotomie''', der Hauptanlass für meine Mitarbeit bei Wiki war. Ich habe Beckenosteotomie zur BKL gemacht und aus der kurzen Erklärung zur Salter-OT, die da stand, diesen Artikel gefertigt. [[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:04, 24. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
* {{Pro}} Sehr schöne Arbeit. NB: Ich habe mal angefangen die Refs mit einer PMID zu versehen. Die Originalarbeit von Salter scheint von 1966 zu sein. Schau doch mal drüber. PMIDs sind ganz hilfreich. lg -- [[Benutzer:Andreas Werle|Andreas Werle]] 21:59, 27. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
* {{pro}} Der Artikel ist wichtig und sowohl für Laien (Eltern betroffener Kinder) gut lesbar und relevant, als auch für Mediziner (außer vielleicht dem operativ tätigen Orthopäden, der sollte den Ihalt auswendig kennen), besonders Medizinstudenten hinreichend ausführlich und wissenschaftlich dargelegt. Er ist in klarer, sauberer Sprache geschrieben, gut strukturiert und hervorragend bebildert. Klar lesenswert, bald sicher auch mehr. <br />
<br />
Danke Thomas. <s>Ein guter Freund von mir schreibt jetzt seine Inaug.-Diss. über das Thema Ersatzbefriedigung (im weitesten Sinne, denn eigentlich geht es um Placebos). In diesem Zusammenhang fand ich dies "Contra" recht spaßig. <br />
Aber mal ganz ernsthaft: Lieber Bewerter, der Grundgedanke einer Enzyklopedie ist, so umfangreich, wie nur möglich, zu sein, oder??? Allen Beteiligten wäre viel mehr damit geholfen, wenn, sollten Sie den Artikel schlecht finden, die Kritik ein wenig klarer und zuweisbarer formuliert würde.</s> Ich muss revidieren, nachdem ich mich mit dieser Art der Massenwertung mal kurz näher befasst habe. Meinen ersten Kommentar lass ich der Richtigkeit halber durchgestrichen stehen, bitte dies aber als Enthalt eines jeden Kommentares meinerseits zu werten. Liebe Grüße, ----[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 18:36, 30. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
*{{Pro}} Klassisch lesenswerter Artikel, gut lesbar und bebildert. Somit für betroffene Eltern eine hervorragende Informationsquelle.[[Benutzer:Uwe Gille|Uwe G.]] [[Benutzer Diskussion:Uwe Gille|¿⇔?]] <sup>[[Wikipedia:Redaktion Medizin|RM]]</sup> 09:05, 31. Mai 2008 (CEST)<br />
<br />
<br />
Artikel hat mit 3 zu 0 Pro-Stimmen die Mindestanforderungen für ''lesenswert'' knapp erreicht. <br />
--[[Spezial:Beiträge/130.133.134.83|130.133.134.83]] 10:40, 1. Jun. 2008 (CEST)<br />
== [[Salter-Osteotomie]] Reviewarchivierung ==<br />
Der Artikel hieß vorher "Beckenosteotomie" und beschrieb die Salter-Technik eher mager. Hab ihn verschoben und jetzt, wo ich Zeit hatte, das ganze mal mit Text gefüllt. <br />
Ich hoffe auf reichlich Kritik. --[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] 09:51, 10. Mai 2008 (CEST)<br />
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:Paar Kleinigkeiten habe ich schon gemacht. Den Geschichtsteil würde ich weiter nach vorne packen (ist aber Geschmackssache) und dessen letzten Satz überarbeiten. Widerspricht sich der nicht (''abgelöst'' vs. ''gleiche bleibt'')? [[Benutzer:Curtis Newton|Curtis Newton]] [[Benutzer Diskussion:Curtis Newton|↯]] 20:51, 16. Mai 2008 (CEST)<br />
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Diesmal ein wenig kürzer:<br />
*Was mir schon beim anderen Artikel aufgefallen ist: Du verwendest sehr gerne Bindestriche um einzelne Gedanken abzutrennen. In den meisten Fällen sind die aber gar nicht notwendig. Außerdem wirfst du immer mal Halbsätze in Klammern ein, die ausformuliert wesentlich ästhetischer wären.<br />
*Ein Bild des normalen Hüftgelenks wäre evtl. nicht schlecht.<br />
*Die Erwähnung von Morbus Perthes kommt ein wenig überraschend.<br />
*Der Technikabschnitt sollte noch ausgebaut werden, insbesondere wie die Schwenkung erreicht wird (Irgendwo weiter unten erwähnst du mal einen Knochenkeil. Wo kommt der her?)<br />
:MfG, [[Benutzer:Lennert B|Lennert B]] [[User Talk:Lennert B|<small>d</small>]] 01:25, 17. Mai 2008 (CEST)<br />
UPDATE: Technik, Geschichte, Indikationen nochmal überarbeitet. Bild einer gesunden kindlichen Hüfte ist bereit drin.<br />
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--[[Benutzer:Rainer Lippert|Rainer Lippert]] 17:41, 29. Mai 2008 (CEST)<br />
{{Erl.|1=[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]] <sup>[[WP:RM|RM]] [[Benutzer Diskussion:OrthoPat|Disk]]</sup> 13:40, 1. Jun. 2008 (CEST)}}<br />
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== Referenzabbildung normale Hüfte ==<br />
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Es tut zwar der Aussagekraft im Artikel keinen Abbruch, und es ist in Bild und Beschreibungsseite auch keine explizite Seite angegeben, aber einem erfahrenen Radiologen springt dennoch sofort ins Auge, dass das als Referenz gezeigte Röntgenbild der normalen, nach üblicher Konvention „rechten“ Hüfte höchstwahrscheinlich die ausgeschnittene und spiegelverkehrt abgebildete „linke“ Hüfte auf dem gezeigten Röntgenbild mit der Dysplasie „rechts“ ist. Beide Bilder datieren Mai 2008 und stammen von demselben Autor @[[Benutzer:OrthoPat|OrthoPat]], was dieser These zumindest nicht widerspricht.<br />
Wäre es (nach Verifikation mit einer Bildverarbeitungssoftware) sinnvoll, dies als Hinweis bei den Abbildungen anzugeben? --[[Benutzer:Doclbn|Doclbn]] ([[Benutzer Diskussion:Doclbn|Diskussion]]) 10:55, 3. Nov. 2024 (CET)</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Stra%C3%9Fenbahn_Cottbus&diff=249475465Straßenbahn Cottbus2024-10-16T12:54:43Z<p>Doclbn: Umfirmiert im Juli 2024, Link eingefügt</p>
<hr />
<div>{{Infobox Straßenbahnsystem<br />
|Name = Straßenbahn Cottbus<br />
|Logo = <br />
|Bild = <br />
|LegendeBild = Straßenbahnen nach Modernisierungsprogramm „Langläufer“<br />
|Netzplan = Cottbus Strassenbahnnetz 2019.png<br />
|LegendeNetzplan = Netzplan (Stand 2019)<br />
|Staat = [[Deutschland]]<br />
|Stadt = [[Cottbus]]<br />
|Eröffnung = 18. Juli 1903<br />
|Elektrifizierung = seit Eröffnung<br />
|Betreiber = [[Cottbusverkehr]] GmbH<br />
|Verkehrsverbund = [[Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg|VBB]]<br />
|Streckenlänge = 26,1<br />
|ehemalige Streckenlänge = <!-- größte Ausdehnung des Streckennetzes in der Vergangenheit--><br />
|Gleislänge = <!--Länge der im Linienverkehr befahrenen Gleise--><br />
|Linienlänge = 25,5<br />
|Spurweite = 1000<br />
|Strom = 600 [[Volt]] [[Gleichstrom|DC]] Oberleitung<br />
|Betriebsart = Einrichtungsbetrieb<br />
|Stationen = 49<br />
|Tunnelbf = <!--davon unterirdisch--><br />
|Betriebshöfe = 1<br />
|Linien = 4<br />
|Taktfolge = 10–20 min<!--Taktintervall in der HVZ--><br />
|TaktfolgeSVZ = <!--Taktintervall in der SVZ--><br />
|Reisegeschwindigkeit = <!--mittlere Reisegeschwindigkeit (in km/h)--><br />
|Fahrzeuge = 21 KTNF6<br />
|Höchstgeschwindigkeit = <!--Höchstgeschwindigkeit (in km/h)--><br />
|Bezugsjahr = 2019<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cottbusverkehr.de/unternehmen/ |titel=Daten & Fakten |abruf=2019-10-28}}</ref><br />
|Passagiere = <!--Anzahl Passagiere / Zeiteinheit (z.&nbsp;B. 600.000 pro Jahr)--><br />
|EinzugEinwohner = 100000<br />
|Fahrleistung = 1 Mio/Jahr<br />
|Mitarbeiter = <!--Anzahl der Mitarbeiter--><br />
}}<br />
<br />
Die '''Straßenbahn Cottbus''' ist seit dem Jahr 1903 das Rückgrat des [[Öffentlicher Personennahverkehr|Öffentlichen Personennahverkehrs]] in [[Cottbus]]. Es verkehren vier, am Wochenende drei, [[Straßenbahn]]linien, die auf einem [[Netzlänge#Streckenlänge|Streckennetz]] von 35,3 Kilometern Länge insgesamt 49 [[Haltestelle]]n bedienen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
=== Anfänge ===<br />
Der erste öffentliche Personennahverkehr in Cottbus war eine [[Pferdeomnibus]]linie, die im Jahr 1893 von Josew Klopzynsky eingerichtet wurde. Sie verkehrte zwischen Sandow und dem Cottbuser Bahnhof. Der Fahrpreis betrug damals 30 [[Mark (1871)|Pfennig]].<br />
<br />
Am 14. Juni 1898 schrieb die Stadt Cottbus den Bau eines Elektrizitätskraftwerkes aus. Da die Leistung für einen inzwischen geplanten Straßenbahnbetrieb aber zu gering gewesen wäre, wurde im Jahr 1899 erneut der Bau eines E-Werks ausgeschrieben. Am 2. März 1900 wurde einstimmig beschlossen, dass das E-Werk von der Firma [[Siemens & Halske]] gebaut werden soll. Außerdem wurde beschlossen, dass die Firma Dresdner Elektra AG für den Bau und Betrieb der Straßenbahn den Zuschlag bekommt. Als der Vertrag kurz vor der Unterzeichnung stand, zog sich die Firma Elektra zurück und da sich keine weitere Firma fand, sollte für den Bau und Betrieb der Straßenbahn nun Siemens & Halske einen Kostenvoranschlag vorlegen. Der Preis für das Kraftwerk betrug etwa 1&nbsp;Million [[Goldmark|Mark]] und für die Straßenbahn inklusive Gleise, Betriebshof und Grunderwerb circa 800&nbsp;000&nbsp;Mark. Erst am 6. Februar 1901 schlug die Kommission die Annahme des Projektes vor, es sollte den Bau der Straßenbahn in städtischer Eigenregie und die Finanzierung durch einen Kredit umfassen. Nach einem halben Jahr stimmten darauf auch die Stadtverordneten zu.<br />
<br />
[[Datei:Cottbus Sonderfahrt.jpg|mini|Historisches Fahrzeug der Cottbuser Straßenbahn]]<br />
<br />
Am 28. Juli 1902 begannen die Gleisverlegearbeiten in der [[Berliner Straße (Cottbus)|Berliner Straße]] und am 22. September der Bau des [[Betriebshof Cottbus-Mitte|Betriebshofes]], auch an der Berliner Straße. Am 27. April 1903 begann der Probebetrieb im E-Werk und das Leitungsnetz der Straßenbahn wurde unter Spannung gesetzt. Die [[Spree]] trieb zwei Turbinen mit je 200 PS an, die an drei Generatoren gekuppelt waren. Zu den zwei Pufferbatterien gab es noch zwei stehende Verbunddampfmaschinen mit je 300 PS der „Cottbusser Maschinenbauanstalt AG“. Jede Maschine trieb einen Generator mit 225 kW für das Ortsnetz und einen mit 68 kW für den Bahnbetrieb an. Am 22. Juni 1903 begannen die ersten Probefahrten auf den schon fertiggestellten Gleisabschnitten. Am 18. Juli 1903 um 8:30 Uhr, einem Samstag, erfolgte die landespolizeiliche Abnahme der 2000 Meter langen ersten Linie (Rot) vom Staatsbahnhof bis zur Oberkirche. Um 11:00 Uhr erfolgte dann die eigentliche Eröffnung. Der Fahrpreis betrug zum Start zehn Pfennig. Bezahlt wurde direkt beim Einsteigen, die zehn Pfennig waren in den [[Zahlbox|Zahlkasten]] einzuwerfen. Das Netz wurde bis Ende 1903 auf 8,5 Kilometer ausgebaut: Eröffnet wurden die blaue Linie von der Grenze Ströbitz zum Alten Friedhof, die gelbe Linie vom Nordfriedhof zum Spreewaldbahnhof sowie eine Verlängerung der roten Linie zur Sandower Apotheke. Nach Ablauf des vertragsgemäßen Probebetriebs übernahm die Stadt Cottbus am 14. Januar 1904 das E-Werk und die Straßenbahn von der Firma „Siemens & Halske“. Die Cottbuser Straßenbahn besaß zu diesem Zeitpunkt 29 [[Triebwagen|Trieb-]] und acht [[Beiwagen (Bahn)|Beiwagen]]. Die Streckenlänge betrug 1909 insgesamt 12,53 Kilometer. 1913 wurden bereits 2,5 Millionen Fahrgäste befördert, die Einnahmen betrugen 250.000 Mark, diese waren allerdings nicht kostendeckend.<br />
<br />
=== Zwischenkriegszeit ===<br />
1918 waren es dann schon 4,65 Millionen Fahrgäste. Da bei diesem Ansturm das Bezahlen an Zahlkästen nicht mehr kontrollierbar war, wurden am 1. Januar 1918 Schaffnerinnen eingesetzt, die das Fahrtgeld von jetzt 15 Pfennig kassierten. Durch die allgemeine Wirtschaftskrise und die Geldentwertung stieg der Fahrpreis zum 1. Juli 1919 auf 20 Pfennig. Nach der Kündigung aller Schaffner(innen) wurden zum 11. Juli 1920 die Zahlkästen wieder eingeführt. Aber im Gegensatz zu früher durfte kein Geld mehr eingeworfen werden, sondern nur noch die vorher ausgegebenen [[Straßenbahnmünze|Fahrmarken]]. Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] hatte auch die Cottbuser Straßenbahn Probleme, es mussten Streckenteile stillgelegt werden. Am 24. Mai 1923 wurde dann der gesamte Straßenbahnverkehr eingestellt. Als die Straßenbahn ihren Betrieb wieder aufnahm, stieg auch der Fahrpreis. Die Fahrgäste mussten nun wieder 15 Pfennig in bar in den Zahlkasten einwerfen. 1928 wurden 4,18 Millionen Fahrgäste gezählt, da die Straßenbahn aber immer noch keinen Gewinn einfuhr, wurde am 15. Oktober 1928 der Fahrpreis auf 20 Pfennig angehoben. Der Fahrpreis musste nun wieder beim Schaffner gezahlt werden. Ab 1927 ergänzte ein [[Omnibus]] den Straßenbahnverkehr.<br />
<br />
Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] gab es wiederum viele Unannehmlichkeiten, so mussten die leuchtenden Linienfarben an den Bahnen verdunkelt werden. Dadurch waren nun aber die Linien nicht mehr zu erkennen, daher wurden Liniennummern eingeführt. Die Triebwagen trugen über den Scheinwerfern ein Blechschild mit der Liniennummer, so dass es schwach beleuchtet wurde. Die Fahrgastzahl stieg 1942 auf inzwischen 6,8 Millionen, 1944 waren es 13,3 Millionen Passagiere.<br />
<br />
=== Nach dem Zweiten Weltkrieg ===<br />
Nach Ende des Krieges wurde nach und nach alles wieder instand gesetzt und aufgebaut. Nach 1945 wurden in der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] (SBZ) zahlreiche Firmen enteignet, unter kommunale Verwaltung gestellt oder den Stadtwerken zugeordnet. Zum 1. April 1949 wurden die „KWU Cottbuser Stadtwerke“ gebildet, dazu gehörten das E-Werk inklusive Straßenbahn und das Gas- und Wasserwerk. Bis zum Jahr 1968, als die Betriebsführung an den ''[[Volkseigener Betrieb|VEB]] Cottbusverkehr'' überging, änderte sich die Bezeichnung des Unternehmens und sein Zuschnitt mehrfach.<br />
<br />
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-L0721-0342, Cottbus, Altstadt, Spremberger Turm.jpg|mini|Straßenbahn am [[Spremberger Turm]] (1972)]]<br />
Zwischen 1953 und 1972 wurden alle Straßenbahnendhaltestellen, außer am Bahnhof, mit Wendeschleifen ausgerüstet. Damit war der Einsatz von Einrichtungsfahrzeugen auf fast allen Linien möglich. Dazu wurde eine Dispatcherzentrale eingerichtet und es gab ein neues Logo. Cottbus besaß als erster Straßenbahnbetrieb der DDR ausschließlich zweiachsige Einheitswagen (GOTHA). Nachdem das Cottbuser Stadtzentrum von 1971 bis 1974 als ein sozialistisches Stadtzentrum in industrieller Bauweise (Plattenbau) neu errichtet worden war, wurde auch die Straßenbahntrasse von der [[Spremberger Straße (Cottbus)|Spremberger Straße]] in die neu gebaute [[Stadtpromenade Cottbus|Stadtpromenade]] verlegt. Am 12. März 1976 wurden die [[Zahlbox]]en durch [[Entwerter#Lochentwerter|Lochentwerter]] ersetzt, da die Zahl der [[Beförderungserschleichung|Schwarzfahrer]] immer mehr zunahm.<br />
<br />
In den nächsten Jahren wurde unter anderem die Straßenbahnverbindung nach Sachsendorf gebaut – 1977, es folgte die Straßenbahnstrecke zum [[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] – 1978 und weiter zur Jessener Straße – 1980 sowie nach Schmellwitz – 1984. Insgesamt wurde das Straßenbahnnetz von 13 Kilometern im Jahr 1949 auf 21 Kilometer im Jahr 1983 erweitert.<br />
Zudem wurden die Endhaltestellen nach und nach mit Wendeschleifen aus- bzw. neugebaut:<br />
* 1953 Sportzentrum<br />
* 1965 Ströbitz<br />
* 1966 Thiemstraße<br />
* 1968 Alt-Schmellwitz<br />
* 1970 Madlow<br />
* 1972 Sandow<br />
* 1978 Sachsendorf<br />
* 1980 Jessener Straße<br />
* 1984 Neu-Schmellwitz<br />
<br />
Der neue Stadtring und ein neues Bahnhofsgebäude wurden errichtet. Die Linie 4 zum alten Bahnhof wurde eingestellt, die Gleise in der Bahnhofstraße wurden dann für zwölf Jahre stillgelegt. Am 22. Dezember 1978 trafen die ersten neuen Straßenbahnwagen des Typs [[Tatra KT4|KT4D]] des tschechoslowakischen Herstellers [[ČKD Tatra]] ein. Am 4. Oktober 1979 fuhren die ersten zwölf neuen KT4D in Doppeltraktion auf der Linie 3. Da bei Verkehrsstörungen die Information der Fahrgäste immer problematisch war, wurden am 1. April 1986 hierfür 15 funkgesteuerte Haltestellen-Informationsanlagen in Betrieb genommen. 1988 fand erstmals öffentlich eine Veranstaltung zum Jubiläum der Straßenbahn statt, auch wenn es das relativ krumme 85-Jährige war. Ab dem 2. Oktober 1989 wurden bei der Cottbuser Straßenbahn Dreiwagenzüge aus KT4D auf der Linie 4 eingesetzt. Ein solcher Dreiwagenzug hat eine Länge von 57 Metern und konnte 321 Fahrgäste aufnehmen. Dazu war es nötig, die Bahnsteige auf 60 Meter zu verlängern und die Signalanlagen anzupassen.<br />
<br />
[[Datei:Knotenpunkt an der Stadhalle (2) - geo-en.hlipp.de - 13380.jpg|mini|Straßenbahn vor dem [[Neues Rathaus (Cottbus)|Neuen Rathaus]] bei der Einfahrt in die Haltestelle Stadthalle]]<br />
<br />
=== Nach 1989 ===<br />
Als sich am 9. November 1989 das Ende der DDR durch den [[Fall der Mauer]] abzeichnete, stand Cottbusverkehr vor einem der größten Umbrüche seiner Geschichte. Plötzlich gab es zahlreiche Gebrauchtwagen „Made in BRD“, die Fahrgastzahlen sanken rapide. Die Fahrtarife waren aufgrund der „Politik der stabilen Preise“ zu DDR-Zeiten nie überarbeitet worden. Die Einnahmen 1991 deckten nur 41 Prozent der Ausgaben. Eine erhebliche Preiserhöhung war die Folge, diese betrug 300 Prozent, von 15 Pfennig auf 50 Pfennig. Seit dem 23. September 1990 fährt die Straßenbahn auch wieder über die neue Bahnhofsbrücke und über die [[Bahnhofstraße (Cottbus)|Bahnhofsstraße]]. Neben der Modernisierung des Wagenparks stand nach der Wiedervereinigung die Modernisierung und der zweigleisige Ausbau folgender Straßenbahnstrecken im Mittelpunkt der Investitionen; bis zum Jahr 2000 konnten die wichtigsten Streckenabschnitte (Friedrich-Ebert-Straße; Karlstraße bis Nordfriedhof; Altmarkt bis Muskauer Platz; [[Berliner Straße (Cottbus)|Berliner Straße]] bis Ströbitz und Dresdener Straße/Madlower Hauptstraße bis Spree-Straße) zweigleisig ausgebaut werden.<br />
<br />
[[Datei:Tram143+Stadthalle.jpg|hochkant=1.5|mini|Tatra-KTNF6-Bahn mit Niederflurmittelteil]]<br />
[[Datei:Cottbus Strassenbahn Spremberger Turm.jpg|mini|Straßenbahn der Linie 2 am Spremberger Turm]]<br />
1990 musste Cottbusverkehr noch die von der DDR vertraglich zugesagten Straßenbahnwagen abnehmen, 15 KT4D und Anfang 1991 wurden noch sieben KT4D aus Erfurt übernommen. Das hatte zur Folge, dass die zweiachsigen „Gotha“-Einheitswagen nicht mehr gebraucht wurden. Diese hatten am 8. März ihre letzten Linienfahrten und am 24. März 1991 eine Abschiedsfahrt. Der Wagenbestand bei der Straßenbahn betrug nun 72 Gelenkwagen „Tatra KT4D“. Bei der Straßenbahn stellte sich die Frage: ''Neue Niederflurwagen oder eine Umrüstung?'' Da die finanziellen Mittel stark begrenzt waren, wurde umgerüstet. Die „Mittenwalder Gerätebau GmbH“ (MGB) hatte den Vorschlag, in einem Gelenkwagen ein niederfluriges Mittelteil einzusetzen. Gemeinsam mit Cottbusverkehr und den Schweizer Firmen „[[Schindler Waggon]]“ und „[[SIG Holding|FIAT-SIG Schienenfahrzeuge]]“ realisierte MGB den Plan und am 18. Mai 1995 gelangte der Tw72 nach [[Mittenwalde]]. Die neue Bezeichnung der Tatra-Wagen mit Niederflurmittelteil war [[Tatra KT4|KTNF6]]. Seit dem 1. April 2004 setzt Cottbusverkehr nur noch Straßenbahnen mit Niederflurmittelteil im Linienverkehr ein. Damit ist Cottbus die erste Stadt in Deutschland, in der alle Fahrten mit Niederflurteil verkehren. Nach dem Cottbuser Vorbild wurden in vielen Städten Straßenbahnen auch mit einem Niederflurmittelteil umgerüstet, z.&nbsp;B. in [[Straßenbahn Mülheim/Oberhausen|Mülheim]], [[Straßenbahn Braunschweig|Braunschweig]], [[Strassenbahn Basel|Basel]] (Schweiz), [[Straßenbahn Göteborg|Göteborg]] (Schweden) oder [[Straßenbahn Tallinn|Tallinn]] (Estland).<br />
