https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=Designer2k2Wikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-04-28T02:52:15ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.44.0-wmf.25https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Leerraum&diff=255407890Leerraum2025-04-23T17:42:28Z<p>Designer2k2: /* Reguläre Ausdrücke */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|erläutert den Begriff der Informatik, zur Typographie siehe [[Leerzeichen]] und [[Typografischer Weißraum]].}}<br />
'''Leerraum''' (fachsprachlich auch {{enS}} '''Whitespace''' /{{IPA|'waɪtspeɪs}}/ „Weißraum“ oder '''Zwischenraumzeichen''') ist in der [[Informatik]] eine Bezeichnung für Zeichen in einem Text, die im [[Texteditor]] oder [[Textverarbeitung]]sprogramm normalerweise nur durch Leerflächen dargestellt werden und dennoch ([[Speicherkapazität|Speicher]]-)Platz in Anspruch nehmen. Sie dienen vorrangig für Wortabstände ([[Leerzeichen]]), Zifferngruppierung, Umbruchverhinderung und -ermöglichung ([[Unicodeblock Allgemeine Interpunktion|unterschiedlich breite ''schmale Leerzeichen'']]).<br />
<br />
Je nach Kontext werden verschiedene Zeichen als Leerraum angesehen, fast immer zumindest Leerzeichen und [[Tabulatorzeichen]], meist auch [[Zeilenumbruch|Zeilenumbrüche]]. Viele Programme bieten auch die Möglichkeit, diese Zeichen durch stellvertretende ''Formatierungsymbole'' (zum Beispiel [[Absatzmarke|<code>¶</code>]] für Zeilenumbrüche, <code>·</code> für Leerzeichen und <code>→</code> oder <code>></code> für Tabulatorzeichen) sicht- und unterscheidbar zu machen.<br />
<br />
In der Programmierung kommt diesen Zeichen einerseits eine besondere Rolle zu. In verschiedenen [[Programmiersprache]]n können sie einzelne geschützte Wörter und ebenso Namen von [[Variable (Programmierung)|Variablen]] voneinander trennen. Manche Programmiersprachen (etwa [[Python (Programmiersprache)|Python]]) verlangen eine spezielle Formatierung des Quellcodes durch <span dir="ltr" lang="en">Whitespace</span>-Zeichen (Einrückung von Blöcken).<br />
<br />
Andererseits ist es aber (abhängig von der Syntax der Programmiersprache) oftmals belanglos, ob eines oder mehrere dieser Zeichen aufeinander folgen. Deshalb bieten insbesondere [[Liste von Dateivergleichsprogrammen|Vergleichsprogramme]] oder Vergleichs-Funktionen in [[Integrated Development Environment|IDE]] eine Option „''<span dir="ltr" lang="en">Ignore Whitespace</span>“'' an.<br />
<br />
Bei der Zählung der Zeichen eines Textdokumentes wird der Leerraum manchmal nicht mitgezählt.<br />
<br />
== Reguläre Ausdrücke ==<br />
Für [[Regulärer Ausdruck|reguläre Ausdrücke]] sind zwei leicht abweichende Definitionen für die in der Zeichenklasse <code>\s</code> bzw. <code>[:space:]</code> als Leerraum angesehenen Zeichen verbreitet. In [[Perl Compatible Regular Expressions|Perl-kompatiblen regulären Ausdrücken]] (PCRE) zählen mindestens das [[Leerzeichen]] (U+0020), das Horizontal-[[Tabulatorzeichen]] (U+0009), der [[Zeilenvorschub|Zeilen]]- (U+000A) und [[Seitenvorschub]] (U+000C) sowie der [[Wagenrücklauf]] (U+000D) zum Leerraum.<ref>Perl Programming Documentation: ''[http://perldoc.perl.org/perlrequick.html#Using-character-classes Using character classes]'', 2000.</ref> In regulären Ausdrücken nach [[Portable Operating System Interface|POSIX]]-Standard zählt zusätzlich das Vertikal-Tabulatorzeichen (U+000B) zum Leerraum.<ref>The Open Group: ''[http://www.opengroup.org/onlinepubs/009695399/basedefs/xbd_chap07.html#tag_07_03_01 Base Specifications: Locale Definition]'', 2004.</ref> In beiden Fällen kommen je nach eingestelltem [[Locale]] evtl. weitere Zeichen dazu, im Japanischen beispielsweise das [[Ideographie|ideographische]] Leerzeichen (U+3000).<ref>''{{Webarchiv |url=http://www.opengroup.org/pubs/catalog/lo.htm |text=Locales |wayback=20080929182821 |archiv-bot=}}''</ref><br />
<br />
Der [[Ecma International|ECMA]]-Standard und damit auch [[JavaScript]] trifft eine eigene Festlegung für die als Leerraum angesehenen Zeichen in regulären Ausdrücken. Sie schließt unter anderem das [[Geschütztes Leerzeichen|geschützte Leerzeichen]] (U+00A0), die [[Byte Order Mark]] (U+FEFF) und alle im Unicode-Standard Version 3.0 als Leerraum definierten Zeichen ein.<ref>[http://www.ecma-international.org/ecma-262/5.1/#sec-15.10.2.12 ECMAScript Language Specification – ECMA-262 Edition 5.1], Juni 2011.</ref><br />
<br />
== Unicode ==<br />
In [[Unicode]] sind jedem [[Codepoint]], das heißt jedem Unicode-Zeichen mehrere [[Liste der Unicode-Eigenschaften|Unicode-Eigenschaften]] zugeordnet. Unter anderem sind die Zeichen in allgemeine Kategorien (''General_Category'', ''gc'') unterteilt. Die als Leerraum angesehenen Zeichen sind hier in der Kategorie für Steuerzeichen (''Cc'') sowie den drei Kategorien für Zeilen-, Absatz- und sonstige Trenner (''Zl'', ''Zp'' und ''Zs'') enthalten. Eine Kategorie für Leerraum existiert nicht. Daneben wird jedes Zeichen einer [[Bidirektionaler Text|Bidirektionalitäts]]-Klasse (''Bidi_Class'', ''bc'') zugeordnet. Hier existiert eine Klasse mit dem Namen ''White_Space'' (''WS'') für die Verwendung innerhalb des [[Unicode-Bidi-Algorithmus]], die allerdings nur verschiedene Leerzeichen beinhaltet. Zeichen wie Tabulatorzeichen und Zeilenvorschübe zählen hier nicht als Leerraum, sondern sind eigenen Bidirektionalitäts-Klassen für allgemeine [[Trennzeichen|Separatoren]] (''CS''), Segment- (''S'') und Absatztrenner (''B'') zugeordnet.<br />
<br />
Zum Leerraum werden 25 Zeichen gezählt, die mit der Eigenschaft ''White_Space'' gekennzeichnet sind.<ref>Unicode: [http://unicode.org/faq/unsup_char.html#2 Häufig gestellte Fragen]. Darin: „{{lang|en|''All the characters that have the White_Space property, also generically known as ‚whitespace characters‘.''}}“</ref><br />
* Mehrere [[Steuerzeichen]], im Einzelnen das Horizontal- (U+0009) und Vertikal-[[Tabulatorzeichen]] (U+000B), der [[Zeilenvorschub|Zeilen]]- (U+000A) und [[Seitenvorschub]] (U+000C) sowie der [[Wagenrücklauf]] (U+000D)<br />
* Das [[Leerzeichen]] (U+0020)<br />
* Das Steuerzeichen für die nächste Zeile (U+0085)<br />
* Das [[Geschütztes Leerzeichen|geschützte Leerzeichen]] (U+00A0)<br />
* Das [[Ogham]]-Leerzeichen (U+1680)<br />
* Elf [[Schmales Leerzeichen|schmale Leerzeichen]], Haar[[spatium]] und [[Geviert (Typografie)|Geviert]]-Leerzeichen in verschiedenen Größen (U+2000 bis U+200A)<br />
* Zeilen- und Absatztrenner (U+2028 und U+2029)<br />
* Das schmale geschützte Leerzeichen (U+202F)<br />
* Das mittlere mathematische Leerzeichen (U+205F)<br />
* Das [[Ideographie|ideographische]] Leerzeichen (U+3000)<br />
<br />
Für die Verwendung in der [[Softwareentwicklung]] und insbesondere in [[Programmiersprache]]n definiert Unicode eine zweite Eigenschaft namens ''Pattern_White_Space'' (wörtlich „Muster-Leerraum“, nach den Mustern in [[Regulärer Ausdruck|regulären Ausdrücken]]) mit nur 11 Zeichen (U+0009 bis U+000D, U+0020, U+0085, U+200E, U+200F, U+2028 und U+2029). Hier fehlen insbesondere die geschützten und sprachspezifischen Leerzeichen.<br />
<br />
Auch diese Aufzählung gilt nur als Empfehlung und kann von den Entwicklern der Programmiersprache abgeändert werden, wobei empfohlen wird, den Unicode-Standard als Grundlage für die abweichende Definition zu verwenden.<ref>Unicode: [http://unicode.org/reports/tr31/tr31-7.html#Introduction Unicode Standard Annex #31: Identifier and Pattern Syntax]. Darin: „{{lang|en|''Each programming language can define its own whitespace characters […] relative to the Unicode Pattern_White_Space […] characters, with some specified set of additions or subtractions.''}}“</ref><br />
<br />
In Situationen, in denen die Gegenwart eines Leerzeichens (oder sogar mehrerer aufeinanderfolgender Leerzeichen) explizit dargestellt werden soll, werden gelegentlich Leerzeichen durch das Leerzeichensymbol „␣“ als Platzhalter ersetzt. Unicode definiert dafür das Zeichen U+2423 („Open box“/„offener Kasten“), siehe [[Unicodeblock Symbole für Steuerzeichen]]. In [[HTML5]] und [[XML]] ist dafür die [[Entität (Auszeichnungssprache)|Entität]] <code>&amp;blank;</code> definiert.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.w3.org/TR/2014/REC-html5-20141028/syntax.html#named-character-references|titel=HTML 5, A vocabulary and associated APIs for HTML and XHTML – 8.5 Named character references|hrsg=[[W3C]]|datum=2014-10-28|abruf=2021-04-16}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.w3.org/TR/xml-entity-names/isopub.html|titel=XML Entity Definitions for Characters (2nd Edition) – 2.2 Legacy Entity sets – ISOPUB|hrsg=[[W3C]]|datum=2014-04-10|abruf=2021-04-16}}</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Schriftsysteme in Unicode}}<br />
<br />
[[Kategorie:Zeichenkodierung]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Boost_(C%2B%2B-Bibliothek)&diff=255407255Boost (C++-Bibliothek)2025-04-23T17:05:15Z<p>Designer2k2: /* Entwicklung */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox Software<br />
|Name = Boost C++ Libraries<br />
|Logo = [[Datei:Boost.png|zentriert|Boost Logo, helle Version]]<br />
|Screenshot = <br />
|Beschreibung = <br />
|Maintainer = <br />
|Hersteller = <br />
|Erscheinungsjahr = <br />
|AktuelleVersion = <!-- Wikidata --><br />
|AktuelleVersionFreigabeDatum = <!-- Wikidata --><br />
|AktuelleVorabVersion = <br />
|AktuelleVorabVersionFreigabeDatum = <br />
|Betriebssystem = portabel; [[Unix]], BSD, [[macOS]], [[GNU/Linux]], [[Windows]] u.&nbsp;a.<br />
|Programmiersprache = <br />
|Kategorie = [[Programmbibliothek]]<br />
|Lizenz = Boost Software License<ref name="bsl">Boost Software License: [http://www.boost.org/LICENSE_1_0.txt Text der Version 1.0], [http://www.boost.org/users/license.html Erläuterungen zur Lizenz]</ref><br />
|Deutsch = <br />
|Website = [http://www.boost.org/ www.boost.org]<br />
|Dateien = <br />
}}<br />
'''Boost''' ({{enS|Boost C++ Libraries}}) ist eine [[Freie Software|freie]] [[C++]]-[[Programmbibliothek|Bibliothek]], die aus einer Vielzahl von portablen Unterbibliotheken besteht. Die Unterbibliotheken dienen unterschiedlichsten Aufgaben von Algorithmen auf [[Graph (Graphentheorie)|Graphen]] über [[C++-Metaprogrammierung|Metaprogrammierung]] bis hin zu [[Speicherverwaltung]].<br />
<br />
Es können jederzeit neue Bibliotheken zur Eingliederung in Boost vorgeschlagen werden, diese müssen jedoch einen aufwendigen Review-Prozess<ref name="lib.review">[http://www.boost.org/more/formal_review_process.htm Review Prozess für Boost-Bibliotheken]</ref> durchlaufen. Teile von Boost wurden in einen sogenannten ''Technical Report''<ref name="tr1">[http://www.open-std.org/jtc1/sc22/wg21/docs/papers/2005/n1745.pdf C++ Technical Report 1] (PDF; 1,37&nbsp;MB)</ref> des [[Standardisierung]]skomitees für C++ übernommen und später in die Sprache C++ integriert (ISO/IEC 14882:2011).<br />
<br />
== Anwendungsgebiete ==<br />
Boost besteht aus Unterbibliotheken zu verschiedensten Zwecken. Gemeinsam ist ihnen das Ziel der Produktivitätssteigerung beim Programmieren mit C++.<ref>[http://www.boost.org/more/background.html Boost.org "Background"-Seite]</ref> Außerdem sollen Boost-Bibliotheken [[Plattformunabhängigkeit|portabel]] und allgemein anwendbar sein.<ref name="lib.req">[http://www.boost.org/more/lib_guide.htm Anforderungen und Richtlinien für Boost-Bibliotheken]</ref> Ansonsten dienen sie in ihrer Gesamtheit keinem speziellen Zweck.<br />
<br />
Folgende Themenbereiche werden durch Boost zurzeit unter anderem abgedeckt:<ref name="lib.list">[http://www.boost.org/libs/libraries.htm Liste der Boost-Bibliotheken]</ref><br />
* [[Algorithmus|Algorithmen]]<br />
* [[Bildverarbeitung]] <!-- gil --><br />
* [[Container (Informatik)|Container]]<br />
* [[Datenstruktur]]en<br />
* [[Eingabe und Ausgabe]]<br />
* [[Funktor (Informatik)|Funktoren]] und [[funktionale Programmierung]] <!-- Function Objects and higher-order programming --><br />
* [[Generische Programmierung]]<br />
* Interoperabilität mit [[Python (Programmiersprache)|Python]]<br />
* [[Iterator]]en<br />
* [[Mathematik]] und [[Numerik]]<br />
* [[Nebenläufigkeit]] <!-- Concurrent Programming --><br />
* [[Parser|Parsen]]<br />
* [[Präprozessor#Der C-Präprozessor|Präprozessor]]-Metaprogrammierung<br />
* [[Programmierschnittstelle]]n<br />
* Programmkorrektheit und [[Softwaretest|Testen]] <!-- Correctness and testing --><br />
* [[Rechnernetz|Netzwerk]]-Unterstützung <!-- asio --><br />
* [[Softwareseitiges Multithreading]]<br />
* [[Speicherverwaltung]]<br />
* [[C++-Metaprogrammierung|Template-Metaprogrammierung]]<br />
* [[Umgehungslösung]]en für Probleme mit defekten [[Compiler]]n<br />
* Verarbeitung von [[Zeichenkette]]n und Text<br />
<br />
== Entwicklung ==<br />
Das Boost-Projekt wurde im Jahr 2000 ursprünglich von Mitgliedern des C++-Standardisierungskomitees gegründet, um Vorschläge für C++-Erweiterungen öffentlich zu machen und im praktischen Einsatz zu testen. Inzwischen ist Boost eine große Sammlung von C++-Bibliotheken unabhängig von ihrer Relevanz für den nächsten C++-Standard.<br />
<br />
Auch bekannte kommerzielle Firmen steuern Code und Bibliotheken bei, etwa die Grafikbibliothek ''GIL (Generic Image Library)''<ref>{{Webarchiv |url=http://opensource.adobe.com/gil/ |text=Adobe Generic Image Library |wayback=20070707102731 |archiv-bot=}}</ref> von [[Adobe Inc.|Adobe]].<br />
<br />
Einige der Bibliotheken wurden mittlerweile in den bereits verabschiedeten ''{{lang|en|C++-Library Technical Report 1 (TR1)}}''<ref name="tr1" /> verbindlich aufgenommen und finden sich somit im kommenden C++-Standard wieder. Zehn Boost-Bibliotheken wurden dabei vom C++-Komitee akzeptiert. Außerdem wurden für den geplanten ''{{lang|en|Technical Report 2}}''<ref name="tr2">[http://www.open-std.org/jtc1/sc22/wg21/docs/papers/2005/n1810.html C++ Technical Report 2]</ref> (eine vom Standardisierungskomitee anzunehmende Erweiterung des kommenden C++-Standards) einige weitere Boost-Bibliotheken vorgeschlagen.<br />
<br />
Noch in der Gemeinschaft aktiver Initiatoren von Boost sind unter anderem Beman Dawes und David Abrahams. Der Autor mehrerer Bücher über C++, [[Nicolai Josuttis]], stellte 2001 die Boost.Array-Bibliothek zur Verfügung. Etwa 3000 Leute haben sich in die Boost-[[Mailingliste]]n eingetragen und einige dutzend davon sind auch regelmäßig aktiv.<br />
<br />
== Qualitätssicherung ==<br />
=== Aufnahme neuer Bibliotheken ===<br />
Jede neue Bibliothek, die in Boost aufgenommen werden soll, muss einem sogenannten Review<ref name="lib.review" /> durch die Boost-Community unterzogen werden. Dabei können von interessierten Entwicklern sowohl Bewertungen abgegeben werden, als auch Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht werden. Diese werden ausgewertet und haben Einfluss auf die Aufnahme in die Bibliothek. Durch diesen Prozess soll eine hohe Qualität erreicht werden, da diese eventuell den Weg in den C++-Standard finden.<br />
<br />
Unabhängig vom Reviewprozess muss<ref name="lib.req" /> eine Bibliothek, die Teil von Boost werden soll, unter anderem<br />
* in geklärter [[Urheberrecht]]ssituation stehen,<br />
* bestimmte [[Lizenz]]bedingungen erfüllen (empfohlen wird die ''Boost Software License''<ref name="bsl" />),<br />
* von allgemeinem Nutzen sein,<br />
* [[Plattformunabhängigkeit|portabel]] sein.<br />
<br />
Auch muss der Autor aktiv am Qualitätssicherungsprozess teilnehmen und formale Dinge wie z.&nbsp;B. Quellcodeformatierung oder Dokumentation müssen den vereinbarten Richtlinien entsprechen.<br />
<br />
==== Lizenzbedingungen ====<br />
Um Teil von Boost zu werden, muss eine Bibliothek eine Lizenz aufweisen, die folgende Bedingungen erfüllt:<ref name="lib.req" /><br />
* Sie muss leicht lesbar und verständlich sein.<br />
* Sie muss jedem zu jedem Zweck (kommerziell und nicht-kommerziell) kostenfreie Kopier-, Nutzungs- und Modifikationsrechte einräumen.<br />
* Sie muss verlangen, dass die Gültigkeit der Lizenz in jeder Kopie oder Modifikation der Softwarequellen angegeben wird.<br />
* Sie darf nicht verlangen, dass die Lizenz bei erzeugten ausführbaren oder [[Binärdatei]]en angegeben wird.<br />
* Sie darf nicht verlangen, dass der Quelltext bei erzeugten ausführbaren oder Binärdateien mitgeliefert wird.<br />
* Sie darf die Benutzung von Namen und Beschreibung der Bibliothek auf die Standardversion auf der Boost-Webseite beschränken.<br />
<br />
Als Ergebnis dieser Bedingungen ist es möglich, alle Boost-Bibliotheken ohne Kenntnis der konkreten Lizenz zu nutzen. Man kann Boost-Bibliotheken in Projekten nutzen, die unter einer Lizenz mit [[Copyleft]]-Klausel stehen, ebenso wie in Projekten, die nicht [[Open Source|quelloffen]] sind.<br />
<br />
Es wird dringend empfohlen, auf die ''Boost Software License''<ref name="bsl" /> zurückzugreifen, da es ein langfristiges Ziel ist, alle Boost-Bibliotheken unter einer einheitlichen Lizenz zur Verfügung zu stellen.<ref name="lib.license">[http://www.boost.org/more/license_info.html Informationen über die Lizenz-Politik von Boost]</ref> De facto ist es unwahrscheinlich, dass eine Bibliothek ohne ''Boost Software License'' akzeptiert wird.<br />
<br />
=== Tests und Pflege ===<br />
Alle Boost-Komponenten werden regelmäßig auf verschiedensten alten und neuen Compilern getestet. Es werden unterschiedliche Dinge, wie die Kompilierfähigkeit, Funktionsfähigkeit und Vollständigkeit der Lizenzinformationen überprüft. Die Ergebnisse werden regelmäßig auf der Boost-Mailingliste angekündigt und auf der Boost-Webseite veröffentlicht.<ref name="regression">[http://www.boost.org/status/compiler_status.html Boost Compiler Status Report]</ref><br />
<br />
Boost enthält ein eigenes [[Modultest|Test-Framework]], mit dem auch versucht wird, die Qualität der Boost-Bibliotheken aufrechtzuerhalten.<ref name="boost.test">[http://www.boost.org/doc/libs/1_37_0/libs/test/doc/html/index.html Boost Test Library]</ref> Dieses ist lose nach Maximen des [[Extreme Programming]] aufgebaut.<br />
<br />
Bei [[Programmfehler|Bugs]] bitten die Boost-Entwickler um Meldung auf einer der Mailinglisten oder im Boost-eigenen [[Trac]], allerdings bevorzugt erst nachdem der meldende Programmierer überprüft hat, ob der Fehler in der aktuellen Entwickler-Version behoben ist.<ref name="bugs">[http://www.boost.org/more/bugs.htm Boost Seite über das Melden von Bugs]</ref><br />
<br />
Test und Pflege von Boost wird durch die stark variierende Qualität der unterstützten Plattformen und vor allem Compiler erschwert, was man unter anderem an zahlreichen Varianten und [[Umgehungslösung]]en innerhalb des Boost-Codes erkennen kann.<br />
<br />
Kritisch ist, dass einige Boost-Bibliotheken lange Zeit keine Pflege erhalten oder erhalten haben, was zumindest ihre Tauglichkeit für moderne Anwendungen einschränken kann.<br />
<br />
== Technik ==<br />
Viele Teile von Boost machen umfangreichen Gebrauch von [[Template (C++)|Templates]], d.&nbsp;h. [[generische Programmierung]] oder [[C++-Metaprogrammierung|Metaprogrammierung]]. Dies stellt hohe Anforderungen an die Konformität der zu verwendenden [[Compiler]]. Es wird jedoch parallel versucht, so viele Compilerfehler wie möglich zu umgehen. Die Entwicklungen decken auch Beschränkungen der bisherigen Compiler auf und können so zu weitergehenden Vorschlägen für die Standardisierung von Compilern und deren Konformitätstests führen.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur |Autor=Boris Schäling |Titel=Die Boost C++ Bibliotheken |Auflage=2 |Verlag=XML Press |Datum=2015 |ISBN=1-937434-37-0 |Online=https://dieboostcppbibliotheken.de/ |Abruf=2022-03-01}}<br />
* {{Literatur |Autor=Boris Schäling |Titel=Die Boost C++ Bibliotheken |Verlag=XML Press |Datum=2012 |ISBN=0-9822191-5-6}}<br />
* {{Literatur |Autor=Björn Karlsson |Titel=Beyond the C++ Standard Library. An Introduction to Boost |Verlag=Addison-Wesley |Datum=2007 |ISBN=0-321-13354-4}}<br />
* {{Literatur |Autor=Jeremy G. Siek, Lie-Quan Lee, Andrew Lumsdaine |Titel=The Boost Graph Library: User Guide and Reference Manual |Verlag=Addison-Wesley |Datum=2002 |ISBN=0-201-72914-8}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:C++-Bibliothek]]<br />
[[Kategorie:Freies Programmierwerkzeug]]<br />
[[Kategorie:Unix-Software]]<br />
[[Kategorie:Linux-Software]]<br />
[[Kategorie:MacOS-Software]]<br />
[[Kategorie:Windows-Software]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Campobasso&diff=255292837Campobasso2025-04-19T20:34:13Z<p>Designer2k2: /* Städtepartnerschaften */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Zum italienischen Adeligen und Condottiere siehe [[Carlo di Campobasso]].}}<br />
{{Infobox Gemeinde in Italien<br />
| nomeComune = Campobasso<br />
| linkStemma = Campobasso-Stemma.svg<br />
| siglaRegione = MOL<br />
| siglaProvincia = CB<br />
| regione = Molise<br />
| provincia = Campobasso<br />
| latitudineGradi = 41<br />
| latitudineMinuti = 34<br />
| latitudineSecondi = 0<br />
| longitudineGradi = 14<br />
| longitudineMinuti = 40<br />
| longitudineSecondi = 0<br />
| mappaX = 198<br />
| mappaY = 183<br />
| altitudine = 700<br />
| superficie = 55<br />
| Sottodivisioni = Santo Stefano<br />
| Divisioni confinanti = [[Busso]], [[Campodipietra]], [[Castropignano]], [[Ferrazzano]], [[Matrice]], [[Mirabello Sannitico]], [[Oratino]], [[Ripalimosani]], [[San Giovanni in Galdo]], [[Vinchiaturo]]<br />
| cap = 86100<br />
| prefisso = 0874<br />
| istat = 070006<br />
| fiscale = B519<br />
| nomeAbitanti = Campobassani<br />
| patrono = [[Georg (Heiliger)|San Giorgio]] (23. April)<br />
| festivo = [[23 aprile]]<br />
| sindaco =<br />
| panorama = Old Town, 86100 Campobasso, Italy - panoramio - trolvag (9).jpg<br />
| didascalia = Blick auf Campobasso<br />
| sito = [http://www.comune.campobasso.it/ Campobasso]<br />
}}<br />
<br />
'''Campobasso''' ([[Italienische Sprache|italienisch]] für ''Unteres Feld'') ist die Hauptstadt der [[Italien|italienischen]] Region [[Molise]] und der [[Provinz Campobasso]]. Die Stadt liegt im [[Apenninen|Apennin]] 780 Meter über dem Meeresspiegel und hat {{EWZ|IT|070006}} Einwohner (Stand {{EWD|IT|070006}}) auf einer Fläche von ca. 55 km².<br />
<br />
Die Nachbargemeinden sind [[Busso]], [[Campodipietra]], [[Castropignano]], [[Ferrazzano]], [[Matrice]], [[Mirabello Sannitico]], [[Oratino]], [[Ripalimosani]], [[San Giovanni in Galdo]] und [[Vinchiaturo]].<br />
<br />
Durch den Schriftsteller [[Jan Weiler]] und seine beiden Romane „[[Maria, ihm schmeckt’s nicht! (Roman)|Maria, ihm schmeckt's nicht]]“ und „Antonio im Wunderland“ erreichte der Ort im deutschen [[Sprachraum]] eine gewisse Bekanntheit.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Ursprung und Gründung der Stadt liegen weitgehend im Dunkeln. Vermutlich wurde sie vor dem 8. Jahrhundert als befestigtes Lager von [[Langobarden]] am Fuße des heutigen Burgberges angelegt. Ursprünglich wurde der Ort „Campus vassorum“ genannt.<br />
Nachdem die [[Normannen]] im 11. Jahrhundert das südliche Italien erobert hatten, entwickelte sich die Siedlung zum Handels- und Verwaltungszentrum. Zwischen 1330 und 1745 herrschten die Monforte-Gambatesa über die Stadt. Sie ließen das Schloss und eine Münze errichten. Später gehörte die Stadt den Di Capua, [[Gonzaga]], [[Vitagliano (Familie)|Vitagliano]], [[Carafa (Familie)|Carafa]] und verschiedenen römischen Familien. 1927 wurde die [[Kathedrale von Campobasso]] Sitz des [[Erzbistum Campobasso-Boiano|Erzbistums Campobasso-Boiano]].<br />
<br />
== Städtepartnerschaften ==<br />
* {{CAN|#}} [[Ottawa]], Kanada<br />
* {{RUS|#}} [[Wladimir (Russland)|Wladimir]], Russland<ref>{{Webarchiv |url=http://vladimir-city.ru/en/international/partners.php |text=Wladimir: Sister Cities |wayback=20181020045458 |archiv-bot=}}</ref><br />
* {{BIH|#}} [[Banja Luka]], Bosnien und Herzegowina<br />
* {{ITA|#}} [[Vastogirardi]], Italien<br />
<br />
== Söhne und Töchter der Stadt ==<br />
<!-- Chronologisch sortiert nach Geburtsjahr. --><br />
* [[Achille Sannia]] (1822–1892), Mathematiker und Senator<br />
* [[Enrico D’Ovidio]] (1842–1933), Mathematiker<br />
* [[Francesco D’Ovidio]] (1849–1925), Romanist<br />
* [[Alessandro Pirzio Biroli]] (1877–1962), General und Olympiateilnehmer im Fechten<br />
* [[Cipriano Facchinetti]] (1889–1952), Politiker (PRI)<br />
* [[Alberto Bonucci]] (1918–1969), Schauspieler<br />
* [[Fred Bongusto]] (1935–2019), Sänger und Komponist<br />
* [[Tony Dallara]] (* 1936), Sänger und Fernsehstar<br />
* [[Roberto Antonelli (Schauspieler)|Roberto Antonelli]] (* 1938), Schauspieler<br />
* [[Alberto Dell’Acqua]] (* 1938), Schauspieler<br />
* [[Aldo Vendemiati]] (* 1961), Philosoph<br />
* [[Francesca Colavita]] (* 1990), Biologin<br />
<br />
== Stadtansichten ==<br />
<gallery><br />
Campobasso Campanile S. Bartolomeo.jpg|Panorama mit dem Glockenturm von S. Bartolomeo<br />
Old Town, 86100 Campobasso, Italy - panoramio - trolvag (29).jpg|Altstadt<br />
Campobasso Palazzo.jpg|Palazzo del Centro Murattiano<br />
Campobasso municipio.jpg|Palazzo Municipale<br />
Old Town, 86100 Campobasso, Italy - panoramio - trolvag (13).jpg|Castello Monforte<br />
Campobasso crociati.jpg|Historischer Aufzug<br />
Campobasso Piazza Prefettura.jpg|Piazza Prefettura<br />
Campobasso s.bartolomeo.jpg|S. Bartolomeo<br />
Campobasso Corso neve.jpg|Stadtzentrum<br />
Campobasso villa comunale.jpg|Villa de Capoa<br />
Campobasso-Villa de Capoa statua.jpg|Parco di Villa de Capoa<br />
</gallery><br />
<br />
== Klimatabelle ==<br />
<br />
{{Klimatabelle<br />
| TABELLE = <br />
| DIAGRAMM TEMPERATUR = deaktiviert<br />
| DIAGRAMM NIEDERSCHLAG = deaktiviert<br />
| DIAGRAMM NIEDERSCHLAG HÖHE = 200<br />
| QUELLE = [https://worldweather.wmo.int/en/city.html?cityId=1946 WMO]<br />
| Überschrift = <br />
| Ort = Campobasso<br />
<!-- durchschnittliche Höchsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --><br />
| hmjan = 7.0<br />
| hmfeb = 7.5<br />
| hmmär = 10.2<br />
| hmapr = 13.4<br />
| hmmai = 18.9<br />
| hmjun = 23.2<br />
| hmjul = 26.5<br />
| hmaug = 26.6<br />
| hmsep= 22.1<br />
| hmokt = 16.7<br />
| hmnov = 11.1<br />
| hmdez = 8.1<br />
<!-- durchschnittliche Niedrigsttemperatur für den jeweiligen Monat in °C --><br />
| lmjan = 1.6<br />
| lmfeb = 1.4<br />
| lmmär = 3.2<br />
| lmapr = 5.8<br />
| lmmai = 10.6<br />
| lmjun = 14.1<br />
| lmjul = 17.0<br />
| lmaug = 17.2<br />
| lmsep= 13.8<br />
| lmokt = 9.9<br />
| lmnov = 5.4<br />
| lmdez = 2.9<br />
<!-- durchschnittliche Niederschlagsmenge für den jeweiligen Monat in mm --><br />
| nbjan = 50.3<br />
| nbfeb = 55.8<br />
| nbmär = 45.2<br />
| nbapr = 51.7<br />
| nbmai = 44.8<br />
| nbjun = 32.6<br />
| nbjul = 28.6<br />
| nbaug = 36.2<br />
| nbsep= 40.5<br />
| nbokt = 48.9<br />
| nbnov = 72.2<br />
| nbdez = 53.4<br />
<!-- durchschnittliche Regentage für den jeweiligen Monat in d --><br />
| rdjan = 7.3<br />
| rdfeb = 8.4<br />
| rdmär = 7.7<br />
| rdapr = 8.4<br />
| rdmai = 6.5<br />
| rdjun = 5.4<br />
| rdjul = 3.6<br />
| rdaug = 4.8<br />
| rdsep= 6.0<br />
| rdokt = 7.2<br />
| rdnov = 8.9<br />
| rddez = 7.6<br />
}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikivoyage}}<br />
* [http://db.biblhertz.it/abruzzo/text.xql Abruzzen und Molise] Das Standardwerk von Otto Lehmann-Brockhaus zur Kunst und Geschichte der Abruzzen und des Molise (1983) in digitaler Neuausgabe; mit ausführlichem Ortsindex<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Gemeinden Provinz Campobasso}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4216181-2|LCCN=n/79/39955|VIAF=132509102}}<br />
<br />
[[Kategorie:Ort in Molise]]<br />
[[Kategorie:Hauptstadt in Italien]]<br />
[[Kategorie:Provinzhauptstadt in Italien]]<br />
[[Kategorie:Weinbauort in Italien]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Unterelbe&diff=255292795Unterelbe2025-04-19T20:32:14Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Überarbeiten|grund=Generalüberholung nach Re-Integration des redundanten [[Niederelbe]]-Artikels, siehe Diskussion!}}<br />
[[Datei:Unterelbe.png|mini|Lauf der Unterelbe]]<br />
[[Datei:Schiffsverkehr Elbe Hamburg.JPG|mini|Schiffsverkehr auf der Unterelbe bei Hamburg]]<!--symboldbild für die wirtschaftliche bedeutung--><br />
[[Datei:Queen-Mary-II-Elbe-051119-0.jpg|mini|[[Queen Mary 2]] auf der Unterelbe bei [[Glückstadt]]]]<!--auch ein symbolbild: man beachte die dimension des schiffes im vergleich zum deich und dem tiefliegenden hinterland!--><br />
[[Datei:Cuxhaven 07-2016 photo23 Kugelbake.jpg|mini|hochkant|Die Kugelbake bei Cuxhaven markiert die Mündung der Elbe in die Nordsee.]]<br />
<br />
Als '''Nieder-''' oder '''Unterelbe''' (seltener auch ''Tideelbe'', ''Tidenelbe'' oder ''Gezeitenelbe'') wird der rund 140 km lange Abschnitt der [[Elbe]] zwischen der [[Staustufe Geesthacht]] (km 586) und der [[Kugelbake]] in [[Cuxhaven]] (km 727,73) bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=J. Rommel |Titel=Laufentwicklung der deutschen Elbe bis Geesthacht seit ca. 1600 |Hrsg=im Auftrag der Bundesanstalt für Gewässerkunde |Ort=Aachen |Datum=2000 |Online=[http://elise.bafg.de/servlet/is/3408/ElbeLaufentwicklung_1v3.pdf]|ISBN= |Seiten=6}}</ref> Der langgestreckte Mündungstrichter ([[Ästuar]]) unterliegt den Gezeiten [[Gezeiten|Ebbe und Flut]], und das [[Marschland]] beiderseits der Unterelbe kann von [[Sturmflut]]en der [[Nordsee]] in Mitleidenschaft gezogen werden.<br />
<br />
Die Unterelbe ist von großer Bedeutung für die internationale [[Seeschifffahrt]], insbesondere als Zufahrt zum [[Hamburger Hafen]], aber auch zum [[Nord-Ostsee-Kanal]] und damit zur [[Ostsee]]. Nach dem [[Bundeswasserstraße]]ngesetz gilt sie in ihrem gesamten Verlauf als [[Binnenwasserstraße]], bevor sie als Außenelbe zur [[Seewasserstraße]] wird. [[Schifffahrtsrecht]]lich ist sie jedoch nur von Geesthacht bis [[Hamburg-Ochsenwerder|Oortkaten]] (km 607,50) eine [[Binnenschifffahrtsstraße]]. Im weiteren Verlauf unterliegt sie als sogenannte [[Delegationsstrecke]] der Zuständigkeit [[Hamburg]]s;<!-- HPA, LSBG oder wer genau ist zuständig? --> ab km 638,98 ([[Leuchtturm Tinsdal]]<!-- so korrekt? -->) ist sie dann [[Seeschifffahrtsstraße]].<ref>{{Webarchiv |url=http://www.wsv.de/wasserstrassen/gliederung_bundeswasserstrassen/abkuerzungen_zustaendigkeiten/index.html |text=Zuständigkeiten und Abkürzungen für die Binnenwasserstraßen des Bundes, WSV |wayback=20140404205456 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
== Namen und Abgrenzung ==<br />
Die Begriffe Nieder- und Unterelbe werden im Allgemeinen synonym gebraucht, wobei ''Niederelbe'' der ältere, regional angestammte Name ist (analog zu [[Niederdeutsche Sprache|niederdeutsch]] oder [[Niedersachsen]]), während ''Unterelbe'' erst seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch gekommen ist.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Richard Linde |Titel=Die Niederelbe |Hrsg= |Sammelwerk=Land und Leute. Monographien zur Erdkunde |Band=28 |Nummer= |Auflage= |Verlag=Belhagen & Klasing |Ort=Bielefeld |Datum=1913 |ISBN= |Seiten=4 |Online=http://archive.org/details/dieniederelbe00linduoft |Abruf=2020-01-10}}</ref> Die Abgrenzung ist dabei höchst uneinheitlich: So galten früher beispielsweise die [[Nikolaifleet|Alstermündung]] in [[Hamburg]] oder später die [[Hamburger Elbbrücken]] als Grenze; heutzutage werden zuweilen auch die [[Bunthäuser Spitze]], die [[Köhlbrand]]mündung oder das [[Mühlenberger Loch]] als Beginn der Nieder- bzw. Unterelbe angesehen. Zuweilen wird auch der Flussabschnitt ab [[Lauenburg/Elbe|Lauenburg]] schon zur ''Niederelbe'' gezählt.<ref>{{Literatur |Autor=[[Jörgen Bracker]] |Titel=Unser Strom. Hamburg und die Niederelbe von Lauenburg bis Cuxhaven |Verlag=Ernst Kabel Verlag |Ort=Hamburg |Datum=1995 |ISBN=3-8225-0341-X |Online= |Abruf=}}</ref> <br />
<br />
Um diese widersprüchlichen Abgrenzungen zu umgehen, werden in der <!-- geografischen? hydrografischen? hydrologischen? -->Fachliteratur Begriffe wie ''Tide(n)elbe'',<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Schöl, Werner Blohm, Annette Becker & Helmut Fischer |Titel=Untersuchungen zum Rückgang hoher Algenbiomassen im limnischen Abschnitt der Tideelbe |TitelErg=Erweiterte Zusammenfassungen der Jahrestagung 2008 (Konstanz) |Ort=Hardegsen |Datum=2009 |ISBN= |Seiten=1 |Online=[https://www.bafg.de/DE/08_Ref/U2/01_mikrobiologie/algen_tideelbe.pdf?__blob=publicationFile]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Maja Fickert & Thomas Strotmann |Titel=Hydrodynamische Entwicklung der Tideelbe |TitelErg=Erweiterte Zusammenfassungen der Jahrestagung 2008 (Konstanz) |Hrsg="Hamburg Port Authority – HPA" |Sammelwerk="Coastline Reports 9" |Datum=2007 |ISBN=978-3-9811839-1-7 |ISSN=0928-2734 |Seiten=60 |Online=[https://www.kuestendaten.de/media/zdm/kuestendaten/publikationen/Datencontainer/F/Hydrodynamische_Entwicklung_der_Tideelbe.pdf]}}</ref> ''Gezeitenelbe'' oder ''Elbeästuar''<ref>{{Literatur |Autor=Holger Weilbeer |Titel=Sedimenttransport und Sedimentmanagement im Elbeästuar |Sammelwerk=Die Küste, Heft 86 |Datum=2018 |Seiten=445 |Online=[https://izw.baw.de/die-kueste/0/k086126.pdf]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=J. Kappenberg & H.-U. Fanger |Titel=Sedimenttransportgeschehen in der tidebeeinflussten Elbe, der Deutschen Bucht und in der Nordsee |Hrsg="GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH" |Ort="Geesthacht" |Datum=2007 |ISSN=0344-9629 |Seiten=21 |Online=[https://www.hzg.de/imperia/md/content/hzg/zentrale_einrichtungen/bibliothek/berichte/gkss_berichte_2007/gkss_2007_20.pdf]}}</ref> bevorzugt, die auf den Einfluss der [[Gezeiten]] als Unterscheidungskriterium verweisen. Dieser ist seit dem Bau der [[Staustufe Geesthacht]] 1960 räumlich eindeutig festgelegt, reichte zuvor aber deutlich weiter flussaufwärts bis in die Gegend um [[Lauenburg/Elbe|Lauenburg]] oder [[Boizenburg/Elbe|Boizenburg]].<ref name=":0" /> <br />
<br />
== Geographie ==<br />
=== Geographische Lage ===<br />
[[Datei:Elbinseln Joh Mejer 1650.jpg|mini|Im 17. Jahrhundert reichte das Binnendelta der Elbe noch von den Vierlanden bis Finkenwerder. ]]<br />
[[Datei:Blankenese-hamburg hg.jpg|mini|Hohes Elbufer bei Blankenese]]<br />
Die Unterelbe folgt auf ihrer gesamten Länge dem eiszeitlichen [[Elbe-Urstromtal]], das zu beiden Seiten von bis zu 50 Meter hohen [[Geest]]hängen gesäumt wird. Dazwischen hatte sich im flachen [[Marschland]] ein langgestrecktes [[Binnendelta]] ausgebildet, das ursprünglich kurz hinter Geesthacht bei [[Drage (Elbe)|Drage]] begann und auch die zu Hamburg gehörenden [[Vier- und Marschlande]] einschloss.<ref>{{Literatur |Autor=Ulla Gerversmann & Nicole Winter |Titel=Pflege- und Entwicklungsplan für das Naturschutzgebiet Auenlandschaft Obere Tideelbe |Hrsg=Freie und Hansestadt Hamburg - Amt für Naturschutz, Grünplanung und Energie |Ort=Hardegsen |Datum=Dezember 2018 |ISBN= |Seiten=126 |Online=[https://www.hamburg.de/contentblob/11975674/dc9e95b15cbe0e79c74e225269adc632/data/pep-text.pdf]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Arbeitsgruppe Schadstoffe/Sedimentmanagement |Titel=Vorschläge für eine gute Sedimentmanagementpraxis im Elbegebiet zur Erreichung überregionaler Handlungsziele |TitelErg=Sedimentmanagementkonzept der FGG Elbe |Hrsg=Flussgebietsgemeinschaft Elbe |Datum=2013 |ISBN= |Seiten=132 |Online=[https://www.fgg-elbe.de/tl_files/Downloads/News/Sedimentmanagementkonzept/sedimentmanagementkonzept_fgg_final.pdf]}}</ref> Diese wurden jedoch bereits seit dem 12. Jahrhundert sukzessive [[Eindeichung|eingedeicht]] und die Nebenarme [[Dove Elbe]] und [[Gose Elbe]] vom verbliebenen Hauptstrom abgetrennt. Dieser wird auch als „obere Tidenelbe“<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Schöl, Werner Blohm, Annette Becker & Helmut Fischer |Titel=Untersuchungen zum Rückgang hoher Algenbiomassen im limnischen Abschnitt der Tideelbe |TitelErg= Erweiterte Zusammenfassungen der Jahrestagung 2008 (Konstanz) |Ort=Hardegsen |Datum=2009 |Online=[https://www.bafg.de/DE/08_Ref/U2/01_mikrobiologie/algen_tideelbe.pdf?__blob=publicationFile]|ISBN= |Seiten=1}}</ref> bezeichnet und trennt die Vier- und Marschlande von den [[Niedersachsen|niedersächsischen]] Elbmarschen im [[Landkreis Harburg]].<br />
<br />
Das heutige Binnendelta beginnt etwa 17&nbsp;km flussabwärts an der [[Bunthäuser Spitze]], wo sich die Elbe für etwa 15&nbsp;Kilometer in die [[Norderelbe|Norder-]] und [[Süderelbe]] aufteilt und dabei die – de facto aus mehreren kleineren Inseln bestehende – „Elbinsel“ [[Hamburg-Wilhelmsburg|Wilhelmsburg]] umschließt. Die Süderelbe geht in ihrem weiteren Verlauf in den [[Köhlbrand]] über, der sich gegenüber dem [[Altonaer Balkon]] wieder mit der Norderelbe vereint. Der ursprüngliche Mündungsarm [[Alte Süderelbe]] ist durch die 1963 erfolgte Abdeichung zum [[Stehendes Gewässer|stehenden Gewässer]] geworden.<br />
<br />
Ab dem Zusammenfluss von Norder- und Süderelbe verläuft die Unterelbe auf Hamburger Stadtgebiet zwischen den nördlich gelegenen [[Elbvororte]]n und den südlich der Elbe gelegenen Ortsteilen [[Hamburg-Waltershof|Waltershof]] und [[Hamburg-Finkenwerder|Finkenwerder]] zum [[Mühlenberger Loch]]. Bis 1963 mündete erst hier die Süderelbe in die Norderelbe.<br />
<br />
Hier beginnt der letzte Flussabschnitt, der durch eine Vielzahl kleinerer [[Binneninsel]]n entlang der Ufer und mitten im Strom geprägt ist (z. B. [[Hahnöfersand]], [[Lühesand]], [[Pagensand]], [[Rhinplate]]). Neben den von den Inseln gebildeten Nebenarmen gibt es im Elbevorland rechts und links eine Reihe von Seitenarmen, wie beispielsweise linkselbisch die ''Wischhafener Süderelbe'', die bei [[Wischhafen]] in die Elbe mündet.<br />
<br />
Bei Cuxhaven ist die Elbe etwa 18&nbsp;Kilometer breit. Von Hamburg bis zur Mündung ist der Fluss rund 108&nbsp;Kilometer lang.<!-- dieser abschnitt ist m.e. hier redundant und sollte weiter hinten im wirtschaftsteil eingearbeitet werden! U.R.<br />
=== Verkehr ===<br />
Die Unterelbe ist besonders für den Seeschifffahrtsverkehr vom und zum [[Hamburger Hafen]] von großer Bedeutung. Die Elbe bildet hier eine der wichtigsten [[Bundeswasserstraße]]n<ref>{{Webarchiv|url=http://www.wsv.de/wasserstrassen/chronik/index.html |wayback=20160722140340 |text=Verzeichnis E, Lfd.Nr. 9 der Chronik |archiv-bot=2019-05-20 14:18:02 InternetArchiveBot }}, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes</ref> Deutschlands (Verwaltungszuständigkeiten und Verkehrsvorschriften s. [[Elbe|Artikel Elbe]]). Für den Hafen als wichtig gefordert, aber mit Umwelt- und Sicherheitsrisiken im weiteren Unterlauf des Flusses verbunden, ist eine geplante erneute [[Elbvertiefung]]. Dies gilt vor allem für die [[Deich]]e.<br />
<br />
Nicht nur für die Berufsschifffahrt, sondern auch für Freizeitkapitäne ist die Elbe ein Revier. Es gibt viele kleine Sportboothäfen in den verschiedenen Orten, vor allem entlang der Niederelbe. Für den überregionalen Straßenverkehr von Bedeutung ist zudem die Fährverbindung zwischen Glückstadt und Wischhafen. Die gleichnamige [[Elbfähre Glückstadt–Wischhafen|Elbfähre]] ist inzwischen eine beliebte Alternative zur stauanfälligen Route durch den Hamburger [[Neuer Elbtunnel|Elbtunnel]], die auch von vielen LKW-Fahrern genutzt wird.<br />
<br />
Zwischen Elmshorn und Wilster verkehrt die [[Marschbahn]] durch die Elbmarschen Schleswig-Holsteins. Von Hamburg gen Osten verkehren entlang der Unterelbe außerdem die Bahnstrecken [[Bahnstrecke Hannover–Hamburg|Hannover–Hamburg]] sowie die [[Berlin-Hamburger Bahn]]. Im [[Bahnhof Hamburg-Harburg]] zweigt von der Hauptstrecke aus Hannover kommend die [[Niederelbebahn]] nach Cuxhaven über Stade ab.<br />
--><br />
<br />
=== Nebenflüsse ===<br />
Rechte Nebenflüsse in Flussrichtung:<br />
<br />
* [[Bille]] (65 km)<br />
* [[Alster]] (56 km)<br />
* [[Flottbek (Fluss)|Flottbek]]<br />
* [[Wedeler Au]] (12 km)<br />
* [[Pinnau]] (41 km)<br />
* [[Krückau]] (37 km)<br />
* [[Stör (Elbe)|Stör]] (87 km)<br />
<br />
Linke Nebenflüsse in Flussrichtung:<br />
<br />
* [[Ilmenau (Fluss)|Ilmenau]] (109 km)<br />
* [[Seeve]] (42 km)<br />
* [[Este (Fluss)|Este]] (62 km)<br />
* [[Lühe (Fluss)|Lühe]] (13 km)<br />
* [[Schwinge (Elbe)|Schwinge]] (29 km)<br />
* [[Oste]] (149 km)<br />
* [[Medem (Fluss)|Medem]] (16 km)<br />
<br />
=== Kanäle ===<br />
<br />
Einziger wirtschaftlich bedeutender Kanal, der von der Unterelbe abzweigt, ist der [[Nord-Ostsee-Kanal]]. Daneben sind für die Freizeitschifffahrt noch der [[Hadelner Kanal]] als Teilstück des ''Schiffahrtsweg Elbe-Weser'' und der [[Altenbrucher Kanal]] südöstlich von [[Cuxhaven]] von Bedeutung. Ebenfalls zu dieser Kategorie gehört heute der Ilmenaukanal im Zuge der Ilmenau; er war bis zum Bau des [[Elbe-Seitenkanal]]s für die Wirtschafts- und Stadtentwicklung [[Lüneburg]]s von Bedeutung.<br />
<br />
=== Uferlandschaften ===<br />
{{Hauptartikel|Elbmarschen}}<br />
Die Unterelbe ist in ihrer Genese seit der [[Weichsel-Eiszeit]] durch das [[Urstromtal]] der Elbe geformt worden. Wie die Namen der angrenzenden Landschaften bereits andeuten, ist dieses Gebiet zum großen Teil geprägt von [[Marschland|Marschländereien]]. Nur wenige Orte bzw. Ortsteile auf Hamburger Stadtgebiet bis einschließlich der Stadt [[Wedel]] liegen auf [[Endmoräne]]n.<br />
<br />
Auf der rechten Elbseite liegen zunächst die zu Hamburg gehörenden [[Vier- und Marschlande]] sowie die Elbinseln des Hamburger Binnendeltas. Die ab [[Wedel]] folgenden schleswig-holsteinischen Marschlandschaften werden allesamt durch Fluss-/Kanalläufe getrennt: Am Geestrand bei Wedel beginnt zunächst die [[Haseldorfer Marsch]]; das östliche Ende bildet hier die [[Wedeler Au]]. Westlich der [[Pinnau]] beginnt anschließend die [[Seestermüher Marsch]], die bis zur [[Krückau]] reicht. Ihr nordwestlich vorgelagert ist die [[Kremper Marsch]]. Jenseits der [[Stör (Elbe)|Stör]] beginnt schließlich die [[Wilstermarsch]], die bis an den [[Nord-Ostsee-Kanal]] bzw. die [[Burger Au]] reicht. Abschließend folgen die Marschgebiete des südlichen Kreises [[Dithmarschen]].<br />
<br />
Auf der linken (niedersächsischen) Elbseite begleiten die Marschländereien die gesamte Unterelbe, beginnend mit der [[Lüneburg]]er und [[Winsen (Luhe)|Winsener]] Elbmarsch, sowie die ehemals Harburger Elbmarschen. Darauf folgen das [[Altes Land|Alte Land]] zwischen [[Süderelbe]] und [[Schwinge (Elbe)|Schwinge]], das [[Kehdingen|Land Kehdingen]] zwischen Schwinge und [[Oste]] sowie das [[Land Hadeln]] zwischen der Oste und der [[Wurster Heide]].<br />
<br />
==== Strandabschnitte ====<br />
[[Datei:Elbstrand Hamburg Oevelgoenne.jpg|mini|Elbstrand Övelgönne]]Entlang der Unterelbe gibt es einige Sandstrände, die auch als Badestellen genutzt werden, so auf Hamburger Gebiet bei [[Övelgönne]]<ref>http://unser-altona.de/elbstrand-hamburg/</ref> und [[Wittenbergen (Hamburg)|Wittenbergen]], auf schleswig-holsteinischem Gebiet in [[Brokdorf]]. Der Strand bei [[Duhnen]] an der Elbmündung berührt mit seinem östlichen Ende an der Cuxhavener [[Kugelbake]] gerade noch den Verlauf der Unterelbe; mit vier Kilometern wäre er damit der längste an diesem Flusslauf gelegene Sandstrand.<br />
<br />
=== Geologie des Mündungsbereichs ===<br />
Obwohl der Mündungstrichter bis zu 18&nbsp;km breit ist, bleibt dem Schiffsverkehr auch dort nur ein relativ enges [[Fahrwasser]]; den Rest nehmen breite [[Watt (Küste)|Wattbänke]] wie der [[Medemsand]] ein. Die engste und mit über 30&nbsp;m tiefste Stelle liegt vor dem [[Glameyer-Stack]] unweit von [[Cuxhaven]], das zugleich als die entscheidende Schwachstelle im [[Deich]]verlauf gilt. Würde dort der Deich brechen, wäre mit der Überflutung weiter Gebiete des [[Land Hadeln|Landes Hadeln]] zu rechnen.<br />
<br />
Das Mündungsgebiet in die [[Nordsee]] nennt man [[Helgoländer Bucht]]. Diese ist ihrerseits ein Teil der [[Deutsche Bucht|Deutschen Bucht]].<br />
<br />
<gallery><br />
Cuxhaven Ott anima 01.gif|Satellitenbild (2007)<br />
Ueberschwung klein 4m50cm.jpg|Überschwemmungen bei Deichbruch am [[Glameyer-Stack]]<br />
Elbmündung Watt.JPG|Schiffsverkehr bei Niedrigwasser<br />
</gallery><br />
<br />
=== Ländergrenzen ===<br />
Im Verlauf der Niederelbe (einschl. der Elbmündung) noch nicht geklärt ist der Verlauf der Grenzen zwischen den Ländern [[Schleswig-Holstein]], [[Niedersachsen]] und [[Hamburg]].<ref>Zu den rechtlichen und geschichtlichen Aspekten siehe [[Rainer Lagoni]]: ''Ländergrenzen in der Elbemündung und der Deutschen Bucht'', Berlin 1982. ISBN 3-428-05240-4</ref> Geklärt sind durch verschiedene [[Verwaltungsabkommen]] und Staatsverträge der beteiligten Bundesländer verschiedene Verwaltungs- und Gerichtszuständigkeiten,<ref>Beispiele für solche Verträge sind das (Verwaltungs-)''Abkommen über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf der Elbe zwischen den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg'' von 1974, der ''Staatsvertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg sowie den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die gerichtliche Zuständigkeit in Binnenschiffahrtssachen'' von 1983 oder der ''Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die Regelung der Gerichtszugehörigkeit des Küstengewässers der Nordsee und der Elbmündung'' von 2001</ref> nicht jedoch die [[Gebietshoheit]].<br />
<br />
=== Städte ===<br />
Entlang der Unterelbe befinden sich einige bedeutende Städte. An erster Stelle ist die [[Freie und Hansestadt Hamburg]] als Zentrum der gleichnamigen [[Metropolregion|Metropolregion Hamburg]] zu nennen.<br />
<br />
Auf schleswig-holsteinischer Seite zählen [[Brunsbüttel]] mit der Einfahrt in den [[Nord-Ostsee-Kanal]] und den benachbarten Industrieanlagen, Glückstadt und, oberhalb Hamburgs, Geesthacht dazu.<br />
<br />
Auf der niedersächsischen Seite sind vor allem Stade und Cuxhaven von Bedeutung.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
{{Siehe auch|Zeittafel zur geschichtlichen Entwicklung der Unterelbregion}}{{Überarbeiten|||grund=dieser gesamte abschnitt sollte radikal gekürzt oder alternativ ausgelagert werden}}<br />
<br />
=== Frühgeschichte ===<br />
Um 12 v.&nbsp;Chr. erreichten die [[Römisches Reich|Römer]] die Elbe-Mündung. Sie nannten den Fluss Albis und die Gegend beiderseits der Unterelbe ''Albingia''.<ref>[[Plinius der Ältere]], ''[[Naturalis historia]]'' 4,14,100 ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/4*.html online]).</ref><ref>[[Tacitus]], ''[[Germania (Tacitus)|Germania]]'' ([http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Tacitus-Germania.htm online]).</ref><ref>[[Claudius Ptolemäus]], ''[[Geographike Hyphegesis]]'' ([http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Gazetteer/Periods/Roman/_Texts/Ptolemy/home.html Gr./Lat./Engl.]).</ref> Wie weit sie die Elbe hinauf fuhren, ist nicht überliefert. Zu Beginn des 9.&nbsp;Jahrhunderts n.&nbsp;Chr. drang [[Karl der Große]] in den [[Sachsenkriege Karls des Großen|Sachsenkriegen]] bis an die Elbe vor. Die [[Christianisierung]] des Nordens begann. Im Jahr 817 wurde die [[Hammaburg]], die Keimzelle [[Hamburg]]s, im Mündungsgebiet der [[Alster]] gegründet.<br />
<br />
Um 845 wurden zahlreiche Siedlungen entlang der Unterelbe bis zur Hammaburg von [[Wikinger]]n überfallen, 915 und 916 überfielen [[Wenden]] und [[Dänen]] gemeinsam den Hamburger Sprengel. Wenden unter dem christlichen [[Abodriten]]fürsten [[Mistewoi]] brannten Hamburg nieder und verwüsteten [[Stormarn]] und [[Holstein]]. Im Jahr 1032 überfielen die Wenden unter ihrem Fürsten [[Gottschalk der Wende|Gottschalk]] erneut Stormarn und Holstein.<br />
<br />
Um 1060 befestigte [[Adalbert von Bremen|Erzbischof Adalbert]] den [[Süllberg (Hamburg)|Süllberg]] in [[Hamburg-Blankenese|Blankenese]]. Adalbert wurde 1066 –&nbsp;vor allem auf Drängen der [[Billunger]]&nbsp;– gestürzt. Nordalbier zerstörten anschließend seine [[Burg auf dem Süllberg]]. 1142 wurde das Kirchspiel [[Bishorst]] gegründet.<br />
<br />
=== Hoch- und Spätmittelalter ===<br />
Das 12. Jahrhundert war auch durch Landgewinnung und -zerstörung gekennzeichnet. So begannen Holländer im Jahr 1148 mit der Eindeichung der [[Haseldorfer Marsch]]. 1164 verwüstete die [[Julianenflut]] den Unterelbraum bis nach [[Wedel]], ca. 20.000 Menschen und viele tausend Stück Nutzvieh starben dabei.<br />
<br />
In diese Zeit datiert auch ein Vertrag, der für die Entwicklung des wirtschaftlichen Zentrums von herausragender Bedeutung ist. Im Jahr 1189 erhielt die große Stadt einen Freibrief von [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich „Barbarossa“]]. Es ist umstritten, ob dieser den Hamburgern wirklich das wichtige [[Stapelrecht]] zusicherte.<ref name=HHSchauenburg>[[Geschichte Hamburgs#Schauenburger Zeit]]</ref><br />
<br />
Das 13. Jahrhundert war geprägt durch die „[[Erste Marcellusflut]]“ im Jahre 1219 und eine weitere Sturmflut vor 1236. Letztere trennte [[Hamburg-Finkenwerder|Finkenwerder]] und [[Gorieswerder]] von [[Dradenau]]. Auch die [[Allerkindleinsflut]] im Jahr 1248 verursachte schwere Verwüstungen. Sie überflutete das Elbegebiet und trennte die historische Elbinsel Gorieswerder in mehrere Teile. Im Jahr 1297 erhielt schließlich das am südlichen Elbrand gelegene [[Hamburg-Harburg (Stadtteil)|Harburg]] die Stadtrechte verliehen.<br />
<br />
Hamburg dehnte seinen Einflussbereich auf die Elbmündung aus, zunächst mittels Erwerb von Rechten an der Insel [[Neuwerk]] vom Herzog von [[Herzogtum Sachsen-Lauenburg|Sachsen-Lauenburg]].<ref name=HHSchauenburg/><br />
<br />
Das 14.&nbsp;Jahrhundert begann mit der ''zweiten Schlacht bei Uetersen''. 1310 stellte Hamburg den 35&nbsp;Meter hohen Neuwerker [[Leuchtturm Neuwerk|Turmbau]] als Seezeichen und Vorposten gegen [[Vitalienbrüder|Nordseepiraten]] und [[Strandräuber]] im Gebiet um [[Scharhörn]] fertig. Im Jahr 1314 erfolgte der Ausbau der [[Hatzburg]] bei Wedel durch die Schauenburger Grafen. Später wurde die Elbinsel Gorieswerder zerrissen; unter anderem entstand hierbei die Elbinsel [[Hamburg-Veddel|Veddel]]. Nach einem Bündnisvertrag mit den [[Wurtfriesen]] der Marsch [[Land Wursten]] 1316<ref>[http://www.cuxpedia.de/index.php/Neuwerk#Geschichte_2 Geschichte Neuwerks auf Stadtwiki Cuxhaven]</ref> endete das Jahrhundert mit einem weiteren Erfolg zugunsten der Stadt Hamburg, 1394 erwarb sie von den [[Ritter von der Lappe|Lappes]] eine Ritterschaft an der Elbmündung. Von da an schützte Hamburg die Elbmündung von dem neugegründeten hamburgischen [[Amt Ritzebüttel]], aus dem später [[Cuxhaven]] hervorging und übte zunehmenden wirtschaftlichen Einfluss auf die Unterelbe aus, zu Lasten der damals noch bedeutenderen Hafenstädten wie [[Stade]]. Ein Jahr später wurden durch die Stadt die [[Binneninsel]]n ''[[Hamburg-Ochsenwerder|Ochsenwerder]]'' und ''[[Marschlande|Moorwerder]]'' erworben. Ziel war die Beherrschung des Eingangs zur Norderelbe.<br />
<br />
=== Frühe Neuzeit ===<br />
Nach dem Jahr 1500 kam es zur Gründung von [[Bezirk Altona|Altona]]. Im Jahr 1543 begann man mit dem ersten Siedlungsbau im zuvor erworbenen ''Amt Ritzebüttel''. Die Siedlung ''Dikshave'' (heute: Cuxhaven) entstand als kleine Deichreihensiedlung.[[Datei:Joh Mejer Stormarn 1650.jpg|mini|Unterelbe von [[Lauenburg/Elbe|Lauenburg]] bis [[Wilstermarsch]] 1650]]<br />
Im 17.&nbsp;Jahrhundert. kam es zur Errichtung der [[Hamburger Wallanlagen]]. In der Folge entstand ein neuer Elbhafen an der Mündung der [[Alster]], vor dem [[Baumwall]]. 1617 gründete [[Christian IV. (Dänemark und Norwegen)|Christian&nbsp;IV.]], König von Dänemark und Herzog von Schleswig und Holstein, [[Glückstadt]] in Konkurrenz zu [[Hamburg]]. Im Jahr 1627 suchte die Allerheiligenflut (7. November) das Gebiet der Unterelbe heim und überflutete große Marschländereien. Während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] geriet Stade zunächst in kaiserlich-katholische Hand von [[Johann t’Serclaes von Tilly|Tilly]], wenig später erstmals in schwedische. Im Jahr 1634 kam die [[Burchardiflut|''Große Flut'']] (11./12. Oktober). Nach dem [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] gelangte das [[Elbe-Weser-Dreieck]] als [[Bremen-Verden|Herzogtümer Bremen und Verden]] in schwedischen Besitz innerhalb des [[HRR|Heiligen Römischen Reiches]]. Im Jahr 1658 brandschatzten schwedische Truppen [[Uetersen]]. Im Jahr darauf wurde die dänische Festung [[Hetlinger Schanze]] am Elbufer der [[Haseldorfer Marsch]] errichtet und 1672 weiter verstärkt. Im Jahr 1664 verlieh [[Friedrich III. (Dänemark und Norwegen)|Friedrich&nbsp;III.]], König von Dänemark und Herzog von Schleswig und Holstein, Altona das Stadtrecht.<br />
<br />
Zwischen 1700 und 1721 kam es zum [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]].<!-- relevanz für dieses lemma? entweder ausführen oder weglassen! --><br />
<br />
Im Jahr 1717 kam es zu einer der schwersten Sturmfluten an der Nordseeküste. Im Bereich der Unterelbe wurden [[Uetersen]], die Haseldorfer- und Seestermüher Marsch bis vor [[Elmshorn]] überflutet. Später entwickelte sich Altona zu der führenden Hafenstadt an der Unterelbe. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt zeitweise mehr Tonnage unter Segel als das benachbarte Hamburg. Von 1726 bis 1736 bestand eine Handelssperre zwischen [[Holstein]] und Hamburg. Im Jahr 1731 zerstörte der Große Brand von Wedel (16. Mai) einen Großteil der Siedlung.<br />
<br />
In der zweiten Hälfte des 18.&nbsp;Jahrhunderts gab es mehrere Sturmfluten. 1751 wurde auf diese Weise das Dorf Bishorst endgültig ausgelöscht. 1756 ereignete sich eine weitere große Sturmflut, die mehreren hundert Menschen den Tod brachte. Im Jahr 1764 wurde die Festung [[Hetlinger Schanze]] abgebrochen. Hamburg gewann im Jahr 1768 auf friedlichem Wege Gebiete von großer Bedeutung für die Zukunft seiner Häfen; von Hannover erwarb es alle Elbinseln zwischen Billwerder und Finkenwerder.<br />
<br />
=== Im 19.&nbsp;Jahrhundert ===<br />
Das 19.&nbsp;Jahrhundert brachte im Unterelberaum gravierende Veränderungen mit sich.<br />
<br />
In den [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriegen]] wurde Hamburg 1806 von den Franzosen besetzt und das nordwestdeutsche Tiefland vom Niederrhein bis nach Lübeck von Frankreich annektiert. Die Häfen mussten sich an der [[Kontinentalsperre]] beteiligen. Die [[Hamburger Franzosenzeit]] dauerte bis zum Jahr 1814. Eine besonders schwere Zeit erlebte die Bevölkerung in den [[Befreiungskriege]]n im Winter der Jahre 1813/14. Im so genannten [[Kosakenwinter]] kam es im Bereich der Herrschaft Pinneberg zu mehreren Brandschatzungen und Plünderungen.<br />
<br />
Von besonderer Bedeutung waren aber auch einige industrielle Innovationsschübe, die sich im Elberaum auswirkten. So erfolgten nach dem [[Hamburger Brand|Großen Brand]] von 1842 die vorzeitige Inbetriebnahme der [[Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn]]. In den Jahren darauf wurden verschiedene Bahnstrecken von und nach Hamburg bzw. Altona fertiggestellt, in chronologischer Reihenfolge: [[Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft|Kiel–Altona]], [[Berlin-Hamburger Bahn|Berlin-Hamburg]] und [[Bahnstrecke Hannover–Hamburg|Hannover–Harburg]]. Der Bau der letztgenannten Strecke war dafür verantwortlich, dass die bis dahin unbedeutende Stadt Harburg zum wichtigsten hannoverschen Hafen wurde. Später, im Jahr 1872, erfolgte der Sprung der Eisenbahn über die Elbe. Die Eisenbahnverbindung von Hamburg nach Harburg war die erste vollständige [[Hamburger Elbbrücken|Überbrückung der Elbe]] bei Hamburg. Nach einem weiteren Jahrzehnt erfolgte im Jahr 1883 der Bau der Bahnverbindung [[Hamburg-Blankenese|Blankenese]] - Wedel. Eine weitere wichtige verkehrstechnische Innovation im Hamburger Raum erfolgte 1899. Im Zuge des Baus weiterer [[Hamburger Elbbrücken]] wurde die erste Straßenverbindung über die Elbe errichtet.<br />
<br />
Um die Jahrhundertmitte begann eine Reihe von drei Kriegen, von denen nur der erste mehrere Jahre dauerte, die beiden kurzen jedoch die politische Geografie der Region durchgreifend veränderten. Der [[Schleswig-Holsteinischer Krieg (1848–1851)|Schleswig-Holsteinische Krieg]] von 1848–1851 war im Grunde ein Aufstand Schleswig-Holsteins gegen Dänemark, zunächst mit Unterstützung des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] erfolgreich, nach dem Ende dieser Unterstützung dann unterlegen. Der [[Deutsch-Dänischer Krieg|Deutsch-Dänische Krieg]] im Jahr 1864 griff auch auf die südlichen Landesteile des Herzogtums Holstein als Anrainerstaat der Unterelbregion über. Nachdem Dänemark diesen Krieg verloren hatte, kamen die holsteinischen Gebiete zunächst an Österreich. Nach dem Sieg des Königreichs Preußen über den [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] im [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] 1866 wurden die holsteinische Gebiete ebenso wie das auf der südlichen Elbseite angrenzende Königreich Hannover von Preußen annektiert.<br />
<br />
Wirtschaftliche Meilensteine waren u.&nbsp;a. die Änderungen von Zollgrenzen. Hierzu zählte zunächst die Bildung einer solchen im Jahr 1852 zwischen Altona und dem restlichen Holstein. Während des [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieges]] wurde Hamburg zudem Teilstaat des neugegründeten [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]], blieb aber zunächst Zollausland. Bestrebungen des Reichskanzlers [[Bismarck]], Hamburg für den Beitritt zum [[Deutscher Zollverein|Deutschen Zollverein]] zu gewinnen, führten im Jahr 1880 zu erweiterten Gebietsrechten der wachsenden Metropole im Bereich zwischen [[Lauenburg/Elbe|Lauenburg]] und der Elbmündung. Ab dem Jahr 1883 wurde zudem die [[Speicherstadt]] auf dem [[Grasbrook]] gebaut; fast 40.000 Menschen wurden umgesiedelt. Sie war bis zum Jahr 2003 Teil des Freihafengebiets. 1888 erfolgte schließlich der Wegfall aller Binnenzollgrenzen. In diesem Jahr trat auch Hamburg dem [[Deutscher Zollverein|Deutschen Zollverein]] bei. In der Folgezeit war nur noch der [[Freihafen]] Zollausland.<br />
<br />
=== Ab dem 20. Jahrhundert ===<br />
Das 20.&nbsp;Jahrhundert war durch eine zunehmende Ökonomisierung der Unterelberegion bestimmt, als Hamburg zum wirtschaftlichen und politischen Zentrum der heute [[Metropolregion Hamburg|gleichnamigen europäischen Metropolregion]] an der Unterelbe wurde.<br />
<br />
Kennzeichnend für diese Entwicklung waren unter anderem großräumige Gebietsveränderungen im Hamburger Umland. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang war die erfolgte Eingemeindung der pinnebergischen Elbgemeinden [[Othmarschen]], [[Klein Flottbek|Klein-]] und [[Groß Flottbek]], [[Hamburg-Blankenese|Blankenese]] und [[Hamburg-Rissen|Rissen]] nach Altona im Jahr 1927. Aber auch die neuen kommunalen Änderungen der 1930er Jahre zählen hierzu. Mit dem [[Groß-Hamburg-Gesetz]] aus dem Jahr 1937 wurden ein Jahr später die vorher selbstständigen Städte Altona, Harburg und [[Hamburg-Wandsbek|Wandsbek]] in die Stadt Hamburg eingemeindet. Im Gegenzug musste die gewachsene Stadt aber auch Gebiete an der Unterelbe abgeben. Auf diese Weise wurden das im Jahre 1907 zur Stadt aufgestiegene Cuxhaven sowie [[Geesthacht]] preußisch. 1969 wurden allerdings die Inseln [[Neuwerk]] und [[Scharhörn]] wiederum an die Freie und Hansestadt Hamburg verkauft (Staatsvertrag mit [[Niedersachsen]]).<br />
<br />
[[Datei:Hamburg.CTA.Altenwerder.BungaRaya.wmt.jpg|mini|Containerterminal Altenwerder]]<br />
Im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Bedeutungszuwachs wurde der [[Hamburger Hafen]] in Schüben immer weiter ausgebaut und zu einem hoch modernen und leistungsfähigen Containerhafen von Weltrang modernisiert. Vorerst letztes Großprojekt in diesem Bereich war der Bau des [[Containerterminal Altenwerder|Containerterminals Altenwerder]]. Dieser wurde 2004 in Betrieb genommen. Allerdings waren für den wachsenden Hafen auch Investitionen in die verkehrstechnische Erreichbarkeit notwendig. So wurde im Jahr 1911 durch den [[Alter Elbtunnel|St.-Pauli–Elbtunnel]] eine feste Verbindung zwischen dem Stadtkern Hamburgs auf der Nordseite der Elbe und der Insel [[Steinwerder]] errichtet. Dieser wurde erst 1975 durch die Eröffnung des [[Neuer Elbtunnel|Neuen Elbtunnels]] im Verlauf der [[Bundesautobahn 7|A7]] als Hauptverkehrsverbindung abgelöst. Letzterer wurde zunächst in drei Tunnelröhren ausgeführt. Die steigenden Verkehrszahl machten jedoch bald einen Ausbau notwendig. Seit dem Jahr 2002 fließt der Verkehr nunmehr auch durch die vierte Röhre. Für einen besseren Verkehrsfluss innerhalb des Hafengebiets wurde im Jahr 1974 auch das alte [[Trajekt]] über den Köhlbrand durch die [[Köhlbrandbrücke]] ersetzt.<br />
<br />
[[Datei:Sturmflut-Hamburg.jpg|mini|links|Schäden der Sturmflut 1962 in Wilhelmsburg]]<br />
Aber auch zivilisatorisch zerstörerische Katastrophen passierten im 20.&nbsp;Jahrhundert. Gravierende Einschnitte bedeutete für Hamburg der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]]. Ein Großteil der Stadt Hamburg wurde durch die [[Operation Gomorrha]], eine Serie von Luftangriffen der britischen [[Royal Air Force]] im Juli/August&nbsp;1943, zerstört (siehe [[Geschichte Hamburgs]]). Weitere Rückschläge für die Unterelbe bildeten Sturmfluten in den 1960er und 70er Jahren. Von bundesweiter Bedeutung ist noch heute die [[Sturmflut 1962|Sturmflut im Jahr 1962]] mit ihren weiträumigen Zerstörungen an der ganzen deutschen [[Nordsee]]küste. In Hamburg wurden große Teile des Stadtteils [[Hamburg-Wilhelmsburg|Wilhelmsburg]] überflutet. Bei der anschließenden Deichverstärkung wurde die untere [[Süderelbe]] abgedeicht. Die obere Süderelbe fließt seitdem durch den [[Köhlbrand]] ab. In der Folgezeit wurden mehrere Küstenschutz-Bauwerke entlang der Unterelbe errichtet (z.&nbsp;B. 1965–68 der Bau der [[Pinnau]]- und [[Krückau]]sperrwerke). Diese, wie auch zahlreiche andere Deichbauprojekte auf der schleswig-holsteinischen Unterelbeseite (z.&nbsp;B. Vordeichung der Wedeler- und Haseldorfer Marsch, wodurch das Naturschutzgebiet [[Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland]] entstand), waren Teil des von der zuständigen Landesregierung im Anschluss beschlossenen [[Generalplan Küstenschutz|Generalplans Küstenschutz]], der in der Folgezeit immer weiter fortgeschrieben und angepasst wurde. Auf niedersächsischen Seite kam es zu vergleichbaren Investitionsmaßnahmen. Im Januar 1976 kam es aber erneut zu zwei weiteren schweren [[Liste der Sturmfluten an der Nordsee|Sturmflutereignissen]]. Bei der ersten brach der Elbdeich bei [[Hetlingen]] und die [[Haseldorfer Marsch]] wurde überflutet. Deichbrüche gab es auch am neu im Bau befindlichen Seedeich in Kehdingen.<br />
<br />
{{Absatz}}<br />
<br />
== Umwelt- und Naturschutz ==<br />
[[Datei:Tadorna tadorna (aka).jpg|mini|[[Brandgans]] – geschützte Brutstätten im Wattenmeer|alternativtext=]]{{Lückenhaft|nsg-liste auf vollständigkeit und aktualität prüfen! umstrittene elbvertiefung sollte hier zumindest erwähnt werden mit verweis auf hauptartikel!|<br />
}}<br />
Die Unterelbe ist vor allem als Brutgebiet seltener Vogelarten von großer Bedeutung. Zum Schutz der Natur vor Eingriff des Menschen sind an der Unterelbe verschiedene [[Naturschutzgebiet (Deutschland)|Naturschutzgebiete]] ausgewiesen. Hierzu zählen:<br />
<br />
* [[Allwördener Außendeich und Brammersand]], aufgegangen im NSG [[Elbe und Inseln]]<br />
* [[Asselersand]]<br />
*[[Auenlandschaft Obere Tideelbe|Auenlandschaft Norderelbe]]<br />
* [[Borsteler Binnenelbe und Großes Brack]]<br />
*Elbwiesen<br />
* [[Eschschallen im Seestermüher Vorland]]<br />
*[[Naturschutzgebiet Flottbektal|Flottbektal im Jenischpark]]<br />
*[[Finkenwerder Süderelbe]]<br />
* [[Hadelner und Belumer Außendeich]]<br />
* [[Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland]]<br />
* [[Hetlinger Schanze]]<br />
* [[Heuckenlock]]<br />
* [[Mühlenberger Loch]]<br />
* [[Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer]], zugleich [[Biosphärenreservat]].<br />
*[[Naturschutzgebiet Neßsand|Neßsand]]<br />
*[[Niedersächsischer Mündungstrichter der Elbe]]<br />
*[[Wildvogelreservat Nordkehdingen|Nordkehding]]<br />
*[[Oste]] vor der Mündung<br />
* [[Pagensand]]<br />
*[[Rhee (Naturschutzgebiet)|Rhee]]<br />
* [[Rhinplate]]<br />
* [[Vogelschutzgebiet Hullen]] (ehemals)<br />
* [[Schilf- und Wasserfläche Krautsand/Ostende]]<br />
* [[Schwarztonnensand]]<br />
*[[Naturschutzgebiet Westerweiden|Westerweiden]]<br />
*[[Naturschutzgebiet Wittenbergen|Wittenbergener Heide]]<br />
<br />
== Wirtschaftsraum Unterelbe ==<br />
[[Datei:Large container ships on ship channel navigation on the river Elbe.png|mini|Großcontainerschiffe auf der Unterelbe]]<br />
Der Unterelberaum ist einer der wirtschaftlich am stärksten prosperierenden Regionen Norddeutschlands. Trotz des teilweise äußerst ländlichen Charakters der benachbarten Landstriche wirken hier starke ökonomische Einflussfaktoren ausgehend von der Stadt Hamburg mitsamt der sie umgebenden Metropolregion. Das Gebiet dieser hat sich mittlerweile so weit ausgebreitet, dass die gesamte Unterelbe die Metropolregion in einen nördlichen und südlichen Bereich teilt.<br />
<br />
Die Metropolregion bestimmt somit zu einem großen Teil auch die Wirtschaftsstruktur der Unterelbe. Die stärksten Cluster sind die Hafenwirtschaft und Logistikbranche um den Hamburger Hafen sowie die Luftfahrtbranche um den in Hamburg-Finkenwerder und Stade ansässigen [[Airbus]]-Konzern nebst den vielen mittelständisch geprägten Zulieferbetrieben in der Umgebung.<br />
<br />
Daneben prägen aber auch sehr ländliche Gebiete das Bild der Unterelbregion. So ist das auf niedersächsische Seite befindliche [[Altes Land|Alte Land]] eines der weltweit größten zusammenhängenden Obstanbaugebiete. Auf der gegenüberliegenden Seite der Niederelbe im Kreis Pinneberg hat sich ein Cluster im Bereich des Gartenbaus (hier vor allem Baumschulen) gebildet, welcher einzigartig ist. Beide Gebiete sind mit ihrer stadtnahen und dennoch ländlichen Struktur beliebte Naherholungsgebiete für die städtische Bevölkerung.<br />
<br />
Eine die Wirtschaftsstruktur stärkende [[Public Private Partnership|öffentlich-private Initiative]] ist zum Beispiel die ''[[Wachstumsinitiative Süderelbe]]'' als regionale Wirtschaftsförderungsagentur in den Bereichen ''Logistik und Hafen'', ''Ernährungswirtschaft'' und ''Luftfahrt''. Weitere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Standortmanagement, Innovation und Qualifizierung.<br />
<br />
Eine weitere die Wirtschaftsstruktur stärkende Förderagentur ist die ''Projektgesellschaft (PG) Norderelbe''. Sie ist als regionale Wirtschaftsförderungsinstitution zuständig für die Durchführung des ''Zukunftsprogramm Wirtschaft'' in den an die Niederelbe angrenzenden schleswig-holsteinischen Kreisen Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen.<br />
<br />
Ein gemeinsames Positionspapier der [[Handelskammer Hamburg]], der IHK Stade für den [[Elbe-Weser-Raum]] und der IHK Schleswig-Holstein zeigt Vorschläge für die wirtschaftliche Entwicklung des Unterelberaums auf.<ref>Positionspapier der Handelskammer Hamburg, der IHK Stade und der IHK Schleswig-Holstein, abgerufen am 15. Mai 2012 ([http://www.hk24.de/linkableblob/369120/.1./data/positionspapier_industriegebiete_version_maerz2010-data.pdf PDF])</ref><br />
<br />
=== Seefahrt ===<br />
==== Verkehrsbedeutung der Elbmündung ====<br />
[[Datei:Hinrich Wilhelm Kopf (ship, 1964) Ferry Cuxhaven - Brunsbüttel 1999 by-RaBoe 01.jpg|mini|Elbfähre Cuxhaven–Brunsbüttel]]<br />
[[Datei:KielCanalNorthSeaLocks.jpg|mini|Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals in [[Brunsbüttel]]]]<br />
{{Hauptartikel|Fährverbindung Brunsbüttel–Cuxhaven}}<br />
Die Elbmündung besitzt eine hohe Bedeutung für die [[Seeschifffahrt]]: Zum einen ist der Trichter der Zugang zum [[Hamburger Hafen]], zum anderen liegt in der Mündung auf nördlicher Seite der Zugang zum [[Nord-Ostsee-Kanal]]. Der untere Teil der Elbmündung gehört deshalb zu den am stärksten befahrenen [[Wasserstraße]]n in Europa. Der Niederelbe vorgelagert, und im physiognomischen Sinne kein Flussabschnitt mehr, befindet sich die sogenannte ''Außenelbe''. Sie ist der durchs Wattenmeer führende Teil der Elbmündung. Aufgrund der schmalen schiffbaren Rinne im Bereich der Wattenmeergebiete von Hamburg und Schleswig-Holstein (beide sind inzwischen als [[Nationalpark]]e nach dem [[Bundesnaturschutzgesetz]] ausgewiesen) muss die Schifffahrt bereits weit vor der Küste durch Hilfsmittel in den Mündungsbereich gelotst werden. Aus diesem Grund markierten bis in die 1970er Jahre drei bis zu 45&nbsp;Meter hohe [[Feuerschiff]]e von offener See her die Fahrrinne. Davon wurde das [[Feuerschiff Elbe&nbsp;2]] 1974 durch den Leuchtturm auf dem [[Vogelsand (Sandbank)|Großen Vogelsand]] ersetzt, [[Elbe 3 (Schiff, 1888)|Elbe&nbsp;3]] wurde 1977 außer Dienst gestellt, und als letztes wurde [[Feuerschiff Elbe 1|Elbe&nbsp;1]] Anfang 2000 durch eine [[Leuchttonne]] ersetzt.<br />
<br />
Auf der Niederelbe erfolgt heute die Navigation durch moderne Radartechnik. Entsprechende Bauten erstrecken sich an beiden Ufern. Die größeren Schiffe werden zudem durch Lotsen bis in den Hamburger Hafen geführt.<br />
<br />
==== Häfen ====<br />
[[Datei:Ölhafen Brunsbüttel.jpg|mini|Ölhafen Brunsbüttel]]<br />
An der Niederelbe befinden sich neben dem [[Hamburger Hafen]] weitere Häfen von wirtschaftlicher Bedeutung. Hierzu zählen vor allem der [[Seehafen Stade]] im Stader Ortsteil [[Bützfleth]] sowie die Hafenanlagen im schleswig-holsteinischen [[Brunsbüttel#Häfen in Brunsbüttel|Brunsbüttel]] und dem niedersächsischen [[Cuxhaven#Hafen und Seeverkehrseinrichtungen|Cuxhaven]].<br />
<br />
Historisch bedeutend für den Transatlantik-Personenverkehr war bis in die 1970er-Jahre zudem der ''Amerikahafen'' mit dem [[Steubenhöft]] in Cuxhaven. Heute legen von ihm überwiegend nur noch [[Seebäderschiff]]e ab.<br />
<br />
Darüber hinaus bestehen in vielen Orten an der Niederelbe Yachthäfen. Hierzu zählen unter anderem die Häfen in [[Freiburg/Elbe]], [[Wischhafen]], [[Glückstadt]] sowie der ''Hamburg Yachthafen'' vor Wedel. Während letztgenannter direkt im Elbstrom liegt, sind die drei erstgenannten über langgestreckte Prielläufe zu erreichen oder sie befinden sich an einem der zahlreichen Nebenarmen der Elbe.<br />
<br />
==== Befeuerung ====<br />
{{Hauptartikel|Liste von Leuchtfeuern an der Unterelbe}}<br />
<br />
== Kulturraum Unterelbe ==<br />
Der Bereich an der Unterelbe ist zugleich auch ein Kulturraum. An mehreren Orten entlang der Unterelbe können sich Touristen über die Entstehung, Struktur und das heutige Leben an diesem küstennahen Landstrich in verschiedenen Einrichtungen informieren. Hierzu zählen:<br />
<br />
=== Integrierte Station Unterelbe ===<br />
Die integrierte Station Unterelbe ist ein Erlebnis- und Informationszentrum in [[Haseldorf]]. Besucher können eine Ausstellung über die Natur- und Kulturlandschaft der Elbmarschen anschauen und sich über Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten entlang der Elbe informieren. Es befindet sich auf dem Gelände des Gutshofes Haseldorf.<br />
<br />
=== Natureum Niederelbe ===<br />
[[Datei:Natureum Niederelbe 01.jpg|mini|Natureum Niederelbe]]<br />
Das ''[[Natureum Niederelbe]]'' ist ein Freilichtmuseum zwischen [[Balje]] und [[Neuhaus (Oste)]]. Es befindet sich auf einer Insel am [[Ostesperrwerk]].<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Peter von Allwörden, Nikolaus Ruhl, Christian C. Schmidt: ''Erlebnis Elbe. Eine Entdeckungsreise durch die maritime Landschaft von Hamburg nach Helgoland.'' MCE – MedienContorElbe, Drochtersen 2004, ISBN 3-938097-00-0.<br />
* [[Jörgen Bracker]]: ''Unser Strom. Hamburg und die Niederelbe von Lauenburg bis Cuxhaven'', Ernst Kabel Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-8225-0341-X.<br />
* Hans-Eckhard Dannenberg, [[Norbert Fischer (Historiker)|Norbert Fischer]], [[Franklin Kopitzsch]] (Hrsg.): ''Land am Fluss. Beiträge zur Regionalgeschichte der Niederelbe'' (= ''Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden.'' Bd. 25). Landschaftsverband der Ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden, Stade 2006, ISBN 3-931879-20-8.<br />