<br />
Da das Land Brandenburg über viele Jahre keine Fördermittel zur Anschaffung von neuen Straßenbahnfahrzeugen zur Verfügung stellte, begann im Jahr 2011 eine weitere Modernisierungswelle des Fuhrparks: Unter der Bezeichnung ''Langläufer'' sollten insgesamt 15 KTNF6 für mindestens 16 weitere Betriebsjahre aufgefrischt werden. Im Rahmen der planmäßigen Hauptuntersuchungen erhielten die Fahrzeuge ein komplett neues Innenleben samt Deckenverkleidung und Sitzen, frischen Lack sowie eine neue Beklebung. Am 25. April 2012 wurde mit Triebwagen 135 der erste Langläufer eingesetzt. Bis Dezember 2020 waren es bereits 12 umgebaute Langläufer. Diese sind derzeit die Fahrzeuge 109, 129, 130, 133, 135, 138, 140, 143, 148, 149, 169 und 170.<br />
<br />
Am 26. September 2012 wurde von der [[Politik in Cottbus|Stadtverordnetenversammlung]] das neue ÖPNV-Konzept beschlossen. Danach sollte der Abschnitt Schmellwitz-Anger – Bonnaskenplatz im Herbst 2015 stillgelegt werden. Als Grund wurden erhoffte Einsparungen von 370.000 Euro im Jahr angeführt. Dieser Plan wurde im Jahr 2015 jedoch wieder verworfen (siehe auch: [[#Diskussion über den Fortbestand und Weiterentwicklung der Straßenbahn|Diskussion über den Fortbestand und Weiterentwicklung der Straßenbahn]]).<br />
<br />
Der Bahnhofsvorplatz wurde von 2016 bis 2019 zu einem Verkehrsknotenpunkt für Straßenbahn, Stadtbus und Regionalbus umgestaltet.<ref>{{Internetquelle |autor=Peggy Kompalla |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/grosser-bahnhof-fuer-den-bahnhof_aid-3325696 |titel=Großer Bahnhof für den Bahnhof |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2015-12-12 |abruf=2018-11-15}}</ref> (siehe auch: [[Cottbus Hauptbahnhof#Zentraler Verkehrsknotenpunkt Bahnhofsvorplatz|Zentraler Verkehrsknotenpunkt Cottbus]]).<br />
<br />
Im Frühjahr 2018 wurde bekannt, dass Cottbusverkehr zusammen mit den – ebenfalls meterspurigen – Betrieben aus [[Straßenbahn Frankfurt (Oder)|Frankfurt (Oder)]] und [[Straßenbahn Brandenburg an der Havel|Brandenburg an der Havel]] eine Ausschreibung von Neufahrzeugen vornehmen wird. Insgesamt sollen 45 Bahnen eines einheitlichen Typs ausgeschrieben werden, wovon 20 auf Cottbus entfallen. Sieben davon sollen direkt beschafft, 13 weitere als Option hinterlegt werden. Dafür sollen 15,8 Millionen Euro investiert werden, wovon 8,4 Millionen Euro von der Stadt Cottbus bereitgestellt werden müssen. Die restliche Summe finanziert Cottbusverkehr aus Eigenmitteln sowie durch neue Zuschüsse des Landes Brandenburg. Die Auslieferung der Fahrzeuge soll schrittweise bis 2023 erfolgen.<ref name="rbb-2018-02-21">{{Internetquelle |url=https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2018/02/brandenburg-cottbus-frankfurt-kaufen-gemeinsam-trams-strassenbah.html |titel=Brandenburg, Cottbus und Frankfurt kaufen gemeinsam Trams |titelerg=Meldung auf RBB-Online |datum=2018-02-21 |abruf=2018-04-14}}</ref><ref name="lr-2018-04-25">{{Internetquelle |autor=Peggy Kompalla |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/cottbus-kauft-neue-strassenbahnen_aid-19592469 |titel=Cottbus kauft neue Straßenbahnen |werk=[[Lausitzer Rundschau]] |datum=2018-04-25 |abruf=2018-05-01}}</ref> Die Auslieferung wird sich verzögern, da nach der Vergabe der unterlegene Bieter bei der Vergabekammer Einspruch einlegte.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2019/11/tram-strassenbahnen-brandenburg-verzoegerungen.html |titel=Neue Straßenbahnen kommen einige Monate später |abruf=2020-01-14 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
Mit Urteil vom 2. Juni 2020 lehnte das [[Brandenburgisches Oberlandesgericht|Oberlandesgericht Brandenburg]] den Einspruch als unbegründet ab und machte damit den Weg für die Beschaffung frei. Die Vergabe des Auftrags an die tschechische Firma [[Škoda Transportation]] ist damit rechtskräftig.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cottbusverkehr.de/olg-macht-den-weg-fuer-neue-strassenbahnen-frei/ |titel=OLG macht den Weg für neue Straßenbahnen frei – Cottbusverkehr |abruf=2020-06-03 |sprache=de-DE}}</ref><br />
<br />
Am 17. Februar 2021 erteilten die Betreiber der Straßenbahnen in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg (Havel) offiziell den Auftrag zur Lieferung von neuen Straßenbahnen.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.skoda.cz/de/in-brandenburg-werden-weitere-hochmoderne-niederflurstrassenbahnen-von-skoda-fahren/|titel=Meldung von Skoda Transportation über die Lieferung von 24 Straßenbahnen an die Verkehrsbetriebe Brandenburg (Havel), Cottbusverkehr und Stadtverkehrsgesellschaft Frankfurt (Oder)|abruf=2021-02-17}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.cottbusverkehr.de/verkehrsunternehmen-erteilen-skoda-zuschlag-fuer-neue-strassenbahnen/|titel=Meldung von Cottbusverkehr über die offiziell erfolgte Vergabe an Skoda Transportation|abruf=2021-02-17}}</ref> Geliefert wird der Typ [[Škoda ForCity]] Plus in einer sechsachsigen Variante. Auf einen Mittelwagen mit einem nicht ausdrehbaren Fahrwerk werden die beiden Endwagen mit je einem Antriebsdrehgestell aufgesattelt. Die Neufahrzeuge haben ein Niederfluranteil von 70 %, ihre Auslieferung beginnt ab dem Frühjahr 2024.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=A0al1m423Eg |titel=So plant Cottbusverkehr {{!}} Neue Bahnen ab 2024, Wasserstoffbusse, Streckenerweiterungen etc... |datum=2022-06-12 |abruf=2023-06-20}}</ref><br />
<br />
Die Neubaufahrzeuge sollen im Gegensatz zu den anderen beiden Städte die Tatra-Züge verstärken und nicht ersetzen, die Pläne der Stadt sehen einen 10-Minuten-Takt auf allen Linien vor.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=A0al1m423Eg |titel=So plant Cottbusverkehr {{!}} Neue Bahnen ab 2024, Wasserstoffbusse, Streckenerweiterungen etc... |datum=2022-06-12 |abruf=2023-06-20}}</ref><br />
<br />
== Fahrzeuge ==<br />
Für den Betrieb stehen 21 teilniederflurige Straßenbahnwagen vom Typ [[Tatra KTNF6]] zur Verfügung.<br />
<br />
Im Juni 2024 wurde das erste Fahrzeug von 22 neu bestellten [[Škoda Transportation|Škoda]]-Straßenbahnen des Typs [[Škoda ForCity|ForCity Plus]] geliefert.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cottbus.de/aktuelles/mitteilungen/2024-06/begruessung_der_ersten_neuen_strassenbahn.html |titel=Begrüßung der ersten neuen Straßenbahn |sprache=de |abruf=2024-06-08}}</ref> Die Fahrzeuge sind 20 cm breiter als die bislang eingesetzten Tatra-Straßenbahnen. Bei einer Länge von 29 Metern bieten sie 61 Sitzplätze und 6 weitere Klappsitze sowie eine Gesamtkapazität von 158 Fahrgästen.<br />
<br />
=== Fahrzeugstatistik ===<br />
{| class="wikitable center"<br />
|-- style="color:black; background:#C0C0C0;"<br />
! style="width:10%"| Fahrzeugtyp<br />
! style="width:3%"| 1904<br />
! style="width:3%"| 1910<br />
! style="width:3%"| 1928<br />
! style="width:3%"| 1950<br />
! style="width:3%"| 1960<br />
! style="width:3%"| 1970<br />
! style="width:3%"| 1978<br />
! style="width:3%"| 1981<br />
! style="width:3%"| 1992<br />
! style="width:3%"| 2001<br />
! style="width:3%"| 2007<br />
! style="width:3%"| 2010<br />
! style="width:3%"| 2011<br />
! style="width:3%"| 2023<br />
|-<br />
|Zweiachsige Triebwagen||18||22||28||28||32||32||29||29||2*||3*||3*||3*||3*||3*<br />
|-<br />
|Zweiachsige Beiwagen||6||8||8||14||15||27||38||38||1*||1*||1*||1*||1*||1*<br />
|-<br />
|Gelenktriebwagen||–||–||–||–||–||–||2||22||71||36||26||24||21||21|22**<br />
|-<br />
|Arbeitstriebwagen||–||–||–||–||–||–||-||3||3||1||1||2||2||2<br />
|}<br />
<nowiki>*</nowiki>historische(r) Wagen, nicht im normalen Tageseinsatz<br />
<nowiki>**</nowiki>1 KTNF6 – Leihgabe aus Schöneiche<br />
<br />
== Betriebshöfe ==<br />
=== Ehemalige Betriebshöfe ===<br />
[[Datei:054 old depot Madlow.png|mini|Ehemaliges Depot Madlow]]<br />
<br />
; [[Betriebshof Cottbus-Mitte|Betriebshof Berliner Straße]] (1903–2001)<br />
Für Straßenbahn und ab 1939 mit Buswerkstatt, 1944/45 kamen eine Lackiererei und eine mechanische Werkstatt hinzu. Des Weiteren gab es eine Waschanlage unter freiem Himmel, diese wurde später überdacht. Seit 1982 wurde der Betriebshof nur noch für Straßenbahnen genutzt. Das Gelände wurde 2003 verkauft.<br />
<br />
; [[Straßenbahndepot Madlow|Straßenbahn-Depot Madlow]] (1927–1998)<br />
Ein kleines Depot für vier kleine Fahrzeuge, daher wurde es von 1971 bis 1981 als Bus-Karosseriewerkstatt genutzt. Danach waren dort der Turmtriebwagen und die „historischen“ Fahrzeuge untergebracht. Im Dezember 1998 wurde das Gebäude verkauft.<br />
<br />
=== Heutiger Betriebshof ===<br />
[[Datei:065 main entrace to depot Schmellwitz.png|mini|Zufahrt zum Betriebshof Schmellwitz]]<br />
Der Betriebshof Schmellwitz im Cottbuser Norden wurde nach der Grundsteinlegung am 20. August 1996 innerhalb von etwa drei Jahren gebaut. Der erste Bauabschnitt wurde bereits am 26. Februar 1998 eröffnet, am 30. Oktober 1998 fand das Richtfest für die Straßenbahn- und Buswerkstatt statt und die Abstellflächen für Busse und die Tankstelle wurden fertig gestellt. Der Betriebshof ging am 26. November 1999 offiziell in Betrieb, im Januar 2001 wurden das Dienstgebäude und die Leitstelle ihrer Funktion übergeben.<br />
<br />
Der Betriebshof hat eine Fläche von 79.420 m² und verfügt über 6115 Meter Gleise, davon 3470 Meter Abstell- und Betriebsgleise. Auf dem Gelände sind 33 Weichen verbaut.<br />
<br />
== Linien ==<br />
Im Zuge der Eröffnung der neuen Umsteigestation am Hauptbahnhof wurde zum 22. Oktober 2019 ein neues Liniennetz eingeführt,<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cottbusverkehr.de/inbetriebnahme-verkehrsknoten-und-fahrplanwechsel/ |titel=Inbetriebnahme Verkehrsknoten und Fahrplanwechsel |werk=cottbusverkehr.de |datum=2019-10-20 |abruf=2019-10-23}}</ref> welches aus folgenden Linien besteht:<br />
<!--<br />
{{Farblegende|#FFF002| '''1'''}}<br />
{{Farblegende|#C32B3C| '''2'''}}<br />
{{Farblegende|#4098DE| '''3'''}}<br />
{{Farblegende|#239537| '''4'''}}<br />
--><br />
<br />
{{Tabellenstile}}<br />
{| class="wikitable sortable mw-datatable"<br />
|+ Linienübersicht<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Linie<br />
! class="unsortable"| Linienverlauf<br />
! Fahrzeit<br />
! Haltestellen<br />
! Takt Montag–Freitag<br />
! Takt Sonnabend<br />
! Takt Sonn- und Feiertag<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#FFF002; color:white;" | '''1'''<br />
| '''[[Schmellwitz]] Anger/ Chmjelow''' '''Najs'''&nbsp;– Nordfriedhof / Połnocny kjarchob&nbsp;– Bonnaskenplatz / Bonarske naměsto&nbsp;– Stadthalle / Měsćańska hala&nbsp;– Stadtpromenade / Měsćańska promenada&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– '''[[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] / Głowne dwórnišćo'''<br />
| 15 min<br />
| 11<br />
| 20 min<br />
| –<br />
| –<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#C32B3C; color:white;" | '''2'''<br />
| '''[[Sandow (Cottbus)|Sandow]] / Žandow'''&nbsp;– Am Doll / Pśi dole&nbsp;– Altmarkt / Stare wiki&nbsp;– Stadthalle / Měsćańska hala&nbsp;– Stadtmuseum / Měsćański muzej&nbsp;– [[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] / Głowne dwórnišćo&nbsp;– '''Jessener Straße / Jaseńska droga'''<br />
| 17 min<br />
| 12<br />
| 15 min<br />
| 30 min<br />
| 30 min<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#4098DE; color:white;" | '''3'''<br />
| '''[[Ströbitz (Cottbus)|Ströbitz]] / Strobice''', Hans-Sachs-Str. / H. Sachsowa droga&nbsp;– Stadthalle / Měsćańska hala&nbsp;– Stadtpromenade / Měsćańska promenada&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– Sportzentrum / Sportowy centrum&nbsp;– Badesee Madlow / Módłański jazor&nbsp;– '''Madlow / Módłej'''<br />
| 23 min<br />
| 16<br />
| 15 min<br />
| 30 min<br />
| 30 min<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#239537; color:white;" | '''4'''<br />
| ('''Betriebshof [[Schmellwitz]] / Depot Chmjelow'''&nbsp;–) '''Neu Schmellwitz / Nowy Chmjelow'''&nbsp;– Zuschka / Cužka&nbsp;– Sportpalast / Sportowy palast&nbsp;– Bonnaskenplatz / Bonarske naměsto&nbsp;– Stadthalle / Měsćańska hala&nbsp;– Stadtpromenade / Měsćańska promenada&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– [[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] / Głowne dwórnišćo&nbsp;– Gelsenkirchener Platz / Gelsenkirchenske naměsto&nbsp;– '''[[Sachsendorf (Cottbus)|Sachsendorf]] / Knorawa'''<br />
| 28 min<br />
| 20<br />
| 10 min<br />
| 15 min<br />
| 30 min<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
Bis zum Oktober 2019 galt folgendes Liniennetz:<br />
<!--<br />
{{Farblegende|#FFF002| '''1'''}}<br />
{{Farblegende|#C32B3C| '''2'''}}<br />
{{Farblegende|#4098DE| '''3'''}}<br />
{{Farblegende|#239537| '''4'''}}<br />
{{Farblegende|#EA941E| '''5'''}}<br />
--><br />
<br />
{| class="wikitable sortable mw-datatable"<br />
|+ Linienübersicht<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Linie<br />
! class="unsortable"| Linienverlauf<br />
! Fahrzeit<br />
! Haltestellen<br />
! Takt Montag–Freitag<br />
! Takt Sonnabend<br />
! Takt Sonn- und Feiertag<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#FFF002; color:white;" | '''1'''<br />
| '''[[Schmellwitz]] Anger/ Chmjelow''' '''Najs'''&nbsp;– Nordfriedhof / Połnocny kjarchob&nbsp;– Bonnaskenplatz / Bonarske naměsto&nbsp;– Stadthalle / Mešćańska hala&nbsp;– Marienstr./Busbahnhof / Marijina droga/Busowe dwórnišćo&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– [[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] / Głowne dwórnišćo&nbsp;– '''Jessener Straße / Jaseńska droga'''<br />
| 20 min<br />
| 14<br />
| 20 min<br />
| –<br />
| –<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#C32B3C; color:white;" | '''2'''<br />
| '''[[Sandow (Cottbus)|Sandow]] / Žandow'''&nbsp;– Am Doll / Pśi dole&nbsp;– Altmarkt / Stare wiki&nbsp;– Stadthalle / Mešćańska hala&nbsp;– Stadtmuseum / Mešćański muzeum&nbsp;– Thiemstr./[[Cottbus Hauptbahnhof|Hbf]] / Thiemowa droga/GŁD&nbsp;– Gelsenkirchener Platz / Gelsenkirchenska naměsto&nbsp;– '''[[Sachsendorf (Cottbus)|Sachsendorf]] / Knorawa'''<br />
| 23 min<br />
| 16<br />
| 15 min<br />
| –<br />
| –<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#4098DE; color:white;" | '''3'''<br />
| '''[[Ströbitz (Cottbus)|Ströbitz]] / Strobice''', Hans-Sachs-Str. / H. Sachsowa droga&nbsp;– Stadthalle / Mešćańska hala&nbsp;– Marienstr./Busbahnhof / Marijina droga/Busowe dwórnišćo&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– Sportzentrum / Sportowy centrum&nbsp;– Badesee Madlow / Módłański jazor&nbsp;– '''Madlow / Módłej'''<br />
| 23 min<br />
| 16<br />
| 15 min<br />
| 30 min<br />
| 30 min<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#239537; color:white;" | '''4'''<br />
| ('''Betriebshof [[Schmellwitz]] / Depot Chmjelow'''&nbsp;–) '''Neu Schmellwitz / Nowy Chmjelow'''&nbsp;– Zuschka / Cužka&nbsp;– Sportpalast / Sportowy palast&nbsp;– Bonnaskenplatz / Bonarske naměsto&nbsp;– Stadthalle / Mešćańska hala&nbsp;– Stadtmuseum / Mešćański muzeum&nbsp;– Thiemstr./[[Cottbus Hauptbahnhof|Hbf]] / Thiemowa droga/GŁD&nbsp;– Gelsenkirchener Platz / Gelsenkirchenska naměsto&nbsp;– '''[[Sachsendorf (Cottbus)|Sachsendorf]] / Knorawa'''<br />
| 24 min<br />
| 20<br />
| 10 min<br />
| 15 min<br />
| 30 min<br />
|-<br />
| align="center" style="background-color:#EA941E; color:white;" | '''5'''<br />
| '''[[Sandow (Cottbus)|Sandow]] / Žandow'''&nbsp;– Am Doll / Pśi dole&nbsp;– Altmarkt / Stare wiki&nbsp;– Stadthalle / Mešćańska hala&nbsp;– Stadtmuseum / Mešćański muzeum&nbsp;– Görlitzer Straße/Zgórjelska droga&nbsp;– [[Cottbus Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] / Głowne dwórnišćo&nbsp;– '''Jessener Straße / Jaseńska droga'''<br />
| 22–23 min<br />
| 15<br />
| –<br />
| 30 min<br />
| 30 min<br />
|}<br />
<br />
<gallery widths="250" heights="514"><br />
Tram map of Cottbus.xcf|Netzplan (Stand 2019)<br />
StraßenbahnGleisplanCottbus2013.png|Gleisplan (Stand 2013)<br />
</gallery><br />
<br />
== Diskussion über den Fortbestand und Weiterentwicklung der Straßenbahn ==<br />
Im Februar 2009 wurde ein Gutachten veröffentlicht, das sich für die Abschaffung der Straßenbahn in Cottbus aussprach. Gründe hierfür seien die leichtere Anpassung der Linienführung. Cottbus hat in den vergangenen 20 Jahren etwa ein Viertel seiner Einwohner verloren, deshalb ist ein Fahrgastrückgang zu verzeichnen. Darüber hinaus führen einige Linien in heute weniger dicht besiedelte Gebiete. Ebenso seien in den nächsten Jahren umfangreiche Investitionen für die Erneuerung des Fuhrparks notwendig.<ref>{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20140414045034/http://www.lr-online.de/regionen/cottbus/Cottbuser-Tram-droht-das-Aus;art1049,2398112,0 |titel=Cottbuser Tram droht das Aus |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2009-02-12 |archiv-url= |archiv-datum=2014-04-14 |abruf=2024-07-30 |kommentar=Archivlink}}</ref><br />
<br />
Daraufhin kam es zu heftigen Diskussionen, in denen sich die Mehrheit der Cottbuser Bevölkerung für den Erhalt der Straßenbahn aussprach. Neben Unterschriftenaktionen gab es zahlreiche Überlegungen, wie man die Cottbuser Straßenbahn attraktiver gestalten könne. Da bei Einstellung der Straßenbahn große Investitionen in die Vergrößerung der Busflotte und die Ertüchtigung der Straßen für einen Buslinienverkehr notwendig wären, wird das tatsächliche Einsparpotential angezweifelt. Darüber hinaus würde ein erhöhter Busverkehr in Cottbus zu einer erhöhten Feinstaubentwicklung führen, durch den Cottbus hohe Strafzahlungen an die [[Europäische Union|EU]] befürchten müsste.<br />
<br />
Am 31. März 2009 wurde bekannt, dass die Pläne zur Einstellung der Straßenbahn vom Tisch seien. Stattdessen denke man intensiv über eine Optimierung zur Attraktivitätssteigerung des Angebots nach – unter anderem die Einstellung der Linie 1 und des Zweiges zur Jessener Straße der Linie 2 –, um mehr Fahrgäste zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen.<ref>{{Internetquelle |autor=Kathleen Weser, Sven Hering |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/proteststurm-stoppt-plaene-fuer-tram-aus-in-cottbus_aid-3815302 |titel=Proteststurm stoppt Pläne für Tram-Aus in Cottbus |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2009-03-31 |abruf=2018-11-15}}</ref><br />
Nach einer neuen, im August 2010 veröffentlichten und von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie würde sich der Ausbau des Straßenbahnnetzes in Richtung Lausitz-Park und Klinikum betriebswirtschaftlich rechnen.<ref>{{Internetquelle |autor=Sven Hering |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/der-ausbau-der-cottbuser-tram-rechnet-sich_aid-4541811 |titel=Der Ausbau der Cottbuser Tram rechnet sich |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2010-08-18 |abruf=2018-11-15}}</ref><br />
<br />
Die Einstellungsplanungen für die Linie 1 zwischen Bonnaskenplatz und Schmellwitz wurden zunächst nicht weiter verfolgt, um die Entwicklung der Fahrgastzahlen nach Eröffnung der neuen Haltestelle am Hauptbahnhof abzuwarten.<ref>{{Internetquelle |autor=Andrea Hilscher |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/die-strassenbahnlinie-1-in-cottbus-wackelt_aid-33770213 |titel=Die Straßenbahnlinie 1 wackelt |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2018-10-17 |abruf=2018-11-15}}</ref> Nachdem eine größere Baustelle auf der Straße der Jugend im September 2023 beendet wurde und die betroffenen Linien wieder zu einem normalen Fahrplan zurückkehrten, wird die Linie 1 auch im Sommer 2024 jedoch weiterhin als Ersatzverkehr mit Bussen betrieben.<ref>{{Internetquelle |autor=Silke Halprick |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/strassenbahn-cottbus-darum-faehrt-weiterhin-bus-statt-tram-nach-schmellwitz-71744175.html |titel=Darum fährt weiterhin Bus statt Tram nach Schmellwitz |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2023-09-23 |abruf=2024-06-13}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.cottbusverkehr.de/wp-content/uploads/2024/04/EV1-ab-06.04.pdf |titel=Baustellenfahrplan EV1 |hrsg=Cottbusverkehr GmbH |datum=2024-04-06 |format=PDF |archiv-url=https://web.archive.org/web/20240613194325/https://www.cottbusverkehr.de/wp-content/uploads/2024/04/EV1-ab-06.04.pdf |archiv-datum=2024-06-13 |abruf=2024-06-13}}</ref><br />
Es wird aktuell (2022/2023) über eine Erweiterung des Netzes bis zum [[Cottbuser Ostsee|Ostsee]], zum Herzzentrum, Kolkwitz und [[Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem]] (ehem. CTK), BTU und Lausitzpark nachgedacht.<ref>{{Internetquelle |autor=Andrea Hilscher |url=https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/moderne-strassenbahn-zwei-linienfuehrungen-in-der-debatte_aid-34479669 |titel=Zwei Wege durch die Stadt |werk=Lausitzer Rundschau |datum=2018-11-15 |abruf=2018-11-15}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=-3viiU0Q9iM |titel=Cottbus {{!}} 15 neue Straßenbahnen , 36 Millionen Euro Förderung & Streckenausbau nach Kolkwitz? |abruf=2023-06-20}}</ref><br />
== Literatur ==<br />
* Mario Schatz, Ulrich Thomsch: ''Straßenbahn in Cottbus''. Verlag Kenning, Nordhorn 2003, ISBN 3-933613-58-2.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Trams in Cottbus|Straßenbahn Cottbus}}<br />
* [http://www.cottbusverkehr.de/ Offizielle Website des Betreibers Cottbusverkehr]<br />
* [http://www.tram-cottbus.de/ Informationen zum Fuhrpark, Bilder, Netzpläne]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Straßenbahnen in Deutschland}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Strassenbahn Cottbus}}<br />
[[Kategorie:Straßenbahnsystem (Deutschland)|Cottbus]]<br />
[[Kategorie:Verkehr (Cottbus)]]<br />
[[Kategorie:Spurweite 1000 mm|Cottbus]]<br />
[[Kategorie:Öffentlicher Personennahverkehr (Brandenburg)]]</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Manfred_Stecher&diff=249315433Manfred Stecher2024-10-10T20:11:38Z<p>Doclbn: Typo</p>
<hr />
<div>'''Manfred Stecher''' (* [[23. Januar]] [[1968]] in [[Rosenheim]]) ist ein deutscher [[Gesang|Sänger]], [[Schauspieler]] und [[Pianist]].<br />
<br />
== Leben ==<br />
Manfred Stecher wurde als Zwillingssohn deutsch-italienischer Eltern geboren. Er entschied sich nach dem Abitur zunächst für ein Klavierstudium an der [[Musikhochschule München]] und der [[Musikhochschule Augsburg]]. Danach begann er sein Gesangs- und Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst [[Mozarteum]] in [[Salzburg]] in den Meisterklassen von Karl Christian Kohn und [[Heiner Hopfner]], welches er 1994 mit dem großen Diplom erfolgreich abschloss.<br />
<br />
Neben seiner vielfältigen Konzerttätigkeit folgten erste Bühnenengagements u.&nbsp;a. an den [[Theater Augsburg|Städtischen Bühnen Augsburg]], dem [[Prinzregententheater]] München, dem [[Salzburger Landestheater]], den Schauspielhäusern in [[Frankfurt am Main]], [[Berlin]], [[Hamburg]] sowie der Komödie im Bayerischen Hof in München, deren Ensemble er seit 1995 regelmäßig angehört. An diesem Hause hatte er besonders in der Rolle des [[Harry Frommermann]] in Gottfried von Greifenhagens und [[Franz Wittenbrink]]s Erfolgsproduktion „[[Comedian Harmonists|Die Comedian Harmonists]]“ Erfolge, wofür er den Merkur-Preis 2000 des [[Münchner Merkur]]s erhielt.<br />
<br />
Er arbeitete mit namhaften Regisseuren wie [[August Everding]], [[Hellmuth Matiasek]] und [[Rolf von Sydow]] zusammen. Neben seiner Bühnenpräsenz in Oper, Musical und Schauspiel tätig, stand er auch immer wieder vor der Kamera u.&nbsp;a. für Serien wie „[[Der Alte]]“, „[[Siska]]“, „[[Dr. Stefan Frank]]“, „[[Hallo Robbie!]]“ oder Filmproduktionen wie „Chopin, Bilder einer Trennung“ in Frankreich.<br />
<br />
Stecher hat einen eineiigen Zwillingsbruder [[Alexander-Klaus Stecher|Alexander-Klaus]], mit dem er nicht nur des Öfteren vor der Kamera steht, sondern auch 2006 das Klassik-Pop Duo „Fratelli Project“ gründete, mit dem beide bereits große Erfolge u.&nbsp;a. im Salzburger Festspielhaus, der Münchner Olympiahalle aber auch dem „[[Das Traumschiff|Traumschiff]]“ verbuchen konnten.<br />
<br />
Manfred Stecher ist mit der litauischen Opernsängerin Rosita Kekyte verheiratet, das Ehepaar hat zwei Kinder und lebt im oberbayerischen Chiemgau.<br />
<br />
== Oper/Musical (Auswahl) ==<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
! Titel || Rolle || Regie || Ort<br />
|-<br />
| „Lulu“ ([[Friedrich Kuhlau]]) || Dilfeng || A. Schönolt || Landestheater Salzburg<br />
|-<br />
| „[[Die Nase (Oper)|Die Nase]]“ (Schostakowitsch) || Barbier || J. Chundela || Städt. Bühnen Augsburg<br />
|-<br />
| „Figaro“ (Mozart) || Figaro || J. Wallnig || Opernhaus Rovereto<br />
|-<br />
| „Lustige Witwe“ (Lehár) || Cascada || P. Baumgart || Städt. Bühnen Augsburg<br />
|-<br />
| „Zauberflöte“ (Mozart) || Papageno || A. Roth || Residenz Salzburg<br />
|-<br />
| „Peter Pan“ (W. Hiller) || Smy || A. Everding || [[Prinzregententheater]]<br />
|-<br />
| „Ich Marlene“ (M. Kosel) || G. Cooper || R. Lewandowski || Komödie i. Bayer. Hof München<br />
|-<br />
| „Sinatra Story“ (Kosel) || Dean Martin || A. Stöcker || Münchner Tournee<br />
|-<br />
| „My fair Lady“ || Freddy || P. Baumgart || Freilichtbühne Augsburg<br />
|-<br />
| „[[Comedian Harmonists]]“ || Frommermann || A. Stöcker || Komödie i. Bayer. Hof München<br />
|-<br />
| „Drei von der Tankstelle“ || Willi || E. Baumgarten || Komödie i. Bayer. Hof München<br />
|-<br />
| „Die Kluge“ || Mauleselmann || [[Hellmuth Matiasek|H. Matiasek]]|| [[Carl Orff-Festspiele Andechs|Orff-Festspiele Andechs]]<br />
|-<br />
| „Bernauerin“ || Hexe/Adliger || H. Matiasek || Orff-Festspiele Andechs<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Schauspiel (Auswahl) ==<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
! Titel || Rolle || Regie || Ort<br />
|-<br />
| „Romeo & Julia“ (Shakespeare) || Paris || C. Brück || Theatergastspiele Kempf<br />
|-<br />
| „Räuber“ (Schiller) || Moor || B. Janosch || Theater Hagen<br />
|-<br />
| „Glasmenagrie“ (T. Williams) || Tom || Seiltgen || Theater Ingolstadt<br />
|-<br />
| „Gespenster“ (Ibsen) || Oswald || J. Jickel || Theater Basel<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Filmografie (Auswahl) ==<br />
{| class="wikitable"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
! Titel || Rolle || Regie || Sender<br />
|-<br />
| „Chopin, Bilder einer Trennung“ || Bocage || K. Kirschner || ARTE/ZDF<br />
|-<br />
| „[[Dr. Stefan Frank]]“ || Tommy || U. Witte || RTL<br />
|-<br />
| „Bei aller Liebe“ || Wirt || R.W. Henschel || ARD<br />
|-<br />
| „Maria Stuart“ || Drury || H. Schirk || BR<br />
|-<br />
| „Schicksale vor Gericht“ || Harald Münz || T. Kleef || SAT1<br />
|-<br />
| „Streit um Drei“ || W. Zimmermann || W. Hundhammer || ZDF<br />
|-<br />
| „Das Schlosshotel“ || Martin Stocker || H. Schorlemmer || BR<br />
|-<br />
| „Prost Oskar!“ || Toni Sägmüller || H. Schorlemmer || BR<br />
|-<br />
| „Karriere auf der Alm“ || Marcello Trappatoni || H. Schorlemmer || BR<br />
|-<br />
| „[[Der Alte]]“-Spiel mit dem Feuer || Markus Kubik || G. Erhard || ZDF<br />
|-<br />
| „[[Der Alte]]“-Du sollst nicht töten || Fernsehsprecher || G. Erhard || ZDF<br />
|-<br />
| „Soko 5113“ || Sven Hellwig || J. Schneider || ZDF<br />
|-<br />
| „[[Der Alte]]“ || Charly Lehmann || H. Griesmayr || ZDF<br />
|-<br />
| „[[Siska]]“-Einsamer Mörder || Journalist Klein || H.J. Tögel || ZDF<br />
|-<br />
| „[[Der Alte]]“-Todfeinde || R. Kotulla || G. Erhard || ZDF<br />
|-<br />
| „[[Hallo Robbie!]]“-R. sieht doppelt || M. Seebach || C. Klüncker || ZDF<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Tonträger ==<br />
* „Ich Marlene“, Central Sound Hamburg<br />
* „Zu Gast bei Mozart“, Atlantis Resurrexit<br />
* „Peter Pan“ || Deutsche Grammophon<br />
* „[[Comedian Harmonists]]“, Komödie im Bayerischen Hof München<br />
* „Fratelli Project“, Almara/Rough Trade<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* http://www.fratelli-project.com/<br />
* {{IMDb|nm0824257}}<br />
* [http://www.mr-management.de/index.php?page=showactor&xid=33 Manfred Stecher] Agenturprofil<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=|GNDfehlt=ja|GNDCheck=2019-05-24}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Stecher, Manfred}}<br />
[[Kategorie:Filmschauspieler]]<br />
[[Kategorie:Theaterschauspieler]]<br />
[[Kategorie:Sänger]]<br />
[[Kategorie:Absolvent der Hochschule für Musik und Theater München]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1968]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Stecher, Manfred<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Sänger, Schauspieler und Pianist<br />
|GEBURTSDATUM=23. Januar 1968<br />
|GEBURTSORT=[[Rosenheim]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Eberhard_Robke&diff=249315362Eberhard Robke2024-10-10T20:08:51Z<p>Doclbn: Typo</p>
<hr />
<div>'''Eberhard Robke''' (* [[1936]] in [[Wuppertal]]) ist ein deutscher Unternehmer, Politiker und Kunstförderer.<br />
<br />
== Leben und Werk ==<br />
Robke ist Geschäftsführer beim Verpackungshersteller August Pohli GmbH & Co. KG.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.pohli-partner-fuer-packungen.de/Impressum/ |wayback=20180329121243 |text=''Impressum'' }} auf www.pohli-partner-fuer-packungen.de</ref><br />
<br />
Der Politiker Robke trat am 1. Juni 1957 zusammen mit [[Johannes Rau]] in den SPD-Ortsverein [[Wichlinghausen]] ein und stand später den Wuppertaler Jungsozialisten vor. Ab 1969 war er Mitglied des Stadtrats und von 1982 bis 1984 Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion. Unter Robkes Vorsitz im ''Schulausschuss'' und in der ''Bühnenkommission'' ab 1975 wurden die [[Intendant]]en ''[[Hanno Lunin]]'', ''[[Hellmuth Matiasek]]'' und ''Jürgen Fabricius'' ausgesucht. Im Jahr 1994 zog er sich aus der Politik zurück.<br />
<br />
Robke ist seit 1989 im Vorstand des ''[[Kunst- und Museumsverein Wuppertal|Kunst- und Museumsvereins]]'' und seit 1990 dessen Vorsitzender. {{Anker|Renate und Eberhard Robke-Stiftung}}Im Dezember 2005 gründete er zusammen mit seiner Frau die ''Renate und Eberhard Robke-Stiftung zum Erwerb zeitgenössischer Kunst ab 1950'', mit einem Stiftungskapital von einer Million Euro. Seit den 1980er Jahren macht er sich um Rückholungen, Reauktionierungen oder Neuankäufe bedeutender Kunstwerke verdient. So konnte beispielsweise 1986 auf seine Initiative hin das Bild ''Marktkirche von Halle'' von [[Lyonel Feininger]] für das [[Von der Heydt-Museum]] erworben werden, und im Dezember 2005 erfolgte die Übergabe von [[Bernhard Heisig]]s ''Pflichttäter'' an den ''Kunst- und Museumsverein''. Im Jahr 2005 schenkte Robke der Stadt Wuppertal [[Friederich Werthmann|Friedrich Werthmanns]] Skulptur ''Entelechie II''.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.wuppertal.de/rathaus/onlinedienste/ris/www/pdf/00047783.pdf |titel=Beschlussvorlage Schenkung |titelerg= |hrsg=Stadt Wuppertal |werk=www.wuppertal.de |datum= |abruf=2024-01-30 |sprache= |format=PDF |offline=ja }}</ref> Auch das Ölgemälde ''Felsige Flusslandschaft'' des Frankfurter Malers [[Otto Scholderer]] aus dem Jahr 1863 konnte wieder in die Sammlung aufgenommen werden.<ref>[http://www.kunstmarkt.com/pagesmag/kunst/_id88890-/news_detail.html Neue Stiftung für Wuppertaler Museum] Kunstmarkt.de, abgerufen im Mai 2008</ref><br />
<br />
== Ehrungen ==<br />
Eberhard Robke wurde im November 2006 mit dem [[Ehrenring der Stadt Wuppertal]] ausgezeichnet. Er bedankte sich mit der Ankündigung, im Gegenzug 25 Stühle à 750 Euro für das neue [[Opernhaus Wuppertal]] zu stiften.<ref>{{Webarchiv|url=https://www.wuppertal.de/pressearchiv/is4news/rathaus_behoerden_presse_2006/ehrenring_robke.php |wayback=20150218164958 |text=Eberhard Robke erhält Ehrenring der Stadt Wuppertal – Geehrter bedankt sich mit 25 Opernstühlen }} Pressemeldung der Stadt Wuppertal vom 14. November 2006</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Robke, Eberhard}}<br />
[[Kategorie:Unternehmer (Wuppertal)]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Unternehmer (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1936]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
[[Kategorie:SPD-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Ehrenringträger der Stadt Wuppertal]]<br />
[[Kategorie:Mäzen]]<br />
[[Kategorie:Stadtverordneter (Wuppertal)]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Robke, Eberhard<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Unternehmer, Politiker (SPD) und Kunstförderer<br />
|GEBURTSDATUM=1936<br />
|GEBURTSORT=[[Wuppertal]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Doclbnhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Blei&diff=248842884Blei2024-09-23T20:51:46Z<p>Doclbn: Falsche Einheit in der Spaltenüberschrift (Mt -> kt) --~~~~</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|befasst sich mit dem Metall Blei. Weitere Bedeutungen siehe [[Blei (Begriffsklärung)]].}}<br />
<br />
{{Infobox Chemisches Element<br />
<!--- Periodensystem ---><br />
| Name = Blei<br />
| Symbol = Pb<br />
| Ordnungszahl = 82<br />
| Serie = Me<br />
| Gruppe = 14<br />
| Periode = 6<br />
| Block = p<br />
<!--- Allgemein ---><br />
| Aussehen = Bläulich weiß<br />
| CAS = {{CASRN|7439-92-1}}<br />
| EG-Nummer = 231-100-4<br />
| ECHA-ID = 100.028.273<br />
| Massenanteil = 18&nbsp;ppm (35. Rang)<ref name="Harry H. Binder">Harry H. Binder: ''Lexikon der chemischen Elemente.'' S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.</ref><br />
| Hauptquelle =<ref>Die Werte für die Eigenschaften (Infobox) sind, wenn nicht anders angegeben, aus [http://www.webelements.com/lead/ www.webelements.com (Blei)] entnommen.</ref><br />
<!--- Atomar ---><br />
| Atommasse = 207,2(1)<ref name="CIAAW">[http://www.ciaaw.org/atomic-weights.htm CIAAW, Standard Atomic Weights Revised 2013].</ref><br />
| Atomradius = 180<br />
| AtomradiusBerechnet = 154<br />
| KovalenterRadius = 146<br />
| VanDerWaalsRadius = 202<br />
| Elektronenkonfiguration = &#91;[[Xenon|Xe]]&#93; 4[[F-Orbital|f]]<sup>14</sup> 5[[D-Orbital|d]]<sup>10</sup> 6[[S-Orbital|s]]<sup>2</sup> 6[[P-Orbital|p]]<sup>2</sup><br />
| Austrittsarbeit =<br />
| Ionisierungsenergie_1 = {{ZahlExp|7,4166799|suffix=(6)|post=[[Elektronenvolt|eV]]<ref name="NIST-ASD-lead">{{NIST-ASD|lead|Abruf=2020-06-13}}</ref>}} ≈ {{ZahlExp|715,6|post=[[Joule|kJ]]/[[mol]]<ref name="Webelements-lead">{{Webelements|lead|atoms|Abruf=2020-06-13}}</ref>}}<br />
| Ionisierungsenergie_2 = {{ZahlExp|15,032499|suffix=(7)|post=eV<ref name="NIST-ASD-lead" />}} ≈ {{ZahlExp|1450,42|post=kJ/mol<ref name="Webelements-lead" />}}<br />
| Ionisierungsenergie_3 = {{ZahlExp|31,9373|suffix=(6)|post=eV<ref name="NIST-ASD-lead" />}} ≈ {{ZahlExp|3081,48|post=kJ/mol<ref name="Webelements-lead" />}}<br />
| Ionisierungsenergie_4 = {{ZahlExp|42,33256|suffix=(10)|post=eV<ref name="NIST-ASD-lead" />}} ≈ {{ZahlExp|4084,47|post=kJ/mol<ref name="Webelements-lead" />}}<br />
| Ionisierungsenergie_5 = {{ZahlExp|68,8|suffix=(5)|post=eV<ref name="NIST-ASD-lead" />}} ≈ {{ZahlExp|6640|post=kJ/mol<ref name="Webelements-lead" />}}<br />
<!--- Physikalisch ---><br />
| Aggregatzustand = fest<br />
| Modifikationen =<br />
| Kristallstruktur = kubisch flächenzentriert<br />
| Dichte = 11,342&nbsp;g/cm³ (20 [[Grad Celsius|°C]])<ref name="Greenwood">N. N. Greenwood, A. Earnshaw: ''Chemie der Elemente.'' VCH, Weinheim 1988, ISBN 3-527-26169-9, S.&nbsp;482.</ref><br />
| RefTempDichte_K =<br />
| Mohshärte = 1,5<br />
| Magnetismus = [[Diamagnetismus|diamagnetisch]] ([[Magnetische Suszeptibilität|''χ<sub>m</sub>'']] = −1,6 · 10<sup>−5</sup>)<ref name="CRC">{{CRC Handbook |Auflage=90 |Titel= |Kapitel=4 |Startseite=142 |Endseite=147 }} Die Werte dort sind auf g/mol bezogen und in cgs-Einheiten angegeben. Der hier angegebene Wert ist der daraus berechnete maßeinheitslose SI-Wert.</ref><br />
| Schmelzpunkt_K = 600,61<br />
| Schmelzpunkt_C = 327,43<br />
| Siedepunkt_K = 2017 K<ref name="Zhang">Yiming Zhang, Julian R. G. Evans, Shoufeng Yang: ''Corrected Values for Boiling Points and Enthalpies of Vaporization of Elements in Handbooks.'' In: ''[[Journal of Chemical & Engineering Data]].'' 56, 2011, S.&nbsp;328–337, [[doi:10.1021/je1011086]].</ref><br />
| Siedepunkt_C = 1744<br />
| MolaresVolumen = 18,26 · 10<sup>−6</sup><br />
| Verdampfungswärme = 177 kJ·mol<sup>−1</sup><ref name="Zhang" /><br />
| Schmelzwärme = 4,85<ref name="Ullm">C. A. Sutherland, E. F. Milner, R. C. Kerby, H. Teindl, A. Melin, H. M. Bolt: ''Lead.'' In: ''Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry.'' Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2006, {{DOI|10.1002/14356007.a15_193.pub2}}</ref><br />
| Dampfdruck =<br />
| RefTempDampfdruck_K =<br />
| Schallgeschwindigkeit = 1260<br />
| RefTempSchallgeschwindigkeit_K = 293,15<br />
| SpezifischeWärmekapazität = 131<ref name="Ullm" /><br />
| RefTempSpezifischeWärmekapazität_K =<br />
| ElektrischeLeitfähigkeit = 4,76 · 10<sup>6</sup><br />
| RefTempElektrischeLeitfähigkeit_K =<br />
| Wärmeleitfähigkeit = 35<br />
| RefTempWärmeleitfähigkeit_K =<br />
<!--- Chemisch ---><br />
| Oxidationszustände = '''2''', 4<br />
| Normalpotential = −0,1251 [[Volt|V]] (Pb<sup>2+</sup> + 2&nbsp;e<sup>−</sup> → Pb)<br />
| E-Modul = <!--16--><br />
| Poissonzahl = 0,44<br />
| Elektronegativität = 2,33<br />
| CLH = {{CLH-ECHA|ID=100.028.273|Name=Lead|Abruf=2016-08-01}}<br />
| Quelle GHS-Kz =<ref name="GESTIS">{{GESTIS|Name=Blei, Pulver|ZVG=8510|CAS=7439-92-1|Abruf=2017-04-30}}</ref><br />
| GHS-Piktogramme = {{GHS-Piktogramme|08|09}}<br />
| GHS-Signalwort = Gefahr<br />
| H = {{H-Sätze|360FD|362|372|410}}<br />
| EUH = {{EUH-Sätze|-}}<br />
| P = {{P-Sätze|201|263|273|280|308+313}}<br />
| Quelle P =<ref name="GESTIS" /><br />
| ToxDaten = <br />
* {{ToxDaten|Typ=LC50 |Organismus=Fisch |Applikationsart=96 Stunden |Wert=0,44–452 mg·l<sup>−1</sup>|Bezeichnung= |Quelle=<ref name="GESTIS" />}}<br />
* {{ToxDaten|Typ=LC50 |Organismus=[[Krustentiere]] |Applikationsart=48 Stunden |Wert=0,53–5,1 mg·l<sup>−1</sup>|Bezeichnung= |Quelle=<ref name="GESTIS" />}}<br />
| REACH = {{REACH|ECHA-ID=100.028.273|Zulassungspflicht=|Artikel57=c|Abruf=2020-04-21}}<br />
| Radioaktiv =<br />
<!--- Isotope ---><br />
| Isotope =<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 2<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 202<br />
| NH = 0<br />
| Halbwertszeit = 52.500 [[Jahr|a]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Alphastrahlung|α]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 2,598<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Quecksilber|<sup>198</sup>Hg]]<br />