* [[Brigitte Kronauer]]: ''Die Niederelbe.'' In: [[Thomas Steinfeld]] (Hrsg.): ''Deutsche Landschaften.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-10-070404-5, S. 62ff. (Ein Essay).<br />
* {{Literatur<br />
|Autor=[[Richard Linde (Heimatforscher)|Richard Linde]]<br />
|Titel=Die Niederelbe<br />
|Sammelwerk=Land und Leute : Monographien zur Erdkunde<br />
|Band=28<br />
|Verlag=Velhagen & Klasing<br />
|Ort=Bielefeld & Leipzig<br />
|Datum=1908<br />
|Online={{archive.org|dieniederelbe00linduoft}}<br />
|Abruf=2019-10-04}}<br />
* Eigel Wiese: ''Die Unterelbe. Lebensader, Land und Leute''. Koehlers Verlagsgesellschaft Hamburg 2016. ISBN 978-3-7822-1261-8.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Elbvertiefung]]<br />
* [[Chronologie des Wasserbaus an der Hamburger Unterelbe]]<br />
* [[Geschichte des Hamburger Hafens]]<br />
* [[Wasserstandsvorhersage für die deutsche Nordseeküste]]<br />
* [[Zeittafel zur Unterelbregion]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Elbe}}<br />
* [http://www.rivernet.org/elbe/elbe9.htm private Seite: Das Elbetal von Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee]<br />
<!-- [http://umwelt.landsh.server.de/servlet/is/5677/untelbe.html Ökologischer Reiseführer Schleswig-Holstein: Unterelbe-Niederung] --><br />
* [http://www.maritime-elbe.de/ private Seite „Maritime Landschaft Unterelbe“]<br />
<!-- [http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Texte/HistZust.pdf Historischer Zustand der Elbe bei Hamburg (pdf)] (48 kB) --><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4042185-5|VIAF=244535798}}<br />
<br />
[[Kategorie:Verkehr (Elbe)]]<br />
[[Kategorie:Flusssystem Elbe| Unterelbe]]<br />
[[Kategorie:Bundeswasserstraße]]<br />
[[Kategorie:Fluss in Hamburg]]<br />
[[Kategorie:Fluss in Niedersachsen]]<br />
[[Kategorie:Fluss in Europa]]<br />
[[Kategorie:Fluss in Schleswig-Holstein]]<br />
[[Kategorie:Küstengewässer (Deutschland)]]<br />
[[Kategorie:Hamburger Hafen]]<br />
[[Kategorie:Schifffahrt (Schleswig-Holstein)]]<br />
[[Kategorie:Schifffahrt (Hamburg)]]<br />
[[Kategorie:Schifffahrt (Niedersachsen)]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sibirische_Schwertlilie&diff=255292746Sibirische Schwertlilie2025-04-19T20:30:28Z<p>Designer2k2: /* Sonstiges */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div><!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Tabelle siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --><br />
{{Taxobox<br />
| Taxon_Name = Sibirische Schwertlilie<br />
| Taxon_WissName = Iris sibirica<br />
| Taxon_Rang = Art<br />
| Taxon_Autor = [[Carl von Linné|L.]]<br />
| Taxon2_Name = Schwertlilien<br />
| Taxon2_WissName = Iris<br />
| Taxon2_Rang = Gattung<br />
| Taxon3_WissName = Irideae<br />
| Taxon3_Rang = Tribus<br />
| Taxon3_LinkName = nein<br />
| Taxon4_WissName = Iridoideae<br />
| Taxon4_Rang = Unterfamilie<br />
| Taxon5_Name = Schwertliliengewächse<br />
| Taxon5_WissName = Iridaceae<br />
| Taxon5_Rang = Familie<br />
| Taxon6_Name = Spargelartige<br />
| Taxon6_WissName = Asparagales<br />
| Taxon6_Rang = Ordnung<br />
| Bild = SibirischeLilie 03.JPG<br />
| Bildbeschreibung = <br />
}}<br />
[[File:Iris sibirica MHNT.BOT.2009.7.17.jpg|thumb|''Iris sibirica'']]<br />
<br />
Die '''Sibirische Schwertlilie''' (''Iris sibirica''), auch '''Wiesen-Schwertlilie''' und '''Blaue Schwertlilie''' genannt, ist eine [[Art (Biologie)|Pflanzenart]] aus der [[Familie (Biologie)| Familie]] der [[Schwertliliengewächse]] (Iridaceae). Sie wird als [[Zierpflanze]] genutzt.<br />
<br />
== Beschreibung ==<br />
Die Sibirische Schwertlilie ist eine [[Ausdauernde Pflanze|ausdauernde]], [[krautige Pflanze]], die Wuchshöhen von 50 bis 120&nbsp;Zentimeter erreicht. Sie bildet kompakte, von Überresten alter Blätter bedeckte [[Rhizom]]e mit einem Durchmesser von 0,9 bis 1,2&nbsp;cm als Überdauerungsorgane aus, die sich verzweigen und dadurch oft große [[Horst (Botanik)|Horste]] ausbilden. Die aufrechten, einfachen oder bis zu dreifach verzweigten [[Stängel]] sind rund und hohl. Die zweizeilig angeordneten, reitenden, auf beiden Seiten dunkelgrünen, an ihrer Basis etwas rosafarbenen [[Blatt (Pflanze)|Laubblätter]] sind kürzer als der Stängel, 25 bis 80&nbsp;cm lang und 0,4 bis 0,9&nbsp;cm breit.<ref name="FONA">Norlan C. Henderson: ''Iris'' in der ''Flora of North America'', Volume 26, 2002, S.&nbsp;382: [http://efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=1&taxon_id=200028213 ''Iris sibirica'' - Online.] </ref><br />
<br />
Die [[Blütenstand|Blütenstände]] enthalten zwei bis fünf Blüten. Zur Blütezeit sind die schmalen bis zu 4&nbsp;cm breiten [[Hochblätter]] braun und papierartig. Die [[Pedicellus|Blütenstiele]] sind unterschiedlich lang, die am frühesten nur bis 1&nbsp;cm und die am spätesten aufblühenden bis zu 15&nbsp;cm lang. Die dreizähligen, zwittrigen [[Blüte]]n duften nicht und weisen einen Durchmesser von 6 bis 7&nbsp;cm auf. Die „Hängeblätter“ sind blau bis blauviolett gefärbt und 3 bis 6&nbsp;cm lang. Ihre [[Platte (Botanik)|Platte]] weist einen weißen, stark geaderten Fleck auf. Sie verschmälert sich plötzlich in den [[Nagel (Botanik)|Nagel]]. Dieser ist heller und dunkelgeadert. Die „Domblätter“ sind dunkler und violett geadert.<ref name="Rothmaler 5">Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller (Hrsg.): ''Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland'' Band 5 Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.</ref> Es ist nur ein Kreis mit drei [[Staubblätter]]n vorhanden. Die [[Bestäubung]] erfolgt durch größere Insekten.<ref>T. Jahn, H. Pannach & M. H. Hoffmann: [http://www2.biologie.uni-halle.de/bot/boga/ex_situ/iris_sibirica.html Datenblatt der Uni Halle, 2009.] </ref><br />
<br />
Die Blütezeit reicht von Mai bis Juni.<ref name="Rothmaler 5" /><br />
<br />
Die dreikantigen, glatten [[Kapselfrüchte]] sind 3 bis 4,5 × 1 bis 1,3&nbsp;cm groß und öffnen sich nur im oberen Viertel bis Drittel. Die [[Samen (Pflanze)|Samen]] stehen in jeder der drei Fruchtfächer in zwei Reihen. Die dunkelbraunen Samen sind D-förmig, abgeflacht, 5 × 3&nbsp;mm groß.<ref name="FONA" /><br />
<br />
Die [[Chromosom]]enzahl beträgt 2n = 28.<ref name="Oberdorfer2001" /><br />
<br />
== Vorkommen ==<br />
[[Datei:IMG 20180525 Sibirische Schwertlilie.jpg|miniatur|Blüte der Iris sibirica in [[Tunau]] am [[Bodensee]]]]<br />
[[Datei:Eriskirch-EriskircherRied3-Asio.JPG|miniatur|Bestand von Iris sibirica im [[Eriskircher Ried]]]]<br />
<br />
Die Sibirische Schwertlilie kommt im [[Warmgemäßigtes Klima|warmgemäßigten]] bis [[gemäßigtes Klima|gemäßigten]] [[Europa]] und [[Westsibirien|West-Sibirien]] bis zum [[Altai]] vor. Sie wächst in sumpfigen Au- und Waldwiesen, in Mitteleuropa besonders in Gesellschaften der Verbände Molinion<ref name="InfoFlora" /> oder Cnidion.<ref name="Oberdorfer2001" /> <br />
<br />
Die ökologischen [[Zeigerwerte]] nach [[Elias Landolt (Botaniker)|Landolt]] & al. 2010 sind in der [[Schweiz]]: Feuchtezahl F = 4w+ (sehr feucht aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).<ref name="InfoFlora" /><br />
<br />
Im Osten der USA und in Südost-Kanada ist ''Iris sibirica'' eingebürgert.<ref name="Rothmaler 5" /><br />
<br />
== Systematik ==<br />
Der botanische Artname ''Iris sibirica'' wurde 1753 von [[Carl von Linné]] in ''[[Species Plantarum]]'', 1, 39 erstveröffentlicht.<br />
<br />
''Iris sibirica'' L. gehört zur Sektion: ''Limniris'' in der Untergattung ''Limniris'' innerhalb der Gattung ''[[Schwertlilien|Iris]]''.<ref>{{GRIN|ID=20398|WissName=Iris sibirica}}</ref><br />
<br />
== Nutzung ==<br />
Die Sibirische Schwertlilie wird verbreitet als [[Zierpflanze]] für Gewässerufer, [[Pflanzung (Rabatte)|Rabatten]] und Naturgärten genutzt. Sie ist seit spätestens 1594 in Kultur. Es gibt zahlreiche Sorten (Auswahl):<br />
* 'Albiflora': Die Blüten sind weiß und weisen gelegentlich eine blaue Aderung auf.<br />
* 'Möve': Die Blüten sind elfenbeinfarben.<br />
* 'Superba': Die Sorte ist frühblühend.<br />
<br />
[[Tetraploidie|Tetraploide]] Formen mit waagerechten Hängeblättern und größeren Blüten gibt es seit 1960.<ref name="Rothmaler 5" /><br />
<br />
== Sonstiges ==<br />
Am 22.&nbsp;Oktober 2009 wurde die Sibirische Schwertlilie zur [[Blume des Jahres]] 2010 gewählt.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blume/2010.htm |text=Archivierte Kopie |wayback=20091115093052 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
== Quellen ==<br />
* Norlan C. Henderson: ''Iris'' in der ''Flora of North America'', Volume 26, 2002, S.&nbsp;382: [http://efloras.org/florataxon.aspx?flora_id=1&taxon_id=200028213 ''Iris sibirica'' – Online.] (Abschnitt Beschreibung)<br />
<br />
=== Einzelnachweise ===<br />
<references><br />
<ref name="Oberdorfer2001"> {{BibISBN|3800131315|Seite=142}} </ref><br />
<ref name="InfoFlora"><br />
{{InfoFlora|ID=1024670|WissName=Iris sibirica L.|Abruf=2021-03-23}}<br />
</ref><br />
</references><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commons|Iris sibirica|Sibirische Schwertlilie (''Iris sibirica'')}}<br />
* {{FloraWeb|3101}}<br />
* {{BiolFlor|1683}}<br />
* {{BIB|3101}}<br />
* [http://linnaeus.nrm.se/flora/mono/irida/iris/irissibv.jpg Verbreitung auf der Nordhalbkugel] aus: [[Eric Hultén]], Magnus Fries: ''Atlas of North European vascular plants'' 1986, ISBN 3-87429-263-0 bei [http://linnaeus.nrm.se/flora/mono/allia/alliu/alliole.html ''Den virtuella floran''] (schwed.)<br />
* Thomas Meyer: [http://www.blumeninschwaben.de/Einkeimblaettrige/Schwerliliengewaechse/iris_blau_blattschmal.htm#Sibirische%20Schwertlilie Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei ''Flora-de: Flora von Deutschland'' (alter Name der Webseite: ''Blumen in Schwaben'')]<br />
* T. Jahn, H. Pannach & M. H. Hoffmann: [http://www2.biologie.uni-halle.de/bot/boga/ex_situ/iris_sibirica.html Datenblatt mit Verbreitungskarte, 2009.]<br />
* [http://flora.nhm-wien.ac.at/Seiten-Arten/iris-sibirica.htm Datenblatt von ''Botanik im Bild''.]<br />
* [http://www.giftpflanzen.com/iris_sibirica.html Die Giftpflanze Sibirische Schwertlilie.]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Blume des Jahres in Deutschland}}<br />
<br />
[[Kategorie:Schwertlilien]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=VW_Golf_Cabriolet&diff=244861399VW Golf Cabriolet2024-05-11T05:16:38Z<p>Designer2k2: /* Golf VI Cabriolet (2011–2016) */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox PKW-Modell Generationen<br />
| Marke = [[Volkswagen]]<br />
| Modell = Golf Cabriolet<br />
| von = 1979<br />
| bis = 2002<br />2011–2016<br />
| Klasse = [[Kompaktklasse]]<br />
| Versionen = [[Cabriolet]]<br />
| Vorgänger = [[VW Käfer Cabrio|VW 1303 Cabrio]]<br />
| Nachfolger = [[VW T-Roc#T-Roc Cabriolet|VW T-Roc Cabrio]]<br />
}}<br />
<br />
== Modellgeschichte ==<br />
Als '''Golf [[Cabriolet]]''' oder '''Golf Cabrio''' werden mehrere Fahrzeugmodelle des Automobilherstellers [[Volkswagen]] bezeichnet. Ab März 1979 wurde das erste Modell auf der technischen Basis des [[VW Golf I|Golf I]] hergestellt, es folgten Modelle auf Basis des [[VW Golf III|Golf III]] und [[VW Golf VI|Golf VI]]. Vom Golf I Cabriolet wurden bis August 1993 389.000 Wagen hergestellt; von September 1993 bis April 1998 wurde das Nachfolgemodell auf Basis des Golf III 171.000-mal produziert.<ref>Auto-Bild Heft 24 vom 18. Juni 1999</ref> Von April 1998 bis Juni 2002 gab es eine [[Modellpflege|Facelift-Version]] des Golf III Cabriolet mit der Optik des [[VW Golf IV|Golf IV]].<br />
<br />
Alle Golf-Cabriolet-Generationen stellte [[Karmann]] in [[Osnabrück]] her, die auch an der Entwicklung des offenen Golf beteiligt waren und noch bis Januar 1980 das Vorgängermodell Käfer Cabrio produzierten. Einzelne Fahrzeuge der Baureihen Golf III und Golf IV Cabriolet produzierte auch [[Volkswagen de México]] im Werk [[Heroica Puebla de Zaragoza|Puebla]].<br />
<br />
Das Golf Cabriolet war von Frühjahr 1979 bis zu seiner Produktionseinstellung Mitte 2002 stets eines der beliebtesten offenen Fahrzeuge auf dem [[Deutschland|deutschen]] und [[österreich]]ischen Markt.<br />
<br />
Im Juni 2011 brachte Volkswagen ein neues Golf Cabriolet auf Basis des [[VW Golf VI|Golf VI]] auf den Markt, das im März 2011 auf dem [[Genfer Auto-Salon]] vorgestellt wurde.<ref>auto.t-online.de, [http://auto.t-online.de/vw-golf-cabrio-der-offene-volkswagen-kommt-2011/id_43413170/index ''VW Golf Cabrio: Der offene Volkswagen kommt 2011'']</ref><br />
<br />
== Golf I Cabriolet (1979–1993) ==<br />
{{Infobox PKW-Modell Generationen 2<br />
| Generation = 1. Generation<br />
| Bild = VW Golf I Cabrio (1981) 1Y7A6146.jpg<br />
| Bild zeigt = VW Golf Cabriolet (1979–1986)<br />
| von = 1979<br />
| bis = 1993<br />
| Versionen = [[Cabriolet]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />1,1–1,8 Liter<br />(37–82 kW)<br />
| Länge = 3815<br />
| Breite = 1610<br />
| Höhe = 1410<br />
| Radstand = 2398<br />
| Gewicht = 910–1015<br />
}}<br />
<br />
=== Vorstellung ===<br />
Nach der Produktionseinstellung des Käfer Cabriolets Anfang 1980 wurde der offene Golf, dessen Produktion am 14. Februar 1979 bei der Wilhelm Karmann GmbH in Osnabrück begann,<ref>[https://www.motorsport-total.com/oldtimer/news/golf-cabrio-40-jahre-ohne-dach-19022103 ''Golf Cabrio: 40 Jahre ohne Dach''], motorsport-total.com, 21. Februar 2019, abgerufen am 21. Februar 2019.</ref> zum Verkaufsschlager. Nachdem die Absatzzahlen für Cabrios in den 1980er-Jahren stetig anstiegen und das Golf Cabrio auch in zahlreichen Fernsehserien erschien ([[Die Schwarzwaldklinik]], [[Remington Steele]] und [[Stranger Things]]), erreichte das Fahrzeug einen gewissen Kultstatus und ist inzwischen ein gesuchter [[Oldtimer]].<br />
<br />
Gegenüber dem normalen Golf I ist das Gewicht allein der Rohbaukarosserie des Cabriolets um 90&nbsp;kg erhöht, gegenüber dem Golf I GTI ist das GLI-Cabriolet insgesamt 140&nbsp;kg schwerer. Im GLI-Cabriolet findet sich neben dem GTI-Motor (110 PS, K-Jetronic) auch das sportlichere Fahrwerk mit strafferen Stoßdämpfern, etwas verbreiterten Reifen und ebenfalls leicht verbreiterten Kotflügelausschnitten. Im Vergleich zum VW Käfer Cabriolet wurde die Karosserie-Durchbiegung um 10 % und die Verwindung um 40 % verringert. Das Dach besteht aus fünf Schichten: Unter dem äußeren Dachbezug gibt es eine Schicht Nesselmaterial, dann eine 20&nbsp;mm dicke Polsterschicht aus Gummihaar, darunter nochmals Nesselmaterial und danach der Kunststoff-Dachhimmel. Der cW-Wert beträgt 0,48 mit geschlossenem Dach, 0,53 mit offenem Dach bei geschlossenen Fenstern und 0,55 bei offenem Dach und maximal geöffneten Fensterscheiben.<ref>{{Literatur |Autor=Hailer |Titel=Volkswagen Kabriolett - Vorbericht |Hrsg= |Sammelwerk=ATZ Automobiltechnische Zeitschrift |Band= |Nummer=6 |Auflage= |Verlag=Franckh’sche Verlagshandlung |Ort=Stuttgart |Datum=Juni 1979 |ISBN= |Seiten=268}}</ref><br />
<br />
<gallery widths="200" perrow="4"><br />
Autostadt ZH 20.jpg|VW Golf Cabrio (1979–1986)<br />
Volkswagen Golf Cabrio first generation.JPG|Heckansicht<br />
VW Golf I Cabrio weiss.JPG|VW Golf I Cabrio<br />
1986 Volkswagen Golf Cabriolet MKI (5794772750).jpg|1986 Volkswagen Golf Cabriolet<br />
</gallery><br />
<br />
Das erste Golf Cabriolet wurde ab März&nbsp;1979 mit zwei Motorisierungen angeboten:<br />
* Cabriolet GLS mit 1,5&nbsp;Liter Hubraum und 51 kW (70&nbsp;PS)<br />
* Cabriolet GLi mit 1,6&nbsp;Liter Hubraum und 81 kW (110&nbsp;PS)<br />
<br />
=== Einführung des Überrollbügels ===<br />
Der erste, im Dezember 1976 von der Wilhelm Karmann GmbH hergestellte Prototyp hatte noch keinen [[Überrollbügel]].<ref>[https://www.speedheads.de/auto-specials/vw-golf-cabrio-das-nie-gebaute-cabriolet-0009426.html ''VW Golf Cabrio: Das nie gebaute Cabriolet''], speedheads.de, 23. Mai 2011, abgerufen am 21. Februar 2019.</ref> In den 1970er-Jahren begann in den [[Vereinigte Staaten|USA]] eine Diskussion bezüglich der Fahrzeugsicherheit. Demnach war Cabriofahren außerordentlich „unsicher“, da die Fahrzeuge wenig Widerstand beziehungsweise Schutz bei Seitenkollision und Unfällen mit Überschlag boten. Aus diesem Grund führte VW beim offenen Golf den Überrollbügel ein. In seiner Serienversion war das Golf Cabriolet damit das erste offene Fahrzeug mit einem festen Überrollbügel.<br />
<br />
Der neue Wagen kam anfangs bei der Käfer-gewohnten Kundschaft nicht gut an und wurde besonders in roter Lackierung mit dem neuen Überrollbügel abwertend als „Erdbeerkörbchen“ bezeichnet.<ref>[http://www.spiegel.de/auto/fahrberichte/0,1518,760418,00.html „Das Erdbeerschälchen“] ([[Spiegel Online]] am 4. Mai 2011)</ref> Kritisch an dem neuen VW-Modell wurde gesehen, dass das „Offenfahrgefühl“ durch die nicht völlig versenkbaren hinteren Seitenscheiben und den Bügel eingeschränkt wird. Vorteilhaft ist jedoch, dass die vorderen Sicherheitsgurte (das viersitzige Auto hat auf den beiden hinteren Plätzen nur [[Sicherheitsgurt#Zweipunktgurt|Beckengurte]]) am Bügel einen höheren oberen Anlenkpunkt haben und durch ihn die Sicherheit bei Unfällen mit Überschlag und die [[Torsion (Mechanik)|Torsionssteifigkeit]] der Karosserie erhöht ist.<br />
<br />
Nach dem Golf Cabriolet bauten auch viele weitere Automobilhersteller bei ihren Cabrios Überrollbügel ein. Einige Beispiele sind das [[Ford Escort#Escort ’86 (1986–1990)|Ford Escort Cabriolet]] (1983), das [[Peugeot 205#Cabriolet|Peugeot 205 Cabriolet]] (1986) und das [[Opel Kadett E|Opel Kadett Cabriolet]] (1987).<br />
<br />
Selbst in der 3. Generation (1998–2002) war das Golf Cabrio mit einem Überrollbügel ausgeführt. Bei modernen Cabrios werden Überrollbügel kaum noch verwendet, da häufig automatisch aufklappende Stützen sowie stabile [[Fahrzeugsäule|A-Säulen]] als Überrollschutz dienen. Auch das ab März 2011 gebaute Golf Cabriolet auf Basis des Golf VI hat keinen festen Überrollbügel mehr.<br />
<br />
=== Persenning ===<br />
Beim Golf I Cabriolet ist bei geöffnetem Dach die Verwendung der mitgelieferten [[Persenning]] vorgeschrieben; vor allem zum Schutz von Passanten bei eventuellen Unfällen vor den offenliegenden und scharfkantigen Metallgelenken und den Feststellhaken. Beim ersten Modell bis August 1981 baute das geöffnete Verdeck sehr hoch auf, sodass bei schlechter Wegstrecke die Gefahr des Schwingens gegeben war und die Verriegelung gelöst wurde. Der Fahrtwind bewegte dann das entriegelte Verdeck nach oben. Bei den darauf folgenden Generationen (Golf III und IV) ist das Verdeck deutlich tiefer angebracht, was auch eine bessere Sicht nach hinten ermöglicht. Die Persenning ist nicht zwingend erforderlich, wurde jedoch beim Golf Cabrio III/IV mitgeliefert, um Verschmutzungen des [[Autohimmel|Himmels]] zu vermeiden.<br />
<br />
=== Modellpflege ===<br />
<br />
Die Produktion des ersten Golf Cabriolet wurde auch fortgesetzt, nachdem der Golf I im August 1983 durch den [[VW Golf II]] abgelöst worden war. Mit dem von VW als „Rundum-Spoilersatz“ bezeichneten [[Modellpflege|Facelift]] gab es im Mai 1987 eine Anpassung der Optik an den damaligen Zeitgeschmack. Dabei wurde der neu einteilige Kühlergrill gröber verrippt und der Wagen erhielt durch größere Kunststoffstoßfänger mit angesetzten Radläufen und Schwellerverbreiterungen eine breitere, bulligere Form. Die Motorenpalette entsprach während der gesamten Bauzeit im Allgemeinen den jeweils aktuellen Ottomotoren aus dem Golf.<br />
<br />
Das Golf&nbsp;I Cabrio war ab 1992 auf Wunsch mit Fahrer-[[Airbag]] lieferbar, wodurch es zum ersten VW wurde, bei dem ein Airbag erhältlich war. Entgegen häufiger Annahme gab es das Modell niemals mit einem Antiblockiersystem (ABS).<br />
<br />
Ab September 1992 wurde der Wagen nur noch mit dem 1,8-Liter-Motor mit einer Leistung von 72&nbsp;kW (98&nbsp;PS) und geregeltem Katalysator angeboten. Dieser Motor erfüllte die Abgasnorm Euro&nbsp;1.<br />
<br />
Es gab zahlreiche Sondermodelle.<br />
<br />
<gallery widths="200" perrow="4"><br />
VW Golf I Cabriolet front 20080621.jpg|VW Golf Cabrio (1987–1993)<br />
VW Golf I Cabriolet rear 20080621.jpg|Heckansicht<br />
VW_Golf1_Cabrio_Aigner_Front.JPG|Sondermodell ''Aigner''<br />
Volkswagen Golf Cabriolet (5955979689).jpg|Offen mit [[Persenning]]<br />
VW_Golf_1_Cabrio_Coast_Seite.JPG|Sondermodell ''Coast''<br />
VW_Golf_1_Cabrio_Coast_Heck.JPG|Sondermodell ''Coast''<br />
VW Golf 1 Cabrio White Special.jpg|Sondermodell White Special aus der Schweiz, auffällig die Kleber mit Schriftzug unter den Zierleisten<br />
1992 Volkswagen Cabriolet in white, front left.jpg| 1992 Volkswagen Cabriolet USA<br />
</gallery><br />
<br />
=== Technische Daten ===<br />
{| class="wikitable" style="text-align: center; font-size:95%;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
!1.1<br />
!1.3<br />
!1.5 GLS<br />
!1.6<br />
!1.6<br />Euro-Norm<br />(U-Kat)<br />
!1.6 GLI<br />
! colspan="3" |1.8<br />
!1.8 GLI<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bauzeitraum'''<br />
|colspan="1"|-07/1983<br />
|08/1983 - 07/1986<br />
|01/1979 – 08/1983<br />
|08/1983 – 02/1990<br />
|04/1986 – 02/1990<br />
|01/1979 – 07/1982<br />
|08/1983 – 09/1992<br />
|08/1983 – 01/1993<br />
|04/1986 – 08/1993<br />
|08/1982 – 12/1989<br />
|-<br />
| colspan="11" style="background:#F5F5F5" align="left" |'''Motorkenndaten'''<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motorkennbuchstaben]]'''<br />
|colspan="1"|-<br />
|HK<br />
|JB<br />
|EW<br />
|RE<br />
|EG<br />
|EX<br />
|JH<br />
|2H<br />
|DX<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Motortyp'''<br />
| colspan="8" |R4-Ottomotor<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Anzahl Ventile pro Zylinder'''<br />
| colspan="8" |2<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Ventilsteuerung'''<br />
| colspan="8" |[[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Zahnriemen, Tassenstößel, Hydrostößel<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Gemischaufbereitung'''<br />
|Registervergaser (Solex)<br />
|Registervergaser (Pierburg 2E3)<br />
|colspan="3"|Registervergaser<br />
|Mech. Einspritzanlage (Bosch K-Jetronic)<br />
|Registervergaser<br />
|Mech. Einspritzanlage (Bosch K-Jetronic)<br />
|Elektronische Einspritzung (VW-Digifant)<br />
|Mech. Einspritzanlage (Bosch K-Jetronic)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bohrung × Hub'''<br />
|69,5 × 72 mm<br />
|75 × 72 mm<br />
|79,5 mm × 73,4 mm<br />
|colspan="2"|81,0 × 77,4 mm<br />
|79,5 mm × 80,0 mm<br />
| colspan="4" |81,0 mm × 86,4 mm<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Hubraum]]'''<br />
|1093&nbsp;cm³<br />
|1272&nbsp;cm³<br />
|1457&nbsp;cm³<br />
|colspan="2"|1595&nbsp;cm³<br />
|1588&nbsp;cm³<br />
| colspan="4" |1781&nbsp;cm³<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. Leistung'''<br />
|37&nbsp;kW (50&nbsp;PS) bei 6000/min<br />
|40&nbsp;kW (55&nbsp;PS) bei 5400/min<br />
|51&nbsp;kW (70&nbsp;PS) bei 5600/min<br />
|55&nbsp;kW (75&nbsp;PS) bei 5000/min<br />
|53&nbsp;kW (72&nbsp;PS) bei 5200/min<br />
|81&nbsp;kW (110&nbsp;PS) bei 6100/min<br />
|66&nbsp;kW (90&nbsp;PS) bei 5200/min<br />
|70 kW (95 PS) bei 5500/min<br />
|72&nbsp;kW (98&nbsp;PS) bei 5400/min<br />
|82&nbsp;kW (112&nbsp;PS) bei 5500/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. [[Drehmoment]]'''<br />
|79&nbsp;Nm bei 3000/min<br />
|96&nbsp;Nm bei 3300/min<br />
|110&nbsp;Nm bei 2500/min<br />
|125&nbsp;Nm bei 2500/min<br />
|120&nbsp;Nm bei 2700/min<br />
|140&nbsp;Nm bei 5000/min<br />
|145&nbsp;Nm bei 3300/min<br />
|142 Nm bei 3000/min<br />
|143&nbsp;Nm bei 3000/min<br />
|157&nbsp;Nm bei 3100/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Kühlung'''<br />
| colspan="10" |Wasserkühlung, bei 82-kW-Motor: zusätzlicher Ölkühler<br />
|-<br />
| colspan="11" style="background:#F5F5F5" align="left" |'''Kraftübertragung'''<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Antrieb, serienmäßig'''<br />
| colspan="10" |[[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, serienmäßig'''<br />
|colspan="5"|4-Gang-Schaltgetriebe<br />
| colspan="5" |5-Gang-Schaltgetriebe<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, optional'''<br />
|colspan="3"|–<br />
|colspan="2"|5-Gang-Schaltgetriebe<br />3-Stufen-[[Automatikgetriebe]]<br />
|colspan="1"|–<br />
| colspan="3" |3-Stufen-Automatikgetriebe<br />
|colspan="1"|–<br />
|-<br />
| colspan="11" style="background:#F5F5F5" align="left" |'''Messwerte'''<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Höchstgeschwindigkeit'''<br />
|133 km/h<br />
|135 km/h<br />
|150 km/h<br />
|154 km/h<br />149 km/h{{FN|1}}<br />
|150 km/h<br />145 km/h{{FN|1}}<br />
|172 km/h<br />
|164 km/h<br />159 km/h{{FN|1}}<br />
|166 km/h<br />161 km/h{{FN|1}}<br />
|173 km/h<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h'''<br />
|17,5 s<br />
|17,1 s<br />
|14,3 s<br />
|13,5 s<br />15,7 s{{FN|1}}<br />
|14,0 s<br />16,2 s{{FN|1}}<br />
|10,2 s<br />
|11,1 s<br />13,5 s{{FN|1}}<br />
|11,0 s<br />
13,4 s{{FN|1}}<br />
|11,0 s<br />13,4 s{{FN|1}}<br />
|9,8 s<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Verbrauch (l/100 km)'''<br />bei 90&nbsp;km/h<br />bei 120&nbsp;km/h<br />Stadt<br />
|6,3<br />8,6<br />8,7<br />
|6,0<br />8,7<br />8,8<br />
|&nbsp;<br />&nbsp;<br />8,8<br />
|6,3{{FN|2}}/5,8{{FN|3}}<br />9,0{{FN|2}}/8,1{{FN|3}}<br />8,7{{FN|2}}/9,1{{FN|3}}<br />
|6,4{{FN|2}}/5,9{{FN|3}}<br />9,2{{FN|2}}/8,6{{FN|3}}<br />8,9{{FN|3}}/8,9{{FN|3}}<br />
|&nbsp;<br />&nbsp;<br />8,8<br />
|6,2<br />9,0<br />8,9<br />
|<br />
|&nbsp;<br />&nbsp;<br />9,4<br />
|6,3<br />8,9<br />10,9<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Verbrauch (l/100 km)'''<br />bei 90&nbsp;km/h{{FN|1}}<br />bei 120&nbsp;km/h{{FN|1}}<br />Stadt{{FN|1}}<br />
|colspan="3"|–<br />
|7,1<br />9,8<br />9,1<br />
|7,2<br />10,0<br />9,3<br />
|colspan="1"|–<br />
|6,9<br />9,6<br />9,4<br />
|<br />
|&nbsp;<br />&nbsp;<br />10,1<br />
|colspan="1"|–<br />
|-<br />
| colspan="11" style="background:#F5F5F5" align="left" |'''Gewichte'''<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Leergewicht'''<br />
| colspan="2" |885 kg<br />
|910 kg<br />
|colspan="2"|960 kg<br />
|940 kg<br />
|975 kg<br />
|993 kg<br />
|1015 kg<br />
|995 kg<br />
|-<br />
| colspan="11" style="background:#F5F5F5" align="left" |'''Fahrwerk'''<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Radaufhängung vorn'''<br />
| colspan="10" |Federbeine, untere Dreiecksquerlenker, 66-, 70- und 82-kW-Motor: Stabilisator<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Radaufhängung hinten'''<br />
| colspan="10" |Federbeine, Verbundlenkerachse, 82-kW-Motor: Stabilisator<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bremsen'''<br />
| colspan="10" |Scheibenbremsen vorn (bei 66, 70 und 82 kW: innenbelüftet), Trommelbremsen hinten, Bremskraftverstärker, Bremskraftregler<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Lenkung'''<br />
| colspan="10" |Zahnstangenlenkung (a. W. Servounterstützt)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Karosserie'''<br />
| colspan="10" |Stahlblech, selbsttragend<br />
|}<br />
{{FNZ|1|3-Stufen-Automatikgetriebe}}<br />
{{FNZ|2|4-Gang-Schaltgetriebe}}<br />
{{FNZ|3|5-Gang-Schaltgetriebe}}<br />
<br />
=== Logos Sondermodelle ===<br />
<gallery><br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition ACAPULCO 1992 sidebackleft 2008-07-25 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Acapulco''<br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition CLASSIC LINE frontfenderright 2008-07-05 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Classic Line''<br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition COAST siderightback 2008-09-07 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Coast''<br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition ETIENNE AIGNER sideleftfront2 2010-03-19 U.jpg|VW Golf Cabriolet ''Etienne Aigner''<br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition SPORTLINE sideleftback 2008-07-20 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Sportline''<br />
VW Golf Cabrio Gen1 17 1979-1993 special edition Genesis front 2010-07-19.jpg|VW Golf Cabriolet ''Genesis''<br />
</gallery><br />
<br />
== Golf III Cabriolet (1993–1998) ==<br />
{{Infobox PKW-Modell Generationen 2<br />
| Generation = 2. Generation<br />
| Bild = Vw ebay 045.jpg<br />
| Bild zeigt = VW Golf Cabriolet (1993–1998)<br />
| von = 1993<br />
| bis = 1998<br />
| Versionen = [[Cabriolet]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />1,6–2,0 Liter<br />(55–85 kW)<br />[[Dieselmotor]]en:<br />1,9 Liter<br />(66–81 kW)<br />
| Länge = 4081<br />
| Breite = 1695<br />
| Höhe = 1400<br />
| Radstand = 2475<br />
| Gewicht = 1230–1310<br />
}}<br />
<br />
=== Allgemeines ===<br />
Auch vom im Spätsommer 1993 erschienenen Golf&nbsp;III Cabriolet gab es diverse Sondermodelle: Pink&nbsp;Floyd, Rolling&nbsp;Stones&nbsp;Collection, Bon&nbsp;Jovi, Joker, Highline, Classic&nbsp;Edition und Colour&nbsp;Concept.<br />
<br />
Das Golf&nbsp;III&nbsp;Cabriolet war ab 1993 einer der ersten offenen Wagen, die auch mit einem Dieselmotor ([[TDI-Motor|TDI]]) lieferbar waren.<br />
<br />
=== Technische Daten ===<br />
{| class="wikitable" style="text-align: center; font-size:95%;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
! colspan="2"|1.6<br />
! colspan="2"|1.8<br />
! colspan="2"|2.0<br />
!1.9 [[TDI-Motor|TDI]]<br />
!1.9 TD<span style="color:red">I</span><ref group="G3">Das rote I im TDI-Schriftzug steht für den 81-kW-Motor.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bauzeitraum'''<br />
|10/1994–12/1995<br />
|07/1995–04/1998<br />
|colspan="2"|09/1993–04/1998<br />
|09/1993–12/1995<br />
|07/1995–04/1998<br />
|07/1995–04/1998<br />
|07/1996–04/1998<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Motorkenndaten'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Motortyp'''<br />
|colspan="6"|R4-Ottomotor<br />
|colspan="2"|R4-Dieselmotor<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Anzahl Ventile pro Zylinder'''<br />
|colspan="8"|2<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Ventilsteuerung'''<br />
|colspan="8"|[[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Zahnriemen<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Gemischaufbereitung'''<br />
|colspan="2"|[[Saugrohreinspritzung]]<br />
|colspan="2"|[[Zentraleinspritzung]]<br />
|colspan="2"|Saugrohreinspritzung<br />
|colspan="2"|[[Direkteinspritzung#Dieselmotor|Direkteinspritzung]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motoraufladung]]'''<br />
|colspan="6"|–<br />
|colspan="2"|[[Turbolader]], [[Ladeluftkühler]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Kühlung (Verbrennungsmotor)|Kühlung]]'''<br />
|colspan="8"|Wasserkühlung<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motorkennbuchstaben]]'''<br />
|AEK<br />
|AFT, AKS<br />
|AAM, ANN<br />
|ABS, ADZ, ANP<br />
|2E, ADY<br />
|AGG<br />
|1Z, AHU<br />
|AFN<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bohrung × Hub'''<br />
|colspan="2"|81,0 mm × 77,4 mm<br />
|colspan="2"|81,0 mm × 86,4 mm<br />
|colspan="2"|82,5 mm × 92,8 mm<br />
|colspan="2"|79,5 mm × 95,5 mm<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Hubraum]]'''<br />
|colspan="2"|1595 cm³<br />
|colspan="2"|1781 cm³<br />
|colspan="2"|1984 cm³<br />
|colspan="2"|1896 cm³<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Verdichtungsverhältnis]]'''<br />
|colspan="2"|10,3:1<br />
|9,0:1<br />
|10,0:1<br />
|colspan="2"|10,4:1<br />
|colspan="2"|19,5:1<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. Leistung'''<br />
|colspan="2"|74 kW<br />(101 PS)<br />bei 5800/min<br />
|55 kW<br />(75 PS)<br />bei 5000/min<br />
|66 kW<br />(90 PS)<br />bei 5500/min<br />
|colspan="2"|85 kW<br />(115 PS)<br />bei 5400/min<br />
|66 kW<br />(90 PS)<br />bei 4000/min<br />
|81 kW<br />(110 PS)<br />bei 4150/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. [[Drehmoment]]'''<br />
|135 Nm<br />bei 4400/min<br />
|140 Nm<br />bei 3500/min<br />
|140 Nm<br />bei 2500/min<br />
|145 Nm<br />bei 2500/min<br />
|166 Nm<br />bei 3200/min<br />
|166 Nm<br />bei 2600/min<br />
|202 Nm<br />bei 1900/min<br />
|235 Nm<br />bei 1900/min<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Kraftübertragung'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Antrieb'''<br />
|colspan="8"|[[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, serienmäßig'''<br />
|colspan="8"|5-Gang-[[Schaltgetriebe]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, optional'''<br />
|–<br />
|colspan="5"|4-Stufen-[[Automatikgetriebe]]<br />
|colspan="2"|–<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Gewichte'''</u><ref name="Automatik" group="G3">Werte in ( ) für Automatikgetriebe.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Leergewicht'''<br />
|1230 kg<br />
|colspan="3"|1230 kg<br />(1260&nbsp;kg)<br />
|colspan="2"|1280 kg<br />(1310&nbsp;kg)<br />
|colspan="2"|1300 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Gesamtgewicht'''<br />
|colspan="4"|1580 kg<br />
|colspan="2"|1620 kg<br />
|colspan="2"|1640 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Anhängelast ohne Bremsen'''<br />
|colspan="8"|500 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Anhängelast mit Bremsen'''<br />
|colspan="2"|1000 kg<br />
|colspan="6"|1200 kg<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Messwerte'''</u><ref name="Automatik" group="G3" /><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Höchstgeschwindigkeit'''<br />
|182 km/h<br />
|182 km/h<br />(179&nbsp;km/h)<br />
|160 km/h<br />(156&nbsp;km/h)<br />
|172 km/h<br />(168&nbsp;km/h)<br />
|colspan="2"|190 km/h<br />(186&nbsp;km/h)<br />
|172 km/h<br />
|187 km/h<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h'''<br />
|11,9 s<br />
|11,9 s<br />(13,8 s)<br />
|15,5 s<br />(18,2 s)<br />
|13,1 s<br />(15,0 s)<br />
|11,2 s<br />(12,3 s)<br />
|10,7 s<br />(12,3 s)<br />
|13,3 s<br />
|11,3 s<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Kraftstoffverbrauch auf 100&nbsp;km (kombiniert)'''<br />
|k.&nbsp;A.<br />
|8,2 l S<br />(9,4 l S)<br />
|7,9 l N<br />(9,0 l N)<br />
|8,2 l S<br />(9,7 l S)<br />
|colspan="2"|8,2 l S<br />(9,5 l S)<br />
|colspan="2"|5,3 l D<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''CO<sub>2</sub>-Emission (kombiniert)'''<br />
|k.&nbsp;A.<br />
|197 g/km<br />(226&nbsp;g/km)<br />
|190 g/km<br />
|197 g/km<br />(233&nbsp;g/km)<br />
|200 g/km<br />
|197 g/km<br />(228&nbsp;g/km)<br />
|colspan="2"|143 g/km<br />
|-<br />
|colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<br />
<references group="G3" /><br />
|}<br />
<br />
=== Logos Sondermodelle ===<br />
<gallery><br />
VW Golf Cabrio Gen3 1H 1991-1997 special SPORT EDITION 1995 sidebackright 2009-04-15 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Sport Edition''<br />
VW Golf Cabrio Gen3 1H 1991-1997 special CLASSIC EDITION 0000 backleft 2009-04-25 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Classic Edition''<br />
VW Golf Cabrio Gen3 1H 1991-1997 special edition COAST 1994 frontdoor 2010-06-13 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Coast''<br />
VW Golf Cabrio Gen3 1H 1991-1997 special edition COLUR CONCEPT 1995-1997 sidebackleft 2009-04-19 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Colour Concept''<br />
VW Golf Cabrio Gen3 1H 1991-1997 special edition HIGHLINE 0000 backleft 2010-05-13 A.jpg|VW Golf Cabriolet ''Highline''<br />
VW Golf III Cabrio PF Logo.jpg|VW Golf Cabriolet ''Pink Floyd''<br />
</gallery><br />
<br />
== Golf IV Cabriolet (1998–2002) ==<br />
{{Infobox PKW-Modell Generationen 2<br />
| Generation = 3. Generation<br />
| Bild = VW Golf IV Cabrio white vr.jpg<br />
| Bild zeigt = VW Golf Cabriolet (1998–2002)<br />
| von = 1998<br />
| bis = 2002<br />
| Versionen = [[Cabriolet]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />1,6–2,0 Liter<br />(55–85 kW)<br />[[Dieselmotor]]en:<br />1,9 Liter<br />(66–81 kW)<br />
| Länge = 4081<br />
| Breite = 1695<br />
| Höhe = 1425<br />
| Radstand = 2472<br />
| Gewicht = 1159–1262<br />
}}<br />
Im Frühjahr 1998 kam das Golf&nbsp;IV Cabriolet heraus. Es war, trotz seines Namens, kein Cabriolet auf Basis des [[VW Golf IV]], sondern es handelte sich lediglich um ein [[Modellpflege|Facelift]] des Golf&nbsp;III&nbsp;Cabriolet. Die Veränderungen beschränkten sich auf die veränderte Front- und Heckpartie sowie einige Details im Innenraum wie beispielsweise eine blau/rote Armaturenbeleuchtung und neue Oberflächen.<br />
<br />
Die Produktion wurde Mitte 2002, zunächst ohne direkten Nachfolger, eingestellt. Stattdessen erschien im Frühjahr 2003 der [[VW New Beetle]] auch als Cabriolet.<br />
<br />
<gallery widths="200"><br />
2001 Volkswagen Golf (1E) GL 2.0 convertible (2011-01-13) 02.jpg|VW Golf Heckansicht<br />
</gallery><br />
<br />
=== Technische Daten ===<br />
{| class="wikitable" style="text-align: center; font-size:95%;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
!1.6<br />
! colspan="2"|1.8<br />
! colspan="2"|2.0<br />
!1.9 [[TDI-Motor|TDI]]<br />
!1.9 TD<span style="color:red">I</span><ref group="G4">Das rote I im TDI-Schriftzug steht für den 81-kW-Motor.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bauzeitraum'''<br />
|colspan="4"|04/1998–10/2000<br />
|06/2000–06/2002<br />
|04/1998–12/2001<br />
|04/1998–10/2000<br />
|-<br />
|align="left" colspan="8" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Motorkenndaten'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Motortyp'''<br />
|colspan="5"|R4-Ottomotor<br />
|colspan="2"|R4-Dieselmotor<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Anzahl Ventile pro Zylinder'''<br />
|colspan="7"|2<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Ventilsteuerung'''<br />
|colspan="7"|[[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Zahnriemen<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Gemischaufbereitung'''<br />
|[[Saugrohreinspritzung]]<br />
|colspan="2"|Zentraleinspritzung<br />
|colspan="2"|Saugrohreinspritzung<br />
|colspan="2"|[[Direkteinspritzung#Dieselmotor|Direkteinspritzung]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motoraufladung]]'''<br />
|colspan="5"|–<br />
|colspan="2"|[[Turbolader]], [[Ladeluftkühler]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Kühlung (Verbrennungsmotor)|Kühlung]]'''<br />
|colspan="7"|Wasserkühlung<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motorkennbuchstaben]]'''<br />
|AFT, AKS<br />
|AAM, ANN<br />
|ADZ, ANP<br />
|AGG<br />
|AWG, AWF<br />
|ALE<br />
|AFN<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bohrung × Hub'''<br />
|81,0 mm × 77,4 mm<br />
|colspan="2"|81,0 mm × 86,4 mm<br />
|colspan="2"|82,5 mm × 92,8 mm<br />
|colspan="2"|79,5 mm × 95,5 mm<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Hubraum]]'''<br />
|1595 cm³<br />
|colspan="2"|1781 cm³<br />
|colspan="2"|1984 cm³<br />
|colspan="2"|1896 cm³<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Verdichtungsverhältnis]]'''<br />
|10,3:1<br />
|9,0:1<br />
|10,0:1<br />
|10,4:1<br />
|10,0:1<br />
|colspan="2"|19,5:1<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. Leistung'''<br />
|74 kW<br />(100 PS)<br />bei 5800/min<br />
|55 kW<br />(75 PS)<br />bei 5000/min<br />
|66 kW<br />(90 PS)<br />bei 5500/min<br />
|colspan="2"|85 kW<br />(115 PS)<br />bei 5400/min<br />
|66 kW<br />(90 PS)<br />bei 4000/min<br />
|81 kW<br />(110 PS)<br />bei 4150/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. [[Drehmoment]]'''<br />
|140 Nm<br />bei 3500/min<br />
|140 Nm<br />bei 2500/min<br />
|145 Nm<br />bei 2500/min<br />
|166 Nm<br />bei 2600/min<br />
|165 Nm<br />bei 3200/min<br />
|202 Nm<br />bei 1900/min<br />
|235 Nm<br />bei 1900/min<br />
|-<br />
|align="left" colspan="8" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Kraftübertragung'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Antrieb'''<br />
|colspan="7"|[[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, serienmäßig'''<br />
|colspan="7"|5-Gang-[[Schaltgetriebe]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, optional'''<br />
|4-Stufen-[[Automatikgetriebe]]<br />
|–<br />
|colspan="3"|4-Stufen-Automatikgetriebe<br />
|colspan="2"|–<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Gewichte'''</u><ref name="Automatik" group="G4">Werte in ( ) für Automatikgetriebe.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Leergewicht'''<br />
|1175 kg<br />(1209&nbsp;kg)<br />
|1159 kg<br />
|1160 kg<br />(1262&nbsp;kg)<br />
|colspan="2"|1176 kg<br />(1215&nbsp;kg)<br />
|1241 kg<br />
|1245 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Gesamtgewicht'''<br />
|1610 kg<br />(1650&nbsp;kg)<br />
|1600 kg<br />
|1600 kg<br />(1630&nbsp;kg)<br />
|colspan="2"|1610 kg<br />(1650&nbsp;kg)<br />
|colspan="2"|1670 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Anhängelast ohne Bremsen'''<br />
|colspan="7"|500 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Anhängelast mit Bremsen'''<br />
|1000 kg<br />
|colspan="6"|1200 kg<br />
|-<br />
|align="left" colspan="9" style="background:#F5F5F5"|<u>'''Messwerte'''</u><ref name="Automatik" group="G4" /><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Höchstgeschwindigkeit'''<br />
|185 km/h<br />(182&nbsp;km/h)<br />
|163 km/h<br />
|175 km/h<br />(171&nbsp;km/h)<br />
|colspan="2"|193 km/h<br />(189&nbsp;km/h)<br />
|175 km/h<br />
|190 km/h<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h'''<br />
|11,9 s<br />(13,8 s)<br />
|15,5 s<br />
|13,1 s<br />(15,0 s)<br />
|colspan="2"|10,7 s<br />(12,3 s)<br />
|13,3 s<br />
|11,3 s<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Kraftstoffverbrauch auf 100&nbsp;km (kombiniert)'''<br />
|8,0 l S<br />(9,0 l S)<br />
|7,7 l N<br />
|8,0 l S<br />(9,4 l S)<br />
|colspan="2"|7,9 l S<br />(9,1 l S)<br />
|colspan="2"|5,2 l D<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''CO<sub>2</sub>-Emission (kombiniert)'''<br />
|192 g/km<br />(216&nbsp;g/km)<br />
|185 g/km<br />
|192 g/km<br />(226&nbsp;g/km)<br />
|colspan="2"|190 g/km<br />(218&nbsp;g/km)<br />
|colspan="2"|140 g/km<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Abgasnorm'''<br />
|colspan="4"|Euro2<br />
|Euro4<br />
|Euro2<br />'''ab 2001''': Euro3<br />
|Euro2<br />
|-<br />
|colspan="8" style="background:#F5F5F5"|<br />
<references group="G4" /><br />
|}<br />
<br />
== Golf VI Cabriolet (2011–2016) ==<br />
{{Infobox PKW-Modell Generationen 2<br />
| Generation = 4. Generation<br />
| Bild = VW Golf Cabriolet (VI) – Frontansicht, 10. September 2011, Hilden.jpg<br />
| Bild zeigt = VW Golf Cabriolet (2011–2016)<br />
| von = 2011<br />
| bis = 2016<br />
| Versionen = [[Cabriolet]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />1,2–2,0 Liter<br />(77–195 kW)<br />[[Dieselmotor]]en:<br />1,6–2,0 Liter<br />(77–110 kW)<br />
| Länge = 4246–4337<br />
| Breite = 1782<br />
| Höhe = 1408–1423<br />
| Radstand = 2577<br />
| Gewicht = 1456–1614<br />
}}<br />
{| class="wikitable float-right" width="260"<br />
| Sterne im [[Euro NCAP|Euro-NCAP]]-[[Crashtest]]<ref>http://www.euroncap.com/de/bewertungen-u-auszeichnungen/neueste-sicherheitsbewertungen/de/results/vw/golf-cabriolet/10999</ref><br />
| [[Datei:Crashtest-Stern 5.svg|105px]]<br />
|}<br />
Nachdem die Volkswagen AG ab Ende 2009 große Teile des insolventen Unternehmens [[Karmann]] übernommen hatte, begann die neugegründete ''[[Volkswagen Osnabrück|Volkswagen Osnabrück GmbH]]'' ab März 2011 u.&nbsp;a. mit der Produktion des ''Golf VI Cabriolet'' im November 2012 auf dem ehemaligen Karmann-Gelände.<br />
<br />
Das Golf VI Cabriolet war mit Ottomotoren von 77 bis 195&nbsp;kW und Dieselmotoren von 77 bis 110&nbsp;kW erhältlich.<br />
<br />
Mitte 2012 kam das GTI-Cabrio hinzu und im Frühjahr 2013 eine [[Volkswagen R|''R''-Variante]] mit 195 kW.<br />
<br />
Ende Februar 2016 gab VW bekannt, dass das Golf Cabrio eingestellt werde. Die frei werdende Kapazität in Osnabrück werde für die Auslaufproduktion des [[VW&nbsp;Tiguan&nbsp;I]] verwendet.<ref>{{Internetquelle | autor= | url=http://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/vw-golf-cabrio-wird-eingestellt-schluss-mit-luftig/13021182.html | titel=VW Golf Cabrio wird eingestellt: Schluss mit luftig | werk=[[Handelsblatt|handelsblatt.com]] | datum=2016-02-28 | abruf=2024-01-31}}</ref> Zum Abschied legte VW noch eine auf 200 Exemplare limitierte ''Last-Edition''-Version mit nummerierter Plakette auf GTI-Basis auf. Sie war ab 46.500 € erhältlich.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.volkswagen.de/de/models/golf_cabriolet/galerie.html |text=Volkswagen - Highlight zum Abschied. |wayback=20160519151803 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
<gallery widths="200"><br />
VW Golf Cabriolet (VI) – Heckansicht, 10. September 2011, Hilden.jpg|Heckansicht<br />
2013 Volkswagen Golf GTI Cabrio (10052707673).jpg|VW Golf GTI Cabrio (2012–2016)<br />
</gallery><br />
<br />
=== Sicherheit ===<br />
Das Golf VI Cabriolet erreicht fünf Sterne im Euro-NCAP-Crashtest.<br />
<br />
In einem vom ADAC durchgeführten Überrolltest kam es zu einer starken Deformierung der A-Säule. Die Sicherheit der vorderen Insassen wurde mit „mangelhaft“ bewertet. Für die hinteren Insassen bestehe ein „sehr guter“ Überlebensraum mit „zufriedenstellender“ Kopfbelastung.<ref>[https://www.adac.de/infotestrat/tests/crash-test/cabrio_rollover_2014/vw_golf.aspx?ComponentId=208401&SourcePageId=0 ''ADAC Rollover-Crashtest mit Kompakt-Cabrios – VW Golf Cabrio''], ADAC e.V., 2014, abgerufen am 1. Februar 2015.</ref><br />
<br />
=== Technische Daten ===<br />
==== Ottomotoren ====<br />
{| class="wikitable" style="text-align:center; font-size: 95%;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
!1.2 [[TSI (Motorentechnik)|TSI]]<br />
!1.2 TSI [[BlueMotion]] Technology<br />
!1.4 TS<span style="color:red">I</span><ref group="G6B" name="TSI">Das rote I im TSI-Schriftzug steht für den 90-kW-Motor und der rote TSI-Schriftzug steht für den 118-kW-Motor.</ref><br />
!1.4 <span style="color:red">TSI</span><ref group="G6B" name="TSI" /><br />
!1.4 TS<span style="color:red">I</span> BlueMotion Technology<br />
!1.4 T<span style="color:red">SI</span> BlueMotion Technology<br />
! colspan="2" |2.0 TSI (GTI)<br />
!2.0 TSI ([[Volkswagen R|R]])<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bauzeitraum'''<br />
|04/2011–03/2016<br />
|02/2011–03/2016<br />
|colspan="2"|06/2011–05/2015<br />
| colspan="2" |05/2015–03/2016<br />
|04/2012–05/2015<br />
|05/2015–03/2016<br />
|02/2013–05/2015<br />
|-<br />
| colspan="10" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Motorkenndaten'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Motortyp'''<br />
| colspan="9" |R4-Ottomotor<br />
|-<br />
|'''Motorbaureihe'''<br />
| colspan="4" |[[VW EA111]]<br />
| colspan="2" |[[VW EA211]]<br />
| colspan="2" |[[VW EA888]]<br />
|[[VW EA113]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Anzahl Ventile pro Zylinder'''<br />
|colspan="2"|2<br />
| colspan="7" |4<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Ventilsteuerung'''<br />
|colspan="2"|[[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Kette<br />
| colspan="7" |DOHC, Kette<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Gemischaufbereitung'''<br />
| colspan="9" |[[Direkteinspritzung#Ottomotor|Direkteinspritzung]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motoraufladung]]'''<br />
|colspan="3"|[[Turbolader]]<br />
|Turbolader,<br />[[Motoraufladung#Mechanisch angetriebene Kompressoren|Kompressor]]<br />
| colspan="5" |Turbolader<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Kühlung (Verbrennungsmotor)|Kühlung]]'''<br />
| colspan="9" |Wasserkühlung<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motorkennbuchstaben]]'''<br />
|colspan="2"|CBZB<br />
|CAXA<br />
|CAVD<br />
|CZCA<br />
|CZDA<br />
|CCZB<br />
|CHHB<br />
|CDLA<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bohrung × Hub'''<br />
|colspan="2"|71,0 mm × 75,6 mm<br />
|colspan="2"|76,5 mm × 75,6 mm<br />
| colspan="2" |74,5 mm × 80,0 mm<br />
| colspan="3" |82,5 mm × 92,8 mm<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Hubraum]]'''<br />
|colspan="2"|1197 cm³<br />
|colspan="2"|1390 cm³<br />
| colspan="2" |1395 cm³<br />
| colspan="3" |1984 cm³<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Verdichtungsverhältnis]]'''<br />
|colspan="4"|10,0:1<br />
| colspan="2" |10,5:1<br />
| colspan="3" |9,6:1<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. Leistung'''<br />
|colspan="2"|77 kW<br />(105 PS)<br />bei 5000/min<br />
|90 kW<br />(122 PS)<br />bei 5000/min<br />
|118 kW<br />(160 PS)<br />bei 5800/min<br />
|92 kW (125 PS) bei 5000–6000/min<br />
|110 kW (150 PS) bei 5000–6000/min<br />
|155 kW<br />(210 PS)<br />bei 5300–6200/min<br />
|162 kW (220 PS) bei 4200–6200/min<br />
|195 kW<br />(265 PS)<br />bei 6000/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. [[Drehmoment]]'''<br />
|colspan="2"|175 Nm<br />bei 1550–4100/min<br />
|200 Nm<br />bei 1500–4000/min<br />
|240 Nm<br />bei 1500–4500/min<br />
|200 Nm bei 1400–4000/min<br />
|250 Nm bei 1500–3500/min<br />
|280 Nm<br />bei 1700–5200/min<br />
|350 Nm bei 1500-4000/min<br />
|350 Nm<br />bei 2500–5000/min<br />
|-<br />
| colspan="10" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Kraftübertragung'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Antrieb'''<br />
| colspan="9" |[[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, serienmäßig'''<br />
| colspan="7" |6-Gang-[[Schaltgetriebe]]<br />
|7-Gang-DSG<br />
|6-Gang-[[Doppelkupplungsgetriebe|DSG]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, optional'''<br />
|colspan="2"|–<br />
| colspan="5" |7-Gang-DSG<br />
| colspan="2" |–<br />
|-<br />
| colspan="10" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Gewichte'''</u><ref name="Automatik" group="G6B">Werte in ( ) für Automatikgetriebe.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Leergewicht'''<br />
|1416 kg<br />
|1421 kg<br />
|1456 kg<br />(1479&nbsp;kg)<br />
|1484 kg<br />(1503&nbsp;kg)<br />
|1395 kg<br />
(1426 kg)<br />
|1419 kg<br />
(1447 kg)<br />
|1533 kg<br />(1555&nbsp;kg)<br />
|(1505 kg)<br />
|(1614&nbsp;kg)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Gesamtgewicht'''<br />
|colspan="2"|1850 kg<br />
|1890 kg<br />(1920&nbsp;kg)<br />
|1920 kg<br />(1940&nbsp;kg)<br />
|1870 kg<br />
(1900 kg)<br />
|1890 kg<br />
(1910 kg)<br />
|1960 kg<br />(1980&nbsp;kg)<br />
|(1950 kg)<br />
|(2000&nbsp;kg)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässige Anhängelast ohne Bremsen'''<br />
|700 kg<br />
|710 kg<br />
|720 kg<br />(730&nbsp;kg)<br />
|740 kg<br />(750&nbsp;kg)<br />
|690 kg<br />
(710 kg)<br />
|700 kg<br />
(720 kg)<br />
| colspan="2" |750 kg<br />
|0 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässige Anhängelast mit Bremsen'''<br />
|colspan="2"|1200 kg<br />
|1300 kg<br />
|1400 kg<br />
|1300 kg<br />
|1400 kg<br />
|1400 kg<br />
|1400 kg<br />
|0 kg<br />
|-<br />
| colspan="10" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Messwerte'''</u><ref name="Automatik" group="G6B" /><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Höchstgeschwindigkeit'''<br />
|colspan="2"|188 km/h<br />
|197 km/h<br />
|216 km/h<br />
|197 km/h<br />
|208 km/h<br />
|237 km/h<br />(235&nbsp;km/h)<br />
|(236 km/h)<br />
|(250&nbsp;km/h)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h'''<br />
|colspan="2"|11,7 s<br />
|10,5 s<br />
|8,4 s<br />
|9,9 s<br />
|8,8 s<br />
|7,3 s<br />
|(6,9 s)<br />
|(6,4 s)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Kraftstoffverbrauch auf 100&nbsp;km (kombiniert)'''<br />
|5,9 l S<br />
|5,7 l S<br />
|colspan="2"|6,4 l S<br />(6,3 l S)<br />
|5,4 l S<br />
(5,4 l S)<br />
|5,2 l S<br />
(5,2 l S)<br />
|7,6 l S<br />(7,7 l S)<br />
|(6,5 l S)<br />
|(8,2 l SP)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''CO<sub>2</sub>-Emission (kombiniert)'''<br />
|139 g/km<br />
|132 g/km<br />
|149 g/km<br />(147&nbsp;g/km)<br />
|150 g/km<br />(148&nbsp;g/km)<br />
|124 g/km<br />
(124 g/km)<br />
|120 g/km<br />
(120 g/km)<br />
|177 g/km<br />(180&nbsp;g/km)<br />
|(152 g/km)<br />
|(190&nbsp;g/km)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Abgasnorm]] nach EU-Klassifikation'''<br />
| colspan="4" |Euro 5<br />
| colspan="2" |Euro 6<br />
|Euro 5<br />
|Euro 6<br />
|Euro 5<br />
|-<br />
| colspan="10" style="background:#F5F5F5" |<br />
<references group="G6B" /><br />
|}<br />
<br />
==== Dieselmotoren ====<br />
{| class="wikitable" style="text-align:center; font-size: 95%;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
!1.6 [[TDI-Motor|TDI]] [[Dieselrußpartikelfilter|DPF]]<br />
!1.6 TDI DPF [[BlueMotion]] Technology<br />
! colspan="3" |2.0 TDI DPF BMT<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bauzeitraum'''<br />
|04/2011–05/2015<br />
|02/2011–05/2015<br />
|05/2015–03/2016<br />
|10/2011–05/2015<br />
|05/2015–03/2016<br />
|-<br />
| colspan="6" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Motorkenndaten'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Motortyp'''<br />
| colspan="5" |R4-Dieselmotor<br />
|-<br />
|'''Motorbaureihe'''<br />
| colspan="2" |[[VW EA189]]<br />
|[[VW EA288]]<br />
|VW EA189<br />
|VW EA288<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Anzahl Ventile pro Zylinder'''<br />
| colspan="5" |4<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Ventilsteuerung'''<br />
| colspan="5" |DOHC, Zahnriemen<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Gemischaufbereitung'''<br />
| colspan="5" |[[Common-Rail-Einspritzung]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motoraufladung]]'''<br />
| colspan="5" |[[Turbolader]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Kühlung (Verbrennungsmotor)|Kühlung]]'''<br />
| colspan="5" |Wasserkühlung<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Motorkennbuchstaben]]'''<br />
|colspan="2"|CAYC<br />
|CUUA<br />
|CFHC<br />
|CUUB<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Bohrung × Hub'''<br />
|colspan="2"|79,5 mm × 80,5 mm<br />
| colspan="3" |81,0 mm × 95,5 mm<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Hubraum]]'''<br />
|colspan="2"|1598 cm³<br />
| colspan="3" |1968 cm³<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Verdichtungsverhältnis]]'''<br />
| colspan="2" |16,5:1<br />
|16,2:1<br />
|16,5:1<br />
|16,2:1<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. Leistung'''<br />
|colspan="2"|77 kW<br />(105 PS)<br />bei 4400/min<br />
|81 kW<br />
(110 PS)<br />
bei 3500/min<br />
|103 kW<ref group="G6D" name="2.0TDI">Für einige Exportländer 100 kW (136 PS)</ref><br />(140 PS)<ref group="G6D" name="2.0TDI" /><br />bei 4200/min<br />
|110 kW<br />
(150 PS)<br />
bei 3000-4000/min<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''max. [[Drehmoment]]'''<br />
|colspan="2"|250 Nm<br />bei 1500–2500/min<br />
|250 Nm<br />
bei 1750-3000/min<br />
|320 Nm<br />bei 1750–2500/min<br />
|340 Nm<br />
bei 1750-3000/min<br />
|-<br />
| colspan="6" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Kraftübertragung'''</u><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Antrieb'''<br />
| colspan="5" |[[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, serienmäßig'''<br />
| colspan="3" |5-Gang-Schaltgetriebe<br />
| colspan="2" |6-Gang-Schaltgetriebe<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Getriebe, optional'''<br />
| colspan="3" |–<br />
| colspan="2" |6-Gang-[[Doppelkupplungsgetriebe|DSG]]<br />
|-<br />
| colspan="6" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Gewichte'''</u><ref name="Automatik" group="G6D">Werte in ( ) für Automatikgetriebe.</ref><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Leergewicht'''<br />
|1498 kg<br />
|1501 kg<br />
|1504 kg<br />
|1521 kg<br />(1545 kg)<br />
|1505 kg<br />
(1521 kg)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässiges Gesamtgewicht'''<br />
|colspan="2"|1920 kg<br />
|1960 kg<br />
|1960 kg<br />(1980 kg)<br />
|1970 kg<br />
(1990 kg)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässige Anhängelast ohne Bremsen'''<br />
|740 kg<br />
| colspan="4" |750 kg<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Zulässige Anhängelast mit Bremsen'''<br />
| colspan="3" |1400 kg<br />
| colspan="2" |1500 kg<br />
|-<br />
| colspan="6" align="left" style="background:#F5F5F5" |<u>'''Messwerte'''</u><ref name="Automatik" group="G6D" /><br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Höchstgeschwindigkeit'''<br />
| colspan="3" |188 km/h<br />
|207 km/h<br />(205 km/h)<br />
|208 km/h<br />
(206 km/h)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h'''<br />
|colspan="2"|12,1 s<br />
|11,7 s<br />
|9,9 s<br />
|9,2 s<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''Kraftstoffverbrauch auf 100&nbsp;km (kombiniert)'''<br />
|4,8 l D<br />
|4,4 l D<br />
|4,4 l D<br />
|4,5 l D<br />(5,1 l D)<br />
|4,2 l D<br />
(4,6 lD)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''CO<sub>2</sub>-Emission (kombiniert)'''<br />
|125 g/km<br />
|117 g/km<br />
|115 g/km<br />
|119 g/km<br />(134 g/km)<br />
|110 g/km<br />
(122 g/km)<br />
|-<br />
|align="left" style="background:#F5F5F5"|'''[[Abgasnorm]] nach EU-Klassifikation'''<br />
| colspan="2" |Euro 5<br />
|Euro 6<br />
|Euro 5<br />
|Euro 6<br />
|-<br />
| colspan="6" style="background:#F5F5F5" |<br />
<references group="G6D" /><br />
|}<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* ''Das Golf Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2014.'' Volkswagen AG, 26. September 2013.<br />
* ''Das Golf GTI Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2014.'' Volkswagen AG, 26. September 2013.<br />
* ''Das Golf R Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2014.'' Volkswagen R GmbH, 26. September 2013.<br />
* ''Das Golf Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2015.'' Volkswagen AG, 24. April 2014.<br />
* ''Das Golf GTI Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2015.'' Volkswagen AG, 24. April 2014.<br />
* ''Das Golf R Cabriolet. Technik und Preise – Modelljahr 2015.'' Volkswagen R GmbH, 24. April 2014.<br />
* ''Golf Cabriolet. Zusatzanleitung zur Betriebsanleitung Golf.'' Volkswagen AG, Dezember 1993.<br />
* ''Golf Cabriolet. Zusatzanleitung zur Betriebsanleitung Golf.'' Volkswagen AG, Februar 1997.<br />
* ''Golf Cabriolet. Tekniske data.'' Volkswagen AG, Maj 1999 (in Dänisch).<br />
* ''[[Gebrauchsanleitung#Bedienungsanleitungen von Fahrzeugen|Betriebsanleitung]]. Golf.'' Volkswagen AG, September 1993.<br />
* ''Betriebsanleitung. Golf.'' Volkswagen AG, Januar 1997.<br />
* ''Betriebsanleitung. Golf Cabriolet.'' Volkswagen AG, November 2011.<br />
* ''[[Automobil Revue#Automobil Revue Katalog|Automobil Revue Katalog]]'' 2000.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Volkswagen Golf Cabriolet|VW Golf Cabriolet}}<br />
* [http://www.volkswagen.de/de/models/golf_cabriolet.html Offizielle Website des Golf VI Cabriolet]<br />
* [http://www.volkswagen-classic.de/modelle/golf-1-cabriolet Volkswagen Classic Dossier zum Golf I Cabriolet]<br />
* [http://www.volkswagen-classic.de/magazin/special-golf-cabriolet Volkswagen Classic Magazin zum Golf I Cabriolet]<br />
* [https://www.auto-preisliste.de/download-preislisten-aller-marken/category/2707-vw-golf-iii-1991-1997 Volkswagen Golf III Preise und Ausstattungen]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Volkswagen-Modelle}}<br />
<br />
[[Kategorie:Volkswagen-Automobil|Golf Cabrio]]<br />
[[Kategorie:Fahrzeug der Kompaktklasse]]<br />
[[Kategorie:Cabriolet]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gros_Michel&diff=244861314Gros Michel2024-05-11T05:11:26Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Approximately 30 Gros Michel Bananas.jpg|mini|Ca. 30 Gros Michel Bananen in unterschiedlichem Stadium der Reife.]]<br />
[[Datei:Banana wilt (1919) (20166670479).jpg|mini|hochkant|Von der [[Panama-Krankheit]] befallene Pflanze]]<br />
<br />
Die [[Bananen]]sorte '''Gros Michel''' („Dicker Michael“), US-amerikanisch auch „Big Mike“ genannt, war die erste Exportbanane in die [[Vereinigte Staaten|USA]] und bis zum Ende der 1950er Jahre die bedeutendste Handelssorte unter den [[Dessertbanane]]n weltweit.<ref name="NYT">{{Internetquelle|autor=Dan Koeppel|url=https://www.nytimes.com/2008/06/18/opinion/18koeppel.html|titel=Yes, We Will Have No Bananas|hrsg=Editorial der [[New York Times]]|datum=2008-06-18|abruf=2018-07-05|sprache=en}}</ref> Obwohl es andere Dessertbananen gab, eignete sich die Gros Michel besonders für den Export in Länder außerhalb der Tropen.<br />
<br />
Die Gros Michel stammt aus Südostasien (Burma, Thailand, Malaysia, Indonesien, Sri Lanka) und wurde in den 1820er Jahren von französischen Seeoffizieren nach Martinique gebracht.<ref name="sterile-banana" /> Von dort verbreitete sich der Anbau in der Karibik einschließlich [[Jamaika]]. Der Legende nach begann der Großhandelsexport der Banane in die USA im Jahre 1879 mit der ersten Verschiffung von Gros-Michel-Bananen von Jamaica nach New Jersey durch Seekapitän Lorenzo Dow Baker, der später mit dem Unternehmer [[Andrew Preston (Geschäftsmann)|Andrew Preston]] die Firma Boston Fruit gründete, die heute Teil der [[Chiquita Brands International]] ist. Der große Exporterfolg der Jamaica-Banane führte zur weitläufigen Verbreitung ihres Anbaus von Fidschi über Nicaragua und Hawaii bis nach Australien.<br />
<br />
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis etwa 1960 wurde ein Großteil der Bestände von der [[Panama-Krankheit]] – hervorgerufen durch den Pilz [[Fusarium oxysporum f. sp. cubense| oxysporum]] – vernichtet. Um 1960 waren alle Importeure der Gros Michel fast bankrott, da sie bis zur letzten Minute gewartet hatten, um dieser Anbaukrise mit dem notwendigen finanziellen Aufwand zu begegnen.<ref name="NYT" /> Als Exportprodukt wurde die Gros Michel schließlich von der aus Vietnam stammenden [[Cavendish (Banane)|Cavendish-Banane]] abgelöst, die für die Panama-Krankheit nicht anfällig war. Aufgrund der dickeren Schale erfordert Gros Michel weniger Sorgfalt bei Ernte und Transport als die Cavendish.<ref name="NYT" /> Auch gilt die Gros Michel als schmackhafter als die kleinere Cavendish-Bananensorte.<ref name="NYT" /><ref name="sterile-banana">{{Literatur |Online=https://www.conservationmagazine.org/2008/09/the-sterile-banana/ |Titel=The Sterile Banana |Autor=[[Fred Pearce]] |Sammelwerk=[[Conservation Magazine]] |Band=9 |Nummer=Nr. 4: Oktober-Dezember |Datum=2008 |Sprache=en }}</ref><br />
<br />
Die Cavendish wurde später ebenfalls von einer neuen Variante der Panamakrankheit befallen. Man sieht nunmehr als wesentlichen Grund eine Krankheitsanfälligkeit der Plantagenkulturen durch die [[vegetative Vermehrung]], was faktisch dem [[Klonen]] gleichkommt. Die [[Honduranische Stiftung für Agrarforschung]] (FHIA) hat dagegen seit 1958 an neuen Bananensorten gearbeitet, die durch [[generative Vermehrung]] mit Samenbildung gezüchtet werden, darunter auch Varianten der Gros Michel.<ref name="Battling for Bananas">Carla Helfferich: {{Webarchiv |url=http://www.gi.alaska.edu/ScienceForum/ASF9/977.html |text=''Battling for Bananas'' |wayback=20080223195541 |archiv-bot=}}, [[Alaska Science Forum]], 1990</ref> Die ersten neuen Bananensorten der FHIA, die resistent gegen die Panama-Krankheit sind (FHIA-01 von 1988), stammen allerdings nicht von der Gros Michel ab (FHIA-23).<br />
<br />
Nach der großflächigen Dezimierung der Gros Michel wird diese Bananensorte heute nur noch in kleinen Gebieten angebaut. Der Export in nichttropische Regionen beschränkt sich auf den [[Feinkost|Delikatessenhandel]]. Anbaugebiete sind heute der zentrale Kongo<ref>{{Internetquelle|url=https://www.promusa.org/blogpost64-A-Gros-Michel-success-story|titel=A Gros Michel success story|hrsg=Pro Musa|autor=Anne Vécina|datum=2008-11-01|abruf=2018-07-05|sprache=en}}</ref> und einige Inseln wie [[Saint Lucia]], die von der Epidemie verschont blieben.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur |Autor=John Soluri |Titel=Banana Cultures. Agriculture, Consumption, & Environmental Change in Honduras & the United States |Verlag=University of Texas Press |Ort= |Datum=2006 |ISBN=0-292-71256-1 |Sprache=en }}<br />
<br />
<!-- kein Taxon --><br />
<br />
[[Kategorie:Bananengewächse]]<br />
[[Kategorie:Exotische Frucht]]<br />
[[Kategorie:Banane als Thema]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Cavendish_(Banane)&diff=244861290Cavendish (Banane)2024-05-11T05:10:26Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Bananen Frucht.jpg|mini|hochkant=0.8|Eine Cavendish-Banane]]<br />
<br />
'''Cavendish''' ist die heute weltweit wirtschaftlich bedeutendste [[Bananen]]sorte. Sie ist nach [[William Cavendish, 6. Duke of Devonshire]] benannt, der bereits um 1830 in seinem Gewächshaus von ''[[Chatsworth House]]'' Bananen aus China anpflanzte. Fast alle heute weltweit gehandelten [[Dessertbanane]]n gehören zur Sorte Cavendish, d.&nbsp;h. sind letztlich [[Klonen|Klone]] dieser einen Bananenstaude aus dem Gewächshaus des Duke of Devonshire.<ref>{{Literatur|Autor=Pedro Arias, Cora Dankers, Pascal Liu, Paul Pilkauskas|Datum=2003|Titel=The World Banana Economy 1985–2002|Ort=Rom|Hrsg=[[Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen]]|ISBN= 92-5-105057-0|ISSN=1810-0783|Sprache=en|Online=[http://www.fao.org/docrep/007/y5102e/y5102e00.htm online]}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.fao.org/economic/est/est-commodities/bananas/bananafacts/en/ |titel=Banana facts and figures |hrsg=FAO |sprache=en |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20190718140436/http://www.fao.org/economic/est/est-commodities/bananas/bananafacts/en |archiv-datum=2019-07-18 |archiv-bot= |abruf=2019-07-02}}</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Im Jahr 1830 pflanzte der Gärtner [[Joseph Paxton]] im [[Gewächshaus]] des Landsitzes ''[[Chatsworth House]]'' im [[Peak District]] in Nord-England erstmals Bananenstauden an. Nach Erzählungen war er durch die Abbildung einer Bananenstaude auf einer chinesischen Wandtapete des Hauses dazu angeregt worden. Möglicherweise war er aber auch einfach auf der Suche nach exotischen Früchten, die sein Dienstherr William Cavendish, 6. Duke of Devonshire, seinen Gästen als Dessert darbieten konnte. Im November 1835 blühte die Staude ''Musa Cavendishii'' zum ersten Mal und im Mai des Folgejahres konnte Paxton mehr als 100 Früchte ernten, von denen eine einen Preis auf der Ausstellung der ''[[Royal Horticultural Society|Horticultural Society]]'' 1836 gewann. Wenige Jahre später gab Lord Cavendish zwei Ableger der Staude an John Williams, der sich als Missionar auf eine Reise nach [[Samoa]] machte. Williams gelangte nach Samoa, wurde dort jedoch von Einheimischen getötet.<ref name="bbc">{{Internetquelle|url=https://www.bbc.com/news/uk-england-35131751|titel=The imminent death of the Cavendish banana and why it affects us all|autor=Duncan Leatherdale|datum=2016-01-24|zugriff=2018-07-05|sprache=en}}</ref> Eine der Stauden überlebte. Ab 1853 verbreiteten Europäer aus dem ''Chatsworth House'' stammende Bananenableger im ganzen Pazifikraum; 1855 gelangten sie auch auf die [[Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]].<ref name="a311">{{Internetquelle|url=http://www.peaklandheritage.org.uk/index.asp?peakkey=01001021|titel=The Cavendish Banana|datum=2002-07-19|hrsg=peaklandheritage.org.uk/|zugriff=2011-01-13|archiv-url=https://web.archive.org/web/20110718000630/http://www.peaklandheritage.org.uk/index.asp?peakkey=01001021|archiv-datum =2011-07-18}}</ref><br />
<br />
== Eigenschaften ==<br />
Die Cavendish-Banane verdrängte die in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bevorzugte [[Gros Michel]] (auch Gran Michel oder Jamaika-Banane genannt) vom Weltmarkt, weil sie leichter industriell verwertbar war. Dazu trugen die niedrigere Wuchshöhe der Stauden und ihre gegenüber Stürmen höhere Beständigkeit bei. Da sie dichter stehend gepflanzt werden konnten, verdoppelten sich mit ihrem Anbau die Ernteerträge. Auch schien sie robuster gegenüber einigen Pilzarten zu sein, die die Gros Michel als Folge des Anbaues in Großplantagen befielen: Die Pilzart ''Yellow Sigatoka'' bekam man mit [[Fungizid]]en in den Griff, die [[Panamakrankheit]] ließ sich an der Gros Michel nicht bekämpfen. Die Pilzarten ''Tropical Race 4'' und ''Black Sigatoka'' bedrohen heute die Plantagen und zeigen die Problematik von Monokulturen. Gentechnische Veränderungen sollen die Banane gegen Pilze resistent machen.<ref>Christian Seiler: ''Die Banane ist ein Spiesser. Porträt unserer Lieblingsfrucht.'' Das Magazin, Tamedia, Zürich 1. Oktober 2016, Seite 13</ref><br />
<br />
Cavendish ist aufgrund ihrer dünneren Schale jedoch wesentlich empfindlicher gegenüber den Belastungen des Transports, weshalb dieser einen sehr großen Aufwand erfordert. Außerdem zeigte sich, dass sie trotz ihrer Unempfindlichkeit gegenüber den Pilzsorten, die der Gros Michel zusetzten, heute noch anfälliger gegenüber Pilzbefall sind, als es die früher verwendeten Sorten bereits waren, weil inzwischen weitere Pilzstämme aufgetreten sind.<br />
<br />
== Wachstum, Ernte, Verarbeitung und Transport ==<br />
Nach zwanzig Wochen bildet sich an der bis zu fünf Meter hohen Bananenpflanze eine rote Blüte, woraus die Bananen wachsen. Einzelne Bananen heißen Finger, zehn bis zwanzig bilden eine Hand, der ganze Fruchtstand (Büschel) umfasst mehrere Hände und ist etwa 35–50 Kilogramm schwer. Ein Schlauch aus dünnem Plastik schützt die Bananen vor Wetter und Insekten. Die Bananenfruchtstände der Cavendish werden geerntet, sobald die grünen Bananen mindestens 24 Millimeter dick sind, das sind ungefähr zwölf Wochen nach der Blüte. Sie werden mit einer Machete abgeschnitten und an eine Kleinseilbahn gehängt, die sie zur Waschstation bringt. Sie werden gewaschen und in handliche kleinere Fingergruppen, sogenannte „Cluster“, mit vier bis acht Bananen zerteilt, in [[Bananenkiste]]n aus Wellpappe oder neu aus Kunststoff verpackt und zum Hafen transportiert. Die liegen meist an den Küsten der Hauptexportländer [[Ecuador]], [[Philippinen]], [[Costa Rica]], [[Guatemala]] und [[Kolumbien]]. Auf Containerschiffen werden sie bei 13 °Celsius konstanter Temperatur zu den Zielhäfen Amerikas und Europas verfrachtet. In Reifereien im Zielland werden sie mit [[Ethylen]] begast, um den unterbrochenen Reifeprozess wieder anzukurbeln, der bei 14 bis 18 °Celsius in 4 bis 10 Tagen abläuft. Danach sind sie bereit für den Verkauf.<ref>Christian Seiler: ''Die Banane ist ein Spiesser. Porträt unserer Lieblingsfrucht.'' Das Magazin, Tamedia, Zürich 1. Oktober 2016, Seiten 10–15</ref><ref>Nina Sigrist: ''Die perfekte Banane.'' Migros-Magazin Zürich, 10. Oktober 2016, Seiten 38–45</ref><br />
<br />
== Pilzerkrankungen ==<br />
Die Cavendish wird (wie zuvor in den 1950er Jahren bereits die Gros Michel)<ref name="bbc"/> von zwei Pilzarten bedroht:<br />
<br />
* Die Tropical Race 4 (TR4) von [[Fusarium oxysporum f. sp. cubense|''Fusarium oxysporum'' f. sp. ''cubense'']], dem Erreger der Panamakrankheit, befällt seit den 1990er Jahren die Wurzeln der Bananenstauden. In [[Indonesien]], [[Malaysia]], [[Australien]] und anderen Teilen Südostasiens wurden bereits viele [[Plantage| Bananenplantagen]] durch diesen Pilzbefall vernichtet. Mit [[Pestizid]]en konnte man die Ausbreitung des Pilzes nicht stoppen. Aufgrund der heutigen Reiseaktivität besteht die Gefahr seiner weltweiten Verbreitung.<br />
<br />
* Die Stauden in der [[Karibik]] und Mittelamerika werden hingegen vom in den 1970er Jahren neu entstandenen {{lang|en|Black-Sigatoka}}-Pilz bedroht, der erheblich aggressiver ist als sein Vorgänger, der {{lang|en|Yellow Sigatoka}}. Der schwarze Sigatoka ist zwar mit Pflanzenschutzmitteln bekämpfbar, doch entwickelt auch er inzwischen Resistenzen und ist mittlerweile so hartnäckig geworden, dass in manchen Anbaugebieten die Hälfte der Ernte durch seinen Befall unbrauchbar wird.<br />
<br />