| Zerfallstyp2ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]]<br />
| Zerfallstyp2ZE = 0,050<br />
| Zerfallstyp2ZP = [[Thallium|<sup>202</sup>Tl]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 203<br />
| NH = 0<br />
| Halbwertszeit = 51,873 [[Stunde|h]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 0,975<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Thallium|<sup>203</sup>Tl]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 204<br />
| NH = 1,4<br />
| Halbwertszeit = >1,4 · 10<sup>17</sup> [[Jahr|a]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Alphastrahlung|α]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 2,186<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Quecksilber|<sup>200</sup>Hg]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 205<br />
| NH = 0<br />
| Halbwertszeit = 1,53 · 10<sup>7</sup> [[Jahr|a]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Elektronen-Einfang|ε]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 0,051<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Thallium|<sup>205</sup>Tl]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 0<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 206<br />
| NH = 24,1<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 0<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 207<br />
| NH = 22,1<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 0<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 208<br />
| NH = '''52,4'''<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 209<br />
| NH = 0<br />
| Halbwertszeit = 3,253 [[Stunde|h]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 0,644<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Bismut|<sup>209</sup>Bi]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 2<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 210<br />
| NH = -1<br />
| Halbwertszeit = 22,3 [[Jahr|a]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Alphastrahlung|α]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 3,792<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Quecksilber|<sup>206</sup>Hg]]<br />
| Zerfallstyp2ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp2ZE = 0,064<br />
| Zerfallstyp2ZP = [[Bismut|<sup>210</sup>Bi]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 211<br />
| NH = -1<br />
| Halbwertszeit = 36,1 [[Minuten|min]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 1,367<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Bismut|<sup>211</sup>Bi]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 212<br />
| NH = -1| Halbwertszeit = 10,64 [[Stunde|h]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 0,574<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Bismut|<sup>212</sup>Bi]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 213<br />
| NH = 0<br />
| Halbwertszeit = 10,2 min<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 2,070<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Bismut|<sup>213</sup>Bi]]<br />
}}<br />
{{Infobox Chemisches Element/Isotop<br />
| AnzahlZerfallstypen = 1<br />
| Symbol = Pb<br />
| Massenzahl = 214<br />
| NH = -1| Halbwertszeit = 26,8 [[Minuten|min]]<br />
| Zerfallstyp1ZM = [[Betastrahlung|β<sup>−</sup>]]<br />
| Zerfallstyp1ZE = 1,024<br />
| Zerfallstyp1ZP = [[Bismut|<sup>214</sup>Bi]]<br />
}}<br />
| NMREigenschaften =<br />
}}<br />
<br />
'''Blei''' ist ein [[chemisches Element]] mit dem [[Elementsymbol]] Pb ({{laS|''plumbum''}}) und der [[Ordnungszahl]] 82. Es steht in der 4. [[Hauptgruppe]] bzw. der 14. [[Gruppe des Periodensystems|IUPAC-Gruppe]] ([[Kohlenstoffgruppe]]) und 6. Periode des [[Periodensystem]]s. Blei ist ein giftiges, weiches und formbares [[Schwermetalle|Schwermetall]] mit einem niedrigen [[Schmelzpunkt]].<br />
<br />
Die [[Isotop]]e <sup>206</sup>Pb, <sup>207</sup>Pb und <sup>208</sup>Pb sind die schwersten stabilen Atome, Blei ist damit das Element mit der höchsten [[Massenzahl|Massen-]] und [[Ordnungszahl]], welches noch in gewissen Isotopen stabil ist. Alle Blei[[isotop]]e haben die [[Magische Zahl (Physik)|magische Protonenzahl]] 82, die diese Stabilität bewirkt. Bei <sup>208</sup>Pb liegt sogar ein so genannter ''doppelt magischer Kern'' vor, weil er zusätzlich die magische Neutronenzahl 126 aufweist.<br />
<br />
Da die Bleiisotope 206, 207 und 208 die Endprodukte der drei natürlichen [[Zerfallsreihe]]n radioaktiver Elemente sind, ist relativ viel Blei entstanden; es kommt deshalb in der Erdkruste im Vergleich zu anderen schweren Elementen ([[Quecksilber]], [[Gold]] u.&nbsp;a.) häufig vor.<br />
<br />
Blei ist bereits seit der [[Antike]] bekannt und findet seitdem viele Anwendungen, darunter als Material für [[Rohr (Technik)|Rohre]], im [[Strahlenschutz]] oder in praktischen [[Legierung]]en (oft mit [[Zinn]] und [[Antimon]]) in [[Geschoss]]en und Gewichten. Auch wird es in Verbindung mit anderen Elementen als [[Bleiweiß|Pigment]] benutzt, andererseits ist Blei auch in bestimmten [[Bleiakkumulator|Batterien]] und [[Bleiglas|Gläsern]]. Aufgrund der [[Toxizität]] des Bleis wird es allerdings in bestimmten Anwendungen von weniger giftigen Alternativen verdrängt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:Museum Pachten, Wasserverteilertopf.jpg|mini|hochkant|links|Römischer Wasserverteilertopf gefunden in [[Contiomagus]]]]<br />
[[Datei:Lead ingots.JPG|mini|hochkant|links|Bleibarren aus dem [[Britannien in römischer Zeit|römischen Britannien]]]]<br />
<br />
Der bisher älteste Fund von metallischem Blei wurde in [[Çatalhöyük]], etwa 50&nbsp;km südöstlich von [[Konya]] auf dem Anatolischen Plateau, gemacht. Er besteht aus Bleiperlen zusammen mit Kupferperlen, die auf etwa 6500 vor Christus datiert wurden.<ref name="Gmelin-Institut für anorganische Chemie und Grenzg">{{Literatur| Autor=Gmelin-Institut für anorganische Chemie und Grenzg | Titel=Blei Teil A 1: Geschichtliches | Verlag=Springer-Verlag | ISBN=978-3-662-11844-3 | Jahr=2013 | Online={{Google Buch | BuchID=ZQ-CBwAAQBAJ | Seite=6 }} | Seiten=6 }}</ref> In der frühen [[Bronzezeit]] wurde Blei neben [[Antimon]] und [[Arsen]] verwendet, um aus Legierungen mit Kupfer [[Bronze]]n zu erzeugen, bis sich [[Zinn]] weitgehend durchsetzte. Bereits die [[Babylonier]] kannten Vasen aus Blei. Die [[Assyrer]] mussten Blei (''abāru'') einführen, was von [[Tukulti-apil-Ešarra I.|Tiglat-pileser I.]] unter anderem als Tribut von [[Melid]] belegt ist.<ref>[[Betina Faist]]: ''Der Fernhandel des assyrischen Reiches zwischen dem 14. und dem 11.&nbsp;Jahrhundert vor Christus'' (= ''[[Alter Orient und Altes Testament]].'' Band 265). Ugarit Verlag, Münster 2001, S.&nbsp;45.</ref> Im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] wurde Blei hauptsächlich in Form von Bleiglanz abgebaut, um daraus Silber zu gewinnen.<ref name="Schwerteck707">{{DNP|2|707|709|Fundstelle=hier Sp. 707|Blei|Hans Schwerteck}}</ref><br />
<br />
Im [[Römisches Reich|römischen Reich]] dagegen wurde der Stoff für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen genutzt. Dabei wurden dem Material teilweise auch besondere übernatürliche Eigenschaften zugesprochen, sodass es häufig für [[Fluchtafel]]n, [[Amulett]]e oder ähnliche Objekte genutzt wurde.<ref>Giulia Baratta: ''Bleierne Götter. Über Aediculae mit mobilen Türflügeln.'' In: ''Acta Classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis.'' Band 49, 2013, S. 283–291 ([https://core.ac.uk/download/pdf/161046994.pdf PDF]).</ref> Von besonderer Bedeutung war das Blei daneben beispielsweise in der Architektur, wo Steinblöcke mithilfe von Bleiklammern aneinander befestigt wurden. So wurden für die Errichtung der [[Porta Nigra]] schätzungsweise sieben Tonnen Blei verbaut.<ref>[[Peter Kritzinger]]: ''Ein neues Zeugnis eines alten Bekannten: Bleisiegel, Bleihandel und Bleiproduktion im freien Germanien.'' In: ''[[Marburger Beiträge zur Antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte]].'' Band 35, 2017, S. 87–107, hier S. 102 (insbesondere Anm. 55) ([https://www.academia.edu/31252335/Ein_neues_Zeugnis_eines_alten_Bekannten_Bleisiegel_Bleihandel_und_Bleiproduktion_im_freien_Germanien_in_MBAH_35_2017_87_107 online]).</ref> Weitere wichtige Einsatzbereiche waren die Verkleidung von [[Schiffsrumpf|Schiffsrümpfen]] zum Schutz vor Schädlingsbefall und die Herstellung von innerstädtischen Wasserleitungen. Hinzu kam die Nutzung von Blei als Rohstoff für die Herstellung von Gefäßen, als Material von Schreibtafeln oder für die sogenannten [[Tessera]]e, die zum Beispiel als Erkennungs- oder Berechtigungsmarke dienten.<ref name="Schwerteck708">{{DNP|2|707|709|Fundstelle=hier Sp. 708|Blei|Hans Schwerteck}}</ref> Kleine Bleistücke, die sogenannten „Schleuderbleie“, dienten im römischen Heer als [[Schleuder (Waffe)|Schleudergeschoss]].<ref>[[Dietwulf Baatz]]: ''Schleudergeschosse aus Blei. Eine waffentechnische Untersuchung.'' In: ''Saalburg-Jahrbuch.'' Band 45, 1990, S. 59–67.</ref> Aufgrund des hohen Bedarfs fand auch ein Handel mit Blei über weite Strecken statt, der sich unter anderem durch Inschriften auf römischen Bleibarren nachweisen lässt.<ref name="Schwerteck708" /><br />
<br />
In der antiken Literatur war man der Ansicht, Blei und Zinn seien zwei Erscheinungsformen des gleichen Stoffes, sodass man Blei im [[Latein]]ischen als {{lang|la|''plumbum nigrum''}} (von {{lang|la|''niger''|de=schwarz}}), Zinn als {{lang|la|''plumbum candidum''}} (von {{lang|la|''candidus''|de=weiß}}) bezeichnete. Daher ist oft unklar, ob ein antiker Text mit ''plumbum'' Blei oder Zinn meint.<ref name="Schwerteck707" /> Schon der römische Autor [[Vitruv]] hielt die Verwendung von Blei für Trinkwasserrohre für gesundheitsschädlich und empfahl, stattdessen nach Möglichkeit Tonrohre zu verwenden.<ref>Vitruv, ''De architectura'' 8,6,10–11 (Text: [https://archive.org/details/vitruviidearchit00vitr/page/192 lat.] [https://archive.org/details/bub_gb_ePJYAAAAYAAJ/page/n267 dt.]).</ref> Trotzdem waren Trinkwasserrohre aus Blei bis in die 1970er Jahre gebräuchlich, was beispielsweise auch in dem englischen Wort {{lang|en|''plumber''|de=Rohrverleger}} zum Ausdruck kommt. Besonders bedenklich war auch die Zugabe von Blei als Süßungsmittel zum Wein (sogenannter „Bleizucker“, siehe [[Blei(II)-acetat]]). Die häufige Nutzung von Blei in Rohren und im Wein wurde teilweise auch als Grund für den [[Untergang des Römischen Reiches]] diskutiert, eine Hypothese, die heutzutage in der Forschung allerdings abgelehnt wird.<ref>François P. Retief, Louise Cilliers: ''Loodvergiftiging in antieke Rome.'' In: ''Acta Academica.'' Band 32, Nummer 2, S. 167–184. Englische Übersetzung: ''Lead Poisoning in ancient Rome.'' In: ''Acta Theologica. Supplementum.'' Band 7, 2005, S. 147–164 ([https://journals.ufs.ac.za/index.php/at/article/view/2086 online]).</ref><br />
<br />
In [[Westfalen]] gewannen die Römer bis zu ihrem Rückzug nach der [[Varusschlacht]] Blei. Die für unterschiedliche Fundstellen typische Zusammensetzung der [[Isotop]]e zeigt, dass das Blei für die Herstellung römischer [[Bleisarg|Bleisärge]], die im [[Rheinland]] gefunden wurden, aus der nördlichen [[Eifel]] stammt. Die römische Bleiverarbeitung hat zu einer bis heute nachweisbaren [[Umweltverschmutzung]] geführt: [[Eisbohrkern]]e aus [[Grönland]] zeigen zwischen dem 5.&nbsp;Jahrhundert v. Chr. und dem 3.&nbsp;Jahrhundert n.&nbsp;Chr. einen messbaren Anstieg des Bleigehalts in der Atmosphäre.<br />
<br />
Auch später hatte Blei (von {{gmhS|blī}}) eine wichtige Bedeutung. Es wurde beispielsweise zum Einfassen von [[Bleiglasfenster]]n, beispielsweise in Kirchen oder für das Eindecken von [[Bleidach|Bleidächern]] verwendet. Besonders wichtig wurde Blei vor allem nach Erfindung der Feuerwaffen für das Militär als Material für [[Projektil]]e von Handfeuerwaffen. Da die Soldaten ihre Geschosse selbst herstellten, war es nicht unüblich, dass sie alles Blei stahlen, das sie finden konnten, um Geschosse daraus anzufertigen.<br />
<br />
[[Datei:Saturn symbol.svg|mini|links|100px|Alchemistisches Symbol für Blei]]<br />
Blei spielte auch in der [[Alchemie]] eine wichtige Rolle. Auf Grund seiner Ähnlichkeit zu [[Gold]] (ähnlich weich und schwer) galt Blei als guter Ausgangsstoff für die [[Goldsynthese]] (Synthese als Farbumwandlung von Grau nach Gelb). Das alchemistische Symbol für Blei ist eine stilisierte Sichel (♄), da es bereits seit dem Altertum als [[Planetenmetalle|Planetenmetall]] dem [[Saturn (Mythologie)|Gott]] und [[Saturn (Planet)|Planeten]] Saturn (lateinisch ''Saturnus'') zugeordnet wurde.<br />
<br />
Mit Beginn der [[Industrielle Revolution|industriellen Revolution]] wurde Blei dann in großen Mengen für die [[chemische Industrie]], zum Beispiel für die Schwefelsäureproduktion im [[Bleikammerverfahren]] oder die Auskleidung von Anlagen zur [[Sprengstoff]]herstellung, benötigt. Es war damals das wichtigste [[Nichteisenmetall]].<br />
<br />
Beim Versuch, das Alter der Erde durch Messung des Verhältnisses von Blei zu Uran in Gesteinsproben zu bestimmen, stellte der US-amerikanische Geochemiker [[Clair Cameron Patterson]] etwa 1950 fest, dass die Gesteinsproben ausnahmslos mit großen Bleimengen aus der Atmosphäre verunreinigt waren. Als Quelle konnte er das als Antiklopfmittel in Kraftstoffen verwendete [[Tetraethylblei]] nachweisen. Nach Pattersons Befunden enthielt die Atmosphäre vor 1923 fast überhaupt kein Blei. Aufgrund dieser Erkenntnisse kämpfte er zeit seines Lebens für die Verringerung der Freisetzung von Blei in die Umwelt. Seine Bemühungen führten schließlich dazu, dass 1970 in den USA der [[Clean Air Act]] mit strengeren Abgasvorschriften in Kraft trat. 1986 wurde der Verkauf verbleiten Benzins in den Vereinigten Staaten, in der Bundesrepublik Deutschland durch das [[Benzinbleigesetz]] schrittweise ab 1988<ref name="umweltdatenbank.de">BENZINBLEIGESETZ: [https://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/28-lexikon-b/143-benzinbleigesetz.html BENZINBLEIGESETZ], abgerufen am 24. März 2018</ref>, in der [[Europäische Union|EU]] ab 2001 völlig verboten. Daraufhin sank der Bleigehalt im Blut der Amerikaner fast sofort um 80 Prozent. Da Blei jedoch in der Umwelt praktisch ewig erhalten bleibt, hat dennoch heute jeder Mensch etwa 600-mal mehr von dem Metall im Blut als vor 1923. Pro Jahr wurden um das Jahr 2000 immer noch legal etwa 100.000 Tonnen in die Atmosphäre freigesetzt. Die Hauptverursacher sind Bergbau, Metallindustrie und produzierendes Gewerbe.<ref name="Bill Bryson">{{Literatur| Autor=[[Bill Bryson]] | Titel=Eine kurze Geschichte von fast allem | Verlag=Goldmann Verlag | ISBN=978-3-641-07924-6 | Jahr=2011 | Online={{Google Buch | BuchID=NWsyP3fb5GgC | Seite=234 }} | Seiten=219 }}</ref><br />
[[Datei:Starterbatterie.jpg|mini|Bleiakkumulator für Kraftfahrzeuge]]<br />
Im Jahr 2009 lag die Menge des gewonnenen Bleis bei den Nichteisenmetallen an vierter Stelle nach [[Aluminium]], [[Kupfer]] und [[Zink]]. Es wird vor allem für Autobatterien ([[Bleiakkumulator]]en) verwendet (60 % der Gesamtproduktion).<ref name="Wolfgang Piersig">{{Literatur| Autor=Wolfgang Piersig | Titel=Blei – Metall der Antike, der Gegenwart, Mit Zukunft, ein Werkstoff Für Technik, Kultur, Kunst | Verlag=GRIN Verlag | ISBN=978-3-656-07290-4 | Jahr=2011 | Online={{Google Buch | BuchID=qfNq6Ycx6doC | Seite=8 }} | Seiten=8 }}</ref><br />
<br />
Allgemein wird versucht, die Belastung von Mensch und Umwelt mit Blei und damit [[Bleivergiftung]]en zu verringern. Außer dem Verbot von verbleiten Benzins wurde ab 2002 durch die [[RoHS-Richtlinien]] die Verwendung von Blei in Elektro- und Elektronikgeräten eingeschränkt. 1989 wurden bleihaltige Anstriche und Beschichtungen vollständig verboten<ref name="baua.de">Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: [https://www.baua.de/DE/Angebote/Veranstaltungen/Dokumentationen/Gefahrstoffe/Blei-Workshop-2009.html BAuA – Dokumentationen – Dokumentation des Stakeholder-Workshops „Sanierung von Holzfenstern mit bleihaltigen Anstrichen“ am 16. Februar 2009 – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin], abgerufen am 24. März 2018</ref>, der Einsatz von bleihaltiger Munition wurde ab 2005 in einigen Bundesländern teilweise verboten.<ref>Technische Universität Dresden Fakultät Umweltwissenschaften: [https://tud.qucosa.de/api/qucosa%3A30430/attachment/ATT-0/ Untersuchungen zur Verbreitung bleifreier Jagdmunition – Eine diffusionstheoretische Betrachtung zur Akzeptanz einer potenziellen Umweltinnovation], Dissertation von Jan Engel</ref> Als Material für Wasserrohre wurde Blei schon 1973 verboten; in Deutschland vorhandene Bleirohre müssen bis zum 12. Januar 2026 ausgetauscht werden, wobei die Frist in Ausnahmefällen verlängert werden kann.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2023/__17.html |titel=§&nbsp;17 TrinkwV – Einzelnorm |abruf=2023-06-25}}</ref> Seit 1. März 2018 ist das Verwenden (Lagern, Mischen, Gebrauchen zur Herstellung u.&nbsp;a.) und Inverkehrbringen von Blei – massiv (zum Beispiel als Barren oder Pellets) oder als Pulver – ähnlich wie schon länger bei vielen Bleiverbindungen in der [[Europäische Union|EU]] von wenigen Ausnahmen abgesehen regelmäßig verboten, wenn das zum Verkauf an die breite Öffentlichkeit bestimmt ist und die Bleikonzentration darin 0,3 % oder mehr beträgt; im Übrigen muss der Lieferant gewährleisten, dass das vor dem Inverkehrbringen als „nur für gewerbliche Anwender“ gekennzeichnet ist.<ref>Art. 67 Abs. 1 der [[Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH)]] in Verbindung mit Anhang XVII Nr. 30 zu dieser sogenannten REACH-Verordnung und mit Anhang VI Teil 3 zur [[Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP)]]. Das Verbot erfolgte durch Aufnahme von Blei als Pulver (Partikelgröße unter 1&nbsp;mm, Index-Nr. 082-13-00-1) oder massiv (Index-Nr. 082-14-00-7) in die Liste der fortpflanzungsgefährdenden Stoffe (hier der Kategorie 1A) gemäß Tabelle 3 zum zuvor genannten Anhang zur CLP-Verordnung und gemäß Anlage 5 zum zuvor genannten Anhang zur REACH-Verordnung durch die {{EU-Verordnung|2017|1510|titel=der Kommission vom 30. August 2017}} mit Wirkung ab 1. März 2018. Ein Verstoß gegen dieses Verbot des Inverkehrbringens zum Beispiel durch Verkauf von solchem Blei an „privat“ zum Bleigießen u.&nbsp;ä. ist daher in Deutschland nach §&nbsp;5 Nr. 20 [[Chemikalien-Sanktionsverordnung]] in Verbindung mit §&nbsp;27 [[Chemikaliengesetz (Deutschland)|Chemikaliengesetz]] eine Straftat (Stand Juli 2019).</ref><br />
<br />
== Vorkommen ==<br />
Blei kommt in der [[Erdkruste]] mit einem Gehalt von etwa 0,0018 % vor<ref>[[Hans Breuer (Physiker)|Hans Breuer]]: ''Allgemeine und anorganische Chemie.'' (= dtv-Atlas Chemie. Band 1). 9. Auflage. dtv, München 2000, ISBN 3-423-03217-0, S.&nbsp;151.</ref> und tritt eher selten in [[gediegen]]er Form auf. Dennoch sind weltweit inzwischen rund 200 Fundorte für gediegen Blei bekannt (Stand: 2017), so unter anderem in [[Argentinien]], [[Äthiopien]], [[Australien]], [[Belgien]], [[Brasilien]], [[Volksrepublik China]], [[Deutschland]], [[Finnland]], [[Frankreich]], [[Georgien]], [[Griechenland]], [[Grönland]], [[Italien]], [[Kanada]], [[Kasachstan]], [[Kirgisistan]], [[Mexiko]], der [[Mongolei]], [[Namibia]], [[Norwegen]], [[Österreich]], [[Polen]], [[Russland]], [[Schweden]], [[Slowenien]], [[Tschechien]], der [[Ukraine]], den [[Amerikanische Jungferninseln|US-amerikanischen Jungferninseln]], im [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]] und den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten von Amerika]] (USA).<ref name="Fundorte">Fundortliste für gediegen Blei beim [https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralDataShow?mineralid=427&sections=12 Mineralienatlas] und bei [https://www.mindat.org/show.php?id=2358&ld=1#themap Mindat]</ref><br />
<br />
Auch in Gesteinsproben des [[Mittelatlantischer Rücken|mittelatlantischen Rückens]], genauer am nordöstlichen Rand der „Markov-Tiefe“ innerhalb der „Sierra-Leone-Bruchzone“ (Sierra-Leone-Schwelle), sowie außerhalb der Erde auf dem Mond im [[Mare Fecunditatis]] konnte Blei gefunden werden.<ref name="Fundorte" /><br />
<br />
An jedem Fundort weicht die Isotopenzusammensetzung geringfügig von den oben angegebenen Mittelwerten ab, so dass man mit einer genauen Analyse der Isotopenzusammensetzung den Fundort bestimmen und bei archäologischen Fundstücken auf alte Handelswege schließen kann. Zudem kann Blei ebenfalls fundortabhängig verschiedene [[Fremdatom|Fremdbeimengungen]] wie Silber, Kupfer, Zink, Eisen, Zinn und/oder Antimon enthalten.<ref name="handbookofmineralogy">{{Literatur | Hrsg= John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols | Titel= Lead | Sammelwerk= Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America | Datum= 2001 | Online= https://www.handbookofmineralogy.org/pdfs/lead.pdf | Format= PDF | KBytes= 57 | Abruf= 2018-01-12}}</ref><br />
<br />
In Bleierzen ist Blei zumeist als [[Galenit]] (Bleisulfid PbS, ''Bleiglanz'') zugegen. Dieses Mineral ist auch die bedeutendste kommerzielle Quelle für die Gewinnung neuen Bleis. Weitere Bleimineralien sind [[Cerussit]] (Blei(II)-carbonat, PbCO<sub>3</sub>, auch ''Weißbleierz''), [[Krokoit]] (Blei(II)-chromat, PbCrO<sub>4</sub>, auch ''Rotbleierz'') und [[Anglesit]] (Blei(II)-sulfat, PbSO<sub>4</sub>, auch ''Bleivitriol''). Die Bleiminerale mit der höchsten Bleikonzentration in der Verbindung sind [[Lithargit]] und [[Massicotit]] (bis 92,8 %) sowie [[Minium]] (bis 90,67 %). Insgesamt sind bisher 514 [[:Kategorie:Bleimineral|Bleiminerale]] bekannt (Stand: 2017).<ref>[http://webmineral.com/chem/Chem-Pb.shtml Webmineral – Mineral Species sorted by the element Pb (Lead)] (englisch).</ref><br />
<br />
Die wirtschaftlich abbaubaren Vorräte werden weltweit auf 67 Millionen Tonnen geschätzt (Stand 2004).<ref name="Fraunhofer">Fraunhofer-Institut: ''{{Webarchiv|url=http://www.isi.fraunhofer.de/isi-media/docs/n/de/publikationen/Endbericht_Rohstoffe.pdf |wayback=20130310060240 |text=Trends der Angebots- und Nachfragesituation bei mineralischen Rohstoffen. }}'' (PDF, 350 S.; 2,1&nbsp;MB).</ref> Die größten Vorkommen findet man in der [[Volksrepublik China]], den [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Australien]], [[Russland]] und [[Kanada]]. In Europa sind [[Schweden]] und [[Polen]] die Länder mit den größten Vorkommen.<br />
<br />
Auch in Deutschland wurde in der nördlichen Eifel (Rescheid / Gruben Wohlfahrt und Schwalenbach; [[Mechernich]] / Grube Günnersdorf und auch Tagebau / Virginia; [[Bleialf]]), im Schwarzwald, im Harz (Goslar/[[Rammelsberg]]), in Sachsen (Freiberg/[[Muldenhütten]]), an der unteren Lahn ([[Bad Ems]], [[Holzappel]]), sowie in Westfalen ([[Ramsbeck]]/Sauerland) in der Vergangenheit Bleierz abgebaut, verhüttet und veredelt.<br />
<br />
Die bedeutendste Quelle für Blei ist heute das [[Recycling]] alter Bleiprodukte. Daher bestehen in Deutschland nur noch zwei Primärhütten, die Blei aus Erz herstellen, die [[Bleihütte Binsfeldhammer]] in [[Stolberg (Rheinland)]] und [[Metaleurop]] in [[Nordenham]] bei [[Bremerhaven]]. Sämtliche andere Hütten erzeugen so genanntes Sekundärblei, indem sie altes Blei (insbesondere aus gebrauchten [[Starterbatterie|Autobatterien]]) aufarbeiten.<br />
<br />
== Blei als Mineral ==<br />
[[Datei:Lead-288819.jpg|mini|Gediegen Blei – Fundort: Langban, Schweden]]<br />
<br />
Natürliche Vorkommen an Blei in seiner elementaren Form waren bereits vor der Gründung der [[International Mineralogical Association]] (IMA) bekannt. Als vermutliche [[Typlokalität]] wird die manganreichen Eisenerz-[[Lagerstätte]] [[Långban]] in Schweden angegeben, wo derbe Massen von bis zu 50&nbsp;kg<ref name="Klockmann">{{Literatur |Autor=[[Friedrich Klockmann]] |Hrsg=[[Paul Ramdohr]], [[Karl Hugo Strunz|Hugo Strunz]] |Titel=Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie |Auflage=16 |Verlag=Enke |Ort=Stuttgart |Datum=1978 |JahrEA=1891 |Seiten=396 |ISBN=3-432-82986-8}}</ref> oder 60&nbsp;kg<ref>{{Literatur |Autor=Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, [[Brian Harold Mason|Brian Mason]], Abraham Rosenzweig |Titel=Dana’s New Mineralogy |Auflage=8 |Verlag=John Wiley & Sons |Ort=New York (u.&nbsp;a.) |Datum=1997 |Seiten=5 |ISBN=0-471-19310-0}}</ref> gefunden worden sein sollen. Blei ist daher als sogenanntes ''grandfathered'' [[Mineral]] als eigenständige Mineralart anerkannt.<ref>{{Internetquelle |autor=Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere |url=http://cnmnc.units.it/master_list/IMA_Master_List_%282024-01%29.pdf#page=119 |titel=The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2024 |werk=cnmnc.units.it |hrsg=IMA/CNMNC, Marco Pasero |datum=2024-01 |sprache=en |abruf=2024-02-15 |format=PDF; 3,8&nbsp;MB |kommentar=Blei (Lead) siehe S. 119}}</ref><br />
<br />
Gemäß der [[Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage)#A. Kupfer-Cupalit-Familie|Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage)]] wird Blei unter der System-Nummer ''1.AA.05'' (Elemente – Metalle und intermetallische Verbindungen – Kupfer-Cupalit-Familie – Kupfergruppe)<ref>{{Internetquelle |autor=[[Ernest Henry Nickel|Ernest H. Nickel]], Monte C. Nichols |url=http://cnmnc.units.it/IMA2009-01%20UPDATE%20160309.pdf#page=161 |titel=IMA/CNMNC List of Minerals 2009 |werk=cnmnc.units.it |hrsg=IMA/CNMNC |datum=2009-01 |sprache=en |abruf=2024-02-15 |format=PDF; 1,9&nbsp;MB |kommentar=Blei (Lead) siehe S.&nbsp;161}}</ref> beziehungsweise in der veralteten [[Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage)#I/A. Metalle und intermetallische Legierungen (ohne Halbmetalle)|8. Auflage]] unter ''I/A.03'' (''Zinn-Blei-Gruppe'') eingeordnet. Die vorwiegend im englischsprachigen Raum verwendete [[Systematik der Minerale nach Dana/Elemente#01.01 Elemente: Metallische Elemente außer der Platingruppe|Systematik der Minerale nach Dana]] führt das Element-Mineral unter der System-Nr. 01.01.01.04 (''Goldgruppe'').<ref>{{Internetquelle |autor=David Barthelmy |url=https://webmineral.com/dana/dana.php?class=01&subclass=01&group=01 |titel=Minerals Arranged by the New Dana Classification. 01.01.01 Gold group |werk=webmineral.com |sprache=en |abruf=2024-02-15}}</ref><br />
<br />
In der Natur tritt gediegen Blei meist in Form von zentimetergroßen Blechen und Platten sowie in körnigen, dendritischen, haar- oder drahtförmigen [[Mineral-Aggregat|Aggregaten]] auf.<ref>Bildbeispiele von [https://www.mindat.org/photo-23609.html plattigem] und [https://www.mindat.org/photo-769985.html dendritischem] Blei bei mindat.org</ref> Sehr selten finden sich auch [[Oktaeder|oktaedrische]], würfelige und [[Dodekaeder|dodekaedrische]] Blei[[kristall]]e, die meist winzig sind,<ref>[https://www.mindat.org/photo-87113.html Bildbeispiel einer mikroskopischen Aufnahme von oktaedrischen Bleikristallen] bei mindat.org</ref> aber gelegentlich eine Größe zwischen 4&nbsp;cm<ref name="Klockmann" /> und 6&nbsp;cm erreichen können.<ref name="handbookofmineralogy" /><br />
<br />
== Staaten mit der größten Förderung ==<br />
<!-- Bitte Abschnittsüberschrift nicht löschen oder umbenennen, da interne Verlinkung aus anderen Artikeln (zum Beispiel China) in Arbeit! Danke! Benutzer:Bertonymus --><br />
<br />
{{Siehe auch|Liste der größten Bleiproduzenten}}<br />
<br />
{| class="wikitable sortable"<br />
|+Die Länder mit der größten Bleiförderung (2020)<ref name="usgs_2022">[https://pubs.usgs.gov/periodicals/mcs2022/mcs2022-lead.pdf U.S. Geological Survey, Mineral Commodity Summaries 2022: LEAD].</ref><br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! Rang<br />
! Land<br />
! Fördermengen<br />(in [[Tonne (Einheit)|Kilotonnen]])<br />
|-<br />
| 1 || {{CHN}} || 1900<br />
|-<br />
| 2 || {{AUS}} || 494<br />
|-<br />
| 3 || {{USA}} || 306<br />
|-<br />
| 4 || {{MEX}} || 260<br />
|-<br />
| 5 || {{PER}} || 242<br />
|-<br />
| 6 || {{RUS}} || 210<br />
|-<br />
| 7 || {{IND}} || 204<br />
|-<br />
| 8 || {{SWE}} || 70<br />
|-<br />
| 9 || {{BOL}} || 65<br />
|-<br />
| 10 || {{TUR}} || 63<br />
|}<br />
<br />
Die weltweit bedeutendsten Förderländer für Bleierz im Jahre 2020 waren die Volksrepublik China (1.900.000 Tonnen), Australien (494.000 Tonnen) und die USA (306.000 Tonnen), deren Anteil an den weltweit abgebauten 4,4 Millionen Tonnen zusammen etwa zwei Drittel betrug. In Europa sind Russland, Schweden, Polen und die Türkei als die größten Bleiproduzenten zu nennen.<br />
<br />
Die wichtigsten Produzenten von raffiniertem Blei ([[Hüttenblei]] mit 99,9 % Reinheit) sind die Volksrepublik China (1,8 Millionen Tonnen), die USA (1,2 Millionen Tonnen) und Deutschland (403.000 Tonnen), deren Anteil zusammen rund die Hälfte der weltweit erzeugten 6,7 Millionen Tonnen beträgt. Weitere bedeutende Produzenten von raffiniertem Blei in Europa sind Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien.<br />
<br />
Der weltweite Verbrauch bzw. Produktion von Blei stieg von etwa 7 Millionen Tonnen auf etwa 11 Millionen Tonnen in den Jahren 2013 bis 2016.<ref name="statista.com">Statistik: [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38025/umfrage/verbrauch-von-bleimetall-weltweit-seit-2004/ Weltweiter Bleiverbrauch bis 2016 | Statistik], abgerufen am 24. März 2018</ref><ref name="statista.com2">Statistik: [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38017/umfrage/produktion-von-bleimetall-weltweit-seit-2004/ • Weltweite Bleiproduktion bis 2016 | Statistik], abgerufen am 24. März 2018</ref> Der Großteil des Bleis wird dabei für Bleiakkumulatoren verwendet. Ca. 92 % des 2021 in den USA gebrauchten Bleis wurden dieser Verwendung zugeführt.<ref name="usgs_2022" /><br />
<br />
== Gewinnung und Darstellung ==<br />
[[Datei:GalèneMissouri.jpg|mini|[[Galenit]] ''(Bleiglanz)'' aus [[Missouri]]]]<br />
<br />
Das mit Abstand bedeutendste Bleimineral ist das [[Galenit]]. Dieses tritt häufig vergesellschaftet mit den Sulfiden anderer Metalle (Kupfer, Bismut, Zink, Arsen, Antimon u.&nbsp;a.) auf, die naturgemäß als Verunreinigung des Rohbleis bis zu einem Anteil von 5 % enthalten sind.<br />
<br />
Das durch Zerkleinerung, Klassierung und [[Flotation]] auf bis zu 60 % Mineralgehalt aufbereitete Erz wird in drei verschiedenen industriellen Prozessen in metallisches Blei überführt. Dabei treten die Verfahren der Röstreduktion und der Röstreaktion zunehmend in den Hintergrund und werden durch Direktschmelzverfahren ersetzt, die sich einerseits wirtschaftlicher gestalten lassen und die andererseits umweltverträglicher sind.<br />
<br />
=== Röstreduktionsarbeit ===<br />
Dieses Verfahren verläuft in zwei Stufen, dem [[Rösten (Metallurgie)|Rösten]] und der [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]]. Beim Rösten wird das fein zerkleinerte Bleisulfid auf einen [[Wanderrost]] gelegt und 1000&nbsp;°C heiße Luft hindurchgedrückt. Dabei reagiert es mit dem [[Sauerstoff]] der Luft in einer exothermen Reaktion zu [[Blei(II)-oxid]] (PbO) und [[Schwefeldioxid]]. Dieses wird über die Röstgase ausgetrieben und kann für die [[Schwefelsäure]]produktion verwendet werden. Das Bleioxid ist unter diesen Bedingungen flüssig und fließt nach unten. Dort kann es [[Sintern|gesintert]] werden.<br />
<br />
:<math>\mathrm{2\ PbS\ +\ 3\ O_2\ \longrightarrow\ 2\ PbO\ +\ 2\ SO_2}\ \ \Delta H_{\mathrm{r}}^0=-836\ \mathrm{kJ \cdot mol}^{-1}</math> (Röstarbeit)<br />
<br />
Anschließend erfolgt die Reduktion des Bleioxids mit Hilfe von [[Koks]] zu metallischem Blei. Dies geschieht in einem Schachtofen, ähnlich dem beim [[Hochofen]]prozess verwendeten. Dabei werden schlackebildende Zuschlagsstoffe wie [[Calciumcarbonat|Kalk]] beigefügt.<br />
<br />
:<math>\mathrm{PbO\ +\ C\ \longrightarrow\ Pb\ +\ CO}\ \ \Delta H_{\mathrm{r}}^0=+107\ \mathrm{kJ \cdot mol}^{-1}</math><br />
<br />
:<math>\mathrm{PbO\ +\ CO\ \longrightarrow\ Pb\ +\ CO_2}\ \ \Delta H_{\mathrm{r}}^0=-66\ \mathrm{kJ \cdot mol}^{-1}</math> (Reduktionsarbeit)<br />
<br />
=== Röstreaktionsarbeit ===<br />
Dieses Verfahren kommt vor allem bei hochgradig mit PbS angereicherten Bleierzen zum Einsatz und ermöglicht die Bleierzeugung in einem Schritt. Dabei wird das sulfidische Erz nur unvollständig geröstet. Anschließend wird das Bleisulfid/Bleioxid-Gemisch weiter unter Luftabschluss erhitzt. Dabei setzt das Bleioxid sich mit dem verbliebenen PbS ohne Zugabe eines weiteren Reduktionsmittels zu Blei und Schwefeldioxid um:<br />
<br />
:<math>\mathrm{2\ PbS\ +\ 3\ O_2\ \longrightarrow\ 2\ PbO\ +\ 2\ SO_2} </math> (Röstarbeit),<br />
<br />
:<math>\mathrm{PbS\ +\ 2\ PbO\ \longrightarrow\ 3\ Pb\ +\ SO_2}</math> (Reaktionsarbeit).<br />
<br />
=== Direktschmelzverfahren ===<br />
Moderne Herstellungsverfahren für Blei basieren auf Direktschmelzverfahren, die auf Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit hin optimiert wurden (zum Beispiel das [[QSL-Verfahren]]<ref>{{Webarchiv | url=http://www.berzelius.de/produkte/qsl/index.html | wayback=20070929082916 | text=QSL bei berzelius.de}}</ref>). Vorteilhaft ist die kontinuierliche Prozessführung mit Beschränkung auf einen Reaktionsraum, der als einziger [[Emission (Umwelt)|Emittent]] für Schadstoffe auftritt&nbsp;– im Vergleich dazu weisen die klassischen Produktionsverfahren das [[Sintern]] als zusätzlichen emittierenden Schritt auf. Das Rösten und die Reduktion finden parallel in einem Reaktor statt. Das Bleisulfid wird ähnlich wie beim Röstreaktionsverfahren nicht vollständig geröstet. Ein Teil des Bleis entsteht somit durch Reaktion des Bleisulfids mit Bleioxid. Da der Reaktor leicht geneigt ist, fließen Blei und bleioxidhaltige [[Schlacke (Metallurgie)|Schlacke]] ab. Diese passiert die Reduktionszone, in die Kohlenstaub eingeblasen und das Bleioxid so zu Blei reduziert wird. Beim Rösten wird statt Luft reiner [[Sauerstoff]] verwendet. Dadurch verringert sich das Volumen an Abgasen erheblich, die andererseits eine im Vergleich zu konventionellen Verfahren höhere Konzentration an Schwefeldioxid aufweisen. Deren Verwendung für die Schwefelsäureherstellung gestaltet sich somit einfacher und wirtschaftlicher.<br />
<br />
=== Raffination ===<br />
[[Datei:Lead electrolytic and 1cm3 cube.jpg|mini|links|Bleiknollen, elektrolytisch raffiniert, 99,989 %]]<br />
Das entstehende [[Werkblei]] enthält 2–5 % andere Metalle, darunter [[Kupfer]], [[Silber]], [[Gold]], [[Zinn]], [[Antimon]], [[Arsen]], [[Bismut]] in wechselnden Anteilen. Das Aufreinigen und Vermarkten einiger dieser Beiprodukte, insbesondere des bis zu 1 % im Werkblei enthaltenen Silbers, trägt wesentlich zur Wirtschaftlichkeit der Bleigewinnung bei.<br />
<br />
Die pyrometallische Raffination des Bleis ist ein mehrstufiger Prozess. Durch Schmelzen in Gegenwart von Natriumnitrat/Natriumcarbonat bzw. von Luft werden Antimon, Zinn und Arsen oxidiert und können als Bleiantimonate, -stannate und -arsenate von der Oberfläche der Metallschmelze abgezogen werden („Antimonabstrich“). Kupfer wie auch eventuell enthaltenes Zink, Nickel und Kobalt werden durch [[Seigerung|Seigern]] des Werkbleis aus dem Rohmetall entfernt. Dabei sinkt auch der Schwefelgehalt beträchtlich. Silber wird nach dem [[Parkes-Verfahren]] ggf. durch die Zugabe von Zink und das Ausseigern der sich bildenden Zn-Ag-[[Mischkristall]]e aus dem Blei abgeschieden („Parkesierung“), während die Bedeutung des älteren Pattinson-Verfahrens stark zurückgegangen ist (''siehe auch'' Herstellung von Silber, [[Güldischsilber]]). Bismut kann nach dem Kroll-Betterton-Verfahren durch Legieren mit [[Calcium]] und [[Magnesium]] als Bismutschaum von der Oberfläche der Bleischmelze abgezogen werden.<br />
<br />
Eine weitere Reinigung kann durch elektrolytische Raffination erfolgen, jedoch ist dieses Verfahren bedingt durch den hohen Energiebedarf kostenintensiver. Blei ist zwar ein unedles Element, welches in der [[Elektrochemische Spannungsreihe|elektrochemischen Spannungsreihe]] ein negativeres [[Standardpotential]] als Wasserstoff aufweist. Dieser hat jedoch an Bleielektroden eine hohe [[Überspannung (Elektrochemie)|Überspannung]], so dass eine elektrolytische Abscheidung metallischen Bleis aus wässrigen Lösungen möglich wird, siehe [[elektrolytische Bleiraffination]].<br />
<br />
Raffiniertes Blei kommt als Weichblei bzw. genormtes [[Hüttenblei]] mit 99,9- bis 99,97%iger Reinheit (zum Beispiel [[Eschweiler Raffiné]]) oder als Feinblei mit 99,985 bis 99,99 % Blei (DIN 1719, veraltet) in den Handel. Entsprechend dem Verwendungszweck sind auch Bezeichnungen wie Kabelblei für die Legierung mit ca. 0,04 % Kupfer verbreitet. Aktuelle Normen wie DIN EN 12659 kennen diese noch gebräuchlichen Bezeichnungen nicht mehr.<br />
<br />
== Eigenschaften ==<br />
=== Physikalische Eigenschaften ===<br />
[[Datei:Face-centered cubic.svg|150px|mini|Kubisch-flächenzentriertes Gitter des Bleis (a=494 pm).]]<br />
<br />
Blei ist ein unedles Metall mit einem Standard[[elektrodenpotential]] von etwa −0,13&nbsp;V.<ref name="Binnewies" /> Es ist allerdings edler als viele andere Gebrauchsmetalle, wie Eisen, Zink oder Aluminium. Es ist ein [[Diamagnetismus|diamagnetisches]] Schwermetall mit einer [[Dichte]] von 11,3&nbsp;g/cm³, das [[Kubisches Kristallsystem|kubisch-flächenzentriert]] kristallisiert und damit eine kubisch [[dichteste Kugelpackung]] mit der {{Raumgruppe|Fm-3m|lang}} aufweist. Der [[Gitterparameter]] beträgt bei reinem Blei 0,4950&nbsp;[[Nanometer|nm]]<ref>{{Literatur | Autor= Ralph W. G. Wyckoff | Titel= Crystal Structures | Band= 1 | Auflage= 2. | Verlag= John Wiley & Sons | Ort= New York, London, Sydney | Datum= 1963 | Seiten= 3 | ISBN= | Kommentar= im [http://som.web.cmu.edu/StructuresAppendix2.pdf#page=3 Anhang]}}</ref> (entspricht 4,95&nbsp;[[Ångström (Einheit)|Å]]) bei 4 [[Formeleinheit]]en pro [[Elementarzelle]].<ref>{{Literatur| Autor= [[Karl Hugo Strunz|Hugo Strunz]], [[Ernest Henry Nickel|Ernest H. Nickel]] | Titel= Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System | Auflage= 9. | Verlag= E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller) | Ort= Stuttgart | Datum= 2001 | Seiten= 35| ISBN= 3-510-65188-X}}</ref><br />
<br />
Darauf gründet die ausgeprägte [[Duktilität]] des Metalls und die geringe [[Härte#Mohs|Mohshärte]] von 1,5. Es lässt sich daher leicht zu Blechen walzen oder zu Drähten formen, die jedoch wegen ihrer geringen Härte nur wenig beständig sind. Eine [[diamant]]artige Modifikation, wie sie von den leichteren Homologen der Gruppe 14 bekannt ist, tritt beim Blei nicht auf. Das liegt an der [[Relativistischer Effekt in der Chemie|relativistisch]] bedingten Instabilität der Pb-Pb-Bindung und an der geringen Tendenz, vierwertig aufzutreten.<br />