Da sich die Cavendish-Bananenstauden seit ihrer Kultivierung jungfernfrüchtig ([[Parthenokarpie|parthenokarp]]) vermehren, also nicht durch Befruchtung und [[Generative Vermehrung|Samen]]bildung, sondern [[Vegetative Vermehrung|vegetativ]] durch die Ausbildung von Schösslingen, die mit der Mutterpflanze genetisch identisch sind, können sie natürliche [[Resistenz]]en gegen die Pilze kaum ausbilden, da hierfür umfangreiche genetische Mutationen erforderlich wären.<br />
<br />
{{Hauptartikel|Grüne Gentechnik#Pilzresistenz|titel1=Grüne Gentechnik, Pilzresistenz}}<br />
Aus diesem Grund wird intensiv an der Entwicklung [[Gentechnik|genveränderter]] Bananensorten geforscht, darunter Varianten der Cavendish, die mit [[Resistenzgen]]en erweitert werden. Im Jahr 2017 hat eine Forschergruppe der [[Queensland University of Technology]] mit gentechnischen Methoden ein Resistenzgen aus einer wilden Bananensorte in die Cavendish-Banane eingebracht. Diese Banane ist resistent gegen die Panamakrankheit und zeigt vergleichbare Erträge wie die ursprüngliche Cavendish-Banane.<ref> J. Dale et al.: ''Transgenic Cavendish bananas with resistance to Fusarium wilt tropical race 4.'' Nat Commun 8(1), 2017. S. 1496. [[doi:10.1038/s41467-017-01670-6]]</ref><br />
<br />
In der [[Honduranische Stiftung für Agrarforschung|Honduranischen Stiftung für Agrarforschung]] (FHIA) bevorzugt man den Weg der klassischen Züchtung robusterer Sorten. Man erzielt erste kleine Erfolge durch Kreuzung wilder, fruchtbarer Bananen. Die ersten daraus neu gezüchteten Bananen sind unempfindlich gegenüber dem {{lang|en|Black Sigatoka}} und der Panamakrankheit, schmecken jedoch mehr nach Apfel als nach Banane. Die FHIA-01 'Goldfinger' wurde 1994 zum Patent angemeldet (US-Patent PP08983) und die FHIA-03 'Sweetheart' wird bereits in Kuba angebaut.<br />
<br />
Doch auch die wildwachsenden Bananen sowie nur regional begrenzte Zuchtformen sind stark gefährdet, besonders in Indien.<ref>[http://www.scilogs.de/wblogs/blog/fischblog/biologie/2012-01-21/das-ende-der-banane-wie-wir-sie-kennen Artikel bei Scilogs zum Pilzbefall der Cavendish]</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Cavendish banana|Cavendish}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bananengewächse]]<br />
[[Kategorie:Exotische Frucht]]<br />
[[Kategorie:Banane als Thema]]<br />
[[Kategorie:Cavendish (Adelsgeschlecht)]]<br />
<!-- kein Taxon --></div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Komma&diff=242034227Komma2024-02-09T19:18:14Z<p>Designer2k2: /* Schweiz */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis}}<br />
{{Interpunktionszeichen|,}}<br />
<br />
Das '''Komma''' (von {{grcS|κόμμα|kómma|de=Einschnitt, Abschnitt, [[Satzglied|Glied eines Satzes]]}};<ref>{{Literatur |Online=http://images.zeno.org/Pape-1880/K/big/Pape-1880----01-1478.png |Titel=Handwörterbuch der griechischen Sprache |Auflage=3. Auflage, 6. Abdruck |Verlag=Vieweg & Sohn |Ort=Braunschweig |Autor=[[Wilhelm Pape]], Max Sengebusch (Bearb.) |Datum=1914 |Abruf=2019-03-05 }}</ref> [[Plural|Pl.]] ''Kommata'' oder auch ''Kommas'') wird als [[Satzzeichen]] und [[Trennzeichen]] verwendet. Als Satzzeichen wird es besonders in [[Österreich]] und [[Südtirol]] auch '''Beistrich''' genannt. Als Trennzeichen wird das Komma in vielen Ländern als [[Dezimaltrennzeichen]] bei Zahlen oder beim [[CSV (Dateiformat)|Separieren von Daten und Werten]] benutzt. Als Satzzeichen bewirkt das Komma eine schwächere Trennung als das [[Semikolon]] und der [[Punkt (Satzzeichen)|Punkt]].<br />
<br />
== Begriffsgeschichte ==<br />
Komma leitet sich vom Altgriechischen κóμμα ''(kómma)'' = Einschnitt, Abschnitt her, daher kommt auch der Plural Kommata. Die heutige Form des Kommas ist auf den Drucker und Typografen [[Aldus Manutius]] (gest. 1515) zurückzuführen, der es mit der Einführung weiterer Satzzeichen aus der [[Virgel]] entwickelte.<br />
<br />
[[Philipp von Zesen]] (gest. 1689) deutschte den Begriff ''Komma'' mit ''Beistrich'' ein. Das Wort wurde bzw. wird u.&nbsp;a. von [[Bertolt Brecht]],<ref>Bertolt Brecht: ''Leben Eduards des Zweiten von England.'' Gustav Kiepenheuer, Potsdam 1924, S. 110 und 117.</ref> in älteren [[Duden]]-Ausgaben<ref>''Der große Duden.'' Band 1. Dudenverlag des Bibliographischen Instituts, Mannheim 1956, S. 17&nbsp;f.</ref><ref>Konrad Duden, Paul Grebe: ''Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter.'' Bibliographisches Institut, Mannheim 1962, S. 17 etc.</ref> und selbst in neueren Werken<ref>Wolfgang Mentrup: ''Zur Zeichensetzung im Deutschen – die Regeln und ihre Reform.'' Gunter Narr, Tübingen 1983, S. 13, 15, 17 etc.; Georg Nolte: ''Eingreifen auf Einladung.'' Springer, 1999, S. 372, 421 etc.</ref> verwendet; dennoch wird in Deutschland und in der Schweiz „Beistrich“ eher selten verwendet,<ref>Anna-Julia Lingg: ''Kriterien zur Unterscheidung von Austriazismen, Helvetismen und Teutonismen.'' In: [[Christa Dürscheid]], Martin Businger (Hrsg.): ''Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik.'' Gunter Narr, Tübingen 2006, S. 23–48, hier S. 30–35.</ref> während das Wort in [[Österreichisches Deutsch|Österreich]] weiterhin gebräuchlich ist.<br />
<br />
== Als Satzzeichen ==<br />
{{Hauptartikel|Kommaregeln der deutschen Sprache (Stand von 2006)}}<br />
<br />
Beim Schreiben dient das Komma zur Strukturierung des [[Satz (Grammatik)|Satzes]] und trennt bestimmte Elemente voneinander: So werden im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] Kommas zwischen [[Hauptsatz (Grammatik)|Hauptsätzen]] und [[Nebensatz|Nebensätzen]], aber auch zwischen einzelnen Elementen einer Aufzählung gesetzt. Ebenso werden Beisätze ([[Apposition]]en) und Nachstellungen durch Kommas vom Rest des Satzes abgetrennt.<br />
<br />
Das Komma trägt zur Verständlichkeit und besseren Lesbarkeit von Texten bei, da im Gegensatz zur gesprochenen Rede die [[Prosodie|Sprachmelodie]] auf dem Papier verloren geht. So ist folgender Satz ohne Kommas beim ersten Lesen verwirrend, weil er einen starken [[Holzwegeffekt]] erzeugt: „Manfred las das Buch auf den Knien der Tochter eine Gute-Nacht-Geschichte vor.“ Erst mit der Kommasetzung wird der Satz verständlich bezüglich der Frage, auf wessen Knien das Buch nun liegt: „Manfred las, das Buch auf den Knien, der Tochter eine Gute-Nacht-Geschichte vor.“ Ein eingängigeres Beispiel für die verschiedenen möglichen Bedeutungen, die durch die Kommas gesteuert werden, ist: „Manfred las das Buch auf den Knien zu Ende.“ und „Manfred las, das Buch auf den Knien, zu Ende.“ Im ersten Satz liest Manfred das Buch bis ganz zum Schluss, während er selbst kniet. Im zweiten Satz liest Manfred einen Abschnitt, aber nicht zwingend das ganze Buch, zu Ende, während das Buch dabei auf Manfreds Knien liegt.<br />
<br />
Ein anderes Beispiel für einen Doppelsinn gibt eine fiktive Kurzgeschichte. Ein Verbrecher soll gehängt werden, doch der König erfährt durch einen Boten in letzter Sekunde, dass der Todgeweihte unschuldig ist. Nun richtet er eine Nachricht an den Scharfrichter, die Nachricht heißt: „Wartet nicht, hängen!“ Der Scharfrichter erhält die Nachricht und hängt den Unschuldigen zur Empörung des Königs. Dieser hatte einen Beistrichfehler gemacht, er wollte eigentlich schreiben: „Wartet, nicht hängen!“<br />
<br />
Für die korrekte und standardisierte Verwendung von Kommas gelten Kommaregeln, die in der [[Grammatik]] einer [[Sprache]] beschrieben werden. Die Kommaregeln für das Deutsche wurden im Zuge der [[Rechtschreibreform von 1996]] mit dem Ziel einer Vereinfachung grundlegend geändert; dabei wurde die Kommasetzung in vielen Fällen freigestellt. Mit der Überarbeitung des Reformregelwerks im Jahr 2006 wurde die Kommasetzung nochmals modifiziert; vor allem viele Freistellungen wurden mit dem Ziel einer besseren Lesbarkeit zurückgenommen.<br />
<br />
Die Kommasetzung unterliegt bei künstlerischen Werken einer größeren Freiheit: In [[Lyrik|lyrischen]] Texten kann die [[Interpunktion]] (Zeichensetzung) völlig verschwinden, zur besonderen Betonung oder Gliederung verwendet werden oder aber auch selbst Teil eines Sprachspiels sein. Auch [[Epik|epische Texte]] weisen oftmals eine sehr eigenwillige Kommasetzung auf&nbsp;– als Beispiel sei auf [[Heinrich von Kleist|Kleist]] verwiesen, der die Kommas nicht nach Regeln, sondern nach seinem Gutdünken setzte.<br />
<br />
Die Griechen führten bereits in der [[Rhetorik]] Begriffe wie [[Kolon (Rhetorik)|Kolon]] und Komma ein, um allgemein einen Satz bzw. Satzteile zu benennen. Aber es war im 15. Jahrhundert der [[Buchdruck in Venedig|venezianische Buchdrucker]] und Verleger [[Aldus Manutius]] (der Ältere), der ein Kommazeichen als Satzzeichen in seinen Druckerzeugnissen zu verwenden begann. Für die druckhandwerkliche Gestaltung einer Interpunktion wurden seine Ausgaben der Werke ''Petrarcas'' und ''Bembos'' unter anderem durch die Formgebung für das Komma zur Markierung von Teilen innerhalb eines Satzes wegweisend. Der Begriff ''Komma'' wurde dann zu Beginn der [[Neuzeit]] auf das Satzzeichen angewandt, das nun die Sinnabschnitte innerhalb eines Satzes voneinander zu trennen erlaubte. Manutius' Enkel [[Aldus Manutius der Jüngere]] legte 1566 zudem ein Satzzeichen-System vor, konsequent angewandt in der [[Antiqua]], dem Schriftsatz für lateinische Texte. Beide hatten ein grundlegendes Verständnis von Satzzeichen als [[Syntax|syntaktische]] Gliederungszeichen und verwendeten auch das Komma erstmals systematisch und einheitlich. Ihre Interpunktion war beispielgebend. Heute hat man im Wesentlichen ihre Vorstellungen übernommen.<br />
<br />
[[Datei:Lutherbibel.jpg|mini|Die erste vollständige Bibelübersetzung von Martin Luther 1534 mit Verwendung der [[Virgel]].]]<br />
<br />
[[Martin Luther]] verwendete bei der Übersetzung der Bibel ins Deutsche in seinen Schriften, wie damals in der [[Frakturschrift]] üblich, für allgemeine Trennungen innerhalb von Sätzen statt eines Kommas die [[Virgel]], also einen [[Schrägstrich]], dessen Verwendung aus dem [[Fraktursatz]] erst um 1700 endgültig verschwand.<br />
<br />
Die technische Revolution des Buchdrucks, durch die sich Druckerzeugnisse leicht vervielfältigen ließen, die zunehmende Lesefähigkeit der Bevölkerung und der Trend in der immer komplexeren Gesellschaft, immer mehr schriftlich festzuhalten, führte zu einer Standardisierung und Homogenisierung der Schriftzeichen, was auch zu einer Verfestigung der grafischen Form des Kommas bei der Verwendung in Druckwerken führte.<ref>Martin Lowry: ''Aldus Manutius and Benedetto Bordon. In search of a link.'' In: ''Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester.'' Band. 66, Nr. 1, 1983.</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.parlamentsstenografen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=111:punkt-punkt-komma-strich&catid=20&Itemid=172&showall=&limitstart=3 |titel=Streifzug durch die Jetzt-Zeit |zugriff=2016-09-02}}</ref><br />
<br />
== Als Dezimaltrennzeichen ==<br />
{{Hauptartikel|Schreibweise von Zahlen}}<br />
<br />
In den meisten europäischen Ländern verwendet man das Komma in der [[Mathematik]] in einer [[Dezimalsystem|Dezimalzahl]] als [[Dezimaltrennzeichen]]. Sollte das Komma zusätzlich als Trennsymbol in Aufzählungen von Dezimalzahlen erscheinen, weicht man, um Verwechslungen mit Dezimalzahlen zu vermeiden, entweder auf das Semikolon aus, oder man setzt nach dem Komma einen deutlich sichtbaren Abstand.<br />
<br />
Im englischsprachigen Raum wird das Komma zur Trennung von Tausenderstellen in Zahlen verwendet; die englischsprachige Verwendung von Punkt und Komma in Zahlen ist also gegenüber Deutschland und Österreich umgekehrt.<br />
<br />
== Nationale Besonderheiten ==<br />
<br />
=== Schweiz ===<br />
In der Schweiz ist die Verwendung von Punkt oder Komma als [[Dezimaltrennzeichen]] uneinheitlich; beide werden üblicherweise immer als „Komma“ gelesen. Auch an den Schulen wird eine nicht einheitliche Praxis verfolgt: Die Schulen des [[Kanton St. Gallen|Kantons St. Gallen]]<ref>{{Toter Link |url=http://www.schule.sg.ch/home/volksschule/unterricht/lehrplan/20081/_jcr_content/Par/downloadlist/DownloadListPar/download_6.ocFile/8_Fachbereich_Mathematik.pdf|text=Lehrplan Fachbereich Mathematik}} (PDF-Datei; 252&nbsp;kB) auf ''schule.sg.ch,'' abgerufen am 27. September 2013.</ref> wie auch des [[Kanton Zürich|Kantons Zürich]] lehren beispielsweise den Dezimalpunkt. Es kommt vor, dass in der Unterstufe/Primarschule das Komma (wie es gesprochen wird), ab der Mittelstufe der Punkt gelehrt wird.<br />
<br />
In amtlichen Dokumenten des [[Bundesebene|Bundes]] wird gemäß den Weisungen der [[Bundeskanzlei]] grundsätzlich das Komma verwendet, bei Geldbeträgen wird jedoch zwischen der Währungseinheit und der Untereinheit ein Punkt gesetzt.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Bundeskanzlei]] |Titel=Schreibweisungen |Auflage=1 |Datum=2008 |Kapitel=514: Dezimalkomma und Dezimalpunkt |Seiten=80}} {{Webarchiv|url=http://www.bk.admin.ch/dokumentation/sprachen/04915/05016/index.html?lang=de |wayback=20170122114658 |text=bk.admin.ch}}</ref> Den Punkt verwendet zudem das [[Bundesamt für Landestopographie]] für die [[Schweizer Landeskoordinaten]].<ref>{{Literatur |Titel=Neue Koordinaten für die Schweiz – Der Bezugsrahmen LV95 |Hrsg=Bundesamt für Landestopografie swisstopo |Auflage=1 |Datum=2006 |Seiten=8–11 |Online={{Webarchiv |url=http://www.cadastre.ch/internet/cadastre/de/home/topics/upon.parsysrelated1.17860.downloadList.74206.DownloadFile.tmp/broschlv95de.pdf |wayback=20111104232433 |text=Neue Koordinaten für die Schweiz – Der Bezugsrahmen LV95}} |Format=PDF |KBytes= |Abruf=2010-10-27}} {{Webarchiv |url=http://www.cadastre.ch/internet/cadastre/de/home/topics/upon.parsysrelated1.17860.downloadList.74206.DownloadFile.tmp/broschlv95de.pdf |text=Neue Koordinaten für die Schweiz – Der Bezugsrahmen LV95 |wayback=20111104232433 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
Bei vielen Textverarbeitungsprogrammen ist in der schweizspezifischen Spracheinstellung der Punkt als Dezimaltrennzeichen definiert, auf dem [[Ziffernblock]] schweizerischer Tastaturen wird ebenfalls der Punkt verwendet.<ref>Z.&nbsp;B. für [[Apple]]-Tastaturen siehe [http://support.apple.com/kb/HT2841?viewlocale=de_DE ''Lokale Tastatur identifizieren''] auf ''support.apple.com''</ref><br />
<br />
Als Tausendertrennzeichen werden aber weder Punkt noch Komma benutzt. Sofern als Tausendertrennzeichen nicht ein Leerzeichen gesetzt wird, kommt dafür der (gerade) [[Apostroph]] zur Anwendung.<br />
<br />
=== Österreich und Südtirol ===<br />
In Österreich und in Südtirol wird die Bezeichnung „Komma“ nur bei Zahlen verwendet, als Bezeichnung für das Satzzeichen hat sich der Begriff „Beistrich“ etabliert.<br />
<br />
=== Das Komma im Englischen {{Anker|Komma im Englischen}} ===<br />
Im [[Englische Sprache|Englischen]] gelten etwas andere Kommaregeln als im Deutschen. Eine Besonderheit dort ist etwa das [[Serielles Komma|serielle Komma]], das in Aufzählungen mit drei oder mehr Aufzählungselementen unmittelbar vor die [[Konjunktion (Wortart)|Konjunktion]] ''and'' („und“) gesetzt wird.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Kommaregeln der deutschen Sprache (Stand von 2006)|Kommaregeln im Deutschen]]<br />
* [[Kommaregeln der spanischen Sprache|Kommaregeln im Spanischen]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Burckhard Garbe (Hrsg.): ''Texte zur Geschichte der deutschen Interpunktion und ihrer Reform 1462–1983.'' Olms, Hildesheim/Zürich/New York 1984, ISBN 3-487-07475-3 (= ''Germanistische Linguistik.'' 4–6/83).<br />
* Frank Kirchhoff: ''Von der Virgel zum Komma. Die Entwicklung der Interpunktion im Deutschen.'' Winter, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-8253-6776-3.<br />
* [[Rat für deutsche Rechtschreibung]]: ''Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis.'' Entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung. [http://rechtschreibrat.ids-mannheim.de/download/regeln2006.pdf Überarbeitete Fassung des amtlichen Regelwerks 2004] (PDF; 740&nbsp;kB).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wiktionary|Beistrich}}<br />
<br />
== Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4202919-3|LCCN=sh85028874}}<br />
<br />
[[Kategorie:Kommaregeln]]<br />
[[Kategorie:Satzzeichen]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=%C3%96tztaler_Mopedmarathon&diff=239406734Ötztaler Mopedmarathon2023-11-23T20:21:48Z<p>Designer2k2: Die Vereinsausfahrt geht weiter, habe den Text entsprechend angepasst und einen Beleg dazu eingefügt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Logo Ötztaler Mopedmarathon.png|miniatur|Logo des Ötztaler Mopedmarathon]]<br />
Der '''Ötztaler Mopedmarathon''' ist eine Vereinsausfahrt für einspurige [[Kleinkraftrad|Kleinkrafträder]] des ''Ötztaler Moped Vereins'' mit Sitz in [[Gurgl]] im Bezirk Imst<ref>Zentrales Vereinsregister, Nr. 173485690, abgerufen am 11. September 2017</ref>, die seit 2013 jedes Jahr Ende Juni ausgetragen wurde und bis 2018 dem Streckenverlauf des [[Ötztaler Radmarathon]] folgte. Der Ötztaler Mopedmarathon gilt als eine feste Größe im internationalen Motorsport-Bereich.<ref>{{Internetquelle | autor= | url=https://rustynailmotors.com/oetztaler-mopedmarathon/ | titel=Alpenglühen über Sölden. Oetztaler-Mopedmarathon. Das legendäre Moped-Kultrennen | titelerg=Rusty Nail Motors | datum=2017 | kommentar= | zugriff=2017-09-08}}</ref><ref>{{Literatur |Autor= |Titel=Ötztaler Mopedmarathon 2017 Stirb langsam 5 |Hrsg= |Sammelwerk=[[Motorrad (Zeitschrift)]] |Band= |Nummer=Heft 2017 / 17 |Auflage= |Verlag=[[Motor Presse Stuttgart]] |Ort= |Datum= |ISBN= |Seiten=126-131 |Online=[http://web.archive.org/web/20170831012127/https://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-mopedmarathon-2017.842582.html Zusammenfassung]}}</ref> 2020 wurde der Ötztaler Mopedmarathon aufgrund des Veranstaltungsverbots, das bis Ende August 2020 gilt, abgesagt. Im Jahr 2022 fand die letzte Vereinsausfahrt unter dem Namen Mopedmarathon statt.<ref name=":0">{{Internetquelle |autor=Hanna Koerdt |url=https://www.az-online.de/altmark/kalbe/von-kalbe-zum-oetztaler-mopedmarathon-mit-der-simson-im-ersten-gang-auf-den-gletscher-91638018.html |titel=Mit der Simson im ersten Gang auf den Gletscher |werk=AZ Online |datum=2022-06-29 |sprache=de |abruf=2022-07-02}}</ref> Seit 2023 findet das Event unter dem Namen Ötztaler Moped Treffen statt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.mopedmarathon.at/ |titel=Ötztaler Mopedtreffen 21. - 22. Juni 2024 - 2 Rides, AC/DC Coverband und Feuerwerk |sprache=de-DE |abruf=2023-11-23}}</ref><br />
<br />
== Wertung ==<br />
Zusätzlich zu den Kleinkrafträdern fuhr ein [[Rennrad]]fahrer im Feld mit, dieser gab die schnellste Zeit vor. Die Wertung erfolgte nach dem zeitlichen Abstand zur Mittelzeit. Diese wurde aus der Zeit des mitfahrenden Radfahrers und des zuletzt ankommenden Kleinkraftrades gebildet.<br />
<br />
Es gab eine getrennte Wertung für Mopeds mit Automatikgetriebe und Schaltgetrieben.<br />
<br />
== Teilnehmer ==<br />
[[Datei:ÖMM Teilnehmer 2022.jpg|mini|ÖMM Teilnehmer auf einer [[DKW Hummel]]]]<br />
Die Anmeldung erfolgt über eine Website, die Teilnehmerzahl ist seit 2016 begrenzt.<ref>{{Internetquelle|url=http://austroclassic.at/index.php?option=com_content&task=view&id=4254&Itemid=46|titel=Austroclassic Wer langsam fährt hat länger Spaß!|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://hoehepunkt-tirols.oetztal.com/oetztaler-mopedmarathon/|titel=Ötztal Mopedmarathon|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref> Die Mopeds mussten 2 Räder in einer Spur haben.<ref>{{Literatur |Autor=Annette Clauß |Titel=Mit der Kreidler Florett zum Mopedmarathon: Über den Ötztaler Mopedmarathon |Hrsg= |Sammelwerk=[[Stuttgarter Nachrichten]] |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum= |Seiten= |ISBN= |Online=https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mit-der-kreidler-florett-zum-mopedmarathon-im-schneckentempo-ins-grosse-abenteuer-page2.ba070b84-64b9-40fa-926d-07000d20af2c.html |Abruf=2018-06-27}}</ref> Für die Motoren galt ein Limit von 50 Kubikzentimetern und sie durften nicht getunt („frisiert“) sein.<ref>{{Literatur | Autor=Hans Jörg Conzelmann | Titel=Wer sein Moped liebt, der schiebt | Sammelwerk=[[Reutlinger General-Anzeiger]] | Seiten= | Datum=2014-08-02 | Online=[http://www.xtramp.de/wp/wp-content/uploads/02.08.2014.GEA_Mopedmarathon.pdf Digitalisat] }}</ref> Die Teilnahme mit [[Kleinmotorrad|Kleinmotorrädern]] (> 50 cm³) war nicht gestattet.<br />
<br />
Im Jahr 2015 sind von 478 Startern 78 nicht im Ziel angekommen.<ref name="nordwest">{{Literatur | Autor=Wolfgang Alexander Meyer | Titel=Alpenmarathon auf dem Moped | Sammelwerk=[[Nordwest-Zeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-14 | Online= }}</ref> Im Jahr 2016 waren Teilnehmer aus [[Österreich]], der [[Schweiz]], [[Tschechien]], [[Italien]] und [[Deutschland]] dabei.<ref>{{Literatur | Autor=Elfi Bachmeier-Fausten | Titel=Der Mopedmarathon in Österreich lockt | Sammelwerk=[[Mittelbayerische Zeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-24 | Online=[http://www.mittelbayerische.de/region/kelheim/gemeinden/kelheim/der-mopedmarathon-in-oesterreich-lockt-22796-art1395773.html Online] }}</ref> Im Jahr 2017 waren mehr als 20 Prozent der Teilnehmer weiblich.<ref>{{Literatur | Autor=Clemens Thavonat | Titel=Langsam wird man Champ | Sammelwerk=[[Niederösterreichische Nachrichten]] | Seiten=20 | Datum=2017-07-11 | Online= }}</ref> Im Jahr 2019 kamen 291 Teilnehmer nicht ins Ziel.<br />
{| class="wikitable"<br />
!Jahr<br />
!Teilnehmer<br />
|-<br />
|2013<br />
|6<ref>{{Internetquelle|url=https://www.yumpu.com/de/document/view/59119075/otztaler-mopedmarathon-vereinsmagazin-50er-ausgabe-1/5|titel=Yumpu Ötztaler Mopedmarathon Vereinsmagazin|autor=|hrsg=|werk=|seiten=10|datum=|sprache=de|zugriff=2017-09-01}}</ref><br />
|-<br />
|2014<br />
|130<ref name="TT Helden">{{Literatur | Autor=Matthias Christler | Titel=Ötztaler Mopedmarathon: Die Helden der Langsamkeit | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-26 | Online=[https://www.tt.com/artikel/10195228/oetztaler-mopedmarathon-die-helden-der-langsamkeit Online] }}</ref><br />
|-<br />
|2015<br />
|478<ref name="nordwest" /><ref name="TT Helden" /><br />
|-<br />
|2016<br />
|1111<ref name="TT Rekord">{{Literatur | Autor=Matthias Reichle | Titel=Rekord beim Mopedmarathon | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]] | Seiten= | Datum=2017-06-04 | Online=[https://www.tt.com/artikel/13054626/rekord-beim-mopedmarathon Online] }}</ref><br />
|-<br />
|2017<br />
|1513<ref>{{Literatur | Autor=Michael Schümann | Titel=Ötztaler Moped Marathon | Sammelwerk=Mopedonline | Seiten= | Datum=2017-07-05 | Online=[http://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-moped-marathon-2017.838032.html Online] }}</ref><ref>{{Literatur|Autor=|Titel=Ötztaler Mopedmarathon 2017 Stirb langsam 5|Hrsg=|Sammelwerk=[[Motorrad (Zeitschrift)]]|Band=|Nummer=Heft 2017 / 17|Auflage=|Verlag=[[Motor Presse Stuttgart]]|Ort=|Datum=|Seiten=126|ISBN=|Online=[http://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-mopedmarathon-2017.842582.html Zusammenfassung]}}</ref><br />
|-<br />
|2018<br />
|1807<ref>{{Literatur| Autor=Matthias Reichle | Titel=Viel Lärm um Ötztaler Mopedmarathon | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]]| Online=https://www.tt.com/artikel/14517040/viel-laerm-um-oetztaler-mopedmarathon| Abruf=2020-03-04}}</ref><br />
|-<br />
|2019<br />
|2018<br />
|-<br />
|2022<br />
|2500<ref name=":0" /><br />
|}<br />
<br />
== Strecke von 2013 bis 2018 ==<br />
[[Datei:Jaufenpass - panoramio.jpg|mini]]<br />
Die Vereinsausfahrt hatte eine offizielle Länge von 238 km und führte über 5500 Höhenmeter<ref>{{Literatur | Autor=Annette Clauß | Titel=Im Schneckentempo auf den Pass | Sammelwerk=[[Stuttgarter Nachrichten]] | Seiten=23 | Datum=2017-01-14 | Online= }}</ref><ref name="TT Rekord" />, zu deren Bewältigung die Fahrer zwischen rund 7 und 13 Stunden benötigten.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.mopedmarathon.at/ergebnisliste-oemmxvii.pdf|titel=Ergebnisliste 2017|autor=|hrsg=|werk=|datum=2017|sprache=|zugriff=2017-09-01|archiv-url=http://web.archive.org/web/20170908020330/http://www.mopedmarathon.at/ergebnisliste-oemmxvii.pdf|archiv-datum=2017-09-08}}</ref><br />
<br />
=== Pässe ===<br />
Die Vereinsausfahrt fuhr von [[Sölden]] im [[Ötztal]] über vier [[Gebirgspass|Pässe]]:<ref>{{Internetquelle|url=https://www.oetztaler-radmarathon.com/hoehenprofil|titel=Höhenprofil|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Corinna Willführ | Titel=Mit 50 Kubikzentimetern über die Alpen. Vier Pässe und 5500 Höhenmeter | Sammelwerk=[[Frankfurter Neue Presse]] | Seiten=18 | Datum=2016-07-29 | Online=[https://web.archive.org/web/20170908064843/http://ndp.fnp.de/lokales/wetterau/Mit-50-Kubikzentimetern-ueber-die-Alpen;art677,2134340 Online] }}</ref><br />
* [[Kühtaisattel]] (+1.200 Hm)<br />
* [[Brennerpass]] (+780 Hm)<br />
* [[Jaufenpass]] (+1.130 Hm)<br />
* [[Timmelsjoch]] (+1.760 Hm)<br />
<br />
=== Streckenverlauf ===<br />
'''Sölden''' (1.377 m) – [[Längenfeld]] – [[Umhausen]] – [[Oetz]] (820 m) – '''[[Kühtai]]''' (2.020 m) – [[Kematen in Tirol]] – [[Völs (Tirol)|Völs]] – [[Innsbruck]] (600 m) – Sonnenburgerhof – [[Schönberg im Stubaital]] – [[Matrei am Brenner]] – [[Steinach am Brenner]] – [[Gries am Brenner]] – '''Brenner''' (1.374 m) – [[Sterzing]] (948 m) – '''Jaufenpass''' (2.090 m) – [[St. Leonhard in Passeier]] (689 m) – '''Timmelsjoch''' (2.509 m) – '''Sölden''' (1.377 m).<br />
<br />
== Strecke 2019 ==<br />
Die Strecke hatte eine Länge von 206 km und insgesamt 6763 Höhenmeter. Die Fahrzeit betrug zwischen 7 und 12 Stunden.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.meinbezirk.at/imst/c-lokales/verflixter-siebter-oetztaler-mopedmarathon-erfolgreich-absolviert_a3473142 |titel="Verflixter" siebter Ötztaler Mopedmarathon erfolgreich absolviert |abruf=2019-06-24 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
=== Streckenverlauf ===<br />
'''Sölden''' (1.377 m) – [[Längenfeld]] – [[Umhausen]] – [[Oetz]] (820 m) – '''[[Silzer Sattel|Haiminger Sattele]]''' (1.690 m) – Umhausen (1.031 m) – '''[[Niederthai]]''' (1.538 m) – Längenfeld (1.179 m) – '''Sölden''' (1.377 m) – '''Timmelsjoch''' (2.509 m) – [[Rabenstein (Moos in Passeier)|Rabenstein]] (1.419 m) – '''Timmelsjoch''' (2.509 m) – '''Sölden''' (1.377 m).<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://info.mopedmarathon.at/ |titel=ÖTZTALER MOPEDMARATHON XIX – STRECKEN INFOS |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2019-06-24 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://mopedmarathon.at/ Webpräsenz]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur | Autor= | Titel=Das Magazin (Themenheft zum Ötztaler Mopedmarathon) | Nummer=Heft 1 | Sammelwerk=Rusty Nail Motors | Seiten= | Datum=2017 | Online=[https://rustynailmotors.com/oetztaler-mopedmarathon/ Zusammenfassung] }}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Otztaler Mopedmarathon}}<br />
[[Kategorie:Veranstaltung in Österreich]]<br />
[[Kategorie:Veranstaltung (Straßenverkehr)]]<br />
[[Kategorie:Motorsport-Subkultur]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 2013]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Auto-,_Motor-_und_Radfahrerbund_%C3%96sterreichs&diff=236423954Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs2023-08-14T18:44:53Z<p>Designer2k2: /* Pannenhilfe und technischer Dienst */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox Verein<br />
| Name = Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs<br />
| Abkürzung = ARBÖ<br />
| Logo = [[Datei:ARBÖ.jpg|zentriert|250px]]<br />
| Zweck =<br />
| Vorsitz = [[Peter Rezar]], Präsident ab 2018<br />
| Gründung = 30. April 1899<br />
| Mitglieder = ca. 420.000<br />
| Sitz = {{AUT|#}} [[Wien]], [[Österreich]]<br />
| Website = [https://www.arboe.at/ arboe.at]<br />
}}<br />
Der '''Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs''' (kurz '''ARBÖ''' nach der frühen Bezeichnung '''Arbeiter-Radfahrer-Bund Österreichs''')<ref name="rwien">{{Rwien|auto-motor-und-radfahrerbund-oesterreichs-arboe|''Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs (ARBÖ)''|17. November 2017}}</ref> ist ein [[österreich]]ischer [[Verkehrsclub]], der Kraftfahrerbelange als NGO vertritt. Er ist mit ca. 420.000 Mitgliedern nach dem [[Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring Club|ÖAMTC]] der zweitgrößte Verein dieser Art in Österreich. Er wurde am 30. April 1899 als ''Verband der Arbeiter-Radfahrer-Vereine Österreichs'' in [[Wien]] gegründet und hat sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer Serviceorganisation für Mitglieder weiterentwickelt. Der ARBÖ ist Gründungsmitglied des Verbundes Europäischer Automobilclubs (EAC) mit Sitz in Brüssel.<ref>{{Internetquelle |url=https://de.eaclubs.org/members |titel=Mitglieder |hrsg=EAC European Automobile Clubs |abruf=2021-01-26}}</ref> Der ARBÖ ist ein zentraler Verband innerhalb der sozialdemokratischen Vorfeldorganisation [[Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich|ASKÖ]]. Er ist Mitglied des [[EAC European Automobile Clubs]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Nachdem 1893 der erste Wiener Radfahrverein („Die Biene“) gegründet worden war, folgten weitere Vereinsgründungen, welche sich schließlich am 30. April 1899 zum „Verband der Radfahrvereine Österreichs“ zusammenschlossen. Nach mehreren Namensänderungen (1926: „Arbeiter-Radfahrer-Bund Österreichs“, 1932: „Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer-Bund Österreichs“) und Schaffung einer Motorfahrsektion, wurde der Name schließlich 1962, aufgrund der zunehmenden Motorisierung der Vereinsmitglieder, auf den heutigen Namen „Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs“ geändert. 1934 wurde der Verein verboten und 1945 neu gegründet.<ref name="rwien" /><br />
<br />
== Pannenhilfe und technischer Dienst ==<br />
[[Datei:ARBOE Pruefzentrum Klagenfurt 21042007 01.jpg|mini|ARBÖ Klagenfurt Prüfzentrum]]<br />
<br />
Unter der Kurzrufnummer 123 ist der ARBÖ-[[Pannenhilfe|Pannendienst]] in ganz Österreich erreichbar. Mit 450 eigenen Technikern wird das österreichische Straßennetz betreut. Ziel der ARBÖ-Pannenhelfer ist, die Weiterfahrt mit dem eigenen [[Kraftfahrzeug|Kfz]] oder [[Fahrrad]] zu erreichen. Als Partnerclub übernehmen die Helfer von ARBÖ die Pannenhilfe für Mitglieder vom [[Auto Club Europa|Auto Club Europa (ACE)]], welcher umgekehrt Hilfestellung von ARBÖ-Mitgliedern bei Pannen in Deutschland leistet.<ref>{{Internetquelle |autor=Rebekka Melles |url=https://www.ace.de/nc/ratgeber/fahrberichte/fahrberichte-artikel/artikel/ace-euro-notruf-ein-blick-hinter-die-kulissen/ |titel=ACE-Euro-Notruf – Ein Blick hinter die Kulissen |werk=ACE Lenkrad |datum=2016-07-01 |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20200721063812/https://www.ace.de/nc/ratgeber/fahrberichte/fahrberichte-artikel/artikel/ace-euro-notruf-ein-blick-hinter-die-kulissen/ |archiv-datum=2020-07-21 |archiv-bot= |abruf=2021-01-26}}</ref><br />
<br />
Weiters führt der ARBÖ österreichweit Dienstleistungen in fahrzeugtechnischen Belangen wie z.&nbsp;B. [[Begutachtungsplakette in Österreich|§-57a-Begutachtungen (Pickerlüberprüfungen)]], Ankaufstest, Saisontest etc. in seinen derzeit 91 Prüfzentren<ref>{{Internetquelle |url=https://www.arboe.at/infos/rund-ums-auto/fahren-und-reisen/autobahnmaut-und-digitale-vignette/ |titel=<br />
Autobahnmaut und (digitale) Vignette |werk=arboe.at |abruf=2021-01-26}}</ref> durch.<br />
<br />
== Zusatzprodukt Sicherheits-Pass ==<br />
<br />
Mit dem Zusatzprodukt ARBÖ-Sicherheits-Pass können Mitglieder den ARBÖ-Schutz auf Europa im geografischen Sinn sowie die Kanarischen Inseln, Island und Madeira ausweiten. Der ARBÖ-Sicherheitspass enthält 28 Leistungen, unter anderem Pannendienst im Ausland, Abschleppdienst im Ausland, Krankenversicherung mit Krankenrückholung im In- und Ausland.<br />
<br />
== Fahrsicherheitszentren ==<br />
[[Datei:fsz.j.jpg|mini|ARBÖ FSZ-Salzburg]]<br />
Der ARBÖ hat drei Fahrsicherheits-Zentren:<br />
<br />
* Wien – [[Kagran]]<br />
* Salzburg – [[Straßwalchen]]<br />
* Steiermark – [[Ludersdorf-Wilfersdorf|Ludersdorf]]<br />
<br />
== Informationsdienst ==<br />
<br />
Der ARBÖ betreibt einen eigenen Informationsdienst für Verkehr und Touristik, der unter anderem den ORF-Teletext mit Verkehrsmeldungen und Schneewerten beziehungsweise Badeseetemperaturen versorgt (Seite 431 und 432, 614, 615).<br />
<br />
== Medien ==<br />
<br />
Mitglieder erhalten die regelmäßig erscheinende [[Zeitschrift]] ''Freie Fahrt''.<br />
<br />
== Verkehrsradio Wien ==<br />
<br />
ARBÖ Verkehrsradio im [[DAB+]] Kanal 11C (CityMUX Wien II)<br />
<br />
== Mitglieder ==<br />
Der ARBÖ hatte 2020 offiziell 400.000 Mitglieder. ARBÖ-Mitglieder genießen viele Vorteile mit ihrer Mitgliedschaft. Sie können zum Beispiel ihr Fahrzeug gratis im ARBÖ-Prüfzentrum durchchecken lassen, ihr Fahrzeug gratis bewerten lassen, die Rechtsberatung zu Themen aus dem Verkehrs-, Versicherungs- und Konsumentenschutzrecht kostenlos nutzen oder Klubvorteile bei zahlreichen Partnern nutzen. Für alle ohne Kraftfahrzeug ist auch eine Rad- und Freizeitmitgliedschaft verfügbar.<ref>[https://www.arboe.at/infos/rund-ums-fahrrad/rad-und-freizeitmitgliedschaft/ Rad- und Freizeit-Mitgliedschaft], abgerufen am 20. September 2021</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|ARBÖ}}<br />
* [https://www.arboe.at/ Website des ARBÖ]<br />
* {{Rwien|auto-motor-und-radfahrerbund-oesterreichs-arboe|''Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs (ARBÖ)''|}}<br />
* [https://www.ich-fahr-sicher.at/ Informationen zu den Fahrsicherheitszentren der ARBÖ]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=2051149-8|LCCN=n/84/114371|VIAF=146076878}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Auto Motor und Radfahrerbund Osterreichs}}<br />
[[Kategorie:Verein (Wien)]]<br />
[[Kategorie:Automobilclub (Österreich)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1899]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gordon_Ramsay&diff=236423933Gordon Ramsay2023-08-14T18:43:44Z<p>Designer2k2: /* Frühe Karriere als Koch */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Gordon Ramsay colour Allan Warren.jpg|mini|Gordon Ramsay (2010)]]<br />
'''Gordon James Ramsay''', [[Order of the British Empire|OBE]] (* [[8. November]] [[1966]] in [[Johnstone (Schottland)|Johnstone]], [[Schottland]]) ist ein [[Vereinigtes Königreich|britischer]] [[Koch]], [[Gastronom]], [[Fernsehkoch]] und [[Kochbuch]]verfasser. Die ''Gordon Ramsay Group'' betreibt 35 Restaurants weltweit, davon 15 in London.<ref>{{Internetquelle |url=https://gordonramsay.com/gr/restaurants-and-bars/ |titel=Restaurants & Bars |sprache=en-GB |abruf=2019-07-22}}</ref> Vier der betriebenen Restaurants sind vom [[Guide Michelin]] mit Sternen ausgezeichnet (Stand 2019),<ref>{{Internetquelle |url=https://www.gordonramsayrestaurants.com/restaurants-and-bars/michelin-starred/ |titel=Michelin Starred Dining at Gordon Ramsay Restaurants |hrsg=Gordon Ramsay Restaurants |sprache=en |abruf=2019-04-17}}</ref> das ''Gordon Ramsay'' mit drei<ref>{{Internetquelle |url=https://www.viamichelin.com/web/Restaurant/Chelsea-SW3_4HP-Gordon_Ramsay-32jzz8i |titel=Gordon Ramsay |werk=Viamichelin |sprache=en |abruf=2019-04-17}}</ref>, das ''Le Pressoir d’Argent'' mit zwei<ref>{{Internetquelle |url=https://www.viamichelin.com/web/Restaurant/Bordeaux-33000-Le_Pressoir_d_Argent_Gordon_Ramsay-2epcrm9 |titel=Le Pressoir d'Argent |werk=Viamichelin |sprache=en |abruf=2019-04-17}}</ref> und das ''Pétrus''<ref>{{Internetquelle |url=https://www.viamichelin.com/web/Restaurant/Belgravia-SW1X_8EA-Petrus-353fdrd |titel=Pétrus |werk=Viamichelin |abruf=2019-04-17}}</ref> sowie das ''Gordon Ramsay au Trianon'' mit jeweils einem.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.viamichelin.com/web/Restaurant/Versailles-78000-Gordon_Ramsay_au_Trianon-2aiqpqd |titel=Gordon Ramsay au Trianon |werk=Viamichelin |sprache=en |abruf=2019-04-17}}</ref><br />
<br />
== Werdegang ==<br />
<br />
=== Herkunft ===<br />
Gordon James Ramsay wurde am 8. November 1966 in der schottischen Stadt [[Johnstone (Schottland)|Johnstone]] geboren,<ref>{{Internetquelle |url=https://www.tvguide.com/celebrities/gordon-ramsay/bio/3000029430/ |titel=Gordon Ramsay |sprache=en |abruf=2022-01-14}}</ref><ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://gordonramsay.com/gr/about-gordon/ |titel=About Gordon |sprache=en-GB |abruf=2022-01-14}}</ref> als Sohn von Helen (geb. Cosgrove), einer Krankenschwester,<ref name=":1">{{Internetquelle |url=https://www.telegraph.co.uk/foodanddrink/3345890/Gordon-Ramsay-the-F-Factor.html |titel=Gordon Ramsay: the F Factor |abruf=2022-01-14}}</ref><ref name=":2">{{Literatur |Autor=Gordon Ramsay |Titel=Humble Pie |Verlag=HarperCollins |Datum=2006 |ISBN=0-00-722967-4 |Online=https://books.google.com/books?id=_U2pfYPAsC4C&newbks=0&hl=de |Abruf=2022-01-14}}</ref> und Gordon James Sr., der als Schwimmbadmanager, Schweißer und Ladenbesitzer arbeitete.<ref name=":1" /> Er hat eine ältere Schwester, einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester.<ref>{{Literatur |Titel=Chef Ramsay's brother jailed in Bali for heroin |Sammelwerk=Reuters |Datum=2007-09-13 |Online=https://www.reuters.com/article/uk-indonesia-ramsay-idUKJAK24278720070913 |Abruf=2022-01-14}}</ref> Als er neun Jahre alt war, zog er mit seiner Familie nach [[England]] und wuchs in der Gegend von [[Bishopton (Renfrewshire)|Bishopton]] in [[Stratford-upon-Avon]] auf.<ref name=":0" /> Er beschrieb sein frühes Leben als „hoffnungslos umherziehend“ und sagte, dass seine Familie aufgrund der Bestrebungen und Misserfolge seines Vaters, der ein gelegentlich gewalttätiger Alkoholiker war, ständig umzog; Ramsay beschrieb ihn als „trinkfesten Frauenhelden“.<ref name=":1" /> In seiner Autobiografie verriet er, dass sein Vater die Kinder missbrauchte und vernachlässigte.<ref name=":2" /><ref>{{Internetquelle |url=https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2001/may/13/foodanddrink.features2 |titel=Lynn Barber meets Gordon Ramsay |hrsg=The Guardian |datum=2001-05-13 |sprache=en |abruf=2022-01-14}}</ref> Er arbeitete als Tellerwäscher in einem örtlichen indischen Restaurant, in dem seine Schwester als Kellnerin arbeitete.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=uS8gvRrsJz0 |titel=Gordon Ramsay On Pranking His Daughter During Her First Driving Lesson {{!}} The Jonathan Ross Show |sprache=de-DE |abruf=2022-01-14}}</ref> Er hatte gehofft, Fußballer zu werden, und wurde bereits im Alter von 12 Jahren für die U-14-Auswahl ausgewählt, doch seine frühe Fußballkarriere war von Verletzungen gezeichnet; nach einer schweren Knieverletzung musste er sie aufgeben.<ref name=":2" /> Im Alter von 16 Jahren zog er aus dem Elternhaus aus und in eine Wohnung in [[Banbury]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.theguardian.com/tv-and-radio/2019/aug/05/born-famous-gordon-ramsay-review-a-taste-of-reality-for-the-chefs-son |titel=Born Famous: Gordon Ramsay review – a taste of reality for the chef's son |datum=2019-08-05 |sprache=en |abruf=2022-01-14}}</ref><br />
<br />
=== Frühe Karriere als Koch ===<br />
Ramsays Interesse am Kochen begann bereits als Teenager; anstatt als „der Fußballspieler mit dem lädierten Knie“<ref name=":2" /> bekannt zu werden, beschloss er im Alter von 19&nbsp;Jahren, sich ernsthafter mit seiner kulinarischen Ausbildung zu befassen. Ramsay schrieb sich am North Oxfordshire Technical College ein, das von den [[Rotary International|Rotariern]] gesponsert wurde, um Hotelmanagement zu studieren. Er beschreibt seine Entscheidung, das College für [[Gastronomie]] zu besuchen, als „einen kompletten Zufall“.<ref>{{Literatur |Autor=Gordon Ramsay |Titel=Roasting in Hell's Kitchen : temper tantrums, F words, and the pursuit of perfection |Verlag=New York : HarperCollins Entertainment |Datum=2006 |ISBN=0-06-119175-2 |Online=https://archive.org/details/roastinginhellsk00gord |Abruf=2022-01-14}}</ref><br />
<br />
Mitte der 1980er Jahre arbeitete er als [[Jungkoch]] im Wroxton House Hotel. Er leitete die Küche und den Speisesaal mit 60 Plätzen im Wickham Arms, bis seine sexuelle Beziehung mit der Frau des Besitzers die Situation schwierig machte.<ref>{{Internetquelle |url=http://sixtyminutes.ninemsn.com.au/stories/benfordham/449154/the-chef-from-hell |titel=The Chef from Hell |datum=2012-01-18 |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120118223745/http://sixtyminutes.ninemsn.com.au/stories/benfordham/449154/the-chef-from-hell |archiv-datum=2012-01-18 |archiv-bot= |abruf=2022-01-14}}</ref> Ramsay zog dann nach London, wo er in einer Reihe von Restaurants arbeitete, bis er inspiriert wurde, für den temperamentvollen [[Marco Pierre White]] im Harveys zu arbeiten.<ref name=":2" /><br />
<br />
=== Chefkoch ===<br />
Das von Ramsay im Jahr 1998 in [[Chelsea (London)]] eröffnete ''Restaurant Gordon Ramsay'' wurde im Jahr 2002 vom [[Restaurant Magazine]] auf den zweiten Platz der [[The World’s 50 Best Restaurants]] gewählt.<br />
<br />
In Deutschland wurde Ramsay durch seine Sendung ''[[Gordon Ramsay: Chef ohne Gnade]]'' (Originaltitel: ''Ramsay’s Kitchen Nightmares'', [[Channel 4]]) bekannt, die sonntags auf [[DMAX]] ausgestrahlt wurde, und durch die Sendung ''[[Kitchen Nightmares|In Teufels Küche]]'' (Originaltitel: ''Kitchen Nightmares'', [[Fox Broadcasting Company|FOX]]), die bei [[RTL II]] von April bis August 2008 ausgestrahlt wurde. Dabei handelt es sich um das gleiche Sendungskonzept, das er in Großbritannien für Channel 4 und in den USA für FOX produziert. In diesen Sendungen versucht er angeschlagenen Restaurantbesitzern wieder auf die Beine zu helfen. Seit dem Jahre 2006 betreibt er einen YouTube-Kanal, auf dem er regelmäßig Videos rund um das Thema Kochen hochlädt. Der Kanal hat über 19,6 Millionen Abonnenten (Dezember 2022).<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/user/gordonramsay?hl=de |titel=Gordon Ramsay |sprache=de-DE |abruf=2019-12-09}}</ref><br />
<br />
Typisch für ihn ist seine [[Vulgarität]], insbesondere die häufige Verwendung des englischen Wortes {{lang|en|[[fuck]]}}.<br />
<br />
=== Privates ===<br />
Gordon Ramsay ist seit 1996 mit Tana Ramsay verheiratet und hat fünf Kinder.<br />
<br />
== Veröffentlichungen ==<br />
* ''Humble Pie.'' HarperCollins, London 2006, ISBN 978-0-00-722967-3 (Autobiographie)<br />
* ''Schnelle Sterneküche.'' Dorling Kindersley, München 2008, ISBN 978-3-8310-1130-8 (Originaltitel: ''Fast Food'')<br />
* ''Gesund schmeckt besser!'' Dorling Kindersley, München 2009, ISBN 978-3-8310-1388-3 (Originaltitel: ''Healthy Appetite'')<br />
* ''Geschmack pur: Meine besten Rezepte.'' Egmont Vgs 2009, ISBN 978-3-8025-3695-3 (Originaltitel: ''Passion for flavour'')<br />
* ''Dinner für Freunde.'' Dorling Kindersley, München 2010, ISBN 978-3-8310-1649-5 (Originaltitel: ''Cooking for Friends'')<br />
* ''Drei-Sterne-Küche. 50 Originalrezepte aus dem Drei-Sterne-Restaurant.'' Dorling Kindersley, München 2010, ISBN 978-3-8310-1717-1 (Originaltitel: ''Recipes from a 3 Star Chef'')<br />
<br />
== Fernsehsendungen ==<br />
* ''[[Gordon Ramsay: Chef ohne Gnade]]'' (Originaltitel: ''Ramsay’s Kitchen Nightmares'') Großbritannien<br />
* ''In Teufels Küche'' (Originaltitel: ''Kitchen Nightmares'') USA<br />
* ''Hell’s Kitchen'' USA<br />
* ''Hell’s Kitchen'' Großbritannien<br />
* ''Gordon Ramsay's Home Cooking''<br />
* ''The F-Word''<br />
* ''Gordon Ramsay: Uncensored''<br />
* ''Ramsay's Best Restaurant''<br />
* ''Gordon's Great Escape''<br />
* ''Hotel Hell''<br />
* ''MasterChef'' USA<br />
* ''[[Die Simpsons]]'': Gastauftritt in Folge (23.5) – FoodFellas (The Food Wife)<br />
* ''Gordon Behind Bars''<br />
* [[New Girl]]: Gastauftritt in Folge (6.16) – Operation: Bobcat<br />
* ''Gordon Ramsay's 24 Hours to Hell & Back''<br />
* ''[[The Masked Singer (Vereinigte Staaten)|The Masked Singer]]'': Gastjuror in Folge (3.13)<br />
* ''[[Gordon, Gino and Fred: Road Trip]]''<br />
* ''Next Level Chef''<br />
<br />
== App ==<br />
Mitte 2016 erschien die [[Mobile App|App]] ''Gordon Ramsay Dash'' der Firma ''Glu''.<ref>[https://itunes.apple.com/app/id1089048531?mt=8&ign-mpt=uo%3D4 itunes.apple.com: Restaurant DASH: Gordon Ramsay]</ref><br />
Ramsay leitet dabei den Spieler als Comicfigur inklusive Original-Sprachdateien an. Ein kurzes Originalvideo von ihm ist ebenfalls vorhanden.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{DNB-Portal|137112394}}<br />
* {{IMDb|nm1451059}}<br />
* [https://www.gordonramsay.com/ Offizielle Website] von Gordon Ramsay<br />
* [https://www.baunetz-id.de/id/651171 Designlines: Interview mit Gordon Ramsay]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=137112394|LCCN=n97007480|VIAF=65750340}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Ramsay, Gordon}}<br />
[[Kategorie:Fernsehkoch (Vereinigtes Königreich)]]<br />
[[Kategorie:Entertainer]]<br />
[[Kategorie:Gastronom]]<br />
[[Kategorie:Sachbuchautor (Essen und Trinken)]]<br />
[[Kategorie:Koch (Vereinigtes Königreich)]]<br />
[[Kategorie:Officer des Order of the British Empire]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1966]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Ramsay, Gordon<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Ramsay, Gordon James (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=britischer Koch und Fernseh-Entertainer<br />
|GEBURTSDATUM=8. November 1966<br />
|GEBURTSORT=[[Johnstone (Schottland)|Johnstone]], [[Schottland]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=John_Baldessari&diff=236423894John Baldessari2023-08-14T18:41:55Z<p>Designer2k2: /* Ausstellungen (Auswahl) */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:John Baldessari (2009).jpg|mini|John Baldessari in Venedig, 2009]]<br />
[[Datei:John Baldessari headshot.tif|mini|John Baldessari, 2004]]<br />
<br />
'''John Anthony Baldessari''' (* [[17. Juni]] [[1931]] in [[National City]], [[Kalifornien]]; † [[2. Januar]] [[2020]] in [[Venice (Los Angeles)|Venice]], Kalifornien) war ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[Künstler]] und bedeutender Vertreter der zeitgenössischen [[Konzeptkunst|Konzept-]] und [[Medienkunst]].<br />
<br />
== Leben ==<br />
Am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn stand die Malerei, jedoch verbrannte er im Jahr 1970 in dem Aufsehen erregenden „Cremation Project“ alle seine zwischen 1953 und 1966 entstandenen Malereien. Baldessari widmete sich von diesem Zeitpunkt an der Arbeit mit Bildern und Sprache sowie den Wechselbeziehungen zwischen diesen beiden Ausdrucksformen.<br />
<br />
Durch seine Bilder, Fotoarbeiten, Videoperformances, Collagen, Cut-Ups und letztlich durch seine Konzeptkunst untersuchte der Künstler die Mechanismen der medialen Repräsentation. Seine Werke wurden bisher in mehr als 120 internationalen Einzelausstellungen und über 300 Gruppenausstellungen gezeigt.<br />
<br />
Für die Saison 2017/2018 in der [[Wiener Staatsoper]] gestaltete er als 20. Kunstwerk für die von [[museum in progress]] konzipierte Ausstellungsreihe „Eiserner Vorhang“ das riesige Großbild (176 m²) „Graduation“.<ref>Kaspar Mühlemann Hartl, museum in progress; Dominique Meyer, Wiener Staatsoper (Hrsg.): ''CURTAIN – VORHANG. Ein lebendiger Museumsraum – Der Eiserne Vorhang der Wiener Staatsoper'', Wien: Verlag für moderne Kunst 2017, S. 16–21.</ref><br />
<br />
John Baldessari lehrte am [[California Institute of the Arts]] und an der [[University of California, Los Angeles]]. Er starb Anfang 2020 im Alter von 88 Jahren in Kalifornien.<br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
* 1996: [[Oskar Kokoschka Preis]]<br />
* 1999: [[Spectrum – Internationaler Preis für Fotografie]] der Stiftung Niedersachsen<br />
* 2004: [[Fellow]] der [[American Academy of Arts and Sciences]]<br />
* 2008: Mitglied der [[American Academy of Arts and Letters]]<br />
* 2009: [[Goldener Löwe]] der [[Kunstbiennale Venedig]] für sein Lebenswerk<br />
* 2012: [[Goslarer Kaiserring]]<br />
<br />
== Ausstellungen (Auswahl) ==<br />
* 1972: [[Documenta 5]] [[Kassel]] in den Abteilungen ''[[Individuelle Mythologie]]n: Video'' und ''Idee + Idee/Licht''.<br />
* 1982: [[Documenta 7]] Kassel.<br />
* 2005: ''Life’s Balance. (1984–2004),'' [[Kunsthaus Graz]].<br />
* 2007: ''Music,'' [[Kunstmuseum Bonn]].<br />
* 2007: ''Eden: Adam and Eve (with Ear and Nose) plus Serpent,'' [[Portikus]], Frankfurt am Main<ref>{{Webarchiv |url=http://www.portikus.de/exhibition_145.html |text=Ausstellung ''John Baldessari. Eden: Adam and Eve (with ear and nose) plus serpent.'' |wayback=20110710062216 |archiv-bot=}} Website Portikus, Frankfurt am Main.</ref><br />
* 2008: ''Kavalierstart. 1978–1980. Aufbruch in die Kunst der 80er.'' [[Museum Morsbroich]], Leverkusen, (Gruppenausstellung).<br />
* 2009: ''Pure Beauty,'' [[Tate Gallery of Modern Art]], London.<br />
* 2009: ''BRICK BLDG, LG WINDOWS W/XLENT VIEWS, PARTIALLY FURNISHED, RENOWNED ARCHITECT'' (Backsteingebäude, große Fenster mit exzellenter Aussicht, teilweise möbliert, namhafter Architekt), [[Kunstmuseen Krefeld|Museum Haus Lange]], Krefeld<ref>{{Webarchiv|url=http://www.kunstmuseenkrefeld.de/d/ausstellungen/ausstellung/hl20090301.html |wayback=20131016092505 |text=John Baldessari BRICK BLDG, LG WINDOWS W/XLENT VIEWS, PARTIALLY FURNISHED, RENOWNED ARCHITECT.}} Museum Haus Lange</ref><br />
* 2010: ''An einem schönen Morgen des Monats Mai…,'' [[Gesellschaft für Aktuelle Kunst]], Bremen, (Gruppenausstellung).<br />
* 2010/11: ''Pure Beauty,'' [[The Metropolitan Museum of Art]], New York.<br />
* 2011: ''John Baldessari. Your Vision in Lights,'' Temporary Stedelijk, Amsterdam<br />
* 2011: ''John Baldessari. Double Vision,'' Mai 36 Galerie, Zürich<br />
* 2017/18: ''Eiserner Vorhang. Graduation,'' [[museum in progress]], [[Wiener Staatsoper]], Wien<ref>[https://www.mip.at/creations/eiserner-vorhang-2017-2018 Ausstellungsseite „Eiserner Vorhang. Graduation“], [[museum in progress]]</ref><br />
<br />
== Film ==<br />
* [[Jan Schmidt-Garre]]: ''This is not that – The artist John Baldessari'', Dokumentation, Arthaus Musik GmbH 2009 (2006), ISBN 978-3-939873-37-2.<br />
<br />
== Öffentliche Sammlungen ==<br />
* [[Migros Museum für Gegenwartskunst]]<br />
* [[Museum of Modern Art]], 113 Werke (Stand 18. August 2021)<br />
* [[Video-Forum]], Neuer Berliner Kunstverein, Berlin<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Intermedialität]]<br />
<br />
== Literatur und Quellen ==<br />
* Ausstellungskatalog: ''documenta 5. Befragung der Realität – Bildwelten heute''; Katalog (als Aktenordner) Band 1: (Material); Band 2: (Exponatliste); Kassel 1972<br />
* documenta Archiv (Hrsg.); ''Wiedervorlage d5 – Eine Befragung des Archivs zur documenta 1972''; Kassel/Ostfildern 2001, ISBN 3-7757-1121-X.<br />
* Katalog: ''documenta 7 Kassel''; Bd. 1: (Visuelle Biographien der Künstler); Bd. 2: (Aktuelle Arbeiten der Künstler); Kassel 1982, ISBN 3-920453-02-6.<br />
* ''Somewhere between almost right and not quite (with orange)'', Hatje Cantz, Ostfildern 2004, ISBN 978-3775715591.<br />
* ''Miracle Chips: Guaranteed Fresh'', Little Steidl, Göttingen 2009, ISBN 978-3-86521-677-9.<br />
* ''Parse'', JRP Ringier, Zürich 2010, ISBN 978-3037641170.<br />
* ''John Baldessari / Barbara Bloom: Between Artists'', A.R.T. Press, New York 2011, ISBN 978-0-923183-47-9.<br />
* ''John Baldessari, Ich versuche Kunst zu machen, die nicht nach Kunst aussieht''. Interview mit [[Fabian Stech]] [[Kunstforum International]] Bd. 220 (2013), S. 152–163<br />
* museum in progress (Hrsg.): ''Artists Talking: Conceptual Art'', DVD, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2017, ISBN 978-3-96098-245-6.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{DNB-Portal|118506153}}<br />
* {{documenta Archiv|000000096| John Baldessari}}<br />
* [http://www.baldessari.org/ Baldessari.org] (engl.)<br />
* {{Kunstaspekte|ID=john-baldessari}}<br />
* John Baldessari: [http://creative.arte.tv/fr/space/Neuer_Berliner_Kunstverein_Video-Forum/message/2626/John_Baldessari__I_Am_Making_Art__1971_/ “I Am Making Art”], 1971 (Video)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118506153|LCCN=n50017617|VIAF=51819124}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Baldessari, John}}<br />
[[Kategorie:Maler (Vereinigte Staaten)]]<br />
[[Kategorie:Konzeptkünstler (Vereinigte Staaten)]]<br />
[[Kategorie:Medienkünstler (Vereinigte Staaten)]]<br />
[[Kategorie:Maler der Moderne]]<br />
[[Kategorie:Künstler (documenta)]]<br />
[[Kategorie:Kaiserringträger der Stadt Goslar]]<br />
[[Kategorie:Kokoschka-Preisträger]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der American Academy of Arts and Letters]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der American Academy of Arts and Sciences]]<br />
[[Kategorie:Person (Kalifornien)]]<br />
[[Kategorie:US-Amerikaner]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1931]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2020]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Baldessari, John<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Baldessari, John Anthony (vollständiger Name)<br />
|KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Konzeptkünstler<br />
|GEBURTSDATUM=17. Juni 1931<br />
|GEBURTSORT=[[National City]], [[Kalifornien]]<br />
|STERBEDATUM=2. Januar 2020<br />
|STERBEORT=[[Venice (Los Angeles)|Venice]], Kalifornien<br />
}}</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Alice,_der_Klimawandel_und_die_Katze_Zeta&diff=236415736Alice, der Klimawandel und die Katze Zeta2023-08-14T17:12:49Z<p>Designer2k2: /* Inhalt */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>'''Alice, der Klimawandel und die Katze Zeta''' ist ein [[Science-Fiction#Cli-Fi_.2F_Klima-Fiktion|Cli-Fi]]-Buch von [[Margret Boysen]]; es wurde 2016 bei [[Edition Rugerup]] veröffentlicht. Der Inhalt ist ein wenig von [[Alice im Wunderland]] inspiriert. <br />
<br />
== Inhalt ==<br />
Auf einem Schulausflug zum Potsdamer [[Telegrafenberg]] läuft Alice hinter einem weißen Kaninchen her – und fällt in ein Loch, den Lüftungsschacht des Supercomputers eines Klimaforschungsinstituts.<ref>{{Internetquelle |url=https://newsroom.unfccc.int/unfccc-newsroom/explaining-climate-science-with-a-climate-fairy-tale/ |titel=Explaining Climate Science with a Climate Fairy Tale |datum=2017-04-03 |offline= |archiv-url=https://web.archive.org/web/20170403071101/https://newsroom.unfccc.int/unfccc-newsroom/explaining-climate-science-with-a-climate-fairy-tale/ |archiv-datum=2017-04-03 |archiv-bot= |abruf=2022-11-13}}</ref><br />
<br />
Alice lernt viele seltsame Charaktere kennen, die selbst Produkte wissenschaftlicher Beobachtung und Berechnung sind, zum Beispiel Lady Celsius und Prinz Carbon. Die Charaktere erklären Alice in einfacher Sprache, wer sie sind, was sie tun. Allegorische Tierfiguren entwickeln eigene absurden Theorien darüber, was der Klimawandel ist und was dagegen zu tun ist. <br />
<br />
Nur die Katze Zeta ist weise und erklärt Alice, wie sie den gefährlichen Klimawandel vermeiden kann, auf den die Welt zusteuert. Es gibt eine Teeparty des verrückten Hutmachers, bei der sich bizarre Tiere fragen, ob der Klimawandel real ist, und ihn meist als unbewiesene Theorie abtun. Der verrückte Hutmacher in Boysens Buch trägt einen Zylinder mit der Aufschrift „BAU“ für Business as usual. Ein Journalist macht Notizen und kommt zu dem Schluss, dass die Debatte noch weit offen ist, weil alle Ansichten so widersprüchlich sind.<br />
<br />
== Publikation ==<br />
* ''Alice, der Klimawandel und die Katze Zeta.'' Edition Rugerup, 2016, ISBN 978-3942955522.<br />
<br />
== Übersetzung ==<br />
Das Buch wurde ins [[Französische Sprache|Französische]] und [[Englische Sprache|Englische]] übersetzt. Die Titel sind ''Alice, le Chat Zeta et la Change Climatique'' beziehungsweise ''Alice, the Zeta Cat and Climate Change: A fairytale about the truth''.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [https://www.edition-rugerup.de/?product=alice-der-klimawandel-und-die-katze-zeta Im Katalog des Verlages]<br />
* [https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/alice-der-klimawandel-und-die-katze-zeta-ein-maerchen-ueber-die-wahrheit?set_language=de PIK Pressemitteilung]<br />
* [https://www.klimafakten.de/meldung/alice-den-klimamodellen Alice in den Klimamodellen - Besprechung in "Klimafakten]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=w|VIAF=1592154801892756310003}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Alice der Klimawandel und die Katze Zeta}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Literatur (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Fantasyliteratur]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Commodore_16&diff=233779758Commodore 162023-05-16T16:22:30Z<p>Designer2k2: /* Geschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{QS-Informatik|Überarbeitung notwendig: Fließtext. [[Benutzer:Knurrikowski|Knurrikowski]] ([[Benutzer Diskussion:Knurrikowski|Diskussion]]) 14:45, 11. Apr. 2016 (CEST)}}<br />
{{Belege fehlen}}<br />
[[Datei:Commodore 16 002f.jpg|miniatur|Der Commodore 16]]<br />
<br />
Der '''Commodore 16''', kurz '''C16''' ist ein Acht-Bit-[[Heimcomputer]] der Firma [[Commodore International|Commodore]]. Er ist ein Modell aus der [[Commodore-264-Serie]] und sollte den [[Commodore VC 20|Commodore VC&nbsp;20]] als Einstiegscomputer ersetzen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
[[Datei:C16.jpg|miniatur|Commodore 16 mit Datasette]]<br />
[[Datei:Commodore 16 start easteregg 01.jpg|miniatur|Startbildschirm des C16 mit ''Easter Egg'']]<br />
<br />
Der C16 wurde konstruiert, um gegen andere Computer von [[Timex]] Corporation, [[Mattel]] und [[Texas Instruments]] im Preissegment unterhalb von 100 Dollar zu konkurrieren. Er war als Nachfolger des erfolgreichen [[Commodore VC 20|VC&nbsp;20]] gedacht, denn dieser war mittlerweile technisch überholt. Der damals erfolgreiche [[Commodore 64|C64]] war mit mehr RAM sowie besseren Sound- und Grafikchips für das unterste Preissegment nicht geeignet. Die Computer von [[Sinclair Research|Sinclair]] ([[Sinclair ZX80|ZX80]]/[[Sinclair ZX81|ZX81]]/[[Sinclair ZX Spectrum|Spectrum 16 KB]]) waren zwar günstiger als der VC 20, besaßen jedoch nicht dessen große Schreibmaschinentastatur. [[Jack Tramiel]], Gründer von Commodore International Ltd., befürchtete, dass einige japanische Unternehmen versuchen würden, mit sehr preisgünstigen Heimcomputern ([[MSX]]) auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen. So wurde der C16 ins Leben gerufen, um Commodore im unteren Preissegment ein starkes Standbein zu verschaffen. Atari bot mit dem [[Atari-Heimcomputer#Atari XL|Atari 600XL]] auch einen Heimcomputer für den unteren Einstiegsmarkt an, der größere Bruder, der [[Atari-Heimcomputer#Atari XL|Atari 800XL]], stand in Konkurrenz mit dem Commodore 64.<br />
<br />
Der C16 wurde im Juni 1984 angekündigt und ab 1985 verkauft. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Mattel und TI aus dem Heimcomputermarkt zurückgezogen, japanische Unternehmen brachten zwar dann mit den MSX-Computern auch Heimcomputer auf den Markt, aber auch diese standen eher in Konkurrenz zum Commodore 64. Im Jahr 1984 galten aber die Heimcomputer mit 64&nbsp;KB RAM (C64, Atari 800XL, [[Amstrad CPC|CPC 464]], MSX) bereits als Einstiegsheimcomputer, so dass man schon vorher dem C16/C116 keinen großen Erfolg versprochen hatte.<br />
<br />
Wie dem kompletten Trio der [[Commodore-264-Serie|264-Serie]] (C16, [[Commodore 116|C116]] und [[Commodore Plus4|Plus/4]]) war auch dem C16 kein großer Erfolg beschieden. So gab es zunächst keine nennenswerte Menge an Spielen und „richtigen“ Anwendungen.<br />
<br />
Einzig durch die Position „erster Computer von [[Aldi]]“ erlangte er in Deutschland eine gewisse Berühmtheit und erlebte einen kleinen Boom. Es handelte sich dabei ursprünglich um eine reine Abverkaufsaktion restlicher Lagerbestände. Der Rechner wurde bei Aldi zusammen mit einem [[Datasette]]nlaufwerk ''1531'' und einer ''BASIC-Kurs''-Software als „Lernpaket BASIC“ für nur 149&nbsp;[[Deutsche Mark|DM]] angeboten. Nachdem die komplette Charge innerhalb weniger Tage und dies nur in der Hälfte des (damaligen) Bundesgebiets ausverkauft war, mussten aus Ersatzteil-Restbeständen noch Exemplare nachproduziert werden, um die Nachfrage halbwegs zu befriedigen. Dieser kleine Boom machte sich auch am Software-Markt bemerkbar. Eine der deutschen Software-Firmen, die daraufhin einige für die damalige Zeit und das recht einfache System hochwertige Spiele und Anwendungen herausbrachte, war [[Kingsoft]].<br />
<br />
Sehr erfolgreich war der C16/116 auch in einigen Ostblockstaaten ohne eigene Heimcomputer-Industrie, vor allem in Ungarn. Dort konnten sich nur wenige die in der DDR und der Sowjetunion gebauten Computer leisten, und die meisten westlichen Modelle waren gar nicht erhältlich. Dorthin wurden, einfach um ohne Entsorgungskosten die Lager zu räumen, weitere Restbestände des C16 und C116 zu sehr günstigen Preisen exportiert, was einen eigenen kleinen Boom auslöste. Von dort stammt auch eine Reihe von inoffiziellen Konvertierungen beliebter C64-Spiele auf den C16.<br />
<br />
Nachdem der C16 und die Varianten C116 und Plus/4 in mehreren europäischen Ländern Verbreitung gefunden hatten, wurden im Zeitraum von 1983 bis circa 1992 etwas über 400 kommerzielle Spiele<ref>TheLegacy.de Webseite: {{Webarchiv |url=http://www.thelegacy.de/Museum/ |text=TheLegacy: a nostalgic game museum |wayback=20150608095853 |archiv-datum= |archiv-bot=}}. Abgerufen am 14. Juni 2015.</ref> und ungefähr etwas über 100 kommerzielle Anwendungsprogramme produziert und vermarktet. Auch entwickelte sich relativ früh ein eigenes, parallel zu den vorherrschenden Commodore 64/128- sowie Schneider CPC-Systemen, existierendes Systemsegment im Zeitschriftenmarkt. „Compute mit“ war zur damaligen Zeit eines der führenden Computermagazine für Commodore Computer, in der Ausgabe 43/84 (1984)<ref>Kultboy Webseite: [http://www.kultboy.com/magazin/883/ Cover: Compute mit 43/84 – Testberichte, Redakteure, Scans, Infos, Magazin]. Abgerufen am 14. Juni 2015.</ref> wurden zahlreiche Varianten der Commodore 16-Familie erstmals vorgestellt.<br />
<br />
Commodore hat sich mit dem C16/116/PLUS4 wie auch später mit dem [[Amiga 600]] Konkurrenz für die eigenen Produkte gemacht, ohne aber die Vorgänger an Leistung zu übertreffen.<br />
<br />
Der C16 enthält ein frühes Beispiel für ein [[Easter Egg]]: Bei Eingabe des Befehls [[SYS (BASIC)|SYS]] 52650 werden die Namen der Entwickler ''F. Bowen, J. Cooper, B. Herd, T. Ryan'' angezeigt. ''F. Bowen'' erscheint dabei invertiert, ''T. Ryan'' blinkend. Der leitende [[Elektronikentwickler]] [[Bil Herd]] war später auch für die Entwicklung des erfolgreicheren [[Commodore 128]] verantwortlich.<br />
<br />
== Gehäuse ==<br />
<br />
[[Datei:C16OVPPS.jpg|mini|<span style="font-size:85%>Hinten: Commodore 16 Originalverpackung. Vorne links: Prototyp (vergleiche Abbildung!), rechts daneben ein Seriengerät mit schwarzem Gehäuse</span>]]<br />
<br />
Äußerlich ähnelt der C16 dem VC&nbsp;20 und dem C64 (="Brotkastengehäuse"), jedoch wurden Gehäuse und Tastatur farblich verändert: Die ursprüngliche Planung sah ein anthrazitfarbenes Gehäuse mit dunkelgrauem Tastenfeld und hellgrauen Funktionstasten vor. Es wurden aus umgearbeiteten C64-Gehäusen Prototypen in dieser Farbgebung angefertigt und Bilder dieser Geräte wurden u.&nbsp;a. für Pressefotos und als Abbildung auf der Originalverpackung verwendet.<ref name="F64">Forum64.de: [https://www.forum64.de/index.php?thread/74986-commodore-16-prototyp-vorstellung-fotos/ Ausführlicher Bericht über einen Commodore 16 Prototypen]. Abgerufen am 26. Mai 2019</ref> Bei der Serienproduktion wurde das neue Farbschema wieder verworfen und das äußere Erscheinungsbild an das des Commodore 264 bzw. Plus/4 angepasst: Das Gehäuse wurde in Schwarz, das Tastenfeld in Hellgrau und die Funktionstasten in Dunkelgrau abgeändert. Bei späteren Geräten variieren die Gehäusefarben von anthrazitgrau matt bis schwarz glänzend.<br />
<br />
Die Tastaturbelegung des C16 war teilweise anders als bei dem VC&nbsp;20 und C64, so gab es jetzt vier getrennte [[Cursor]]-Steuertasten ([[Pfeiltaste]]n), während die Rücksetztaste RESTORE zugunsten eines seitlich angebrachten Reset-Knopfes entfiel.<br />
<br />
Der C16 besaß anders als der C64 keinen [[Userport]]. Der größte Anschluss ist der Expansions-Port, an diesem wurde auch das Floppylaufwerk ''[[VC1551|Commodore 1551]]'' angeschlossen. An der rechten Gehäuseseite befinden sich<br />
<br />
* Stromanschluss (9&nbsp;[[Volt|V]] Gleichspannung, 1&nbsp;[[Ampere|A]], innerer Pol negativ, äußerer positiv<ref>{{cite web|url=http://crossconnect.tripod.com/264TECH.HTML |title=Commodore 264 Series Technical Page |publisher=Crossconnect.tripod.com |date= |accessdate=2010-06-06}}</ref>)<br />
* Ein-Aus-Schalter<br />
* Reset-Taster<br />
* zwei achtpolige [[Mini-DIN]]-Buchsen zum Anschluss von [[Joystick]]s (siehe unten)<br />
<br />
Auf der Hinterseite des Gehäuses befinden sich:<br />
<br />
* serieller Bus-Anschluss ([[CBM-Bus]] zum Anschluss der Floppylaufwerke [[VC1541|1541]], [[VC1571|1570]], [[VC1571|1571]] oder [[VC1581|1581]] des C64 oder eines seriellen Druckers, gleiche Buchse wie am VC-20 und am C64);<br />
* eine siebenpolige Mini-DIN-Buchse zum Anschluss der [[Datasette|1531 Datasette]] (siehe unten);<br />
* Audio/Video-Ausgang (DIN, achtpolig, gleiche Buchse wie am C64) zum Anschluss eines Monitors mit [[Composite Video|Composite]]- oder [[S-Video]]-Eingang oder eines entsprechend ausgestatteten Fernsehgeräts;<br />
* [[Hochfrequenz|HF]]-Ausgang, zum direkten Anschluss von [[Phase Alternating Line|PAL]]- oder [[National Television Systems Committee|NTSC]]-Fernsehgeräten über deren Antennenbuchse (PAL-Geräte verwenden den [[Dezimeterwelle|UHF]]-Kanal 36, 591,25 [[Hertz (Einheit)|MHz]]);<br />
* Expansions-Port, mit einer kleineren Buchse als der Expansions-Port des C64 und auch elektrisch nicht kompatibel zu diesem.<br />
<br />
== Technische Daten ==<br />
<br />
[[Datei:C16pi.jpg|miniatur|Ursprünglich geplante einseitige Platine (Prototyp)]]<br />
[[Datei:Commodore 16 Main PCB.jpg|miniatur|Kleinere doppelseitige Platine, standardmäßig im C16 verbaut]]<br />
<br />
* Platine: Es gibt insgesamt zwei Ausführungen der Hauptplatine des C16: Zum einen die in den Seriengeräten verwendete sehr kompakte doppelseitige Platine, und zum anderen eine erheblich größere, aber nur einseitig konstruierte Platine (Single Layer), welche jedoch ausschließlich in den Prototypen des C16 verbaut war. Die Konstruktion dieser Platine war ein außergewöhnlicher Versuch seitens Commodore, bei der Produktion des C16 zusätzlich Kosten einsparen zu können, was jedoch vermutlich aufgrund technischer Probleme letztendlich scheiterte.<ref>Plus4world.com: [http://plus4world.powweb.com/forum/34360/ Bil Herd: About the Commodore 16 prototype (englisch)]. Abgerufen am 27. Dezember 2017.</ref><ref>Heinz Nixdorf Museum [https://nat.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=209570 Commodore 16 Prototyp]. Abgerufen am 12. Dezember 2018.</ref> Weltweit ist nur ein einziges Exemplar einer solchen einseitig konstruierten Heimcomputerplatine von Commodore erhalten geblieben.<ref name="F64" /> Der Produktionspreis dieser Platine lag bei circa 12 US-Dollar.<ref>YouTube.com: [https://www.youtube.com/watch?v=zGBGLShWlco&t=2049 Life at Commodore (Act II) — Bil Herd (englisch)]. Abgerufen am 12. Februar 2022.</ref><br />
* CPU: Die im C16 verwendete CPU ist ein Acht-Bit-[[MOS Technology|MOS]]-7501 oder -MOS-8501. Trotz unterschiedlicher Bezeichnungen sind die CPUs identisch, lediglich der Herstellungsprozess wurde geändert, so dass MOS sich dazu entschied, dies durch eine Namensänderung kenntlich zu machen. Die 7501- und 8501-CPU ist, was die offiziellen Befehle angeht, befehlskompatibel zur [[MOS Technology 6510|6510-CPU]] des C64. Aufgrund des radikal geänderten inneren Aufbaus der 264-Reihe im Gegensatz zum C64 konnte hieraus jedoch kaum Kapital geschlagen werden. Im C16 wickelt die CPU über ihren eingebauten Ein-/Ausgabe-Port auch die Ansteuerung von Datasette und seriellem Bus ab.<br />
* Taktfrequenz: Der C16 arbeitet mit 885 [[Hertz (Einheit)|kHz]] und 1,76&nbsp;MHz. Der [[MOS Technology TED|TED]]-Chip erzeugt die Taktfrequenz und schaltet zwischen diesen Frequenzen hin und her, je nachdem, ob er selbst auch Zugriff auf den Bus benötigt. So arbeitet der TED bei der Grafikausgabe und [[Dynamic Random Access Memory|DRAM]]-Refresh mit der niedrigen und schaltet während der Darstellung des Bildschirmrahmens und der Synchronpulse auf die hohe Frequenz. Die Geschwindigkeit des C16 beträgt im Mittel somit nur ca. 1&nbsp;MHz.<br />
* RAM: Verkauft wurde der C16 mit 16&nbsp;[[Speicherkapazität|KB]] [[Random-Access Memory|RAM]], wobei unter [[BASIC]] lediglich 12.277 Bytes (ca. 12&nbsp;KB) verfügbar waren. Bei eingeschaltetem Grafikmodus verringerte sich der freie Speicher für BASIC-Programme auf 2&nbsp;KB. Der maximal vorgesehene Speicherausbau des C16 liegt bei 64&nbsp;KB, so dass sich durch den Austausch der zwei µPD4416-DRAM-Chips (16&nbsp;KB&nbsp;×&nbsp;4) gegen pinkompatible µPD4464-DRAMs (64&nbsp;KB&nbsp;×&nbsp;4) und das Ziehen von zwei Drahtbrücken (die nicht verbundene Adressleitung beider Adressdecoder zum entsprechenden Anschluss jedes RAM-Bausteins) der freie BASIC-Speicher auf 60.671&nbsp;Bytes (ca. 60&nbsp;KB) erhöhen lässt (größere Speichererweiterungen, z.&nbsp;B. 256&nbsp;KB, lassen sich durch von Bastlern realisierte [[Bankswitching]]-Lösungen integrieren). Die letzten Modelle besitzen wegen der zwischenzeitlichen Produktionseinstellung der 4416-Chips bereits ab Werk die 4464-RAMs, so dass man nur noch die Drahtbrücken legen muss. Der so erweiterte C16 ist aus Softwaresicht bis auf die fehlende ROM-Anwendungssoftware (3-Plus-1), den fehlenden [[MOS Technologies 6551|6551]]-Interfacechip für das [[RS-232]]-Interface und den Acht-Bit-I/O-Chip MOS 6529 identisch zum [[Commodore Plus4|Plus/4]], daher lief außer [[Terminalprogramm]]en praktisch sämtliche Plus/4-Software auf einem solchen System. Auch manche C-16-Spiele konnten den Zusatzspeicher nutzen, um beispielsweise eine bessere Grafik darzustellen.<br />
* Rechner, die unter dem Management von Jack Tramiel erstellt wurden<br />
:{| class="wikitable"<br />
! Verkaufsstart<br />
! Name<br />
! DRAM Zugriffe (ms)<br />
|-<br />
| 1983<br />
| C64<br />
| 2000<br />
|-<br />
| 1984<br />
| C16<br />
| 1760<br />
|-<br />
| 1985<br />
| Atari ST<br />
| 4000<br />
|}<br />
<br />
* ROM: Im 32&nbsp;KB großen [[Festwertspeicher|ROM]] des C16 liegt das [[Commodore-BASIC|BASIC 3.5]], ein weiterentwickeltes [[Commodore-BASIC|BASIC 2.0]] des C64. Im ROM befindet sich dazu ein integrierter [[Maschinensprachemonitor]], mit dessen Hilfe sich Programme debuggen lassen.<br />
* TED-Chip: Der 'Text EDitor' [[MOS Technology TED|TED]]-Chip wurde von MOS unter der Bezeichnung MOS-7360 gefertigt. Während im C64 für die Grafik- und Soundausgabe sowie das Interfacing noch unterschiedliche ICs verbaut wurden ([[MOS Technology VIC II|VIC-II]], [[MOS Technology SID|SID]], 2× [[MOS Technology CIA|CIA]]), so war der TED das Multitalent des C16. Der 48-polige [[Dual in-line package|DIL]]-Chip übernimmt die Grafikausgabe und generiert das [[Composite Video|Composite-Video]]-Signal. Er erzeugt die Tonausgabe, liest die Tastatur- und Joystick-Eingaben, enthält drei Timer (zwei unabhängig), erzeugt die Taktfrequenz des C16, beinhaltet das Speicher-Interface und sorgt für den DRAM-Refresh-Zyklus. Er kann den kompletten 64-KB-Adressraum des C16 adressieren und erzeugt die zum Speicherzugriff notwendigen Signale (RAS, CAS und MUX). Bei ROM-Zugriffen adressiert er die richtigen Chip-Select(CS)-Leitungen, je nach Zustand der internen Register.<br />
* Grafik: 320 × 200 mit 121 Farben. Weitere Einzelheiten siehe [[MOS Technology TED|TED]].<br />