<br />
Frische Bleiproben sind von grauweißer bis metallisch weißer Farbe und zeigen einen typisch metallischen [[Glanz#Minerale|Glanz]], der aber durch oberflächliche Oxidation sehr schnell abnimmt. Die Farbe wechselt dabei ins Dunkelgraue und wird matt. Auf Papier hinterlässt das weiche Metall einen (blei)grauen [[Strichfarbe|Strich]]. Aus diesem Grund wurde früher mit Blei geschrieben und gemalt. Der Name „[[Bleistift]]“ blieb bis heute erhalten, obwohl man seit langem dafür [[Graphit]] benutzt.<br />
<br />
Der Schmelzpunkt des Bleis liegt bei 327&nbsp;°C, sein Siedepunkt bei 1740–1751&nbsp;°C (Werte in Fachliteratur unterschiedlich: 1740&nbsp;°C,<ref name="Merck-SDB">{{Merck|107362|Abruf=2010-02-23}}</ref> 1746&nbsp;°C,<ref name="Binnewies">Michael Binnewies: ''Allgemeine und anorganische Chemie.'' Spektrum, Heidelberg 2004, ISBN 3-8274-0208-5.</ref> 1751&nbsp;°C<ref name="HoWi">{{Holleman-Wiberg|Auflage=101.|Startseite=?}}</ref>). Blei [[Leitfähigkeit|leitet]] als typisches Metall sowohl [[Wärme]] als auch [[Elektrischer Strom|Strom]], dies aber deutlich schlechter als andere Metalle (vgl. elektrische Leitfähigkeit Blei: {{ZahlExp|4,8|6|post=S/m}},<ref name="HoWi" /> Silber: {{ZahlExp|62|6|post=S/m}}<ref name="HoWi" />). Unterhalb von 7,196&nbsp;K zeigt Blei keinen [[Elektrischer Widerstand|elektrischen Widerstand]], es wird zum [[Supraleiter]] vom Typ&nbsp;I. Damit ist Blei hinter [[Niob]] und [[Technetium]] das Element mit der [[Liste der Sprungtemperaturen chemischer Elemente|dritthöchsten Sprungtemperatur]] bei Normaldruck. Die [[Schallgeschwindigkeit]] in Blei liegt bei etwa 1200&nbsp;m/s, in der Literatur streuen die Werte etwas, wahrscheinlich bedingt durch unterschiedliche [[Stoffreinheit|Reinheit]] oder Bearbeitung.<br />
<br />
=== Chemische Eigenschaften ===<br />
An der Luft wird Blei durch Bildung einer Schicht aus Bleioxid [[Passivierung|passiviert]] und damit vor weiterer [[Oxidation]] geschützt. Frische Schnitte glänzen daher zunächst metallisch, laufen jedoch schnell unter Bildung einer matten Oberfläche an. In feinverteiltem Zustand ist Blei leichtentzündlich (''pyrophores Blei'').<br />
<br />
Auch in diversen Säuren ist Blei durch Passivierung unlöslich. So ist Blei beständig gegen [[Schwefelsäure]], [[Flusssäure]] und [[Salzsäure]], da sich mit den Anionen der jeweiligen Säure unlösliche Bleisalze bilden. Deshalb besitzt Blei für spezielle Anwendungen eine gewisse Bedeutung im chemischen Apparatebau.<br />
<br />
Löslich ist Blei dagegen in [[Salpetersäure]] ([[Blei(II)-nitrat]] ist wasserlöslich), heißer, konzentrierter Schwefelsäure (Bildung des löslichen Pb(HSO<sub>4</sub>)<sub>2</sub>-Komplexes), [[Essigsäure]] (nur bei Luftzutritt) und heißen [[Alkalische Lösung|Laugen]].<br />
<br />
In Wasser, das keinen Sauerstoff enthält, ist metallisches Blei stabil. Bei Anwesenheit von Sauerstoff löst es sich jedoch langsam auf, so dass bleierne Trinkwasserleitungen eine Gesundheitsgefahr darstellen können. Wenn das Wasser dagegen viele [[Hydrogencarbonate|Hydrogencarbonat-]] und [[Sulfate|Sulfationen]] enthält, was meist mit einer hohen [[Wasserhärte]] einhergeht, bildet sich nach einiger Zeit eine Schicht basischen [[Blei(II)-carbonat|Bleicarbonats]] und [[Blei(II)-sulfat|Bleisulfats]]. Diese schützt das Wasser vor dem Blei, jedoch geht selbst dann noch etwas Blei aus den Leitungen in das Wasser über.<br />
<br />
== Isotope ==<br />
Natürlich vorkommendes Blei besteht im Mittel zu etwa 52,4 % aus dem Isotop <sup>208</sup>Pb, zu etwa 24,1 % aus <sup>206</sup>Pb, zu etwa 22,1 % aus <sup>207</sup>Pb, und zu etwa 1,4 % <sup>204</sup>Pb. Die Zusammensetzung ist je nach Lagerstätte geringfügig verschieden, so dass mit einer Analyse der Isotopenzusammensetzung die Bleiherkunft festgestellt werden kann. Das ist für historische Funde aus Blei und Erkenntnisse früherer Handelsbeziehungen von Bedeutung.<br />
<br />
Die drei erstgenannten Isotope sind stabil. Bei <sup>204</sup>Pb handelt es sich um ein [[Primordiales Nuklid|primordiales Radionuklid]]. Es zerfällt unter Aussendung von [[Alphastrahlung]] mit einer [[Halbwertszeit]] von 1,4&nbsp;·&nbsp;10<sup>17</sup>&nbsp;Jahren (140 [[Billiarde]]n Jahre) in <sup>200</sup>[[Quecksilber|Hg]]. <sup>208</sup>Pb besitzt einen [[Magische Zahl (Physik)|doppelt magischen Kern]]; es ist das schwerste stabile Nuklid. (Das noch schwerere, lange für stabil gehaltene <sup>209</sup>[[Bismut|Bi]] ist nach neueren Messungen<ref>P. de Marcillac, N. Coron, G. Dambier, J. Leblanc, J.-P. Moalic: ''Experimental detection of α-particles from the radioactive decay of natural bismuth.'' In: ''[[Nature]].'' 422, 2003, S.&nbsp;876–878; [[doi:10.1038/nature01541]].</ref> instabil und zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 1,9·10<sup>19</sup> (19 [[Trillion]]en) Jahren.)<br />
<br />
Die stabilen Isotope des natürlich vorkommenden Bleis sind jeweils die Endprodukte der Uran- und Thorium-Zerfallsreihen: <sup>206</sup>Pb ist das Endnuklid der beim <sup>238</sup>U beginnenden [[Uran-Radium-Reihe]], <sup>207</sup>Pb ist das Ende der beim <sup>235</sup>U beginnenden [[Uran-Actinium-Reihe]] und <sup>208</sup>Pb das Ende der beim <sup>244</sup>Pu bzw. <sup>232</sup>Th beginnenden [[Thorium-Reihe]]. Durch diese Zerfallsreihen kommt es zu dem Effekt, dass das Verhältnis der Bleiisotope in einer Probe bei Ausschluss eines stofflichen Austausches mit der Umwelt zeitlich nicht konstant ist. Dies kann zur [[Geochronologie|Altersbestimmung]] durch die Uran-Blei- bzw. Thorium-Blei-Methode genutzt werden, die auf Grund der langen Halbwertszeiten der Uran- und Thoriumisotope im Gegensatz zur [[Radiokarbonmethode]] gerade zur Datierung von Millionen Jahre alten Proben tauglich ist. Außerdem führt der Effekt zu differenzierten Isotopensignaturen im Blei aus verschiedenen Lagerstätten, was zum Herkunftsnachweis herangezogen werden kann.<br />
<br />
Weiterhin existieren noch 33 instabile [[Isotop]]e und 13 instabile [[Isomer (Kernphysik)|Isomere]] von <sup>178</sup>Pb bis <sup>215</sup>Pb,<ref name="nubase">G. Audi, O. Bersillon, J. Blachot, A.H. Wapstra: ''The NUBASE evaluation of nuclear and decay properties.'' In: ''Nuclear Physics.'' Band A 729. Amsterdam 2003, S.&nbsp;3–128. {{DOI|10.1016/j.nuclphysa.2003.11.001}}. ([http://amdc.in2p3.fr/nubase/nubase2003/Nubase2003.pdf PDF]; 1,0&nbsp;MB).</ref> die entweder künstlich hergestellt wurden oder in den [[Zerfallsreihe]]n des [[Uran]]s bzw. des [[Thorium]]s vorkommen, wie etwa <sup>210</sup>Pb in der Uran-Radium-Reihe. Das langlebigste Isotop unter ihnen ist <sup>205</sup>Pb mit einer Halbwertszeit von 153 [[Million]]en Jahren.<br />
<br />
''→ [[Liste der Isotope/Ordnungszahl 81 bis Ordnungszahl 90#82 Blei|Liste der Blei-Isotope]]''<br />
<br />
== Verwendung ==<br />
Die größten Bleiverbraucher sind die USA, Japan, Deutschland und die Volksrepublik China. Der Verbrauch ist stark von der [[Konjunktur]] in der Automobilindustrie abhängig, in deren Akkumulatoren etwa 60 % des Weltbedarfs an Blei verwendet werden. Weitere 20 % werden in der chemischen Industrie verarbeitet.<br />
<br />
=== Strahlenabschirmung ===<br />
[[Datei:Lead shielding.jpg|mini|[[Bleiburg (Strahlenschutz)|Bleiklötze zur Abschirmung einer radioaktiven Strahlenquelle]] im Labor]]<br />
Wegen seiner hohen [[Atommasse]] eignet sich Blei in ausreichend dicken Schichten oder Blöcken zur [[Abschirmung (Strahlung)#Röntgen- und Gammastrahlung|Abschirmung]] gegen [[Gammastrahlung|Gamma-]] und [[Röntgenstrahlung]]; es [[Absorption (Physik)|absorbiert]] [[Röntgenstrahlung|Röntgen-]] und [[Gammastrahlung]] sehr wirksam. Blei ist hierfür billiger und leichter zu verarbeiten, etwa als weiches Blech, als noch „atom-schwerere“, dichtere Metalle. Deshalb wird es ganz allgemein im [[Strahlenschutz]] (zum Beispiel [[Nuklearmedizin]], [[Radiologie]], [[Strahlentherapie]]) zur [[Abschirmung (Strahlung)|Abschirmung]] benutzt. Ein Beispiel ist die Blei[[schürze]], welche Ärzte und Patienten bei Röntgenaufnahmen tragen. [[Bleiglas]] wird ebenfalls zum Strahlenschutz verwendet.<br />
<br />
Im Krankenhausbereich ist als technische Angabe bei baulichen Einrichtungen mit Abschirmfunktion wie Wänden, Türen, Fenster der ''Bleidickegleichwert''<!--unsicher ob korrekt bezeichnet--> üblich und oft angeschrieben, um die Wirksamkeit von Strahlenschutz und Strahlenbelastung berechnen zu können.<br />
<br />
Blei wird deshalb zum Beispiel auch für [[Streustrahlenraster]] eingesetzt.<br />
<br />
Einen besonderen Anwendungsfall stellt die Abschirmung von [[Gammaspektroskopie|Gamma-Spektrometern]] für die Präzisionsdosimetrie dar. Hierfür wird Blei mit möglichst geringer Eigen-Radioaktivität benötigt. Der natürliche Gehalt an radioaktivem <sup>210</sup>Pb wirkt sich störend aus. Er fällt umso niedriger aus, je länger der Verhüttungszeitpunkt zurückliegt, denn mit der Verhüttung werden die Mutter-Nuklide aus der [[Uran-Radium-Reihe]] (Begleiter im Erz) vom Blei abgetrennt. Das <sup>210</sup>Pb zerfällt daher vom Zeitpunkt der Verhüttung an mit seiner [[Halbwertszeit]] von 22,3&nbsp;Jahren, ohne dass neues nachgebildet wird. Deshalb sind historische Bleigegenstände wie etwa Trimmgewichte aus gesunkenen Schiffen oder historische Kanonenkugeln zur Gewinnung von [[Low-background steel#Andere Metalle mit geringer Radioaktivität|strahlungsarmem]] Blei für die Herstellung solcher Abschirmungen begehrt. Auch gibt es noch andere Forschungseinrichtungen, die aus ähnlichen Gründen dieses alte Blei benötigen.<ref>[http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,689783,00.html ''Neutrino-Jagd, Blei aus antikem Schiff schützt Hightech-Experiment.''] In: ''Spiegel Online.'' 19. März 2010, abgerufen: 19. März 2010.</ref><br />
<br />
=== Metall ===<br />
Blei wird vorwiegend als Metall oder [[Legierung]] verwendet. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als Blei eines der wichtigsten und meistverwendeten Metalle war, versucht man heute, Blei durch andere, ungiftige Elemente oder Legierungen zu ersetzen. Wegen seiner wichtigen Eigenschaften, vor allem seiner [[Korrosion]]sbeständigkeit und hohen [[Dichte]] sowie seiner einfachen Herstellung und Verarbeitung, hat es aber immer noch eine große Bedeutung in der Industrie. Elemente mit einer ähnlichen oder noch höheren Dichte beispielsweise sind entweder noch problematischer ([[Quecksilber]], [[Uran]]) oder sehr selten und teuer ([[Wolfram]], [[Gold]], [[Platin]]).<br />
<br />
==== Elektrotechnik ====<br />
Das meiste Blei wird heutzutage für chemische Energiespeicher in Form von Bleiakkumulatoren (zum Beispiel für Autos) verwendet. Ein Autoakku enthält eine Blei- und eine Blei(IV)-oxid-Elektrode sowie verdünnte Schwefelsäure (37 %) als Elektrolyt. Aus den bei der elektrochemischen Reaktion entstehenden Pb<sup>2+</sup>-Ionen bildet sich in der Schwefelsäure unlösliches Blei(II)-sulfat. Wiederaufladen ist durch die [[Rückreaktion]] von Blei(II)-sulfat zu Blei und Blei(IV)-oxid möglich. Ein Vorteil des Bleiakkumulators ist die hohe [[Nennspannung]] einer [[Galvanische Zelle|Akkuzelle]] von 2,06&nbsp;[[Volt]].<br />
<br />
==== Maschinenbau ====<br />
Da Blei eine hohe Dichte besitzt, wird es als Gewicht benutzt. Umgangssprachlich gibt es deshalb die Bezeichnung „bleischwer“ für sehr schwere Dinge. Bleigewichte wurden unter anderem als Ausgleichsgewichte zum [[Auswuchten]] von Autorädern benutzt. Dies ist aber seit dem 1.&nbsp;Juli 2003 bei PKW-Neuwagen und seit dem 1.&nbsp;Juli 2005 bei allen PKW (bis 3,5&nbsp;t) verboten; die Bleigewichte sind durch Zink- oder Kupfergewichte ersetzt worden. Weitere Anwendungen unter Ausnutzung der hohen Dichte sind: Bleiketten zur Straffung von Gardinen und Tauchgewichte, um beim Tauchen den Auftrieb von Taucher und Ausrüstung auszugleichen. Außerdem wird Blei als Schwingungsdämpfer in vibrationsempfindlichen (Auto-)Teilen, zur Stabilisierung von Schiffen und für Sonderanwendungen des Schallschutzes verwendet.<br />
<br />
==== Apparatebau ====<br />
Blei ist durch [[Passivierung]] chemisch sehr beständig und widersteht unter anderem [[Schwefelsäure]] und [[Brom]]. Daher wird es als [[Korrosionsschutz]] im Apparate- und Behälterbau eingesetzt. Eine früher wichtige Anwendung war das [[Bleikammerverfahren]] zur Schwefelsäureherstellung, da damals Blei das einzige bekannte Metall war, das den Schwefelsäuredämpfen widerstand. Auch frühere Anlagen und Räume zur Herstellung von Nitroglyzerin wurden an Boden und Wand mit Blei ausgekleidet.<ref>F. Scheiding: ''Über die Schutzmaassregeln bei Herstellung des Nitroglycerins.'' In: ''[[Angewandte Chemie (Zeitschrift)|Angewandte Chemie]].'' 3, 20, 1890, S.&nbsp;609–613; [[doi:10.1002/ange.18900032002]].</ref> Blei wurde auch häufig zur Ummantelung von Kabeln zum Schutz vor Umwelteinflüssen benutzt, beispielsweise bei Telefonkabeln. Heute ist Blei dabei meist durch [[Kunststoff]]e, zum Beispiel PVC, abgelöst worden, wird aber bis heute bei Kabeln in [[Erdölraffinerie|Raffinerien]] eingesetzt, da es auch gegen [[Kohlenwasserstoffe]] unempfindlich ist.<br />
<br />
==== Bauwesen ====<br />
[[Datei:Lead pipe - Bath Roman Baths.jpg|mini|hochkant|Bleirohr in einem römischen Bad]]<br />
<br />
Da Blei leicht zu bearbeiten und zu gießen ist, wurde Blei in der Vergangenheit häufig für metallische Gegenstände verwendet. Zu den wichtigsten Bleiprodukten zählten u.&nbsp;a. Rohre. Aufgrund der Toxizität der aus dem Blei evtl. entstehenden chemischen Verbindungen ([[Bleivergiftung]]) kommen Bleirohre aber seit den 1970er Jahren nicht mehr zum Einsatz. Trotz einer gebildeten Karbonatschicht in den Rohren löst sich das Blei weiterhin im [[Trinkwasser]]. Erfahrungsgemäß wird bereits nach wenigen Metern der Grenzwert der geltenden [[Trinkwasserverordnung]] nicht mehr eingehalten.<br />
<br />
[[Datei:Bleifuge zwischen Mauersteinen.JPG|mini|Blei zur Versiegelung einer Mauerfuge]]<br />
<br />
Weitere Verwendung im Hochbau fand Blei zur Verbindung von Steinen durch eingegossene Metallklammern oder Metalldübel, etwa um [[Scharnier]]e an einen steinernen Türstock zu befestigen oder ein [[Geländer|Eisengeländer]] an einer Steintreppe. Diese Verbleiungstechnik ist in der Restaurierung noch weit verbreitet. So an der Turmspitze im Wiener [[Stephansdom]] oder der Brücke in [[Mostar]]. Auch für Fensterfassungen, zum Beispiel an [[mittelalter]]lichen Kirchenfenstern, wurden oft [[Bleirute]]n verwendet. Blei (Walzblei) findet auch Verwendung als [[Dachdeckung]] (zum Beispiel die Hauptkuppeln der [[Hagia Sophia]]) oder für Dachabschlüsse (zum Beispiel bei den berühmten „[[Bleikammern]]“, dem ehemaligen Gefängnis von [[Venedig]] und im Kölner Dom) sowie zur Einfassung von Dachöffnungen. Auch wurde früher Farben und Korrosionsschutzanstrichen Blei beigemischt, insbesondere bei Anstrichen für Metalloberflächen. Noch heute stellt Blei bei Gebäuden im Bestand einen zu berücksichtigenden [[Gebäudeschadstoff]] dar, da es in vielen älteren Bau- und Anlageteilen weiterhin zu finden ist.<br />
<br />
==== Pneumatiksteuerungen ====<br />
[[Datei:Salemer Münster Orgel innen Pneumatische Traktur.jpg|mini|Bleirohre der pneumatischen [[Traktur]] einer Orgel]]<br />
<br />
Ein spezieller Anwendungsbereich von Bleirohren waren ab dem späten 19. Jahrhundert pneumatische Steuerungen für Orgeln ([[Traktur#Pneumatisch|pneumatische Traktur]]), [[Kunstspielklavier|pneumatische Kunstspielklaviere]] und, als ein spezieller und sehr erfolgreicher Einsatzfall, die Steuerung der [[Edwin Albert Link|Link-Trainer]], des ersten weitverbreiteten Flugsimulators. Die Vorteile von Bleirohren (billig, stabil, flexibel, kleiner Platzbedarf für die nötigen umfangreichen Rohrbündel, lötbar, mechanisch leicht zu verarbeiten, langlebig) waren dafür ausschlaggebend.<br />
<br />
==== Militärtechnik ====<br />
Ein wichtiger Abnehmer für Bleimetall war und ist das Militär. Blei dient als Grundstoff für Geschosse, sowohl für [[Schleuder (Waffe)|Schleudern]] als auch für Feuerwaffen. In sogenannten [[Kartätsche (Munition)|Kartätschen]] wurde gehacktes Blei verschossen. Der Grund für die Verwendung von Blei waren und sind einerseits die hohe Dichte und damit hohe Durchschlagskraft und andererseits die leichte Herstellung durch Gießen. Heutzutage wird das Blei meist von einem Mantel (daher „[[Mantelgeschoss]]“) aus einer Kupferlegierung ([[Messing|Tombak]]) umschlossen. Vorteile sind vor allem eine höhere erreichbare Geschossgeschwindigkeit, bei der ein nicht ummanteltes Bleigeschoss aufgrund seiner Weichheit nicht mehr verwendet werden kann, und die Verhinderung von Bleiablagerungen im Inneren des Laufes einer Feuerwaffe. [[Bleifreie Munition]] ist jedoch auch verfügbar.<br />
<br />
==== Karosseriereparatur ====<br />
Vor dem Aufkommen moderner 2-Komponenten-[[Spachtelmasse]] wurden Blei oder Blei-Zinn-Legierungen aufgrund ihres geringen Schmelzpunktes zum Ausfüllen von Schad- und Reparaturstellen an Fahrzeugkarosserien genutzt. Dazu wurde das Material mit [[Lötbrenner]] und [[Flussmittel (Löten)|Flussmittel]] auf die Schadstelle [[Löten|aufgelötet]]. Anschließend wurde die Stelle wie beim Spachteln verschliffen. Dies hat den Vorteil, dass das Blei im Gegensatz zu Spachtelmasse eine feste Bindung mit dem Blech eingeht und bei Temperaturschwankungen auch dessen Längenausdehnung mitmacht. Da die entstehenden Dämpfe und Stäube giftig sind, wird dieses Verfahren heute außer bei der Restaurierung historischer Fahrzeuge kaum noch verwendet.<br />
<br />
==== Brauchtum ====<br />
Ein alter [[Orakel]]-Brauch, den bereits die Römer pflegten, ist das [[Bleigießen]], bei dem flüssiges Blei (heutzutage auch in Legierung mit Zinn) in kaltem Wasser zum Erstarren gebracht wird. Anhand der zufällig entstehenden Formen sollen Weissagungen über die Zukunft getroffen werden. Heute wird der Brauch noch gerne zu [[Neujahr]] geübt, um einen (nicht unbedingt ernst genommenen) Ausblick auf das kommende Jahr zu bekommen.<br />
<br />
==== Wassersport ====<br />
[[Datei:Metallpreise.png|mini|Weltmarktpreise für Metall, Juni 2013 (Blei: sechste Beschriftung von unten)]]<br />
<br />
Beim [[Tauchen]] werden [[Blei (Tauchen)|Bleigewichte]] zum [[Tarieren]] verwendet; der hohe Dichteüberschuss (gut 10&nbsp;g/cm³) gegenüber Wasser liefert kompakt den Abtrieb, so dass ein Taucher auch in geringer Wassertiefe schweben kann. Für die Verwendung von Blei als Gewicht ist ferner der vergleichsweise niedrige Preis begünstigend: Ausgehend von den Weltmarktpreisen für Metalle vom Juli 2013 hat Blei ein hervorragendes Preis-Gewichts-Verhältnis. Die Verwendung erfolgt in Form von Platten an den Schuhsohlen eines Panzertauchanzugs, als abgerundete Blöcke aufgefädelt auf einem breiten Hüftgurt oder – modern – als Schrotkugeln in Netzen in den Taschen einer Tarierweste. Öffnen der Gurtschnalle oder der Taschen (unten) erlaubt es, den Ballast notfalls rasch abzuwerfen.<br />
<br />
Der [[Kiel (Schiffbau)|Kielballast]] von [[Segelyacht]]en besteht bevorzugt aus Blei. Eisenschrot ist zwar billiger, aber auch weniger dicht, was bei den heute üblichen schlanken Kielen nicht optimal ist. Neben der Dichte ist ein weiterer Vorteil, dass Blei nicht rostet und daher auch bei einem Schaden in der Kielverkleidung nicht degeneriert.<br />
<br />
=== Legierungsbestandteil ===<br />