* Sound: mono, zwei Stimmen mit vier Oktaven. Eine der Stimmen kann nur Rechteckwellen produzieren, die andere Rechteckwellen oder Rauschen. Lautstärke nur insgesamt für beide Stimmen in acht Stufen einstellbar. Drei-Bit-Digitaler Sound ist möglich. Weitere Einzelheiten siehe [[MOS Technology TED|TED]].<br />
* Joystick: Commodore entschied sich, vom etablierten De-facto-Standard des [[Atari 2600]] abzuweichen und statt der neunpoligen [[D-Sub]]-Stiftleisten achtpolige [[Mini-DIN]]-Buchsen zu verbauen. Commodore selbst verkaufte nur ein einziges, aber qualitativ schlechtes Joystickmodell für diesen Anschluss, und von anderen Firmen waren gar keine erhältlich. Die Ansteuerungslogik unterscheidet sich nur geringfügig, so dass für einfache Joysticks (ohne [[Dauerfeuer]] u.&nbsp;ä.) bald Adapterkabel verfügbar wurden. An die Joystickports des C16 können anders als beim C64 nur Joysticks angeschlossen werden; für [[Paddle (Eingabegerät)|Paddles]], [[Lichtgriffel]] und [[Maus (Computer)|Mäuse]] ist der Anschluss ungeeignet. Im Gegensatz zum C64 erlaubt es die C16-Hardware, Tastatur und Joysticks völlig getrennt und ohne gegenseitige Beeinflussung abzufragen; die eingebaute Firmware nutzt diese Möglichkeit allerdings nicht aus, so dass auch beim C16 unsinnige Zeichen erscheinen, wenn man an der BASIC-Eingabeaufforderung den Joystick bewegt.<br />
* Datasetten-Interface: An dieses 300-[[Baud]]-Interface konnte eine Commodore-1531-[[Datasette]] angeschlossen werden. Im Gegensatz zum [[Platinenstecker]] der 1530-Datasette aller vorigen Commodore-Rechner hatte die 1531 einen runden [[Mini-DIN]]-Stecker. Die Signale sind aber identisch, so dass Adapter in beiden Richtungen bald verfügbar wurden.<br />
* Serieller Port: Der [[CBM-Bus|'Commodore Serial Bus']] war ein eigener von Commodore entwickelter serieller Bus. Der C16 besaß den gleichen CBM-Bus wie der C64, somit konnten die seriellen Drucker und die Floppy-Laufwerke (1541) des C64 auch am C16 betrieben werden, waren aber auch genauso langsam.<br />
* Expansions-Port: Der C16 konnte durch Module erweitert werden, diese wurden dann in diesem Slot betrieben (allerdings erschienen nur sehr wenige auf dem Markt). Die schnellere Floppy [[VC1551|1551]] des C16 wurde ebenfalls über den Expansions-Port betrieben. Etwas unglücklich war allerdings, dass der Expansions-Port durch den klobigen Stecker der 1551 einfach durchgeschleift wurde. Sofern mehrere 1551 betrieben werden sollten, mussten zuerst die Stecker ineinander und dann in den Expansions-Port gesteckt werden. Als Folge konnte man den C16 nicht an einer Tischkante betreiben, weil die Stecker durch ihr Eigengewicht den Expansions-Port mechanisch zu sehr belasteten.<br />
<br />
== Das Ende der 264-Reihe ==<br />
<br />
Die komplette 264-Serie besaß drei große Probleme: Sie hatten mit Ausnahme des Plus/4 keinen [[Userport]], die Programme waren nicht kompatibel zum C64 und Spieleprogrammierer hatten das Problem, dass der TED keine Hardwareunterstützung für [[Sprite (Computergrafik)|Sprites]] besaß wie der VIC-II des C64. Der im Gegensatz zum C64 verbesserte BASIC-Interpreter bot zwar auch Grafikfunktionen, unter anderem auch [[Shape (Computergrafik)|Shapes]]; für die Spieleprogrammierung, die üblicherweise in [[Assemblersprache|Assembler]] erfolgte, war dies jedoch unerheblich. Darüber hinaus konnte der C64 mit seinem SID einen deutlich besseren Klang produzieren als der TED.<br />
<br />
Der TED ist häufig Ursache für einen defekten Rechner. Durch die starke Erhitzung im normalen Betrieb zerstört der TED sich oft selbst. Viele Besitzer haben deswegen Kühlkörper nachgerüstet und die Versorgungsspannung des ganzen Rechners auf das untere Ende des zulässigen Spannungsbereichs reduziert. Auch das Einstecken oder Herausziehen von Kabeln an den Joystickports in laufendem Betrieb führt leicht zu einer Zerstörung des TED, da dieser ohne weitere Schutzbeschaltung direkt mit den Joystickports verbunden ist.<br />
<br />
Die CPU im C16 kann, da sie ungeschützt mit dem seriellen Port und dem Datasettenanschluss verbunden ist, beim Einstecken oder Herausziehen von Kabeln an diesen Ports bei laufendem Betrieb ebenfalls zerstört werden. Gegen Ende der Produktion des C16 wurden in der Schaltung noch einige Schutzdioden nachgerüstet, die das Problem mindern.<br />
<br />
Commodore sah die Inkompatibilitäten als kein großes Problem an, denn schließlich waren auch viele Besitzer eines VC-20 auf den Nachfolger C64 gewechselt, obwohl dieser nicht kompatibel war. VC-20-Benutzer, die sich für den C16 hätten interessieren können, gab es aber 1985 nicht mehr viele, und C64-Besitzern gab der in den meisten technischen Eigenschaften schlechtere C16 keinen Anreiz zu wechseln, zumal beim Erscheinungstermin des C16 bereits eine riesige Menge an Software für den C64 verfügbar war und der C16 keinen Userport für Erweiterungen hatte wie der C64. So wurde der C16 und die komplette 264-Reihe ein Flop. Lediglich in Ungarn konnte der C16 eine relativ große und solide Nutzergemeinde generieren.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Commodore 16}}<br />
* [http://www.old-computers.com/museum/computer.asp?c=97&st=1 Commodore-16-Informationen bei Old-Computers.com] (englisch)<br />
* [http://yape.plus4.net/ Deutsche Commodore-16-Seite]<br />
* [https://archive.org/stream/DreanCommodore01/Drean_Commodore_01#page/n5/mode/2up Review C16] in Drean Commodore (spanisch)<br />
* [https://www.forum64.de/index.php?thread/74986-commodore-16-prototyp-vorstellung-fotos/ Ausführlicher Bericht über einen Commodore 16 Prototypen]<br />
{{Navigationsleiste Commodore}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Commodore 0016}}<br />
[[Kategorie:Commodore-Computer|#0016]]<br />
[[Kategorie:Heimcomputer]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Unified_Video_Decoder&diff=233779635Unified Video Decoder2023-05-16T16:18:43Z<p>Designer2k2: /* UVD 5 */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>Der '''Unified Video Decoder''' (UVD, früher auch „Universal Video Decoder“) ist ein Videoprozessor der Firma [[AMD]] und basiert auf der Technik der Multimedia-Prozessoren [[AMD Xilleon|Xilleon]]. Die ersten Produkte, in die er integriert wurde, waren die Grafikkarten ATI Radeon HD 2400 und 2600 der [[ATI-Radeon-HD-2000-Serie|Radeon-HD-2000-Serie]]. UVD wird für [[ATI Avivo#Avivo HD|Avivo HD]] benötigt.<br />
<br />
Bei der Wiedergabe von bestimmten Videoformaten kann der UVD die [[Dekodierer|Dekodierung]] übernehmen und somit den [[Hauptprozessor]] (CPU) entlasten. Dabei können mit der ersten Version des UVDs alle Stufen des Dekodierens der HD-Formate [[H.264]] und [[VC-1]] übernommen werden.<br />
<br />
== UVD 1 ==<br />
<br />
MPEG4 AVC: Ja, VC1: Ja, mit max. 2K<br />
<br />
:UVD 1.0: RV610, RV630, RV670, RV620, RV635<ref>https://www.x.org/wiki/RadeonFeature/#index8h2</ref><br />
<br />
== UVD 2 ==<br />
<br />
Durch Verbesserung der Leistungsfähigkeit können ab UVD 2.0 zwei HD-Videostreams gleichzeitig von der Grafikkarte zur Darstellung übernommen werden, so dass die Funktion [[Bild im Bild]] möglich ist. Zudem kann die Grafikkarte nun den Hauptprozessor beim Abspielen des MPEG-2-Formats teilweise entlasten.<br />
<br />
:UVD 2.0: RS780, RS880 (MPEG4 AVC: Ja,VC1: Ja, Max. Auflösung: 2K)<br />
:UVD 2.1: RV770<br />
:UVD 2.2: RV710, RV730, RV740, Cedar, Redwood, Juniper, Cypress<br />
<br />
== UVD 3 ==<br />
<br />
UVD 3.0 unterstützt zusätzlich zu den Funktionen aus den vorherigen Generationen [[DivX]] und [[Xvid]] via [[MPEG-4]] Teil 2 Decoding und [[Blu-ray]] 3D via [[Multiview Video Coding]] (120 Hz-Stereo-3D-Unterstützung), sowie Verbesserungen an der MPEG2-Wiedergabe.<br />
<br />
Zusätzlich wurde in den GPUs der ''Southern-Islands''-Generation mit [[AMD-Radeon-HD-7000-Serie#Architektur|Graphics Core Next 1.0]]-Architektur (z.&nbsp;B. die Radeon HD7700-, 7800- und 7900-Versionen und die Radeon R7 250X-, R9 270/270X-, R9 280/280X-Versionen) sowie in den [[AMD Fusion#Piledriver-basierte Modelle (Trinity, Richland)|Piledriver]]-basierten ''Trinity''- (Ax - 5xxx, bspw. A10-5800K) und ''Richland''-APUs die Video Coding Engine (VCE) 1.0 integriert, die auch das Hardware-unterstützte [[Kodierer|Enkodieren]] von Videos in bestimmte Formate, i.&nbsp;d.&nbsp;F. in H.264/MPEG-4 AVC unterstützt.<ref name="UVD3_whitepaper">{{Internetquelle | url=http://www.amd.com/us/Documents/UVD3_whitepaper.pdf | titel={{lang|en|AMD Unified Video Decoder (UVD)}} | archiv-url=https://web.archive.org/web/20140301102643/http://www.amd.com/us/Documents/UVD3_whitepaper.pdf | archiv-datum=2014-03-01 | hrsg={{lang|en|AMD}} | zugriff=2015-06-18 | sprache=en | format=PDF}}</ref><br />
<br />
Eingeführt wurde VCE 1.0 am 22. Dezember 2011 mit der ''Tahiti''-GPU der [[AMD-Radeon-HD-7000-Serie|Radeon HD 7970]].<ref>{{cite web|url=http://www.anandtech.com/show/5261/amd-radeon-hd-7970-review/9|title=AnandTech Portal &#124; AMD Radeon HD 7970 Review: 28nm And Graphics Core Next, Together As One |publisher=Anandtech.com |date= |accessdate=2015-06-18}}</ref><ref>{{cite web|url=http://techreport.com/review/22192/amd-radeon-hd-7970-graphics-processor/5 |title=AMD's Radeon HD 7970 graphics processor - The Tech Report - Page 5 |publisher=The Tech Report |date= |accessdate=2015-06-18}}</ref><br />
<br />
:UVD 3.0: Palm (Wrestler/Ontario), Sumo (Llano), Sumo2 (Llano), Barts, Turks, Caicos, (+ MPEG2: Ja, MPEG4: Ja)<br />
:UVD 3.1: Cayman, Aruba (Trinity/Richland), Cape Verde, Pitcairn, Tahiti, Oland, (+ VCE 1.0 für GCN 1)<br />
<br />
== UVD 4 ==<br />
<br />
Mit dem UVD 4.0 wurde die Fehlertoleranz bei der H.264-Dekodierung verbessert. Diese Version wird unter anderem in den [[AMD Fusion#Kaveri (Steamroller-CPU-Kern)|APUs der Steamroller-Generation]] (''Kaveri'') und bei Grafikkarten der [[AMD-Radeon-R200-Serie]] ab Graphics Core Next 2 der ''Volcanic-Islands''-Generation (z.&nbsp;B. ''Bonaire''- und ''Hawaii''-GPUs) eingesetzt.<ref name=TweakPCJanuar2014>{{cite web|url=http://www.tweakpc.de/hardware/tests/cpu/amd_a10-7850k_a10-7700k/s06.php|title=Kaveri Test: AMD A10-7850K und A10-7700K (6/10)|author=Johannes Miederer|work=tweakpc.de|accessdate=2015-06-18}}</ref> Die verbesserte VCE 2.0 ist dort ebenfalls beigefügt und liefert qualitativ hochwertigere Resultate bei der Enkodierung.<br />
<br />
:UVD 4.2: Kaveri, Kabini, Mullins, Bonaire, Hawaii (+ VCE 2.0 für GCN 2)<br />
<br />
== UVD 5 ==<br />
<br />
UVD 5.0 wurde mit der ''Tonga''-GPU der [[AMD-Radeon-R200-Serie|AMD Radeon R9 285]] (Graphics Core Next 3) eingeführt. Neu ist die Unterstützung für H.264-Videodekodierung in 4K (auch Ultra HD/UHD genannt) bis zum Level 5.2 (dies entspricht 4Kp60; UHD bei 60 Vollbildern).<ref name=AnandtechSeptember2014>{{cite web|url=http://www.anandtech.com/show/8460/amd-radeon-r9-285-review/4|title=GCN 1.2 – Image & Video Processing - AMD Radeon R9 285 Review: Feat. Sapphire R9 285 Dual-X OC|author=Ryan Smith|work=anandtech.com|accessdate=2015-06-18}}</ref><ref>{{cite web|url=http://wccftech.com/amd-embedded-roadmap-2014-2016-leaked-insight-gen-apus-gpus/|title=AMD Embedded Roadmap 2014-2016 Leaked|work=WCCFtech|accessdate=2015-06-18}}</ref><ref>{{cite web|url=http://www.kitguru.net/components/graphic-cards/anton-shilov/key-features-of-amds-third-iteration-of-gcn-architecture-revealed/|title=Key features of AMD’s third iteration of GCN architecture revealed|work=kitguru.net|accessdate=2015-06-18}}</ref><ref>{{cite web |title=AMD Quietly Reveals Third Iteration of GCN Architecture with Tonga GPU - X-bit labs |language=de |url=http://www.xbitlabs.com/news/graphics/display/20140826114104_AMD_Quietly_Reveals_Third_Iteration_of_GCN_Architecture_with_Tonga_GPU.html |accessdate=2015-06-18 |work=xbitlabs.com |offline=yes |archiveurl=https://web.archive.org/web/20150607175942/http://www.xbitlabs.com/news/graphics/display/20140826114104_AMD_Quietly_Reveals_Third_Iteration_of_GCN_Architecture_with_Tonga_GPU.html |archivedate=2015-06-07 |archivebot=}}</ref><br />
<br />
Die VCE 3.0 kommt neu beim Enkodieren von H.264 bis 4K zum Einsatz. Dabei soll Tonga bis zu 12-mal schneller enkodieren als in Echtzeit.<ref>http://www.computerbase.de/2014-09/amd-radeon-r9-285-test-benchmarks/2/</ref><br />
<br />
:UVD 5.0: Tonga (+ Max. Auflösung 4K, VCE 3.0)<br />
<br />
== UVD 6 ==<br />
<br />
UVD 6.0 findet mit VCE 3 Verwendung in der ''Volcanic-Islands''-Generation und neben der Unterstützung für Dekodierung von H.265 (HEVC) kann dieser Level eine neue, hochqualitative Video-Skalierung bieten. In den APUs der Serie ''Stoney Ridge'' ist eine 10-Bit-Farbkanaltiefe für die Ultra-HD-Blu-ray möglich.<ref>https://www.x.org/wiki/RadeonFeature/#index6h2 x.org Radeon 3D Hardware</ref><br />
<br />
:UVD 6.0: Carrizo, Fiji (+ HEVC Decode: Ja)<br />
:UVD 6.1: Stoney (+ HEVC Decode: Ja, HDR-Support für 10-Bit-Farbkanaltiefe für HDR in Fotos, Spielen und Spielfilmen mit Ultra-HD-Blu-ray-Standard)<br />
:UVD 6.3: Polaris 10 und 11: Enkodierung von HEVC mit VCE 3.4<ref>http://www.pcgameshardware.de/AMD-Polaris-Hardware-261587/Specials/technische-Daten-Release-Codenamen-1185800/</ref>. H.265/HEVC-De- und -Encoding in 4K und 60 Bilder pro Sekunde im Main-10-Profil sind möglich.<br />
<br />
== UVD 7 ==<br />
<br />
:UVD 7.0 / VCE 4.0 (enthalten in Vega 10): Weiterentwicklung von VP9 und H.265 in Richtung 5K und 8K-Auflösungen, VP9 als Hybridlösung.<ref>https://forum.doom9.org/showpost.php?p=1815007&postcount=2058</ref><br />
<br />
== VCN 1.0 ==<br />
:Mit Einführung der APU Raven Ridge (GCN 5) wurden der bisherige Videodecoder (UVD) und der Video-Encoder (VCE) zu einer neuen Einheit namens „Video Core Next“ zusammengefasst.<br />
:Der VCN 1.0 beherrscht VP9 decoding jetzt vollständig in Hardware, beim UVD wurde ein Teil noch über die Shader berechnet.<br />
:<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
<br />
* [[Nvidia PureVideo HD]]<br />
* [[Video Decode and Presentation API for Unix|VDPAU]] – [[Programmierschnittstelle|API]] und ihre Implementation als [[Programmbibliothek]], die Programmen die Nutzung von Unified Video Decoder ermöglicht<br />
* [[Liste der Videocodecs]] für eine Übersicht relevanter Codecs<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* [http://images.ht4u.net/reviews/2010/amd_radeon_hd_6850_hd_6870_test/uvd3.png Decodervergleich UVD, UVD 2 und UVD 3] aus HT4U.net<br />
* [https://pics.computerbase.de/1/7/3/7/4/185-1080.679431194.png Decodervergleich BSP+VP2 und UVD] aus ''Computerbase.de''<br />
<br />
{{Navigationsleiste ATI Grafikchips}}<br />
<br />
[[Kategorie:Grafikchip]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Petroglyphe&diff=229824166Petroglyphe2023-01-14T05:04:40Z<p>Designer2k2: /* Asien */ Archivbot Links geprüft und Hinweise entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:MtnSheepPetroglyph.jpg|mini|Karawane von [[Dickhornschaf]]en, [[Moab (Utah)|Moab]], Utah, USA]]<br />
[[Datei:GL-Qaqortoq-Relief-01.jpg|mini|Walbilder von Qaqortoq auf [[Grönland]]]]<br />
Eine '''Petroglyphe''' (von [[Altgriechische Sprache|griechisch]] {{lang|grc|πέτρος}} ''petros'' „Stein“ und {{lang|grc|γλύφειν}} ''glýphein'' „schnitzen“) ist ein in Stein gearbeitetes [[Felsbild]] ({{enS|Rock art}} – Felskunst) aus [[prähistorisch]]er Zeit. Anders als bei der [[Felsmalerei]] ist eine Petroglyphe graviert, geschabt oder gepickt und damit in den Untergrund eingetieft.<br />
<br />
== Verbreitung und Bedeutung ==<br />
Petroglyphen sind außer in der [[Antarktis]] weltweit verbreitet. In Europa gibt es sie seit dem [[Aurignacien]]. Damit gehören sie zu den frühesten künstlerischen Äußerungen des anatomisch modernen [[Mensch]]en (''Homo sapiens'').<br />
<br />
Oft haben die Darstellungen für die Gemeinschaften, von denen sie stammen, eine hohe kulturelle und [[Glauben|religiöse]] Bedeutung. Das Erkennen der Bedeutung von Petroglyphen ist, wenn überhaupt, nur durch sehr gute Kenntnisse der jeweiligen Kultur möglich. Die Erforschung der Bedeutung von Petroglyphen ist Gegenstand der [[Archäologie]] und der [[Ethnologie]].<br />
<br />
== Techniken ==<br />
Es gibt drei Grundtechniken zur Herstellung von Petroglyphen, die häufig auch am gleichen Motiv angewandt sein können:<br />
<br />
* ''Gravieren'' (oder ''Ritzen'') bezeichnet das Eintiefen von dünnen Linien in das Gestein mit Hilfe eines harten Gegenstandes;<br />
* ''Schaben'' (oder ''Schleifen'') bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch reibende Bewegungen;<br />
* ''Picken'' (oder ''Punzen'') bezeichnet das Eintiefen von Flächen durch schlagende oder klopfende Bewegungen, wobei ein sehr unebenes Relief entsteht.<br />
<br />
== Anfänge ==<br />
=== Paläolithische Ritzungen ===<br />
Die ältesten als Kulturäußerung anerkannten [[Ritzzeichnung|Ritzungen]] befinden sich auf zwei [[Hämatit]]-Stücken, die in der [[Blombos-Höhle]] (Südafrika) gefunden wurden und durch ihren Schichtzusammenhang auf 77.000 Jahre datiert werden.<ref>[[Christopher Henshilwood|Christopher S. Henshilwood]] u. a.: ''Emergence of Modern Human Behavior: Middle Stone Age Engravings from South Africa.'' In: ''[[Science]].'' Band 295, 2002, S. 1278–1280, [[doi:10.1126/science.1067575]]. Siehe dazu auch die Abbildung unter [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/a-176441.html spiegel.de] vom 11. Januar 2002: ''Steinzeitkünstler ritzte rätselhafte Zeichen.'' bzw. in ''[http://www.trussel.com/prehist/news276.htm The Japan Times]'', vom 13. Januar 2002.</ref> Es handelt sich hier jedoch nicht um Petroglyphen, da die Hämatitstücke nicht Bestandteil der Höhlenwand waren, sondern Objekte der mobilen [[Jungpaläolithische Kleinkunst|jungpaläolithischen Kleinkunst]].<br />
<br />
Als älteste bekannte Petroglyphen im anstehenden Gestein können seit 2014 Ritzungen in einer Höhle in [[Gibraltar]] angesehen werden. Die einfachen Formen aus sich kreuzenden Linien werden dem [[Moustérien]] und damit dem [[Neandertaler]] zugeordnet. Ablagerungen über den Linien konnten auf ein Alter von mindestens 39.000 Jahren datiert werden, die Ritzungen müssen also älter sein.<ref>Joaquín Rodríguez-Vidal, Francesco d’Errico u. a.: ''A rock engraving made by Neanderthals in Gibraltar.'' In: PNAS, approved on 12. August 2014, [[doi:10.1073/pnas.1411529111]]</ref> Wesentlich komplexere Ritzungen des modernen Menschen sind seit dem [[Aurignacien]] bekannt. In Höhlen der Départements [[Département Dordogne|Dordogne]] und der [[Département Charente|Charente]], darunter [[La Ferrassie]] oder die [[Höhle von Pair-non-Pair]] wurden Wandreliefs gefunden, die die natürlichen Formen der Höhlenwände („Höhlentopographie“) in das Bild einbeziehen.<br />
<br />
Die umfangreichste Fundstellenlandschaft mit Petroglyphen in Europa liegt im nordportugiesischen [[Côa|Côa-Tal]], das als archäologischer Park erschlossen wurde ([[Parque Arqueológico do Vale do Côa]]). Die Abbildungen im Côa-Tal werden aus stilistischen Erwägungen überwiegend in das [[Solutréen]] datiert.<br />
<br />
Die bislang einzigen paläolithischen Petroglyphen in Deutschland befinden sich in der Nähe von Gondershausen im Hunsrück. Sie sind 20.000 bis 25.000 Jahre alt. In den 1930er Jahren entdeckte der [[Kelheim]]er Präparator Oskar Rieger in der Kastlhänghöhle bei [[Prunn (Riedenburg)|Pillhausen]] (Unteres [[Altmühltal]]) Linien in der Felswand, die er für die Gravur eines Steinbockes hielt.<ref name="Adam">Adam, Kurz: ''Eiszeitkunst im süddeutschen Raum.'' 1980, S. 71–72, 107–108.</ref> Wie der Paläontologe [[Karl Dietrich Adam]] ausführt, handelt es sich dabei stattdessen um natürliche Klüfte im Fels, die eine scheinbare Gravur vorspiegeln.<ref name="Adam" /> Dahingegen ist die ebenfalls von Oskar Rieger im Jahre 1937 entdeckte Figur eines [[Cerviden]] (Rothirsch) an der Wand des ''Kleinen Schulerlochs'' ([[Abri]] unterhalb des [[Schulerloch|Großen Schulerlochs]]) als authentisch anzusehen.<ref>Adam, Kurz: ''Eiszeitkunst im süddeutschen Raum.'' 1980, S. 57.</ref> Die nebenstehenden [[Runen]] des älteren [[Futhark]]s stehen damit offenbar im Zusammenhang und lassen für die gesamten Gravuren auf eine Datierung ins [[Frühmittelalter]] (6. bis 7. Jahrhundert) schließen.<ref>Adam, Kurz: ''Eiszeitkunst im süddeutschen Raum.'' 1980, S. 71–72.</ref><br />
<br />
Aus [[Gönnersdorf (Neuwied)]], sind vor etwa 15.000 Jahren entstandene Schieferplattenritzungen aus der Zeit des [[Magdalénien]] bekannt. Die Darstellungen haben folgende Inhalte: Tiere, Tänzer oder Tänzerinnen sowie symbolhafte Ritzungen, die sich der Auslegung entziehen.<br />
<br />
=== Neolithische Ritzungen auf Megalithen und Höhlenwänden ===<br />
Sehr alte Gravuren auf bearbeiteten Monolithen sind vom [[Göbekli Tepe]] in der Türkei bekannt.<br />
Viele Felsritzungen in Europa sind auf [[Megalith]]en (Grabkammern, Stelen, [[Menhir]]e) überliefert. Als abstrakte Zeichen sind Petroglyphen in bretonischen (z.&nbsp;B. [[Gavrinis]], [[Les Pierres-Plates]]), irischen ([[Dowth]], [[Knowth]], [[Fourknocks]], [[Newgrange]]) und walisischen ([[Barclodiad y Gawres]]) bekannt. [[Konzentrizität|Konzentrische]] Kreise und [[Spirale]]n sind neben [[Zickzack-Muster]]n (Wellen) sehr verbreitet. Eine besonders feine Form der Ritzung stellen die maltesischen ''Altarritzungen'' der [[Tarxien]]phase dar. In den jüngeren [[Felsengrab|Felskammern]] der [[Domus de Janas]] Sardiniens gibt es sie anthropomorph, zumeist aber als Stiergehörne ausgebildet.<br />
<br />
=== Ritzungen auf Felsaufschlüssen und Steinen ===<br />
In Schottland gibt es (z.&nbsp;B. im [[Kilmartin]]-Valley) eine neolithische oder bronzezeitliche Form von Felsritzungen, die als [[Cup-and-Ring-Markierung]] bezeichnet wird. Napfförmige Vertiefungen als Schälchen oder Schalen finden sich auf sogenannten [[Schalenstein]]en und auf [[Megalith]]anlagen ([[Großsteingrab von Bunsoh]], [[Steinkiste von Horne]]). Die [[Bronzezeit|bronzezeitlichen]] Felsritzungen wurden meist auf durch Gletscherschliff geglätteten Felsen angebracht. Man findet Ritzungen in Schweden ([[Felsenritzungen von Tanum|Tanum]], Brandskog, [[Grab von Kivik|Kivik]], Litsleby, Nämforsen und [[Sagaholm]]), in Norwegen (helleristninger genannt, z.&nbsp;B. in [[Alta Museum|Alta]], [[Hornesfeltet und Solbergfeltet]]), in Dänemark (z.&nbsp;B. [[Felsritzungen bei Allinge-Sandvig|Madsebakke]] (Allinge-Sandvig) auf [[Bornholm]]), in Spanien (Andalusien, Extremadura, Galicien), in Portugal ([[Parque Arqueológico do Vale do Côa]]), in Italien (im [[Felsbilder im Valcamonica|Val Camonica]]), in Frankreich (am [[Mont Bégo]]) und in der Schweiz ([[Carschenna]]).<br />
<br />
Die Themen der Darstellungen entsprechen der gesellschaftlichen Praxis ihrer Schöpfer. So sind z.&nbsp;B. in Norwegen (Trøndelag, Tykamvatn) und Nordschweden jägerische Darstellungen zu finden (Tierstil). Während der [[Spätbronzezeit]] und älteren [[Eisenzeit]] werden in Skandinavien Schiffsdarstellungen häufig. Aber auch [[Kultwagen]] kommen vor. Wegen der großen Ähnlichkeit mit Abbildungen auf Rasiermessern wurden diese Petroglyphen schon von [[Jens Jacob Asmussen Worsaae|J.J.A. Worsaae]] als zeitgleich angesehen und korrekt der jüngeren Bronzezeit zugewiesen.<br />
<br />
== Superimposition ==<br />
Die Übermalung oder Überzeichnung bestehender Bilder, die Superimposition (auch Superposition genannt) kommt in der Felsbildkunst auch vor, wobei der Ausdruck Superimposition vorwiegend gebraucht wird, wenn feststeht, welche Elemente älter und welche jünger sind. Platzmangel kann für die Existenz von Superimposition nicht ausschlaggebend gewesen sein, da vielfach in unmittelbarer Nachbarschaft von Überzeichnungen genügend freier Raum war.<br />
<br />
== Fundstellen (Auswahl) ==<br />
<!-- geographisch von Nord nach Süd geordnet --><br />
<br />
=== Europa ===<br />
'''Deutschland'''<br />
* Niedersachsen: [[Steinkiste von Anderlingen]]<br />
* Sachsen-Anhalt: [[Steinkammer von Göhlitzsch]] und weitere Steinkammergräber mit Innenverzierung; verzierte Steinplatten und [[Statuenmenhir]]e; [[Menhir von Eilsleben|Langer Stein]] bei Eilsleben (Landkreis Börde) mit Pickungen<br />
* Hessen: [[Galeriegrab Züschen I]]<br />
* Nordrhein-Westfalen: [[Galeriegrab von Warburg-Rimbeck]]<br />
* Bayern: [[Bamberger Götzen]] (verzierte Statuenmenhire); im Alpenraum: [[Jachenau]],<ref>Jost Gudelius: ''Die Jachenau. Unter Einbeziehung der Chronik von Johannes Nar von 1933 einschließlich des familiengeschichtlichen Beitrags von Josef Demleitner von 1933 und des geologischen Beitrags von Kurt Kment von 2004.'' Gemeinde Jachenau, Jachenau 2008, ISBN 978-3-939751-97-7, S. 20.</ref> oberes Tal der [[Amper|Ammer]] nahe dem [[Pürschling]]<ref>Garmischer Tagblatt: ''Ursprung vor Christi Geburt?'' 24. Juni 2009, S. 10.</ref><br />
* Rheinland-Pfalz: Petroglyphen aus der [[Altsteinzeit]] bei [[Gondershausen]] im [[Hunsrück]].<ref>Spiegel online: [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/erstmals-felsgravuren-aus-altsteinzeit-in-deutschland-entdeckt-a-978937.html Hunsrück: Erstmals Felsgravuren aus der Altsteinzeit in Deutschland entdeckt], 3. Juli 2014.</ref><br />
<br />
'''Österreich'''<br />
* [[Wurzeralm]], [[Oberösterreich]]<br />
* [[Kienbachklamm]], Oberösterreich<br />
* Notgasse, [[Steiermark]]<br />
* Steinberg, [[Tirol]]<br />
<br />
[[Datei:Vulves gravees - La Ferrassie - MNP.jpg|mini|In einen Felsblock geritzte Vulva, [[La Ferrassie]], Frankreich]]<br />
<br />
'''Frankreich'''<br />
* [[Mont Bégo]]<br />
* [[Vallée des Merveilles]] im französischen [[Nationalpark Mercantour]]<br />
* [[Höhle von Pair-non-Pair]] ([[Département Gironde]])<br />
* [[Les Combarelles]]<br />
* [[La Ferrassie]]<br />
* [[Höhle von Rouffignac|Rouffignac]]<br />
<br />
[[Datei:Figura che corre - R 35 - Parco di Naquane - Capo di Ponte.jpg|mini|150px|Laufender Priester, [[Valcamonica]], Italien]]<br />
<br />
'''Griechenland'''<br />
* [[Tropfsteinhöhle bei Pyrgos Dirou#Weitere Höhlen|Alepotrypa-Höhle]] ([[Peloponnes]], [[Mani (Peloponnes)|Halbinsel Mani]])<br />
* Beim [[Kloster Megisti Lavra]], [[Athos]]<br />
<br />
'''Irland'''<br />
* [[Petroglyphen in Irland]]<br />
<br />
[[Datei:Parco Grosio Rupe Magna 5.jpg|mini|"oranti saltici", Rupe Magna in Grosio, Italien]]<br />
<br />
'''Italien'''<br />
* [[Felsbilder des Valcamonica]]<br />
* [[Park der Felsbilder von Grosio|Felsbilder in Grosio]] ([[Veltlin]], [[Lombardei]])<br />
* Tschötscher Heide, [[Südtirol]]<br />
<br />
'''Portugal'''<br />
* [[Parque Arqueológico do Vale do Côa]]<br />
* [[Pedra da Escrita]], im [[Distrikt Viseu]]<br />
<br />
'''Russland'''<br />
* [[Belomorsk]]er Petroglyphen in der Republik Karelien<br />
* Petroglyphen an der Mündung der Wodla in den [[Onegasee]] bei [[Pudosch]], Republik Karelien; seit Juli 2021 sind die [[Petroglyphen des Onegasees und des Weißen Meeres]] eine [[UNESCO-Welterbestätte]]<ref>https://whc.unesco.org/en/list/1654/</ref><br />
* Petroglyphen auf einer Insel im [[Kanosero|Kanoserosee]] auf der [[Halbinsel Kola]] in der Oblast Murmansk<br />
<br />
[[Datei:Haljesta.jpg|mini|Petroglyphen aus Häljesta, [[Västmanland]], Schweden]]<br />
<br />
'''Skandinavien'''<br />
* [[Alta Museum]], Freiluftmuseum in Norwegen<br />
* [[Bjørnstadschiff]], Norwegen<br />
* [[Felsritzungen von Boglösa]], Schweden<br />
* [[Felsritzungen bei Bøla]] Norwegen<br />
* [[Felsritzungen von Tanum]], Schweden [[UNESCO-Weltkulturerbe]]<br />
* [[Felszeichnungen bei Allinge-Sandvig]], [[Bornholm]], Dänemark<br />
* [[Felsritzung von Slagsta]], Schweden<br />
{{Siehe auch|Felsritzungen in Schweden|Dänische Felsritzungen}}<br />
<br />
'''Spanien'''<br />
* [[Archäologischer Park Monte Tetón]], [[Galicien]]<br />
* [[Laxe das Rodas]], [[Galicien]]<br />
* [[Pedra das Cabras]], [[Galicien]]<br />
* auf den [[Kanarische Inseln|kanarischen Inseln]], z.&nbsp;B. die [[Felsgravuren von El Cementerio]], die [[Felsbilder auf El Hierro]] oder die [[Felsgravuren von La Fajana]]<br />
* In [[Asturien]] in der Höhle [[Cueva de Tito Bustillo|Tito Bustillo]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.centrotitobustillo.com/en/2/la-cueva/23/tito-bustillo-cave-art.html |titel=Tito Bustillo Cave Art |hrsg=Sociedad pública de gestión y promoción turística y cultural del Principado de Asturias, Centro de Arte Rupestre Tito Bustillo |sprache=en |abruf=2020-02-14}}</ref><br />
<br />
; Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland<br />
* [[Felsritzungen im Lemmington Wood]]<br />
* [[Cochno-Stein]]<br />
<br />
<gallery class="center"><br />
Vallée des Merveilles 101.jpg|Felsgravuren im<br />[[Vallée des Merveilles]], [[Seealpen]], Frankreich<br />
Petroglifo bentayga.jpg|Petroglyph in [[Roque Bentayga]], [[Gran Canaria]], Kanarische Inseln<br />
Mühle, Tschötscher Heide bei Brixen.jpg|Die „Mühle“,<br />Tschötscher Heide bei Brixen, Südtirol<br />
Tanumshede 2005 rock carvings 5.jpg|Felsritzung in [[Tanum (Gemeinde)|Tanum]], Schweden<br />
Sweden-Brastad-Petroglyph Skomakaren-Aug 2003.jpg|Ritzzeichnung<br />„Der Schuhmacher“, Brastad, Schweden<br />
</gallery><br />
<br />
[[Datei:Steingravuren.jpg|mini|Steingravuren bei Twyfelfontein]]<br />
<br />
=== Afrika ===<br />
* [[Felsbilder der Sahara]]<br />
* [[Felszeichnungen in Marokko]]<ref>[http://www.marokko-erfahren.de/gravur_01.html#start ''Petroglyphen in Marokko'']</ref><br />
* [[Dabous-Giraffen]] in [[Niger]]<br />
* [[Twyfelfontein]] in [[Namibia]] (seit 2007 UNESCO-Weltkulturerbe)<br />
<br />
[[Datei:Newspaper rock.jpg|mini|Der ''Newspaper Rock'' in Utah]]<br />
[[Datei:Petroglyphs2-above Mesquite Springs-800px.JPG|mini|Mesquite Springs ([[Death Valley]])]]<br />
<br />
=== Nordamerika ===<br />
* [[Petroglyph Provincial Park]], [[Nanaimo]], [[British Columbia]], [[Kanada]]<br />
* [[Kejimkujik-Nationalpark]]<br />
* [[Dinosaur National Monument]]<br />
* [[Petrified-Forest-Nationalpark]]<br />
* [[Petroglyph National Monument]]<br />
* [[Winnemucca Lake]], Nevada. Die ältesten datierbaren Petroglyphen des amerikanischen Kontinents<br />
* [[Horsethief Lake State Park]]<br />
* [[West Virginia]]<br />
* [[Valley of Fire State Park]]<br />
* Newspaper Rock State Historic Monument im [[Canyonlands-Nationalpark]]<br />
* Map Rock, [[Idaho]], nördlich des Snake River<br />
* [[Three Rivers Petroglyph Site]] in [[New Mexico]]<ref>[http://www.desertusa.com/mag98/mar/poi/du_3rivers.html Three Rivers Petroglyphs] (englisch)</ref><br />
<br />
=== Lateinamerika ===<br />
* [[Isla de Ometepe]] im [[Lago de Nicaragua|Nicaraguasee]], [[Nicaragua]]<br />
* Höhlen des Nationalparks [[Los Haitises]], [[Dominikanische Republik]]<br />
* [[Trois-Rivières (Guadeloupe)|Trois-Rivières]] in [[Guadeloupe]]<br />
* [[Nationalpark Talampaya]] in der Provinz La Rioja, [[Argentinien]]<br />
* [[Serra da Capivara]] in dem Bundesstaat [[Piauí]], [[Brasilien]]<br />
* [[Valle de Tarapaca]] in der Nähe von [[Arica]], [[Chile]]<br />
* La Abra, [[Cundinamarca]], [[Kolumbien]]<br />
* [[Parque Nacional Natural Chiribiquete]], Kolumbien<br />
* Chiquihuitillos und Boca de Potrerillos, in dem Bundesstaat [[Nuevo León]], [[Mexiko]]<br />
* Höhle La Proveedora, in [[Sonora (Bundesstaat)|Sonora]], [[Mexiko]]<br />
* Bum Bum im [[Barinas (Bundesstaat)|Bundesstaat Barinas]], Venezuela<br />
<br />
=== Asien ===<br />
* [[Qobustan-Nationalpark]] in [[Aserbaidschan]], UNESCO-Weltkulturerbe,<ref>[http://whc.unesco.org/en/list/1176/ „Gobustan Rock Art Cultural Landscape“], [[UNESCO]] World Heritage Centre</ref> Nationales Historisch-Künstlerisches Schutzgebiet<ref>[http://www.gobustan-rockart.az/ „Gobustan National Historical-Artistic Preserve“]</ref><br />
* Mt. Sulaiman und [[Staatliches Historisches Freilichtmuseum Yssyk-Köl|Cholpon-Ata]] in [[Kirgisistan]]<br />
* [[Felsbilder am Karakorum Highway]]<br />
* [[Tamgaly]], östliches [[Kasachstan]], seit 2004 [[UNESCO]]-[[Weltkulturerbe]]<ref>[http://whc.unesco.org/en/list/1145/ „Petroglyphs within the Archaeological Landscape of Tamgaly“], [[UNESCO]] World Heritage Centre</ref><br />
* [[Teymareh]] und andere Fundstellen in [[Iran]]<ref>{{Webarchiv |url=http://iranrockart.com/pages/?1054 |text=Iranrockart, page by researcher M Naserifard |wayback=20140719063539 |archiv-bot=}}</ref><ref>[http://www.bradshawfoundation.com/middle_east/iran_rock_art/index.php Middle East rock art archive – Iran Rock Art]</ref><br />
* [[Edakkal-Höhlen]], [[Kerala]], Indien<br />
* [[Petroglyphen auf den Philippinen]]<br />
* Umgebung von [[Akaba (Jordanien)|Aqaba]]<ref>Dirk Hecht, Rock Art in the Aqaba-Area. In: Orient-Archäologie Band 23 (2009), 113–126</ref><br />
* [[Felsritzungen bei Big Wave Bay (Hongkong)]]<br />
* [[Lene Hara]], [[Osttimor]]<br />
<br />
[[Datei:LakeTaupo-RockCarvings.jpg|mini|[[Lake Taupo]] (auf der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nordinsel Neuseelands]])]]<br />
<br />
=== Australien und Neuseeland ===<br />
* Halbinsel [[Murujuga]] (Burrup-Peninsula) vor dem [[Dampier-Archipel]], hunderttausende von Bildern, die „Bibel der [[Aborigines]]“, werden von einer großräumigen industriellen Erschließung bedroht<ref>[[WDR]]: [http://www.dampierrockart.net/Media/2008-05-04%20Der%20Schatz%20von%20Murujuga-ARD%20Germany.pdf „Der Schatz von Murujuga. Erdgasgigant bedroht ältestes Kulturerbe der Aborigines“] (PDF; 86&nbsp;kB), [[WDR]], 4. Mai 2008.</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.burrup.org.au/ |text=Archaeology and rock art in the Dampier Archipelago |wayback=20210328172745 |archiv-bot=}}</ref><br />
* im [[Kakadu-Nationalpark]], [[Northern Territory]], besonders am Ubirr und am Nourlangie Rock, sind viele, bis zu 20.000 Jahre alten Felszeichnungen zu besichtigen.<br />
* auch am [[Uluru]] (Ayers Rock) finden sich viele Felszeichnungen.<br />
* am [[Lake Taupo]] auf der [[Nordinsel (Neuseeland)|Nordinsel Neuseelands]]. Die Felszeichnungen der [[Māori]] sind nur vom Boot aus erreichbar. Sie dienen hier nur als Beispiel traditioneller Māori-Kunst, denn sie sind nicht aus prähistorischer Vergangenheit, sondern in den letzten 50 Jahren angefertigt worden.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Karl Dietrich Adam]], Renate Kurz: ''Eiszeitkunst im süddeutschen Raum.'' Theiss, Stuttgart 1980, ISBN 3-8062-0241-9.<br />
* [[Herbert Kühn (Prähistoriker)|Herbert Kühn]]: ''Die Felsbilder Europas.'' Kohlhammer, Stuttgart 1952.<br />
* Detlef W. Müller: ''Petroglyphen aus mittelneolithischen Gräbern von Sachsen-Anhalt.'' In: Karl W. Beinhauer u. a. (Hrsg.): ''Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven.'' = ''The megalithic phenomenon. Recent research and ethnoarchaeological approaches'' (= ''Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas.'' Band 21). Beier & Beran, Mannheim u. a. 1999, ISBN 3-930036-36-3, S. 199–214.<br />
<br />
== Medien ==<br />
* ''Schätze der Welt – Erbe der Menschheit. Die Felsgravuren von [[Twyfelfontein]], Namibia – Verschlüsselte steinerne Botschaft.'' Fernsehreportage, Deutschland, 2008, 14:31 Min., Buch und Regie: Christian Romanowski, Produktion: [[SWR]], Erstsendung: 23. Dezember 2008, [http://www.swr.de/schaetze-der-welt/die-felsgravuren-von-twyfelfontein/-/id=5355190/nid=5355190/did=5983982/mpdid=5983978/a8iydm/ online] mit online-Video<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Petroglyphs}}<br />
{{Wiktionary|Felsritzung}}<br />
{{Wiktionary|Petroglyphe}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4016718-5}}<br />
<br />
[[Kategorie:Petroglyphe| ]]<br />
[[Kategorie:Archäologischer Fachbegriff]]<br />
[[Kategorie:Symbol]]<br />
[[Kategorie:Kunst der Ur- und Frühgeschichte]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Antik%C3%B6rper&diff=229364394Antikörper2022-12-31T19:02:52Z<p>Designer2k2: /* Anwendung von Antikörpern in der Medizin */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Antikörper aus biologischer Sicht. Zu dem gleichnamigen Spielfilm siehe [[Antikörper (Film)]].}}<br />
<br />
[[Datei:Angel of the West.jpg|mini|IgG-Skulptur ''Angel of the West'' (''Engel des Westens'') von [[Julian Voss-Andreae]] vor dem [[Scripps Research Institute]] in Jupiter im US-Bundesstaat Florida. Die Plastik stellt die Hauptkette (unter Benutzung der von E. Padlan veröffentlichten Struktur<ref>{{cite journal | first = Eduardo | last = Padlan| year = 1994 | month = February | title = Anatomy of the antibody molecule | journal = Mol. Immunol. | pmid = 8114766 | volume = 31 | issue = 3 | pages = 169–217 | doi = 10.1016/0161-5890(94)90001-9}}</ref>) anstelle des Menschen in einen Ring wie [[Leonardo da Vinci]]s ''[[Der vitruvianische Mensch|vitruvianischer Mensch]]'', um die Ähnlichkeit zwischen Antikörper und dem menschlichen Körper aufzuzeigen.<ref>{{cite web | title = New Sculpture Portraying Human Antibody as Protective Angel Installed on Scripps Florida Campus | url = http://www.scripps.edu/newsandviews/e_20081110/sculpture.html | accessdate = 2008-12-12 | archiveurl = https://www.webcitation.org/5uK08UfTv?url=http://www.scripps.edu/newsandviews/e_20081110/sculpture.html | archivedate = 2010-11-18 | offline = yes}}</ref><ref>{{cite web | title = Protein sculpture inspired by Vitruvian Man | url = http://www.boingboing.net/2008/10/22/protein-sculpture-in.html | accessdate = 2008-12-12 | archiveurl = https://www.webcitation.org/5uK0Ai3D4?url=http://www.boingboing.net/2008/10/22/protein-sculpture-in.html | archivedate = 2010-11-18 | offline = yes}}</ref> ]]<br />
<br />
'''Antikörper''' ('''Immunglobuline''', im internationalen Sprachgebrauch auch '''Immunoglobulin''', veraltet '''Gammaglobulin''') sind [[Protein]]e (Eiweiße) aus der Klasse der [[Globuline]], die in [[Wirbeltiere]]n als Reaktionsprodukt von besonderen Körperzellen (Plasmazellen) auf bestimmte Stoffe (als [[Antigen]]e bezeichnete Substanzen) gebildet (synthetisiert) werden. Antikörper stehen im Dienste des [[Immunsystem]]s. Antikörper werden von einer Klasse [[Leukozyt|weißer Blutzellen]], den Plasmazellen, auf eine Reaktion der [[B-Lymphozyt]]en hin, produziert.<br />
<br />
Als Antigene wirken fast ausschließlich [[Makromolekül]]e oder an Partikel gebundene [[Molekül]]e, zum Beispiel [[Lipopolysaccharide]] an der Oberfläche von Bakterien. Ein bestimmtes Antigen induziert in der Regel die Bildung nur weniger, ganz bestimmter, dazu passender Antikörper, die über spezifische, nicht-[[kovalent]]e Bindung zumeist nur diesen Fremdstoff erkennen (dass auch verwandte Ziele erkannt werden können, hat man sich z.&nbsp;B. bei der [[Pockenschutzimpfung]] zunutze gemacht: Die vom Körper gegen die harmlosen Kuhpocken gebildeten Antikörper erkennen auch für Menschen pathogene Pockenviren). Die spezifische Bindung von Antikörpern an die Antigene bildet einen wesentlichen Teil der Abwehr gegen die eingedrungenen Fremdstoffe. Bei Krankheitserregern ([[Pathogen]]en) als Fremdstoffen kann die Bildung und Bindung von Antikörpern zur [[Immunität (Medizin)|Immunität]] führen. Antikörper sind zentrale Bestandteile des Immunsystems höherer Wirbeltiere.<br />
<br />
Antikörper werden, wie 1948 von der schwedischen Immunologin [[Astrid Fagraeus]] erstmals beschrieben wurde, von einer Klasse weißer Blutzellen ([[Leukozyt]]en) [[Sekretion|sezerniert]], die als Effektorzellen beziehungsweise [[Plasmazelle]]n bezeichnet werden und differenzierte B-Lymphozyten darstellen. Sie kommen im [[Blut]] und in der extrazellulären Flüssigkeit der [[Gewebe (Biologie)|Gewebe]] vor und „erkennen“ meist nicht die gesamte Struktur des Antigens, sondern nur einen Teil desselben, die sogenannte antigene Determinante (das [[Epitop]]). Die spezifische Antigenbindungsstelle des Antikörpers bezeichnet man als [[Paratop]]. Die Antikörper erzeugen beim Kontakt mit dem Antigen die sogenannte [[humorale Immunantwort]] (''humorale Abwehr'').<br />
<br />
== Struktur von Antikörpern ==<br />
[[Datei:Antibody basic unit.svg|mini|190px|links|Antikörperschema: je zwei Schwerketten (blau, gelb) und Leichtketten (grün, pink) mit Domänen; Antigenbindungsstelle ist eingekreist.]]<br />
[[Datei:Immunoglobulin basic unit.svg|mini|Aufbau eines typischen IgG-Antikörpers<br /><br />
1. Fab-Abschnitt<br /><br />
2. Fc-Abschnitt<br /><br />
3. schwere Ketten<br /><br />
4. leichte Ketten<br /><br />
5. Antigenbindungsstelle ([[Paratop]])<br /><br />
6. ''hinge''-Region (dt. ‚Scharnier‘)<br /><br />
(*) -S-S- = Disulfidbrücke<br />
]]<br />
[[Datei:2fab fc.svg|mini|130px|Mit Papain verdauter Antikörper (zwei 50-kDa-Fab-Fragmente und ein 50-kDa-Fc-Fragment)]]<br />
<br />
Da einige Aminosäurereste Zuckerketten tragen, zählen Antikörper zu den [[Glykoproteine]]n. Jeder Antikörper besteht aus zwei identischen schweren Ketten (engl. {{lang|en|''heavy chains''}}, H) und zwei identischen leichten Ketten (engl. {{lang|en|''light chains''}}, L), die durch kovalente Disulfidbrücken zwischen den Ketten (sogenannte ''Zwischenketten-Disulfide'') zu einer Ypsilon-förmigen Struktur miteinander verknüpft sind. Die leichten Ketten (auch: ''Leichtketten'') bestehen aus jeweils einer variablen und einer konstanten [[Proteindomäne|Domäne]]. Bezeichnet werden diese als V<sub>L</sub> und C<sub>L</sub>. Die schweren Ketten (auch: ''Schwerketten'') hingegen haben jeweils eine variable und drei (IgG, IgA) bzw. vier (IgM, IgE) konstante Domänen. Bezeichnet werden diese analog als V<sub>H</sub> und C<sub>H</sub>1, C<sub>H</sub>2, C<sub>H</sub>3.<br />
<br />
Die variablen Domänen einer leichten und einer schweren Kette zusammen bilden die Antigenbindungsstelle. Die Konstantdomäne C<sub>H</sub>2 besteht u.&nbsp;a. auch aus einer Kohlenhydratkette, die eine Bindungsstelle für das [[Komplementsystem]] bildet. Die Konstantdomäne C<sub>H</sub>3 ist die ''Fc''-Rezeptor-Bindungsstelle zur [[Opsonierung]]. Die variablen Domänen bilden ihrerseits verschiedene charakteristische Paratope aus, die zusammen einen [[Idiotyp (Immunologie)|Idiotyp]] bilden.<br />
<br />
Die beiden Leichtketten sind je nach Organismus und Immunglobulin-Subklasse entweder vom Typ&nbsp;κ oder&nbsp;λ und bilden zusammen mit dem oberhalb der Gelenkregion (engl. {{lang|en|''hinge region''}}, auch: ''Scharnierregion'') liegenden Anteil der Schwerketten das antigenbindende Fragment ''[[Fab-Fragment|Fab]]'' (engl. {{lang|en|''antigen-binding fragment''}}), welches [[enzym]]atisch mit Hilfe von [[Papain]] von dem darunterliegenden kristallisierbaren Fragment ''Fc'' (engl. {{lang|en|''crystallisable fragment''}}) abgespaltet werden kann. Die außergewöhnliche Variabilität der Antigenbindungsstellen (engl. {{lang|en|''Complementarity Determining Region''}}, [[Complementarity Determining Region|CDR]]) erreicht der Organismus vermittels der [[V(D)J-Rekombination]].<br />
<br />
Papain spaltet oberhalb der Zwischenketten-Disulfidbrücken der beiden Schwerketten zueinander. Man erhält so zwei ''Fab''-Fragmente und ein vollständiges Fragment ''Fc''. [[Pepsin]] hingegen spaltet unterhalb der Disulfidbrücken. Die Gelenkregion bleibt zwischen beiden Fab-Fragmenten erhalten. Man nennt dieses Fragment dann [[F(ab)2-Fragment|F(ab)<sub>2</sub>]]. Pepsin und [[Plasmin]] spalten auch das Fc-Fragment zwischen der zweiten und dritten Domäne des konstanten Teils der Schwerkette.<br />
<br />
== Antigen – Antikörper – Bindung ==<br />
Antikörper binden mit ihrer A(ntigen)B(indungs)-Region ([[Paratop]]) das [[Epitop]] des Antigens ''relativ'' spezifisch, analog dem [[Schlüssel-Schloss-Prinzip]]. Es passiert jedoch nicht selten, dass, metaphorisch dargestellt, ein zweiter oder dritter Schlüssel existiert, der in das Antikörper-„Schloss“ passt, aufgrund der (zufällig) ähnlichen oder identischen Konfiguration des Epitops. Mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit kann das auch eine körpereigene Struktur sein. Auf diesem Phänomen beruhen manche [[Autoimmunerkrankung]]en.<br />
<br />
Die Bindung zwischen Epitop und Immunglobulin ist nicht-kovalent und unterliegt dem [[Massenwirkungsgesetz]]. Eine effektive [[Agglutinine|Agglutination]], das heißt eine Verklumpung durch Ausbildung großer Komplexe, ist daher nur bei etwa gleicher Anzahl von Epitopen und Bindungsstellen möglich. Bei großen Abweichungen nach oben oder unten bleiben die Komplexe in Lösung; trotzdem tritt meist eine Neutralisation der Wirkung der Antigene ein.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.biorama.ch/biblio/b60immu/i20agak/ak40.htm |wayback=20070618184621 |text=Biorama.ch: Antigen – Antikörper – Bindung}}</ref> Gegen mehrere Virusstämme wirksame neutralisierende Antikörper werden als ''breitneutralisierende Antikörper'' bezeichnet, z.&nbsp;B. [[Breitneutralisierende Anti-HIV-Antikörper]]. Die Anzahl an Bindungsstellen auf einem Antikörper wird als [[Valenz (Immunologie)|Valenz]] bezeichnet und variiert je nach Antikörper-Subtyp. Während die meisten Antikörpersubtypen wie [[IgG]] zwei Bindungsstellen aufweisen, besitzen [[IgA]] vier Bindungsstellen und [[IgM]] zehn Bindungsstellen.<ref name="Siegenthaler">Walter Siegenthaler: ''Klinische Pathophysiologie.'' Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 3134496097. S. 526.</ref><br />
<br />
== Antikörper als B-Zell-Rezeptoren ==<br />
{{Hauptartikel|B-Zell-Rezeptor}}<br />
<br />
Membranständige Antikörper (als B-Zell-Rezeptoren (''BCR'') bezeichnet) können B-Zellen aktivieren, wenn sie durch Antigene quervernetzt werden. Die [[B-Zelle]] nimmt daraufhin den [[Immunkomplex]] durch [[Endozytose]] auf, verdaut das Antigen proteolytisch und präsentiert über MHC-Klasse-II-Moleküle ([[Peptid]]e mit 13–18 [[Aminosäure]]n) Fragmente davon auf ihrer Zelloberfläche. Wenn die präsentierten Fragmente auch (parallel auf anderen professionellen [[Antigenpräsentierende Zelle|Antigen-präsentierenden Zellen]] oder auf ebendieser B-Zelle) von einer CD4-[[T-Zelle]] (T-Helferzellen) erkannt werden, stimuliert diese T-Zelle die B-Zelle, was weitere Reifungsprozesse ([[somatische Hypermutation]], [[Klassenwechsel]]) und [[Zellproliferation|Proliferation]] zu Antikörper-[[sezernieren]]den [[Plasmazelle]]n oder/und zu [[Gedächtniszelle|B-Gedächtniszellen]] auslöst. Diese Reifungsprozesse finden innerhalb von [[Keimzentrum|Keimzentren]] (''germinal center'') in den sekundären lymphatischen Organen ([[Milz]], [[Lymphknoten]]) statt und werden unter dem Begriff der Keimzentrumsreaktion (''germinal center reaction'') zusammengefasst.<br />
<br />
Der B-Zell-Rezeptor ist, mit Ausnahme eines kleinen Teils am Carboxylende der schweren Kette, mit dem Antikörper der jeweiligen B-Zelle identisch. Der B-Zell-Rezeptor besitzt dort eine [[hydrophob]]e, in der Zellmembran verankerte Sequenz, der Antikörper dagegen eine [[hydrophil]]e Sequenz, die seine Sekretion bewirkt. Die beiden Formen entstehen durch alternative [[RNA-Prozessierung]].<br />
<br />
== Wirkungsweisen von sezernierten Antikörpern ==<br />
Sezernierte Antikörper wirken durch verschiedene Mechanismen:<br />
<br />
* Der einfachste ist die Neutralisation von Antigenen, messbar in einem [[Neutralisationstest]]. Dadurch, dass der Antikörper das Antigen bindet, wird dieses blockiert und kann beispielsweise seine toxische Wirkung nicht mehr entfalten, oder andere Wechselwirkungen des Antigens mit Körperzellen werden verhindert, z.&nbsp;B. das Eindringen von Bakterien oder Viren in Zellen oder Gewebe.<br />
* Ein weiterer ist die [[Opsonisierung]] („schmackhaft machen“), das Einhüllen von Krankheitserregern und Fremdpartikeln mit Antikörpern zur Markierung für das Immunsystem. Wenn ein Antikörper beispielsweise an ein Antigen bindet, das sich auf der Oberfläche eines Bakteriums befindet, markiert er damit gleichzeitig das Bakterium, denn die konstante Region des Antikörpers, der an sein Antigen gebunden hat, wird von [[Phagozyt]]en erkannt, die als [[Fresszelle]]n das Bakterium aufnehmen und verdauen können.<br />
* Eine dritte Wirkungsweise ist, dass Antikörper das [[Komplementsystem]] aktivieren. Dies sind IgM (als Monomer) und auch nach Bindung eines IgG ausgebildete [[Oligomer]]e von IgG, mit verstärkter Aktivierung durch IgG-[[Oligomer|Hexamere]].<ref>{{Literatur |Autor=Christoph A. Diebolder et al. |Titel=Complement is activated by IgG hexamers assembled at the cell surface |Hrsg= |Sammelwerk=Science (New York, N.Y.) |Band=343 |Nummer=6176 |Auflage= |Datum=2014-03-14 |DOI=10.1126/science.1248943 |PMC=4250092 |PMID=24626930 |Seiten=1260–1263}}</ref> Das führt zu einer Perforation der markierten Zelle.<br />
* Antikörper, die an körpereigene Zellen binden, können [[NK-Zelle]]n aktivieren, welche diese Zellen dann abtöten. Dieser Prozess wird auch als [[antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität]] (ADCC) bezeichnet.<br />
* Dadurch, dass ein Antikörper zwei Antigenbindungsstellen aufweist, kann es zur [[Agglutinine|Agglutination]] kommen.<br />
* Bei [[Adenoviren]] wurde ein [[intrazellulärer Antikörper-vermittelter Abbau]] beschrieben.<br />
<br />
== Verschiedene Klassen von Antikörpern ==<br />
Bei den meisten Wirbeltieren gibt es fünf verschiedene Klassen (Isotypen) von Immunglobulinen, die anhand ihrer unterschiedlichen [[Gen]]-Abschnitte für die konstanten Teile der Schwerkette eingeteilt werden. Darüber hinaus gibt es einige Klassen, die nur in einzelnen Tiergruppen zu finden sind. Die verschiedenen Isotypen kommen in verschiedenen Kompartimenten des Körpers vor und haben unterschiedliche Aufgaben.<br />
<br />
[[Datei:Mono-und-Polymere.svg|mini|Mono- und Polymere]]<br />
<br />
=== Immunglobulin A ===<br />
[[Immunglobulin A]] (IgA) wird auf allen [[Schleimhaut|Schleimhäuten]] der [[Atemwege]], der [[Auge]]n, des Magen-Darm-Trakts, des Urogenitaltrakts sowie über spezielle Drüsen rund um die [[Brustwarze]] von Müttern sezerniert und schützt dort vor [[Pathogene]]n (auch das Neugeborene). Sezerniertes IgA kommt in Form von [[Homodimer]]en vor; die beiden Anteile sind durch das ''Joining-[[Peptid]]'' verbunden.<br />
<br />
=== Immunglobulin D ===<br />
[[Immunglobulin D]] (IgD) wird durch [[alternatives Spleißen]] der IgM/IgD-[[Prä-mRNA]] zusammen mit IgM als B-Zell Rezeptor (BCR) auf reifen, naiven (antigenunerfahrenen) [[B-Zelle]]n membranständig präsentiert. IgD sind 170–200 k[[Atomare Masseneinheit|Da]] große Monomere und nur in geringen Mengen in sezernierter Form in Blut und Lymphe vorhanden (weniger als 1 %).<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Stefan H. E. Kaufmann |Titel=Antikörper und ihre Antigene |Hrsg=Sebastian Suerbaum, Gerd-Dieter Burchard, Stefan H. E. Kaufmann, Thomas F. Schulz |Sammelwerk=Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2016-08-23 |ISBN=978-3-662-48678-8 |DOI=10.1007/978-3-662-48678-8_8 |Seiten=52}}</ref> Von Plasmazellen wird IgD nicht sezerniert, und in freier Form schnell abgebaut. Es wirkt als [[Antigenrezeptor]] bei der von Antigen stimulierten Vermehrung und bei der Differenzierung der B-Zellen.<br />
<br />
=== Immunglobulin E ===<br />
[[Immunglobulin E]] (IgE) vermittelt den Schutz vor Parasiten, wie z.&nbsp;B. pathogenen Würmern, und ist an [[Allergie]]n beteiligt.<ref name=":0" /> IgE sind 190 kDa große Monomere.<ref name=":0" /> Es wird durch [[Fc-Rezeptor]]en auf [[Mastzelle]]n sowie [[Basophiler Granulozyt|basophile]] und [[Eosinophiler Granulozyt|eosinophile Granulozyten]] mit hoher Affinität gebunden.<ref name=":0" /> Aus diesem Grund ist nahezu alles IgE membrangebunden, im Blut ist es praktisch nicht vorhanden. Bei Antigenkontakt wird es [[Vernetzung (Chemie)|quervernetzt]], was zur Ausschüttung von [[Histamin]], Granzymen etc. durch die Mastzellen (Mastzelldegranulation – hier greifen Allergiemedikamente, die die Mastzellen „stabilisieren“) und [[Granulozyten]] führt (allergische Sofortreaktion, anaphylaktische Reaktion).<br />
<br />
=== Immunglobulin G ===<br />
[[Immunglobulin G|Immunglobuline G]] (IgG) sind 150 kDa große Monomere mit einem [[Sedimentationskoeffizient]] von 7S.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Stefan H. E. Kaufmann |Titel=Antikörper und ihre Antigene |Hrsg=Sebastian Suerbaum, Gerd-Dieter Burchard, Stefan H. E. Kaufmann, Thomas F. Schulz |Sammelwerk=Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2016-08-23 |ISBN=978-3-662-48678-8 |DOI=10.1007/978-3-662-48678-8_8 |Seiten=51}}</ref> Diese Antikörperklasse wird erst in einer späten Abwehrphase, etwa 3 Wochen nach Infektion, gebildet und bleibt lange erhalten. Der Nachweis zeigt eine durchgemachte Infektion oder eine Impfung an.<br />
Die immunisierende Funktion beruht auf zwei antigengebundenen IgG, die das [[Komplementsystem]] aktivieren. Der [[Fc-Rezeptor]] vermittelt [[Phagozytose]].<br />
<br />
Ein Beispiel ist anti-Masern-IgG, gegen das Masernvirus gerichtete Antikörper der IgG-Klasse, als Zeichen einer gegenwärtigen oder früheren Infektion oder [[Impfung]]. Die [[Rhesusfaktor]]-D-Antikörper sind ebenfalls von diesem Typ, was zu Komplikationen bei einer Schwangerschaft führen kann, da Immunglobulin G plazentagängig ist. Auch ohne Komplikation wird IgG im mütterlichen Blut aktiv durch die [[Plazenta#Plazentaschranke|Plazenta(barriere)]] in den Fötus transportiert und sorgt nachgeburtlich für einen ersten Schutz vor Infektionen.<br />
<br />
IgGs werden in folgende Subklassen unterteilt: IgG1-IgG4 (Mensch) bzw. IgG1, IgG2, IgG2b und IgG3 (Maus).<ref name=":1" /><br />
<br />
Krankheiten mit einem angeborenen oder erworbenen [[Antikörpermangel]] betreffen oft IgG. Bildet der Körper gegen eigene Körperbestandteile Antikörper, so genannte [[Autoantikörper]], spricht man von einer [[Autoimmunkrankheit]].<br />
<br />
==== Pharmakokinetik ====<br />
Immunglobuline sind nach intravenöser Verabreichung in der Blutbahn des Empfängers unmittelbar und vollständig bioverfügbar. Sie verteilen sich relativ rasch zwischen Plasma und extravaskulärer Flüssigkeit; nach etwa drei bis fünf Tagen wird ein Gleichgewicht zwischen intra- und extravaskulärem Kompartiment erreicht. Die In-vivo-Halbwertszeit von IgG bei Patienten mit primärem Antikörpermangelsyndrom beträgt 35 Tage. Die Halbwertszeit von IgG kann jedoch von Patient zu Patient variieren, vor allem bei Patienten mit primären Immunmangelsyndromen. Immunglobuline und IgG-Komplexe werden in den Zellen des mononukleären phagozytischen Systems abgebaut.<br />
<br />
==== Pharmakologie ====<br />
Immunglobulin G besitzt ein breites Antikörperspektrum gegen verschiedene infektiöse Erreger. [[Opsonisierung]] und Neutralisierung von [[Mikroben]] und [[Toxin]]en durch spezifische Antikörper wurden nachgewiesen. IgG-Antikörper werden aus Plasma von mindestens 1000 Spendern hergestellt; die Subklassenverteilung entspricht der des humanen Plasmas. Durch entsprechende Dosierungen können erniedrigte IgG-Serumspiegel auf Normalwerte angehoben werden. Der Wirkmechanismus bei anderen Anwendungsgebieten als der [[Substitutionstherapie]] ist noch nicht vollständig erforscht, schließt jedoch immunmodulatorische Wirkungen ein. Die Fertigprodukte sind auf einen schwach sauren pH-Wert eingestellt. Nach Verabreichung hoher Dosen von IgG wurde keine Veränderung des Blut-pH-Wertes gemessen. Die [[Osmolalität]] von Fertigarzneimitteln liegt nahe an den physiologischen Werten (285–295 mOsmol/kg).<br />
<br />
==== Präklinische Daten zur Sicherheit ====<br />
Immunglobuline sind normale Bestandteile des menschlichen Körpers. Die akute Toxizität beim Tier ist nicht festzulegen, da das zu verabreichende Volumen oberhalb der tolerierbaren Grenze läge. Tierstudien über chronische Toxizität und [[Embryotoxizität]] sind nicht möglich, da diese durch die Bildung von Antikörpern gegen Humanproteine gestört werden. Klinische Erfahrungen haben keine Hinweise auf [[kanzerogen]]e oder [[mutagen]]e Effekte geliefert. Deswegen wurden experimentelle Untersuchungen am Tier nicht für notwendig erachtet.<br />
<br />
=== Immunglobulin M ===<br />
[[Immunglobulin M]] (IgM) ist die Klasse von Antikörpern, die bei Erst-Kontakt mit Antigenen gebildet wird und zeigt die akute [[Infektion]]sphase einer Krankheit an, beispielsweise anti-Masern-IgM, gegen das [[Masernvirus]] gerichtete Antikörper der IgM-Klasse als Zeichen einer frischen Infektion. Daher ist ein [[rezent]]er Anstieg von IgM generell ein wichtiger Hinweis für eine durchgemachte Erstinfektion.<ref name=":1" /><br />
<br />
IgM ist ein [[Oligomer|Pentamer]] (Oligomer) aus fünf [[Protein-Untereinheit|Untereinheit]]en von je 180 kDa.<ref name=":1" /> Diese Untereinheiten sind durch das [[cystein]]reiche, 15 kDa große ''Joining Peptide'' (J-Kette) verbunden. Die Molekularmasse des IgM-Pentamers beträgt 970 kDa, der Sedimentationskoeffizient 19S.<ref name=":1" /> Da IgM 10 Bindungsstellen für Antigene hat, führen diese Antikörper zu einer starken Agglutination. Der Antigen-Antikörperkomplex von IgM-Pentameren aktiviert den klassischen Weg des [[Komplementsystem]]s, weiterhin werden die AB0-Blutgruppen von IgM-Antikörpern erkannt. 10 % des Gesamt-Ig macht IgM aus.<ref name=":1" /><br />
<br />
=== Immunglobulin W ===<br />
[[Immunglobulin W]] (IgW) wurde erst 1996 in einer [[Haie|Haiart]] entdeckt. Aufgrund dessen wurde ursprünglich angenommen, dass es nur in [[Knorpelfisch]]en vorkommt. 2003 wurde IgW jedoch auch in [[Lungenfische]]n, einer Klasse der [[Knochenfische]], nachgewiesen. IgW besitzt wahrscheinlich einige Eigenschaften eines hypothetischen Ur-Immunglobulins und ist deshalb vor allem für die Forschung zur [[Biologische Evolution|Evolution]] des Immunsystems von Interesse.<br />
<br />
=== Immunglobulin Y ===<br />
[[Immunglobulin Y]] (IgY) auch ''Chicken IgG'', ''Egg Yolk IgG'' oder ''7S-IgG'' genannt, ist in [[Haushuhn|Hühnern]] das funktionelle Äquivalent zu IgG und ähnelt diesem in seiner Struktur. Es ist in hohen Konzentrationen in [[Hühnerei]]ern zu finden. Für die Verwendung für bioanalytische Zwecke in [[Immunassay]]s bietet IgY verschiedene Vorteile gegenüber IgG.<br />
<br />
== Anwendung von Antikörpern in der Medizin ==<br />
Aus Tieren gewonnene Antikörper (Antiseren) werden als Therapeutikum für verschiedenste Zwecke eingesetzt. Ein wichtiges Beispiel ist die Verwendung als passiver [[Impfstoff]].<br />
<br />
Intravenöse Immunglobuline (IVIG) sind zugelassen zur Substitutionsbehandlung bei verschiedenen angeborenen oder erworbenen Störungen der Antikörperbildung (z.&nbsp;B. bei [[Chronische lymphatische Leukämie|chronisch lymphatischer Leukämie]], [[Multiples Myelom|Multiplem Myelom]] oder nach allogener hämatopoetischer [[Stammzellentransplantation]]) sowie zur [[Immunmodulation]] bei einigen [[Autoimmunerkrankung]]en (z.&nbsp;B. [[Immunthrombozytopenie]], [[Guillain-Barré-Syndrom]]) und Erkrankungen unbekannter Ätiologie (z.&nbsp;B. [[Kawasaki-Syndrom]]).<ref>[http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2010/12/WC500099542.pdf Guideline on core SmPC for human normal immunoglobulin for intravenous administration (IVIg)] (PDF; 264&nbsp;kB), WebSite der EMA, Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), 21. Oktober 2012.</ref> Die Querschnitts-Leitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten erwähnen darüber hinaus die [[Off-Label-Use|Off-Label]]-Anwendung in verschiedenen Indikationen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/QLL_Haemotherapie_2014.pdf |titel=Querschnittsleitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten |titelerg=4., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2014 |hrsg=Vorstand der [[Bundesärztekammer]] |abruf=2016-07-04 |format=PDF; 1,5&nbsp;MB}}</ref> Zu den lange bekannten möglichen seltenen Nebenwirkungen von IVIG-Präparaten zählen reversible hämolytische Reaktionen. Diese werden vermutlich ausgelöst durch Antikörper gegen Blutgruppenantigene (Isoagglutinine), die in den IVIG-Präparaten enthalten sein können.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/vigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/2012/2-2012.pdf |text=Erhöhte Melderate von schweren hämolytischen Reaktionen nach der intravenösen Gabe von Immunglobulinen |wayback=20150703001239 |archiv-bot=}}, Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (Seite 15 ff), WebSite des PEI, Juni 2012.</ref> Im März 2013 thematisierte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in ihrer Drug Safety Mail Meldungen von schweren hämolytischen Reaktionen nach intravenöser Gabe von Immunglobulinen.<ref>[http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/DSM/Archiv/2013-16.html Drug Safety Mail 2013-16], WebSite der AkdÄ, März 2013.</ref><br />
<br />
Außerdem werden spezifische [[monoklonale Antikörper]] seit neuestem in der Medizin therapeutisch eingesetzt. Hauptanwendungsgebiet ist die [[Hämatologie]] und [[Onkologie]], daneben werden sie auch in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie [[Multiple Sklerose|Multipler Sklerose]], [[Rheumatoide Arthritis|Rheumatoider Arthritis]] (RA) oder [[CIDP]] (chronische inflammatorische demyelisierende [[Polyneuropathie]]), [[AIDP]] (akute inflammatorische demyelisierende Polyneuropathie), MMN ([[Multifokale motorische Neuropathie]]) und verwandten neuromuskulären Erkrankungen eingesetzt. Hierbei erkennen diese Antikörper pro-inflammatorische [[Zytokin]]e wie [[Interleukine#Interleukin-1|Interleukin-1]] oder [[Lymphotoxin-α]]. Antikörper gegen den B-Zell-[[Oberflächenmarker]] [[Liste der humanen CD-Antigene|CD20]] erkennen zwar nur naive (antigenunerfahrene) und Gedächtnis-B-Zellen, jedoch keine Plasmazellen (CD20neg), dennoch ist auch diese Therapie relativ erfolgreich. Damit stellen Antikörper eine Medikamentenklasse dar, die erstmals in der Lage ist, spezifisch in die entzündlichen Vorgänge einzugreifen (''Biologicals'').<br />
<br />
In der [[Immunszintigrafie]] werden Antikörper dazu verwendet bestimmte Zielstrukturen, beispielsweise [[Tumor]]zellen, im Körper ausfindig zu machen. Dazu wird an den Antikörper ein meist sehr kurzlebiges [[Radionuklid]] gekoppelt. Mittels [[Szintigrafie]] oder [[Positronen-Emissions-Tomographie]] kann man dann feststellen, wo sich der Antikörper bzw. dessen Zielstruktur (''Target'') genau befindet.<br />
<br />
Früher war der konstante Teil der Antikörper noch murinen (aus der Maus) Ursprungs, was zu Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem führen konnte. Um dieses Problem zu umgehen, werden neuerdings sogenannte ''humanisierte Antikörper'' verwendet. Herkömmliche monoklonale Antikörper enthalten neben der die Spezifität gegen humane Antigene vermittelnden variablen Region immer noch Proteinbestandteile der Maus, die das menschliche Immunsystem möglicherweise als fremdartig abstößt. Mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren werden deshalb die murinen Teile der konstanten Abschnitte entfernt und durch baugleiche konstante Teile menschlicher Antikörper ersetzt. Die konstanten Abschnitte der Antikörper spielen für die spezifische Bindung des monoklonalen Antikörpers keine Rolle. Der so entstandene monoklonale Antikörper wird als „humanisierter monoklonaler Antikörper“ bezeichnet und wird vom Immunsystem des Menschen nicht mehr abgestoßen. Humanisierte Antikörper werden in einer Kultur aus Hamster-Ovarialzellen hergestellt, weshalb ihre Produktion sehr viel aufwändiger und deshalb auch teurer als die Produktion in Mikroorganismen ist.<br />
<br />
Bei der [[Radioimmuntherapie]] ist eine [[ionisierende Strahlung]]squelle mit möglichst kurzer Reichweite an einen Antikörper gekoppelt. Zum Einsatz kommen hier vor allem kurzlebige [[Betastrahlung|Beta-]], seltener [[Alphastrahlung|Alphastrahler]], mit kurzer Reichweite im Gewebe.<br />
<br />
Bei der [[Impfstoffentwicklung]] gegen variable [[Pathogen]]e werden ''breitneutralisierende Antikörper'' (bnAb) untersucht, die gegen mehrere Stämme eines Virus wirksam sind, beispielsweise [[Breitneutralisierender Anti-IAV-Antikörper|breitneutralisierende Anti-IAV-Antikörper]] und [[breitneutralisierende Anti-HIV-Antikörper]].<br />
<br />
== Anwendung von Antikörpern in der Biologie ==<br />
Die hohe Spezifität, mit der Antikörper ihr Antigen erkennen, macht man sich in der Biologie zu Nutze, um das Antigen, in den allermeisten Fällen ein Protein, sichtbar zu machen. Die Antikörper sind entweder direkt mit einem Enzym (setzt ein Substrat in Farbe oder Chemolumineszenz um), mit Fluoreszenzfarbstoffen oder mit radioaktiven Isotopen gekoppelt (gelabelt) oder werden mit einem Sekundärantikörper, der an den ersten (Primärantikörper) bindet und entsprechend gelabelt ist, nachgewiesen.<br />
<br />
* [[Abzyme]]<br />
* [[Immunfärbung]]en, darunter:<br />
** [[Fluorescence activated cell sorting|FACS]]: Quantifizierung von Zellen mittels fluoreszenzgekoppelter Antikörper gegen Antigene auf der Zelloberfläche, im Zytoplasma oder im Zellkern<br />
** [[Immunohistochemie]]: Nachweis eines Antigens auf einer Zelloberfläche, im Zytoplasma oder im Zellkern mittels Antikörpern auf Gewebsdünn- (Cryo- oder Paraffin-) schnitten und damit indirekter Nachweis von Zelltypen, Differenzierungsstadien etc.<br />
** [[In-situ-Hybridisierung]]<br />
** [[Western Blot]]<br />
** [[ELISA]]: Quantifizierung von Antigenen oder Antikörpern im Serum, Zellkulturüberständen etc. mittels enzymgekoppelter Antikörper<br />
** [[ELISPOT]]: Nachweis von antikörper- oder antigensezernierenden Zellen (Plasmazellen, zytokinsezernierende Zellen) mittels enzymgekoppelter Antikörper<br />
* [[Electrophoretic Mobility Shift Assay|EMSA]]: Beim Nachweis des gebundenen Proteins mittels Supershift<br />
* [[Immunpräzipitation]]<br />
** [[Chromatin-Immunpräzipitation]]<br />
* [[Affinitätschromatographie]]<br />
* [[Lateral-Flow-Test|Schnelltests]]:<br />
** [[Corona-Test#Antigen-Schnelltests|Corona-Schnelltest]]<br />
** [[Drugwipe-Test]]<br />
** [[Schwangerschaftstest]]<br />
<br />
== Gewinnung von Antikörpern ==<br />
{{Siehe auch|Immunserum}}<br />
<br />
=== Monoklonale Antikörper ===<br />
{{Hauptartikel|Monoklonaler Antikörper}}<br />
Ein monoklonaler Antikörper ist gegen ''genau ein'' spezifisches Epitop eines Antigens gerichtet. Zunächst müssen, wie bei der polyklonalen Antikörperherstellung beschrieben, Tiere immunisiert und dann deren [[Plasmazelle]]n (aus Milz oder Lymphknoten) gewonnen werden. Da die Plasmazellen die Fähigkeit zur Zellteilung verloren haben, muss zuerst eine Verschmelzung mit Tumorzellen erfolgen. Die so entstandenen Zellhybriden ([[Hybridom-Technik]]) erhalten von den Plasmazellen die Eigenschaft, einen bestimmten Antikörper zu produzieren und zu sezernieren und von der Tumorzelle die Fähigkeit, in Kultur sich theoretisch unendlich oft teilen zu können und somit theoretisch unendlich lange zu leben. Durch mehrfaches Vereinzeln (Klonieren) wird ein Stamm von Zellen gewonnen, der auf eine einzelne Hybridoma-Zelle und somit auf eine einzelne Plasma-Zelle zurückgeht.<br />
<br />
Die so erhaltenen Zelllinien können nun in Kultur unendlich stark expandiert werden und damit auch theoretisch unendlich große Mengen Antikörper produzieren. Da alle Zellen auf eine einzige Zelle zurückzuführen sind, handelt es sich bei allen Zellen einer Kultur um identische Kopien ein und derselben Zelle. Aufgrund dessen produzieren auch alle Zellen einen bestimmten, identischen Antikörper, der sich hinsichtlich seiner Eigenschaften (z.&nbsp;B. Bindungsstelle am Antigen, Stärke der Bindung etc.) genau definieren lässt und in theoretisch unbegrenzter Menge herstellbar ist.<br />
<br />
=== Rekombinante Antikörper ===<br />
{{Hauptartikel|Rekombinanter Antikörper}}<br />
Rekombinante Antikörper werden [[in vitro]] hergestellt, das heißt ohne Versuchstier. Rekombinante Antikörper werden typischerweise aus Genbibliotheken hergestellt, die für die Herstellung der Antikörper in Mikroorganismen geeignet sind. Die Auswahl des richtigen (=spezifisch bindenden Antikörpers) erfolgt dabei nicht durch das Immunsystem eines Tieres/Menschen, sondern durch einen Bindungsschritt im Reagenzglas. Rekombinante Antikörper können auf vielfältige Weise angewendet werden, da sie einfach verändert werden können, denn ihre Erbsubstanz ist bekannt. So kann ihre Bindungsstärke oder Stabilität verbessert werden, oder es können Eiweiße mit anderen Funktionen angehängt werden, z.&nbsp;B. zur Erzeugung von [[Bispezifischer Antikörper|bispezifischen Antikörpern]] oder [[Immuntoxin]]en.<br />
<br />
=== Polyklonale Antiseren ===<br />
{{Hauptartikel|Polyklonaler Antikörper}}<br />
Polyklonale Antiseren sind eine Mischung aus verschiedenen gegen diverse Epitope gerichteten Antikörpern. Zunächst muss das Antigen, gegen das der Antikörper gerichtet sein soll, ausgewählt und produziert werden. Dies kann auf verschiedene Weisen erreicht werden, zum Beispiel, indem ein Protein isoliert, ein [[Peptid]] ''in vitro'' synthetisiert oder das Protein als ganzes [[Rekombinantes Protein|rekombinant]] in [[Bakterien]] hergestellt wird. Anschließend wird das Protein einem Tier eingespritzt, dessen Immunsystem dann Antikörper gegen das Protein bildet. Dieser Vorgang heißt „Immunisierung“. Als Antikörper-Produzenten werden besonders Mäuse, Ratten und Kaninchen, aber auch Ziegen, Schafe und Pferde verwendet. Die Immunisierung wird mehrfach wiederholt. Nach ein paar Wochen kann das polyklonale [[Antiserum]] entnommen werden. Darin sind verschiedene durch die Immunisierung gebildete, gegen das Antigen gerichtete Antikörper enthalten, die sich im erkannten Epitop unterscheiden können.<br />
<br />
== Pathologie ==<br />
Als ''[[Hypogammaglobulinämie]]'' wird der Mangel an Antikörpern und als ''[[Agammaglobulinämie]]'' ihr völliges Fehlen bezeichnet. Ein Zuviel an Antikörpern bezeichnet man als ''[[Hypergammaglobulinämie]]''.<br />
Die Diagnose einer Störung der Antikörper wird in der Regel durch die [[Serumelektrophorese|Eiweißelektrophorese]] des [[Blutserum]]s gestellt. Eventuell muss diese noch durch eine [[Immunelektrophorese]] ergänzt werden.<br />
<br />
Ursachen einer ausgeprägteren ''Hypo''gammaglobulinämie können u.&nbsp;a. sein:<br />
<br />
* angeborener Mangel (am häufigsten sind der angeborene Immunglobulin-A-Mangel oder ein Mangel an einer der vier Subklassen von Immunglobulin G)<br />
* Erkrankungen mit Störungen der Lymphozyten:<br />
** [[Leukämie]]n<br />
** [[Malignes Lymphom|maligne Lymphome]]<br />
<br />
Ursachen einer ausgeprägteren ''Hyper''gammaglobulinämie können u.&nbsp;a. sein:<br />
* chronische [[Entzündung]]en<br />
* Erkrankungen mit Störungen der [[Lymphozyt]]en:<br />
** maligne Lymphome, z.&nbsp;B. [[Plasmozytom]]/[[Multiples Myelom]] oder [[Morbus Waldenström]]<br />
* [[Leberzirrhose]]<br />
<br />
== Modifizierte Antikörper ==<br />
Durch [[Proteindesign]] wurden verschiedene Derivate von Antikörpern mit teilweise veränderten Eigenschaften erzeugt, z.&nbsp;B. [[F(ab)2-Fragment]]e, [[Fab-Fragment]]e, [[scFv-Fragment]]e, [[Einzeldomänenantikörper]] oder [[Mikroantikörper]].<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur | Autor= Stefan Dübel, Frank Breitling, André Frenzel, Thomas Rostock, Andrea L.J.Marschall, Thomas Schirrmann, Michael Hust | Titel=Rekombinante Antikörper | TitelErg=Lehrbuch und Kompendium für Studium und Praxis | Auflage=2. | Verlag=Springer Spektrum | Ort=Berlin | Datum=2019 | Sprache=de | ISBN=978-3-662-50275-4 | DOI=10.1007/978-3-662-50276-1}}<br />
* {{Literatur| Titel=Handbook of Therapeutic Antibodies| Hrsg=Stefan Dübel, Janice M. Reichert| Auflage=2.| Verlag=Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA| Ort=Weinheim| Datum=2014| Sprache=en| ISBN=978-3-527-32937-3}}<br />
* Jean Lindenmann: ''Origin of the terms 'antibody' and 'antigen'.'' In: ''Scandinavian journal of immunology.'' Band 19, Nummer 4, April 1984, S.&nbsp;281–285, {{DOI|10.1111/j.1365-3083.1984.tb00931.x}}, PMID 6374880.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Antibodies|Antikörper}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4002290-0|LCCN=sh/85/064568}}<br />
<br />
[[Kategorie:Antikörper| ]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schutzgas&diff=229152578Schutzgas2022-12-24T15:32:27Z<p>Designer2k2: /* Stranggießen */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt technischen Anwendungen des Schutzgases. Zur Verwendung im Bereich der Lebensmitteln siehe [[Schutzatmosphäre]].}}<br />
Als '''Schutzgas''' wird ein [[Gas]] oder Gasgemisch bezeichnet, das die Aufgabe hat, die Luft der [[Erdatmosphäre]] zu verdrängen, vor allem den [[Sauerstoff]] der Luft.<br />
<br />
== Lebensmittel ==<br />
{{Hauptartikel|Schutzatmosphäre}}<br />
Schutzgas wird häufig in der [[Verpackung]] von [[Lebensmittel]]n verwendet. Die [[Schutzatmosphäre|Schutzgasatmosphäre]] besteht je nach zu verpackendem Lebensmittel aus natürlichen, geruchlosen und geschmacksneutralen Bestandteilen der Luft, z.&nbsp;B. [[Kohlenstoffdioxid]] (CO<sub>2</sub>) oder [[Stickstoff]] (N<sub>2</sub>) bzw. wie bei Frischfleisch aus Sauerstoff (O<sub>2</sub>),<ref>{{Internetquelle |zugriff=2013-04-25 |titel=Fragen und Antworten zu Fleisch, welches unter Schutzatmosphäre mit erhöhtem Sauerstoffgehalt verpackt wurde |hrsg=Bundesinstitut für Risikobewertung |url=http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_fleisch__welches_unter_schutzatmosphaere_mit_erhoehtem_sauerstoffgehalt_verpackt_wurde-51981.html#topic_51983}}</ref> deren Mengenanteile in Abhängigkeit vom Produkt variieren.<br />
<br />
Schutzgase sind keine [[Zusatzstoffe]] im Sinne des [[Lebensmittelgesetz]]es. Sie sind lebensmittelrechtlich unbedenklich und müssen nicht deklariert werden. Eine Kennzeichnung gemäß {{§|9|zzulv_1998|juris}} (7) der [[Zusatzstoff-Zulassungsverordnung]] ist aber erforderlich: „Unter Schutzatmosphäre verpackt“.<br />
<br />
== Metalltechnik ==<br />
=== Schweißtechnik ===<br />
<br />
[[Datei:TU Dresden PIV.PNG|mini|Visualisierung der Schutzgasströmung durch PIV am MSG-Impulslichtbogen]]<br />
[[Datei:TU Dresden Schlierentechnik.PNG|mini|Visualisierung der Gasströmung durch Schlierentechnik am Schutzgasfreistrahl]]<br />
[[Datei:TU Dresden Simulation.PNG|mini|Numerische Simulation der Sauerstoffkonzentration und der Geschwindigkeit im Schutzgasfreistrahl]]<br />
<br />
Beim [[Schutzgasschweißen]] werden der [[Lichtbogen]] und das Schmelzbad durch ein Schutzgas vor dem Zutritt von Atmosphärengasen (N<sub>2</sub>, O<sub>2</sub>, H<sub>2</sub>) geschützt. Dadurch wird verhindert, dass das Metall mit dem Luftsauerstoff reagiert ([[Korrosion]], [[Verbrennung (Chemie)|Verbrennung]]) oder auf metallurgische bzw. mechanische Weise Poren im Schmelzgut entstehen. Besonders wichtig ist ein hochwertiger Gasschutz für hochlegierte Stähle, aber auch für Leichtmetalle wie [[Aluminium]], [[Magnesium]] oder [[Titan (Element)|Titan]]. Ist die Qualität der Gasabdeckung unzureichend, können je nach Werkstoff und Randbedingungen Anlauffarben, Rußablagerungen, vermehrter Schweißspritzerauswurf, Poren oder sogar Gefügebeeinträchtigungen entstehen. Neben der reinen Schutzfunktion kann mit der Schutzgasauswahl aber auch die Nahtform, die Spaltüberbrückbarkeit, das Zündverhalten, die Lichtbogenstabilität oder der Tropfenübergang beeinflusst werden.<br />
<br />
Man unterscheidet beim Schutzgasschweißen nach DIN 1910–100 zwischen Metall-Schutzgasschweißen (MSG) und Wolfram-Schutzgasschweißen (WSG) sowie deren Unterverfahren. Die verwendeten Schutzgase variieren je nach Verfahren, Werkstoff oder speziellen Prozessanforderungen. Schutzgase für das Metall-Schutzgasschweißen von un- und niedriglegierten Stählen sind z.&nbsp;B. CO<sub>2</sub> oder Gemische aus Argon und CO<sub>2</sub>. Für hochlegierte Stähle werden in der Regel argonreiche Mischgase eingesetzt, die nur wenige Prozent O<sub>2</sub> oder CO<sub>2</sub> enthalten. Aluminium, Magnesium oder Titan werden in der Regel mit [[Argon]] bzw. Argon-Helium-Gemischen geschweißt. Sind aktive Komponenten wie O<sub>2</sub> oder CO<sub>2</sub> oder H<sub>2</sub> im Schutzgas enthalten, spricht man nach DIN EN ISO 14175 und DIN 1910–100 von Metall-Aktivgasschweißen. Werden ausschließlich Argon oder Helium bzw. deren Gemische verwendet, spricht man von Metall-Inertgasschweißen. Die Vielfalt der standardisierten Gasgemische ist inzwischen sehr groß. Als Gemischkomponenten kommen Argon, Helium, Kohlenstoffdioxid, aber auch Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff in Frage. Eine Klassifizierung der Schutzgase gibt die europäische Norm DIN EN ISO 14175 „Gase und Mischgase für das Lichtbogenschweißen und verwandte Prozesse“.<br />
<br />
Die Qualität der jeweiligen Schutzgase wird bei handelsüblichen Gasflaschen mit einem Code angegeben: Elementbezeichnung - Anzahl der führenden Neunen - Punkt - Ziffer der Restunreinheit. Beispiel: Ar 5.4 bedeutet 5 Neunen und dann Ziffer 4, also: Argon mit 99,9994 Prozent Argonanteil. Die Unreinheit beträgt folglich 0,0006 Prozent. <br />
<br />
Eine gute Schutzgasabdeckung hängt in entscheidendem Maße von der strömungstechnischen Konstruktion des Schweißbrenners und den richtig gewählten Randbedingungen in der Schweißfertigung ab. Für die Visualisierung und Bewertung der Gasströmung und der resultierenden Gasabdeckung am Werkstück werden in Wissenschaft und Industrie sowohl diagnostische als auch numerische Methoden der Strömungsanalyse eingesetzt.<br />
<br />
Zur diagnostischen Visualisierung der Gasströmung kommen die Methoden der Schlierentechnik<ref>[http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/if/fue/forschung/arbeitsgruppelichtbogenschweissen/arbeitsfelder/diagnostikinhalt/schlieren TU Dresden – Schlierentechnik]</ref> oder der Particle Image Velocimetry (PIV)<ref>{{Webarchiv | url= http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/if/fue/forschung/arbeitsgruppelichtbogenschweissen/arbeitsfelder/diagnostikinhalt/piv-video | wayback= 20141013201611 | text=TU Dresden – Particle Image Velocimetry (PIV)}}</ref> zum Einsatz. Durch die Sauerstoffmessung<ref>[http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/if/fue/forschung/arbeitsgruppelichtbogenschweissen/arbeitsfelder/diagnostikinhalt/sauerstoffmessung_diagnostik TU Dresden – Sauerstoffmessung]</ref> kann die Qualität der Schutzgasabdeckung unter Berücksichtigung des Lichtbogens im Labor quantitativ ermittelt werden.<br />
<br />
Neben den Methoden der diagnostischen Strömungsanalyse kann die Schutzgasströmung von Schweißprozessen auch mit Hilfe numerischer Strömungssimulation<ref>[http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/if/fue/forschung/arbeitsgruppelichtbogenschweissen/arbeitsfelder/simulation TU Dresden – Numerische Strömungssimulation]</ref> analysiert werden. Vorteile der numerischen Simulation liegen in der Möglichkeit, Strömungen auch in kleinen, verdeckten Bereichen innerhalb des Schweißbrenners zu visualisieren sowie komplexe physikalische Zusammenhänge zeitlich und örtlich hochaufgelöst zu beschreiben. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge können sehr gut erkannt und auf ihre physikalischen Ursachen zurückgeführt werden.<ref>M. Dreher, U. Füssel, M. Schnick, S. Rose, M. Hertel: ''Strömungssimulation und -diagnostik. Moderne Methoden für die effiziente und innovative MSG-Schweißbrennerentwicklung.'' In: ''DVS-Berichte.'' Band 267, Düsseldorf 2010, ISBN 978-3-87155-592-3, S. 159–165.</ref><ref>U. Füssel, M. Dreher, M. Schnick: ''Strömungstechnische Auslegung von Brennersystemen zum wirtschaftlichen und emissionsreduzierten Lichtbogenschweißen.'' Cluster Lichtbogenschweißen – Physik und Werkzeug, AiF 15.871 B, Laufzeit 1. November 2008 – 31. Dezember 2011.</ref><br />
<br />
=== Härtetechnik ===<br />
Ebenso findet Schutzgas Anwendung in der Härtetechnik für die Atmosphäre in der Härteanlage, da gasförmiger Stickstoff oder [[Wasserstoff]] verhindert, dass Sauerstoff den zu härtenden [[Stahl]] verändert. Das Schutzgas brennt somit im Ofeneinlauf ab. Damit bleibt die Oberfläche des gehärteten Werkstücks glänzend blank und gleichzeitig fallen weniger Rückstände an, die sonst mühsam aus dem Abschreckmedium ausgefiltert werden müssten.<br />
<br />
=== Stranggießen ===<br />
<br />
{{Hauptartikel|Stranggießen}}<br />
<br />
Beim Stranggießen wird beim Umfüllen des flüssigen Metalls zwischen Gießpfanne und Verteilerwagen meist ein Schattenrohr verwendet, um [[Oxidation]] und Stickstoff-Eintrag zu vermeiden. Hierzu wird das Schattenrohr mit einem Schutzgas, in der Regel [[Argon]], gefüllt.<ref name="Schattenrohr">Siehe etwa die Darstellung von Stahl-Strangguss im {{Webarchiv |url=http://www.fc-technik.ch/fileadmin/user_upload/downloads/floxon_Stahl_deutsch.pdf |text=Produktblatt |wayback=20140714165731 |archiv-bot=}} eines Massedurchfluss-Reglers (Schema auf Doppelseite 4/5).</ref><br />
<br />
== Elektrotechnik ==<br />
In der Elektrotechnik wird Schutzgas verwendet, um die Leitfähigkeit in der Umgebung von Schaltkontakten herabzusetzen. Dies dient der [[Funkenlöschung]].<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Inertgas]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Rudolf Wolfgang Klingler: ''Grundlagen der Getreidetechnologie''. Behr’s Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-86022-228-7, S. 245. ([http://books.google.ch/books?id=y0V5b-HQJvQC&pg=PA245 Digitalisat])<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4180265-2}}<br />
<br />
[[Kategorie:Lichtbogenschweißen]]<br />
[[Kategorie:Gas]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Stabilisator_(Chemie)&diff=229152553Stabilisator (Chemie)2022-12-24T15:31:12Z<p>Designer2k2: /* Körperpflege */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>'''Stabilisatoren''' sind [[Chemische Verbindung|chemische Verbindungen]], die einem metastabilen System zugesetzt werden, um den Übergang in einen energieärmeren Zustand zu verhindern. Diese Umwandlungen werden wesentlich durch erhöhte Temperatur, Sauerstoff oder UV-Strahlen ausgelöst. Von ökonomischer Bedeutung sind besonders Stabilisatoren für [[Kunststoffe]].<br />
<br />
== Anwendungen ==<br />
=== Chemie ===<br />
Kunststoffe müssen mit [[Thermostabilisator]]en gegen Hitze und mit [[UV-Stabilisator]]en gegen die schädlichen Wirkungen von Licht geschützt werden. Auch [[Emulsion]]en werden durch entsprechende Stoffe stabilisiert. Hitze-Stabilisatoren werden vor allem für Objekte aus [[Polyvinylchlorid]] benötigt, das heißt für Bau-Produkte wie zum Beispiel Fensterprofile, Rohre und Kabel. Besonders für Produkte aus [[Polypropylen]] oder [[Polyethylen]] werden Licht-Stabilisatoren gebraucht, zum Beispiel [[Hindered Amine Light Stabilizers]] (HALS). Stabilisatoren für Kunststoffe können aus Umweltgründen umstritten sein, da sie Schwermetall-Verbindungen enthalten. In Europa wurden Cadmium-Stabilisatoren ab 2001 nicht mehr verkauft, Stabilisatoren mit giftigem Blei<ref>[http://www.pvc.org/en/p/lead-stabilisers Lead Stabilisers]</ref> wurden und werden zunehmend durch andere Typen ersetzt, zum Beispiel Calcium-Zink-Stabilisatoren.<ref>[http://www.ceresana.com/de/marktstudien/additive/stabilisatoren/ Marktstudie Stabilisatoren von Ceresana Research], Mai 2011.</ref> <br />
<br />
In der Chemie wird die Lagerfähigkeit von Synthesechemikalien, die unter Einfluss von Licht und Luftsauerstoff zu Polymerisationen neigen, durch so genannte [[Radikalfänger]] deutlich verbessert oder erst ermöglicht. Solche Radikalfänger reagieren mit den Radikalen schneller als die zu schützende Substanz und unterbrechen die Radikalkettenreaktion, die zur Polymerisation führt. Die als Radikalfänger verwendeten Substanzen sind in der Regel [[Phenole]], zum Beispiel [[Methoxyphenole|Hydrochinonmonomethylether]] MEHQ, [[4-tert-Butylbrenzcatechin|4-''tert''-Butylbrenzcatechin]] oder [[3,5-Di-tert-butylbrenzcatechin|3,5-Di-''tert''-butylbrenzcatechin]].<br />
<br />
Bei der Gefahrstoffkennzeichnung spielt der Unterschied „stabilisiert“ oder „nicht stabilisiert“ bei einigen an sich harmlosen Stoffen eine Rolle, welche als Pulver oder Staub als Gefahrstoffe eingestuft sind: Al, Cd, Mg, Zn, Zr. Hier wird auch der Begriff „phlegmatisiert“ verwendet.<br />
<br />
=== Körperpflege ===<br />
In Körperpflegemitteln wie Shampoos werden [[Schaumstabilisator]]en wie [[Cocamid DEA]] (ein Fettsäurediethanolamid) verwendet.<ref>[http://sci-toys.com/ingredients/shampoo.html Inhaltsstoffe von Shampoos]</ref><br />
In Mitteln wie Sonnenschutzcreme werden Emulsionsstabilisatoren zugesetzt, um die Entmischung der Öl- und Wasserphase zu verhindern.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.hobby-kosmetik.de/html/body_zusatzstoffe.html |text=Emulsionsstabilisatoren in Kosmetik |wayback=20100126113030 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Stabilisator (Lebensmittelzusatzstoff)]]<br />
* [[Korrosionsinhibitor]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4255686-7}}<br />
<br />
[[Kategorie:Chemikaliengruppe]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Intel-Haswell-Mikroarchitektur&diff=229152488Intel-Haswell-Mikroarchitektur2022-12-24T15:28:14Z<p>Designer2k2: /* Design */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox<br />
| Titel = Haswell (Mikroarchitektur)<br />
| Bildname = Haswell Chip.jpg<br />
| Bildbreite = 330px<br />
| Bildtext = Haswell-Die im Vergleich mit einer Stecknadel<br />
| Stil = 2<br />
| Style =<br />
| Farbe =<br />
| Abschnittsfarbe =<br />
| Feldstyle =<br />
| Feldname1 = Hersteller | Daten1 = [[Intel]]<br />
| Feldname2 = Herstellungsprozess | Daten2 = 22 nm<br />
| Feldname3 = Sockel | Daten3 = Sockel 1150<br />rPGA 947<br />BGA 1364<br />BGA 1168<br />
| Feldname4 = Verkaufs-<br>bezeichnung | Daten4 = Core&nbsp;i3,&nbsp;4.&nbsp;Generation<br />Core i5, 4. Generation<br />Core i7, 4. Generation<br />[[Intel Xeon|Xeon]]<br />[[Intel Celeron|Celeron]]<br />Pentium<br />
| Feldname5 = Kerne/Threads | Daten5 = 2–4 (Desktop)<br /> 6+ (Extreme)<br /> 8+ (Xeon)<br />
| Feldname6 = L1-Cache | Daten6 = 32+32 kB pro Kern<br />
| Feldname7 = L2-Cache | Daten7 = 256 kB pro Kern<br />
| Feldname8 = L3-Cache | Daten8 = 2–8&nbsp;MB (geteilt)<br />
| Feldname9 = L4-Cache | Daten9 = N/V oder 128&nbsp;MB (Iris&nbsp;Pro-Modelle)<br />
| Feldname10 = Vorgänger | Daten10 = [[Intel-Sandy-Bridge-Mikroarchitektur|Sandy Bridge (tock)]]<br />[[Intel-Sandy-Bridge-Mikroarchitektur#Ivy Bridge|Ivy Bridge (tick)]]<br />
| Feldname11 = Nachfolger | Daten11 = [[Intel-Broadwell-Mikroarchitektur|Broadwell (tick)]]<br />[[Intel-Skylake-Mikroarchitektur|Skylake (tock)]]<br />
}}<br />
'''Haswell''' ist der Codename einer Prozessor-[[Mikroarchitektur]] des Chipherstellers [[Intel]], welche als Nachfolger der [[Intel-Ivy-Bridge-Mikroarchitektur|Ivy-Bridge]]-Architektur im 2. Quartal 2013 erschien. Wie Ivy Bridge basiert auch Haswell auf dem 22-nm-Verfahren. Die integrierte [[Grafikprozessor|GPU]] unterstützt zudem [[DirectX]] 11.1 und [[OpenGL]] 4.0. Es werden Mainboards mit [[Sockel 1150]] sowie einem der 80er-[[Chipsatz|Chipsätze]] benötigt. Für die Haswell-Prozessoren der zweiten Generation, auch Haswell Refresh genannt, sind die Chipsätze der 90er-Reihe vorgesehen.<br />
<br />
Offiziell wurden die Haswell-Prozessoren am 1. Juni 2013 vorgestellt, wenige Tage vor Beginn der IT-Messe [[Computex]]. Einzelne Händler in China und anderen Teilen Asiens begannen allerdings schon früher mit dem Verkauf von Haswell-Prozessoren und LGA1150-Mainboards.<ref>[https://www.computerbase.de/2013-05/haswell-prozessoren-in-china-bereits-im-handel-erhaeltlich/ ''Haswell-Prozessoren in China bereits im Handel erhältlich''.] In: ''computerbase.de'', abgerufen am 12. Mai 2013.</ref><br />
<br />
Der Codename wurde von der Ortschaft [[Haswell (Colorado)|Haswell]] im US-Bundesstaat [[Colorado]] hergeleitet.<ref name="Haswell-CO">{{Internetquelle |url=http://www.denverpost.com/ci_23370797/intels-newest-processor-named-after-small-colorado-town |titel=Intel’s newest processor named after small Colorado town of Haswell |autor=Andy Vuong |hrsg=Digital First Media |werk=The Denver Post |datum=2013-02-06 |zugriff=2014-07-17 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
== Design ==<br />
Haswell wurde besonders auf Energieeffizienz und Leistung optimiert,<ref>{{Internetquelle|url=http://www.pcper.com/reviews/Processors/IDF-2012-Intel-Haswell-Architecture-Revealed |titel=IDF 2012: Intel Haswell Architecture Revealed |werk= PC Perspective |autor=Ryan Shrout | zugriff=2013-09-22}}</ref> um die Vorteile der neuen [[FinFET]]-Transistoren zu nutzen, die beim Wechsel auf den 22-nm-Fertigungsprozess eingeführt wurden.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.theinquirer.net/inquirer/news/2206077/idf-intel-says-haswell-wont-use-ivy-bridge-transistors |text=''IDF: Intel says Haswell won’t use Ivy Bridge transistors''. |wayback=20120920221812 |archiv-bot=}} In: ''The Inquirer''</ref><br />
<br />
=== Chipsatz für Haswell-Prozessoren ===<br />
Haswell-Prozessoren sind nicht kompatibel zu den Chipsätzen für die Ivy-Bridge-Prozessoren. Zusätzlich führt Intel mit Haswell neue Chipsätze mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen, wie etwa mehr USB-3.0-Schnittstellen, ein.<br />
<br />
=== Erläuterungen ===<br />
[[Datei:Fully Integrated Voltage Regulator.svg|mini|links|hochkant=2|Haswell kam mit einer sogenannten '''FIVR'''.]]<br />
* ULT = ''Ultra Low [[Thermal Design Power]]''; ULX = ''Ultra Low eXtreme'' TDP.<br />
* Nur bestimmte BGA-Versionen werden eine GT3 (Intel HD 5000, Intel Iris 5100) oder GT3e (Intel Iris Pro 5200) integrierte Grafikeinheit erhalten. Alle anderen Modelle erhalten die GT2 (Intel HD 4X00) integrierte Grafikeinheit. Weitere Informationen darüber bietet [[Intel HD Graphics]].<br />
* Da Ultrabooks und Tablets einen geringen Energieverbrauch voraussetzen, werden Haswell-ULT und Haswell-ULX-Prozessoren nur in einer Dual-Core-Variante verfügbar sein. Alle anderen Versionen sind Dual- oder Quad-Core-Modelle.<br />
<br />
=== Leistung ===<br />
Im Vergleich zu [[Intel-Ivy-Bridge-Mikroarchitektur|Ivy Bridge]] hat Haswell ca. 8 % mehr [[Vektorprozessor|Vektorverarbeitungsleistung]] und eine bis zu 6 % bessere Single-Thread-Leistung.<ref name="vs">{{cite web|last=Shvets|first=Gennadiy|title=Intel Core i5-3570K vs i5-4670K|url=http://www.cpu-world.com/Compare/579/Intel_Core_i5_i5-3570K_vs_Intel_Core_i5_i5-4670K.html|accessdate=2013-07-23|date=2013-07-09}}</ref> Außerdem verbraucht ein Haswell-Prozessor unter Last ca. 8 % weniger Strom als ein vergleichbares Ivy-Bridge-Modell.<ref name="vs" /><ref>[http://www.xbitlabs.com/articles/cpu/display/core-i7-4770k_11.html xbitlabs.com]</ref><ref>[http://www.pcpro.co.uk/news/382267/intel-haswell-hotter-and-slower-than-expected pcpro.co.uk]</ref><ref>[http://www.bit-tech.net/news/hardware/2013/06/06/haswell-heat/ bit-tech.net]</ref> Darüber hinaus kann eine Verbesserung der sequentiellen CPU-Leistung um 6 % gegenüber Ivy Bridge verzeichnet werden (statt 6 jetzt 8 Ausführungsports pro Kern).<ref name="vs" /> Die Hauptoptimierung wurde bei der integrierten Grafikeinheit durchgeführt, hier wurde eine um 20 % gesteigerte Leistung gegenüber dem Vorgänger Intel HD 4000 erzielt (Haswell HD 4600 vs. Ivy Bridge HD 4000).<ref name="vs" /><br />
<br />
== Modelle ==<br />
<br />
Haswell erschien in mehreren Versionen:<ref>[http://www.techpowerup.com/177817/Intel-Haswell-and-Broadwell-Silicon-Variants-Detailed.html ''Intel Haswell and Broadwell Silicon Variants Detailed''.] In: ''techPowerUp''</ref><br />
<br />
=== Haswell-DT ===<br />
Desktop-Version (Sockel [[Sockel 1150|LGA1150]])<br />
* [[Mehrkernprozessor|Vierkernprozessor (Quad-Core)]]<br />
* L1-Cache: je Kern 32 + 32 [[Binärpräfix|KiB]] (Daten + Instruktionen)<br />
* L2-Cache: je Kern 256&nbsp;KiB mit Prozessortakt<br />
* L3-Cache: 2&nbsp;MiB bis 8&nbsp;MiB<br />
* [[Multi Media Extension|MMX]], [[Internet Streaming SIMD Extensions|SSE]], [[Streaming SIMD Extensions 2|SSE2]], [[SSE3]], [[SSSE3]], [[SSE4]].2, [[Intel 64]], [[Intel-SpeedStep-Technologie|EIST]], [[NX-Bit|XD-Bit]], [[Intel VT|IVT]], [[Advanced Encryption Standard|AES]]-Instruktionen, [[AVX]], [[AVX2]], [[Simultaneous Multithreading|SMT]], [[Trusted Execution Technology|TXT]], gather, [[Bit Manipulation Instruction Sets|BMI1]], [[Bit Manipulation Instruction Sets|BMI2]], [[FMA x86|FMA3]]<br />
* integrierte GPU<br />
* [[Sockel 1150]]<br />
* Verlustleistung ([[Thermal Design Power|TDP]]): 35–84&nbsp;W<br />
* Erscheinungsdatum: 4. Juni 2013<br />
* Fertigungstechnik: 22&nbsp;nm<br />
* [[Die (Halbleitertechnik)|Die]]-Größe: 177&nbsp;mm² bei 1,4 Milliarden [[Transistor]]en (inkl. iGPU und integr. Northbridge)<br />
* Taktraten: 2,3–4,4&nbsp;GHz<br />
* [[Modellnummern von Intel-Prozessoren|Modelle]]: [[Liste der Intel-Core-i-Prozessoren#Desktop|Intel Core i7-4770 Serie]]<br />
<br />
=== Haswell-MB ===<br />
Mobile Version ([[Pin Grid Array|PGA]]-Sockel)<br />
<br />
=== Haswell ([[Ball Grid Array|BGA]]-Version) ===<br />
* 47&nbsp;W und 57&nbsp;W [[Thermal Design Power|TDP]]: ''Haswell-H'' (für „All-in-one“-Systeme, Mini-ITX-Mainboards und andere Mainboards im kleinen Formfaktor)<br />
* 13,5&nbsp;W und 15&nbsp;W TDP ([[Multi-Chip-Modul|MCM]]): ''Haswell-ULT'' (für Intels [[Ultrabook]]-Plattform)<br />
* 10&nbsp;W TDP ([[System-on-a-Chip|SoC]]): ''Haswell-ULX'' (für [[Tablet-Computer]] und bestimmte Ultrabook-Implementierungen)<br />
<br />
=== Haswell-E ===<br />
High-End-Desktop (FCLGA2011-3)<br />
* [[Mehrkernprozessor|Sechskernprozessor (Hexa-Core)]]/[[Mehrkernprozessor|Achtkernprozessor (Octa-Core)]]#* L1-Cache: je Kern 32 + 32 [[Binärpräfix|KiB]] (Daten+Instruktionen)<br />
* L2-Cache: je Kern 256&nbsp;KiB mit Prozessortakt<br />
* L3-Cache: 15&nbsp;MiB bis 20&nbsp;MiB<br />
* [[Multi Media Extension|MMX]], [[Internet Streaming SIMD Extensions|SSE]], [[Streaming SIMD Extensions 2|SSE2]], [[SSE3]], [[SSSE3]], [[SSE4]].2, [[Intel 64]], [[Intel-SpeedStep-Technologie|EIST]], [[NX-Bit|XD-Bit]], [[Intel VT|IVT]], [[Advanced Encryption Standard|AES]]-Instruktionen, [[AVX]], [[AVX2]], [[Simultaneous Multithreading|SMT]], [[Trusted Execution Technology|TXT]], gather, [[BMI1]], [[BMI2]], [[FMA x86|FMA3]]<br />
* [[Sockel 2011-3]]<br />
* Verlustleistung ([[Thermal Design Power|TDP]]): 140&nbsp;W<br />
* Erscheinungsdatum: 29. August 2014<br />
* Fertigungstechnik: 22&nbsp;nm<br />
* [[Die (Halbleitertechnik)|Die]]-Größe: 356&nbsp;mm² bei 2,6 Milliarden [[Transistor]]en (inkl. integr. Northbridge)<br />
* Taktraten: 3,0–3,7 GHz<br />
* [[Modellnummern von Intel-Prozessoren|Modelle]]: [[Liste der Intel-Core-i-Prozessoren#Desktop|Intel Core i7-5900 Serie]]<br />
<br />
=== Haswell-EP ===<br />
Server-Version (FCLGA2011-3)<ref>[http://technet.servermeile.com/intel-xeon-e5-2600v3/ Der neue Intel Haswell-EP] (Servermeile Technet)</ref><br />
<br />
== Roadmap ==<br />
<br />
<gallery widths="960px" heights="200px" mode="packed"><br />
IntelProcessorRoadmap-3.svg|Intel-CPU-Core-Projektpläne von der NetBurst bzw. P6 bis Skylake<br />
</gallery><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Intel-Core-i-Serie]]<br />
* [[Liste der Intel-Core-i-Prozessoren]]<br />
* [[Accelerated Processing Unit]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.golem.de/news/intel-roadmap-ivy-bridge-kommt-spaeter-haswell-nicht-1203-90541.html Golem-Artikel über die Haswell-Mikroarchitektur]<br />
* {{Internetquelle<br />
|url=http://www.intel.com/content/dam/www/public/us/en/documents/specification-updates/4th-gen-core-family-desktop-specification-update.pdf<br />
|titel=Desktop 4th Generation Intel Core Processor Family, Desktop Intel Pentium Processor Family, and Desktop Celeron Processor Family<br />
|sprache=en<br />
|format=PDF<br />
|datum=2015-10<br />
|kommentar=Errata mit Auflistung bekannter Fehler der Haswell-Mikroarchitektur<br />
|zugriff=2016-01-12<br />
|hrsg=Intel}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Intel-Mikroarchitekturen}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Intel Haswell}}<br />
[[Kategorie:Prozessorarchitektur]]<br />
[[Kategorie:Rechnerarchitektur]]<br />
[[Kategorie:Intel|Haswellmikroarchitektur]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sacco_und_Vanzetti&diff=229152420Sacco und Vanzetti2022-12-24T15:25:04Z<p>Designer2k2: /* Mobilisierung einer weltweiten Öffentlichkeit */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Begriffsklärungshinweis|Zum Spielfilm siehe [[Sacco und Vanzetti (Film)]].}}<br />
[[Datei:Sacvan.jpg|mini|hochkant=1.5|Vanzetti (links) und Sacco als Angeklagte, mit Handschellen aneinander&shy;gefesselt]]<br />
<br />
'''Ferdinando „Nicola“ Sacco''' (* [[22. April]] [[1891]] in [[Torremaggiore]], [[Provinz Foggia]], [[Italien]]; † [[23. August]] [[1927]] in [[Charlestown (Boston)|Charlestown]], [[Massachusetts]]) und '''Bartolomeo Vanzetti''' (* [[11. Juni]] [[1888]] in [[Villafalletto]], [[Provinz Cuneo]], Italien; † 23. August 1927 in Charlestown, Massachusetts) waren zwei aus Italien in die [[Einwanderung in die Vereinigten Staaten|USA eingewanderte Arbeiter]], die sich der [[Anarchismus|anarchistischen]] [[Arbeiterbewegung]] angeschlossen hatten.<br />
<br />
Sie wurden der Beteiligung an einem doppelten [[Raubmord]] angeklagt und 1921 in einem umstrittenen Prozess schuldig gesprochen. Nach mehreren abgewiesenen [[Revision (Recht)|Revisionsanträgen]] der [[Rechtsanwalt]]schaft folgte 1927 nach sieben Jahren Haft das [[Todesstrafe in den Vereinigten Staaten|Todesurteil]]. In der Nacht vom 22. auf den 23. August 1927 wurden Sacco und Vanzetti im Staatsgefängnis von Charlestown auf dem [[Elektrischer Stuhl|elektrischen Stuhl]] [[Hinrichtung|hingerichtet]].<br />
<br />
Sowohl der Schuldspruch als auch das letztliche Urteil vom 9. April 1927 hatten weltweite Massendemonstrationen zur Folge. Kritiker warfen der US-amerikanischen [[Rechtspflege|Justiz]] vor, es handele sich um einen politisch motivierten [[Justizmord]] auf der Grundlage fragwürdiger [[Indiz]]ien. Entlastende Hinweise seien unzureichend gewürdigt oder sogar unterdrückt worden. Hunderttausende von Menschen beteiligten sich an [[Petition]]en und versuchten damit, einen Aufschub oder die Aussetzung der Urteilsvollstreckung zu erreichen.<br />
<br />
Im Jahr 1977 veröffentlichte der [[Demokratische Partei (Vereinigte Staaten)|demokratische]] [[Gouverneur (Vereinigte Staaten)|Gouverneur]] von Massachusetts [[Michael Dukakis]] eine Erklärung, wonach der Prozess gegen das Duo „durchdrungen von Vorurteilen gegen Ausländer und Feindlichkeit gegenüber unorthodoxen politischen Ansichten“ und daher nicht gerecht gewesen sei.<ref>[https://www.mass.gov/info-details/sacco-vanzetti-proclamation Sacco & Vanzetti: Proclamation]</ref><br />
<br />
== Hintergründe ==<br />
=== Biografischer Hintergrund ===<br />
==== Nicola Sacco ====<br />
[[Datei:Sacco.png|mini|Nicola Sacco]]<br />
Ferdinando „Nicola“ Sacco wurde am 22. April 1891 in Torremaggiore im Süden Italiens geboren. Er war das dritte von insgesamt siebzehn Kindern. Sein Vater verkaufte Olivenöl und Wein aus eigener Produktion. Getauft auf Ferdinando, änderte er seinen Vornamen in Nicola, nachdem ein Bruder mit diesem Namen gestorben war. Dennoch wurde sein Taufname von ihm und seinen Freunden weiter verwendet.<br />
<br />
Ob er als Kind eine Schule besucht hat, ist nicht sicher. Er half seinem Vater jedenfalls früh bei der Bewirtschaftung der Felder. Landwirtschaft interessierte ihn allerdings nicht. Als sein älterer Bruder Sabino von einem Freund des Vaters nach Massachusetts, [[Vereinigte Staaten|USA]], eingeladen wurde, kam Nicola gerne mit. Als knapp Siebzehnjähriger erreichte er am 12. April 1908 Amerika.<br />
Er schlug sich als [[Wasserträger]] bei einer Baufirma und Arbeiter in einer [[Gießerei]] durch. Als nach etwa einem Jahr Sabino wieder in die Heimat zurückkehrte, blieb Nicola auf eigenen Wunsch in den Vereinigten Staaten. In der ''Milford Shoe Company'' ließ er sich 1910 zum Facharbeiter ausbilden und verdiente als Angestellter nun etwas mehr Geld als vorher.<br />
1912 heiratete er die damals siebzehnjährige Rosa Zambelli, von Sacco meist Rosina genannt. Ihr gemeinsamer Sohn Dante kam 1913 zur Welt. Von Freunden und Verwandten wurde Sacco als liebender Vater und familiärer Mensch beschrieben. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war seine Frau im fünften Monat mit Tochter Ines schwanger.<br />
<br />
Der junge Sacco wurde bereits in Italien von seinem Bruder Sabino für [[Sozialismus|sozialistische]] Ideen begeistert. In den Staaten engagierte er sich zusammen mit seiner Frau in einer Gruppe italienischer Anarchisten. 1916 wurde er festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er als Redner bei einer nicht genehmigten Anarchistenversammlung auftrat.<br />
Weil er fürchtete, für den [[Wehrdienst|Kriegsdienst]] eingezogen zu werden, flüchtete er 1917 mit anderen Anarchisten für einige Monate nach [[Mexiko]]. Unter ihnen war auch Vanzetti, den er etwa eine Woche vorher kennengelernt hatte.<br />
Nach der Rückkehr arbeitete Sacco bei verschiedenen Firmen, vor allem bei Schuhfabriken als Hilfsarbeiter. Bei der ''3-K Shoe Company'' erinnerte sich deren Besitzer Michael F. Kelley, der früher Abteilungsleiter bei der ''Milford Shoe Company'' gewesen war, an die Verlässlichkeit und den Fleiß Saccos.<ref>Lt. dessen Aussage im Prozessprotokoll, S. 5231, siehe auch in Strauss-Feuerlicht, S. 32.</ref> Sacco wurde im November 1918 dort eingestellt und verdiente durch [[Akkordlohn|Akkordarbeit]] bis zu achtzig Dollar in der Woche, was einem überdurchschnittlichen Arbeitergehalt entsprach. Zusätzlich kümmerte er sich im Winter 1918/19 um den Heizkessel und die Beheizung des Firmengebäudes, wozu er jede Nacht die Fabrik aufsuchte. Irrtümlicherweise wird er daher häufig als Nachtwächter der Firma beschrieben.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 30 ff. sowie Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 78–82.</ref><br />
<br />
==== Bartolomeo Vanzetti ====<br />
[[Datei:Vanzetti.png|mini|Bartolomeo Vanzetti]]<br />
Bartolomeo Vanzetti wurde am 11. Juni 1888 in Villafalletto bei Cuneo geboren. Seine Mutter hatte bereits einen Sohn aus einer früheren Ehe. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie Giovanni Vanzetti. Bartolomeo war das erste von vier Kindern der Vanzettis.<br />
Die Schule besuchte Bartolomeo für mindestens drei Jahre, die genaue Dauer ist nicht verlässlich belegt. Er wird als neugieriges und wissbegieriges Kind beschrieben. Sein Vater Giovanni, der neben einem Hof auch ein Kaffeehaus in Villafalletto führte, bestimmte für den Sohn jedoch den Beruf eines [[Konditorei|Zuckerbäckers]]. Mit 13 Jahren verließ Bartolomeo das Elternhaus, um die Lehre anzutreten. Während der anstrengenden Ausbildungszeit in verschiedenen Städten Italiens plagten ihn immer wieder Krankheiten.<br />
Im Alter von 19 Jahren wurde er, mittlerweile in [[Turin]], wegen einer schweren [[Pleuritis|Rippenfellentzündung]] nach Hause gebracht. Die Arbeit als Zuckerbäcker nahm er nie wieder auf. Stattdessen arbeitete er zunächst im Garten seiner Familie. Im Jahr seiner Rückkehr starb seine Mutter an [[Leberkrebs]], was Vanzetti sehr nahe ging. Gegen den Willen seines dominanten Vaters verließ Vanzetti 1908, knapp vor seinem 20. Geburtstag, seine Heimat, um in die USA auszuwandern.<br />
<br />
Dort hielt er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und zog von einer Stadt zur nächsten, ehe er sich 1913 in [[Plymouth (Massachusetts)|Plymouth]], Massachusetts, niederließ. Seine Stelle bei der ''Plymouth Cordage Company'' verlor er nach aktiver Beteiligung an einem Streik. Im Herbst 1919 machte er sich als Fischverkäufer selbständig.<br />
Vanzetti wohnte in Plymouth bei dem italienischen Anarchisten Vincenzo Brini als Untermieter. Selbst hatte er weder geheiratet noch Kinder, doch baute er eine innige Beziehung zu der Familie Brini und den drei Kindern auf. Nach seiner Flucht nach Mexiko und der Rückkehr nach Plymouth 1917 konnte ihn die Familie Brini aus Platzgründen nicht mehr aufnehmen, und er wohnte bis zu seiner Verhaftung bei der Familie Fortini.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 34 ff. sowie Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 73–78, 82.</ref><br />
<br />
Geprägt durch die leidvollen Erfahrungen als Arbeitsloser in den ersten Jahren in den Staaten, wuchsen seine Zweifel an der Religion, und er wandte sich verstärkt anarchistischen Idealen zu. In seiner Autobiografie schrieb er:<br />
{{Zitat|In Amerika erfuhr ich all die Leiden, Enttäuschungen und Entbehrungen, die zwangsläufig das Los eines Menschen sind, der im Alter von zwanzig Jahren hier ankommt, nichts vom Leben weiß und etwas von einem Träumer in sich hat. Hier sah ich die ganze Grausamkeit des Lebens, all die Ungerechtigkeit und die Korruption, mit der sich die Menschheit auf so tragische Weise herumschlägt. […] Ich suchte meine Freiheit in der Freiheit aller, mein Glück im Glück aller.|ref=<ref>Vanzetti in seiner Autobiografie, S. 18 f.</ref>}}<br />
<br />
==== Gemeinsame Aktivitäten ====<br />
Sacco und Vanzetti waren 1908 von Italien nach Amerika ausgewandert, begegneten sich jedoch erstmals im Mai 1917. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich der anarchistischen Bewegung um [[Luigi Galleani]] angeschlossen. Galleani selbst wurde aufgrund der rigiden Politik gegen ausländische Radikale 1919 festgenommen und [[Deportation|deportiert]].<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 1924; Deportation siehe Strauss-Feuerlicht, S. 172.</ref><br />
<br />
Kurz bevor Sacco und Vanzetti sich kennenlernten, waren die USA mit der Kriegserklärung an Deutschland im April 1917 in den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] eingetreten. Die Flucht der beiden nach Mexiko erfolgte in der Absicht, sich der Musterung und dem drohenden Militäreinsatz im wesentlich auf europäischen Schlachtfeldern ausgetragenen Krieg zu entziehen. Tatsächlich konnten Ausländer, deren Einbürgerungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, nach dem Gesetz eigentlich nicht zum Kriegsdienst verpflichtet werden. Drei oder vier Monate später kehrten sie wieder zurück, verwendeten aber einige Zeit falsche Namen, da sie aufgrund ihrer Flucht vor der Registrierung eine Gefängnisstrafe zu erwarten hatten.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 169 f.</ref><br />
<br />
Die Briefe, die sich beide während ihrer Gefangenschaft wegen des Raubmords von South Braintree schrieben – die meiste Zeit waren sie in getrennten Zellen und Gefängnissen untergebracht –, lassen mehr auf ein kameradschaftliches als ein herzlich-freundschaftliches Verhältnis zueinander schließen.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 168.</ref><br />
<br />
=== Historisch-politische Hintergründe ===<br />
[[Datei:Come unto me, ye opprest.jpg|mini|Publizistischer Ausdruck der ''[[Rote Angst|Red Scare]]'': Die Propaganda-[[Karikatur]] in der Tageszeitung ''Commercial Appeal'' aus [[Memphis (Tennessee)|Memphis]] (1919) stellt die [[Klischee]]vorstellung eines europäischen Anarchisten als Verbrecher dar, der die Freiheitsstatue zerstören will. Dazu ironisch das Bibelzitat {{Bibel|Mt|11|28}}: “Come unto me, ye opprest!” („Kommt zu mir, ihr Unterdrückten“)]]<br />
<br />
Mit Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 gerieten die USA in eine [[Konjunktur#Depression (Konjunkturtief)|wirtschaftliche Depression]]. Die Zahl der Arbeitslosen nahm stark zu, die Preise stiegen kontinuierlich. Neben Streiks war eine erhöhte Kriminalitätsrate die Folge der desaströsen Wirtschaftslage. Zudem erschreckte die erfolgreiche [[Oktoberrevolution|kommunistische Revolution in Russland]] die zu der Zeit regierende politische Führung der USA. Denn auch in den Vereinigten Staaten gewannen [[Politische Linke|linke Kräfte]] nun an Präsenz: Im September 1919 kam es nach Abspaltungen von der [[Sozialistische Partei Amerikas|Sozialistischen Partei]] zur Gründung der ''[[Kommunistische Partei (Vereinigte Staaten)|Communist Party]]'' sowie der ''[[Communist Labor Party]]''. Daneben gab es noch verschiedene Gruppierungen von Anarchisten und anderen aus dem Spektrum der revolutionären Linken, mit jeweils unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 128 f.</ref> Die Regierungs[[propaganda]] machte nun die [[politische Linke]] pauschal für die schlechte Lage des Landes verantwortlich und bezeichnete sie undifferenziert als verbrecherische „[[Bolschewiki|Bolschewiken]]“, die alles daran setzen würden, eine kommunistische Revolution in den USA herbeizuführen.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 147, zitiert den „Report upon the Illegal Practices of the United States Department of Justice by Twelve Lawyers“, Washington, D.C., 1920, S. 65. – Dieser Bericht zählt die Vielzahl von Gesetzesbrüchen auf, zu denen es im Zuge der Palmer-Razzien kam, und wurde als Argument gegen das vom Senat angestrebte ‚Gesetz gegen Aufruhr in Friedenszeiten‘ ausgearbeitet.</ref> Die geschürte „[[Rote Angst]]“ ''(Red Scare)'' wurde durch eine Vielzahl von [[Bombenattentat]]en genährt, die Anarchisten zugeordnet wurden. So explodierten am 2. Juni 1919 acht Bomben in verschiedenen Städten des Landes. Dazu fanden sich Flugblätter mit Drohungen von „anarchistischen Kämpfern“ gegen die „Kapitalistenklasse“.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 137 f.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 84 f.</ref><br />
<br />
Die Angst vor „[[Bolschewiki|Bolschewiken]]“ ging mit der Angst vor Einwanderern einher. Letztere machten laut Propaganda neunzig Prozent aller Radikalen im Land aus. Der Generalstaatsanwalt [[Alexander Mitchell Palmer]], dessen Haus bei einem der Anschläge beschädigt wurde, ließ daraufhin ab November 1919 brutale Razzien in Einrichtungen und Organisationen von und für Ausländer durchführen. Die breite Öffentlichkeit begrüßte diese sogenannten ''[[Palmer Raids]]'', die darauf abzielten, „zum Radikalismus neigende Individuen“ aufzuspüren und des Landes zu verweisen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 146 f. Zitiert werden Max Lowenthal, ''The Federal Bureau of Investigation'', New York, 1950, S. 84 sowie Robert K. Murray, ''Red Scare: A Study in National Hysteria'', New York, 1964, S. 196. Zusammenfassende Darstellung der ''Palmer-Raids'' auch in Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 87.</ref> Unter Hinweis auf die drohende Gefahr für das Land wurden dabei geltende Gesetze missachtet oder zum Nachteil der betroffenen Einwanderer geändert.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 154, Murray, ''Red Scare'', S. 211.</ref> Zudem berichteten Zeugen und Reporter von schweren Übergriffen auf die – meist schuldlos – Verhafteten.<ref>Vgl. ''New York Times'', 8. und 9. November 1919, sowie den „Report upon the Illegal Practices of the United States Department of Justice by Twelve Lawyers“, S. 18, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 148&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Die Spur der anarchistischen Flugblätter führte die ermittelnden Agenten in eine Druckerei in [[Brooklyn]]. Zwei der Angestellten wurden im Februar 1920 verhaftet. Einer von ihnen, der Setzer Andrea Salsedo, stürzte am Morgen des 3. Mai aus dem 14. Stockwerk eines New Yorker Polizeigebäudes. Er war bis dahin zwei Monate lang ohne [[Haftbefehl]] festgehalten und verhört worden. Gerüchte um [[Folter]]ungen machten in anarchistischen Organisationen die Runde. Die Umstände des tödlichen Sturzes konnten nie vollständig geklärt werden.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 172 f.; Ehrmann, ''The Case That Will Not Die'', S. 47 ff.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 88.</ref> Dieser Vorfall löste bei anarchistischen Gruppen große Betroffenheit und Angst vor weiteren Razzien aus.<br />
<br />
== Die Raubüberfälle ==<br />
Am Morgen des 24. Dezember 1919 kam es in [[Bridgewater (Massachusetts)|Bridgewater]], [[Massachusetts]], zu einem [[Raub]]überfall auf einen Geldtransporter. Der Raubüberfall schlug fehl, die bewaffneten Gangster flüchteten ohne Beute.<ref>Vgl. Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 49 f.</ref><br />
<br />
Etwa vier Monate später, am 15. April 1920, erschossen zwei mit Handfeuerwaffen bewaffnete Männer in [[Braintree (Massachusetts)|South Braintree]], Massachusetts, den Lohnbuchhalter Frederick Parmenter und den Sicherheitsbeamten Alessandro Berardelli, zwei Angestellte der ''Slater & Morrill Shoe Company''. Die Täter erbeuteten 15.776,51&nbsp;$ (Wert {{JETZIGES_JAHR}} ca. {{Inflation|US|15777|1920|r=-3}}&nbsp;$) Lohngeld, welches die Opfer bei sich trugen. Sie flüchteten mit einem dunkelblauen [[Buick]], in dem sich zwei bis drei weitere Männer befanden.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 25 f.; ausführliche Zusammenfassung der Zeugenaussagen in Ehrmann, ''The Case That Will Not Die'', S. 19–41; ebenso in Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 29–48.</ref> Dass dieser doppelte Raubmord in Verbindung mit dem Raubüberfall in Bridgewater stand, konnte nie zweifelsfrei bewiesen werden. Die ermittelnden Behörden gingen jedoch davon aus. Nach seiner Verhaftung als Verdächtiger im Fall South Braintree musste sich Vanzetti vor Gericht auch für den Raubversuch in Bridgewater verantworten.<br />
<br />
== Vor dem Prozess ==<br />
=== Ermittlungen und Verhaftung ===<br />
Die anfängliche Vermutung der Polizei, dass die sogenannte ''Morelli-Bande'' hinter dem Überfall in South Braintree stecken könnte, wurde durch den Polizeileiter von Bridgewater, Michael E. Stewart, rasch fallen gelassen. Er vermutete Anarchisten hinter dem Raubüberfall. Dabei stützte er sich offenbar auf folgende [[Indiz]]ien: Ein Radikaler namens Ferruccio Coacci, der wegen Verteilung anarchistischer Schriften deportiert werden sollte, hatte sich nicht, wie mit den Behörden vereinbart, am 15. April gemeldet. Daraus zog Stewart den Schluss, dass Coacci einer der Täter in South Braintree gewesen sein könnte. Außerdem glaubte Stewart, die Raubmorde in South Braintree stünden in Verbindung mit dem vier Monate zuvor in Bridgewater versuchten Überfall auf den Geldtransporter. Einer unbestätigten [[Zeuge]]naussage zufolge sollte Letzterer von einer Gruppe Anarchisten ausgeführt worden sein.<br />
<br />
Stewart ließ das Haus durchsuchen, das der inzwischen abgeschobene Coacci bewohnt hatte. Im Schuppen meinte er Reifenspuren eines Buick und somit des Fluchtwagens zu entdecken. In dem Haus wohnte noch Mike Boda (''auch:'' Mario Buda), der ebenfalls einer anarchistischen Organisation angehörte. Dieser gab an, dass normalerweise sein Wagen der Marke [[Willys-Overland|Overland]] im Schuppen untergestellt sei, dieser sich zurzeit aber zur Reparatur in einer Werkstatt befinde. Nach dem Besuch der Polizei tauchte Boda unter. Daraufhin wies Stewart den Besitzer der Autowerkstatt an, ihn anzurufen, sobald Boda seinen Wagen abholen sollte.<br />
<br />
Am Abend des 5. Mai 1920 kam Boda mit drei weiteren Männern aus seiner anarchistischen Organisation zur Werkstatt. Darunter waren Sacco und Vanzetti. Die Frau des Inhabers informierte telefonisch die Polizei. Ob Boda und die anderen dies merkten, ist nicht sicher. Gesichert ist, dass sich die Männer vorzeitig und ohne den Wagen entfernten: Boda und einer der Begleiter auf einem Motorrad, mit dem sie auch gekommen waren, Sacco und Vanzetti zu Fuß. Nach etwa einer Meile stiegen die zwei in die Straßenbahn Richtung [[Brockton (Massachusetts)|Brockton]]. Die Polizei von Brockton wurde währenddessen von Stewart informiert. Noch in der Straßenbahn wurden Sacco und Vanzetti als „verdächtige Personen“ verhaftet. Bei ihrer Verhaftung trugen beide Waffen bei sich: Sacco einen 32er [[Colt Defense|Colt]], Vanzetti einen 38er Harrington & Richardson [[Revolver]] und mehrere Patronen für eine [[Schrotflinte]].<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 27–29, 175 ff.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 43–46, 53; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 54–64.</ref><br />
<br />
Auf der Polizeistation von Brockton wurden Sacco und Vanzetti getrennt voneinander verhört, erst von Stewart, einen Tag später vom Distrikt[[staatsanwalt]] von [[Norfolk County (Massachusetts)|Norfolk County]], [[Frederick G. Katzmann]]. Dabei wurde ihnen der Grund für die Verhaftung nicht genannt. Zu den Raubmorden selbst wurden sie nicht oder nur indirekt befragt, die Verhöre konzentrierten sich auf ihre politischen Einstellungen. Beide logen über den Erwerb der Waffen und leugneten, Anarchisten zu sein oder anderen linksgerichteten Ideologien anzuhängen. Außerdem gaben sie an, weder Boda noch Coacci zu kennen.<ref>Vgl. Prozessprotokoll S. 3387, S. 3388 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 181 ff.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 54&nbsp;f.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 64–68.</ref><br />
<br />
Zwar wurden die anderen, die den Wagen abholen wollten, ebenfalls verdächtigt. Doch gab es keine Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen und dem auffallend kleinwüchsigen Mike Boda. Der andere Begleiter konnte ein eindeutiges [[Alibi]] vorweisen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 181; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 70 f.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 94, 69&nbsp;f.</ref> Auch gegen Sacco und Vanzetti fanden sich keine Beweise oder Indizien, die sie zwingend mit einem der Raubüberfälle in Verbindung gebracht hätten. Ein Vergleich der Fingerabdrücke auf dem sichergestellten Fluchtwagen brachte keine Übereinstimmung. Den Verdacht, dass das geraubte Geld bei anarchistischen Organisationen eingegangen wäre, konnte eine Untersuchung ebenfalls nicht bestätigen. Das negative Ergebnis und die Untersuchung selbst wurde jedoch erst am 22. August 1927 vom Justizministerium zugegeben, also am Tag vor der Hinrichtung.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 181, 183; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 58–61.</ref> Katzmann wie Stewart hielten dennoch daran fest, dass beide Raubüberfälle von einer bestimmten Gruppe Anarchisten ausgeführt worden und Sacco und Vanzetti daran beteiligt gewesen seien.<br />
<br />
=== ''Sacco-Vanzetti Defense Committee'' ===<br />
Im Zuge der Verhaftung und der Anklagen gegen Sacco und Vanzetti, die ideologisch motiviert erschienen, bildete sich das ''Sacco-Vanzetti Defense Committee'' unter Federführung des mit [[Propaganda]] erfahrenen Anarchisten Aldino Felicani. Dieses Komitee machte den Fall publik, sammelte Geld und bestellte die Verteidiger.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 184 f., 206 f.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 107.</ref> Inwieweit die Tätigkeiten des Komitees Sacco und Vanzetti genutzt oder geschadet haben, bleibt auch in der Gesamtbetrachtung des Falles umstritten.<br />
<br />
=== Bridgewater: Anklage und Urteil gegen Vanzetti ===<br />
Durch Aussagen des Fabrikleiters und seiner Arbeitskollegen verfügte Sacco für den 24. Dezember 1919, den Tag des Bridgewater-Überfalls, über ein stichhaltiges Alibi.<br />
Somit wurde nur gegen Vanzetti am 11. Juni 1920 Anklage wegen versuchten Raubes und Mordes in Bridgewater erhoben. Der Prozess begann am 22. Juni 1920 in Plymouth unter Vorsitz des Richters [[Webster Thayer]].<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 183 f., 187; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 73, 77; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 97.</ref><br />
<br />
Die Anklage, geführt von Katzmann, stützte sich im Wesentlichen auf drei Zeugen, die ihre Aussagen im Laufe der Voruntersuchung und des Prozesses teils deutlich zuungunsten Vanzettis verschärften.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 187 ff.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 74 f., 77–81.</ref><br />
Vanzettis Alibi wurde von vierzehn Italienern bestätigt, die aussagten, Vanzetti hätte ihnen beziehungsweise anderen am Morgen des 24. Dezembers Aale für den Heiligen Abend verkauft. Aus Sorge seiner Anwälte, seine politischen Ansichten könnten die Geschworenen gegen ihn einnehmen, verzichtete Vanzetti auf eine eigene Aussage.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 196, 200; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 99–105.</ref><br />
<br />
Richter Thayer belehrte die [[Geschworener|Geschworenen]] mit dem Hinweis, wonach die italienische Nationalität der Zeugen der Verteidigung diesen nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden solle: „Aus der Tatsache, dass die Zeugen (des Angeklagten) Italiener sind, sollen keine für sie ungünstigen Schlüsse gezogen werden.“<ref>Prozessprotokoll, Ergänzungsband, S. 332; zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 201.</ref> Am 1. Juli 1920 wurde Vanzetti von den Geschworenen der Raub- und Mordabsicht für schuldig befunden. Von Richter Webster Thayer wurde er am 16. August zu einer Gefängnisstrafe von zwölf bis fünfzehn Jahren verurteilt, die er bis zur Hinrichtung im Gefängnis [[Charlestown (Massachusetts)|Charlestown]] abzusitzen hatte.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 204.</ref><br />
<br />
== Der Prozess gegen Sacco und Vanzetti ==<br />
[[Datei:NorfolkCoCourt.JPG|mini|Der Ort des Prozesses: das Gerichtsgebäude des [[Norfolk County (Massachusetts)|Norfolk County]] in Dedham, Massachusetts (Fotografie aus dem Jahr 2008)]]<br />
Nach dem überraschenden Schuldspruch im Bridgewater-Prozess suchte Felicani nach einem neuen Verteidiger. Der bekannte Radikale [[Carlo Tresca]] empfahl den exzentrischen Anwalt Fred H. Moore, der bereits an erfolgreichen Verteidigungsfällen von Radikalen und Anarchisten beteiligt gewesen war.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 211 f.; Felicani, ''Reminiscences'', S. 68–70, 110; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 108&nbsp;f.</ref> Moore nahm seine Arbeit im August 1920 auf. Dabei konzentrierte er sich auf die politische Dimension des Falles und mobilisierte weite Kreise vor allem linker und anarchistischer Gruppen. Vanzetti verfolgte Moores erfolgreiche Bemühungen um Propaganda mit Zustimmung. Sacco hingegen war skeptisch und lehnte die oft provokanten Methoden Moores ab. Dessen ungeachtet hielt das ''Sacco-Vanzetti Defense Committee'' an Moore fest.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 213, 218; Ehrmann, ''The Case That Will Not Die'', S. 156.</ref><br />
<br />
Der Prozess begann am 31. Mai 1921 in [[Dedham (Massachusetts)|Dedham]], Massachusetts. Wie schon im Prozess gegen Vanzetti in Plymouth wurde die Anklage von Staatsanwalt Frederick G. Katzmann geführt. Den Vorsitz hatte – auf eigenen Wunsch – wieder Richter Webster Thayer inne.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 223 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 460; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 127.</ref><br />
<br />
=== Zeugen des Überfalls ===<br />
Von den insgesamt 33 Zeugen, die über Saccos Beteiligung am Raubüberfall aussagen sollten, glaubten vor Gericht nur sieben, ihn tatsächlich während der Tat oder zumindest einige Stunden davor in Tatortnähe gesehen zu haben. Weil diese Zeugen ihre Aussagen bis zum Prozess teilweise stark änderten und sich zudem Widersprüche bemerkbar machten, wurde deren Beweiskraft schon im laufenden Prozess stark bezweifelt.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 225 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 69.</ref><br />
<br />
Gegen Vanzetti sagten fünf Zeugen aus. Auch deren Aussagen wichen teilweise überraschend von zuvor getätigten ab. Drei davon waren nicht Zeuge des Überfalls selbst.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 229 f.</ref> Entlastet wurde Vanzetti von einunddreißig Zeugen, die ausschlossen, ihn während des Verbrechens gesehen zu haben.<ref>Vgl. ''The Atlantic Monthly'', März 1927, S. 415.</ref><br />
<br />
Auch der Richter stellte später fest: „Diese Urteile beruhten nach meiner Auffassung nicht auf den Aussagen der Augenzeugen, denn die Verteidigung rief mehr Zeugen auf als die Anklage, Zeugen, die aussagten, dass keiner der Angeklagten sich im Gangsterauto befunden habe.“<ref>Prozessprotokoll, S. 3514; Strauss-Feuerlicht, S. 233.</ref><br />
<br />
=== Beweisstücke ===<br />
Im Laufe des Prozesses behauptete die Staatsanwaltschaft, der Revolver, den Vanzetti bei seiner Verhaftung bei sich trug, stamme aus dem Besitz des ermordeten Wächters Alessandro Berardelli. Die Verteidigung wiederum meinte, durch Zeugenaussagen vorheriger Besitzer des Revolvers das Gegenteil beweisen zu können. Es war zudem nicht sicher, dass Berardelli seine Waffe am Tag des Überfalls überhaupt bei sich trug, da er sie zuvor in einer Reparaturwerkstatt abgegeben hatte. Ein Werkstattarbeiter konnte weder bestätigen noch verneinen, dass Vanzettis Revolver mit dem Berardellis identisch sei.<ref>Prozessprotokoll, S. 815 f., S. 5235; Strauss-Feuerlicht, S. 233–236.</ref><br />
<br />
Die Staatsanwaltschaft legte außerdem eine Kappe vor, die angeblich neben Berardellis Leiche gefunden wurde. Tatsächlich entdeckte ein Fabrikarbeiter die besagte Kappe erst einen Tag nach dem Raubmord auf der Straße. Nach Aussage eines Zeugen hatte die Kappe äußerliche Ähnlichkeit mit einer Kappe, die Sacco zu tragen pflegte. Als Sacco sie im Gericht aufsetzen sollte, erwies sie sich als zu eng.<ref>Prozessprotokoll, S. 854; vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 237–239.</ref> Richter Thayer erkannte sowohl in der Kappe als auch im Revolver stark belastende Beweise gegen die Angeklagten.<ref>Prozessprotokoll, S. 3527, zitiert in Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 398.</ref><br />
<br />
Zum stärksten und umstrittensten Beweisstück wurde die Kugel, die laut Anklage aus Saccos [[Revolver|Colt]] abgefeuert wurde und den Tod von Alessandro Berardelli verursachte („Kugel III“). Allerdings wurde dieses Beweisstück nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der Verteidigung eingebracht: Moore beantragte am 5. Juni 1921 [[Ballistik|ballistische]] Untersuchungen der Kugel. Die Versuche am 18. Juni führten zu drei Gutachten verschiedener Experten. Der Bericht der Verteidigung schloss aus, dass die Kugel aus Saccos Colt abgefeuert wurde. Ein weiterer Sachverständiger sah dies als möglich an (“I am inclined to believe […]”). Für Sacco verhängnisvoll wurde die Aussage des dritten Sachverständigen William H. Proctor:<br />
<br />
: Harold P. Williams (stellvertretender Distriktstaatsanwalt): „Sind Sie zu einer Erkenntnis darüber gelangt, ob die hier als Beweisstück vorliegende Kugel III aus dem automatischen Colt abgefeuert wurde?“<br />
: Proctor: „Das bin ich.“<br />
: Williams: „Und was ist Ihre Meinung?“<br />
: Proctor: „Meine Meinung ist, dass sie einer aus dieser Pistole abgefeuerten Kugel entspricht.“ (“My opinion is that it is consistent with being fired by that pistol.”)<ref>Prozessprotokoll, S. 896, 3642; Strauss-Feuerlicht, S. 242; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 270.</ref><br />
<br />
Diese sprachlich nicht eindeutige Aussage wertete Thayer gegenüber den Geschworenen als Beweis gegen Sacco.<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 2254; Strauss-Feuerlicht, S. 243.</ref><br />
In seiner eidesstattlichen Erklärung nach Prozessende betonte Proctor jedoch, dass er lediglich darlegen wollte, die Kugel sei aus einem automatischen Colt gekommen, nicht aber unbedingt aus Saccos.<ref>Prozessprotokoll, S. 3642 f., 5084; Strauss-Feuerlicht, S. 243; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 265&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Der Streit um die Beweiskraft der ballistischen Tests an Saccos Waffe hielt noch Jahre nach dem Urteil an und wird bis heute geführt. Weitere Untersuchungen im Zuge der Wiederaufnahmeanträge brachten widersprüchliche Ergebnisse. Zudem tauchten Indizien dafür auf, dass sowohl der Lauf von Saccos Colt als auch die Kugel selbst ausgetauscht wurden.<ref>Vgl. Ehrmann, ''The Case That Will Not Die'', S. 251–277, 283 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 244.</ref><br />
<br />
=== Alibis ===<br />
Vanzetti gab an, am Tag des Überfalls seinen normalen Tätigkeiten nachgegangen zu sein, aber auch Stoff für einen neuen Anzug gekauft zu haben. Das eher schwache Alibi wurde von Zeugen bestätigt. In den [[Kreuzverhör]]en bemühte sich Katzmann, die Zeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 247 f.</ref><br />
<br />
Sacco wollte nach eigenen Angaben ein Dokument für die geplante Heimreise nach Italien besorgen. Zu diesem Schritt hätte er sich auf die Nachricht vom Tod seiner Mutter hin entschlossen. Er nahm sich deshalb für den 15. April frei, um in Boston das italienische Konsulat aufzusuchen. Drei Zeugen bestätigten, Sacco in Boston getroffen zu haben, darunter der Angestellte im Konsulat.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 250 f.</ref> Überraschend erkannte Sacco unter den Zuschauern im Gerichtssaal auch noch einen Mann, den er im Zug bei der Rückfahrt aus Boston gesehen hatte. Der Mann konnte im Kreuzverhör Saccos Angaben bestätigen.<ref>Prozessprotokoll, S. 2023; Strauss-Feuerlicht, S. 255 f.</ref><br />
<br />
In Bezug auf Bodas Wagen, den sie am Tag der Verhaftung abholen wollten, sagten Sacco und Vanzetti aus, dass sie ihn zum Einsammeln radikaler Schriften benutzen wollten: Die Anarchisten erwarteten im Zuge der Vorfälle um den Anarchisten Andrea Salsedo weitere Razzien.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 258.</ref><br />
<br />
=== Bedeutung des Patriotismus im Prozess ===<br />
Obwohl für die angelasteten Raubmorde nicht relevant, hob Staatsanwalt Katzmann bei den Kreuzverhören von Sacco und Vanzetti deren Flucht vor dem Kriegsdienst hervor. Er warf ihnen dabei vor, Amerika nicht zu lieben („Ist das Ihre Vorstellung, Ihre Liebe zu Amerika zu beweisen?“).<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 1737, 1867 ff.; Strauss-Feuerlicht, S. 264, 272 f.; ''The Atlantic Monthly'', März 1927, S. 418&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Sein [[Plädoyer]] an die Geschworenen schloss Katzmann mit der Aufforderung: „Haltet zusammen, Männer von Norfolk!“<ref>Prozessprotokoll, S. 2237; Strauss-Feuerlicht, S. 287.</ref> Bei der abschließenden Belehrung der Geschworenen am 14. Juli 1921 beschwor Richter Thayer den Wert der Treue: „Es gibt kein besseres Wort in der englischen Sprache als ‚Treue‘. Denn jener, der seine Treue zu Gott, zu seinem Land, zu seinem Staat und zu seinen Mitmenschen zeigt, stellt den höchsten und edelsten Typus wahren amerikanischen Bürgertums dar, das in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat.“<ref>Prozessprotokoll, S. 2239; Strauss-Feuerlicht, S. 287 f.</ref><br />
<br />
Nach etwa fünf Stunden wurden Sacco und Vanzetti durch die Geschworenen in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen.<ref>Prozessprotokoll, S. 2265 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 289 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 388; Russel, ''Tragedy in Deham'', S. 211&nbsp;ff.</ref> Fast sechs Jahre später, am 9. April 1927, verkündete Richter Thayer das Urteil, lautend auf Todesstrafe durch die Anwendung elektrischen Stroms.<ref>Prozessprotokoll, S. 4904 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 349.</ref><br />
<br />
== Prozessende bis Hinrichtung ==<br />
=== Berufungen ===<br />
Die lange Zeit, die vom [[Schuldspruch]] der Geschworenen bis zur Urteilsverkündung verstrich, erklärt sich durch die vielen Anläufe seitens der Verteidigung, den Fall erneut zu verhandeln. Bis 1927 brachte die Verteidigung acht [[Revision (Recht)|Revisionsanträge]] ein.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 300.</ref> In den Anträgen spiegelt sich die bis heute anhaltende Kritik an der Prozessführung und dem daraus resultierenden Urteil.<br />
<br />
Der erste Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde bereits am 18. Juli 1921 gestellt. Die Verteidigung vertrat darin die Ansicht, dass die Entscheidung der Geschworenen durch Vorurteile getrieben war und im Widerspruch zur Beweislage stünde. Der Antrag wurde am 5. November behandelt und am 24. Dezember von Richter Thayer abgewiesen.<ref name="Strauss300f">Strauss-Feuerlicht, S. 300 f.</ref> Innerhalb der nächsten zwei Jahre folgten fünf Zusatzanträge, die Anfang Oktober und Anfang November 1923 verhandelt wurden. Etwa ein Jahr später fällte Richter Thayer die Entscheidung, alle fünf Anträge abzulehnen.<br />
<br />
Brisantester Aspekt des ersten Zusatzantrags („Ripley-Daly-Antrag“, gestellt am 8. November 1921) war die eidesstattliche Erklärung eines Freundes des Geschworenenobmannes Walter H. Ripley: Nachdem er Ripley gegenüber geäußert habe, dass Sacco und Vanzetti wohl unschuldig seien, habe Ripley geantwortet: „Zum Teufel mit ihnen, man sollte sie auf jeden Fall aufhängen!“<ref name="Strauss300f" /> Die Ablehnung des Antrags begründete Richter Thayer unter anderem mit seinem Respekt gegenüber dem inzwischen verstorbenen Geschworenenobmann: Er sei „nicht bereit, das Andenken Mr. Ripleys zu trüben“.<ref>Prozessprotokoll, S. 3602 f., Strauss-Feuerlicht, S. 318.</ref><br />
<br />
Im zweiten Zusatzantrag („Gould-Pelser-Antrag“, eingebracht am 4. Mai 1922) bemängelte die Verteidigung, dass ein entlastender Zeuge des Überfalls vor Gericht nicht geladen und sie über diesen Zeugen nicht informiert wurde. Doch laut Richter Thayer wäre die weitere Zeugenaussage für den Wahrspruch irrelevant. Stattdessen führte er unter anderem das „Schuldbewusstsein“ der Angeklagten als ausschlaggebend an.<ref>„Wenn die unter Eid stehenden Geschworenen zu der Erkenntnis gelangten, dass die Ermordung von Parmenter und Beradelli die einzig wahre und logische Erklärung sei [für Saccos und Vanzettis falsche Angaben bei den ersten Verhören in Brockton, Anm.], sollte ich also nun, durch Aufhebung ihres Wahrspruchs, erklären, dass sie nicht zu dieser Erkenntnis hätten kommen dürfen?“ Prozessprotokoll, S. 3523.</ref><br />
<br />
Der Antrag beinhaltete auch den schriftlichen Widerruf einer belastenden Zeugenaussage. Der Zeuge, Pelser, gab jedoch später gegenüber Staatsanwalt Katzmann an, dass dieser Widerruf unter Alkoholeinfluss und auf Druck Moores zustande gekommen war.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 301 f.</ref> Auch im Vorfeld der zwei folgenden Zusatzanträge („Goodridge-Antrag“, gestellt am 22. Juli 1922; „Andrews-Antrag“, 11. September 1922) soll Moore belastenden Zeugen gedroht haben, damit sie ihre Aussagen widerriefen. Richter Thayer rügte Moores Vorgehen scharf und wies die Anträge ab.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 320 f.</ref> Auch im Defense Committee regte sich vermehrt Widerstand gegen Moores Methoden.<br />
<br />
Für den fünften Zusatzantrag („Hamilton-Proctor-Antrag“, eingebracht am 30. April 1923, ergänzt am 5. November 1923) untersuchten zwei Sachverständige (Albert H. Hamilton und Augustus H. Hill) abermals die Kugel III beziehungsweise die Patronenhülse und schlossen aus, dass diese aus Saccos Colt abgefeuert wurden. Zwei Sachverständige der Anklage widersprachen dieser Erkenntnis. Thayer entschied, den Ballistikern der Staatsanwaltschaft zu glauben.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 321; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 276 f.</ref> Ergänzt wurde der Antrag mit einer eidesstattlichen Erklärung des Sachverständigen Proctor. Dieser distanzierte sich nun eindeutig von seiner missverständlichen Aussage bezüglich Saccos Colt: Der Staatsanwalt hätte demnach gewusst, dass er, Proctor, keinen ballistischen Beweis gegen Sacco habe. Durch die geschickte Fragestellung sei Proctors eigentliche Aussage verdreht worden.<ref>Prozessprotokoll, S. 3642 f.</ref> Thayer zeigte sich entsetzt über die eidesstattliche Darstellung des inzwischen verstorbenen Proctor, da „Ehre und Integrität“ der Staatsanwaltschaft damit angegriffen würden.<ref>Prozessprotokoll S. 3703; Strauss-Feuerlicht, S. 321.</ref><br />
<br />
==== Moores Entlassung ====<br />
An Moores Stil, der den Richter Thayer und die konservativen Geschworenen provozieren musste, wurde noch vor dem Prozess Kritik geäußert. Doch einmal beauftragt, lehnte er es ab, den Fall abzugeben.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 217 f.</ref><br />
Die Spannung zwischen Moore auf der einen und Felicani sowie Sacco und Vanzetti auf der anderen Seite begann nicht zuletzt wegen der offenbar unlauteren Methoden, die Moore bei den Nachrecherchen anwandte, zu eskalieren. Moore gründete die ''Sacco-Vanzetti New Trial League'', von der aus nun die gesammelten Gelder für den Kampf um einen neuen Prozess eingesetzt werden sollten – mit ihm als führendem Verteidiger. Da sich sowohl Sacco als nun auch Vanzetti energisch gegen Moore wandten, scheiterte die New Trial League. Moore wurde entlassen und zog sich im November 1924 enttäuscht vom Fall zurück. Sein Beitrag wird meist ambivalent bewertet: Das erfolgreiche Bemühen, den Fall als Skandal weltweit publik zu machen, gilt als sein Verdienst. Gleichzeitig wird die betriebene Politisierung als Grund für sein Scheitern vor Gericht kritisiert. Dass er sich später gegen Sacco und Vanzetti wandte („Sacco war wahrscheinlich und Vanzetti möglicherweise schuldig.“<ref>Zitiert von dem Autor Upton Sinclair, vgl. Francis Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 17, sowie Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 402&nbsp;f.</ref>), wird teilweise als Folge seiner Verbitterung interpretiert.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 306 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 402 f.; Russel, ''Tragedy in Dedham'', S. 108, 110&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Moore wurde durch den renommierten, konservativen Anwalt [[William Thompson (Anwalt)|William Thompson]] ersetzt. Der war bereits bei Erstellung des fünften Zusatzantrags involviert und von der Unschuld beider Angeklagten überzeugt. Felicani äußerte sich später tief beeindruckt von Thompsons Beitrag zu dem Fall, beschrieb das Verhältnis aber als eher distanziert: „…&nbsp;er [war] der [[Aristokrat]] und wir die [[Proletariat|Proletarier]].“<ref>Felicani, ''Reminiscenes'', S. 111 f.</ref> Thompson wies das Defense Committee an, sämtliche [[Agitation]] einzustellen, um die Auseinandersetzungen mit dem Gericht sachlicher führen zu können. Obwohl Vanzetti, Felicani und andere im Komitee aus tiefem Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht auf den Druck der Öffentlichkeit bauten, folgte das Defense Committee schließlich Thompsons Anweisung. Inzwischen stieß der Fall längst auf weltweite Aufmerksamkeit. So fanden die Vorsprachen Thompsons bei Gericht in den Zeitungen große Beachtung.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 325; Felicani, ''Reminiscences'', S. 127 f.</ref><br />
<br />
Im Januar 1926 vertrat Thompson seine Berufung gegen das Urteil und die Ablehnung der Wiederaufnahmeanträge durch Thayer vor dem [[Massachusetts Supreme Judicial Court|Obersten Gerichtshof von Massachusetts]]. Dieser bestätigte etwa fünf Monate später die Schuldsprüche gegen Sacco und Vanzetti und Thayers Entscheidung, die im Grunde durch das Ermessensrecht des Richters gedeckt sei. So müsse ein Richter nicht einmal begründen, warum er etwa eidesstattlichen Erklärungen keinen Glauben schenkt. Die Behauptung der Verteidigung, es wurden während des Prozesses bewusst Vorurteile geschürt, wies das Oberste Gericht ebenfalls zurück.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 322, 326 f.</ref><br />
<br />
==== Madeiros-Antrag ====<br />
Im November 1925 kam es im Fall Sacco und Vanzetti zu einer der aufsehenerregendsten Wendungen. Celestino F. Madeiros, der wegen Tötung eines Bankangestellten im selben Gefängnis wie Sacco untergebracht wurde, ließ Sacco am 18. November 1925 eine Notiz zukommen:<br />
{{Zitat|Ich gestehe hiermit, dass ich bei dem Verbrechen in der Schuhfabrik in South Braintree dabei war und dass Sacco und Vanzetti nicht dabei waren.<br /> Celestino F. Madeiros|ref= <ref>Siehe ''The Atlantic Monthly'', März 1927, S. 428; Prozessprotokoll, S. 4574; vgl. Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 405 f.</ref>}}<br />
<br />
Gegenüber dem Anwalt Thompson und später auch einem Vertreter der Staatsanwaltschaft schilderte Madeiros den Überfall, bei dem er nach eigenen Angaben als Aufpasser im Fluchtwagen beteiligt war.<br />
Da die Aussage eines verurteilten Verbrechers vor Gericht wenig Glaubwürdigkeit besitzt, beauftragte die Verteidigung den Anwalt [[Herbert Ehrmann]] mit Nachforschungen auf Basis von Madeiros’ Angaben. Ehrmann stieß dabei auf neue Zeugenaussagen und Indizien, die Madeiros’ Version zu bestätigen schienen. In weiterer Folge verdächtigte er die bekannte ''Morelli-Bande'', hinter dem Raubüberfall in South Braintree zu stecken. So machte er unter anderem Waffen im Besitz von Banden-Mitgliedern ausfindig, die mit solchen Waffen übereinzustimmen schienen, wie sie laut Prozess-Aussagen von Ballistikexperten bei dem Raubüberfall verwendet wurden. Auch deckten sich nach Ehrmanns Beobachtung die meisten aktenkundigen Personenbeschreibungen mit den Morelli-Brüdern beziehungsweise deren Komplizen.<br />
Am Ende seiner Recherchen meinte Ehrmann, Täter, Motiv, die Tatwaffen, den Ablauf sowie die Planung des Überfalls in South Braintree nennen beziehungsweise rekonstruieren zu können.<ref>Eine zusammenfassende Schilderung des Geständnisses und der Untersuchungen findet sich in Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 405–432, die ausführliche Recherche ist in Ehrmanns Buch ''The Untried Case'' geschildert; siehe auch Strauss-Feuerlicht, S. 330&nbsp;ff.</ref> Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Dudley Ranney, lehnte es aufgrund bestehender Lücken und Ungenauigkeiten des [[Geständnis]]ses jedoch ab, gegen die Mitglieder der Morelli-Bande in dieser Sache Anzeige zu erstatten oder eigene Untersuchungen durchzuführen: „Wir glauben, die Wahrheit gefunden zu haben, und … da wir die Wahrheit gefunden haben, kann nichts anderes mehr eine Rolle spielen.“<ref>Prozessprotokoll, S. 4390; Strauss-Feuerlicht, S. 337.</ref><br />
<br />
Bei Gericht wurde seitens der Verteidigung am 26. Mai 1926 der mittlerweile sechste Zusatzantrag („Madeiros-Antrag“) für eine Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht, der sich unter anderem auf Madeiros’ Geständnis stützte. Richter Webster Thayer wies den Antrag am 23. Oktober 1926 ab. Er hob in seiner Begründung die Stellen des Geständnisses hervor, die dem vom Gericht rekonstruierten Tathergang widersprachen. Ehrmanns Recherche-Ergebnisse ignorierte er oder erachtete sie als nichtig.<ref>Vgl. Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 432–444; Strauss-Feuerlicht, S. 341.</ref><br />
<br />
Ein anderer Bestandteil des Antrags war die Behauptung, die Staatsanwaltschaft hätte mit dem Justizministerium zusammengearbeitet, um entlastende Beweise zu unterdrücken. Thompson stützte sich dabei auf zwei eidesstattliche Erklärungen ehemaliger Beamter, die beide übereinstimmend Folgendes berichten:<br />
{{Zitat|Die Bostoner Amtsstelle des Justizministeriums benötigte dringend ausreichendes Beweismaterial gegen Sacco und Vanzetti, um sie deportieren zu können, doch gelang es ihr nie, die […] erforderliche Art und Menge von Beweismaterial zu bekommen. Nach Auffassung der hiesigen Beamten des Ministeriums war eine Verurteilung von Sacco und Vanzetti eine Möglichkeit, diese beiden Männer loszuwerden.|ref= <ref>Prozessprotokoll, S. 4506.</ref>}}<br />
<br />
Der Schriftverkehr des Ministeriums mit Katzmann sollte demnach ausführlich in den Akten dokumentiert sein. Thompson wollte in die Akten Einsicht nehmen, was ihm die Staatsanwaltschaft jedoch verwehrte. Im Antrag vor Gericht wies Thompson explizit auf dieses Verhalten der Staatsanwaltschaft hin und forderte das Gericht auf, die Herausgabe der Akten anzuordnen: „Es gibt etwas, das wichtiger ist, als Sacco und Vanzetti für diesen Mord zu bestrafen, wenn sie ihn begangen hätten, was nach unserer Auffassung nicht der Fall ist, und das ist, dass die Verurteilung schuldiger Menschen stets im Einklang mit den Regeln des Rechts und der Gerechtigkeit und einer fairen Vorgangsweise erfolgen soll, offen und fair und ohne Heimlichkeit oder Hintergedanken&nbsp;…“<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 4379, 4381–4383.</ref> Thayer attestierte diesbezüglich bei Thompson „Hysterie“, da die Anschuldigungen jeder Grundlage entbehrten. Das Gericht könne nicht die Vorlage von Beweisen verlangen, denn „man kann nichts vorlegen, was nicht existiert“.<ref>Prozessprotokoll, S. 4751.</ref><br />
<br />