Blei wird auch in einigen wichtigen [[Legierung]]en eingesetzt. Durch das Zulegieren weiterer Metalle ändern sich je nach Metall die [[Härte]], der [[Schmelzpunkt]] oder die [[Korrosion]]sbeständigkeit des Materials. Die wichtigste Bleilegierung ist das [[Hartblei]], eine Blei-[[Antimon]]-Legierung, die erheblich härter und damit mechanisch belastbarer als reines Blei ist. Spuren einiger anderer Elemente ([[Kupfer]], [[Arsen]], [[Zinn]]) sind meist in Hartblei enthalten und beeinflussen ebenfalls maßgeblich die Härte und Festigkeit. Verwendung findet Hartblei beispielsweise im Apparatebau, bei dem es neben der chemischen Beständigkeit auch auf Stabilität ankommt.<br />
<br />
[[Datei:Metal movable type.jpg|mini|Bleilettern]]<br />
<br />
Eine weitere Bleilegierung ist das [[Letternmetall]], eine Bleilegierung mit 60–90 % Blei, die als weitere Bestandteile Antimon und Zinn enthält. Es wird für [[Letter]]n im klassischen [[Buchdruck]] verwendet, spielt heute allerdings in der Massenproduktion von Druckgütern keine Rolle mehr, sondern allenfalls für [[Bibliophilie|bibliophile]] Editionen. Daneben wird Blei in [[Lager (Maschinenelement)|Lagern]] als so genanntes [[Lagermetall]] verwendet.<br />
<br />
Blei spielt eine Rolle als Legierungsbestandteil in [[Lot (Metall)|Weichlot]], das unter anderem in der [[Elektrotechnik]] Verwendung findet. In Weichloten ist Zinn neben Blei der wichtigste Bestandteil. Die Verwendung von Blei in Loten betrug 1998 weltweit etwa 20.000 Tonnen. Nach der EG-Richtlinie 2002/95/EG [[RoHS-Richtlinien|RoHS]] ist Blei seit Juli 2006 weitgehend in der [[Löten|Löttechnik]] verboten; Ausnahmen gelten für spezielle Anwendungen.<ref name="ihk-krefeld.de">RoHS: Neue Ausnahmen von den Stoffverwendungsgeboten: {{Webarchiv|url=https://www.ihk-krefeld.de/de/innovation/umwelt/kreislaufwirtschaft/neue-ausnahmen-von-den-stoffverwendungsverboten-in-elektro-und-elektronikgeraet.html |wayback=20180324163325 |text=RoHS: Neue Ausnahmen von den Stoffverwendungsgeboten }}, abgerufen am 24. März 2018</ref><br />
<br />
Blei ist ein häufiger Nebenbestandteil in [[Messing]]. Dort hilft ein Bleianteil (bis 3 %), die Zerspanbarkeit zu verbessern. Auch in anderen Legierungen, wie zum Beispiel [[Rotguss]], kann Blei als Nebenbestandteil enthalten sein. Daher ist es ratsam, nach längerem Stehen das erste aus Messingarmaturen kommende Wasser wegen etwas herausgelösten Bleis eher nicht zu trinken.<ref>{{Webarchiv|url=http://help.orf.at/stories/1686782/ |wayback=20160304053527 |text=''Zu viel Blei in Küchenarmaturen.'' |archiv-bot=2023-06-17 03:32:27 InternetArchiveBot }} auf: ''orf.at '' 19. August 2011, abgerufen am 28. April 2012.</ref><br />
<br />
=== Bleiglas ===<br />
Wegen der [[Abschirmung (Strahlung)|abschirmenden]] Wirkung des Bleis besteht der Konus von [[Kathodenstrahlröhre]]n (also der „hintere“ Teil der Röhre) für [[Fernsehgerät]]e, Computer[[bildschirm]]e etc. aus [[Bleiglas]]. Das Blei absorbiert die in Kathodenstrahlröhren zwangsläufig entstehenden weichen [[Röntgenstrahlung|Röntgenstrahlen]]. Für diesen Verwendungszweck ist Blei noch nicht sicher zu ersetzen, daher wird die [[RoHS-Richtlinien|RoHS-Richtlinie]] hier nicht angewendet. Glas mit sehr hohem Bleigehalt wird wegen dieser Abschirmwirkung auch in der [[Radiologie]] sowie im [[Strahlenschutz]] (zum Beispiel in Fensterscheiben) verwendet. Ferner wird Bleiglas wegen seines hohen [[Brechungsindex]]es für hochwertige Glaswaren als sogenanntes [[Bleikristall]] verwendet.<br />
<br />
=== Bleifrei ===<br />
Mit Ausnahme von [[AvGas]] für spezielle Flugzeugmotoren werden bleihaltige Produkte und Anwendungen entweder vollständig ersetzt (wie bei der Verwendung [[Bleifreie Munition|bleifreier Munition]] oder wie das [[Tetraethylblei]] im [[Motorenbenzin|Benzin]]; siehe dazu auch [[Entwicklung der Ottokraftstoffe#Bleifrei]]), oder der Bleigehalt wird durch Grenzwerte auf einen der technischen Verunreinigung entsprechenden Wert beschränkt (zum Beispiel Zinn und [[Lot (Metall)|Lot]]). Diese Produkte werden gern „bleifrei“ genannt. Grenzwerte gibt es u.&nbsp;a. in der Gesetzgebung um die so genannte [[RoHS-Richtlinien|RoHS]] (Richtlinie 2011/65/EU), die 1000&nbsp;[[Parts per million|ppm]] (0,1 %) vorsieht. Strenger ist der Grenzwert für Verpackungen mit 100&nbsp;ppm ([[Richtlinie 94/62/EG]]).<br />
<br />
Der politische Wille zum Ersetzen des Bleis gilt auch dort, wo die Verwendung aufgrund der Eigenschaften technisch oder wirtschaftlich interessant wäre, die Gesundheitsgefahr gering und ein Recycling mit sinnvollem Aufwand möglich wäre (zum Beispiel Blei als Dacheindeckung). <!-- Interessanterweise findet aber kaum eine Einschränkung der Verwendung von Blei für die Jagd statt. Dabei ist es nur seit einiger Zeit untersagt, in direkter Umgebung von Gewässern mit Bleischrot zu schießen; und das, obwohl die Jäger in Deutschland etwa zehn mal so viel Blei pro Jahr verbrauchen, wie es die Elektronikindustrie vor dem Inkrafttreten des Bleiverbotes tat. Das Verbot ist nicht allgemein, sondern betrifft einige Bundesländer. Formulierungen wie „interessanterweise“ gehören aber nicht in eine Enzyklopädie; Quellen zu den Angaben fehlen --><br />
<br />
== Toxizität ==<br />
{{Hauptartikel|Bleivergiftung}}<br />
Elementares Blei kann vor allem in Form von Staub über die Lunge aufgenommen werden. Dagegen wird Blei kaum über die Haut aufgenommen. Daher ist elementares Blei in kompakter Form für den Menschen nicht giftig. Metallisches Blei bildet an der Luft eine dichte, schwer wasserlösliche Schutzschicht aus Bleicarbonat. Toxisch sind gelöste Bleiverbindungen sowie Bleistäube, die durch Verschlucken oder Einatmen in den Körper gelangen können. Besonders toxisch sind Organobleiverbindungen, zum Beispiel [[Tetraethylblei]], die stark [[Lipophilie|lipophil]] sind und rasch über die Haut aufgenommen werden.<br />
<br />
Seit 2006 werden einatembare Fraktionen von Blei und anorganische Bleiverbindungen von der [[MAK-Kommission]] der [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|Deutschen Forschungsgemeinschaft]] als krebserzeugend eingestuft:<ref name="MAK" /><br />
* Bleiarsenat wird aufgrund seines Arsen- und Bleichromat aufgrund seines Chrom(VI)-Gehaltes in der Kategorie&nbsp;1 (Substanzen, die sich beim Menschen oder im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen haben),<br />
* Blei und andere anorganische Bleiverbindungen außer Bleiarsenat und Bleichromat in der Kategorie&nbsp;4 (Stoffe, mit krebserzeugenden Eigenschaften).<br />
<br />
Blei reichert sich selbst bei Aufnahme kleinster Mengen, die über einen längeren Zeitraum stetig eingenommen werden, im Körper an, da es zum Beispiel in Knochen eingelagert und nur sehr langsam wieder ausgeschieden wird. Blei kann so eine chronische Vergiftung hervorrufen, die sich unter anderem in Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abmagerung und Defekten der Blutbildung, des Nervensystems und der Muskulatur zeigt. Bleivergiftungen sind besonders für Kinder und Schwangere gefährlich. Es kann auch Fruchtschäden und [[Impotentia generandi|Zeugungsunfähigkeit]] bewirken. Im Extremfall kann die Bleivergiftung zum Tod führen. Die Giftigkeit von Blei beruht unter anderem auf einer Störung der [[Hämoglobin]]synthese. Es hemmt mehrere [[Enzym]]e und behindert dadurch den Einbau des Eisens in das Hämoglobinmolekül. Dadurch wird die Sauerstoff-Versorgung der Körperzellen gestört.<br />
<br />
Bleiglas und Bleiglasur eignen sich nicht für Ess- und Trinkgefäße, da [[Essigsäure|Essig(säure)]] Blei als wasserlösliches Bleiazetat aus dem Silikatverbund herauslösen kann. Als Automotoren noch mit Benzin mit Bleitetraethyl liefen, war die Vegetation in der Nähe von Straßen und in den Städten mit Blei, als Oxidstaub, belastet. Raue und vertiefte Oberflächen, etwa die Einziehung rund um den Stängel eines Apfels, sind Fallen für Staub.<br />
<br />
Der Zusatz bleihaltiger Antiklopfmittel im Autobenzin hat nach einer 2022 in der [[Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America|PNAS]] veröffentlichten Studie der [[Duke University|Duke]] und der [[Florida State University]] seit den frühen Sechzigerjahren 170 Millionen Amerikaner um durchschnittlich fast fünf [[Intelligenzquotient|IQ]]-Punkte dümmer gemacht. Wer Mitte der Sechzigerjahre und vor dem Verbot bleihaltigen Benzins 1996 geboren wurde, hat im Schnitt sogar einen bis zu sechs Punkte niedrigeren IQ, als wenn er in einer Welt ohne Blei in der Umwelt aufgewachsen wäre.<ref>''Dumm durch Blei'', In: [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]] vom 9. März 2022</ref><ref>{{Literatur |Autor=Ted Schwaba, Wiebke Bleidorn, Christopher J. Hopwood, Jochen E. Gebauer, P. Jason Rentfrow, Jeff Potter, Samuel D. Gosling |Titel=The impact of childhood lead exposure on adult personality: Evidence from the United States, Europe, and a large-scale natural experiment |Sammelwerk=Proceedings of the National Academy of Sciences |Band=118 |Nummer=29 |Verlag= |Datum=2021 |Seiten= |DOI=10.1073/pnas.2020104118 |PMID=34253605}}</ref><br />
<br />
Der norwegische Umweltökonom und Berater der [[Weltbank]] Bjorn Larsen referierte auf der 5. Weltchemikalienkonferenz (September 2023 in Bonn) zu Blei. Er sagte, die Sterblichkeit sei sechsmal höher als bislang angenommen und schätzte die ökonomischen Schäden für das Jahr 2019 auf 6 Billionen US-Dollar.<ref>{{Literatur |Autor=Katja Gelinsky, Berlin |Titel=Millionen Tote und deutliche Intelligenzeinbußen |Sammelwerk=faz.net |Datum=2023-09-29 |Online=https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/millionen-tote-und-deutliche-intelligenzeinbussen-19210146.html |Abruf=2024-01-02}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Bjorn Larsen, Ernesto Sánchez-Triana |Titel=Global health burden and cost of lead exposure in children and adults: a health impact and economic modelling analysis |Sammelwerk=[[The Lancet Planetary Health]] |Band=7 |Nummer=10 |Datum=2023 |DOI=10.1016/S2542-5196(23)00166-3 |Seiten=e831–e840 |Kommentar=Ernesto Sánchez-Triana ist leitender Umweltexperte der Weltbank}}</ref><br />
<br />
== Bleibelastung der Umwelt ==<br />
=== Luft ===<br />
<br />
Die Bleibelastung der Luft wird hauptsächlich durch bleihaltige [[Staub|Stäube]] verursacht: Hauptquellen sind die Blei-erzeugende Industrie, die Verbrennung von Kohle und bis vor einigen Jahren vor allem der Kfz-Verkehr mit Benzinmotoren, deren [[Motorenbenzin|Treibstoffe]] mit dem [[Antiklopfmittel]] [[Tetraethylblei]] versetzt war. Im Zuge der Verbrennung entsteht daraus Blei und [[Blei(II)-oxid]] und durch zugesetzte [[Halogene|halogenierte]] [[Kohlenwasserstoffe]] auch geringere Mengen von [[Blei(II)-chlorid]] und [[Blei(II)-bromid]]. Infolge des Verbotes bleihaltiger Kraftstoffe<ref>Anm. Zur Abgasreinigung aufkommende [[Fahrzeugkatalysator|Abgaskatalysator]]en würden durch Bleiverbindungen „vergiftet“, also unwirksam. Andererseits entfaltete im Verbrennungsraum abgeschiedenes Blei eine erwünschte Schmierwirkung im Bereich der Ventile.</ref> ist dieser Beitrag zur Luftbelastung ab ±2000 deutlich zurückgegangen.<br />
<br />
Am höchsten ist die Bleibelastung durch Bleistäube derzeit bei der Arbeit in Blei-produzierenden und -verarbeitenden Betrieben. Auch beim Reinigen und Entfernen alter [[Blei(II,IV)-oxid|Mennige]]-Anstriche durch [[Sandstrahlen]] entsteht bleihältiger Staub. Die bei der Bleiraffination und der Verbrennung von Kohle entstehenden Bleioxidstäube konnten durch geeignete Filter abgeschieden werden. Eine weitere Quelle, die mengenmäßig aber kaum ins Gewicht fällt, ist die Verbrennung von [[Hausmüll]] in [[Müllverbrennung]]sanlagen.<br />
<br />
Sport- und andere Schützen sind erheblichen Belastungen durch im [[Mündungsfeuer|Mündungs]]- bzw. Zündfeuer enthaltene [[Schwermetalle|(Schwer)metalle]] ausgesetzt, darunter neben [[Antimon]], [[Kupfer]] und [[Quecksilber]] eben auch Blei;<ref>Katja Bauer: [http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/giftstoffe-auf-schiessstaenden-von-elitepolizisten--122731895.html ''Giftstoffe auf Schießständen von Elitepolizisten?''] auf: ''[[Badische Zeitung]]'', 4. Juni 2016, (4. Juni 2016).</ref> Vorsorge kann durch den Betrieb entsprechender Absauganlagen auf [[Schießstand|Schießständen]] sowie durch den Gebrauch [[Bleifreie Munition|bleifreier Munition]] getroffen werden.<ref>[http://www.badische-zeitung.de/panorama/sportschuetzen-sollen-bleifreie-munition-benutzen--122907041.html ''Sportschützen sollen bleifreie Munition benutzen.''] In: ''[[Badische Zeitung]]'', ''Panorama.'' 9. Juni 2016. (11. Juni 2016)</ref><br />
<br />
Beim Brand von [[Kathedrale Notre-Dame de Paris|Notre Dame]] 2019 in [[Paris]] wurde über 400 t Blei aus Blechen der Dachhaut und Verkleidung von Holz zum Teil verdampft, kondensiert und oxidiert und damit zu bleihältigem Rauch, der sich als Staub insbesondere in der Umgebung des Brands ablagerte.<ref>[https://orf.at/stories/3343983/ Notre Dame : Scharfer Protest gegen neue Fenster] orf.at, 26. Dezember 2023, abgerufen am 26. Dezember 2023.</ref><br />
<br />
=== Boden ===<br />
Auch Böden können mit Blei belastet sein. Der mittlere Bleigehalt der kontinentalen [[Erdkruste]] liegt bei 15&nbsp;mg/kg. Böden enthalten von Natur aus zwischen 2 und 60&nbsp;mg/kg Blei; wenn sie aus bleierzhaltigen Gesteinen entstanden sind, kann der Gehalt deutlich höher sein.<ref name="Scheffer">[[Fritz Scheffer]], [[Paul Schachtschabel]]: ''Lehrbuch der Bodenkunde.'' 13. Auflage. Enke Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-432-84772-6, Kap. XXII 4 d.</ref> Der Großteil der Bleibelastung von Böden ist [[anthropogen]], die Quellen dafür sind vielfältig. Der Großteil des Eintrags erfolgt über Bleistäube aus der Luft, welche mit dem Regen oder durch trockene Deposition in die Böden gelangen. Für Deutschland und das Jahr 2000 wurde der atmosphärische Eintrag in Böden auf 571&nbsp;t Blei/Jahr geschätzt. Eine weitere Quelle ist belasteter [[Dünger]], sowohl [[Mineraldünger]] (136&nbsp;t Pb/a), insbesondere [[Ammoniumnitrat|Ammonsalpeter]], als auch [[Wirtschaftsdünger]] (182&nbsp;t Pb/a). [[Klärschlamm|Klärschlämme]] (90&nbsp;t Pb/a) und [[Kompostierung|Kompost]] (77&nbsp;t Pb/a) tragen ebenfalls zur Bleibelastung der Böden bei.<ref>[http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2936.pdf Umweltdaten (S.&nbsp;31).] (PDF; 3,9&nbsp;MB).</ref> Ein erheblicher Eintrag erfolgt auch durch Bleischrot-Munition.<ref>[http://www.nabu-aachen-land.de/unsere-meinung/bleischrot-und-umwelt Bleischrot und Umwelt, Nabu; Kreisverband Aachen].</ref><ref>{{Webarchiv|url=http://www.swr.de/odysso/umwelt/-/id=6381798/nid=6381798/did=8802802/qfx7zl/index.html |wayback=20140606010333 |text=Jagd mit Bleimunition, SWR |archiv-bot=2023-06-17 03:32:27 InternetArchiveBot }}.</ref> In der Schweiz verursacht Schießen sogar den größten Eintrag von Blei in die Umwelt, mehr als doppelt so viel wie Verkehr, Industrie und Gewerbe zusammen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/altlasten/fachinformationen/altlastenbearbeitung/schiessanlagen.html |titel=Schiessanlagen |werk=[[Bundesamt für Umwelt]] BAFU |abruf=2024-05-22}}</ref> Bei Altlasten, wie zum Beispiel an ehemaligen Standorten von bleiproduzierenden Industriebetrieben oder in der Umgebung von alten bleiummantelten Kabeln, kann der Boden ebenfalls eine hohe Bleibelastung aufweisen. Eine besonders große Bleiverseuchung hat beispielsweise im Ort [[Santo Amaro da Purificação]] ([[Brasilien]]) zu hohen Belastungen bei Kindern geführt.<ref>F. M. Carvalho, A. M. Neto, M. F. Peres, H. R. Gonçalves, G. C. Guimarães, C. J. Amorim, J. A. Silva, T. M. Tavares: ''Intoxicação pelo chumbo: Zinco protoporfirina no sangue de crianças de Santo Amaro da Purificação e de Salvador'' [''Lead poisoning: Zinc protoporphyrin in blood of children from Santo Amaro da Purificação, Bahia, Brazil.''] In: ''Jornal de pediatria.'' Band 72, Nummer 5, 1996 Sep-Oct, S.&nbsp;295–298, {{DOI|10.2223/jped.629}}, PMID 14688915.</ref><br />
<br />
Kontaminierte Böden können mit einer [[Bodensanierung]] ein Stück weit von den Altlasten befreit werden. In der Schweiz wird meist das gesetzlich erforderliche Ziel von 1000&nbsp;mg Blei pro Kilogramm Boden angestrebt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/altlasten/dossiers/magazin2024-1-focus/das-bleierne-erbe-der-schiessanlagen.html |titel=Altlasten aus Blei: Das bleierne Erbe der Schiessanlagen |werk=[[Bundesamt für Umwelt]] BAFU |abruf=2024-05-22}}</ref><br />
<br />
=== Wasser ===<br />
<br />
Die Bleibelastung der '''Gewässer''' resultiert hauptsächlich aus dem Ausschwemmen von Blei aus belasteten Böden. Dazu tragen auch geringe Mengen bei, die der Regen aus Bleiwerkstoffen wie Dachplatten löst. Die direkte Verschmutzung von Gewässern durch die Bleiindustrie und den Bleibergbau spielt (zumindest in Deutschland) auf Grund des Baus von [[Kläranlage]]n fast keine Rolle mehr. Der Jahreseintrag von Blei in Gewässer ist in Deutschland von ca. 900&nbsp;t im Jahr 1985 auf ungefähr 300&nbsp;t im Jahr 2000 zurückgegangen.<ref>[http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2936.pdf Umweltdaten (S.&nbsp;28 und 35).] (PDF; 3,9&nbsp;MB).</ref><br />
<br />
In Deutschland beträgt der Grenzwert für Blei im '''Trinkwasser''' seit dem 1.&nbsp;Dezember 2013 10&nbsp;µg/l (früher 25&nbsp;µg/l)<ref name="nlga.niedersachsen.de">[[Niedersächsisches Landesgesundheitsamt]]: [https://www.nlga.niedersachsen.de/umweltmedizin/wasser/blei_im_trinkwasser/fragen_und_antworten_zu_blei_im_trinkwasser/fragen-und-antworten-zu-blei-im-trinkwasser-117055.html Fragen und Antworten zu Blei im Trinkwasser], abgerufen am 21. Januar 2020</ref>; die Grundlage der Messung ist eine für die durchschnittliche wöchentliche Wasseraufnahme durch Verbraucher repräsentative Probe (siehe [[Trinkwasserverordnung]]).<br />
<br />
Seit den Römern und bis etwa 1950 wurden Bleirohre für Trinkwasserleitungen verbaut; für das Anschlussstück zum Toilettspülkasten und für Abwasserleitungen in Häusern noch bis etwa 1970. Bei Gebäudesanierungen werden diese entfernt, um das Trinkwasser reinzuhalten und Abwasserrohre stabiler gegen chemischen und mechanischen Angriff insbesondere bei der Abflussreinigung zu machen.<br />
<br />
Für Blei in Trinkwasser kommen folgende Quellen noch heute in Betracht: Eisen wird durch einen gewissen Bleizusatz zerspanungsfreundlicher, zumindest über die Verwertung von Eisenschrott bei der Herstellung von Wasserrohren kann hier Blei durch Korrosion ins Trinkwasser gelangen. Es ist möglich, dass um 1970 für Wasserleitungen im Haus aufkommende Kupferrohre anfangs mit bleihältigem Lot verlötet wurden. Messingauslaufarmaturen enthalten über Recycling einen geringen Bleigehalt, weshalb grundsätzlich empfohlen wird, eine Armatur in der Wasser länger (zum Beispiel über Nacht) gestanden ist, zuerst kurz (zum Beispiel 1/2 Sekunde) durchzuspülen, bevor Wasser daraus zum Trinken und Kochen verwendet wird.<br />
<br />
=== Nahrung ===<br />