Gegen die Ablehnung des Antrags und seine Begründung rief Thompson abermals den Obersten Gerichtshof in Massachusetts an. Dieser entschied am 5. April 1927 wieder zugunsten von Thayers Ermessensrecht.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 343 ff.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 444–448.</ref> Zudem verwies er auf ein Urteil aus einem zivilrechtlichen Prozess: „Eine Wiederaufnahme ist nicht zwingend vorgeschrieben, auch wenn neue Beweise entdeckt wurden, welche die Geschworenen zu einem anderen Wahrspruch veranlassen würden.“<ref>Prozessprotokoll, S. 4889.</ref><br />
<br />
=== Warten im Gefängnis ===<br />
Die von Zweifel und Ängsten geprägte Wartezeit auf die Entscheidungen über die Anträge und schließlich auf die [[Hinrichtung]] verbrachten Sacco und Vanzetti größtenteils in getrennten Gefängnissen: Vanzetti saß seine Strafe nach dem Bridgewater-Prozess in [[Charlestown (Massachusetts)|Charlestown]] ab, während Sacco im Gefängnis Dedham untergebracht wurde. So verschieden beide Männer waren, so unterschiedlich gingen sie auch mit den Schuldsprüchen und der drohenden Hinrichtung um.<br />
<br />
Sacco machte die Situation offenbar weit mehr zu schaffen als Vanzetti, der von sich selbst und anderen als Denker und Träumer beschrieben wurde. Getrennt von seiner Frau und den Kindern, litt Sacco einige Monate nach der Verurteilung an [[Wahn]]vorstellungen. Im Februar 1923 trat er in einen mehrwöchigen [[Hungerstreik]]. Vanzetti schreibt in einem Brief an seine Schwester Luigia, mit der er während der Gefangenschaft regen brieflichen Kontakt pflegte: „Er ist entschlossen, freizukommen oder zu sterben. Er war neunundzwanzig Tage ohne Nahrung&nbsp;…“ Selbst wollte er allerdings nicht am Hungerstreik teilnehmen. Nach einer Untersuchung wurde Sacco ins [[Psychiatrische Klinik|psychiatrische Krankenhaus]] in [[Boston]] eingeliefert, wo er zwangsernährt werden sollte. Daraufhin begann er, von selbst wieder zu essen.<br />
<br />
Nach einer kurzen Besserungsphase hatte er am 22. März einen Anfall: Vier Männer mussten ihn davon abhalten, weiter mit dem Kopf gegen die Armlehnen eines schweren Stuhls zu schlagen. Er äußerte in der Folge immer wieder [[Selbstmord]]absichten. Ruhige Phasen wechselten sich mit plötzlichen Anfällen. Der Krankenhausdirektor stellte am 10. April fest, Sacco benötige stationäre Pflege und Behandlung. Knapp zwei Wochen später, an Saccos 32. Geburtstag, erfolgte die Einlieferung ins Krankenhaus für geisteskranke Rechtsbrecher in Bridgewater. Dank besserer sozialer Kontakte – er war nicht mehr isoliert in einem Raum untergebracht – und der Möglichkeit, auf der Gefängnisfarm zu arbeiten, verbesserte sich sein Zustand deutlich. Am 29. September 1923 wurde er wieder ins Gefängnis in Dedham überstellt.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 308 ff.</ref><br />
<br />
Vanzetti schien es leichter zu fallen, sich mit Verurteilung und Gefangenschaft abzufinden: „Es heißt, dass die Menschen von einem erst dann Gutes sagen, wenn man tot ist, aber sie sagen auch Gutes von einem, wenn man im Gefängnis sitzt.“<ref>Brief an Luigia Vanzetti, 11. Juni 1922, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 315.</ref> Er las viel, arbeitete an Übersetzungen und führte eine intensive Korrespondenz, vor allem mit seiner Schwester Luigia in Italien. „Mein Leib und meine Seele bleiben stark … Meine schriftstellerischen Arbeiten, so armselig sie sein mögen, stoßen auf Sympathie und Zustimmung. In den dreizehn Jahren, die ich in diesem Land bin, habe ich nie erkannt, dass ich überhaupt ein Talent habe, bis dann das gegenwärtige Unglück eingetreten ist.“<ref>Brief an Luigia Vanzetti, undatiert, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 316.</ref><br />
<br />
Der Arbeiter und Idealist Vanzetti nahm nicht unbefriedigt zur Kenntnis, durch die Verurteilung – so sehr er auch darunter litt – eine Bedeutung zu erlangen, die einem Menschen seines Standes sonst nie zuteilgeworden wäre: „Ich habe viele Doktoren, Anwälte und Millionäre kennengelernt, an die ich nie herangekommen wäre. Und wie sie mich lieben! Sie staunen über das, was ich schreibe, sie besuchen mich und bringen Geschenke, und sie schreiben mir fortwährend. Wenn ich freigelassen würde, dann würden sie die Türen ihrer Häuser öffnen und mich einlassen und mir auf jede nur erdenkliche Weise helfen.“<ref>Brief an Elvira Fantino, 25. Juni 1923, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 317.</ref><ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 315–317.</ref><br />
<br />
Nachdem Thayer wiederholt eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt hatte, diagnostizierten die [[Psychiater]] auch bei Vanzetti [[Halluzinationen]] und Wahnvorstellungen. Von Januar bis Mai 1925 wurde er im Krankenhaus für geisteskranke Rechtsbrecher untergebracht. Vage Andeutungen in seinen Briefen an Luigia lassen allerdings darauf schließen, dass Vanzetti seine Geisteskrankheit nur vortäuschte. Unklar bleibt aber, was er damit erreichen wollte: Bei objektiver Betrachtung ließ sich damit die herannahende Exekution nicht aufhalten.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 322–324.</ref><br />
<br />
=== Urteilsverkündung ===<br />
Die Urteilsverkündung am 9. April 1927 fand im Gericht von Dedham unter regem Interesse der Öffentlichkeit statt.<br />
<br />
Laut [[Protokoll (Niederschrift)|Protokoll]] durften beide noch einmal das Wort ergreifen, ehe die Todesstrafe angeordnet wurde. Sacco, der Englisch noch schlechter beherrschte als Vanzetti, wandte sich nur mit einer kurzen Rede an Richter Thayer. Er habe niemals etwas so Grausames erfahren wie dieses Gericht. Doch überlasse er das Reden seinem Genossen Vanzetti, der der englischen Sprache mächtiger wäre als er. Sacco schloss mit der Beteuerung: „[Richter Thayer] weiß, dass ich niemals schuldig war, niemals – nicht gestern noch heute noch jemals.“<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 4895 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 347; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 451.</ref><br />
<br />
In seiner fünfundvierzig Minuten langen Rede beteuerte Vanzetti seine Unschuld und hob seinen Kampf um Gerechtigkeit hervor, dessen er sich schuldig gemacht habe:<br />
{{Zitat|Ich habe nicht nur mein ganzes Leben lang kein wirkliches Verbrechen begangen – wohl einige Sünden, aber keine Verbrechen –, […] sondern auch das Verbrechen [bekämpft], das die offizielle Moral und das offizielle Gesetz billigen und heiligen: Die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen […] Wenn es einen Grund gibt, warum Sie mich in wenigen Minuten vernichten können, dann ist dies der Grund und kein anderer.}}<br />
<br />
Er prangerte scharf die seiner Ansicht nach feindselige Haltung der Gerichte an:<br />
{{Zitat|Nicht einmal ein Hund, der Hühner tötet, [wäre] mit solchen Beweisen, wie die Staatsanwaltschaft sie gegen uns vorgebracht hat, von amerikanischen Geschworenen schuldig gesprochen worden. Ich sage, nicht einmal einem räudigen Hund wäre seine Berufung vom Obersten Gerichtshof zweimal abgelehnt worden&nbsp;[…]}}<br />
<br />
Er erinnerte an Madeiros, dem sehr wohl ein neues Verfahren gewährt wurde mit der einfachen Begründung, die Geschworenen seien vom Richter nicht darauf hingewiesen worden, dass ein Angeklagter so lange unschuldig sei, bis seine Schuld als bewiesen gelte. „Wir haben bewiesen, dass es auf der ganzen Erde keinen Richter geben kann, der voreingenommener und grausamer ist, als Sie gegen uns gewesen sind.“<br />
<br />
Vanzetti schloss mit der Überzeugung, dafür büßen zu müssen, ein Radikaler und Italiener zu sein: „… aber ich bin überzeugt, dass ich im Recht bin, und wenn Sie mich zweimal hinrichten könnten, und wenn ich zwei weitere Male geboren werden könnte, dann würde ich wieder das tun, was ich getan habe.“<ref>Prozessprotokoll, S. 4896–4904; vollständig abgedruckt in Ehrmanns ''Case That Will Not Die'', S. 451–458, auszugsweise in Strauss-Feuerlicht, S. 348&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Richter Thayer ordnete daraufhin an, dass Sacco und Vanzetti „die Todesstrafe durch die Anwendung elektrischen Stroms an ihrem Körper“ erleiden sollten. Die Vollstreckung des [[Rechtskraft|rechtskräftigen]] Urteils wurde für die mit dem 10. Juli 1927 beginnende Woche anberaumt.<ref>Prozessprotokoll, S. 4904; Strauss-Feuerlicht, S. 349 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 458.</ref><br />
<br />
=== Proteste ===<br />
==== Mobilisierung einer weltweiten Öffentlichkeit ====<br />
In den USA konnten zur Zeit des Prozesses und der Berufungen – bis auf wenige Ausnahmen – nur Einwanderer sowie anarchistische und einige linke Gruppierungen für Proteste mobilisiert werden, wobei etwa die Kommunisten kein Interesse an einer Beteiligung zeigten. Als bekannt wurde, dass weder das vorliegende Geständnis Madeiros’ noch der Verdacht auf heimliche Absprachen mit dem Justizministerium eine juristische Neubewertung des Falles nach sich zog, wurden zusehends auch konservative Intellektuelle des ganzen Landes auf den Fall aufmerksam: In einem aufsehenerregenden Artikel im Magazin ''[[The Atlantic Monthly]]'' (März 1927) kritisierte der Jurist [[Felix Frankfurter]] die Entscheidungen von Richter Thayer scharf.<ref>Vgl. Russell, ''Tragedy in Dedham'', S. 352 f.</ref> Die Frage, ob Sacco und Vanzetti sterben sollten, wurde in amerikanischen Zeitungen und der Öffentlichkeit kontrovers [[Debatte|debattiert]].<br />
<br />
[[Datei:Save Sacco and Vanzetti.jpg|mini|hochkant=1.5|Mobilisierung zu einer Demonstration für Sacco und Vanzetti in London (nach dem Schuldspruch von 1921)]]<br />
<br />
Nachdem das Todesurteil verkündet worden war, stieß die nun besonders auf Amerikaner zugeschnittene [[Kampagne]] des Defense Committee bei allen Bevölkerungsschichten und Glaubensgruppen auf große Resonanz: [[Katholische Kirche|Katholiken]], [[Quäker]], [[Presbyterianische Kirchen|Presbyterianer]], [[Atheismus|Atheisten]], Wissenschaftler, Schriftsteller und viele andere begannen sich für die Verurteilten einzusetzen. Diese breite Mobilisierung ist vor allem dem [[Journalist]]en Gardner Jackson zuzuschreiben, der sich mit großem persönlichem Einsatz für das Defense Committee engagierte.<ref>Felicani, ''Reminiscences'', S. 184; Strauss-Feuerlicht, S. 366 f.</ref> Auch die Kommunistische Partei begann nun, den Fall für sich zu instrumentalisieren: Von der gesammelten annähernd halben Million sollen nur 6000 Dollar an das Defense Committee übergeben worden sein.<ref>Stephen Koch: ''Double Lives. Spies and Writers in the Secret Soviet War of Ideas Against the West'', The Free Press, New York u.&nbsp;a. 1994, S. 34. Vgl. auch Jackson, ''Reminiscences'', S. 225; Strauss-Feuerlicht, S. 366&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Außerhalb der USA kam es schon früher zu öffentlichen [[Protest]]kundgebungen. Die größten [[Demonstration]]en fanden in [[Frankreich]] und [[Italien]] statt, wo zehntausende Menschen teilnahmen. Die friedlich verlaufenden Kundgebungen wurden von Gewaltakten überschattet: In [[Paris]] explodierte eine Bombe vor der amerikanischen [[Botschaft (Diplomatie)|Botschaft]]. In [[Lissabon]] konnte eine weitere Bombe vor der Explosion entdeckt und beseitigt werden.<br />
<br />
In den Städten Basel, Zürich und Genf protestierte die Arbeiterbewegung gegen das Urteil. In Basel fand am 10. August 1927, dem ursprünglichen Hinrichtungstermin von Sacco und Vanzetti, eine Demonstration auf dem [[Barfüsserplatz]] statt. Mit über 12.000 Teilnehmern ist sie bis heute eine der größten in der Geschichte der Stadt. Am selben Abend zerstörte eine Bombe ein Tramhäuschen auf dem Barfüsserplatz.<ref>Peter Bollag: [https://www.nzz.ch/schweiz/hinrichtung-in-den-usa-solidaritaet-mit-anarchisten-ld.1309510 ''Hinrichtung in den USA: Solidarität mit Anarchisten'']. In: ''[[Neue Zürcher Zeitung]]'' vom 7. August 2017</ref> Ein Tramführer und eine weitere Person starben, 14 Personen wurden verletzt. Der Fall gilt als ungelöst.<ref>Simon Erlanger: [https://archive.today/20190716182937/https://desktop.12app.ch/articles/22494643 ''Zündete ein Staatsagent die Bombe?''] In: ''[[Basler Zeitung]]'' vom 15. Juli 2019 (Archiv).</ref><br />
<br />
Die [[Internationale Rote Hilfe]], die Mitte der 20er Jahre in vielen Staaten Ableger hatte, koordinierte weltweit die Proteste mit ihren Mitgliedsorganisationen. In Deutschland forderte [[Kurt Tucholsky]] – publiziert in der ''[[Die Weltbühne|Weltbühne]]'' vom 19. April 1927 – den US-Botschafter auf, zumindest eine zügige Begnadigung der beiden Gewerkschafter zu erwirken.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.helgolaender-vorbote.de/Kurt_Tucholsky/1525.html |text=Kurt Tucholsky: ''Petition für Sacco und Vanzetti'' |wayback=20120112091606 |archiv-bot=}}</ref><ref>Nikolaus Brauns: ''Schafft rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919–1938).'' Bonn 2003, S. 231–233.</ref><br />
<br />
==== Ruf nach Revision ====<br />
Das Defense Committee konzentrierte seine Bemühungen nun ganz auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.<ref>Felicani, ''Reminiscences'', S. 137; Strauss-Feuerlicht, S. 368.</ref> Obwohl diese Forderung auch von über sechzig Professoren und Rechtswissenschaftlern des ganzen Landes an den [[Gouverneur]] von Massachusetts, [[Alvan T. Fuller]], herangetragen wurde, gab es in der [[Oberschicht]] und dem [[Mittelstand]] eine breite Front gegen derartige Bestrebungen.<br />
<br />
Die Gegner äußerten die Befürchtung, das Ansehen der [[Institution]]en von Massachusetts könnte durch eine Revisionskommission geschädigt werden: Es würde schändlicherweise so wirken, als ob die „Gerichte von Massachusetts unfähig seien, in Kriminalprozessen fair und ehrlich zu sprechen“.<ref>Joughin und Morgan, ''The Legacy of Sacco und Vanzetti'', S. 259.</ref> Vanzetti schrieb dazu in einem Brief: „Sie müssen uns umbringen, um die Würde und Ehre des [[Massachusetts|Commonwealth]] zu retten.“<ref>''Letters of Sacco und Vanzetti'', S. 234.</ref><br />
<br />
Ein weiterer Grund waren [[Aversion|Ressentiments]] gegen Ausländer und Andersdenkende, wie sie laut Verteidigung den ganzen Prozess prägten. Vielen reichte die unbestrittene Tatsache, dass Sacco und Vanzetti Einwanderer, Wehrdienstflüchtige und Anarchisten waren, um ihnen per se [[Bürgerrecht]]e abzusprechen. Zitat aus einem Leserbrief an die [[The New Republic|''New Republic'']]: „Ich sage, Richter Thayer hat recht getan, als er sie, mit oder ohne Beweise, des Mordes schuldig befand, damit man sie loswerden kann […] Amerika ist für die Amerikaner da und nicht für verdammte Ausländer.“<ref>Zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 370.</ref><br />
<br />
Ein drittes Argument gegen eine Revision fand sich in den Protesten selbst: Man dürfe der Agitation radikaler Kräfte im In- und Ausland keinesfalls nachgeben, möchte man amerikanische Werte nicht verraten.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 371.</ref><br />
Gouverneur Fuller wurde später mit der Aussage zitiert: „Die breite Unterstützung, die Sacco und Vanzetti im Ausland genossen, bewies, dass es eine [[Verschwörung]] gegen die Sicherheit der USA gab.“<ref>Musmanno, ''After Twelve Years'', S. 401.</ref><br />
<br />
Tatsächlich fand eine von Jackson initiierte [[Petition]] weltweit zwischen 750.000 und einer Million Unterstützer. Aneinandergeklebt und um einen Stock gewickelt, wurde die schwere Rolle mit den unterschriebenen Petitionen unter Aufmerksamkeit der Zeitungen im Büro des Gouverneurs abgegeben.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 368.</ref><br />
<br />
=== Vanzettis Gnadengesuch ===<br />
Auf Anraten Thompsons verfasste Vanzetti ein [[Gnadenrecht|Gnadengesuch]] an den [[Gouverneur (Vereinigte Staaten)|Gouverneur]] von Massachusetts. Zuvor hatte er einen solchen Schritt abgelehnt. Nun sah er darin die einzige Chance, sein Leben zu retten.<ref>Brief an Luigia Vanzetti, 1. Mai 1927, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 357 f.</ref> Das Gesuch, von den Anwälten mitgestaltet und überarbeitet, stützte sich auf das Argument, Richter Thayer wäre nachgewiesenermaßen voreingenommen gewesen. Seine Feindseligkeit gegen Sacco und Vanzetti habe den Prozess und die Entscheidungen über die Berufungsanträge geprägt. Dem Gesuch beigefügte eidesstattliche Erklärungen sollten diese Ansicht erhärten.<br />
<br />
So legten mehrere Journalisten dar, dass Thayer sich ihnen gegenüber abfällig über die Verteidiger ausgelassen habe („verdammte Dummköpfe“; über Moore: „langhaariger Anarchist aus dem Westen“) und seine ganze Haltung auszudrücken schien, dass „die Geschworenen dazu da seien, diese Männer zu verurteilen“.<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 4954–4957, 4964 f.; Strauss-Feuerlicht, S. 362 f.; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 461&nbsp;ff.</ref> Der Humorist [[Robert Benchley]] berichtete in seiner eidesstattlichen Erklärung von einer zufälligen Begegnung mit Thayer in einem Golfclub. Dort habe Thayer einem Freund vom Druck erzählt, der von einer „Horde Salonradikaler“ auf das Gericht ausgeübt werde, und dass er, Thayer, „es ihnen zeigen und diese Kerle an den Galgen kriegen werde“ und er „gerne auch ein Dutzend von diesen Radikalen aufhängen würde“, denn kein Bolschewik könne ihn einschüchtern.<ref>Prozessprotokoll, S. 4928; Strauss-Feuerlicht, S. 364; Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 468&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Zum Ärger Vanzettis weigerte sich Sacco, das Gnadengesuch zu unterzeichnen. Der Psychiater Dr. Abraham Myerson, der ihn daraufhin untersuchte, berichtete von Saccos Ansichten: „Er wolle Freiheit oder Tod. Er habe sich keines Verbrechens schuldig gemacht und wolle nicht den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen.“<ref>Myerson-Report, S. 4.</ref> Aufmerksam gemacht auf das Naturgesetz der Selbsterhaltung habe Sacco erwidert, dass die Natur nicht bis in seine Zelle reiche. Zu anderen, die ihm in dieser Sache zusprachen, meinte Sacco außerdem, sein Tod würde auch seine leidende Frau erlösen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 359 f.</ref> In seinem Aufsatz über Saccos [[Geisteskrankheit]] beobachtete Dr. Ralph Colp, dass sich Sacco erst nach dem verkündeten Todesurteil erholte: „Sobald ihm klar war, dass er sterben musste, wurde Nick Sacco heiterer, als er es jemals seit seiner Verhaftung gewesen war. Die [[Integrität (Ethik)|Integrität]] seiner Persönlichkeit erreichte einen Höhepunkt, als er die Bitten Vanzettis und all seiner Freunde zurückwies und jeden weiteren Verkehr mit den Behörden ablehnte.“<ref>Ralph Colp, Jr., „Sacco’s Struggle for Sanity“, ''The Nation'', 16. August 1958, S. 65, 70, zitiert in Strauss-Feuerlicht, S. 342f.</ref><br />
<br />
Das Gnadengesuch Vanzettis wurde ohne Saccos Unterschrift am 4. Mai 1927 dem Gouverneur überstellt.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 356.</ref><br />
<br />
=== Fullers Kommission ===<br />
[[Datei:AlvanTFuller.jpg|mini|[[Alvan T. Fuller]], von Januar 1925 bis Januar 1929 Gouverneur von Massachusetts. Er berief den Untersuchungsausschuss ein, lehnte jedoch letztlich das Gnadengesuch und eine Neueröffnung des Prozesses ab.]]<br />
Als Gouverneur hatte Fuller das Recht, in seinem Bundesstaat gefällte Urteile gnadenhalber oder aus rechtlichen Gründen aufzuheben. Konfrontiert mit dem Gnadengesuch Vanzettis und den anhaltenden Protesten gegen das Urteil, entschied sich Fuller für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Das Defense Committee zeigte sich hoffnungsvoll und sagte geplante Demonstrationen für die Zeit der Untersuchung ab.<br />
<br />
Der Präsident von [[Harvard University|Harvard]], [[Abbott Lawrence Lowell]], wurde am 1. Juni 1927 als Vorsitzender der dreiköpfigen Kommission bekannt gegeben. Obwohl er – wie die anderen beiden Mitglieder – keine Erfahrung mit strafrechtlichen Prozessen hatte, genoss er hohes Ansehen und Vertrauen. Die Tatsache, dass er jahrelang in der ''Immigration Restriction League'' für eine rigide Politik gegen Einwanderer eintrat und 1922 in Harvard einen [[Numerus clausus]] für Juden einführen wollte, fand vorerst keine weitere Beachtung.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 373 f.</ref><br />
<br />
Die ''Lowell Commission'' nahm ihre Arbeit offiziell am 11. Juli 1927 auf. Die für diesen Tag geplante Hinrichtung wurde daher auf den 10. August 1927 verschoben. Sacco und Vanzetti wurden bereits ab dem 30. Juni im Gefängnis Charlestown untergebracht, wo die Hinrichtung stattfinden sollte.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 376 f.</ref> Bei den Zeugenbefragungen bemühte sich Lowell erfolglos, durch neue Spekulationen das Alibi von Sacco zu entkräften.<ref>Vgl. Prozessprotokoll, S. 5086–5105, zitiert in Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 375–387; Strauss-Feuerlicht, S. 378–380, 393: Geschildert wird Lowells Versuch, die beiden Alibizeugen Saccos, die ihn in Boston gesehen haben wollen, mithilfe einer Zeitungsmeldung der Lüge zu überführen. Den daraufhin erbrachten Gegenbeweis, welcher die Glaubwürdigkeit der Zeugen erhärtet, lässt Lowell aus dem Protokoll entfernen. Vanzettis Alibizeugen bezichtigt er im Schlussbericht pauschal der Falschaussage, ohne weitere Untersuchungen angestellt zu haben.</ref> Nur etwa zwei Wochen nach Beginn der Untersuchung, am 27. Juli, kamen die drei Mitglieder in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass es keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten Sacco und insgesamt auch keinen Zweifel an der Schuld Vanzettis gebe (“On the whole, we are of the opinion that Vanzetti was also guilty beyond a reasonable doubt”). Am späten Abend des 3. August verkündete Fuller seine auf diesen Bericht gestützte Entscheidung, Sacco und Vanzetti weder zu [[Gnadenrecht|begnadigen]] noch einen neuen Prozess zu gewähren.<br />
<br />
In der breiten Öffentlichkeit und den meisten Zeitungen wurde der Bericht der Kommission, der erst Tage nach der Entscheidung Fullers veröffentlicht wurde, befriedigt zur Kenntnis genommen. Nur wenige kritische Stimmen verwiesen auf vermeintliche Unzulänglichkeiten. So fragte der Schriftsteller [[John Dos Passos]] in einem offenen Brief an Lowell: „Erschien dem Ausschuss die Beweisführung der Staatsanwaltschaft als so schwach, dass er sie durch eigene neue Schlussfolgerungen und Vermutungen untermauern musste?“ Er hätte den Eindruck, der Bericht wolle nicht überprüfen, sondern die bisherigen Entscheidungen respektabel machen.<ref>''New York Times'', 8. August 1927; Strauss-Feuerlicht, S. 395.</ref> Tatsächlich bestätigt der Bericht die Beschlüsse von Richter Thayer, indem Zeugenaussagen herangezogen werden, die wegen deren Unglaubwürdigkeit vor Gericht nicht gehört wurden.<br />
<br />
Als bezeichnend für die trotz großer Anstrengungen letztlich schwache Beweislage gilt die widersprüchlich formulierte Schlussfolgerung, wonach an Vanzettis Schuld ''on the whole'' (etwa „im Großen und Ganzen“) kein Zweifel bestehe: Die Schuld eines Angeklagten müsse absolut [[In dubio pro reo|zweifelsfrei]] bewiesen sein, um einen Schuldspruch und somit die Todesstrafe zu rechtfertigen.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 390–395; eine ausführliche Analyse des Berichts in Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 500–529.</ref><br />
<br />
=== Letzte Rettungsversuche ===<br />
Thompson beschloss, die letzten Berufungen von einem neuen Anwalt einbringen zu lassen, um die Entscheidungsträger nicht unnötig zu provozieren. So stellte Arthur H. Hill, ein angesehener Anwalt aus [[Boston]], am 6. August einen Antrag auf Hinrichtungsaufschub. Der Antrag wurde abgewiesen.<br />
<br />
Am selben Tag wurde vom Anwalt [[Michael Musmanno]] der siebente und letzte Zusatzantrag für eine Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht, über den abermals Richter Thayer zu entscheiden hatte. Inhalt des Antrags war die behauptete Voreingenommenheit Thayers, die ein gerechtes Verfahren unmöglich gemacht habe. Richter Thayer lehnte es ab, den Vorwurf der eigenen Voreingenommenheit sowie die Bitte um Aufhebung des Urteils zu verhandeln, da ihm nach der Urteilsverkündung die Rechtsbefugnis fehle, über derartige Anträge zu entscheiden.<br />
<br />
Beim Obersten Gerichtshof gestellte Anträge auf Wiederaufnahme und Aufschub der Hinrichtung wurden ebenfalls abgelehnt. Gegen diese Beschlüsse legte die Verteidigung am 9. August Berufung ein. Die Entscheidung des zuständigen Richters George Sanderson, ob der Berufungsantrag zulässig sei, sollte am 11. August erfolgen. Die Urteilsvollstreckung, anberaumt für den 10. August um Mitternacht, wurde dennoch wie geplant vorbereitet. Erst um 23:23 Uhr wurde die weltweit mit Spannung und Entsetzen erwartete Hinrichtung abgesagt: Fuller ordnete einen zwölftägigen Aufschub an, um die Entscheidung der Gerichte abzuwarten.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 398 f.</ref><br />
<br />
Die Berufung beim Obersten Gerichtshof wurde zwar formal zugelassen, inhaltlich jedoch am 19. August abgelehnt: Die behauptete Voreingenommenheit des Verfahrensrichters brauche nicht mehr untersucht zu werden, da Wiederaufnahmeanträge, die nach der Urteilsverkündung eingebracht würden, in jedem Fall zu spät kämen. Versuche, Richter des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten dazu zu bewegen, einen Aufschub der Urteilsvollstreckung zu erwirken, liefen ebenfalls ins Leere.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 410&nbsp;ff.</ref><br />
<br />
Parallel zu den verzweifelten Bemühungen der Verteidigung vor den Gerichten erreichte die Welle des öffentlichen Protests einen neuen Höhepunkt. Die größten Demonstrationen in Amerika fanden in [[New York City|New York]] statt, wo Hunderttausende dem [[Streik]]aufruf folgten und ihre Arbeitsplätze verließen. Ansonsten kam es in den USA aber meist nur zu unkoordinierten und vergleichsweise kleinen Protestaktionen der Arbeiterschaft, weil Regierungsvertreter streikenden und protestierenden Ausländern mit scharfen Konsequenzen drohten.<ref>''New York Times'', 10. August 1927</ref> Doch auch viele amerikanische [[Intellektueller|Intellektuelle]] nahmen nun öffentlichkeitswirksam an Kundgebungen teil.<br />
<br />
Außerhalb der USA kam es zu großangelegten Streiks und Demonstrationen in Paris, London, Belfast, Moskau, Berlin, Wien, Budapest, Bukarest, Rom, Madrid und anderen Städten. Auch in Norwegen, Schweden, Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden, Japan, China, Nord- und Südafrika, Mexiko sowie Mittel- und Südamerika kam es zu Demonstrationen für Sacco und Vanzetti. Zudem trafen hunderttausende Gnadengesuche aus der ganzen Welt ein, unterzeichnet unter anderen von Politikern, Schriftstellern und Wissenschaftlern.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 407 f.</ref> Noch eineinhalb Wochen vor der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti veröffentlichte die [[Rote Hilfe Deutschlands]] am 12. August 1927 eine Dokumentation zum Fall, über die ein letztes Mal im deutschsprachigen Raum publizistisch zum Kampf für die Begnadigung der beiden Verurteilten aufgerufen wurde.<ref>[http://www.hans-litten-archiv.de/web/images/archive-documents/Folterkammer%20Amerika.pdf ''Folterkammer Amerika! Sieben Jahre Sacco – Vanzetti'' (RHD 1927)], Digitalisat der Originaldokumentation der Roten Hilfe Deutschlands (RHD), veröffentlicht im August 1927 (PDF-Datei; 11,2&nbsp;MB)</ref><br />
<br />
Neben den im Allgemeinen friedlichen Demonstrationen verunsicherten [[Bombenattentat]]e die amerikanische Öffentlichkeit: Anschläge wurden auf eine Kirche, auf Bahnstrecken, ein Theater und auf Wohnungen eines Bürgermeisters und eines Geschworenen des Prozesses verübt. Keiner der Attentäter wurde ausgeforscht.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 405 f.</ref><br />
<br />
Die Fronten schienen mehr denn je verhärtet: „Die Angst um die Sicherheit der bestehenden Ordnung führte zum Hass gegen jene, welche diese Ordnung kritisierten, und schließlich zu der Meinung, dass eine Begnadigung eine strategische Niederlage bedeuten würde.“<ref>Joughin, Morgan: ''The Legacy of Sacco and Vanzetti.'' S. 297.</ref><br />
<br />
=== Urteilsvollstreckung ===<br />
Am 22. August, dem Tag der [[Hinrichtung]], verabschiedete sich Sacco von seiner Frau Rosina. Aus Italien war einige Tage zuvor Vanzettis Schwester Luigia eingetroffen, die nun auch von ihrem Bruder Abschied nahm. Beide Frauen wurden am Abend noch bei Gouverneur Fuller vorstellig und flehten um Gnade.<ref>Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 416 ff.</ref> Auch die Verteidigung hatte zuvor letzte Bemühungen unternommen, Fuller von einem Aufschub zu überzeugen. Etwa eine Stunde vor der geplanten Hinrichtung entschied sich Fuller dann definitiv gegen den Aufschub.<ref>Musmanno: ''After Twelve Years'', S. 389 f.</ref><br />
<br />
Celestino Madeiros, der für den Mord an einem Bankangestellten zum Tode verurteilt war und dessen Hinrichtung nach seinem Geständnis für weitere Untersuchungen ebenfalls verschoben worden war, betrat als Erster die Hinrichtungskammer.<br />
<br />
Kurz nach seinem Tod folgte Sacco. Er verabschiedete sich von seiner Frau, seinem Kind und seinen Freunden. Weil sein Körper nach dem Hungerstreik, den er die letzten dreißig Tage durchhielt, Wasser und Salz verloren hatte, wurde bei ihm eine höhere [[Elektrische Spannung|Spannung]] eingesetzt. Um 00:19 Uhr wurde er für tot erklärt.<br />
<br />
Als Vanzetti kurze Zeit darauf die Kammer betrat, gab er den Wärtern und dem Gefängnisdirektor die Hand und bekräftigte gegenüber den Zeugen der Hinrichtung noch einmal seine Unschuld. Außerdem sagte er: „Ich möchte einigen Leuten vergeben, was sie mir nun antun.“ Sein Tod wurde um 00:27 Uhr festgestellt.<ref name="Strauss424">Vgl. Strauss-Feuerlicht, S. 424.</ref><br />
<br />
==== Internationale Reaktionen ====<br />
Die Meldung über den Tod von Sacco und Vanzetti wurde von Menschen auf der ganzen Welt mit Wut und Trauer zur Kenntnis genommen. Am [[Union Square (New York City)|Union Square]] in New York waren nach einem Bericht der ''[[New York World]]'' fünfzehntausend Menschen versammelt, die nach der Todesnachricht schrien, weinten und ohnmächtig wurden.<ref>''New York World,'' 23. August 1927.</ref><br />
<br />
Außerhalb der USA entlud sich die Wut über die Hinrichtung und auf Amerika in teilweise wilden Protesten.<br />
In [[Genf]] zogen geschätzte fünftausend Demonstranten durch die Straßen. Wie auch in anderen Städten kam es dabei zu Aggressionen gegen amerikanische Einrichtungen, Geschäfte, Autos und Kinos, die amerikanische Filme spielten. In Paris musste die US-amerikanische Botschaft mit Panzern geschützt werden. Am Vorabend der Hinrichtung riefen allein in Berlin 40 kommunistische, sozialistische, gewerkschaftliche, anarchistische, pazifistische und humanistische Organisationen zu Demonstrationen in 24 Stadtbezirken auf. Tausende beteiligten sich, darunter ganze Betriebsbelegschaften. Am Tag nach der Hinrichtung fanden deutschlandweit Trauerkundgebungen statt, die teilweise zu den größten der letzten Jahre gehörten. In den meisten Zechen des Ruhrgebietes fanden Belegschaftsversammlungen statt. In Berlin folgten etwa 150.000 Menschen dem Aufruf der KPD zu einer der größten Demonstrationen der [[Weimarer Republik]].<ref>Nikolaus Brauns: ''Schafft rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919–1938).'' Bonn 2003, S. 235&nbsp;f.</ref> Der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]-Vorsitzende [[Ernst Thälmann]] hielt im Berliner Lustgarten die Rede ''Gegen den Mord an Sacco und Vanzetti'', die am 25. August 1927 in der Parteizeitung ''[[Die Rote Fahne]]'' abgedruckt wurde.<ref>[http://www.marxists.org/deutsch/referenz/thaelmann/1927/08/saccvanz.htm Redetext bei Marxists.org], eingesehen am 28. Mai 2009.</ref> Auch in anderen deutschen Städten wurde demonstriert, etwa in [[Stuttgart]] mit einem rund zweistündigen Fackelzug. Bei Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen, so in Hamburg, kam es in Deutschland zu insgesamt sechs Todesfällen. Auch in England, Skandinavien, Portugal, Mexiko, Argentinien, Australien und Südafrika kam es zu Streiks und wilden Demonstrationen.<ref name="Strauss424" /><br />
<br />
== Bestattung ==<br />
Die [[Einbalsamierung|einbalsamierten]] Leichen wurden ab Donnerstag, dem 25. August, in einem Bestattungsinstitut aufgebahrt und von tausenden Menschen besucht. Der Leichenzug fand am Sonntag unter strengen Auflagen der Behörden und Aufsicht der Polizei statt. Neben Luigia Vanzetti, Rosina und Dante Sacco nahmen tausende Personen am etwa zwölf Kilometer langen Trauermarsch zum Friedhof teil. Unterwegs streiften sich die Teilnehmer vom Defense Committee vorbereitete Armschleifen über mit dem Aufdruck ''Remember justice crucified! August 22, 1927'' („Erinnert euch an die gekreuzigte Gerechtigkeit“), um gegen die Hinrichtung zu demonstrieren. Die berittenen Polizisten setzten daraufhin Schlagstöcke ein, um die Menge zu zerstreuen.<ref>Vgl. Rusell: ''Tragedy in Deham'', S. 457 ff.; Felicani: ''Reminiscences'', S. 157 f.; Marks: ''Thirteen Days'', S. 58&nbsp;f.; Strauss-Feuerlicht, S. 426&nbsp;f.</ref><br />
<br />
Am Friedhof wurden die Körper von Sacco und Vanzetti im [[Krematorium]] eingeäschert, obwohl dies nicht den Wünschen der Verstorbenen oder deren Verwandten entsprach.<ref>Vgl. ''Letters of Sacco and Vanzetti'', S. 117, 133; ''New York Times'', 23. August 1927; Strauss-Feuerlicht, S. 426.</ref> Sowohl Luigia als auch Rosina blieben der vom Defense Committee organisierten Zeremonie in der Kapelle bewusst fern.<br />
<br />
Die Asche beider Männer wurde vermischt und auf drei Urnen aufgeteilt. Das Defense Committee übergab je eine Urne an Rosina Sacco und Luigia Vanzetti.<ref>Strauss-Feuerlicht, S. 429 f.</ref><br />
<br />
== Bewertungen des Falls ==<br />
=== Schuldfrage ===<br />
Auch Jahrzehnte nach dem vollstreckten Urteil kam eine Vielzahl von Spekulationen über den Fall auf, insbesondere über die Schuld oder Unschuld von Sacco und Vanzetti. So gibt es bis in die Gegenwart zahlreiche journalistische Anläufe, den komplexen Sachverhalt neu zu erarbeiten, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.<br />
Drei prinzipielle Strömungen sind auszumachen, die alle bis zum heutigen Tag eine mehr oder weniger große Anhängerschaft haben:<br />
<br />
* Sacco und Vanzetti sind beide schuldig, der Prozess kann als fair bewertet werden und die Kritik daran habe meist mit „linker Propaganda“ zu tun, um die Verurteilten als Märtyrer erscheinen zu lassen. Die Argumentation für diese These stützt sich auf die Beweisaufnahme des Verfahrens und die Ergebnisse der von Gouverneur Fuller eingesetzten Kommission. Zu den eher spärlichen Publikationen, die diese Ansicht vertreten, zählt das 1960 erschienene Buch ''Sacco-Vanzetti: The Murder and the Myth'' von Robert H. Montgomery.<br />
<br />
* Teilschuld: Sacco ist schuldig, Vanzetti nicht, doch war dieser vermutlich an der Planung des Überfalls beteiligt. Auftrieb erhielt diese Darstellung insbesondere durch die Bücher des Schriftstellers Francis Russell (''Tragedy in Dedham'', 1962, sowie ''The Case Resolved'', 1986): Unter anderen Indizien zitiert er darin die Behauptung, der führende Anarchist [[Carlo Tresca]] habe noch vor seinem Tod die Schuld Saccos bestätigt („Sacco war schuldig, Vanzetti war nicht schuldig“), sowie neue ballistische Untersuchungen.<br />
<br />
* Beide sind unschuldig und wurden Opfer der damaligen hetzerischen Stimmung gegen politisch Andersdenkende und Ausländer. Vertreter dieser Darstellung verweisen unter anderem auf fremdenfeindliche Äußerungen des Richters sowie des Geschworenensprechers Ripley („Man sollte sie auf jeden Fall aufhängen!“), die vielen Alibi-Zeugen und auf die Annahme, dass die wenigen Beweisstücke gefälscht wurden. Bereits 1927 erschien dazu [[Felix Frankfurter]]s Buch ''The Case of Sacco and Vanzetti: A Critical Analysis for Lawyers and Laymen''<ref>Das Buch war die erweiterte Version seines vielbeachteten Artikels in ''The Atlantic Monthly'', März 1927.</ref>, in dem dieser amerikanische Jurist dem Richter Thayer und der Staatsanwaltschaft ein verheerendes Zeugnis ihrer Arbeit ausstellt. Danach folgten Osmond K. Fraenkel, ''The Sacco-Vanzetti Case'' (1931) und G. Louis Joughin und Edmund M. Morgan, ''The Legacy of Sacco and Vanzetti'' (1948). In ihrem 1977 erschienenen Buch ''Justice Crucified. The Story of Sacco and Vanzetti'' (deutsch 1979) untersuchte Roberta Strauss-Feuerlicht den Fall im Kontext der puritanischen Tradition Amerikas.<br />
<br />
Eine wesentliche Rolle in allen Theorien spielt die tödliche „Kugel III“, die angeblich aus Saccos Colt stammte. So wurden 1961 auf Betreiben von Francis Russell erneut ballistische Tests an Saccos Waffe durchgeführt, nachdem die entsprechenden Tests von 1920/21 keine eindeutige Beweislage geliefert hatten. 1961 schienen die Tests laut Protokoll eher darauf hinzuweisen („suggested“), dass es sich um die Tatwaffe gehandelt haben könnte. Dem wird von anderer Seite entgegengehalten, dass einerseits der über die Jahre angelagerte Rost das Ergebnis verzerren würde, und andererseits Indizien vorlägen, dass die Kugel, die den Tests zugrunde lag, seinerzeit vertauscht wurde, um Sacco schuldig erscheinen zu lassen.<ref>Vgl. Ehrmann, ''Case That Will Not Die'', S. 285 f.</ref><br />
<br />
=== Bewertung durch Michael Dukakis ===<br />
[[Datei:Governor Dukakis speaks at the 1976 Democratic National Convention (cropped).jpg|mini|Michael S. Dukakis (1976)]]<br />
Am 19. Juli 1977 – 50 Jahre nach der Hinrichtung – bewertete [[Michael S. Dukakis]], Politiker der [[Demokratische Partei (Vereinigte Staaten)|Demokratischen Partei]] und zu der Zeit [[Liste der Gouverneure von Massachusetts|Gouverneur von Massachusetts]], den Prozess als unfair:<br />
<br />
{{Zitat-en|Today is the Nicola Sacco and Bartolomeo Vanzetti Memorial Day. The atmosphere of their trial and appeals were permeated by prejudice against foreigners and hostility toward unorthodox political views. The conduct of many of the officials involved in the case shed serious doubt on their willingness and ability to conduct the prosecution and trial fairly and impartially. Simple decency and compassion, as well as respect for truth and an enduring commitment to our nation’s highest ideals, require that the fate of Sacco and Vanzetti be pondered by all who cherish tolerance, justice and human understanding.|Übersetzung=Heute ist der Nicola-Sacco- und Bartolomeo-Vanzetti-Gedächtnistag. Die Atmosphäre ihres Verfahrens und ihrer Revisionen war durchdrungen von Vorurteilen gegen Ausländer und Feindseligkeit gegenüber unorthodoxen politischen Ansichten. Das Verhalten von vielen der Offiziellen in diesem Fall wirft einen ernstlichen Zweifel auf ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit, die Verfolgung und das Verfahren fair und unvoreingenommen durchzuführen. Schlichter Anstand und Mitgefühl, wie auch Respekt vor der Wahrheit und eine fortwährende Verpflichtung zu den höchsten Idealen unserer Nation, erfordern, dass das Schicksal von Sacco und Vanzetti von allen im Gedenken bewahrt wird, die Toleranz, Gerechtigkeit und menschliches Verständnis wertschätzen.}}<br />
<br />
Diese beiden berühmtesten Justizopfer der US-Geschichte haben fortan als offiziell rehabilitiert zu gelten:<br />
„Any stigma or disgrace should be forever removed from the names Nicola Sacco and Bartolomeo Vanzetti.“<ref>[[Dietmar Dath]] in ''Editorische Notiz'' zu Upton Sinclair: ''Boston. Ein zeithistorischer Roman''. Manesse Verlag Zürich, 2017. S. 1024 f.</ref><br />
<br />
== Der Fall in der kulturellen Rezeption ==<br />
Die weltbewegenden Ereignisse um die beiden Hingerichteten haben bis heute eine Vielzahl von Literaten, Dramaturgen, Komponisten, Musikern, bildenden Künstlern und weiteren Kulturschaffenden inspiriert. In Werken der unterschiedlichsten Kunstgattungen werden Sacco und Vanzetti oft zu tragischen, in einigen modernen Interpretationen auch tragisch-komischen Symbolfiguren, die als unangepasste Idealisten aus der Unterschicht der Arroganz und Ungerechtigkeit der Eliten hilflos ausgeliefert sind.<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
In der Literatur, die während oder in den Jahren nach dem Prozess entstand, dominiert der Protest und die [[Solidarität|solidarische]] Anteilnahme am Schicksal der beiden Arbeiter. [[John Dos Passos]] schrieb 1927 ein Buch mit dem Titel ''Facing the Chair: The Story of the Americanization of two Foreignborn Workmen''. [[Upton Sinclair]], der sich wie viele amerikanische Intellektuelle für Sacco und Vanzetti engagierte, bearbeitete den Fall 1928 in seinem zeitkritischen Roman ''[[Boston (Roman)|Boston]]''. Ebenfalls unter dem Eindruck der Hinrichtung entstand im Jahr 1927 [[Kurt Tucholsky]]s Gedicht ''7,7'' („Sieben Jahre und sieben Minuten mussten zwei Arbeiterherzen bluten“).<ref>[http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1927/7,7 Kurt Tucholsky: ''7,7'' (Gedicht von 1927)] auf zeno.org</ref> Die schwedische Dichterin [[Karin Boye]] verarbeitete 1927 den Fall in dem Gedicht "De dödsdömda (Die zum Tode Verurteilten)".<ref>Johan Svedjedal: Den nya dagen gryr. Karin Boyes föfattarliv, Stockholm 2017, S. 245, https://www.sac.se/cat/content/download/22403/175102/file/En%20fri%20tidning%20del%2004.pdf</ref> Der chinesische Schriftsteller [[Ba Jin]] verarbeitete seine Eindrücke 1932 in seiner Kurzgeschichtensammlung ''The Electric Chair''. [[Anna Seghers]] schildert in der 1930 erschienenen Erzählung ''[[Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft]]'' die Ereignisse um eine Demonstration gegen die Verurteilung Saccos und Vanzettis. Der US-amerikanische Schriftsteller [[Howard Fast]] bearbeitete die Geschichte von Sacco und Vanzetti in seinem 1953 erschienenen Roman ''The passion of Sacco and Vanzetti, a New England legend'',<ref>[http://catalog.hathitrust.org/Record/000389011 Datensatz ''The passion of Sacco and Vanzetti, a New England legend'' auf hathitrust-Digital Library]</ref> in deutscher Übersetzung erschienen 1955 unter dem Titel ''Sacco und Vanzetti – Eine Legende aus Neuengland'' im Ost-Berliner [[Karl Dietz Verlag Berlin|Dietz-Verlag]].<ref>[http://d-nb.info/451214366 Datensatz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek]</ref> [[Katherine Anne Porter]] verfasste 1977 eine Gedenkschrift mit dem Titel ''The Never-Ending Wrong'', in der sie das historische Geschehen als „unheilbare Wunde“ bezeichnet. Sie habe sonst in ihrem ganzen Leben nicht solch schwere pure Bitterkeit und hilflosen Zorn in äußerster Niederlage, verletzter Liebe und Hoffnung gefühlt(„never felt such a weight of pure bitterness, helpless anger in utter defeat, outraged love and hope“).<ref>Dietmar Dath in ''Editorische Notiz'' zu Upton Sinclair: ''Boston. Ein zeithistorischer Roman''. Manesse Verlag Zürich, 2017. S. 1023 f.</ref><br />
<br />
1979 erzählte und kommentierte [[Kurt Vonnegut]] die Geschichte von Sacco und Vanzetti an mehreren Stellen in seinem Roman ''Jailbird''.<ref>Kurt Vonnegut, Jailbird. Dial Press Trade Paperback Edition, 2011. S. 235 (u.&nbsp;a.)</ref><br />
<br />
In seinem 2006 erschienenen Debüt-Roman ''Sacco And Vanzetti Must Die'' findet Mark Binelli einen insofern provokant anmutenden Zugang, als die aufwühlende Geschichte mit erfundenen und schräg-komischen Elementen verknüpft wird: Die Anarchisten Sacco und Vanzetti werden – mit Anlehnung an [[Laurel und Hardy]] – zu anarchistischen Slapstick-Komikern. Bereits Jahre zuvor setzte der Dramatiker Louis Lippa eine ähnliche Idee um (siehe Theater und Film).<br />
<br />
=== Theater und Film ===<br />
[[Datei:Cezmi Baskın Sacco ile Vanzetti.jpg|mini|Szenenfoto einer türkischen Aufführung der Bühnenfassung von Howard Fasts Roman ''The Passion of Sacco and Vanzetti, a New England legend'', aufgeführt in der Spielzeit 1988/89 am Kunsttheater [[Ankara]] ''([[Ankara Sanat Tiyatrosu]])'', mit [[Cezmi Baskın]] (rechts) in der Rolle von Bartolomeo Vanzetti]]<br />
1927 fand die vermutlich erste Verfilmung des Falles statt: Bei dem österreichischen Stummfilm ''[[Im Schatten des elektrischen Stuhls]]'' führte Alfréd Deésy Regie. Der Spielfilm ''[[Winterset (Film)|Winterset]]'' (1936) lehnt sich, wie auch das dem Film zugrunde liegende Theaterstück ''Dezembertag'' von [[Maxwell Anderson]], an den Fall an.<br />
<br />
1928 ließ [[Erich Mühsam]] im Deutschland der [[Weimarer Republik]] das [[Drama]] ''[[Staatsräson]] (ein Denkmal für Sacco und Vanzetti)'' aufführen.<br />
<br />
Der amerikanische Fernsehsender [[NBC]] zeigte 1960 ''The Sacco-Vanzetti Story'' (Drehbuch: [[Reginald Rose]], Regie: [[Sidney Lumet]]) als Teil der Serie ''Sunday Showcase''.<ref>{{IMDb|tt0121018|The Sacco-Vanzetti Story: Part 1|Abruf=2021-07-07}}</ref> Das zweiteilige [[Fernsehspiel]] brachte dem Fall zwar neue Aufmerksamkeit, wurde aber als wenig faktentreu kritisiert.<ref>Vgl. Russell, ''Tragedy in Dedham'', S. 329.</ref><br />
<br />
Drei Jahre darauf – 1963 – inszenierte der Regisseur [[Edward Rothe]] im Auftrag des [[Westdeutscher Rundfunk|WDR]] die durch Hartwig Schmidt (nach Gerichtsprotokollen) ins Deutsche [[Adaption (Literatur)|adaptierte]] Drehbuchvorlage von Reginald Rose im Dokumentarspiel ''Der Fall Sacco und Vanzetti'' für das deutsche Fernsehen (mit [[Robert Freitag]] in der Rolle Saccos und [[Günther Neutze]] als Vanzetti).<ref>{{IMDb|tt0446327|Der Fall Sacco und Vanzetti (1963)|Abruf=2021-07-07}}</ref><br />
<br />
1967 verfilmte Paul Roland ''Die Affäre Sacco und Vanzetti''<ref>{{LdiF|59030|Die Affäre Sacco und Vanzetti|Abruf=2021-07-07}}</ref> in Belgien.<br />
<br />
1971 kam die italienisch-französische Spielfilm-Produktion ''[[Sacco und Vanzetti (Film)|Sacco und Vanzetti]]'' (Regie: [[Giuliano Montaldo]]) in die Kinos. Der Film ist die heute gemeinhin bekannteste [[Dramaturgie|dramaturgische]] Verarbeitung des Falles und verwendet auch selten gezeigtes Archiv-Material von Demonstrationen für Sacco und Vanzetti aus verschiedenen [[Wochenschau]]en der 1920er Jahre. Den [[Filmmusik|Soundtrack]] steuerte [[Ennio Morricone]] bei. Einen hohen Bekanntheitsgrad – weit über den Film hinaus – erreichte der von Morricone geschriebene und von Joan Baez gesungene Song "Here's To You".<br />
<br />
Der US-amerikanische Dramatiker [[Louis Lippa]] verarbeitete in seinem Stück ''Sacco & Vanzetti – A [[Vaudeville]]'' (Premiere 1999) den Justizmord in eine bitter-ironische Farce: Sacco und Vanzetti spielen zwei Stunden vor ihrer Hinrichtung die Geschichte ihrer Verurteilung im Stil einer amerikanischen Nummern-Revue der damaligen Zeit durch. Im Jahr 2005 erlebte das Stück als ''Sacco & Vanzetti: Eine anarchistische Komödie'' seine deutschsprachige Erstaufführung.<br />
<br />
2004 wurde in Bulgarien ein zweiteiliger Fernsehfilm über den Fall gedreht.<ref>[http://www.titanus.it/eng/produzione-singola.php?id=542 Siehe Seite der Produktionsgesellschaft von ''Sacco e Vanzetti''.]</ref><br />
<br />
2006 wurde unter Leitung von Peter Miller eine erste Kino-Dokumentation über ''Sacco und Vanzetti'' gedreht; eine deutsch untertitelte Version wird ab 2017 aufgeführt.<ref>''Lehrstück politischer Justiz,'' von Maurice Schuhmann, "Dschungel", Beilage zu [[jungle world]], 34, 24. August 2017, S. 12f.</ref><br />
<br />
Auch im Film ''First Impact - Der Paketbombenjäger'' über den späteren Direktor des FBI [[William J. Flynn (Regierungsbeamter)|Flynn]] wird auf den Fall Sacco und Vanzetti Bezug genommen.<ref>{{IMDb|tt1485761|First Impact - Der Paketbombenjäger|Abruf=2021-07-07}}</ref><br />
<br />
=== Musik ===<br />
[[Datei:Joan Baez 1973.jpg|mini|Von Joan Baez (hier eine Fotografie von 1973) stammt der originäre Text der Hymne ''[[Here’s to You]]'']]<br />
Der US-amerikanische Folksänger [[Woody Guthrie]] schuf 1945 den Zyklus ''[[Ballads of Sacco & Vanzetti]]'', den er 1946/47 für [[Folkways Records|Folkways]] aufnahm.<ref>{{Discogs Master|134134|Woody Guthrie: ''Ballads Of Sacco & Vanzetti'' (LP-Cover, Titelliste und internationale Labels der Plattenveröffentlichung)|Abruf=2021-07-07}}</ref> Das Album wurde erst 1960 veröffentlicht, da Guthrie selbst mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Es enthält neben den elf ''[[Ballade]]n'' Guthries auch ein Lied von [[Pete Seeger]] aus dem Jahr 1951. Als [[Liedtext]] verwendete Seeger den Abschiedsbrief von Nicola Sacco an seinen Sohn Dante ''(Sacco’s Letter To Son)''.<br />
<br />
Das als eine Art [[Hymne]] weltbekannt gewordene Lied ''[[Here’s to You]]'' (Text: [[Joan Baez]], Komposition: [[Ennio Morricone]]) stammt aus dem [[Soundtrack]] des Montaldo-Films ''Sacco und Vanzetti''. Die beiden letzten Zeilen der mehrfach wiederholten [[Vierzeiler|vierzeiligen]] [[Strophe]] beruhen auf einer Aussage Vanzettis, die dieser etwa drei Monate vor der Hinrichtung getätigt hatte: “The last moment belongs to us, that agony is our triumph!” („Der letzte Moment wird uns gehören, dieser Todeskampf ist unser Triumph!“)<ref>Aus [[ZDF-History]]: ''Lieder, die Geschichte machten'', gesendet am 24. Juli 2011 (nach ca. 17:30 Min.)</ref> Auf der 1971 herausgegebenen Langspielplatte mit verschiedenen weiteren ebenfalls von Joan Baez gesungenen Balladen zum Thema ist es der zehnte und abschließende Titel.<ref>{{Discogs Titel|1527793|Ennio Morricone - Joan Baez – Sacco & Vanzetti (Bande Originale Du Film)|Abruf=2021-07-07}}</ref> Dieses Lied wurde später in der Version von [[Georges Moustaki]] unter dem Titel ''La marche de Sacco et Vanzetti'' in französischer Sprache veröffentlicht. Die israelische Sängerin [[Daliah Lavi]] adaptierte im Jahr 1972 eine dreisprachige Version des Baez/Morricone-Titels auf Englisch, Französisch und Deutsch.<ref>Daliah Lavi: ''Here’s to you (Nicola & Bart)''</ref> Ebenfalls aus dem Jahr 1972 stammt eine inhaltlich komplexere deutsche Version des Liedes mit gleicher Melodie, aber ausführlicherem Text vom [[Liedermacher]] und Lyriker [[Franz Josef Degenhardt]].<ref>[http://www.golyr.de/franz-josef-degenhardt/songtext-sacco-und-vanzetti-630041.html Franz Josef Degenhardt: ''Sacco und Vanzetti'' (Liedtext)]</ref> Die in dieser [[Arrangement|Adaption]] erwähnte Angela referiert dabei auf [[Angela Davis]]. Die deutsche [[Punk (Musik)|Punkband]] [[Normahl]] coverte im Jahr 1991 den Degenhardt-Text auf ihrem Album ''Blumen im Müll''.<ref>Normahl: ''Sacco und Vanzetti''</ref><br />
<br />
Bis in die Gegenwart existieren weitere [[Coverversion]]en der genannten Titel, Adaptionen und [[Interpretation (Musik)|Interpretationen]] des Falles und der Personen Saccos und Vanzettis in unterschiedlichen Sprachen und musikalischen Stilrichtungen von verschiedenen Interpreten.<br />
<br />
In nahezu allen musikalischen Verarbeitungen des Falles und der Personen werden Sacco und Vanzetti direkt oder indirekt als Opfer eines [[Justizmord]]s und politische [[Märtyrer]] dargestellt.<br />
<br />
=== Bildende Kunst ===<br />
[[Datei:Sacco and Vanzetti mural at Syracuse University (Ben Shahn).jpg|mini|Das Mosaik von Ben Shahn<br /> ''The Passion of Sacco & Vanzetti'']]<br />
Der Maler, Zeichner und Karikaturist [[George Grosz]] erstellte 1927 die Zeichnung ''Sacco und Vanzetti''.<ref>[http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/george-grosz/sacco-and-vanzetti-71Tlopra708nlYxffEEM9w2 Zeichnung von George Grosz: ''Sacco und Vanzetti''] Abbildung bei artnet.de</ref><br />
<br />
Der Maler [[Ben Shahn]] widmete den Verurteilten 1931/32 das [[Tempera]]-Gemälde ''The Passion of Sacco & Vanzetti'', das ihr Begräbnis im Stil des [[Amerikanischer Realismus|amerikanischen sozialen Realismus]] interpretiert,<ref> {{Webarchiv|text=Ben Shahn: Gemälde ''The Passion of Sacco & Vanzetti'' |url=http://www.usc.edu/schools/annenberg/asc/projects/comm544/library/images/367.html |wayback=20090221025306}} Abbildung und Kurzinformationen (englisch)</ref> und wenig später ein [[Mosaik]] an einer Wand der [[Syracuse University]] im Bundesstaat [[New York (Bundesstaat)|New York]].<br />
<br />
Der Künstler [[Siah Armajani]] gestaltete 1987 den ''Sacco-und-Vanzetti-Leseraum''. Die auf öffentliche Benutzung hin ausgelegte Installation war für einige Jahre fixer Bestandteil des Museums Moderner Kunst in Frankfurt am Main.<ref>Vgl. [http://www.anarchismus.de/kultur/mmk-ffm-ammann.htm Beschreibung und Kritik auf www.anarchismus.de] und den {{Webarchiv|text=Katalogeintrag mit Foto von Portikus |url=http://www.portikus.de/ArchivA0003B.html |wayback=20071124014315}}. Als großformatige Abb. der beiden Justizopfer in "Dschungel", Beilage zu [[jungle world]], 34, 24. August 2017, S. 12f.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
Auflistung chronologisch nach dem Datum der Erstausgabe.<br />
<br />
* Bartolomeo Vanzetti (Autobiografie): ''The Story of a Proletarian Life''. Sacco-Vanzetti Defense Committee, Boston 1923; Nachdruck (Broschüre): [[Kate Sharpley Library]], London 2002, ISBN 1-873605-92-7.<br />
* [[Felix Frankfurter]]: ''The Case of Sacco and Vanzetti: A Critical Analysis for Lawyers and Laymen''. Little, Brown and Company, Boston 1927; Neuausgabe: William S. Hein & Co., New York 2003, ISBN 1-57588-805-X.<br />
* [[Eugene Lyons]]: ''The Life and Death of Sacco and Vanzetti''. Erstausg., Verlag International Publishers, New York 1927.<br />
* [[Augustin Souchy]]: ''Sacco und Vanzetti''. Überarbeitete Ausgabe (der Schrift: ''Sacco und Vanzetti – 2 Opfer amerikanischer Dollarjustiz''. [[Verlag Der Syndikalist]], Berlin 1927), Verlag Freie Gesellschaft, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-88215-002-5.<br />
* Nicola Sacco (u. Bartolomeo Vanzetti): ''The Letters of Sacco and Vanzetti''. Erstausgabe, Verlag Viking Press, New York 1928.<br />
* Osmond K. Fraenkel: ''The Sacco-Vanzetti Case''. Erstausgabe, Alfred A. Knopf, New York 1931; Nachdruck: Verlag Alfred A. Knopf, New York 1971, ISBN 0-8462-1402-4; Nachdruck für: The Notable Trials Library, mit einer neuen Einführung von Alan Dershowitz, Gryphon Editions, Inc., Birmingham 1990.<br />
* Luigi Botta (prefazione di Pietro Nenni): ''[https://www.academia.edu/22232911/Sacco_e_Vanzetti_giustiziata_la_verit%C3%A0 Sacco e Vanzetti: giustiziata la verità]''. Edizioni Gribaudo, Cavallermaggiore, 1978 ([https://www.academia.edu/22232911/Sacco_e_Vanzetti_giustiziata_la_verit%C3%A0 free downloads]).<br />
* Herbert B. Ehrmann: ''The Untried Case: The Sacco-Vanzetti Case and the Morelli Gang''. Erstausgabe, Verlag The Vanguard Press, New York 1933.<br />
* G. Louis Joughin, Edmund M. Morgan: ''The Legacy of Sacco and Vanzetti''. Mit einem Vorwort von Arthur M. Schlesinger, Verlag Harcourt, Brace and Company, New York 1948.<br />
* Herbert B. Ehrmann: ''The Untried Case: The Sacco-Vanzetti Case and the Morelli-Gang''. Ergänzte Neuauflage, mit einem neuen Vorwort von Joseph N. Welch und einer neuen Einführung von Edmund M. Morgan, Verlag The Vanguard Press, New York 1960.<br />
* Francis Russell: ''Tragedy in Dedham – The Story of the Sacco-Vanzetti Case''. Erstausgabe, Verlag McGraw-Hill Book Company, New York 1962; unveränderte Neuausgabe 1971, ISBN 0-07-054342-9.<br />
* Hasso Grabner: ''Justizmord in Dedham''. Deutscher Militärverlag, Berlin 1962.<br />
* David Felix: ''Protest: Sacco-Vanzetti And The Intellectuals''. Erstausgabe, Indiana University Press, Bloomington/Minnesota u. London 1965.<br />
* Robert H. Montgomery: ''Sacco-Vanzetti: The Murder and the Myth''. Verlag Western Islands, Boston 1965, The Americanist Library, ISBN 0-88279-003-X.<br />
* Herbert B. Ehrmann: ''The Case That Will Not Die – Commonwealth vs. Sacco and Vanzetti''. Erstausgabe, Verlag Little, Brown and Company, Boston u. Toronto 1969; Neuausgabe im United Kingdom, Verlag W. H. Allen & Company Ltd., London 1970, ISBN 0-491-00024-3.<br />
* Nicola Sacco (u. Bartolomeo Vanzetti, u.&nbsp;a.; Hrsg.: Marion Denman Frankfurter, Gardner Jackson): ''The Letters of Sacco and Vanzetti''. Ergänzter Nachdruck, mit einem neuen Vorwort von Richard Polenberg, Verlag Penguin Books Ltd., New York 1971, Penguin Twentieth-Century Classics, ISBN 0-14-118026-9.<br />
* Roberta Strauss Feuerlicht: ''Justice Crucified. The Story of Sacco and Vanzetti''. Verlag McGraw-Hill Book Company, New York 1977, ISBN 0-07-020638-4. (Gemäß Rezension der [[New York Times]] „die umfassendste und überzeugendste Darstellung des Falles ‚Sacco und Vanzetti‘, die es bisher gegeben hat“.)<br />
* [[Frederik Hetmann]]: ''Freispruch für Sacco und Vanzetti''. 1. Auflage, Jugendliteratur, Signal-Verlag, Baden-Baden 1978, ISBN 3-7971-0188-0.<br />
* Roberta Strauss-Feuerlicht: ''Sacco und Vanzetti''. Deutschspr. Ausgabe (der Originalausgabe von 1977), übersetzt von Heinrich Jelinek, Europa Verlag, Wien/München/Zürich 1979, ISBN 3-203-50702-1.<br />
* Eugene Lyons: ''Sacco und Vanzetti''. Deutschspr. Ausgabe (des Originals ''The Life and Death of Sacco and Vanzetti'' von 1927), Unionsverlag, Zürich 1981, Reihe uv 6, ISBN 3-293-00016-9.<br />
* Francis Russell: ''Sacco & Vanzetti: The Case Resolved''. 1. Aufl., Verlag Harper & Row, New York (u.&nbsp;a.) 1986, ISBN 0-06-015524-8.<br />
* Helmut Ortner: ''Fremde Feinde: der Fall Sacco & Vanzetti.'' 1. Auflage. Neuausgabe (der 1988 erschienenen Ausgabe ''Zwei Italiener in Amerika''), Steidl-Verlag, Göttingen 1996, Steidl-Taschenbuch Nr. 76. ISBN 3-88243-430-9.<br />
* [[Paul Avrich]]: ''Sacco and Vanzetti: The Anarchist Background''. Printausgabe der Princeton University Press, Ewing/New Jersey 1991. Taschenbuch-Ausgabe 1996. ISBN 0-691-02604-1.<br />
* ''A Probabilistic Analysis of the Sacco and Vanzetti Evidence.'' Zum Thema Beweismittel im Strafprozess. John Wiley and Sons, 1996. ISBN 0-471-14182-8.<br />
* Bruce Watson: ''Sacco & Vanzetti, The Men, the Murders, and the Judgement of Mankind''. Viking Verlag, Published by the Penguin Group, New York 2007. ISBN 978-0-670-06353-6.<br />
* {{DBI|Verfasser=Matteo Pretelli|ID=ferdinando-sacco_%28Dizionario-Biografico%29|Lemma=Sacco, Ferdinando|Band=89|SeiteVon=|SeiteBis=|Kommentar=}}<br />
* {{DBI|Verfasser=Matteo Pretelli|ID=bartolomeo-vanzetti_%28Dizionario-Biografico%29|Lemma=Vanzetti, Bartolomeo|Band=98|SeiteVon=|SeiteBis=|Kommentar=}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Sacco and Vanzetti|Sacco und Vanzetti|S}}<br />
* {{Webarchiv |url=http://www.law.umkc.edu/faculty/projects/ftrials/SaccoV/SaccoV.htm |wayback=20080823133934| text=The Trial of Sacco and Vanzetti 1921}} Seite zum Prozess mit weiterführenden Links (englisch)<br />
* Friederike Freiburg: [https://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/das-vermaechtnis-von-sacco-und-vanzetti-die-macht-des-zweifels-a-497522.html ''Das Vermächtnis von Sacco und Vanzetti - Die Macht des Zweifels''.] [[Der Spiegel]], 22. August 2007<br />
* Laf Überland: [https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-90-jahren-starben-die-anarchisten-sacco-und-vanzetti-100.html ''Ein Fall von Klassenjustiz''], [[Deutschlandfunk Kultur]], 23. August 2017<br />
* [[Sven Felix Kellerhoff]]: [https://www.welt.de/geschichte/kopf-des-tages/article233261475/Sacco-Vanzetti-Maertyrer-durch-die-Hinrichtung.html ''Sacco & Vanzetti: Ihr Tod auf dem elektrischen Stuhl machte sie zu Märtyrern''.], [[Die Welt]], 22. August 2021<br />
* [http://www.textlog.de/tucholsky-sacco-vanzetti.html Petition von Kurt Tucholsky gegen die Hinrichtung von Sacco und Vanzetti]<br />
* {{IMDb|tt0805604}}. Film von Peter Miller, 2006, deutsch OmU 2017<br />
* [http://willowpondfilms.com/sacco-and-vanzetti/ Trailer des Dokumentarfilms von Peter Miller] (englisch)<br />
* Katrin Brand: [https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/sacco-100.html ''05.05.1920 - Verhaftung von N. Sacco und B. Vanzetti''] [[WDR]] [[ZeitZeichen (Hörfunksendung)|ZeitZeichen]] vom 5. Mai 2020. (Podcast)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
Als Hauptquellen dienten die Bücher ''The Case That Will Not Die'' von Ehrmann, ''Tragedy in Dedham'' von Russel und ''Justice Crucified – The Story of Sacco and Vanzetti'' von Strauss-Feuerlicht, letzteres in der deutschen Übersetzung ''Sacco und Vanzetti''. Neben eigenen Recherchen stützen sich deren Autoren auf das Prozessprotokoll, erschienen als ''The Sacco-Vanzetti Case: Transcript of the Record of the Trial of Nicola Sacco and Bartolomeo Vanzetti in the Courts of Massachusetts and Subsequent Proceedings, 1920–1927'' bei Henry Holt, New York, 1928 und 1929 ''(Supplemental Volume)'', Nachdruck bei Paul P. Appel, New York, 1969.<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Exzellent|28. März 2007|29782931}}<br />
<br />
[[Kategorie:Geschichte des Anarchismus]]<br />
[[Kategorie:Personengruppe (Politik)]]<br />
[[Kategorie:Geschichte der Vereinigten Staaten (1918–1945)]]<br />
[[Kategorie:1920er]]<br />
[[Kategorie:Gerichtsprozess (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Person (Mordfall)]]<br />
[[Kategorie:Hingerichtete Person (Vereinigte Staaten)]]<br />
[[Kategorie:Hingerichtete Person (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Opfer eines Justizirrtums]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nvidia_Optimus&diff=229152393Nvidia Optimus2022-12-24T15:23:45Z<p>Designer2k2: /* Nvidia Optimus unter Linux basierenden Betriebssystemen */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Nvidia Optimus-Logo.png|thumb|Logo von Nvidia Optimus]]<br />
'''Nvidia Optimus''' ist eine Technologie von [[Nvidia]], mit deren Hilfe bei [[Notebook]]s Energie gespart werden soll, um die Akkulaufzeit zu erhöhen. Dazu wird nur bei Bedarf automatisch die leistungsstärkere [[Grafikkarte]] zu der internen dazugeschaltet. Die Technologie ist hauptsächlich für Notebooks oder andere mobile Endgeräte gedacht.<ref>[http://www.nvidia.de/object/optimus_technology_de.html nvidia.de Optimus] Aufgerufen am 19. September 2010</ref><br />
<br />
Optimus ist der Nachfolger der sogenannten [[Scalable Link Interface#Hybrid-SLI|„Hybrid-Power“-Technik]], bei welcher der Benutzer die dedizierte Grafikkarte noch manuell hinzuschalten und etwa 15 Sekunden Bildschirmflackern in Kauf nehmen musste. Voraussetzung für die Nutzung von Optimus ist ein [[Betriebssystem]], das mit mehreren Grafikkartentreibern umgehen kann, wie zum Beispiel [[Windows 7]]. Dabei erkennt der [[Gerätetreiber|Treiber]] automatisch, ob die vom Nutzer gestartete [[Anwendungssoftware|Anwendung]] einen schnellen Grafikchip benötigt und startet gegebenenfalls diesen hinzu. Der Treiber wertet [[DirectX]]-, [[DirectX Video Acceleration|DXVA]]- und [[Compute Unified Device Architecture|CUDA]]-Funktionsaufrufe aus und gleicht diese mit vordefinierten Profilen ab, ähnlich den [[Scalable Link Interface|SLI]]-Profilen bei Multi-[[Grafikprozessor|GPU]]-Systemen. Diese Profile werden von Nvidia regelmäßig über ein Onlineupdate aktualisiert.<br />
<br />
Ist die dedizierte Grafikkarte aktiv, schreibt sie die Bildinformationen in den [[Framebuffer|Speicher]] der internen Grafikkarte, welche nur für die Ausgabe des Bildes zuständig ist. So kann zwischen den beiden Grafikkarten ohne Flackern umgeschaltet werden. Der [[PCI-Express|PCI-Express Bus]] stellt dafür mehr als ausreichend Bandbreite zur Verfügung. Für diesen Kopiervorgang ist ein eigener [[Integrierter Schaltkreis|Chip]] auf der potenteren Grafikkarte zuständig, weshalb es zu keinen Leistungseinbußen kommen soll.<ref>[https://www.heise.de/newsticker/meldung/Nvidia-verbessert-Hybrid-Grafik-fuer-Notebooks-925861.html heise.de/Nvidia-verbessert-Hybrid-Grafik-fuer-Notebooks] Abgerufen am 19. September 2010</ref><br />
<br />
== Nvidia Optimus unter Linux basierenden Betriebssystemen ==<br />
Ab Kernel Version 3.12 gibt es einen Linux-Treiber, der die Optimus-Technologie unterstützt. Nvidia hat 2013 die Arbeit an einem proprietären Linux-Treiber mit Optimus-Unterstützung begonnen, bisher ist die Funktion nicht nutzbar,<ref>{{Internetquelle |autor=heise online |url=https://www.heise.de/newsticker/meldung/Hybridgrafik-Unterstuetzung-fuer-Nvidias-Linux-Treiber-1697514.html |titel=Hybridgrafik-Unterstützung für Nvidias Linux-Treiber |abruf=2020-12-03 |sprache=de}}</ref> eine erste Beta-Version ist verfügbar.<ref>{{Internetquelle |autor=heise online |url=https://www.heise.de/newsticker/meldung/Nvidias-Linux-Treiber-erhaelt-Optimus-Unterstuetzung-1838216.html |titel=Nvidias Linux-Treiber erhält Optimus-Unterstützung |abruf=2020-12-03 |sprache=de}}</ref> Es gibt jedoch das [[freie Software|Freie-Software]]-Projekt ''Bumblebee'',<ref>{{Internetquelle |url=https://launchpad.net/%7Ebumblebee/+index |titel=Bumblebee Project in Launchpad |sprache=en |abruf=2020-12-03}}</ref> welches es ermöglicht, die dedizierte Grafikkarte unter Linux für bestimmte Applikationen (z. B. Spiele) zu nutzen.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.nvnews.net/vbulletin/showpost.php?s=f9d80101210f81978d482b351e371266&p=2183477&postcount=2 |text=http://www.nvnews.net/vbulletin |wayback=20110718151045 |archiv-bot=}} Abgerufen am 26. Januar 2011</ref> Das ''Bumblebee'' Projekt wird seit 2013 nicht mehr weiterentwickelt,<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.bumblebee-project.org/index.html |titel=Announcing Bumblebee 3.2.1 - "Tumbleweed" |werk=bumblebee-project.org |hrsg= |datum= |sprache=en |abruf=2019-11-06}}</ref> alternativ bietet [[openSUSE]] mit der Software ''SUSEPrime'' die Möglichkeit über einen Befehl in der Kommandozeile den Grafikprozessor zu wechseln,<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://en.opensuse.org/SDB:NVIDIA_SUSE_Prime |titel=SDB:NVIDIA SUSE Prime - openSUSE Wiki |werk=opensuse.org |hrsg= |datum= |sprache= |abruf=2019-11-06}}</ref> andere Linux-[[Linux-Distribution|Distributionen]] haben eigene Versionen der Software.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://packages.ubuntu.com/source/eoan/nvidia-prime |titel=Ubuntu – Informationen über Paket nvidia-prime |werk=packages.ubuntu.com |hrsg= |datum= |abruf=2020-06-24 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.nvidia.de/object/optimus_technology_de.html nvidia.de Optimus Seite]<br />
* [http://www.notebookcheck.com/Nvidia-Optimus.25430.0.html notebookcheck.com Nvidia Optimus im Test]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Nvidia}}<br />
<br />
[[Kategorie:Grafikkarten]]<br />
[[Kategorie:Nvidia]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Apnoetauchen&diff=229152346Apnoetauchen2022-12-24T15:21:39Z<p>Designer2k2: /* Wettkampf- bzw. Rekorddisziplinen */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Junko-Kitahama Apnea-Monofin cropped.jpg|mini|hochkant|Apnoetaucherin mit [[Monoflosse]]]]<br />
<br />
Beim '''Apnoetauchen''' [{{IPA|aˈpnoːəˌtaʊ̯χn̩}}] oder '''Freitauchen''' atmet der [[Tauchen|Taucher]] vor dem [[Abtauchen]] ein und nutzt im Gegensatz zum [[Gerätetauchen]] für den Tauchgang nur diesen einen [[Atem]]zug. Den Zeitraum des Luftanhaltens bezeichnet man als [[Atemstillstand|Apnoe]] ([{{IPA|aˈpnoːə}}], aus {{grcS|ἄπνοια|ápnoia}} „Nicht-Atmung“ zu {{lang|grc|πνοή|pnoé}} „Atmung, Atemzug“).<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Apnoetauchen ist die älteste und ursprünglichste Form des Tauchens. Bereits in der [[Steinzeit]] haben Apnoetaucher zum Beispiel [[Muscheln]], [[Badeschwamm|Schwämme]] und [[Perle]]n gesammelt. Japanische [[Ama (Taucher)|Ama]] (Muscheltaucher), koreanische [[Haenyeo]] (Seefrauen) und die [[Bajau]] des malaiischen Archipels arbeiten noch heute so. Auch die Unterwasserjagd auf Fische mit Speeren – das [[Speerfischen]] – wird heute noch betrieben und stellt weltweit die größte Verbreitungsform des Apnoetauchens dar. Zudem wird Apnoetauchen als Freizeitbeschäftigung und als [[Tauchsport]] bis zum [[Extremsport]] betrieben. Im Freizeitbereich geht es vor allem um die Erkundung der Unterwasserwelt, um die allgemeine Konditionierung für das Gerätetauchen und um Elemente des Yoga wie tiefe, bewusste Atmung mit Bewusstseinsübungen. Im Leistungssport hingegen werden durch gezieltes Training immer längere Apnoezeiten bzw. [[Streckentauchen|Strecken-]] und Tiefenleistungen angestrebt. Als wichtiger Wegbereiter für die Weiterentwicklung und Verbreitung des Apnoetauchens ist der Franzose [[Jacques Mayol]] zu nennen, dem es 1976 als erstem Menschen gelang, ohne Atemgerät in eine Tiefe von mehr als 100 Meter vorzudringen.<ref>{{Internetquelle |autor=Simon Rogerson |url=https://www.independent.co.uk/news/obituaries/jacques-mayol-9247649.html |titel=Jacques Mayol |werk=[[The Independent]] |datum=2002-01-09 |abruf=2018-05-17 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
== Physiologische Grundlagen und Gefahren ==<br />
[[Datei:Statisches Apnoe.jpg|mini|Statische Zeittauchübung in der Halle]]<br />
<br />
Die [[Atmung]] ist normalerweise ein unwillkürlicher Vorgang, der aber auch bewusst gesteuert werden kann. Der Atemreiz wird dabei im Wesentlichen durch den steigenden Kohlendioxidgehalt des Blutes ausgelöst. Ohne Übung ist es kaum möglich, den Atemreiz über einen längeren Zeitraum zu unterdrücken. Bei gezieltem Training ist die Tauchdauer dagegen hauptsächlich durch den Sauerstoffgehalt des Blutes begrenzt. Fällt der Sauerstoff-[[Partialdruck]] unter eine individuelle Grenze ([[Hypoxie (Medizin)|Hypoxie]]), wird der Taucher [[Synkope (Medizin)|ohnmächtig]].<br />
<br />
Bewusstes, forciertes Atmen oder [[Hyperventilation]] vor dem Tauchen führt zunächst zu einer Absenkung des Kohlendioxidgehalts im Blut. Durch den hohen pH-Wert des Blutes kann es, je nach Dauer und Intensität der Voratmung, zu einem verzögerten Atemreiz kommen. Er kann dadurch sogar erst nach dem Unterschreiten des notwendigen Sauerstoffgehalts einsetzen. Besonders der Anfänger ist nicht in der Lage, die Anzeichen der dadurch drohenden Ohnmacht zu erkennen. Sie überfällt den Betroffenen meist plötzlich und ohne Warnung. Werden die Betroffenen nicht innerhalb kurzer Zeit über die Wasseroberfläche gebracht, können Unfälle oder das [[Ertrinken]] die Folge sein ([[Schwimmbad-Blackout]]). Deshalb kommt der Absicherung der Taucher eine besonders wichtige Rolle zu. Getaucht wird mindestens zu zweit, gesichert wird meist wechselseitig; auf diese Weise sind Unfälle sehr unwahrscheinlich. Die Unfallquote beim Apnoetauchen ist daher&nbsp;– ausgenommen das Tieftauchen mit variablem Gewicht oder Tauchen unter Eis&nbsp;– sehr gering.<br />
<br />
Beim Tieftauchen unter Apnoe kommen aufgrund komplexer physikalischer und physiologischer Zusammenhänge weitere Herausforderungen auf einen Freitaucher hinzu. Neben einem ökonomisierten Sauerstoffverbrauch ist vor allem die Fähigkeit zum Druckausgleich wichtig. Da der Taucher in jedem Fall zurück an die Wasseroberfläche muss, hat er bei einem Tieftauchgang kaum Möglichkeiten, einen Versuch frühzeitig zu beenden. Der Taucher trifft deshalb die Entscheidung über die maximale Tiefe bereits vor dem Abtauchen. Im Leistungssport wird die Länge des Orientierungsseils genau auf die anvisierte Tiefe eingestellt. Eine Sicherungsleine (auch: „Lanyard“) verbindet den Taucher mit diesem Führungsseil.<br />
<br />
In der Tiefe steigt der Umgebungsdruck je −10&nbsp;m um etwa +1&nbsp;[[Bar (Einheit)|bar]]. Diese Druckzunahme wirkt auf alle luftgefüllten Körperhöhlungen. Mit zunehmender Tiefe wirken aber auch Veränderungen der Gaspartialdrücke auf die physiologischen und neurologischen Vorgänge im Körper ([[Tiefenrausch]] u.&nbsp;Ä.). Der Druckunterschied macht sich vor allem durch einen heftigen Schmerz im Ohr bemerkbar. Das [[Trommelfell]] reagiert sehr schmerzempfindlich und würde ohne Druckausgleich bereits nach wenigen Metern reißen. Andere druckschmerzempfindliche Körperhöhlungen sind Stirn- und Kieferhöhlen. Der Taucher muss den Luftdruck in diesen Körperhöhlungen deshalb häufig gegen den Außendruck angleichen. Hierzu presst er wiederholt Luft aus seinen Lungen in die Höhlungen. Die Lunge selbst ist jedoch bereits in etwa 25 bis 35&nbsp;m Tiefe auf das Volumen bei maximaler Ausatmung komprimiert. Durch das Zusammenziehen der Lunge und die Komprimierung des Körpers infolge des steigenden Wasserdrucks sinkt der [[Statischer Auftrieb|Auftrieb]] des menschlichen Körpers immer mehr. Entsprechend muss immer weniger Muskelkraft zum Vortrieb nach unten eingesetzt werden, bis man ab etwa 30 bis 40 Metern Tiefe von alleine sinkt – die Phase des „freien Falls“ beginnt.<ref>{{YouTube|Rai3pwH3XrU|The Exhilarating Peace of Freediving – Guillaume Néry – TED Talks|2018-05-15}}</ref><br />
<br />
Um ohne Verletzungen in diesen Tiefen zu tauchen, muss der Taucher seinen Körper anpassen und komplizierte Ausgleichstechniken erlernen. Durch spezielle Übungen lässt sich unter anderem die Elastizität des Brustkorbs, des Zwerchfells und der Zwischenrippenmuskulatur verbessern. Außerdem entwickelt sich auch die Fähigkeit der Lunge, sich dem zunehmenden Druck durch Anreicherung von Blut und [[Lymphe|Lymphflüssigkeit]] im Gewebe anzupassen. Dieser Prozess, der „[[Bloodshift]]“ genannt wird, wird von vielen tauchenden Säugetieren wie Robben und Walen genutzt.<br />
<br />
Die Anpassungsprozesse vollziehen sich jedoch nicht bei jedem Taucher in gleichem Maße und in gleichem Tempo. Übertriebener Ehrgeiz, aber auch die veränderte Wahrnehmung durch den Tiefenrausch können die körperlichen Warnsignale so stark überlagern, dass der Taucher seine physiologische Grenze überschreitet. Es kann dann zu Mikroverletzungen und [[Ödem]]en in Lunge, Rachen, Kiefer- und Stirnhöhlen kommen. Um die Verletzungsrisiken zu minimieren, steigern Apnoisten die Tiefe je [[Tauchgang]] in sehr kleinen Schritten.<br />
<br />
Bei kontrolliertem Abtauchen ist die Gefahr eines [[Barotrauma]]s beim Freitauchen ebenfalls gering. Um den Druckausgleich in [[Nasennebenhöhlen]] und [[Mittelohr]] sicherzustellen, sollte jedoch bei Schnupfen und Entzündungen auf das Tauchen verzichtet werden.<br />
<br />
[[Dekompression]]sprobleme sind beim Freitauchen im Breitensportbereich bis etwa 30&nbsp;m unwahrscheinlich, da die Verweildauer und Tauchtiefe nicht für eine Aufsättigung des Gewebes ausreicht. Beim Tieftauchen mit konstantem Gewicht sind Dekompressionsunfälle bisher nicht bekannt, aber theoretisch möglich.<ref>Fred Bove: ''[http://www.skin-diver.com/departments/scubamed/FreedivingCauseDCS.asp?theID=626 Can Freediving Cause DCS?]''</ref> Es wird vermutet, dass es bei Perlentauchern, die viele tiefe Tauchgänge innerhalb kurzer Zeit unternehmen, zu Dekompressionsproblemen gekommen ist.<ref>{{cite journal|last=Wong|first=R. M.|title=Taravana revisited: Decompression illness after breath-hold diving|journal=South Pacific Underwater Medicine Society Journal|volume=29|issue=3|year=1999|issn=0813-1988|url=http://archive.rubicon-foundation.org/6010|accessdate=2011-10-18}}</ref><br />
Im Bereich des No-Limit-Tauchens werden Dekompressionserkrankungen als Gefahr angesehen. Bei Kombinationen von Geräte- und Freitauchen (z.&nbsp;B. Freitauchgänge in der Pause zwischen Gerätetauchgängen) wurde schon mehrfach von Dekompressionsunfällen berichtet.<br />
<br />
== Trainingsmethodik ==<br />
[[Datei:Apnoe.jpg|mini|hochkant|Freitaucher beim Tieftauchen mit Monoflosse]]<br />
<br />
Der Anfänger erlernt im Training zuerst die bewusste Atmung und den entspannten Umgang mit seinem Atemreiz. Zudem erfolgt eine allgemeine Konditionierung durch Schwimmen, Laufen u.&nbsp;Ä. sowie ein spezielles Techniktraining für das Schwimmen unter Wasser. Im fortgeschrittenen Training erlernt er unter der Beobachtung seines Trainingspartners die Anzeichen eines beginnenden Sauerstoffmangels, um damit seine eigenen Grenzen zu erkennen. Dieses Herantasten hat gleichzeitig einen großen Anpassungseffekt. Der Taucher stellt sich physiologisch und mental auf diese außergewöhnliche Belastung ein. Er kann sich entspannen, der [[Tauchreflex]] verstärkt sich und die Herzfrequenz sinkt. Durch regelmäßiges und bewusstes Trainieren kann dadurch der Sauerstoffverbrauch entscheidend gesenkt und die Apnoeleistung wesentlich gesteigert werden.<br />
<br />
Erfahrene Apnoisten können sich kontrolliert sehr nah an die Leistungsgrenze bringen und diese sogar gezielt überschreiten. Grenzüberschreitungen werden jedoch gewollt vermieden, da sie leistungsreduzierend wirken. Ohnmachten sind daher sehr selten. Veränderte Bedingungen wie Wettkämpfe stellen jedoch erhöhte Anforderungen an die Leistungsapnoisten. Um Grenzüberschreitungen dennoch zu verhindern, wird bei sichtbarem, selbstgefährdendem Kontrollverlust oder gar Ohnmacht im Wettkampf sofort Hilfe geleistet und der Athlet gesichert. Der Teilnehmer wird disqualifiziert und seine Leistung nicht gewertet.<br />
<br />
Leistungsapnoisten setzen vor allem für die Verbesserung ihrer dynamischen- und Tieftauchleistungen modifizierte Trainingsmethoden aus dem [[Leistungssport]] wie [[Hypertrophie]]-, Intervall- und [[Lactate|Laktat]]<nowiki>toleranztraining</nowiki> ein. Die wenigen bislang durchgeführten Messungen von Vitalparametern geübter Apnoetaucher liegen weit außerhalb der Normgrenzen für gesunde Nichttaucher. So wurden sehr niedrige Ruhepulswerte, [[Hämoglobin]]werte von über 16&nbsp;g/dl, Laktatwerte von über 28&nbsp;mg/dl und [[Lungenvolumen|Lungenvolumina]] von über 10&nbsp;Litern ([[Vitalkapazität]]) ermittelt.<br />
<br />
== Vorteile des Apnoetauchens ==<br />
Das Erlernen und Trainieren des Apnoetauchens ermöglicht den Übenden eine völlig neue Qualität des Körpererlebens. Die (Wieder-)Entdeckung des eigenen Tauchreflexes und der angeborenen natürlichen Fähigkeit zum Freitauchen ist ein faszinierendes Erlebnis und mit einer Reihe von Vorteilen verbunden.<br />
<br />
So profitieren auch Flaschentaucher, Surfer und andere Wassersportler von Apnoetraining. Durch ruhiges, selbstsicheres und angstfreies Agieren unter Wasser werden Panikanfälle vermieden, was zu mehr Sicherheit und einem genussvolleren und intensiveren Wassersport-Erlebnis führt.<br />
<br />
Apnoetauchen schult neben der körperlichen Koordination und Fitness auch die eigene Achtsamkeit und Körperwahrnehmung und ist somit ein wirkungsvolles, stressreduzierendes mentales Training. Die positiven Effekte des Freitauchens lassen sich so auch außerhalb des Wassers in Alltag und Beruf nutzen.<br />
<br />
== Ausrüstung ==<br />
Die Ausrüstung eines Freitauchers reicht von einer Badehose bis zur komplizierten Schlittenkonstruktion aus Edelstahl. Der Anfänger kann eine einfache [[Tauchausrüstung#Tauchergrundausrüstung|ABC-Tauchausrüstung]] und einen normalen [[Tauchanzug]] verwenden. Für Fortgeschrittene gibt es speziell an die Anforderungen angepasste Ausrüstungsgegenstände:<br />
<br />
Der Tauchanzug ist dann aus besonders elastischem [[Chloropren-Kautschuk|Neopren]] mit guter Passform. Meist wird hier ein Anzug aus sogenanntem „offenzelligem Neopren“ verwendet, da dieses sich durch eine bessere Wärmeisolation auszeichnet. Die [[Schwimmflosse|Taucherflossen]] haben besonders lange Blätter, im Wettkampf werden oft spezielle [[Monoflosse]]n verwendet. Die [[Tauchmaske]] für das Tieftauchen besitzt ein besonders kleines Innenvolumen, in Halle oder Pool werden jedoch normale Schwimm- oder Chlorbrillen und meist eine Nasenklammer benutzt.<br />
<br />
Weitere Freitauchutensilien sind der elastische Bleigürtel, ein Halsblei um beim [[Streckentauchen]] eine neutrale Tarierung zu erreichen, das meist auf eine zylindrische [[Boje (Schifffahrt)|Boje]] gewickelte Führungsseil, sowie eine [[Stoppuhr]] und ein [[Tiefenmesser]]. Meist wird heute ein spezieller [[Tauchcomputer]] verwendet, der verschiedene Funktionen in einem Gerät vereint. Weiterhin wird teilweise ein Schneidgerät mitgeführt, z.&nbsp;B. ein [[Tauchermesser]], ein Linecutter oder eine Taucherschere, um sich im Notfall befreien zu können, z.&nbsp;B. aus einer Angelschnur.<br />
<br />
== Apnoetauchen als Leistungssport ==<br />
=== Grundsätzliches ===<br />
Apnoetauchen wird auch als [[Leistungssport]] bzw. [[Wettkampf]]sport ausgeübt. Für diese Wettkämpfe und Rekordversuche fühlt sich der Verband der Freitaucher ''[[AIDA International|AIDA]] – Association Internationale pour le Développement de l’Apnée'' (zu Deutsch etwa „Internationaler Verband zur Förderung und Weiterentwicklung des Apnoetauchens“) zuständig. Dessen umfangreiches Regelwerk schreibt verbindliche Sicherheitsstandards sowie die Bedingungen für die Anerkennung der Leistungen und Rekorde vor.<br />
<br />
Die wichtigste Regel ist, dass der Athlet seine Performance bei vollem [[Bewusstsein]] und ohne Hilfeleistung realisieren muss. Verliert er das Bewusstsein oder benötigt er zu seiner Sicherheit fremde Hilfe, wird er disqualifiziert und seine Leistung nicht bewertet. Die Performance endet, nachdem die Atemöffnungen das Wasser verlassen haben und ein in den Regeln genau festgeschriebenes [[Protokoll (Niederschrift)|Protokoll]] erfüllt wurde.<br />
<br />
=== Wettkampf- bzw. Rekorddisziplinen ===<br />
Beim Apnoeleistungssport unterscheidet man zwischen Pool- und Tieftauchdisziplinen. Eine Ausnahme stellt das Zeittauchen dar, das laut AIDA und CMAS sowohl im Pool als auch im offenen Wasser durchgeführt werden kann.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.aidainternational.org/Disciplines |titel=Disziplinen laut AIDA |offline=yes |archiv-url=https://web.archive.org/web/20180825143258/https://www.aidainternational.org/Disciplines |archiv-datum=2018-08-25 |archiv-bot= |abruf=2018-08-25}}</ref><ref name="CMAS-Disziplinen">[http://www.cmas.org/apnoea/about-2012032621 Disziplinen laut CMAS]</ref><br />
<br />
==== Pooldisziplinen ====<br />
Bei allen Disziplinen ist das Abspringen vom Beckenrand nicht gestattet.<br />
; [[Zeittauchen]] (Static/STA)<br />
: Gewertet wird hierbei die Zeit der Apnoe. Der Taucher bereitet sich vor, atmet ein und taucht unter. Während der Apnoe liegt er dann (meist völlig regungslos und mit einem wärmenden [[Tauchanzug|Neoprenanzug]] bekleidet) mit dem Gesicht nach unten im Wasser.<br />
; [[Streckentauchen]] mit Flossen (Dynamic with fins/DYN)[[Datei:Internal reflection, Anna.jpg|mini|hochkant|Streckentauchen im Hallenbad]]<br />
: Bei dieser Disziplin wird die mit einem Atemzug zurückgelegte Strecke mit [[Schwimmflosse|Flossen]] bzw. einer [[Monoflosse]] gewertet. Der Taucher befindet sich bereits vor dem Start im Wasser.<br />
; Streckentauchen ohne Flossen (Dynamic without fins/DNF)<br />
: Bei dieser Disziplin wird die mit einem Atemzug zurückgelegte Strecke ohne Flossen gewertet. Der Taucher befindet sich bereits vor dem Start im Wasser.<br />
; Streckentauchen nach Zeit (Speed-Endurance Apnoea)<br />
: Bei dieser CMAS-Disziplin geht es darum, eine Schwimmbahn (mindestens 25&nbsp;m) eine bestimmte Anzahl hintereinander so schnell wie möglich zu durchtauchen. Übliche Gesamtdistanzen sind 100 und 400&nbsp;m.<ref name="CMAS-Disziplinen" /> Die Zeit beginnt mit dem Abtauchen und wird erst nach der letzten Schwimmbahn gestoppt. Durch schnelles Fortbewegen auf der Bahn und durch möglichst kurze Atempausen wird die Gesamtzeit beeinflusst. Der Taucher befindet sich bereits vor dem Start im Wasser.<br />
<br />
==== Tieftauchdisziplinen mit konstantem Gewicht ====<br />
Mit nur einem Atemzug versucht der Taucher dabei so tief wie möglich und wieder zurück an die Oberfläche zu tauchen. Der Taucher darf zur Überwindung seines eigenen [[Statischer Auftrieb|Auftriebs]] Gewichte ([[Blei (Tauchen)|Blei]]) tragen, muss aber alles Gewicht, das er zum Abstieg verwendet, auch aus eigener Kraft wieder zur Oberfläche (deshalb „Constant“) bringen. Gewertet wird die Tiefe in Meter.<br />
<br />
; Tieftauchen mit konstantem Gewicht ohne Flossen (Constant weight without fins/CNF)<br />
: Der Taucher darf für den Tauchgang keine Flossen verwenden. Es ist ihm gestattet, ein Seil zur Orientierung zu benutzen. Er darf es aber während des Tauchgangs nur vor dem Abtauchen, einmal bei der Wende und danach erst wieder nach dem Auftauchen berühren. Sich daran hinab- oder heraufzuziehen ist verboten. Für die meisten aktiven Apnoetaucher ist das die Königsdisziplin.<br />
; Tieftauchen mit konstantem Gewicht mit Flossen (Constant weight/CWT)<br />
: Der Taucher schwimmt mit Hilfe von Flossen in die Tiefe und wieder hinauf an die Oberfläche. Er darf ein Seil zur Orientierung benutzen, es aber während des Tauchgangs nur vor dem Abtauchen, einmal bei der Wende und danach erst wieder nach dem Auftauchen berühren. Sich daran hinab- oder heraufzuziehen ist verboten.<br />
; Free Immersion/Immersion Libre (FIM)<br />
: Der Taucher darf keine Flossen oder ähnliche Hilfsmittel verwenden. Zur Fortbewegung zieht er sich an einem Seil in die Tiefe und wieder hinauf.<br />
<br />
==== Tieftauchdisziplinen mit variablem Gewicht ====<br />
Hier versucht der Taucher mit einem Atemzug so tief wie möglich zu tauchen und dann zurück an die Oberfläche zu kommen. Der Taucher lässt sich durch ein Gewicht bzw. einen Abtriebskörper (meist eine an einem Seil geführte Schlittenkonstruktion) in die Tiefe ziehen und lässt es dort zurück.<br />
<br />
Diese Disziplinen sind wegen der unkalkulierbaren [[Risiko|Risiken]] keine [[Wettkampf]]disziplinen. Die Ratifizierung durch den Verband der Freitaucher (AIDA) befindet sich in einer kontroversen Diskussion.<br />
<br />
; Tieftauchen mit variablem Gewicht (Variable weight/VWT)<br />
: Dabei ist das Gesamtgewicht des Abtriebskörpers auf 30&nbsp;kg limitiert. Der Aufstieg wird aus eigener Kraft realisiert. Die Verwendung von Auftriebskörpern o.&nbsp;ä. ist nicht erlaubt. Die Taucher ziehen sich meist am Führungsseil wieder hinauf und verwenden zur weiteren Unterstützung Flossen.<br />
; {{Anker|No Limit}}{{Anker|No Limit (NLT)}} No Limit (NLT)<br />
: Bei dieser Disziplin gibt es keine technischen Beschränkungen.<br />
: Eine sehr schwere Schlittenkonstruktion ([[Tauchschlitten]]) zieht den Taucher (meist aufrecht stehend) mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe. Der Taucher kann seine Abstiegsgeschwindigkeit meist mittels einer mechanischen [[Bremse]] regulieren. Eine mechanische Vorrichtung (z.&nbsp;B. ein mit Druckluft gefüllter Hebesack oder eine Seilwinde) bringt ihn mit maximaler Geschwindigkeit zurück an die Oberfläche.<br />
: Die athletische Herausforderung gegenüber allen anderen Apnoedisziplinen ist relativ gering. Der Schwerpunkt liegt vor allem in der Entwicklung und Herstellung der Ausrüstung, in der [[Logistik]] der Tauchversuche und im Handling des [[Druckausgleich]]s. Durch den Einsatz von hochwertiger Technik lassen sich extreme Tiefen jenseits von 150&nbsp;m erreichen. Doch immer wieder versagt die Technik. Zudem lassen sich die Auswirkungen der hohen [[Partialdruck|Gaspartialdrücke]] auf den menschlichen Körper wissenschaftlich nicht vorhersagen. Die [[Selbstversuch|Tauchversuche]] sind somit die einzige Möglichkeit, die [[Dekompressionskrankheit|gesundheitlichen Folgen]] zu erforschen. Die vergangenen Jahre zeichnen eine verheerende Unfallbilanz. Sehr viele No-Limit-Versuche endeten mit Unfällen oder gar mit dem Tod der Athleten (Stand 2007).<ref name="Naslund">{{Literatur |Autor=Sebastian Naslund |Titel=Dangers of the depth |Datum=2007-11 |Online=[http://www.freediving.biz/features/nolimit.html Online Artikel] |Abruf=2009-06-18}}</ref><br />
Außerdem gibt es mit ''Tandem No Limits'' auch eine Partnerdisziplin, in der [[Andrea Zuccari]] und [[Stavros Kastrinakis]] mit 126 m Tiefe den (inoffiziellen) Weltrekord halten (Stand 2013).<br />
: Die Zugehörigkeit von NLT zum Apnoesport wird kontrovers diskutiert. AIDA ratifiziert seit 2019 keine Rekorde mehr in dieser Disziplin.<ref>https://www.aida-deutschland.de/2019/03/24/no-limit-rekordveranstaltungen/</ref><br />
<br />
==== Offizielle Weltrekorde (nach AIDA) ====<br />
[[AIDA International]] ist der größte anerkannte Verband für das Wettkampf-Freitauchen. Diese Organisation ratifiziert unter anderem die weltweit anerkannten Rekorde:<ref>{{Internetquelle |autor=[[AIDA International]] |url=https://www.aidainternational.org/WorldRecords |titel=Aktuelle Weltrekorde |abruf=2018-08-25}}</ref> Die Organisation [[CMAS]] hat teilweise eigene Disziplinen und Regularien.<br />
<br />
{| class="wikitable" style="text-align:center"<br />
|-<br />
! width="10%" | Bereich<br />
! colspan="3" width="30%" |Disziplin<br />
! width="30%" | Damen '''[[♀]]'''<br />
! width="30%" | Herren '''[[♂]]'''<br />
|-<br />
| rowspan="3" ! class="hintergrundfarbe5" |'''P'''<br />'''o'''<br />'''o'''<br />'''l'''<br />
| colspan="2" |Zeittauchen<br />
| STA<br />
|9:02 min<br />[[Natalja Wadimowna Moltschanowa|Natalja Moltschanowa]] {{RUS|#}} (29. Juni 2013)<br />[[Belgrad]] {{SRB}}<br />
|11:35 min<br />[[Stéphane Mifsud]] {{FRA|#}} (8. Juni 2009)<br />[[Hyères]] {{FRA}}<br />
|-<br />
| rowspan="2" |Strecken&shy;tauchen<br />
|ohne Flossen<br />
| DNF<br />
|191 m<br />[[Magdalena Solich-Talanda]] {{POL|#}} (2. Juli 2016)<br />[[Opole]] {{POL}}<br />
|244 m<br />[[Mateusz Malina]] {{POL|#}} (2. Juli 2016)<br />[[Turku]] {{FIN}}<br />
|-<br />
|mit Flossen<br />
| DYN<br />
|243 m<br />Magdalena Solich-Talanda {{POL|#}} (2. Juni 2018)<br />[[Belgrad]] {{SRB}}<br />
|300 m<br />[[Giorgos Panagiotakis]] {{GRC|#}}<br />Mateusz Malina {{POL|#}}<br />(3. Juli 2016) Turku {{FIN}}<br />
|-<br />
|rowspan="5" ! class="hintergrundfarbe5" |'''T'''<br />'''i'''<br />'''e'''<br />'''f'''<br />'''t'''<br />'''a'''<br />'''u'''<br />'''c'''<br />'''h'''<br />'''e'''<br />'''n'''<br />
|rowspan="3" |''konstantes Gewicht''<br />
|ohne Flossen<br />
| CNF<br />
| 73 m<br />[[Alessia Zecchini]] {{ITA|#}} (22. Juli 2018)<br />[[Dean’s Blue Hole]], [[Long Island]] {{BHS}}<br />
| 102 m<br />[[William Trubridge]] {{NZL|#}} (20. Juli 2016)<br />Dean’s Blue Hole, Long Island {{BHS}}<br />
|-<br />
|mit Flossen<br />
| CWT<br />
| 107 m<br />Alessia Zecchini {{ITA|#}} (26. Juli 2018)<br />Dean’s Blue Hole, Long Island {{BHS}}<br />
| 131 m<br />[[Alexei Olegowitsch Moltschanow|Alexei Moltschanow]] {{RUS|#}} (17. Juli 2021)<br />Dean’s Blue Hole, Long Island {{BHS}}<br />
|-<br />
|Free Immersion<br />
| FIM<br />
| 92 m<br />Sayuri Kinoshita {{JPN|#}} (26. Juli 2018)<br />Dean’s Blue Hole, Long Island {{BHS}}<br />
| 125 m<br />Alexei Moltschanow {{RUS|#}} (24. Juli 2018)<br />Dean’s Blue Hole, Long Island {{BHS}}<br />
|-<br />
|rowspan="2" |''variables Gewicht''<br />
|mit Flossen<br />
| VWT<br />
| 130 m<br /> [[Nanja van der Broek]] {{NLD|#}} (18. Oktober 2015)<br />[[Scharm El-Scheich]] {{EGY}}<br />
| 146 m<br />[[Stavros Kastrinakis]] {{GRC|#}} (1. November 2015)<br />Kalamata {{GRC}}<br />
|-<br />
|No Limit<br />
| NLT<br />
| 160 m<br />[[Tanya Streeter]] {{USA|#}} (17. August 2002)<br />[[Providenciales]] {{TCA}}<br />
| 214 m<br />[[Herbert Nitsch]] {{AUT|#}} (14. Juni 2007)<br />[[Spetses]] {{GRC}}<br />
|}<br />
<br />
(Stand: 25. August 2018)<br />
<br />
=== Manipulationen und Doping ===<br />
Derzeit werden unter den Athleten einige Leistungen äußerst kontrovers auf mögliche [[Manipulation]]en und den Verdacht auf [[Doping]] diskutiert. Das aktuelle Reglement ist nicht geeignet, unsportliches Verhalten dieser Art auszuschließen.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
{{Portal|Tauchen}}<br />
* ''[[Im Rausch der Tiefe]]'', ein französischer Kinofilm<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur |Autor=P. Radermacher, C.-M. Muth |Titel=Apnoetauchen – Physiologie und Pathophysiologie |Sammelwerk=Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin |Band=53 |Nummer=6 |Verlag=Süddeutscher Verlag onpact |Ort=München |Datum=2002 |ISSN=0344-5925 |Seiten=185–191 |Online=http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2002/heft06/a04_0602.pdf |Format=PDF |KBytes=660 |Abruf=2012-09-17}}<br />
* {{Literatur |Autor=Dagmar Andres-Brümmer |Titel=Apnoetauchen: Grundlagen, Trainingstipps, Praxis |Auflage=3. |Verlag=Delius Klasing Verlag |Ort=Bielefeld |Datum=2008 |ISBN=978-3-7688-2431-6}}<br />
* {{Literatur |Autor=Umberto Pelizzari, Stefano Tovaglieri |Titel=Manual of Freediving |Verlag=Idelson Gnocci |Ort=Reddick (Florida, USA) |Datum=2004 |ISBN=1-928649-27-0 |Sprache=en}}<br />
* {{Literatur |Autor=Pipin Ferreras |Titel=Tiefenrausch – Eine Geschichte von Liebe und Obsession |Auflage=1 |Verlag=Blanvalet |Ort=München |Datum=2006 |ISBN=3-442-36494-9}}<br />
* {{Literatur |Autor=Carlos Serra |Titel=The Last Attempt |Verlag=Xlibris Corp |Ort=USA |Datum=2006 |ISBN=1-4257-3839-7 |Sprache=en}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Freediving|Apnoetauchen}}<br />
{{Wiktionary|Apnoetaucher}}<br />
* [http://www.aidainternational.org/ AIDA-International: Internationaler Verband zur Förderung des Apnoe-Sports] (englisch)<br />
* [http://www.aida-deutschland.de/ AIDA-Deutschland e.&nbsp;V.: Nationaler Verband zur Förderung des Apnoe-Sports und offizielle Vertretung von AIDA-International in Deutschland]<br />
* [https://www.vdst.de/tauchausbildung/ressort-apnoetauchen/apnoe.html Fachbereich Apnoe im Verband Deutscher Sporttaucher]<br />
* [http://www.freedivers.info/wolle/apnoepics.htm Videobeispiele und Fotos vom Apnoetauchen]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Tauchausbildungen}}<br />
<br />
{{Lesenswert|15. April 2006|15681336}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4649698-1}}<br />
<br />
[[Kategorie:Apnoetauchen| ]]<br />
[[Kategorie:Unterwassersportart]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=VW_Golf_II&diff=227504902VW Golf II2022-10-31T04:57:12Z<p>Designer2k2: /* Technik */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox PKW-Modell<br />
| Marke = [[Volkswagen]]<br />
| Modell = Golf (''Typ 19E/1G1'')<br />
| Bild = Volkswagen Golf 2 di Roma 1990.jpg<br />
| Bild zeigt = Golf GL<br />
| von = 1983<br />
| bis = 1992<br />
| Klasse = [[Kompaktklasse]]<br />
| Versionen = [[Kombilimousine]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />1,3–1,8 Liter<br />(40–155 kW)<br />[[Dieselmotor]]en:<br />1,6 Liter<br />(40–59 kW)<br />
| Länge = 3985–4040<br />
| Breite = 1665–1680<br />
| Höhe = 1415<br />
| Radstand = 2475<br />
| Gewicht = 845–1165<br />
| Vorgänger = [[VW Golf I]]<br />
| Nachfolger = [[VW Golf III]]<br />
}}<br />
<br />
Der '''Volkswagen Golf II''' (VW-interne Bezeichnung: ''Typ 19E'' bzw. ''1G1'' ab 1989, ''19EL'' für Nutzfahrzeugversion) ist ein [[Baureihe|Fahrzeugtyp]] der [[Marke (Recht)|Marke]] [[Volkswagen]], der zwischen August 1983 und Dezember 1992 über 6,3&nbsp;Millionen Mal gebaut wurde. Er löste in der [[Kompaktklasse]] den 1974 vorgestellten [[VW Golf I|Golf I]] ab. Nachfolger des Golf II wurde der ab Herbst 1991 produzierte [[Golf III]].<br />
<br />
Der Golf II setzte das technische Konzept des ersten Golf fort, wuchs jedoch bei den Außenabmessungen und der Leistung. Wie der Vorgänger war der Golf II als drei- und fünftürige Schräghecklimousine erhältlich. Die auf dem Golf II basierende Stufenhecklimousine [[VW Jetta II|Jetta]] wurde ab Februar 1984 angeboten. Das noch von der ersten Generation abgeleitete [[VW Golf Cabriolet|Golf Cabriolet]] blieb dagegen unverändert bis August 1993 in der Produktion; auf Golf&nbsp;II-Basis wurde kein Cabrio-Ableger entwickelt (allerdings gab es von einigen Herstellern Umbausätze für den Golf II, z.&nbsp;B. von [[Bieber Cabriolet]]).<br />
<br />
Der Golf II war der erste VW, der auf eine automatische Fertigung mit [[Industrieroboter]]n ausgelegt wurde. Der Golf II konnte an den großen Verkaufserfolg des Vorgängermodells nahtlos anknüpfen und wurde eines der am häufigsten gefertigten Automobile der 1980er und frühen 1990er Jahre.<br />
<br />
== Modellgeschichte ==<br />
=== Allgemeines ===<br />
[[Datei:1984 Volkswagen Golf CL 1.3 Rear.jpg|mini|links|Heckansicht]]<br />
Bereits um 1979 wurde das Design festgelegt und ab 1980 befanden sich handgefertigte Prototypen in der Erprobung. Im August 1983 erfolgte die Vorstellung des Golf II (Typ 19E), zunächst in den Ausstattungsvarianten C, CL, GL und [[#Golf GLX|GLX]] (später als [[#Golf Carat|Carat]] bezeichnet).<br />
<br />
Als Nachfolgemodell des Golf I verfolgte auch die zweite Auflage weiterhin das [[Schrägheck]]-Grundkonzept des Vorgängers. Gegenüber dem Vorgänger wurde der Wagen um 17&nbsp;cm länger, der Radstand nahm um 7,5&nbsp;cm zu und das Leergewicht in der kleinsten Motorisierung stieg um 95&nbsp;kg. Um den [[Luftwiderstandsbeiwert]] (C<sub>w</sub>-Wert) niedrig zu halten, wurde der Wagen rundlicher gestaltet. Bei gleichem Erscheinungsbild mit charakteristischen Rundscheinwerfern und breiter [[Fahrzeugsäule|C-Säule]] war der C<sub>w</sub>-Wert deutlich geringer (0,34 statt 0,42)<ref>[http://rc.opelgt.org/indexcw.php Große C<sub>w</sub>-Werte-Sammlung]</ref> und die Querschnittsfläche etwas größer als beim Vorgänger.<br />
<br />
Ein bereits im letzten Modelljahr&nbsp;1983 des Golf&nbsp;I verbesserter [[Korrosionsschutz]] wurde perfektioniert. Besonders bei bis 1978 produzierten Fahrzeugen hatte der Vorgänger noch nach wenigen Jahren erhebliche Rostprobleme gezeigt. Im Unterschied zum Vorgänger sind bei allen Ausstattungsversionen einschließlich des Basismodells Golf&nbsp;C sämtliche Blechteile im Innenraum verkleidet. Standardmäßig wurde der Golf II statt eines normalgroßen Ersatzrades mit einem schmalen [[Notrad]] im Kofferraumboden ausgeliefert, was Gewichts- und Raumvorteile hat. Gegen Aufpreis war auch ein vollwertiges Reserverad erhältlich. Die Kofferraumbodenmatte ragt dann mit einer entsprechenden Wölbung in den Kofferraum hinein.<br />
<br />
Ab Modelljahr 1989 erhielten alle Modelle ab 51&nbsp;kW Leistung serienmäßig ein Fünfganggetriebe. Viele heute selbstverständliche Ausstattungen wie Servolenkung, ABS (ab Februar 1987), elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung und Pollenfilter wurden bei diesem Golf-Modell erstmals angeboten, wenn auch teilweise zu hohen Aufpreisen (1990: Servolenkung 795&nbsp;[[Deutsche Mark|DM]], ABS 1.800&nbsp;DM, elektrische Fensterheber vorn 595&nbsp;DM (vorn und hinten: 995&nbsp;DM), Zentralverriegelung Fünftürer 490&nbsp;DM (Dreitürer: 460&nbsp;DM), [[Pollenfilter]] 146&nbsp;DM)<ref>Golf-Preisliste Modelljahr 1991 (13. August 1990)</ref>. Einen [[Airbag]] gab es erst ab 1992 mit dem Nachfolger Golf III.<br />
<br />
=== Technik ===<br />
Neue [[Ottomotor]]en mit Vierventiltechnik erweiterten das Angebot nach oben hin und sparsamere Turbodieselmotoren wurden eingeführt. Darüber hinaus waren erstmals gegen Aufpreis vielfältige Komfortausstattungen lieferbar wie [[Zentralverriegelung]], [[Servolenkung]], [[Sitzheizung]] und [[Allradantrieb]] (Golf [[syncro]], Anfang 1986).<br />
<br />
Airbags waren nicht lieferbar und ABS erst ab Anfang 1987 gegen hohen Aufpreis und nur für ausgewählte Motorisierungen erhältlich. Nach großen Stückzahlen bei neuartigen, lange werterhaltenden Maßnahmen (Wachsflutung der gesamten Rohkarosse, Radhausschalen, Nahtabdichtung und nicht zu aufwändiger Mechanik)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.volkswagen-classic.de/modelle/golf-2-limousine-gti |titel=Golf II Limousine/GTI |hrsg=Volkswagen Classic |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150801140155/http://www.volkswagen-classic.de/modelle/golf-2-limousine-gti |archiv-datum=2015-08-01 |archiv-bot= |zugriff=2014-03-31}}</ref> sind auch über 24 Jahre nach Produktionseinstellung noch zahlreiche Golf II in Deutschland in Gebrauch. Am 1. Januar 2013 waren in Deutschland trotz hoher Besteuerung laut [[Kraftfahrt-Bundesamt]] noch gut 126.000 VW Golf II zugelassen.<ref>{{Internetquelle |url=http://deuvet.de/download/pressespiegel/autobild-klassik14-2014--h-kennzeichen.pdf |titel=30 Jahre VW Golf II. Wirklich reif fürs H-Kennzeichen? |hrsg=Bernd Wieland |werk=Auto Bild Klassik 1/2014 |seiten=51 |datum=2014-01 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150417152925/http://deuvet.de/download/pressespiegel/autobild-klassik14-2014--h-kennzeichen.pdf |archiv-datum=2015-04-17 |zugriff=2016-03-16 |format=PDF}}</ref><br />
<br />
Ab 1985 war beim 40-kW-Motor ein [[Fahrzeugkatalysator#Ungeregelter Katalysator|ungeregelter Katalysator]] für 720&nbsp;DM und beim 66-kW-Motor ein [[Drei-Wege-Katalysator|G-Kat]] mit [[Lambdaregelung]] für 1.880&nbsp;DM Aufpreis erhältlich.<br />
<br />
Hinweis für die folgenden Ausführungen: Jahreszahlen bezeichnen, soweit nicht anders angegeben, immer das Modelljahr (MJ), das jeweils nach den [[Werksferien]] des Vorjahres beginnt und im genannten Jahr vor den Werksferien endet.<br />
<br />
=== Bilder ===<br />
<gallery widths="200"><br />
1986 VW Golf A2 (US), front view.jpg|VW Golf (1985–1987; US-Version)<br />
Sausalito, California - USA (8730373515).jpg|VW Golf (1987–1991; US-Version)<br />
Sausalito, California - USA (8730368367).jpg|Heckansicht<br />
VW Golf 2 Red ca 1990 dept 54.JPG|VW Golf II (1990)<br />
Dieppe, Seine-Maritime - France (8541935930).jpg|Heckansicht<br />
</gallery><br />
<br />
=== Überblick ===<br />
* 1983: Der Golf&nbsp;II (Typ 19E) wird im August vorgestellt<br />
* 1984: [[#Golf GTI|GTI]] und der im Golf neuartige Katalysator<br />
* 1986: Syncro (Typ 19E-299 mit Allradantrieb), GTI 16V, [[Antiblockiersystem]] (ABS) für die Modelle [[#Golf GT|GT]], [[#Golf GTI|GTI]] und GTI 16V gegen Mehrpreis. Ausstattungsversion Carat wird zum Ende des Modelljahrs eingestellt, Aufwertung des GL.<br />
* 1987: Facelift im August für das Modelljahr 1988. Zu den Neuerungen gehören die entfallenen Dreieckfenster in den vorderen Türen, weiter vorn nahe der A-Säule angebrachte Außenspiegel und ein Kühlergrill mit nur noch fünf Rippen und größerem VW-Logo. Am Heck entfallen der Schriftzug „VOLKSWAGEN“ und das VW-Emblem auf der linken Seite; letzteres befindet sich nun&nbsp;– deutlich größer –&nbsp;mittig unter der Heckklappe, die Modellbezeichnung am Heck rechts wird in neuer schräg gestellter Schriftart ausgeführt. Im Innenraum gibt es neue Lenkräder, neue Sitze, dickere Lenkstockschalter und bessere Serienausstattungen.<br />
* 1987: [[#Golf GT/GTD Special|GT/GTD/GTI Special]]<br />
* 1988: [[#10 Millionen-Golf|10 Millionen Golf]]<br />
* 1988: neuer Handbremshebel<br />
* 1989: Facelift im August für das Modelljahr 1990, zugleich neue VW-interne Typ-Bezeichnung 1G1 (statt 19E): Neue [[Zentralelektrik]], Lenksäulenverkleidung, Warnblinkschalter nun auf der Lenksäule, neue große Stoßfängerverkleidungen (teilweise in Wagenfarbe lackiert, optional darin integrierte Nebelscheinwerfer in DE-Technik) für GL und GTI sowie neue Vordersitze mit größeren Kunststoffverkleidungen und stabilerem Innenleben der Rückenlehne.<br />
* 1989: Sondermodell [[#Golf Limited|Golf Limited]] im Januar, mit 16V-[[G60]]-Motor mit 210 PS und Allradantrieb ([[Syncro]]), limitiert auf 71 Stück, Preis 1989: 68.500 DM<br />
* 1989: Sondermodell [[#Rallye Golf|Rallye Golf]] mit G60-Motor mit 160&nbsp;PS, verbreiteter Karosserie und permanentem Allradantrieb (Syncro), limitiert auf 5.000 Stück<br />
* 1990: der [[Fahrzeugkatalysator|geregelte Katalysator]] wird in Deutschland Serienausstattung (in Österreich bereits ab 1988), G60-Motor nun für (leicht modifizierte) GTI-Serienkarosserie lieferbar<br />
* 1990: [[#Golf Country|Golf Country]] (allradgetriebener Golf mit Offroad-Optik, höher gelegt für mehr Bodenfreiheit)<br />
* 1991: [[G60]] auch mit Syncro erhältlich<br />
* 1992: Beginn der Kleinserienfertigung des [[VW Golf#Antrieb durch Elektromotor|Golf ''CityStromer'']] mit Elektroantrieb und Bleiakkumulatoren speziell für Energieversorger<br />
* 1992: Ende der Produktion von Auslauf-Sondermodellen im Dezember im [[Volkswagenwerk Mosel]] bei Zwickau, nachdem in Wolfsburg schon seit Mitte 1991 der Nachfolger Golf III vom Band lief<br />
<br />
== Ausstattungsvarianten ==<br />
[[Datei:Wzwz VW Golf II 16V 2.jpg|mini|Armaturenbrett VW Golf II 16V (1987–1989) – Ausstattungen C und CL hatten ein Zweispeichen-Lenkrad]]<br />
Die häufigsten Varianten des Golf II trugen die Bezeichnungen C, CL und GL in der Reihenfolge zunehmender Ausstattung. Spitzenmodell war zunächst der GLX, der sehr bald in ''Carat'' umbenannt wurde. Die sportlichen GTI-Varianten waren die Topmodelle in jeder Hinsicht, dazwischen lagen die GT- und GTD-Varianten, die GTI-Optik mit weniger leistungsstarken Motoren verbanden.<br />
* [[#Golf C|C]] (bis Modelljahr 1987)<br />
* [[#Golf CL|CL]]<br />
* [[#Golf GL|GL]]<br />
* [[#Golf GLX|GLX]] (August bis Oktober 1983), danach [[#Golf Carat|Carat]] (bis August 1986)<br />
* [[#Golf GT|GT]] (ab 1986)<br />
* [[#Golf GTD|GTD]]<br />
* [[#GTI-Sondermodelle|GTI]] (ab Januar 1984)<br />
<br />
=== Golf C ===<br />
Das C-Modell (Comfort) war am einfachsten ausgestattet. Einfachste (aber langlebige) Sitzstoffe, minimale technische Ausstattung inklusive Heckscheibenwischer, selbst die Mittelkonsole vorn, Türablagen und eine Uhr fehlten. Ottomotoren gab es bis 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS), Dieselmotoren mit 40&nbsp;kW (54&nbsp;PS) und 51&nbsp;kW (70&nbsp;PS). Ab dem ersten Facelift im Modelljahr 1988 hieß diese Variante nur noch „Golf“, ab Modelljahr 1990 (zweites Facelift) entfiel sie ganz.<br />
<gallery widths="200"><br />
Golf II C Front.jpg|VW Golf C (1987)<br />
Golf II C Heck.jpg|Heckansicht<br />
Volkswagen Golf II C dials.jpg|Tachoeinheit des C, gut zu sehen die fehlende Uhr sowie der fehlende Tageskilometerzähler<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf CL ===<br />
[[Datei:Golf 2 innen.jpg|mini|Golf II CL (innen, vorn)]]<br />
Der Golf CL (Comfort Line) war mit Uhr, Innenverstellung für den fahrerseitigen Außenspiegel und einer Mittelkonsole (ab Modelljahr 1988) sowie Stoffeinsatz in den Türseitenverkleidungen ausgestattet. Ab Modelljahr 1988 wurden neue Stahlräder eingeführt, die ab Modelljahr 1990 eine silberne Radnabenabdeckung hatten (vorher schwarz). Motoren wie beim Golf C. Den Golf CL gab es gegen einen Mehrpreis von 5.700 DM auch mit dem Allradantrieb ''Syncro'', dann war er mit dem 1,8-l-Motor mit zunächst 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS), später 72&nbsp;kW (98&nbsp;PS) ausgerüstet. Preise 1990: 18.820&nbsp;DM (40&nbsp;kW (55&nbsp;PS) mit 4-Gang-Schaltgetriebe) bis 22.635&nbsp;DM (66&nbsp;kW (90&nbsp;PS) mit Automatikgetriebe), jeweils ohne Sonderausstattungen. Golf CL Syncro: 27.850&nbsp;DM.<br />
<gallery widths="200"><br />
VW Golf II front 20080102.jpg|VW Golf CL (Fünftürer, 1987–1989)<br />
VW Golf II rear 20080102.jpg|VW Golf CL (Fünftürer, 1987–1989)<br />
Golf 2 cl 3door.jpg|VW Golf CL (Dreitürer, 1987–1989)<br />
Golf 2 motor 1.3nz.jpg|Motor (1.3 Liter Benziner, Kennung "NZ")<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf GL ===<br />
Der Golf GL (Grand Line) zeichnete sich bis Modelljahr 1987 außen durch Chrom-Zierkeder an den Fensterdichtungen, Chromeinlagen am Kühlergrill und in den Stoßstangen sowie verchromten Radnabenabdeckungen aus. Zum gleichen Zeitpunkt wurde der GL durch Einstellung des Carat die bestausgestattete Normalversion. Je nach Modelljahr ergänzten Wärmeschutzverglasung, hochwertige Bezugsstoffe, Brüstungen der (Tür-)Seitenverkleidungen mit schwarzem Kunstlederbezug, Radhausverkleidungen im Kofferraum, Fußboden und Heckablage mit schwarzem Tufting-Velours verkleidet und verchromter Zierlinie, Innenleuchte mit Abschaltverzögerung, ein besonderes Lenkrad (geschäumt), eine Schalthebelverkleidung aus Kunstleder (statt Gummi-Faltenbalg) und Radzierringe die Serienausstattung. Ab Modelljahr 1990 bekam der GL voluminöse, teilweise in Wagenfarbe lackierte Stoßfängerverkleidungen, die auch am GTI montiert wurden. Alle Motoren bis 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS) waren verfügbar. Preise 1990: 20.720&nbsp;DM (40&nbsp;kW/55&nbsp;PS mit 4-Gang-Schaltgetriebe) bis 24.535&nbsp;DM (66&nbsp;kW/90&nbsp;PS mit Automatikgetriebe), jeweils ohne Sonderausstattungen.<br />
<gallery widths="200"><br />
VW Golf II front 20080206.jpg|VW Golf GL (1989–1992)<br />
VW Golf II rear 20080206.jpg|Heckansicht<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf GLX ===<br />
Der GLX war als gediegene Top-Ausstattungsvariante mit nahezu allen lieferbaren Sonderausstattungen ab Werk versehen und wies damit unter anderem teillackierte Stoßfänger, 4-Speichen-Sportlenkrad mit Lederkranz, einen lederbezogenen Schaltknauf, Velourspolsterung, eine geteilte Rückbank mit Kopfstützen, elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel, Servolenkung, Zentralverriegelung, ein Kombiinstrument mit dem Bordcomputer MFA und Drehzahlmesser sowie elektrische Fensterheber auf. Auch war er nur viertürig lieferbar. Den Golf GLX gab es nur mit dem 1,8-l-Ottomotor mit 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS) und nur von August bis Oktober 1983. Aufgrund des hohen Preises fand diese Version nur eine geringe Verbreitung.<br />
<br />
=== Golf Carat ===<br />
Der ''Carat'' ersetzte bereits ab November 1983 den fast gleich ausgestatteten GLX, wurde aber mit Ende des Modelljahres 1986 wieder eingestellt, zumal sich auch diese neue Luxus-Variante nur selten verkaufte. Nach der Einstellung des ''Carat'' konnten Kunden durch Auswählen zahlreicher teurer Mehrausstattungen mit dem GL wieder ein ähnliches Ambiente wie beim GLX bzw. ''Carat'' generieren.<br />
<br />
Einen indirekten Nachfolger fand der Carat erst Jahre später in der ''Highline''-Variante des Golf&nbsp;3 (hier allerdings nur in Verbindung mit dem VR6-Motor).<br />
<br />
=== Golf GT ===<br />
Zur Serienausstattung dieses Modells gehörte eine leichte Tieferlegung um 20 mm, schwarze Kunststoff-Kotflügelverbreiterungen, mit schwarzer Kunststofffolie beklebten Schwellern, schwarzen oder hellgrauen (je nach Lackierung) Zierstreifen in der seitlichen Sicke im Karosserieblech, einer schwarzen Klebefolie rund um das Heckfenster, einem Heckspoiler an der Oberkante der Heckklappe, dem 1,8-l-Benzinmotor mit 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS), einem Drehzahlmesser, einem Bordcomputer (Multifunktionsanzeige „MFA“ mit Verbrauchs-, Fahrstrecken- und Öltemperaturanzeige) und zuerst Reifen der Größe 175/70 R13 mit Zierringen. Ab Modelljahr 1987 dann 14"-Stahlräder mit schwarzer Kunststoff-Mittelabdeckung und Breitreifen der Größe 185/60 R14. Ab Modelljahr 1990 überarbeitete Stahlräder mit silberner Mittelabdeckung und Entfall der seitlichen und hinteren Zierstreifen in der Sicke. Den Golf GT gab es nur mit 5-Gang-Schaltgetriebe. Nach Einführung des Sondermodells [[#Golf GT/GTD Special|''GT Special'']] 1987 und dessen späterer Übernahme in den regulären Verkaufsprospekt spielte der Standard-GT kaum noch eine Rolle, wurde aber bis zum Produktionsende 1991 beibehalten. Sowohl der Golf CL als auch der Golf GT wurden mit Allradantrieb („Syncro“) angeboten; er war dann mit dem 1,8-l-Ottomotor mit 72&nbsp;kW (98&nbsp;PS) ausgerüstet.<br />
<br />
=== Golf GTD ===<br />
Den Golf GT gab es mit Turbodieselmotoren und wurde wie beim Vorgänger als GTD (Golf Turbo Diesel) bezeichnet: zuerst mit 51&nbsp;kW (70&nbsp;PS), ab 1989 dann auch mit 59&nbsp;kW (80&nbsp;PS). Die Ausstattung war bis auf fehlende Tieferlegung und Bordcomputer (MFA) gleich der des GT. Im Gegensatz zum GT wurde der Standard-GTD deutlich häufiger gewählt als die Special-Variante, die eher selten anzutreffen war. Preis 1990: 24.945&nbsp;DM (59&nbsp;kW (80&nbsp;PS): 25.695&nbsp;DM) ohne Sonderausstattungen.<br />
<gallery widths="200"><br />
VW Golf II GTD front 20090309.jpg|VW Golf GTD (1983–1987)<br />
VW Golf II GTD rear 20090309.jpg|Heckansicht<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf GTI ===<br />
[[Datei:HerbertBreitenederVW1988-1.jpg|mini|Golf GTI 16V im Motorsport]]<br />
[[Datei:Golf2 16v bay.jpg|mini|16V-Motor in einem [[Rechtslenker]]-Wagen (u.&nbsp;a. erkennbar an den rechts angeschlagenen Scheibenwischern)]]<br />
[[Datei:Golf G60.jpg|mini|VW Golf G60]]<br />
Ab Januar 1984 wurde der Golf GTI der zweiten Generation angeboten, mit der auch erstmals eine größere Auswahl an Motoren einherging. Anfangs war nur der aus dem alten Modell bekannte 1,8 Liter 82 kW (112 PS) starke Motor mit acht Ventilen im GTI lieferbar. Ab März 1986 zusätzlich der neue 1,8 Liter 16V-Motor mit Vierventiltechnik und 102 kW (139&nbsp;PS) Leistung, sowie 168 Nm Drehmoment. Im Februar 1987 wurde der 16V-Motor mit Katalysator und 95 kW (129&nbsp;PS) vorgestellt, eine Katalysator-Version des 82-kW-Motors kam im Januar 1987 mit nun 79 kW (107&nbsp;PS) auf den Markt.<br />
<br />
Ab 1990 war im GTI G60 mit 118 kW (160 PS) der bereits aus dem [[#Rallye Golf|Rallye Golf]] bekannte Motor mit mechanischem [[G-Lader]] regulär erhältlich. Der G60 war unter anderem mit einem seilzuggeschalteten Getriebe und der 15"-Bremsanlage aus dem [[VW Passat B3|Passat]] ausgestattet und hatte zur Erhöhung der Torsionssteifigkeit der Karosserie eine eingeklebte Windschutzscheibe. Er war als einzige GTI-Variante auch mit dem Allradantrieb ''syncro'' verfügbar. Die stärkste Motorisierung hatte der 1989 von der VW-Motorsport-Abteilung nur 71-mal gebaute [[#Golf Limited|Golf Limited]], der Vierventiltechnik mit der Aufladung des G-Laders verband und so 155 kW (210 PS) leistete. Er enthielt serienmäßig nahezu jede mögliche Sonderausstattung, was sich auch deutlich im Preis von 68.500&nbsp;DM niederschlug. Äußerlich zeigte er sich sehr unauffällig&nbsp;– lediglich der hellblaue Zierrahmen am Kühlergrill (mit Einfach-Scheinwerfern), die „VW-Motorsport“-Plaketten an Front und Heck sowie die zweiteiligen 15"-Aluminiumräder von [[BBS (Marke)|BBS]] waren mehr oder weniger eindeutige Erkennungsmerkmale.<br />
<br />
Das GTI-spezifische Aussehen, wie zum Beispiel vergrößerte Frontlippe am Stoßfänger, Heckspoiler oben an der Heckklappe, roter Zierrahmen am Doppelscheinwerfergrill etc., wurde mit den Facelifts zum Modelljahr 1988 bzw. 1990 des Golf&nbsp;II teilweise beibehalten und durch zum Beispiel großvolumige Stoßfängerverkleidungen mit eingelassenen Nebelscheinwerfern in DE-Technik vorn und hinten ergänzt. In den USA wurde ab Modelljahr 1990 der 2.0l-16V aus dem Passat im GTI eingebaut, da dieser auch mit Normalbenzin betrieben werden konnte, um der schlechteren Benzinqualität dort Rechnung zu tragen.<br />
<br />
Der GTI war im Modelljahr 1989 auch als Sondermodell [[#Golf GTI Special|Special]] bestellbar, seit demselben Jahr gab es auch das Sondermodell [[#Golf GTI Edition One|Edition One]], das mit reichhaltiger Ausstattung und leichten optischen Änderungen bis zum Produktionsende im Oktober 1991 ausgeliefert wurde, dazu gesellte sich 1991 zum Abschluss der Baureihe das Sondermodell [[#Golf GTI Edition Blue|Edition Blue]].<br />
<br />
Während der GTI mit seinen zahlreichen Varianten in Deutschland nur etwa 2 % Anteil an der Golf-II-Gesamtproduktion hatte, war in Großbritannien jeder sechste Golf&nbsp;II ein GTI (etwa 16 %), wobei nur die katalysatorlosen Motorvarianten mit 82&nbsp;kW&nbsp;/&nbsp;112&nbsp;PS und 102&nbsp;kW&nbsp;/&nbsp;139&nbsp;PS (16V) angeboten wurden. In den letzten Modelljahren 1990 bis 1992 wurde die 16V-Variante und ab 1991 auch die 8V-Version zusätzlich zur deutschen Serienausstattung mit Elementen des Sondermodells [[#Golf GT/GTD Special|GT Special]] aufgewertet: dessen 15"-BBS-Aluminiumräder mit Reifen der Größe 195/50R15 und auch die Innenausstattung wurden übernommen (sogenanntes ''rainbow interior''). Ferner waren serienmäßig Servolenkung, elektrische Fensterheber und Außenspiegel, ein Panasonic-Autoradio sowie ein Stahlschiebedach vorhanden. Wählbar waren nur noch Anzahl der Türen und die Lackierung. ABS war beim Golf II in Großbritannien nicht verfügbar, da für den Regelblock am hier rechts hinter dem Motor angebrachten Hauptbremszylinder kein Platz vorhanden war.<br />
<br />
Die Varianten ''[[#Rallye Golf|Rallye Golf]]'' und ''[[#Golf Limited|Limited]]'' sind keine GTIs im eigentlichen Sinne (sie tragen das Kürzel auch nicht im Namen), ähnlich wie der VR6 beim [[Golf III]].<br />
<br />
Preise 1990 (jeweils ohne Sonderausstattungen):<br />
* GTI mit 79&nbsp;kW (107&nbsp;PS): 28.545&nbsp;DM<br />
* GTI 16V mit 95&nbsp;kW (129&nbsp;PS): 31.100&nbsp;DM<br />
* GTI G60 mit 118&nbsp;kW (160&nbsp;PS): 37.125&nbsp;DM.<br />
<gallery widths="200"><br />
GTI Mk2UK fl 92.jpg|VW Golf GTI 16V<br />(UK-Ausführung, 1990–1992)<br />
GTI Mk2UK int 92.jpg|Innenraum<br />
</gallery><br />
<br />
== Sondermodelle (Deutschland) ==<br />
* 1985: Match<br />
* 1986: Hit; Fun; Flair; Pikes Peak (Rallyefahrzeug, bis 1987)<br />
* 1987: Bistro; Memphis; Sky; [[#Golf GT/GTD Special|GT/GTD/GTI Special]] (bis 1991); Berlin Golf; Brigitte<br />
* 1988: Tour; Manhattan; Champion; [[#10 Millionen-Golf|10 Millionen]]<br />
* 1989: Öko Golf (Erprobungsfahrzeug, bis 1992); Atlanta; Boston; City Stromer; [[#Golf GTI Edition One|GTI Edition One]] (bis 1991); [[#Golf Limited|Limited]] (VW Motorsport, 71 Stk.); [[#Rallye Golf|Rallye Golf]]<br />
* 1990: Black Line – Red Line; [[#Golf Country|Country]]; Country Allround; Country Chrompaket; Country GTI (nur werksintern); [[#Golf Fire and Ice|Fire and Ice]] (bis 1991); Madison; Moda; Quadriga<br />
* 1991: [[#Golf Pasadena|Pasadena]]; Function; [[#Golf GTI Edition Blue|GTI Edition Blue]]; Barcelona; Dynamite (Kamei)<br />
<br />
=== Sondermodelle: Logos ===<br />
<gallery><br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition FLAIR 1986 backright 2008-07-24 A.jpg|VW Golf II ''Flair''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition MEMPHIS 1987 backright 2008-06-26 A.jpg|VW Golf II ''Memphis''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition SKY 1987 backright 2008-03-30 A.jpg|VW Golf II ''Sky''<br />
VW Golf GT Gen2 19E 1983-1992 special edition SPECIAL 1987 backleft 2009-04-26 A.jpg|VW Golf II GT ''Special''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition TOUR 1988 backright 2008-04-30 A.jpg|VW Golf II ''Tour''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition MANHATTAN 1988 backsideleft 2009-03-29 A.jpg|VW Golf II ''Manhattan''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition 10 MILLION 1988 frontfenderleft 2008-06-22 A.jpg|VW Golf II ''10 Millionen''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition BOSTON 1989 backleft 2008-03-23 A.jpg|VW Golf II ''Boston''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition FIRE AND ICE 1990-1991 Cpillarleft 2008-07-25 A.jpg|VW Golf II ''Fire and Ice''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition MADISON 1990 backleft 2008-03-23 U.jpg|VW Golf II ''Madison''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition MODA 1990 sidebackright 2008-07-26 A.jpg|VW Golf II ''Moda''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition PASADENA 1991 backright 2008-04-27 A.jpg|VW Golf II ''Pasadena''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition FUNCTION 1991 Cpillarleft 2008-04-13 A.jpg|VW Golf II ''Function''<br />
VW Golf Gen2 19E 1983-1992 special edition EDITIONONE 1991 Cpillarleft 2009-06-20 A.JPG|VW Golf II GTI ''Edition One''<br />
</gallery><br />
<br />
Basis ist bei allen Sondermodellen der [[#Golf GL|Golf CL]], Ausnahmen: [[#Golf GT/GTD Special|GT/GTD/GTI Special]], [[#Golf GTI Edition One|GTI Edition One]], [[#Golf GTI Edition Blue|GTI Edition Blue]] sowie die GTI-Varianten des [[#Golf Fire and Ice|Fire and Ice]].<br />
<br />
=== 10 Millionen-Golf ===<br />
Zum Jubiläum des zehnmillionsten verkauften Golf brachte VW 1988 das Sondermodell ''10 Millionen'' heraus. Dieses Modell gab es mit verschiedenen Ottomotoren zwischen 40 kW (55&nbsp;PS) und 66 kW (90&nbsp;PS) (1,8&nbsp;l 66&nbsp;kW auch mit Einspritzmotor, jedoch nie als GTI) sowie als Turbodiesel mit 51 kW (70 PS), wahlweise als 3- oder 5-Türer. Zu erkennen sind diese Modelle an der Sonderlackierung ''Starblue metallic'' (LD5T), an lackierten Außenspiegeln mit asphärischem (links) bzw. konvexem (rechts) Glas, blauer Wärmeschutzverglasung (einziger Golf II mit blau getönter Verglasung), Seitenblinkern, halb abgedunkelten Heckleuchten, blauem Streifen in den Stoßfängern, den speziellen 14"-Aluminiumrädern mit blauen Tropfen (VW-LM-Rad ''Silverstone'') und drei Aufklebern unterhalb des Golf-Schriftzugs auf dem Heckblech sowie oberhalb der Seitenblinker. Außerdem hatte der ''10-Millionen''-Golf immer die schwarzen Kunststoff-Radlaufverbreiterungen. Im Inneren unterscheidet er sich von den Serienmodellen durch blauen Velours-Teppich, Sportsitze mit Höhenverstellung am Fahrersitz in speziellem blau gestreiften Velours, blaue Hutablage, zu den Sitzen passende blau gestreifte Tür- und Seitenverkleidungen und beleuchtetem Makeup-Spiegel. Die besondere Lackierung war für kein anderes Golf-II-Modell zu haben, ebenso die Innenausstattung und die Räder mit blauen Tropfen. Die Doppelscheinwerfer, wie sie auf dem Bild zu sehen sind, gehörten nicht zur Originalausstattung des ''10-Millionen''-Golf. Sie standen für alle Modelle mit Einfachscheinwerfern (CL, GL und Sondermodelle) ab Modelljahr 1985 als Sonderausstattung in der Preisliste und waren als Fern- oder Nebelscheinwerfer verfügbar. Beim Golf GL ab Modelljahr 1990 waren die Nebelscheinwerfer in DE-Ausführung in die großen Stoßfänger eingelassen, hier waren die optionalen Zusatzscheinwerfer im Kühlergrill dann immer Fernscheinwerfer.<br />
<gallery widths="200"><br />
Golf II 10 Mio Front.jpg|VW Golf ''10 Millionen''<br />
Golf II 10 Mio Heck.jpg|Heckansicht<br />
Golf II 10 Mio Sitze.JPG|Innenausstattung<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf Country ===<br />
Volkswagen hat diese Version als Studie „Golf Montana“ vorgestellt, zunächst ohne ernsthaft an einen Bau zu denken. Danach liefen bei den Händlern sofort Bestellungen auf, obwohl das Auto gar nicht in Serie gehen sollte. Deswegen hatte man sich bei VW entschieden, eine Serie dieses Wagens zu bauen.<br />
<br />
Der im Mai 1990 eingeführte und bis Dezember 1991 produzierte ''Golf Country'' ist eine Ausstattungsvariante des Golf CL syncro mit vier Türen. Die Serienfertigung bei [[Steyr Daimler Puch AG|Steyr-Daimler-Puch]] (jetzt [[Magna Steyr]]) in [[Graz]] (Österreich) begann im April 1990. Hierzu wurde jeweils ein komplett vormontierter Golf CL syncro mit einem 72-kW-Motor nach Graz geliefert und dort zum ''Golf II Country'' umgerüstet.<br />
<br />
Im Einzelnen wurde die Karosserie mit einem daruntergesetzten Rohrrahmen um 120&nbsp;mm höher gelegt, vorne ein Schutzrohrrahmen („Rammbügel“) mit integriertem Triebwerkunterschutz montiert und am Heck links und rechts des abklappbaren Reserveradhalters zwei Schutzrohrrahmen in den Stoßfänger eingesetzt. Um den Antriebsstrang beibehalten zu können, wurde der Motor nach unten versetzt. Daraus resultierte eine im Vergleich zum normalen Golf (Syncro) um mindestens 63&nbsp;mm erhöhte Bodenfreiheit (auf 180&nbsp;mm). Die Geländeeigenschaften waren&nbsp;– mangels [[Differentialsperre]]n –&nbsp;jedoch nie besonders gut. Wie der Golf Syncro hat der Golf Country einen deutlich kleineren Kofferraum (der Kofferraumboden befindet sich etwa auf Höhe der Stoßfänger-Oberkante, während er bei frontgetriebenen Modellen etwa auf Höhe der Stoßfänger-Unterkante sitzt). Dies war bei den Syncro-Modellen nötig, um an der Hinterachse das [[Differentialgetriebe]] unterzubringen.<br />
<br />
Ab Juli 1990 kam die zweite Variante, der ''Golf II Country Allround'' hinzu. Diese Variante hatte eine auf Funktionalität und weniger auf Komfort zugeschnittene Ausstattung (zum Beispiel Kunstleder innen, Standardräder in Wagenfarbe). Erhältlich war diese Variante nur in der Farbe „waldgrün“. Gebaut wurden von dieser Variante nur 160 Fahrzeuge<ref>Oldtimer-Magazin, Ausgabe April 1993</ref>.<br />
<br />
Ab Anfang 1991 wurde seitens VW dann noch eine dritte Ausstattungsvariante auf den Markt gebracht – die Chrom-Edition. Deren Ausstattung mit cremefarbener Echtlederausstattung, elektrischem Faltschiebedach und verchromten Anbauteilen verursachte einen enormen Preisschub – diese Luxus-Variante kostete damals 52.200&nbsp;DM und war nur in schwarz lieferbar. Gebaut wurden von dieser [[Sonderedition]] nur 558 Stück.<br />
<br />
Es gab auch noch einige Sonderversionen und Sonderumbauten wie zum Beispiel den ''Golf II Country GTI'' mit 79 kW (107&nbsp;PS), der in einer Auflage von 50 Stück exklusiv für VW-Mitarbeiter gebaut wurde (Wolfsburg-Edition), oder Sonderumbauten auf andere Otto- und Dieselmotoren.<br />
<br />
Schon im Jahre 1989 urteilte das Geländewagen-Magazin ''[[Off Road]]'', dass sich dieser Wagen „exakt in die Lücke einfügt, die sich dann auftut, wenn man Geländewagen nach herkömmlicher Interpretation und straßengebundene Allrad-Personenwagen etwas weiter auseinanderrückt.“<ref>[[Off Road]], Ausgabe September 1989, S. 21</ref><br />
<br />
Betrachtet man die seit Mitte der 1990er-Jahre unaufhaltsam rollende [[Sport Utility Vehicle|SUV]]-Welle, so darf nicht behauptet werden, dass der ''Golf II Country'' ein Trendsetter war, [[Simca]] brachte bereits 1977 mit dem [[Talbot-Matra Rancho|Simca Rancho]] und [[American Motors Corporation|AMC]] im Herbst 1979 mit dem [[AMC Eagle]] ein Fahrzeug auf den Markt, dessen Konzept dem des Golf II Country stark ähnelte. Der AMC Eagle war außer als Limousine und Kombi auch als [[Coupé]] und [[Shooting Brake]] erhältlich. Toyota kopierte 1994 mit dem [[Toyota RAV4|RAV 4]] dieses Konzept in ähnlicher Form und erreichte damit auf dem Softroader-Markt großen Erfolg.<br />
<gallery widths="200"><br />
Volkswagen Golf Country 1X7A0295.jpg|VW Golf Country<br />
Volkswagen Golf Country 1X7A0284.jpg|Heckansicht<br />
Golf II Sondermodell Country.jpg|Golf Country Chrom-Edition<br />
</gallery><br />
<br />
=== Golf GT/GTD Special ===<br />
[[Datei:Armaturen golf2 gt.jpg|mini|Kombiinstrument des Golf II GT mit MFA (1988)]]<br />
[[Datei:Golf 2 gt special.jpg|mini|Golf II GT special]]<br />
Basierend auf dem GT bzw. GTD wurde mit dem Modelljahr 1988 der GT/GTD Special ins Verkaufsprogramm aufgenommen. Die Bezeichnung „Sondermodell“ ist vielleicht nicht ganz korrekt, denn die Special-Ausstattung war regulär neben den normalen Standardausstattungen CL, GL, GT, GTD und GTI bis zum Produktionsende des Golf II mit dem 1,8-l-Motor mit 66 kW und den Turbodiesel-Motoren mit 51 (bis Modelljahr 1989) oder 59&nbsp;kW (ab Modelljahr 1990) verfügbar. In den Modelljahren 1988 und 1989 gab es das Sondermodell Special zusätzlich auch als GTI und GTI 16V mit gleicher Ausstattung.<br />
<br />
Die Ausstattung (abweichend vom GT/GTD):<br />
* Sonderlackierungen Schwarzblau und Oakgrün metallic sowie Standardlackierungen Brillantschwarz metallic, Schwarz, Atlasgrau metallic und Royalblau metallic<br />
* Schriftzug „Special“ auf den C-Säulen<br />
* Colorverglasung grün<br />
* Rückleuchten partiell abgedunkelt<br />
* Innenausstattung in anthrazit mit „Color-GT-Streifen“, Sitzrückseiten und Seitenwangen mit schwarzem Kunstleder bezogen, Fußboden und Heckablage mit schwarzem Tufting-Velours verkleidet<br />
* Sportsitze vorn, Rücksitzbank mit Einzelsitzcharakter<br />
* Tieferlegung um 10 mm (nicht beim GTD Special)<br />
* dunkelgrauer Innenhimmel und schwarze C-Säulen-Verkleidungen, selten auch mit getönter Innenraumleuchte<br />
* wahlweise Recaro-Sportsitze in grau mit roten Streifen, dann Anpassung der Seitenverkleidungen an die Sitzstoffe, Entfall der Color-GT-Streifen<br />
* Multifunktionsanzeige (nicht für GTD Special)<br />
* Radio Gamma mit zwei Aktivlautsprechern in den vorderen Türen<br />
* Aluminiumräder mit Kreuzspeichendesign BBS RM 6J×15 mit Reifen 185/55R15<br />
* innenbelüftete Bremsscheiben vorn und Bremsscheiben hinten (GTD special: volle Bremsscheiben vorn, Trommelbremsen hinten)<br />
<br />
Preis 1991: 28.085&nbsp;DM (GT Special mit 90 PS), 29.050&nbsp;DM (GTD Special mit 59&nbsp;kW/80&nbsp;PS).<br />
<br />
=== Golf Fire and Ice ===<br />
Das Sondermodell „Fire and Ice“ wurde in den Modelljahren 1990 und 1991 angeboten. Namensgebend war der unter der Regie von [[Willy Bogner junior]] entstandene Film [[Feuer, Eis & Dynamit]] mit Roger Moore und Simon Shepherd.<br />
<br />
Als Antrieb standen die 1,8-l-Ottomotoren mit 66 kW (90 PS), 79 kW (107 PS), 95 kW (129 PS), 118 kW (160 PS) sowie der 1,6-l-Turbodiesel mit Ladeluftkühlung und 59 kW (80 PS) zur Wahl.<br />
<br />
Der Golf Fire and Ice basierte motorisierungsabhängig auf den Modellen CL, GTD und GTI, die jedoch durch entsprechende optische Anpassungen äußerlich nicht unterscheidbar waren (sieht man hier von verschieden stark [[Fahrzeugtuning#Tieferlegung|tiefer gelegten Karosserien]], Ausführungen der Bremsanlagen und unterschiedlichen Auspuffendrohren ab)<br />
* Sonderlackierung „Dark Violet perleffect“ (Farbcode: LC4V) für alle Modelle<br />
* Äußeres des GTI (breite Schwellerverkleidungen, Radhausverbreiterungen, schmale Zierleisten auf den Türen, große teillackierte Stoßfänger, lackierte Griffleiste der Heckklappe)<br />
* in Wagenfarbe lackierte Außenspiegelgehäuse<br />
* große runde Logos als Aufkleber auf den C-Säulen<br />
* runde Embleme „Fire and Ice“ auf den vorderen Kotflügeln anstelle der Seitenblinker<br />
* Heckschriftzüge in pink<br />
* Grafikemblem neben dem Heckschriftzug „Golf“<br />
* spezielle Innenausstattung in violett/blau mit großen gestickten Emblemen auf den Rückenlehnen der Standard-Sportsitze, Teppich und Dachhimmel schwarz und anthrazit<br />
* „Fire and Ice“-Emblem auf dem vorderen Aschenbecher<br />
* Aluminiumräder 6×15 "Estoril" mit Bereifung 195/50R15<br />
<br />
=== Golf Pasadena ===<br />
Der Golf Pasadena war ein sportliches Sondermodell des Golf II (Ausstattungscode E3K), das im Modelljahr 1991 angeboten wurde. Besonderes Kennzeichen des Sondermodells waren ein Doppelscheinwerfergrill mit Zusatz-Fernscheinwerfern, Sportsitze im sogenannten „Colibri-Design“, weiße vordere Blinkleuchten und seitliche Blinker an den Kotflügeln. Schwarze Kotflügelverbreiterungen, Stoßfänger mit farbigen Zierstreifen, gelochte 14 Zoll Stahlräder für 185er-Breitreifen und schwarze Schweller sorgten für einen sportlichen Eindruck. Im Innenraum wurde das Vierspeichen-Sportlenkrad eingebaut, die Schalthebelstulpe war in Kunstleder gehalten und der Schalthebelknauf geschäumt. Hinzu kamen die grüne Wärmeschutzverglasung, höhenverstellbare Gurte für die Vordersitze, ein höhenverstellbarer Sitz auf der Fahrerseite, Fensterbrüstung in Kunstleder, Ladekantenabdeckung und Beleuchtung für den Gepäckraum, sowie Drehzahlmesser und Digitaluhr im Instrumenteneinsatz. Der „Pasadena“-Schriftzug war an den C-Säulen sowie rechts unten am Heck angebracht.<br />
<gallery widths="200"><br />
VW Golf II 1.6 Pasadena 1991, front right.JPG|VW Golf Pasadena<br />
VW Golf II 1.6 Pasadena 1991, right.JPG|Seitenansicht<br />
VW Golf II 1.6 Pasadena 1991, back.JPG|Heckansicht<br />
VW Golf II 1.6 Pasadena 1991, interior.JPG|Innenausstattung<br />
</gallery><br />
<br />
'''Angebotene Motorvarianten:'''<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
!Motorkennbuchstabe !!Hubraum !!Leistung !!Getriebe<br />
|-<br />
! colspan="4" | Ottomotoren:<br />
|-<br />
| rowspan="2" | NZ || rowspan="2" | 1.272 cm³ || rowspan="2" | 40 kW (55 PS) || 4-Gang<br />
|-<br />
| 5-Gang<br />
|-<br />
| rowspan="2" | PN || rowspan="2" | 1.595 cm³ || rowspan="2" | 51 kW (70 PS) || 5-Gang<br />
|-<br />
| Automatik<br />
|-<br />
| rowspan="2" | RP || rowspan="2" | 1.781 cm³ || rowspan="2" | 66 kW (90 PS) || 5-Gang<br />
|-<br />
| Automatik<br />
|-<br />
! colspan="4" | Dieselmotoren:<br />
|-<br />
| rowspan="2" | JP || rowspan="6" | 1.588 cm³ || rowspan="3" | 40 kW (54 PS) || 4-Gang<br />
|-<br />
| 5-Gang<br />
|-<br />
| rowspan="2" | 1V || Automatik<br />
|-<br />
| 44 kW (60 PS) || rowspan="3" | 5-Gang<br />
|-<br />
| MF || 51 kW (70 PS) <br />
|-<br />
| RA || 59 kW (80 PS) <br />
|}<br />
<br />
=== Golf Function ===<br />
Kurz vor Einführung des Golf III brachte Volkswagen dieses Sondermodell heraus. Produktionsort war Wolfsburg, [[Volkswagenwerk Mosel|Mosel/Zwickau]] und in Sarajevo bei TAS (''Tvornica Automobila Sarajevo)''. Modelle aus Sarajevo erkennt man an der entsprechenden Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN), welche mit einem "T" gekennzeichnet sind.<br />
<br />
Beispiel: WVWZZZ1GZN'''T'''XXXXXX. (T = Sarajewo / "Jugoslawien" bis 1994)<ref>{{Internetquelle|url=http://www.nininet.de/fahrgestellnummer.html|titel=Fahrgestellnummer von Volkswagen und Audi Modellen entschlüsseln|werk=www.nininet.de|zugriff=2016-12-15}}</ref><br />
<br />
In Sarajevo endete die Produktion jedoch 1992, aufgrund des Bosnienkrieges. Der Golf II Function wurde von 1991 bis 1992 gebaut, am Ende parallel zum [[VW Golf III|Golf III]]. Käufer erwarteten aus diesem neuen Werk im „Osten“ besonders gute Qualität. Äußerlich ist der Golf II Function gut zu erkennen an dem silber-bunten „Function“-Schriftzug an der C-Säule, den verbreiterten Radläufen und dem fehlenden C- oder CL-Schriftzug am Heck. Lieferbar war er in sechs Farben (Tornadorot, Maritimblau, Alpinweiß, Caprigrün, Royalblau und Perlgrau) und mit vier verschiedenen Ottomotoren (40 bis 66 kW) sowie vier Dieselmotoren (40 bis 59 kW). Kombiniert werden konnten diese mit Vier- oder Fünfgangschaltgetriebe oder einer Automatik. Zur weiteren Serienausstattung gehörten grüne Wärmeschutzverglasung, höhenverstellbarer Fahrersitz, von innen einstellbare Rückspiegel und Luftausströmer für den hinteren Fußraum. Hergestellt wurde dieses Modell mit zwei oder vier Türen. Der Preis lag für einen Zweitürer mit Serienausstattung zwischen 17.611&nbsp;DM (Ottomotor mit 40 kW, Vierganggetriebe) und 21.314&nbsp;DM (Dieselmotor mit 59 kW, Fünfganggetriebe).<br />
<br />
=== Post-Golf ===<br />
Für Zustelldienste gab es ein Sondermodell mit einem eigenständig anlegenden 2-Punkt-Sicherheitsgurt aus den US Modellen (an der Tür statt an der B-Säule angeschlagen), einem Trennnetz und einen modifizierten Fahrgastraum ab B-Säule für verbesserte Raumnutzung.<br />
<gallery widths="200"><br />
GurtePostgolf.JPG|Gurtsystem am Post-Golf<br />
KofferraumPostgolf.JPG|Typische Einbauten im Kofferraum der Deutschen Bundespost<br />
</gallery><br />
<br />
== GTI-Sondermodelle ==<br />
=== Golf GTI Special ===<br />
In den Modelljahren 1988 und 1989 waren der GTI und GTI 16V als Sondermodell ''GTI Special'' verfügbar; diese Kombination wurde allerdings nur sehr selten bestellt. Ausstattung wie [[#Golf GT/GTD Special|''GT Special'']].<br />
<br />
=== Golf Limited ===<br />
[[Datei:Golf2 g60ltd front.JPG|mini|VW Golf Limited]]<br />
Wenn auch offiziell nicht als GTI geführt, gehört diese spezielle Ausgabe des Golf aufgrund der Motorisierung in diese Rubrik. Der Golf Limited wurde 1989 von VW-Motorsport in 71 Exemplaren von Hand gebaut. Sein Herzstück war der nur für dieses Modell gefertigte Motor: ein modifizierter 1,8-l-Motor mit 16 Ventilen und [[G60]]-Spirallader mit 155&nbsp;kW (210&nbsp;PS) bei 0,54 bar Ladedruck. Der Limited war mit dem Syncro-Allradantrieb ausgestattet. Die Torsionssteifigkeit der Karosserie wurde durch die geklebte Windschutzscheibe erhöht. Im Jahre 2018 wurde ein Exemplar – die Nummer 003 – für 110.000,- Euro angeboten.<ref>https://www.motor-talk.de/news/ein-golf-2-fuer-110-000-euro-t6430086.html VW Golf 2 Limited (Nr. 003, 1989): Verkauf, Preis, Geschichte</ref><br />
<br />
Außen war der Limited unauffällig, lediglich der hellblaue Rahmen um den Kühlergrill mit Einzelscheinwerfern sowie die in schwarz mit hellblauer Schrift gehaltenen „VW-Motorsport“-Plaketten an Kühlergrill und Heckblech waren erkennbare Unterschiede. Die serienmäßigen zweiteiligen [[BBS (Marke)|BBS]]-Aluminiumräder RM012 mit 15" waren ab 1990 auch beim GTI G60 serienmäßig sowie bei den Sondermodellen Edition One und Edition Blue. Außerdem gab es serienmäßig den Frontstoßfänger der US-Version. Den Limited gab es nur in der fünftürigen Karosserievariante, er war immer in schwarz metallic lackiert (Farbcode LP9V) mit folgender Ausstattung (aufbauend auf GTI-Basisausstattung):<br />
* beheizbare Ledersitze vorn, manuell höhen-/neigungsverstellbar<br />
* Ledervollausstattung (Sitze vorne/hinten, Türverkleidungen, Lenkrad, Schaltknauf, Handbremshebelmanschette)<br />
* GTI-16V-Zündschlüssel mit VW-Motorsport-Schlüsselanhänger<br />
* elektrisches Schiebedach<br />
* Antiblockiersystem ABS<br />
* Servolenkung<br />
* elektrische Fensterheber (vorne und hinten)<br />
* Zentralverriegelung<br />
* Aluplakette mit laufender Nummer auf dem Schlossträger sowie gesonderte ABE-Plakette der VW-Motorsport AG Hannover<br />
* elektrisch verstellbare Außenspiegel, beheizbar<br />
* getönte Heckleuchten (schwarz oben, rot unten)<br />
* Radio-/Audioanlage Gamma mit VW-Aktivlautsprechern<br />
* US-Stoßfänger vorn<br />
* beheizbare Düsen für Wisch-/Waschanlage<br />
<br />
Weitere Sonderausstattungen gab es wegen der Vollausstattung nicht. Nebelscheinwerfer oder Automatik waren nicht lieferbar.<br />
<br />
=== Rallye Golf ===<br />
[[Datei:RallyeGolf.jpg|mini|VW Rallye Golf]]<br />
[[Datei:Volkswagen Rallye Golf, Techno Classica 2018, Essen (IMG 9018).jpg|mini|Heckansicht]]<br />
Auch der Rallye Golf wurde nicht als GTI bezeichnet, mit seinem 1,8-l-Motor mit G-Spirallader und 118&nbsp;kW (160&nbsp;PS) gehört aber auch er in diese Abteilung. Dieses Sondermodell für den Straßenverkehr wurde als [[Motorsport-Homologation|Homologationsmodell]] in den Jahren 1989 bis 1991 für den Rallyeeinsatz in einer Auflage von 5.000 Stück im VW-Werk Brüssel gebaut. Um nicht mit stärkeren Fahrzeugen konkurrieren zu müssen, wurde der Hubraum des Serien-G60-Motors von 1781 auf 1760&nbsp;cm³ herabgesetzt, womit er noch in die Wertungsklasse 1700&nbsp;cm³ fiel. Um die leichte Leistungseinbuße durch den geringeren Hubraum zu kompensieren, wurde ein größerer Ladeluftkühler verwendet. Es gab nur 50 Exemplare ohne Schiebedach sowie mit einer Volllederausstattung, die nur in die Schweiz exportiert wurden. Es wurden auch noch zwölf Einheiten von VW-Motorsport gebaut, die mit dem modifizierten 1,8-l-16-Ventil-Motor und G60-Spirallader, der 155 kW (210 PS) leistet, ausgeliefert wurden.<br />
<br />
Neben der bulligen Karosserie mit deutlich verbreiterten Kotflügeln und Seitenteilen (aber Standard-Türen) sowie breiten Schwellerverstärkungen fiel der in Wagenfarbe lackierte Kühlergrill mit den eckigen DE-Doppelscheinwerfern auf.<br />
<br />
Die weitere Ausstattung:<br />
* nur als Dreitürer lieferbar<br />
* Allradantrieb – Syncro<br />
* Antiblockiersystem ABS<br />
* Servolenkung und Sportlenkrad<br />
* Aluminiumräder 6J×15 mit Reifen der Größe 205/50R15<br />
* Außenspiegel elektrisch verstellbar<br />
* Sportfahrwerk<br />
* in Wagenfarbe lackierte spezielle Stoßfänger mit Frontspoiler und Kühlluftführung für die vorderen Bremsen<br />
* ebenfalls in Wagenfarbe lackierter Heckspoiler<br />
* Sportsitze (auf Wunsch: Recaro-Sportsitze, elektrisch verstellbar), Sitz- und Lehnenflächen mit Karostoff, Seitenwangen mit Leder bezogen<br />
* Tür- und hintere Seitenverkleidungen mit Leder bezogen<br />
* Schiebedach<br />
<br />
Als Sonderausstattungen waren neben den Recaro-Sportsitzen eine Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, elektrische Spiegel und verschiedene Radios verfügbar.<br />
<br />
=== Golf GTI Edition One ===<br />
[[Datei:Golf2 EditionOne front.JPG|mini|VW Golf GTI Edition One]]<br />
[[Datei:Golf2 EditionOne innen.JPG|mini|Innenraum]]<br />
Mit dem Modelljahr 1989 wurde dieses Sondermodell in den regulären GTI-Verkaufsprospekt aufgenommen. Es war lieferbar als GTI mit 79&nbsp;kW, als GTI&nbsp;16V mit 95&nbsp;kW und als GTI G60 mit 118&nbsp;kW. Bis zum Produktionsende 1991 wurden etwa 12.000 Einheiten produziert.<br />
<br />
Die Ausstattung umfasste zusätzlich zum serienmäßigen GTI/GTI&nbsp;16V/GTI&nbsp;G60:<br />
* Sonderlackierung Quarzit metallic und Dark-Burgundy-Perleffekt oder Standard-Lackierung Brillantschwarz metallic und Perlgrau-metallic<br />
* Aufkleber ''Edition One'' vorn links auf der Motorhaube<br />
* Entfall des roten Zierrahmens am Kühlergrill<br />
* runde Embleme („Wolfsburg Edition“) an den Kotflügeln anstelle der Seitenblinker<br />
* Außenspiegel in Wagenfarbe lackiert<br />
* [[G60]]-Kotflügelverbreiterungen rundum (ab Januar 1990)<br />
* 16V-Auspuffanlage (55 mm, nur bis Juni 1990) auch für 79 kW (107&nbsp;PS)<br />
* Aluminiumräder [[BBS Kraftfahrzeugtechnik|BBS]] RM012, zweiteilig, 6,5J×15 ET33 mit Reifen 195/50R15<br />
* Rückleuchten partiell abgedunkelt<br />
* weiße Blinkleuchten vorn<br />
* Servolenkung mit Vierspeichenlenkrad (370 mm) mit Lederkranz<br />
* Schaltknauf und Handbremshebelgriff mit Leder bezogen<br />
* Innenausstattung in blau: Seitenverkleidungen und Standard-Sportsitze rundum mit Stoff ''mauritiusblau'' bezogen und mit Schriftzug ''Edition'' auf der Rückenlehne (beim 79-kW-Motor manuelle Höhenverstellung Fahrerseite), elektrisch einstellbare Recaro-Sportsitze mit demselben Stoff mit ''Recaro''-Schriftzug bei Ausführungen mit 95-kW- (16V-Logo in den Kopfstützen bis 08/89) und 118-kW-Motor (nicht in Verbindung mit Lederpolsterung). Rücksitzbank mit Einzelsitzcharakter (auch mit Kopfstützen erhältlich). Fußboden und Heckablage mit mauritiusblauem Tufting-Velours verkleidet.<br />
* Gepäckraumabdeckung und seitliche Konsolen mit Teppich mauritiusblau<br />
* Tür- und Seitenverkleidungen in Stoff ''Avantage-Streifen'' mauritiusblau-blaurotsilber mit zwei schwarzen Zierleisten<br />
* Die Dreitürer waren hinten seitlich und in der Heckklappe mit ''Siglachrome''-Fensterscheiben ausgestattet, die, chrombedampft, deutlich stärker abgedunkelt waren als die normale grüne Wärmeschutzverglasung<br />
<br />
Die normalen Sonderausstattungen wie zum Beispiel wahlweise drei- und fünftürig, Komplettleder, Schiebedach, elektrische Fensterheber, diverse Radios, Klimaanlage und ABS waren möglich.<br />
<br />
=== Golf GTI Edition Blue ===<br />
Die Edition Blue war ein auf 2100 Fahrzeuge limitiertes Sondermodell im letzten Produktionsjahr 1991 anlässlich des Produktionsendes des Golf II. Es kam nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Verkauf und wurde ausschließlich in [[Wolfsburg]] produziert. 1.749 Stück waren für den deutschen Markt bestimmt.<br />
<br />
Ausstattungsmerkmale des Edition Blue:<br />
* ausschließlich als Dreitürer lieferbar<br />
* Lackierung LC5M (moonlightblue-perleffekt)<br />
* Motor: 1,8 l mit 79&nbsp;kW (MKB: PF) für Deutschland; 1,8 l mit 118&nbsp;kW (MKB: PG) ([[G60]]) für Österreich und Schweiz<br />
* 3 ''Edition-Blue''-Embleme anstelle der [[Gran Turismo Injektion|GTI]]-Embleme an den Seitenleisten und am Heck<br />
* [[G60]]-Kotflügelverbreiterungen rundum<br />
* Aluminiumräder [[BBS Kraftfahrzeugtechnik|BBS]] RM012, zweiteilig, 6,5J×15 ET33 mit Reifen 195/50R15<br />
* Stahlschiebedach mit manueller Betätigung<br />
* Blinkleuchten seitlich<br />
* Schlussleuchten partiell abgedunkelt<br />
* Außenspiegel elektrisch und beheizbar in Wagenfarbe lackiert (rechts konvex, links asphärisch-Weitwinkel)<br />
* Innenausstattung ausschließlich in Leder mauritiusblau mit Sitzheizung vorn<br />
* Teppich in Tuftingvelours mauritiusblau<br />
* 3-Speichen-Sportlenkrad 360 mm Leder schwarz<br />
* Schalthebelknauf Leder schwarz<br />
* Handbremsgriff Leder schwarz<br />
<br />
Die [[G60]]-Modelle für Österreich und die Schweiz hatten serienmäßig eine Klimaanlage und [[Antiblockiersystem|ABS]]. In der Schweiz konnte der Edition Blue ausschließlich als G60 geordert werden, nur dort war er mit Zusatzausstattungen konfigurierbar. ABS war (wie bei allen G60 in der Schweiz) nicht serienmäßig, sondern nur gegen Aufpreis erhältlich. In Österreich und Deutschland konnten für dieses Sondermodell keine zusätzlichen Sonderausstattungen geordert werden.<br />
<br />
== Technische Daten ==<br />
=== Golf II bis 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS) und Diesel ===<br />
{| class="wikitable" style="font-size: 95%; text-align: center;"<br />
|- style="background:#DDDDDD"<br />
! align="left" width="12%"|Motorvariante<br />
! width="8%"|1,3<br />
! width="8%"|1,3&nbsp;Kat<br />
! width="8%"|1,6<br />
! width="8%"|1,6<br />
! width="8%"|1,6 Kat<br />
! width="8%"|1,8<br />
! width="8%"|1,8 Kat<br />
! width="8%"|1,6 D<br />
! width="8%"|1,6 TD Kat<br />
! width="8%"|1,6 TD<br />
! width="8%"|1,6 TD (LLK)<br />
|-<br />
| align="left" |Bauzeitraum || 1983–1992 || 1985–1992 || 1986–1991 || 1983–1991 || 1985–1992 || 1983–1987 || 1984–1991 || 1983–1991 || 1989–1992 || 1983–1991 || 1989–1991<br />
|-<br />
| align="left" |Motor&nbsp; || colspan="7" |4-Zylinder-Ottomotor (Viertakt) || 4-Zylinder-Dieselmotor (Viertakt) || colspan="2" |4-Zylinder-Dieselmotor (Viertakt) mit Turboaufladung || 4-Zylinder-Dieselmotor (Viertakt) mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung<br />
|-<br />