Durch die Bleibelastung von Luft, Boden und Wasser gelangt das Metall über Pilze, Pflanzen und Tiere in die Nahrungskette des Menschen. Besonders hohe Bleibelastungen können in verschiedenen Pilzen enthalten sein. Auf den Blättern von Pflanzen lagert sich Blei als Staub ab, das war charakteristisch für die Umgebung von Straßen mit viel Kfz-Verkehr, als Benzin noch verbleit wurde. Dieser Staub kann durch sorgfältiges Waschen entfernt werden. Zusätzliche Quellen können bleihaltige Munition bei gejagten Tieren sein. Blei kann auch aus bleihaltigen Glasuren von Keramikgefäßen in Lebensmittel übergehen. In frischem Obst und Gemüse ist in den allermeisten Fällen Blei und Cadmium nicht oder nur in sehr geringen Spuren nachweisbar.<ref name="vis.bayern.de">Schwermetalle in Lebensmitteln: [https://www.vis.bayern.de/ernaehrung/lebensmittelsicherheit/unerwuenschte_stoffe/schwermetalle.htm Schwermetalle in Lebensmitteln], abgerufen am 24. März 2018</ref><br />
<br />
Wasserleitungen aus Bleirohren können das Trinkwasser belasten. Sie sind in Deutschland erst seit den 1970er Jahren nicht mehr verbaut worden. Besonders in Altbauten in einigen Regionen Nord- und Ostdeutschlands sind Bleirohre immer noch anzutreffen. Bei über 5 % der Proben des Wassers aus diesen Gebäuden lagen die Bleiwerte des Leitungswassers laut [[Stiftung Warentest]] über dem aktuellen gesetzlichen Grenzwert.<ref>[http://www.test.de/presse/pressemitteilungen/Weltwassertag-am-22-Maerz-Stiftung-Warentest-warnt-vor-Blei-im-Trinkwasser-1855387-0/ Stiftung Warentest warnt vor Blei im Trinkwasser], 19. März 2010, abgerufen am 2. Januar 2013.</ref> Gleiches gilt für Österreich und betrifft Hauszuleitungen der Wasserversorgers und Leitungen im Haus, die Sache des Hauseigentümers sind. Aus bleihaltigem [[Essgeschirr]] kann Blei durch saure Lebensmittel (Obst, Wein, Gemüse) herausgelöst werden.<br />
<br />
Wasserleitungsarmaturen (Absperrhähne, Formstücke, Eckventil, Mischer) sind meist aus [[Messing]] oder [[Rotguss]]. Messing wird für gute Zerspanbarkeit 3 % Blei zugesetzt, Rotguss enthält 4–7 %. Ob Blei- und andere Schwermetallionen (Cu, Zn, Ni) in relevantem Ausmaß ins Wasser übertreten, hängt von der Wasserqualität ab: [[Wasserhärte]], [[pH-Wert]], Sauerstoff, Salzgehalt. Grundsätzlich kann nach längerem Stehen des Wassers in der Leitung, etwa über Nacht, durch Laufenlassen der Wasserleitung von etwa einer Minute (Spülen) vor der Entnahme für Trinkwasserzwecke der Gehalt aller aus der Leitungswandung eingewanderten Ionen reduziert werden.<br />
<br />
=== Rechtliche Regelung ===<br />
In der [[Europäische Union|EU]] wurde der Grenzwert für Blei in Trinkwasser 1998 durch die Richtlinie 98/83/EG (ersetzt durch [[Richtlinie (EU) 2020/2184]]) – allerdings mit einer Übergangsfrist von 15 Jahren – auf 10&nbsp;μg/L festgelegt.<ref>{{Webarchiv | url= http://www.messing-sanitaer.de/GGIntern/Information/RotgussKontraMessing.htm | wayback = 20130528144620 | text = ''Rotguss kontra Messing.''}} auf: ''messing-sanitaer.de'', abgerufen am 3. Februar 2014.</ref><ref>[http://www.trinkwasserspezi.de/html/korrosion.html ''Korrosion an metallischen Werkstoffen im Trinkwasser.''] auf: ''trinkwasserspezi.de'', abgerufen am 3. Februar 2014.</ref><br />
<br />
Die Höchstmengen an Blei in Lebensmitteln werden durch die [[Verordnung (EG) Nr. 1881/2006]] geregelt. Die jeweiligen Höchstgrenzen hängen dabei vom Erzeugnis ab und orientieren sich auch daran, was durch [[gute Herstellungspraxis]] oder [[gute landwirtschaftliche Praxis]] erreichbar ist. Der niedrigste Wert wird für Säuglingsnahrung und Lebensmitteln für [[Säugling]]e und Kleinkinder mit 0,010&nbsp;mg/kg vorgeschrieben. 0,10&nbsp;mg/kg ist der Grenzwert etwa für [[Fleisch]], [[Wurzelgemüse|Wurzel-]] und [[Knollengemüse]], [[Zuckermais]], [[Wein]] (ab 2022er Weinlese), [[Honig]] oder viele [[Frucht|Früchte]]. Für [[Krebstiere]] gilt ein Grenzwert von 0,50&nbsp;mg/kg, für [[Muscheln]] ein Grenzwert von 1,50&nbsp;mg/kg. In Rinden[[gewürz]]en und [[Fleur de Sel]] sind maximal 2,0&nbsp;mg/kg und in [[Nahrungsergänzungsmittel]] sogar 3,0&nbsp;mg/kg erlaubt.<br />
<br />
== Analytik ==<br />
=== Klassische qualitative Bestimmung von Blei ===<br />
==== Nachweis durch Kristallisation ====<br />
Bleiionen können in einer mikroskopischen Nachweisreaktion als Blei(II)-iodid dargestellt werden. Dabei wird die Probe in verdünnter Salzsäure gelöst und vorsichtig bis zur Kristallisation eingedampft. Der Rückstand wird mit einem Tropfen Wasser aufgenommen und anschließend mit einem Kristall eines wasserlöslichen Iodids, zum Beispiel Kaliumiodid (KI), versetzt. Es entstehen nach kurzer Zeit mikroskopisch kleine, gelbe, hexagonale Blättchen des Blei(II)-iodids.<br />
<br />
:<math>\mathrm{Pb^{2+}\ +\ 2\ I^-\ \longrightarrow\ PbI_2 \downarrow}</math><br />
<br />
==== Qualitativer Nachweis im Trennungsgang ====<br />
Da Blei nach Zugabe von HCl nicht quantitativ als PbCl<sub>2</sub> ausfällt, kann es sowohl in der HCl-Gruppe als auch in der H<sub>2</sub>S-Gruppe nachgewiesen werden. Das PbCl<sub>2</sub> kann sowohl durch Zugabe von Kaliumiodid gemäß obiger Reaktion als gelbes PbI<sub>2</sub> gefällt werden, als auch mit K<sub>2</sub>Cr<sub>2</sub>O<sub>7</sub> als gelbes Bleichromat, PbCrO<sub>4</sub>.<br />
<br />
Nach Einleiten von H<sub>2</sub>S in die salzsaure Probe fällt zweiwertiges Blei in Form von schwarzem PbS aus. Dieses wird nach Digerieren mit (NH<sub>4</sub>)S<sub>X</sub> und Zugabe von 4 M HNO<sub>3</sub> als PbI<sub>2</sub> oder PbCrO<sub>4</sub> nachgewiesen.<ref>G. Jander, E. Blasius: ''Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie.'' 16. Auflage. S. Hirzel-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7776-1388-6, S.&nbsp;533, 472, 540–541.</ref><br />
<br />
=== Instrumentelle quantitative Analytik des Bleis ===<br />
Für die Spurenanalytik von Blei und seinen Organoderivaten steht eine Reihe von Methoden zur Verfügung. Allerdings werden in der Literatur laufend neue bzw. verbesserte Verfahren vorgestellt, auch im Hinblick auf die oft erforderliche Vorkonzentrierung. Ein nicht zu unterschätzendes Problem besteht in der Probenaufarbeitung.<br />
<br />
==== Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) ====<br />
Unter den verschiedenen Techniken der AAS liefert die Quarzrohr- und die Graphitrohrtechnik die besten Ergebnisse für die Spurenanalytik von Bleiverbindungen. Häufig wird Blei mit Hilfe von NaBH<sub>4</sub> in das leicht flüchtige Bleihydrid, PbH<sub>2</sub>, überführt. Dieses wird in eine Quarzküvette geleitet und anschließend elektrisch auf über 900&nbsp;°C erhitzt. Dabei wird die Probe atomisiert und es wird unter Verwendung einer Hohlkathodenlampe die Absorbanz bei 283,3&nbsp;nm gemessen. Es wurde eine Nachweisgrenze von 4,5&nbsp;ng/ml erzielt. Gerne wird in der AAS auch eine Luft-Acetylenfackel (F-AAS) oder mikrowelleninduziertes Plasma (MIP-AAS) zur Atomisierung eingesetzt.<ref>N. Maleki, A. Safavi, Z. Ramezani: ''Determination of lead by hydride generation atomic absorption spectrometry (HGAAS) using a solid medium for generating hydride.'' In: ''[[Journal of Analytical Atomic Spectrometry]].'' 14, 1999, S.&nbsp;1227–1230; [[doi:10.1039/A808429G]].</ref><br />
<br />
==== Atomemissionsspektrometrie (AES) ====<br />
In der AES haben sich das mikrowelleninduzierte Plasma (MIP-AES) und das induktiv gekoppelte Argon-Plasma (ICP-AES) zur Atomisierung bewährt. Die Detektion findet bei den charakteristischen Wellenlängen 283,32&nbsp;nm und 405,78&nbsp;nm statt. Mit Hilfe der MIP-AES wurde für Trimethylblei, (CH<sub>3</sub>)<sub>3</sub>Pb<sup>+</sup>, eine Nachweisgrenze von 0,19&nbsp;pg/g ermittelt.<ref>M. Heisterkamp, F. Adams: ''In situ propylation using sodium tetrapropylborate as a fast and simplified sample preparation for the speciation analysis of organolead compounds using GC-MIP-AES.'' In: ''[[J. Anal. At. Spectrom.]]'' 14, 1999, S.&nbsp;1307–1311; [[doi:10.1039/A901340G]].</ref> Die ICP-AES ermöglicht eine Nachweisgrenze für Blei in Trinkwasser von 15,3&nbsp;ng/ml.<ref>M. Zougagh, A. Garcia de Torres, E. Alonso, J. Pavon: ''Automatic on line preconcentration and determination of lead in water by ICP-AES using a TS-microcolumn.'' In: ''[[Talanta]].'' 62, 2004, S.&nbsp;503–510; [[doi:10.1016/j.talanta.2003.08.033]].</ref><ref>Z. Chen, N. Zhang, L. Zhuo, B. Tang: ''Catalytic kinetic methods for photometric or fluorometric determination of heavy metal ions.'' In: ''[[Microchimica Acta]].'' 164, 2009, S.&nbsp;311–336; [[doi:10.1007/s00604-008-0048-8]].</ref><br />
<br />
==== Massenspektrometrie (MS) ====<br />
In der Natur treten für Blei insgesamt vier stabile Isotope mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. Für die Massenspektrometrie wird häufig das Isotop <sup>206</sup>Pb genutzt. Mit Hilfe der [[Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma|ICP-Quadrupol-MS]] konnte dieses Isotop im Urin mit einer Nachweisgrenze von 4,2 pg/g bestimmt werden.<ref>A. Townsend, K. Miller, St. McLean, St. Aldous: ''The determination of copper, zinc, cadmium and lead in urine by high resolution ICP-MS.'' In: ''[[J. Anal. At. Spectrom.]]'' 13, 1998, S.&nbsp;1213–1219; [[doi:10.1039/A805021J]].</ref><br />
<br />
==== Photometrie ====<br />
Die am weitesten verbreitete Methode zur photometrischen Erfassung von Blei ist die sog. Dithizon-Methode. [[Dithizon]] ist ein zweizähniger, aromatischer Ligand und bildet bei pH 9–11,5 mit Pb<sup>2+</sup>-Ionen einen roten Komplex dessen Absorbanz bei 520&nbsp;nm (ε = 6,9·10<sup>4</sup>&nbsp;l/mol·cm) gemessen wird. Bismut und [[Thallium]] stören die Bestimmung und sollten vorher quantitativ gefällt oder extrahiert werden.<ref>R. Lobinski, Z. Marczenko: ''Spectrochemical Trace Analysis for Metals and Metalloids.'' Elsevier 1997, ISBN 0-444-82879-6.</ref><ref>I. Oehme, O. S. Wolfbeis: ''Optical Sensors for Determination of Heavy Metal Ions.'' In: ''[[Microchimica Acta]].'' 126, 1997, S.&nbsp;177–192; [[doi:10.1007/BF01242319]].</ref><ref>B. Lange, Z. J. Vejdelek: ''Photometrische Analyse.'' Verlag Chemie, Weinheim 1980.</ref><br />
<br />
==== Voltammetrie ====<br />
Für die elektrochemische Bestimmung von Spuren von Blei eignet sich hervorragend die subtraktive anodische Stripping-Voltammetrie (SASV). Dabei geht der eigentlichen voltammetrischen Bestimmung eine reduktive Anreicherungsperiode auf einer rotierenden Ag-Disk-Elektrode voraus. Es folgt die eigentliche Bestimmung durch Messung des Oxidationsstroms beim Scannen eines Potentialfensters von −800&nbsp;mV bis −300&nbsp;mV. Anschließend wird die Messung ohne vorangehende Anreicherung wiederholt und die so erhaltene Kurve von der ersten Messung subtrahiert. Die Höhe des verbleibenden Oxidationspeaks bei −480&nbsp;mV korreliert mit der Menge an vorhandenem Blei. Es wurde eine Nachweisgrenze von 50&nbsp;pM Blei in Wasser ermittelt.<ref>Y. Bonfil, E. Kirowas-Eisner: ''Determination of nanomolar concentrations of lead and cadmium by anodic-stripping voltammetry at a silver electrode.'' In: ''[[Analytica Chimica Acta]].'' 457, 2002, S.&nbsp;285–296; {{Webarchiv|text=(PDF) |url=http://mounier.univ-tln.fr/rcmo/php_biblio/PDF/5082.pdf |wayback=20120130214700 }}</ref><ref>J. Wang: ''Stripping Analysis at Bismuth Electrodes: A Review.'' In: ''[[Electroanalysis]].'' 17, 2005, S.&nbsp;1341–1346; [[doi:10.1002/elan.200403270]].</ref><br />
<br />
== Bleiverbindungen ==<br />
[[Datei:Lead monoxide.jpg|mini|Blei(II)-oxid]]<br />
[[Datei:Red lead.jpg|mini|Mennige]]<br />
[[Datei:Lead(II) sulfate.jpg|mini|Bleisulfat]]<br />
''→ [[:Kategorie:Bleiverbindung]]''<br />
<br />
Bleiverbindungen kommen in den [[Oxidationszahl|Oxidationsstufen]] +II und +IV vor. Aufgrund des [[Relativistischer Effekt in der Chemie|relativistischen Effekts]] ist die Oxidationsstufe +II dabei – im Gegensatz zu den leichteren Homologen der Gruppe 14, wie [[Kohlenstoff]] und [[Silicium]] – stabiler als die Oxidationsstufe +IV. Der Sachverhalt der Bevorzugung der um 2 erniedrigten Oxidationsstufe, findet sich in analoger Weise auch in anderen Hauptgruppen und wird [[Effekt des inerten Elektronenpaares]] genannt. Blei(IV)-Verbindungen sind deshalb starke Oxidationsmittel. In [[Intermetallische Verbindung|intermetallischen Verbindungen]] des Bleis (''Plumbide'': M<sub>x</sub>Pb<sub>y</sub>), vor allem mit [[Alkalimetalle|Alkali-]] und [[Erdalkalimetalle]]n, nimmt es auch negative Oxidationsstufen bis −IV an. Viele Bleiverbindungen sind [[Salze]], es gibt aber auch organische Bleiverbindungen, die kovalent aufgebaut sind. Ebenso wie bei Bleimetall wird heutzutage versucht, Bleiverbindungen durch andere, ungiftige Verbindungen zu substituieren. So wurde „Bleiweiß“ (basisches Blei(II)-carbonat) als Weißpigment durch [[Titan(IV)-oxid]] ersetzt.<br />
<br />
=== Oxide ===<br />
* [[Blei(II)-oxid]] PbO tritt in zwei Modifikationen, als rote Bleiglätte und als gelbes Massicolit, auf. Beide Modifikationen wurden früher als Pigmente verwendet. Es dient als Ausgangsstoff für andere Bleiverbindungen.<br />
* [[Blei(II,IV)-oxid]] Pb<sub>3</sub>O<sub>4</sub>, auch Mennige genannt, ist ein leuchtend rotes Pulver, das früher verbreitet als Pigment und Rostschutzfarbe verwendet wurde. Es ist in Deutschland, seit 2005 auch in der Schweiz, als Rostschutz verboten. Pb<sub>3</sub>O<sub>4</sub> wird in der Glasherstellung für die Bereitung von [[Bleikristall]] verwendet.<br />
* [[Blei(IV)-oxid]] PbO<sub>2</sub> ist ein schwarz-braunes Pulver, das als Elektrodenmaterial in Bleiakkumulatoren und als Oxidationsmittel in der chemischen Industrie (zum Beispiel Farbstoffherstellung) verwendet wird.<br />
<br />
=== Schwefelverbindungen ===<br />
* [[Blei(II)-sulfid]] PbS ist als [[Galenit]] (''Bleiglanz'') das wichtigste Bleimineral. Es dient vor allem zur Herstellung metallischen Bleis.<br />
* [[Blei(II)-sulfat]] PbSO<sub>4</sub> kommt als [[Anglesit]] ebenfalls in der Natur vor und wurde als Weißpigment verwendet.<br />
<br />
=== Weitere Bleisalze ===<br />
* [[Blei(II)-acetat]] Pb(CH<sub>3</sub>COO)<sub>2</sub> · 3H<sub>2</sub>O, auch Bleizucker genannt, war früher ein [[Zucker]]ersatzstoff zum Beispiel für das Süßen von Wein. Aufgrund der Giftigkeit von Bleizucker starben früher Menschen an solcherart vergiftetem Wein.<br />
* [[Blei(IV)-acetat]] (Pb(CH<sub>3</sub>COO)<sub>4</sub>) bildet farblose, an feuchter Luft nach Essig riechende Kristallnadeln. Mit Wasser zersetzt es sich zu Blei(IV)-oxid und Essigsäure. Es dient in der Organischen Chemie als starkes Oxidationsmittel.<br />
* [[Bleiweiß]], basisches Bleicarbonat 2 PbCO<sub>3</sub> · Pb(OH)<sub>2</sub>, war früher ein beliebtes Weißpigment; es ist heute meist durch Titanoxid abgelöst.<br />
* [[Blei(II)-nitrat]] Pb(NO<sub>3</sub>)<sub>2</sub> ist ein giftiges, weißes Pulver, das für Sprengstoffe und zur Herstellung von Streichhölzern verwendet wurde.<br />
* [[Blei(II)-chlorid]] PbCl<sub>2</sub> dient als Ausgangsstoff zur Herstellung von Bleichromat.<br />
* [[Blei(II)-chromat]] PbCrO<sub>4</sub> ist ein orange-gelbes Pulver, welches früher als Pigment diente und heute wegen seiner Giftigkeit nicht mehr eingesetzt wird.<br />
* [[Bleiazid]] Pb(N<sub>3</sub>)<sub>2</sub> ist ein wichtiger [[Initialsprengstoff]].<br />
<br />
=== Organische Bleiverbindungen ===<br />
[[Bleiorganische Verbindungen|Organische Bleiverbindungen]] liegen fast immer in der Oxidationsstufe +4 vor. Deren bekannteste ist [[Tetraethylblei]] Pb(C<sub>2</sub>H<sub>5</sub>)<sub>4</sub> (TEL), eine giftige Flüssigkeit, die als [[Antiklopfmittel]] Benzin zugesetzt wurde. Heute wird Tetraethylblei nur noch in [[AvGas|Flugbenzin]] verwendet.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Gerhart Jander]], [[Ewald Blasius]]: ''Einführung in das anorganisch-Chemische Praktikum.'' 14. Auflage. S. Hirzel, Leipzig 1995, ISBN 3-7776-0672-3.<br />
* [[William Hodson Brock|William H. Brock]]: ''Viewegs Geschichte der Chemie.'' Vieweg, Braunschweig 1997, ISBN 3-540-67033-5.<br />
* Stefan Meier: ''Blei in der Antike. Bergbau, Verhüttung, Fernhandel.'' [[Dissertation]]. Zürich, Universität 1995.<br />
* Raymund Gottschalk, Albrecht Baumann: ''Material provenance of late-Roman lead coffins in the Rheinland, Germany.'' In: ''[[European Journal of Mineralogy]].'' 13, Stuttgart 2001, S.&nbsp;197–200.<br />
* [[Heiko Steuer]], Ulrich Zimmermann: ''Alter Bergbau in Deutschland'' (= ''[[Archäologie in Deutschland]].'' Sonderheft). Konrad Theiss, Stuttgart 1993, ISBN 3-8062-1066-7.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Lead|Blei}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wikibooks|Praktikum Anorganische Chemie/ Blei}}<br />
* [[Mineralienatlas:Blei]] (Wiki)<br />
* [http://www.materialarchiv.ch/#/detail/895/blei/ MATERIAL ARCHIV: Blei] – Umfangreiche Materialinformationen und Bilder<br />
* [https://archive.epa.gov/epa/aboutepa/lead-poisoning-historical-perspective.html Lead Poisoning: A Historical Perspective – Historische Perspektive zur Bleivergiftung] (englisch)<br />
* {{Webarchiv | url= http://www.umweltdaten.de/medien/battdfiu.pdf | wayback = 20120413080528 | text = Untersuchung von Batterieverwertungsverfahren und -anlagen hinsichtlich ökologischer und ökonomischer Relevanz unter besonderer Berücksichtigung des Cadmiumproblems}} (2001, PDF, S.&nbsp;215–226; 1,37&nbsp;MB)<br />
* [http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/pdf/TRGS-505.pdf?__blob=publicationFile&v=3 TRGS 505-Technische Regeln für Gefahrstoffe-Blei] (PDF; 186&nbsp;kB)<br />
* [http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2936.pdf Einträge von Blei in die Umwelt] (PDF; 3,9&nbsp;MB)<br />
* {{Webarchiv | url=http://www.umweltdaten.de/daten/monitor/pbmono.pdf | wayback=20070927210536 | text=Umweltbundesamt: Stoffmonografie Blei (1996)}} (PDF; 48&nbsp;kB)<br />
* [http://www.organische-chemie.ch/chemie/2007jan/bleivergiftung.shtm Molekulare Ursache für Bleivergiftungen]<br />
* [http://sis.nlm.nih.gov/enviro/lead.html Lead and Human Health], Environmental Health & Toxicology, Specialized Information Services, [[United States National Library of Medicine]] (englisch)<br />
* [https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-und-ernaehrung/lebensmittelsicherheit/stoffe-im-fokus/kontaminanten/blei.html ''Blei''] – Informationen des [[Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen|Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references><br />
<ref name="MAK">{{Literatur |Autor=Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe |Titel=MAK- und BAT-Werte-Liste 2021 |TitelErg= 57. Mitteilung |Hrsg=Deutsche Forschungsgemeinschaft |Sammelwerk= Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen und Biologische Arbeitsstofftoleranzwerte |Auflage= |Verlag=[[PUBLISSO]] |Ort= |Datum= 2021-07-01 |ISBN= 978-3-9822007-1-2 |DOI= 10.34865/mbwl_2021_deu |Seiten=}}</ref><br />
</references><br />
<br />
{{Navigationsleiste Periodensystem}}<br />
<br />
{{Exzellent|7. Januar 2007|26088166}}<br />
{{Gesprochene Version<br />
|datei = De-Blei 1-article.ogg<br />
|titel = Einleitung und Abschnitte 1 bis 8<br />
|länge = 47:07<br />
|größe = 21,039 MB<br />
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|geschlecht = männlich<br />
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|datum = 2023-01-04<br />
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|datum2 = 2023-01-04<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4145879-5|LCCN=sh85075435|NDL=00568006}}<br />
<br />
[[Kategorie:Grandfathered Mineral]]<br />
[[Kategorie:Kubisches Kristallsystem]]<br />
[[Kategorie:Elemente (Mineralklasse)]]<br />
[[Kategorie:Blei| ]]<br />
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 30]]<br />
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 63]]<br />
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 72]]</div>Doclbn