| align="left" |Motorkennbuchstabe || HK (1983–1985),<br />MH (1985–1992){{FN|1}} || NZ (1987–1992) || RF || EZ || PN || GU || GX (1984–1988)<br />RP (1987–1992) || JP || 1V || JR (1983–1991)<br />MF (nur 1988) || RA / SB (1989–1991)<br />
|-<br />
| align="left" |Hubraum || colspan="2" |1272 cm³ || colspan="3" |1595 cm³ || colspan="2" |1781 cm³ || colspan="4" |1588 cm³<br />
|-<br />
| align="left" |Bohrung × Hub || colspan="2" |75 × 72 mm || colspan="3" |81 × 77,4 mm || colspan="2" |81 × 86,4 mm || colspan="4" |76,5 × 86,4 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Max. Leistung<br />bei 1/min || 40&nbsp;kW (55&nbsp;PS)<br />5400 || 40&nbsp;kW (55&nbsp;PS)<br />5200 || 53&nbsp;kW (72&nbsp;PS)<br />5200 || 55&nbsp;kW (75&nbsp;PS)<br />5000 || 51&nbsp;kW (69&nbsp;PS)<br />5200 || 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS)<br />5200 || 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS)<br />5250 || 40&nbsp;kW (54&nbsp;PS)<br />4800 || 44&nbsp;kW (60&nbsp;PS)<br />4500 || 51&nbsp;kW (70&nbsp;PS)<br />4500 || 59&nbsp;kW (80&nbsp;PS)<br />4500<br />
|-<br />
| align="left" |Max. Drehmoment<br />bei 1/min || 96 Nm<br />3800 || 97 Nm<br />3000 || 120 Nm<br />2700 || 125 Nm<br />2500 || 118 Nm<br />2700 || 145 Nm<br />3300 || 137–142 Nm<br />3000 || 100 Nm<br />2300–2900 || 110 Nm<br />2400–2600 || 133 Nm<br />2500–2900 || 155 Nm<br />2600–3000<br />
|-<br />
| align="left" |Gemischaufbereitung || 1 Register-Fallstrom-Vergaser Pierburg || Elektr. Einspritzung (VW Digijet) || colspan="2" |1 Register-Fallstrom-Vergaser Pierburg <br />
|Elektronisch geregelter Vergaser Ecotronic Pierburg 2-E-E<br />
|1 Register-Fallstrom-Vergaser Pierburg|| Elektr. Einspritzung (Bosch KE-Jetronic/KA-Jetronic bzw. Mono-Jetronic) || Verteiler-Einspritzpumpe || colspan="3" |Verteiler-Einspritzpumpe + Turbolader (Garrett oder KKK)<br />
|-<br />
| align="left" |Ventilsteuerung || colspan="11" | [[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Zahnriemen, ab 08/85 [[Hydrostößel]]<br />
|-<br />
| align="left" |Kühlung || colspan="11" |Wasserkühlung<br />
|-<br />
| align="left" |Getriebe || colspan="11" | 4- oder 5-Gang-Getriebe (Serie bei 70/90 PS, D Kat und TD),<br />a.W. (für 70/72/75/90 PS und Saugdiesel) Dreistufen-Automatik<br />
|-<br />
| align="left" |Antrieb || colspan="11" |Frontantrieb<br />
|-<br />
| align="left" |Radaufhängung vorn || colspan="11" |Einzelradaufhängung mit [[MacPherson-Federbein]]en, unteren Dreiecksquerlenkern und Stabilisator (nur GT und GTD)<br />
|-<br />
| align="left" |Radaufhängung hinten || colspan="11" |[[Verbundlenkerachse]] mit spurkorrigierenden Gummilagern und Federbeinen<br />
|-<br />
| align="left" |Bremsen || colspan="11" |Scheibenbremsen (Ø 239 mm) vorn, Trommelbremsen hinten (GT: Scheibenbremsen hinten und vorn innenbelüftet)<br />Bremskraftverstärker, (Automatik, 66 kW, 51/59-kW-Diesel mit Bremskraftregler), ab 02/87 a.W. ABS mit Scheibenbremsen hinten<br />
|-<br />
| align="left" |Lenkung || colspan="11" |mechanische Zahnstangenlenkung, auf Wunsch mit Servounterstützung<br />
|-<br />
| align="left" |Karosserie || colspan="11" |Stahlblech, selbsttragend, Tankinhalt 55 Liter<br />
|-<br />
| align="left" |Spurweite vorn/hinten || colspan="11" |1413/1408 mm, mit Breitreifen 1427/1422 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Radstand || colspan="11" |2475 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Länge || colspan="11" | 3985 mm, GL ab Modelljahr 1989 4040 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Leergewicht || colspan="11" |845–1020 kg<br />
|-<br />
| align="left" |Höchstgeschwindigkeit || 155 km/h || 152 km/h || 162–167 km/h || 157–162 km/h || 162–167 km/h || 173–178 km/h || 170–176 km/h || 150 km/h || 153 km/h || 160 km/h || 169 km/h<br />
|-<br />
| align="left" |Beschleunigung von<br />0–100 km/h || 16 s || 17 s || 13–15 s || 14–16,5 s || 13–15 s || 11,5–13,5 s || 12–14 s || 19,5–23 s || 18 s || 15 s || 14,5 s<br />
|-<br />
| align="left" |Verbrauch in<br />Liter/100 Kilometer || 8,0 N || 8,5 N || 9,5–10,0 N || 10,0–10,5 N || 9,5–10,0 N || 9,5–10,0 S || 9,5–10,0 N || 6,5–7,0 D || 7,0 D || 7,0 D || 7,5 D<br />
|}<br />
{{FNZ|1|Abweichende Motordaten MH: 40 kW bei 5200/min, 96 Nm bei 3400/min}}<br />
<br />
=== Golf II syncro, GTI und G60 ===<br />
{| class="wikitable" style="font-size: 95%; text-align: center;"<br />
|-<br />
! align="left" width="20%"|Modellbezeichnung<br />
! width="8%"|GTI<br />
! width="8%" colspan="3"|GTI Kat<br />
! width="8%"|GTI 16V<br />
! width="8%"|GTI 16V Kat<br />
! width="8%"|syncro<br />
! width="8%"|syncro<br />
! width="8%"|Country<br />
! width="8%"|GTI G60<br />
! width="8%"|G60 Limited<br />
! width="8%"|Rallye Golf<br />
|-<br />
| align="left" |Bauzeitraum:&nbsp; || 1984–1987<br />(UK: 1984–1992) || 1985–1988 || 1986–1987||1987–1991 || 1986–1987<br />(UK: 1986–1992) || 1987–1991 || 1986–1987 || 1987–1991 || 1990–1991 || 1990–1991 || 1989<br />71 Stück || 1989–1991<br />5000 Stück<br />
|-<br />
| align="left" |Motor:&nbsp; || colspan="9" | 4-Zylinder-Reihenmotor (Viertakt) || colspan="3" | 4-Zylinder-Reihenmotor (Viertakt) mit mechanisch angetriebenem G-Spiralverdichter<br />
|-<br />
| align="left" |Motorkennbuchstabe || EV (1984–87),<br />PB (1987–92) || RD || RG || PF || KR || PL || GU/GX || colspan="2" | 1P (1988–1991) || PG || 3G || 1H<br />
|-<br />
| align="left" |Hubraum:&nbsp; || colspan="11" |1781 cm³ || 1763 cm³<br />
|-<br />
| align="left" |Bohrung × Hub:&nbsp; || colspan="11" |81 × 86,4 mm || 80,6 × 86,4 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Leistung<br />bei 1/min:&nbsp; || 82&nbsp;kW (112&nbsp;PS)&nbsp;5500<br />82&nbsp;kW (112&nbsp;PS)&nbsp;5400|| 79&nbsp;kW (107&nbsp;PS)<br />5250 || 79&nbsp;kW (107&nbsp;PS)<br />5500 || 79&nbsp;kW (107&nbsp;PS)<br />5400 || 102&nbsp;kW (139&nbsp;PS)<br />6100 || 95&nbsp;kW (129&nbsp;PS)<br />5800 || 66&nbsp;kW (90&nbsp;PS)<br />5200 || colspan="2" |72&nbsp;kW (98&nbsp;PS)<br />5400 || 118&nbsp;kW (160&nbsp;PS)<br />5800 || 155&nbsp;kW (210&nbsp;PS)<br />6500 || 118&nbsp;kW (160&nbsp;PS)<br />5800<br />
|-<br />
| align="left" |Max. Drehmoment<br />bei 1/min:&nbsp; || 155 Nm&nbsp;3100<br />159 Nm&nbsp;4000 || 154 Nm<br />3250 || 154 Nm<br />3500 || 157 Nm<br />3800 || 169 Nm<br />4600 || 168 Nm<br />4250 || 145 Nm<br />3300 || colspan="2" |143 Nm<br />3000 || 225 Nm<br />3800 || 252 Nm<br />5000 || 225 Nm<br />3800<br />
|-<br />
| align="left" |Gemischaufbereitung:&nbsp; || Mech. Einspritzung (Bosch K-Jetronic) bzw. elektr. Einspritzung (Digifant) || Mech. (Bosch K-Jetronic)||elektr. Einspritzung (Bosch KE-Jetronic) ||elektr. Einspritzung (Digifant) || Mech. Einspritzung (Bosch K-Jetronic) || Elektr. Einspritzung (Bosch KE-Jetronic) || 1 Register-Fallstrom-Verg./Bosch KE-Jetronic || colspan="2" |Elektr. Einspritzung (Digifant) || colspan="3" |Elektr. Einspritzung (Digifant) + Spirallader, Ladeluftkühler<br />
|-<br />
| align="left" |Ventilsteuerung:&nbsp; || colspan="4" | [[OHC-Ventilsteuerung|OHC]] mit 8 Ventilen, Zahnriemen, ab 8/85 Hydrostößel || colspan="2" | [[OHC-Ventilsteuerung|DOHC]] mit 16 Ventilen, Hydrostößel, Zahnriemen || colspan="4" | [[OHC-Ventilsteuerung|OHC]] mit 8 Ventilen, Hydrostößel, Zahnriemen || [[OHC-Ventilsteuerung|DOHC]] mit 16 Ventilen, Hydrostößel, Zahnriemen || [[OHC-Ventilsteuerung|OHC]] mit 8 Ventilen, Hydrostößel, Zahnriemen<br />
|-<br />
| align="left" |Kühlung:&nbsp; || colspan="12" |Wasserkühlung<br />
|-<br />
| align="left" |Antrieb:&nbsp; || colspan="6"| Front || colspan="3"| Allrad || Front || colspan="2" | Allrad<br />
|-<br />
| align="left" |Getriebe:&nbsp; || colspan="12" | 5-Gang-Getriebe<br />
|-<br />
| align="left" |Radaufhängung vorn:&nbsp; || colspan="12" |Einzelradaufhängung mit MacPherson-Federbeinen, unteren Dreiecksquerlenkern und Stabilisator<br />
|-<br />
| align="left" |Radaufhängung hinten:&nbsp; || colspan="12" | Verbundlenkerachse mit spurkorrigierenden Gummilagern, Federbeinen und Stabilisator (syncro: [[Schräglenkerachse]])<br />
|-<br />
| align="left" |Bremsen:&nbsp; || colspan="4" |Scheibenbremsen rundum (Ø vorn 239, hinten 226 mm), a.W. ab 02/87 ABS || colspan="2" |Scheibenbremsen rundum (Ø vorn 239 mm, ab 1990 256 mm, hinten 226 mm), a.W. ab 02/87 ABS || colspan="3" |Scheibenbremsen vorn (Ø vorne 239 mm), Trommelbremsen hinten, a.W. ab 08/87 ABS (außer Country) || colspan="4"|Scheibenbremsen rundum (Ø vorn 280, hinten 226 mm), ABS<br />
|-<br />
| align="left" |Lenkung:&nbsp; || colspan="12" | Zahnstangenlenkung, auf Wunsch oder teilweise (alle G60 und div. Sondermodelle) serienmäßig mit Servounterstützung<br />
|-<br />
| align="left" |Karosserie:&nbsp; || colspan="12" | Stahlblech, selbsttragend, Tankinhalt 55 Liter (incl. syncro und Country)<br />
|-<br />
| align="left" |Spurweite vorn/hinten:&nbsp; || colspan="6" | 1427/1422 mm || colspan="2" |1427/1432 mm || 1435/1442 mm || 1433/1428 mm || 1427/1432 mm || 1435/1437 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Radstand:&nbsp; || colspan="11" |2475 mm || 2479 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Länge:&nbsp; || colspan="12" | 3985 mm (1984–1988), 4040 mm (ab 1989), Country: 4255 mm<br />
|-<br />
| align="left" |Leergewicht:&nbsp; || colspan="6" |920–1095 kg || colspan="2" |1090–1145 kg || 1220 kg || 1120–1140 kg || 1255–1275 kg || 1250 kg<br />
|-<br />
| align="left" |Höchstgeschwindigkeit:&nbsp; || 191 km/h || colspan="3" |186 km/h || 208 km/h || 200 km/h || 175 km/h || 180 km/h || 163 km/h || 216 km/h || 230 km/h || 210 km/h<br />
|-<br />
| align="left" |Beschleunigung von<br />0–100 km/h:&nbsp; || 9,7 s || colspan="3" |10,3 s || 8,5 s || 9,0 s || 12–13 s || 12 s || 13,5 s || 8,3 s || 7,4 s || 9,5 s<br />
|-<br />
| align="left" |Verbrauch in<br />Liter/100 Kilometer:&nbsp; || 5,7/7,5/10,9 S || colspan="2" | 6,1/8,1/11,3 N ||9,8 S || 6,1/7,5/10,9 S || 6,4/8,0/11,3 S || 11,0 N || 11,0 N || 12,0 N || 12,0 S || 14,5 S || 13,0 S<br />
|}<br />
<br />
== Fertigung ==<br />
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F078945-0034, Wolfsburg, VW Autowerk.jpg|mini|Fertigung des Golf II im Stammwerk Wolfsburg]]<br />
Der Golf II wurde in Wolfsburg, Zwickau, Graz, Brüssel, Sarajevo, Uitenhage/Südafrika, Lagos/Nigeria, Westmoreland County/USA und in Puebla/Mexiko produziert. In der Fertigung wurde der Automatisierungsgrad verstärkt – viele Montagevorgänge wurden in der neuen „[[Halle 54|Halle&nbsp;54]]“ des [[Volkswagenwerk Wolfsburg|Stammwerks Wolfsburg]] von [[Industrieroboter]]n ausgeführt. Dazu war die Vorderachse an einem [[Fahrschemel]] montiert und der Bug des Wagen verschraubt und nicht verschweißt wie beim Golf I. Der Tank wurde aus Kunststoff [[Blasformen|geblasen]].<br />
<br />
== Passive Sicherheit ==<br />
Ein Crashtest durch den [[ADAC]] offenbarte im Jahr 2003, zum 30. Jubiläum der Golf Baureihe, dass die Weiterentwicklung der [[Straßenverkehrssicherheit#Passive und aktive Verkehrssicherheit|Passiven Sicherheit]] für Insassen beim leichteren Golf II unzureichend war. Im Vergleich zum [[VW Käfer]], einer mehr als 40 Jahre älteren Konstruktion mit einer tragenden Bodenplatte, schnitt er beim Frontalaufprall noch gering schlechter ab.<ref>[http://www.autobild.de/artikel/crash-vergleich-vw-kaefer-golf-ii-golf-iv-40065.html Zwei Welten in punkto Sicherheit], auf autobild.de, abgerufen am 10. April 2017</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<!--VW Golf II mit 84 PS fehlt.--><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Volkswagen Golf II}}<br />
<br />
* [http://www.volkswagen-classic.de/modelle/golf-2-limousine-gti Volkswagen-Classic-Dossier zum Golf II]<br />
* [http://www.doppel-wobber.de/wbb2/VW-Golf-2_Informationen.html Doppel Wobber (Golf Fanpage)]<br />
<br />
{{Navigationsleiste Volkswagen-Modelle}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=7626901-2}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:VW Golf 2}}<br />
[[Kategorie:Volkswagen-Automobil|Golf 2]]<br />
[[Kategorie:Fahrzeug der Kompaktklasse]]<br />
[[Kategorie:Kombilimousine]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Malaysia&diff=227504897Malaysia2022-10-31T04:56:32Z<p>Designer2k2: /* Allgemein */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den Staat; zu den Fernsehfilmen siehe [[Das Traumhotel – Malaysia]] und [[Das Traumschiff: Malaysia]].}}<br />
{{Infobox Staat<br />
|NAME-AMTSSPRACHE = Malaysia (مليسيا)<br />
|BILD-FLAGGE = Flag of Malaysia.svg<br />
|ARTIKEL-FLAGGE = Flagge Malaysias<br />
|BILD-WAPPEN = Coat of arms of Malaysia.svg<br />
|ARTIKEL-WAPPEN = Wappen Malaysias<br />
|WAHLSPRUCH = ''„Bersekutu Bertambah Mutu“''<br />(„Einheit ist Stärke“)<br />
|AMTSSPRACHE = [[Malaysische Sprache|Malaysisch]]<br />[[Englische Sprache|Englisch]] (Zweitsprache)<br />
|HAUPTSTADT = [[Kuala Lumpur]]<br />
|REGIERUNGSSITZ = [[Putrajaya]]<br />
|STAATS- UND REGIERUNGSFORM = [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Föderale]] [[parlamentarische Monarchie]] ([[Wahlmonarchie]])<br />
|STAATSOBERHAUPT = [[Yang di-Pertuan Agong|König]] [[Abdullah Shah]]<br />
|REGIERUNGSCHEF = [[Liste der Premierminister Malaysias|Premierminister]]<br />[[Ismail Sabri Yaakob]] ([[United Malays National Organisation|UMNO]]) (geschäftsführend)<br />
|FLÄCHE = 330.290<ref name="SHB_2012_Flaeche">{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20131114015856/http://www.statistics.gov.my/portal/download_Handbook/files/BKKP/Buku_Maklumat_Perangkaan_2012.pdf |titel=Statistical Handbook Malaysia 2012 |hrsg=Department of Statistics Malaysia |datum=2013-05-15 |abruf=2013-10-08 |format=PDF |kommentar=malaiisch, englisch; PDF, 3,03 MB; Seite 1; PDF-Seite 22 }}</ref><br />
|EINWOHNER = 32,4 Millionen <small>([[Liste von Staaten und Territorien nach Einwohnerzahl#Liste|44.]]) (2020; Schätzung)<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.TOTL |titel=Population, total |werk=World Economic Outlook Database |hrsg= [[Weltbank]]|datum=2021 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref></small><br />
|BEV-DICHTE = 99<br />
|BEV-ZUNAHME = + 1,3 %<br />
|BEV-ZUNAHME-ZEITRAUM= <small>(Schätzung für das Jahr 2020)<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.GROW |titel=Population growth (annual %) |werk=World Economic Outlook Database |hrsg= [[Weltbank]]|datum=2021 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref></small><br />
|BIP = 2021<ref>{{Internetquelle |url=https://www.imf.org/en/Publications/WEO/weo-database/2022/April/download-entire-database |titel=World Economic Outlook Database April 2022 |werk=World Economic Outlook Database |hrsg= [[Internationaler Währungsfonds]]|datum=2022 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
* 373 Milliarden USD <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt|40.]])</small><br />
* 971 Milliarden USD <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt|30.]])</small><br />
* 11.399 USD <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf|65.]])</small><br />
* 29.686 USD <small>([[Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf|56.]])</small><br />
|BIP-ERWEITERT = * Total (nominal)<br />
* Total ([[Kaufkraftparität|KKP]])<br />
* BIP/Einw. (nom.)<br />
* BIP/Einw. (KKP)<br />
|HDI = 0,803 <small> ([[Index der menschlichen Entwicklung#Sehr hohe menschliche Entwicklung|62.]]) (2021) </small><ref>{{Literatur|Hrsg=[[Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen]] |Titel=Table: Human Development Index and its components |Sammelwerk=Human Development Report 2021/2022|Verlag=United Nations Development Programme |Ort=New York| Datum=2022|ISBN=978-92-1-001640-7|Sprache=en|Seiten=272 |Online=https://hdr.undp.org/system/files/documents/global-report-document/hdr2021-22pdf_1.pdf#page=284 |Format=PDF}}</ref><br />
|WÄHRUNG = [[Malaysischer Ringgit|Ringgit]] ''(MYR)''<br />
|UNABHÄNGIGKEIT = 31. August 1957<ref name="am002">The UK Statute Law Database: [http://www.statutelaw.gov.uk/content.aspx?LegType=All+Primary&PageNumber=72&NavFrom=2&parentActiveTextDocId=1118475&ActiveTextDocId=1118475&filesize=15776 Federation of Malaya Independence Act 1957 (c. 60)]</ref><br />(vom [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]])<br />16. September 1963<br />([[Sabah]], [[Sarawak]] und [[Singapur]]{{FN|1}})<ref name="am001">{{Internetquelle |url=http://untreaty.un.org/unts/1_60000/21/36/00041791.pdf |titel=United Nations Treaty Series Nr.10760: Agreement relating to Malaysia (Juli 1963) |werk=[[Vertragssammlung der Vereinten Nationen|Vertragssammlung der UNO, UNTC]] |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120111091606/http://untreaty.un.org/unts/1_60000/21/36/00041791.pdf |archiv-datum=2012-01-11 |abruf=2013-10-08 |format=PDF; 4,48 MB |sprache=en}}</ref><br />
|NATIONALHYMNE = ''[[Negaraku]]''<br />[[Datei:Negaraku instrumental.ogg|120px]]<br />
|ZEITZONE = [[UTC+8]]<br />
|KFZ-KENNZEICHEN = MAL<br />
|ISO 3166 = [[ISO 3166-2:MY|MY]], MYS, 458<br />
|INTERNET-TLD = [[.my]]<br />
|TELEFON-VORWAHL = +60<br />
|ANMERKUNGEN = {{FNZ|1|Singapur wurde am 9. August 1965 eine unabhängige Nation}}<ref>[http://www.un.org/News/Press/docs/2006/org1469.doc.htm Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen]</ref><br />
|BILD-LAGE = Malaysia on the globe (Southeast Asia centered).svg<br />
|BILD-LAGE-IMAGEMAP = SüdostasienGlobus1<br />
|BILD1 = <br />
}}<br />
<br />
{{Positionskarte+ | Malaysia | maptype=relief | width=500 | float=right | caption= | places=<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=3.133333 | long=101.7 | region=MY | label='''[[Kuala Lumpur]]'''}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=01/29/00 | long=103/44/00 | region=MY | label=<small>[[Johor Bahru]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=12 | lat=05/58/00 | long=116/04/00 | region=MY | label=<small>[[Kota Kinabalu]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=12 | lat=01/33/00 | long=110/21/00 | region=MY | label=<small>[[Kuching]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=6 | lat=04/35/00 | long=101/05/00 | region=MY | label=<small>[[Ipoh]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=9 | lat=06/07/00 | long=100/22/00 | region=MY | label=<small>[[Alor Setar|Alor<br />Setar]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=05/25/00 | long=100/19/00 | region=MY | label=<small>[[George Town (Penang)|George<br />Town]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=06/07/00 | long=102/15/00 | region=MY | label=<small>[[Kota Bahru]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=03/50/00 | long=103/19/00 | region=MY | label=<small>[[Kuantan]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=05/20/00 | long=103/09/00 | region=MY | label=<small>[[Kuala Terengganu]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=6 | lat=02/12/00 | long=102/15/00 | region=MY | label=<small>[[Malakka]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Malaysia | position=3 | lat=05/19/00 | long=115/12/00 | region=MY | label=<small>[[Labuan]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=1 | X=6 | position=6 | label=[[Thailand|<span style="color:#646464">'''THAILAND'''</span>]]}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=85 | X=25 | position=6 | label=<small>[[Singapur|<span style="color:#646464">'''SINGAPUR'''</span>]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=100 | X=8 | position=12 | label=[[Indonesien|<span style="color:#646464">'''INDONESIEN'''</span>]]}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=100 | X=75 | position=12 | label=[[Indonesien|<span style="color:#646464">'''INDONESIEN'''</span>]]}}{{Positionskarte~ | Y=55 | X=40 | position=12 | label=<small>[[Indonesien|<span style="color:#646464">'''INDONESIEN'''</span>]]</small>}}{{Positionskarte~ | Y=47 | X=70 | position=12 | label=<small>[[Brunei|<span style="color:#646464">'''BRUNEI'''</span>]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=5 | X=45 | position=6 | label=<small>[[Südchinesisches Meer|<span style="color:#2A6DB5">'''''SÜDCHINESISCHES MEER'''''</span>]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=55 | X=4 | position=6 | label=<small>[[Straße von Malakka|<span style="color:#2A6DB5">''Straße von Malakka''</span>]]</small>}}<br />
{{Positionskarte~ | Y=70 | X=77 | position=12 | label=<small>''[[Borneo]]''</small>}}<br />
}}<br />
'''Malaysia''' [{{IPA|maˈla͜izi̯a}}], seltener '''Malaysien''', ist eine [[Konstitutionelle Monarchie|konstitutionelle]] [[Wahlmonarchie]] mit 32 Millionen Einwohnern, bestehend aus 13 [[Gliedstaat|Bundesstaaten]] in [[Südostasien]] auf der [[Malaiische Halbinsel|Malaiischen Halbinsel]] oder Westmalaysia mit der Hauptstadt [[Kuala Lumpur]] und Ostmalaysia auf einem Teil der Insel [[Borneo]]. Zwischen den beiden ungefähr gleich großen Landesteilen liegt das [[Südchinesisches Meer|Südchinesische Meer]].<br />
<br />
Die malaiische Halbinsel grenzt zu Wasser und Land an [[Thailand]] und hat Seegrenzen mit [[Vietnam]], [[Singapur]] und [[Indonesien]]. Im Süden ist sie durch die [[Straße von Malakka]] von der indonesischen Insel [[Sumatra]] getrennt und durch einen Damm mit dem Stadtstaat Singapur auf der gleichnamigen Insel verbunden. Ostmalaysia hat eine Land- und Seegrenze mit dem Sultanat [[Brunei]] im Norden und mit Indonesien im Süden und hat Seegrenzen zu Vietnam und den [[Philippinen]].<br />
<br />
Malaysia entstand 1963 aus vier ehemaligen Teilen des [[Britisches Weltreich|Britischen Weltreichs]]: der [[Föderation Malaya]], der [[Kronkolonie]] [[Nord-Borneo|Nordborneo]], der Kronkolonie Singapur (bis 1965) und der Kolonie [[Sarawak]].<ref name="am001" /> Seit der Unabhängigkeit 1957 vom [[Vereinigtes Königreich|Vereinigten Königreich]] ist Malaysia Teil des [[Commonwealth of Nations|Commonwealth]] of Nations. Das politische System des Landes basiert auf dem britischen [[Westminster-System]].<br />
<br />
Staatsoberhaupt ist der König. Er trägt den Titel ''[[Yang di-Pertuan Agong]]'' und wird alle fünf Jahre aus einer Reihe von neun Adelsträgern gewählt. Das Parlament hat ein Ober- und ein Unterhaus nach englischem Vorbild. Von der Gründung bis zum Jahr 2018 führte in beiden Kammern die Mehrheitskoalition [[Barisan Nasional]] unter der Führung der Partei [[United Malays National Organisation]]. Im Jahr 2018 löste das Oppositionsbündnis ''Pakatan Harapan'' die bisherige Regierung ab und stellte damit erstmals den Premierminister.<ref name=":0">{{Internetquelle |autor=Inter-Parliamentary Union |url=http://archive.ipu.org/parline-e/reports/2197_E.htm |titel=IPU PARLINE database: MALAYSIA (Dewan Rakyat), Last elections |abruf=2018-09-24}}</ref><br />
<br />
Malaysia ist Gründungsmitglied des [[ASEAN|Verbands Südostasiatischer Nationen]] (ASEAN) und gilt wirtschaftlich als [[Schwellenland]].<br />
<br />
== Geographie ==<br />
=== Geologie ===<br />
Von den Sumpf- und Küstenwäldern der Schwemmlandebenen am Meer (zum Teil mit [[Mangrove (Baum)|Mangroven]] bewachsen) steigt das Land überall deutlich an: Auf der malaiischen Halbinsel zu nach Norden hin breit entfalteten Gebirgsketten, die aus parallel verlaufenden Berg- und Hügelzonen bestehen. Der Hauptkamm reicht bis auf 2190 m über dem Meer. In Sarawak auf eine Hochebene mit einzelnen Bergzügen und in [[Sabah]] zu einem stark gegliederten Hochgebirge, in dem sich mit dem 4095&nbsp;m hohen [[Kinabalu]] der höchste Berg zwischen dem Himalaya und Neuguinea erhebt. Ebenfalls auf Borneo liegt mit der [[Sarawak-Kammer]] der größte bekannte Höhlenraum der Welt.<ref Name="Brockhaus">Brockhaus online [http://brockhaus.de/ecs/enzy/article/malaysia Stichwort: Malaysia], München 2019, abgerufen am 10. April 2019.</ref> Die größte Insel Malaysias ist [[Pulau Banggi]], die vor der [[Tanjung Simpang Mengayau|Nordspitze Borneos]] liegt und zum [[Distrikt Kudat]] im Bundesstaat Sabah gehört. Nordöstlich, vorgelagert vor der Küste Borneos, liegen die [[Turtle Islands (Sulusee)|Turtle Islands]], um die der [[Nationalpark]] ''Turtle Islands Park of Sabah'' 1977 etabliert wurde.<ref>[[UNEP World Conservation Monitoring Centre]]: [https://protectedplanet.net/793 ''protectplanet.net, Turtle Islands Park''], abgerufen am 6. Juni 2022.</ref><br />
<br />
=== Klima ===<br />
Malaysia liegt komplett in den [[humid]]en, feuchtheißen [[Tropen]]: Demnach sind die täglichen und jährlichen Temperaturunterschiede mit 2 °C sehr gering, es herrscht eine hohe [[Relative Luftfeuchtigkeit|relative Luftfeuchte]] von 98 % am Morgen und über 65 % am Nachmittag und die mittleren jährlichen Niederschlagsmengen sind mit 2000 (Tiefland im Westen) über 4000 mm (Nordosten bei Monsuneinfluss) bis 6000 mm (Gebirge) Regen hoch bis sehr hoch. Die Temperaturen liegen überall ganzjährig im Bereich von 25 bis 28 °C. Von April bis Oktober ist der [[Monsun|Südwestmonsun]] und von Oktober bis Februar der Nordostmonsun wetterbestimmend.<br />
<br />
Die vier [[Klimadiagramm]]e ergeben ein West-Ost-Profil: Kuala Terengganu und Kuala Lumpur liegen auf der Halbinsel (West-Malaysia), Sandakan und Kuching auf Borneo (Ost-Malaysia).<br />
<br />
<gallery widths="190" style="text-align:center"><br />
Klima kualalumpur.png|[[Kuala Lumpur]]<br />(Malakka West)<br />
Klima kualaterengganu.png|[[Kuala Terengganu]]<br />(Malakka Ost)<br />
Klima kuching.png|[[Kuching]]<br />(Borneo West)<br />
Klima sandakan.png|[[Sandakan]]<br />(Borneo Ost)<br />
</gallery><br />
<br />
=== Ökologie ===<br />
Sowohl die malaiische Halbinsel als auch das malaysische Borneo waren ursprünglich fast gänzlich von immergrünen tropischen Feuchtwäldern bedeckt: Bis zur [[Höhenstufe (Ökologie)|Höhenstufe]] von 2000 m von [[Tropischer Regenwald|Tiefland- und Bergregenwald]] sowie darüber von [[Wolken- und Nebelwald|Wolken- und Nebelwäldern]]. Zu Anfang des 21. Jahrhunderts nehmen die Tropenwälder noch mehr als die Hälfte der Landesfläche ein. Fast die Hälfte dieses Waldbestandes befindet sich in Sarawak. Die wertvollen Tropenhölzer im Tiefland- und der untersten Gebirgsstufe und der [[Brandrodungsfeldbau]] der wachsenden Bevölkerungszahlen der [[Indigene Völker|indigenen Ethnien]] (vor allem im Inland Sarawaks) führen zunehmend zur [[Übernutzung]] und [[Walddegradation|Degradierung]] der Wälder.<ref Name="Brockhaus" /><br />
<br />
Die Waldbestände in Sabah und Sarawak auf Borneo gehören zu den ältesten Urwaldflächen weltweit. Insbesondere die Wälder am Mount Kinabalu zeichnen sich daher durch eine überragende [[Artenvielfalt]] aus (in Nord-Borneo liegt eines von fünf [[Megadiversitätszentren|Zentren der größten Biodiversität auf der Erde]]). Mit einer allgemein hohen [[Biodiversität]], ausgesprochen vielen [[Endemit|endemischen Arten, Gattungen und Familien von Pflanzen und Tieren]] sowie großen [[Ökosystem]]en gehört ganz Malaysia zu den [[Megadiversitätsländer]]n dieser Erde. Weit verbreitet sind Gibbons, Makaken, Malaienbären sowie zahlreiche Reptilien wie z.&nbsp;B. Kobras und Pythons. Seltenere Tierarten sind Elefanten, Tiger, Nebelparder, Gold- und Marmorkatze und Leoparden. Auf Borneo lebt der als stark gefährdete Tierart eingestufte Orang-Utan. Ebenfalls gefährdet ist das Sumatra-Nashorn. Zur artenreichen Vogelwelt gehören unter anderem Nashornvögel, Beos, Papageien, Fasane und Eulen.<ref Name="Brockhaus" /> Aufgrund der großen Gefährdungslage wird Malaysia außerdem als [[Hotspot der Biodiversität]] geführt.<br />
<br />
Das Handels- und Finanzzentrum ist die Hauptstadt Kuala Lumpur, wo das Bundesparlament seinen Sitz hat. Die meisten Regierungseinrichtungen befinden sich hingegen in [[Putrajaya]], das 1995 als neue Verwaltungshauptstadt errichtet wurde. Weitere wichtige Städte sind [[George Town (Penang)|George Town]], [[Ipoh]] und [[Johor Bahru]].<br />
<br />
[[Tanjung Piai]], das sich im südlichen Staat [[Johor]] befindet, ist der südlichste Punkt des asiatischen Festlands. Die Straße von Malakka ist als [[Seeweg]] eine der meistbefahrenen Schiffsrouten.<br />
<br />
{{Siehe auch|Nationalparks und Schutzgebiete in Malaysia|Liste der Städte in Malaysia}}<br />
<br />
== Bevölkerung ==<br />
{{Hauptartikel|Demografie von Malaysia}}<br />
{| class="wikitable float-right"<br />
|+Entwicklung der Bevölkerung<ref>Zahlen für 2030 und 2050 sind Prognosen</ref><ref name="esa.un.org">{{Internetquelle |url=https://esa.un.org/unpd/wpp/DataQuery/ |titel=World Population Prospects - Population Division - United Nations |abruf=2017-07-24}}</ref><br />
!Jahr<br />
!Einwohnerzahl<br />
!Jahr<br />
!Einwohnerzahl<br />
|-<br />
|1950<br />
|{{0}}6.110.000<br />
|1990<br />
|18.038.000<br />
|-<br />
|1955<br />
|{{0}}7.040.000<br />
|1995<br />
|20.496.000<br />
|-<br />
|1960<br />
|{{0}}8.157.000<br />
|2000<br />
|23.186.000<br />
|-<br />
|1965<br />
|{{0}}9.527.000<br />
|2005<br />
|25.659.000<br />
|-<br />
|1970<br />
|10.804.000<br />
|2010<br />
|28.112.000<br />
|-<br />
|1975<br />
|12.162.000<br />
|2019<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.TOTL |titel=Population, total |werk=World Economic Outlook Database |hrsg= [[Weltbank|World Bank]]|datum=2020 |abruf=2021-05-04 |sprache=en}}</ref><br />
|31.950.000<br />
|-<br />
|1980<br />
|13.798.000<br />
|2030<br />
|''36.815.000''<br />
|-<br />
|1985<br />
|15.599.000<br />
|2050<br />
|''41.729.000''<br />
|}<br />
<br />
Das Wachstum der Bevölkerung beträgt etwa 1,3 % jährlich. Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei 30,3 Jahren.<ref>{{Internetquelle |url=https://population.un.org/wpp/Download/Standard/Population/ |titel=World Population Prospects 2019 - Population Dynamics -Download Files |hrsg= [[Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen]]|datum=2020 |sprache=en|abruf=2022-04-21}}</ref> Die [[Lebenserwartung]] der Einwohner Malaysias ab der Geburt lag 2020 bei 76,3 Jahren<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.IN?locations=MY |titel=Life expectancy at birth, total (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg= Weltbank|datum=2022 |sprache=en|abruf=2022-04-21}}</ref> (Frauen: 78,5<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.FE.IN?locations=MY |titel=Life expectancy at birth, female (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg= Weltbank|datum=2022 |sprache=en|abruf=2022-04-21}}</ref>, Männer: 74,4<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.MA.IN?locations=MY |titel=Life expectancy at birth, male (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg= Weltbank|datum=2022 |sprache=en|abruf=2022-04-21}}</ref>) Die Säuglingssterblichkeit lag bei etwa 13 pro Tausend. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 2,0.<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.TFRT.IN?locations=MY |titel=Fertility rate, total (births per woman) |werk=World Bank Open Data |hrsg= Weltbank|datum=2022 |sprache=en|abruf=2022-04-21}}</ref><br />
<br />
Im Jahr 2020 lebten 77 Prozent der Einwohner Malaysias in Städten.<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.URB.TOTL.IN.ZS?locations=MY |titel=Urban population (% of total population) |hrsg=[[Weltbank]]|abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
=== Volksgruppen ===<br />
<br />
[[Datei:Penan woman.jpg|links|mini|hochkant|[[Penan]]-Frau in Sarawak]]<br />
[[Datei:Bevölkerungspyramide Malaysia 2016.png|links|mini|Bevölkerungspyramide Malaysia 2016]]<br />
[[Datei:Malaysia population density 2010b.png|links|mini|Bevölkerungsdichte Malaysias 2010]]<br />
<br />
Die Bevölkerung Malaysias setzt sich folgendermaßen zusammen: 50,4 % sind [[Malaien]], 23,7 % [[Auslandschinesen|Chinesen]], 11 % [[indigene Völker]] ([[Orang Asli]] und [[Dayak]]), 7,1 % [[Non-resident Indian und Person of Indian Origin|Inder]] und 7,8 % Sonstige.<ref name=":1">[[The World Factbook]]: [https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/my.html Malaysia], 4. Dezember 2008</ref><br />
<br />
Die Bevölkerung ist nicht gleichmäßig auf dem Staatsgebiet Malaysias verteilt, denn im Ostteil Malaysias, also den beiden auf der Insel [[Borneo]] gelegenen Bundesstaaten [[Sarawak]] und [[Sabah]], leben nur etwa 5&nbsp;Mio. Menschen (circa 20 % der Bevölkerung Malaysias), obwohl die beiden Bundesstaaten zusammen etwa 60 % der Landesfläche Malaysias ausmachen, wohingegen die restlichen 80 % der Bevölkerung (circa 22 Mio. Menschen) im kleineren Westteil des Landes leben.<br />
<br />
Die Malaien, welche zum großen Teil dem [[Sunniten|sunnitischen]] [[Islam]] angehören, erheben seit der Unabhängigkeit Malaysias den politischen Führungsanspruch, sie werden durch die Regierung systematisch gefördert und im öffentlichen Dienst bevorzugt eingestellt, dies wird seit der Einführung der [[Malaysische Neue Ökonomische Politik|malaysischen neuen ökonomischen Politik]] in den 1960er-Jahren durch den sogenannten [[Bumiputra]]-Status gesichert.<ref name="Malaysia">{{Webarchiv | url=http://lexikon.meyers.de/meyers/Malaysia | wayback=20080625012653 | text=Meyers Lexikon online: Malaysia}} im [[Internet Archive]]</ref> Des Weiteren stellen die [[Auslandschinesen|Überseechinesen]] etwa ein Viertel der Bevölkerung. Sie dominieren derzeit noch in den Städten.<ref name="Malaysia" /> Die Chinesen spielen eine bedeutende Rolle in Handel und Wirtschaft. Weitere sieben Prozent der Bevölkerung sind indischstämmig. Diese sind [[Hinduismus|Hindus]], Moslems, [[Sikh]]s, [[Christentum|Christen]] oder [[Buddhismus|Buddhisten]]. Etwa 85 % der indischstämmigen Bevölkerung Malaysias sind [[Tamilen]], Minderheitengruppen sind die [[Kerala|Malayalis]], [[Punjab]]is und [[Telugu]]s.<br />
<br />
In den dünn besiedelten ostmalaysischen Bundesstaaten Sarawak und Sabah stellen indigene Volksgruppen, die keine ethnischen Malaien sind, die Hälfte bzw. zwei Drittel der Bevölkerung. Sie werden wie die Malaien zur ursprünglichen Bevölkerung Malaysias gezählt und gelten somit ebenfalls als Bumiputras. Diese indigenen Volksgruppen werden in Sarawak unter dem Sammelbegriff [[Dayak]] zusammengefasst und umfassen unter anderem die [[Iban (Volksgruppe)|Iban]] und die [[Bidayuh]]. In Sabah leben einheimische Volksgruppen wie die [[Murut]] oder die [[Kadazan]].<br />
<br />
Auf der Malaiischen Halbinsel existieren ebenfalls Ureinwohner, jedoch in kleinerer Zahl, sie werden mit dem Sammelbegriff [[Orang Asli]] bezeichnet. Diese gehören zu einer großen Zahl von ethnischen Gruppen, haben aber kulturelle Gemeinsamkeiten. Sie waren bis zum 20. Jahrhundert Anhänger von animistischen [[Lokalreligionen]]. Seitdem sind viele zum Christentum oder zum Islam übergetreten. Obwohl die Orang Asli sich hinsichtlich der Kultur von den Malaien unterscheiden, haben viele die malaiische Kultur assimiliert, etwa durch Umzug in die Städte oder durch Heirat. In die unzugänglichen Bergregenwälder Nord-Zentral-Malaysias haben sich einige Gruppen der Temiar-[[Senoi]] zurückgezogen, die dort als [[isolierte Völker]] leben.<br />
<br />
Nennenswerte Minderheiten stellen die Europäer, Menschen aus dem [[Naher Osten|Nahen Osten]], [[Kambodscha]] und [[Vietnam]]. Die Europäer sind meist [[Vereinigtes Königreich#Bevölkerung|Briten]] und einige [[Portugiesen]], deren Vorfahren seit der Kolonialzeit dort leben. Die meisten Kambodschaner und Vietnamesen kamen als [[Vietnamkrieg]]sflüchtlinge nach Malaysia.<br />
<br />
Insgesamt leben (Stand 2021) etwa vier bis sechs Millionen Einwanderer in Malaysia. Die meisten [[Arbeitsmigrant]]en kommen aus [[Nepal]], [[Bangladesch]], [[Indonesien]] oder [[Myanmar]].<ref name=":2">{{Internetquelle |autor=Peter Bengtsen |url=https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zwangsarbeit-in-malaysia-so-werden-einweghandschuhe-fuer-deutschland-hergestellt-a-2db41f9d-ccea-4308-a78e-952b2102d311 |titel=Zwangsarbeit in Malaysia: So werden Einweghandschuhe für Deutschland hergestellt |werk=Der Spiegel |abruf=2021-04-11 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
=== Sprachen ===<br />
Die Amtssprache Malaysias ist [[Malaysische Sprache|''Bahasa Malaysia'' (Malaysisch)]]. Die [[englische Sprache]] genießt aufgrund der langen britischen Kolonialzeit in Malaysia eine besondere Rolle und ist für viele Malaysier Zweitsprache. Aufgrund einer großen [[Auslandschinesen|chinesischen]] Minderheit spielt auch das [[Chinesische Sprache|Chinesische]] eine wichtige Rolle (vor allem [[Kantonesische Sprache|Kantonesisch]], [[Hochchinesisch]], [[Hokkien]], [[Hakka (Sprache)|Hakka]], [[Teochew|Chaozhou]] (Teochew), [[Min Nan#Dialekte und Geografische Verbreitung|Hainan]], der [[Min Dong|Fuzhou-Dialekt]]). Aufgrund der ebenfalls in Malaysia lebenden indischen Minderheit sind zahlreiche indische Sprachen, insbesondere [[Tamilische Sprache|Tamilisch]], [[Telugu]] und [[Malayalam]] verbreitet. In Ostmalaysia wird des Weiteren eine Vielzahl indigener Sprachen gesprochen, wovon die wichtigsten [[Iban (Sprache)|Iban]] und [[Kadazan]] sind. In Malaysia werden insgesamt 140 verschiedene Sprachen und Idiome gesprochen.<br />
<br />
In offiziellen Dokumenten wird [[britisches Englisch]] verwendet. Durch das Fernsehen hat jedoch das [[Amerikanisches Englisch|amerikanische Englisch]] bereits einigen Einfluss genommen. Das Englisch, das in der Umgangssprache in Malaysia verwendet wird, unterscheidet sich stark vom britischen Englisch und wird deshalb auch als [[Manglish]] bezeichnet. Es ähnelt bis auf einige [[Jargon|Slang]]-Ausdrücke stark dem [[Singlish]], das in [[Singapur]] gesprochen wird.<br />
<br />
=== Religionen ===<br />
;Überblick<br />
Volkszählungen zeigen etwa folgende Bevölkerungsanteile nach Religionen:<ref name="Census 2010">{{cite web |url=http://www.statistics.gov.my/portal/download_Population/files/census2010/Taburan_Penduduk_dan_Ciri-ciri_Asas_Demografi.pdf |title=Taburan Penduduk dan Ciri-ciri Asas Demografi |publisher=Jabatan Perangkaan Malaysia |page=82 |accessdate=2013-03-25 |url-status=dead |archiveurl=https://web.archive.org/web/20131113165406/http://www.statistics.gov.my/portal/download_Population/files/census2010/Taburan_Penduduk_dan_Ciri-ciri_Asas_Demografi.pdf |archivedate=2013-11-13 |df=dmy-all }}</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! style="width:50pt;"| Jahr<br />
! style="width:50pt;"| Islam<br />
! style="width:50pt;"| Buddhismus<br />
! style="width:50pt;"| Christentum<br />
! style="width:50pt;"| Hinduismus<br />
! style="width:50pt;"| Chinesische Volksreligionen wie Daoismus, Konfuzianismus<br />
! style="width:50pt;"| Konfessionslos<br />
! style="width:50pt;"| Andere Bekenntnisse oder keine Information<br />
|-<br />
| 2000<br />
| style="text-align:right;"| 60,4 %<br />
| style="text-align:right;"| 19,2 %<br />
| style="text-align:right;"| 9,1 %<br />
| style="text-align:right;"| 6,3 %<br />
| style="text-align:right;"| 2,6 %<br />
| style="text-align:right;"| <br />
| style="text-align:right;"| 2,4 %<br />
|-<br />
| 2010<br />
| style="text-align:right;"| 61,5 %<br />
| style="text-align:right;"| 19,6 %<br />
| style="text-align:right;"| 9,2 %<br />
| style="text-align:right;"| 6,3 %<br />
| style="text-align:right;"| 1,3 %<br />
| style="text-align:right;"| 0,7 %<br />
| style="text-align:right;"| 0,5 %<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
Die Chinesen sind meist [[Buddhismus|Buddhisten]] (20 %) oder gehören anderen chinesischen Religionen wie dem [[Daoismus]] oder [[Konfuzianismus]] an (2,6 %). Christen (9 %) gibt es in allen ethnischen Gruppen. Die Inder bestehen aus [[Hinduismus|Hindus]] und [[Sikhismus|Sikhs]] (6,5 %).<br />
<br />
;Islam<br />
[[Datei:Islamic Arts Museum Malaysia.JPG|mini|links|hochkant|Islamisches Museum in Kuala Lumpur]]<br />
[[Datei:KotaKinabalu Sabah CityMosque-08.jpg|mini|Moschee in Kota Kinabalu, Sabah]]<br />
<br />
Der [[Islam]], zu dem sich 60 % der Bevölkerung bekennen, ist [[Staatsreligion]].<br><br />
Es wird die [[Schāfiʿiten]] Schule des [[Sunnitischer Islam|Sunnitischen Islam]] in Theologie und Rechtsprechung praktiziert.<ref name="malaysianbar.org.my">[https://www.malaysianbar.org.my/article/news/press-statements/press-statements/press-statement-malaysia-a-secular-state malaysianbar.org:PRESS STATEMENT: Malaysia a secular State], July 18, 2007</ref><ref name="Wu & Hickling, p. 35">Wu & Hickling, p. 35.</ref> Andere islamische Schulen, insbesondere auch [[Schia|schiitische]], sind untersagt.<br />
<br />
Erstmals in Kontakt mit dem Islam kam Malaysia durch arabische Händler und Kaufleute schon Ende des 7. Jahrhunderts. Allerdings herrschten zu diesem Zeitpunkt in Malaysia verschiedene buddhistische und indisch-hinduistische Königreiche vor, so dass Muslime bis ins 14. Jahrhundert nie mehr als 10 % der Bevölkerung ausmachten. Seit dem 13. Jahrhundert ließen sich vermehrt [[Araber]] in Malaysia nieder, die sich mit der einheimischen Bevölkerung schließlich vermischten und so die Islamisierung der Malaien vorantrieben. Islamisiert wurde Malaysia wie [[Indonesien]] im 14. und 15. Jahrhundert.<br />
<br />
Bis weit in die 1970er Jahre galten viele muslimische Malaien als liberal (ähnlich den [[Abangan]] im heutigen Indonesien). Mit der [[Dakwah]], einer islamischen Erweckungsbewegung, setzte jedoch eine Islamisierungswelle ein (ausgelöst durch verschiedene ethnische und soziale Konflikte, siehe unter anderem [[Parti Islam Se-Malaysia]] und [[Al-Arqam]]), so dass Malaysia heute orthodox-islamisch ist. Die Malaien, die 50,4 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind praktisch alle Muslime. Etwa 70 % der Malaysierinnen malaiischer Herkunft tragen Kopftuch. Traditionelle malaiische Kleidung islamischen Ursprungs wird ebenfalls von vielen Malaien getragen.<br />
<br />
Nach der Verfassung des Landes sind alle ethnischen [[Malaien]] von Geburt an automatisch [[Muslim]]e. Sie können keine Andersgläubigen heiraten.<ref>[[Radio Vatikan]]: {{Webarchiv|url=http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=149242 |wayback=20070926220504 |text=Malaysia: Haft für hinduistische Eheschließung}} 11. August 2007</ref> Ein [[Apostasie im Islam|Abfall vom Islam]] wird höchst ungern gesehen und ist in der Praxis nur schwer möglich. Hierzu ist zunächst ein ''„Borang Keluar Islam“'' (Formular zum Austritt aus dem Islam) auszufüllen. Anschließend muss circa zwei Jahre bewiesen werden, dass man nicht doch noch zum Islam bekehrt werden kann, beispielsweise in „Umerziehungszentren“, wo Austrittswillige festgehalten werden.<ref name="AN1506">AsiaNews.it: [http://www.asianews.it/index.php?l=en&art=9564&theme=8&size=A A Hindu Lina Joy, subjected to Islamic “re-education”], 15. Juni 2007</ref> Letztlich muss ein [[Schari'a|Sharia]]-Gericht über den Austritt entscheiden – die in der Verfassung verbriefte Religionsfreiheit besteht nur theoretisch.<ref>Jalil Hamid and Liau Y-Sing: [http://news.scotsman.com/latest.cfm?id=1178882006 Malaysia braces for ruling on Islam conversion], Reuters, 13. August 2006</ref><ref>Jürgen Kremb: [http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,495440,00.html Todesdrohungen im Paradies], ''[[Der Spiegel]]'', 24. Juli 2007</ref> Dies zeigen auch Fälle aus dem Jahr 2007.<ref name="AN1506" /><ref>AsiaNews.it: [http://www.asianews.it/index.php?l=en&art=7065 Death threats against Lina Joy, fighting for her life and religious freedom], 29. August 2006</ref><ref>Shah Yacob, Imran Imtiaz: [http://www.asiasentinel.com/index.php?option=com_content&task=view&id=466&Itemid=34 Doing the Impossible: Quitting Islam in Malaysia], Asia Sentinel, 27. April 2007</ref><ref>AsiaNews.it: [http://www.asianews.it/index.php?l=en&art=9403 Kuala Lumpur refuses to recognise Lina Joy’s conversion to Christianity], 30. Mai 2007</ref><ref>[[Neue Zürcher Zeitung|NZZ]]: {{Webarchiv|url=http://www.nzz.ch/2007/05/31/al/articleF83ZQ.html |wayback=20070602163020 |text=Verdikt gegen die Religionsfreiheit }}, 31. Mai 2007</ref><br />
<br />
;Christentum<br />
[[Datei:KL Christ Church Melaka - Iglesia Holandesa.jpg|mini|Kirche in [[Malakka]]]]<br />
<br />
Die [[römisch-katholische Kirche in Malaysia]] besteht aus neun [[Bistum|Bistümern]] in drei [[Kirchenprovinz]]en. Dem [[Council of Churches of Malaysia]] gehören evangelische und orthodoxe Kirchen in Malaysia an. Die christliche Presse kann nur unter Schwierigkeiten auf Malaysisch veröffentlicht werden, auf Englisch, Chinesisch und [[Tamil]] ist sie jedoch problemlos erhältlich. Uneingeschränkt ist die Verteilung von Schriften an Mitglieder von Vereinigungen oder Kirchen. [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensurversuche]] (konkret: Verbot des Wortes „[[Allah]]“) gab es durch die Regierung auch hier, was von einem Gericht zunächst aufgehoben,<ref>{{Internetquelle |autor=Daniel Kestenholz |url=http://www.tagesspiegel.de/politik/international/streit-um-gottesname-christen-in-malaysia-haben-allah-wieder/1658252.html |titel=Streit um Gottesname – Christen in Malaysia haben Allah wieder |hrsg=[[Der Tagesspiegel]] |datum=2001-01-05 |abruf=2013-10-08}}</ref> 2013 aber wieder eingeführt wurde.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.tagesschau.de/ausland/malaysia166.html |titel=Entscheidung eines malaysischen Berufungsgerichts – Nur Muslime dürfen „Allah“ sagen |hrsg=[[Tagesschau (ARD)]] |datum=2013-10-14 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20131014201348/http://www.tagesschau.de/ausland/malaysia166.html |archiv-datum=2013-10-14 |abruf=2014-03-20}}</ref> So sorgte das islamische Religionsamt [[JAIS]] im Januar 2014 für Schlagzeilen, als es ohne rechtliche Grundlage mit polizeilicher Unterstützung in die Räumlichkeiten der ''Bible Society of Malaysia'' eindrang und 300 Exemplare des [[Al-Kitab (Malaysia)|Al-Kitab]], der in malaiischer Sprache abgefassten Bibel, konfiszierte.<ref>The Malaysian Insider: {{Webarchiv|url=http://www.themalaysianinsider.com/malaysia/article/selangor-religious-authorities-raid-bible-society-of-malaysia-chairman-held |wayback=20140105081457 |text=Selangor Islamic authorities raid Bible Society of Malaysia, 300 copies of Alkitab seized}}, 2. Januar 2014; Zugriff am 15. Januar 2014</ref><br />
<br />
Der Bau von Kirchen führt in Ballungszentren häufig zu Schwierigkeiten mit der Planungsbehörde.<br />
<br />
=== Bildung ===<br />
{{Siehe auch|Bildungssystem in Malaysia|Liste der Universitäten und Hochschulen in Malaysia}}<br />
[[Datei:Nottinghamunimalaysia.JPG|mini|Malaysia-Campus der Universität von Nottingham in Semenyih, Selangor]]<br />
Das Bildungssystem in Malaysia untersteht dem [[Ministry of Education (Malaysia)|Ministry of Education]] (''Kementerian Pendidikan Malaysia''). Es ist in zwei Hauptabteilungen gegliedert, von denen sich der ''Education Sector'' mit allen Belangen der Vorschulen, der Primar- und Sekundarschulen befasst, während der ''Higher Education Sector'' für die [[Hochschule]]n zuständig ist. Obwohl für die Bildungspolitik die Bundesregierung zuständig ist, hat jeder malaysische Bundesstaat ein eigenes [[Kultusministerium]]. Die Rechtsgrundlage für die staatliche Bildungspolitik ist der ''Education Act 1996''.<br />
<br />
Malaysia hat ein Schulsystem in öffentlicher Trägerschaft, das allen Bürgern kostenlosen, mehrsprachigen Unterricht garantiert. Daneben gibt es die Möglichkeit, eine [[Privatschule]] zu besuchen oder am ''[[Hausunterricht|homeschooling]]'' teilzunehmen. Die Schulpflicht beschränkt sich auf die Primarstufe. Wie in vielen asiatisch-pazifischen Ländern, wie etwa [[Südkorea]], [[Singapur]] und [[Japan]] folgen die Lehrpläne und Abschlussprüfungen einem schulübergreifenden, einheitlichen System.<br />
<br />
2015 betrug die Alphabetisierungsrate in Malaysia 94,6 % der erwachsenen Bevölkerung. Für Frauen lag sie bei 93,2 % und für Männer bei 96,2 %.<ref name=":1" /> Im [[PISA-Studien|PISA-Ranking]] von 2015 erreichen die Schüler des Landes Platz 45 von 72 Ländern in Mathematik, Platz 51 in Naturwissenschaften und Platz 46 beim Leseverständnis.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.oecd.org/berlin/themen/pisa-studie/ |titel=PISA-Studie – Organisation for Economic Co-operation and Development |abruf=2018-04-14 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
{{Redundanztext<br />
|3=Geschichte Malaysias<br />
|4=Malaysia#Geschichte<br />
|12=f|2=Januar 2019|1=[[Benutzer:Der-Wir-Ing|Der-Wir-Ing]] („DWI“) 17:33, 9. Jan. 2019 (CET)}}<br />
{{Hauptartikel|Geschichte Malaysias}}<br />
[[Datei:Malaysia Act 1963.pdf|hochkant|mini|Malaysia Akt 1963]]<br />
[[Datei:Agreement Relating to Malaysia between UK, N. Borneo, Sarawak and Singapore.djvu|hochkant|mini|Vereinbarung über Malaysia zwischen [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]], [[Nord-Borneo]], [[Sarawak]] und [[Singapur]]]]<br />
Die malaiische Halbinsel wurde zu einem großen Handelszentrum in Südostasien, als der Handel zwischen China und Indien zu florieren begann. Damals begann in der [[Straße von Malakka]] ein reges Treiben. Die ersten malaiischen Königreiche entstanden durch Häfen, die im 10. Jahrhundert gegründet worden waren. Die wichtigsten frühen Königreiche waren [[Langkasuka]] und [[Lembah Bujang]] in [[Kedah]], [[Beruas]] und [[Gangga Negara]] in [[Perak]] und [[Pan Pan (Königreich)|Pan Pan]] in [[Kelantan]]. Der [[Islam]] kam im 14. Jahrhundert in [[Terengganu]] an. Im frühen 15. Jahrhundert wurde das [[Sultanat von Malakka]] gegründet. Durch seinen Wohlstand zog es das Interesse von [[Portugal]] auf sich. Der Hafen wurde dann ein Zentrum der [[Kolonialisierung]] durch die Niederländer und die Briten.<br />
<br />
Die britische Kronkolonie [[Straits Settlements]] wurde im Jahre 1826 gegründet und Großbritannien gewann schrittweise die Kontrolle über den Rest der Halbinsel. Zu den Straits Settlements gehörten [[Penang]], [[Singapur]] und Malakka. Penang war im Jahre 1786 durch Kapitän [[Francis Light]] gegründet worden und diente als Militär- und Handelsbasis. In seiner Bedeutung wurde es bald von Singapur überholt, das im Jahre 1819 durch Sir [[Thomas Stamford Raffles|Stamford Raffles]] gegründet wurde. Malakka war nach dem britisch-niederländischen Vertrag von 1824 endgültig in britischem Besitz. Die Kolonie wurde durch die [[Britische Ostindien-Kompanie]] mit Sitz in [[Kalkutta]] regiert, bis deren Sitz 1867 nach [[London]] verlegt wurde.<br />
<br />
Etwa zur selben Zeit wurde die britische Politik gegenüber den malaiischen Staaten immer aggressiver. Innerhalb von wenigen Jahren kamen mehrere malaiische Staaten an der Westküste der Halbinsel unter britische Kontrolle. Auf Betreiben der Händler, die in den Kronkolonien saßen, mischte sich die Regierung in die Angelegenheiten der Zinn produzierenden Staaten ein. Gleichzeitig hatte die britische Kolonialmacht Bürgerkriege und Störungen durch chinesische Geheimgesellschaften zu befrieden. Die Briten führten mit ihrer Militärmacht eine friedliche Lösung herbei, die die Händler bevorzugten. Mit dem [[Vertrag von Pangkor]] im Jahre 1874 wurde der Weg frei für die britische Herrschaft. 1896 wurden die vier [[Sultan]]ate Pahang, Selangor, Perak und Negeri Sembilan zu den [[Föderierte Malaiische Staaten|Föderierten Malaiischen Staaten]] zusammengefasst, die dem Kommissar von Singapur unterstanden. Dieser war auch der Gouverneur der Straits Settlements. Dieser Gouverneur wiederum unterstand dem Kolonialamt in London.<br />
<br />
Die anderen Staaten der Halbinsel waren zwar nicht direkt London unterstellt, die Sultane hatten aber britische Berater an ihrem Hof. Die vier nördlichen Staaten [[Perlis]], [[Kedah]], [[Kelantan]] und [[Terengganu]] waren bis 1909 unter der Kontrolle von [[Thailand]]. Das Gebiet des heutigen Staates [[Sabah]] war ein britisches [[Protektorat]], das ursprünglich zum [[Brunei|Sultanat von Brunei]] und [[Sultanat Sulu]] gehört hatte und unter dem Namen Nordborneo von der [[Britische Nordborneo-Kompanie|Britischen Nordborneo-Kompanie]] verwaltet wurde. Das riesige Waldgebiet von [[Sarawak]] war persönlicher Besitz der britischen Familie Brooke, welche das Land als Lehen vom Sultan von Brunei erhalten hatte und es als [[Weiße Rajas]] für fast ein Jahrhundert regierte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das heutige Malaysia durch Japan besetzt. In dieser Zeit wuchs die Unterstützung für die Unabhängigkeit des Landes von der europäischen Kolonialmacht. Die britischen Pläne, eine malaiische Union zu gründen, wurden von vielen Malaien abgelehnt. Sie verlangten ein System, welches die Wünsche der Malaien stärker berücksichtigte, Singapur aus Sorge um eine [[Sinisierung]] des Landes ausschloss und Immigranten die [[Doppelte Staatsbürgerschaft]] verwehrte. Am 31. August 1957 erlangte die [[Föderation Malaya]], bestehend aus den neun malaiischen Sultanaten sowie den beiden Straits Settlements [[Penang]] und [[Malakka]], ihre Unabhängigkeit.<ref name="am002" /><br />
<br />
Am 16. September 1963 wurde eine neue Föderation unter dem Namen ''Malaysia'' gegründet, welche die [[Föderation Malaya]], die britische Kronkolonie Singapur sowie die Protektorate Nordborneo (heute Sabah) und Sarawak umfasste.<ref name="am001" /> Die frühen Jahre waren durch territoriale Ansprüche der Nachbarn bestimmt, insbesondere durch die von Indonesien veranlasste [[Konfrontasi]],<ref>{{Webarchiv | url=http://untreaty.un.org/unts/1_60000/16/16/00030780.pdf | wayback=20120111082831 | text=United Nations Treaty Registered No. 8029, Manila Accord between Philippines, Federation of Malaya and Indonesia (31. Juli 1963)}}</ref><ref>[http://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%20608/v608.pdf United Nations Treaty Series No. 8809, Agreement relating to the implementation of the Manila Accord] (PDF-Datei; 5,56&nbsp;MB)</ref> durch das Ausscheiden Singapurs aus der Föderation im Jahre 1965<ref>[https://web.archive.org/web/20110520111537/statutes.agc.gov.sg/non_version/cgi-bin/cgi_getdata.pl?actno=1997-REVED-INDEP&doctitle=INDEPENDENCE%20OF%20SINGAPORE%20AGREEMENT%201965%0A&date=latest&method=part&sl=1&segid=888373490-000001 PROCLAMATION OF SINGAPORE]</ref> sowie durch den [[Nordborneo-Disput]], in dem die Philippinen den Anspruch auf [[Nordborneo|Sabah]] geltend machen wollen.<br />
<br />
== Politik ==<br />
=== Staatsform ===<br />
[[Datei:Istana Negara KL 12 2007 019.jpg|mini|[[Istana Negara (Malaysia)|Istana Negara]] – offizielle Residenz des malaysischen Königs (Yang di-Pertuan Agong)]]<br />
Malaysia ist eine [[Föderalismus|föderalistische]], [[konstitution]]elle, parlamentarisch-demokratische [[Wahlmonarchie]] (parlamentarische Monarchie). Das repräsentative Staatsoberhaupt ist der [[König]], der alle fünf Jahre aus den Reihen der Herrscher der neun Sultanate nach dem [[Rotationsprinzip]] ausgewählt wird. Sein offizieller Titel lautet [[Yang di-Pertuan Agong]]. Seit dem 31. Januar 2019 hat Sultan [[Abdullah Shah]] von [[Pahang]] dieses Amt inne. Dieses System der Wahl aus den Reihen der Bundesherrscher (beziehungsweise Bundesfürsten) ist nahezu einzigartig auf der Welt. Nur die Vereinigten Arabischen Emirate sind ebenfalls eine föderale Wahlmonarchie.<br />
<br />
Der parlamentarische Regierungschef ist der [[Liste der Premierminister Malaysias|malaysische Premierminister]]. Diesen Posten hat seit dem 1. März 2020 [[Muhyiddin Yassin]] inne. Der Premierminister leitet ein [[Kabinett (Politik)|Kabinett]], bestehend aus [[Minister]]n ''(siehe [[Liste der Ministerien in Malaysia (2021)|Liste der Ministerien in Malaysia]])''.<br />
<br />
Das Abgeordnetenhaus ''([[Dewan Rakyat]])'' besteht zurzeit aus 222 für fünf Jahre gewählten Abgeordneten. Die Länderversammlung ''(Dewan Negara)'' hat 70 Mitglieder. Die [[Parlamentswahl in Malaysia 2018|letzten Wahlen]] zur Volksversammlung fanden im Mai 2018 statt.<br />
<br />
[[Nationalfeiertag]] ist der [[31. August]] (Unabhängigkeitstag 1957).<br />
<br />
=== Wahlsystem ===<br />
Auf Bundesebene gibt es ein [[Mehrheitswahlrecht]], bei dem nur ein Kandidat je Wahlkreis ins Parlament gewählt wird. Dies war bis zur Wahl 2018 häufig ein Vorteil für die geschlossene Barisan Nasional gegenüber der gespaltenen Opposition. Die Größe der Wahlkreise ist zum Teil sehr unterschiedlich, so dass eine Wählerstimme je nach Wahlkreis sehr unterschiedliches Gewicht hat.<br />
<br />
Unter der Kolonialverwaltung wurde das aktive [[Frauenwahlrecht in Südostasien|Frauenwahlrecht]] 1955 eingeführt.<ref>Dieter Nohlen, Florian Grotz, Christof Hartmann (Hrsg.): ''South East Asia, East Asia and the South Pacific.'' (= ''Elections in Asia and the Pacific. A Data Handbook.'' Band 2). Oxford University Press, New York 2002, ISBN 978-0-19-924959-6, S. 146</ref> Als das Land 1957 von Großbritannien unabhängig geworden war, wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht am 31. August 1957 in die Verfassung aufgenommen.<ref name="Hannam179">June Hannam, Mitzi Auchterlonie, Katherine Holden: ''International Encyclopedia of Women’s Suffrage.'' ABC-Clio, Santa Barbara, Denver, Oxford 2000, ISBN 1-57607-064-6, S. 179.</ref><ref name="Martin245">Mart Martin: ''The Almanac of Women and Minorities in World Politics.'' Westview Press Boulder, Colorado, 2000, S. 245.</ref><br />
<br />
=== Parteien ===<br />
Von 1957 bis 2018 regierte das von der [[United Malays National Organisation]] (kurz ''UMNO,'' auf Malaysisch ''Pertubuhan Kebangsaan Melayu Bersatu'') angeführte Parteienbündnis [[Barisan Nasional]]. Zunächst trug dieses Bündnis den Namen [[Parti Perikatan|Alliance]] und bestand aus der malaiischen Partei UMNO, der chinesischen [[Malaysian Chinese Association|MCA]] und der indischen [[Malaysian Indian Congress|MIC]], womit die drei größten Volksgruppen vertreten waren. Nach Rassenunruhen, die der Parlamentswahl 1969 folgten, wurde das Bündnis erweitert und umbenannt. 1974 folgte die Gründung der Barisan Nasional („Nationale Front“). In der BN sind neben den genannten zehn weitere Parteien vertreten, die vorwiegend regionale Bedeutung haben. Die Parteien der BN einigten sich oft darauf, nur einen Kandidaten zur Wahl stellen zu lassen, sodass zwischen ihnen keine Konkurrenz entstand und die Stimmen sich auf mehrere BN-Politiker verteilten. Dadurch gelang es ihr meist, die [[Zweidrittelmehrheit]] im malaysischen Parlament zu erlangen, welche Verfassungsänderungen zulässt. Nur bei den Wahlen 1969 und 2008 erreichte sie diese Zweidrittelmehrheit nicht, konnte aber dennoch die [[absolute Mehrheit]] wahren und so die Regierung stellen. Einige BN-Mitglieder treten auf Ebene der [[Bundesstaaten Malaysias|Bundesstaaten]] auch als Konkurrenten auf.<br />
[[Datei:Ismail Sabri Yaakob 01042022 (cropped).jpg|mini|hochkant|Premierminister Ismail Sabri Yaakob]]<br />
Die Opposition war nicht einheitlich. Bei der Parlamentswahl 1999 schlossen sich vier Oppositionsparteien zum Wahlbündnis [[Barisan Alternatif]] zusammen. Dieses zerfiel wieder, nachdem es weder 1999 noch bei der nächsten Wahl im Jahr 2004 nennenswerte Erfolge erzielen konnte. Die wichtigsten Oppositionsparteien und Mitglieder des ehemaligen Oppositionsbündnisses sind die [[Parti Islam Se-Malaysia|PAS]], die [[Democratic Action Party|DAP]] und die [[Parti Keadilan Rakyat|PKR]]. Die PAS vertritt eine malaiisch-islamistische Politik. Die [[Democratic Action Party|DAP]] hat ein sozialdemokratisches Programm und wird vorwiegend von chinesischstämmigen Malaysiern gewählt. Diese drei Parteien schlossen sich 2008 erneut zu einem Bündnis zusammen, der Koalition [[Pakatan Rakyat]] unter Führung des entmachteten, sehr beliebten ehemaligen UMNO-Politikers [[Anwar Ibrahim]] und konnten bei den [[Parlamentswahlen in Malaysia 2008|Parlamentswahlen 2008]] einen überraschenden Erfolg erlangen, als sie in fünf der 13 Bundesstaaten die Mehrheit im Landesparlament erlangten und im nationalen Parlament verhinderten, dass die Barisan Nasional eine Zweidrittelmehrheit erlangte, was erstmals seit 1969 der Fall war.<br />
<br />
Aus den [[Parlamentswahlen in Malaysia 2013|Parlamentswahlen im Mai 2013]] ging die Koalitionsregierung von Premierminister [[Najib Tun Razak]] trotz erheblicher Stimmeneinbußen noch als Sieger hervor. Sie erreichte 133 von 222 Parlamentsitzen und besaß mit 59,91 % der Sitze die absolute Mehrheit, obwohl das Oppositionsbündnis Pakatan mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte. In der folgenden [[Parlamentswahl in Malaysia 2018|Wahl im Jahr 2018]] gelang es dem vom ehemaligen langjährigen Premierminister [[Mahathir bin Mohamad]] angeführten Oppositionsbündnis ''Pakatan Harapan'' aber, die Mehrheit im Unterhaus zu gewinnen. Es löste damit erstmals die [[Barisan Nasional]] (BN) ab und stellte den neuen Premierminister.<ref name=":0" /><br />
<br />
=== {{Anker|Föderale Struktur}} Föderale Struktur ===<br />
{{Siehe auch|Bundesstaaten Malaysias}}<br />
<br />
Malaysia gliedert sich in 13 [[Gliedstaat|Bundesstaaten]] (malaysisch: ''negeri'') sowie die drei [[Bundesterritorium (Malaysia)|Bundesterritorien]] (malaysisch: ''wilayah persekutuan'') Kuala Lumpur, [[Putrajaya]] (neuer Regierungssitz) und die Insel [[Labuan]]. Staatsoberhaupt in neun Bundesstaaten ist ein [[Sultan]] beziehungsweise in Perlis ein [[Raja]], dem hauptsächlich repräsentative Aufgaben zukommen; in den übrigen vier nimmt ein vom malaysischen König auf Vorschlag der Bundesregierung ernannter Gouverneur, der [[Yang di-Pertua Negeri]], die Funktion des Staatsoberhaupts ein.<ref>[http://www.agc.gov.my/agcportal/uploads/files/Publications/FC/Federal%20Consti%20(BI%20text).pdf ''Federal Constitution'' (Stand 2010)], aufgerufen am 19. Oktober 2018.</ref><br />
<br />
Die gliedstaatliche Legislative wird überall von einem [[Einkammersystem|Einkammerparlament]] ausgeübt. Die gliedstaatliche Exekutive wird jeweils von einem Chefminister und den übrigen Ministern wahrgenommen; die Ernennung des Regierungschefs geschieht durch den Sultan beziehungsweise Gouverneur entsprechend den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ([[Westminster-System]]).<br />
<br />
Die Kompetenzenaufteilung zwischen Bund und Einzelstaat wird in einer Anlage zur Bundesverfassung geregelt, die je eine Liste der bundesstaatlichen, der gliedstaatlichen und der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten enthält.<ref>[https://en.wikisource.org/wiki/Constitution_of_Malaysia#NINTH_SCHEDULE_.5BArticles_74.2C_77.5D_Legislative_Lists ''Ninth Schedule: Legislative Lists,''] aufgerufen am 19. Oktober 2018.</ref><br />
* Der Bund ist insbesondere zuständig für die Außenbeziehungen, die Verteidigung, die innere Sicherheit, das Zivil- und Strafrecht, das Bundesstaats- und -verwaltungsrecht, die Finanzen, den Handel, das Gewerbe und die Industrie, das Verkehrswesen, die Bildung, das Arbeitsrecht, das Gesundheitsrecht, das Medienrecht und den Tourismus.<br />
* Den Gliedstaaten obliegen Bereiche wie [[Scharia]]<nowiki />recht und -gerichte, Landrechte, Land- und Forstwirtschaft, Gemeinderecht, Beherbergung, Märkte, die Lizenzierung von Theatern, Lichtspielhäusern und anderen Vergnügungsorten, regionale öffentliche Werke, regionales Staats- und Verwaltungsrecht, Binnenfischerei sowie Bibliothekswesen, Museen und archäologische Stätten. Die Staaten Sabah und Sarawak sind überdies für Häfen und innerstaatliche Schifffahrt, Landvermessung und Wasserversorgung zuständig, ferner Sabah für die [[Sabah State Railway]].<br />
* Der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen die soziale Wohlfahrt, das Stipendienwesen, der Natur- und Tierschutz, die Stadt- und Ortsplanung, das Wandergewerbe, die öffentliche Gesundheitsversorgung, Landverbesserung und Erosionsschutz, den Brandschutz, Kultur und Sport, der Wohnungsbau, die Wasserversorgung und die Denkmalpflege. In Sabah und Sarawak unterliegen der konkurrierenden Gesetzgebung überdies das Familienrecht, die Schifffahrt und der Fischfang auf dem Meer, agronomische Forschung und Pflanzenschutz, die Wasserkraftwerke sowie die Theater, Lichtspielhäuser und sonstigen Vergnügungsorte.<br />
<br />
=== Politische Indizes ===<br />
{| class="wikitable"<br />
|+Von [[Nichtregierungsorganisation]]en herausgegebene politische Indizes<br />
!Name des Index!!Indexwert!!Weltweiter Rang!!Interpretationshilfe!!Jahr<br />
|-<br />
|[[Fragile States Index]]||style="text-align:right"|56,9 <small>von 120</small>||style="text-align:right"|123 <small>von 179</small>||Stabilität des Landes: stabil<br /><small>0 = sehr nachhaltig / 120 = sehr alarmierend</small>||2021<ref>{{Internetquelle |url=https://fragilestatesindex.org/country-data/|titel=Fragile States Index: Global Data |hrsg= [[Fund for Peace]] |datum=2021 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
|-<br />
|[[Demokratieindex]]||style="text-align:right"|7,24 <small>von 10</small>||style="text-align:right"|39 <small>von 167</small>||Unvollständige Demokratie<br /><small>0 = autoritäres Regime / 10 = vollständige Demokratie</small>||2021<ref>{{Internetquelle |url=https://infographics.economist.com/2022/democracy-index-2021/index.html |titel=The Economist Intelligence Unit’s Democracy Index |hrsg=[[The Economist]] Intelligence Unit |datum=2021 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
|-<br />
|[[Freedom House#„Freedom in the World“|Freedom in the World Index]]||style="text-align:right"|50 <small>von 100</small>||style="text-align:right"|—||Freiheitsstatus: teilweise frei<br /><small>0 = unfrei / 100 = frei</small>||2022<ref>{{Internetquelle |url=https://freedomhouse.org/countries/freedom-world/scores |titel=Countries and Territories |hrsg=[[Freedom House]]|datum=2022 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
|-<br />
|[[Rangliste der Pressefreiheit]]||style="text-align:right"|51,5 <small>von 100</small>||style="text-align:right"|113 <small>von 180</small>||Schwierige Lage für die Pressefreiheit<br /><small>100 = gute Lage / 0 = sehr ernste Lage</small>||2022<ref>{{Internetquelle |url=https://rsf.org/en/index |titel=2022 World Press Freedom Index |hrsg=[[Reporter ohne Grenzen]]|datum=2022 |abruf=2022-05-05 |sprache=en}}</ref><br />
|-<br />
|[[Korruptionswahrnehmungsindex]] (CPI)||style="text-align:right"|48 <small>von 100</small>||style="text-align:right"|62 <small>von 180</small>||0 = sehr korrupt / 100 = sehr sauber||2021<ref>{{Internetquelle |url=https://www.transparency.de/cpi/cpi-2021/cpi-2021-tabellarische-rangliste/ |titel= CPI 2021: Tabellarische Rangliste |hrsg= [[Transparency International]] Deutschland e.&nbsp;V.|datum=2022 |abruf=2022-04-21 |sprache=en}}</ref><br />
|}<br />
<br />
=== Außenpolitik ===<br />
[[Datei:Diplomatic missions of Malaysia-2010-21-03.PNG|mini|220x220px|Standorte der diplomatischen Vertretungen von Malaysia|alternativtext=]]<br />
[[Datei:Diplomatic missions in Malaysia.png|mini|220x220px|Staaten mit diplomatischen Vertretungen in Malaysia]]<br />
Malaysias Außenpolitik wird bestimmt durch seine geografische Lage, seine Integration in den weltweiten Handel und seine eigene demografische Zusammensetzung. Leitlinien der Außenpolitik sind Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten und Förderung des Austauschs mit anderen Schwellenländern.<br />
<br />
Malaysia ist Mitglied der [[Bewegung der Blockfreien Staaten]], [[Gruppe der acht Entwicklungsländer]], des [[Commonwealth of Nations]] und in der [[Gruppe der 77]]. Ein besonderes Interesse verbindet Malaysia mit den Ländern des Nahen Osten, wobei das Land keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhält. Seit Amtsantritt von Premierminister Najib tritt Malaysia im Nahen Osten zurückhaltender auf. Malaysia hat sich Koalitionen gegen den IS-Terrorismus angeschlossen, schließt aber eigene militärische Unterstützung ohne UN-Mandat aus. Malaysia stellt zudem Truppen für die UN bereit.<br />
<br />
Malaysia sieht sich als ASEAN-Gründungsmitglied der zentralen Rolle ASEANS und der enger werdenden Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten verpflichtet. Unter malaysischem Vorsitz wurde 2015 die ASEAN Economic Community ins Leben gerufen und verstärkte Malaysias regionale Einbettung. Malaysia nimmt in der Organisation eine wichtige Rolle ein. Zusätzlich zu den ASEAN-zentrierten regionalen Aktivitäten ist Malaysia Mitglied in einer Vielzahl anderer internationaler und regionaler Organisationen religiöser ([[Organisation für Islamische Zusammenarbeit]]) wie wirtschaftlicher Ausprägung, darunter auch solche der Süd-Süd-Zusammenarbeit. Zu den beiden bedeutendsten Partnern außerhalb der ASEAN – China und USA – ist Malaysia auf Interessenausgleich ausgerichtet. Das Verhältnis zu China wird als „Umfassende strategische Partnerschaft“ qualifiziert. Es ist durch intensive wirtschaftliche Kontakte sowie ausländische Direktinvestitionen Chinas in Malaysia sowie dessen vielfältigen kulturellen und wissenschaftliche Verbindungen geprägt. China ist Malaysias wichtigster Handelspartner. Ein besonderer Aspekt der Beziehung ist der Umstand, dass ein gutes Fünftel der malaysischen Bevölkerung chinesisch-stämmig ist. Konkurrierende Gebietsansprüche im süd-chinesischen Meer konnten bisher aber nicht geklärt werden. Die Beziehungen zu den westlichen Ländern einschließlich der USA, Australien und der EU bleiben von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Sicherheitspolitik, Handel und Investitionen sowie den Technologietransfer und den Studentenaustausch.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Startseite_node.html |titel=Auswärtiges Amt |abruf=2017-07-19}}</ref><br />
<br />
Zu allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bestehen gute Beziehungen. Der Europäische Auswärtige Dienst ist in Kuala Lumpur vertreten. Großbritannien als ehemalige Kolonialmacht nimmt eine Sonderstellung ein.<br />
<br />
=== Menschenrechte ===<br />
Im Mai 2018 wurde Mahathir Mohamad überraschend Premierminister. Zu seinen Wahlversprechen zählten unter anderem die Stärkung der Menschenrechte in Malaysia.<ref name="dwAbschaffungTodesstrafe" /><br />
<br />
;Todesstrafe<br />
Die Todesstrafe steht in Malaysia unter anderem auf Mord, Entführung, Terrorismus, Schusswaffenbesitz und Drogenhandel, teilweise zwingend. Sie wird in Anlehnung an die Durchführung in der britischen Kolonialzeit durch Erhängen vollzogen. (Stand 2018). Ende 2018 warten laut Angaben der Regierung in den Todestrakten malaysischer Gefängnisse fast 1200 Verurteilte auf die Vollstreckung des Todesurteils.<ref name="dwAbschaffungTodesstrafe">[https://www.dw.com/de/malaysia-plant-abschaffung-der-todesstrafe/a-45842652 Malaysia plant Abschaffung der Todesstrafe]</ref><br />
<br />
Das Parlament berät seit Oktober 2018 über einen Kabinettsbeschluss, welcher die Abschaffung der Todesstrafe vorsieht. Die Regierung hat in diesem Zuge alle Exekutionen ausgesetzt. 2017 wurden die letzten Exekutionen in Malaysia durchgeführt.<ref>[https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/malaysia Amnesty Report Malaysia 23. Mai 2018 Malaysia 2017/18]</ref><br />
<br />
2013 wurden noch mehr als 100 Todesurteile jährlich in Malaysia gefällt, 70 % wegen Drogenschmuggels. Jedoch wurden sie selten vollstreckt.<ref>[https://www.welt.de/vermischtes/article119990035/Drogenschmuggel-Todesurteil-gegen-Deutschen.html Drogenschmuggel – Todesurteil gegen Deutschen] - Welt</ref><br />
<br />
;Rechtliche Stellung Homosexueller<br />
{{Hauptartikel|Homosexualität in Malaysia}}<br />
<br />
Homosexualität ist in Malaysia – im Gegensatz zu den meisten anderen benachbarten südostasiatischen Staaten – grundsätzlich strafbar. Aus diesem Grund existieren auch keine Antidiskriminierungsvorschriften zum Schutz der sexuellen Orientierung oder eine offizielle Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare. Vielmehr ist zu beobachten, dass vorsichtigen Versuchen, in der Öffentlichkeit und den Medien eine objektive Thematisierung zu erreichen, zunehmend staatliche Repression entgegengesetzt wird.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,806347,00.html Malaysia macht Jagd auf Homosexuelle], Spiegel-Online vom 1. Januar 2012; Zugriff am 1. Januar 2012</ref><br />
<br />
Im Februar 2015 wurde der malaysische Oppositionsführer [[Anwar Ibrahim]] wegen eines angeblichen homosexuellen Verhältnisses mit einem Mitarbeiter zu fünf Jahren Haft verurteilt.<ref>[https://www.welt.de/politik/ausland/article137305790/Oppositionschef-muss-wegen-Homosexualitaet-in-Haft.html Oppositionschef muss wegen Homosexualität in Haft], Die Welt Online vom 10. Februar 2015</ref> Anwar selbst und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch kritisierten das Verfahren als politisch motiviert.<br />
<br />
=== {{Anker|Emergency}} Militär ===<br />
{{Hauptartikel|Streitkräfte Malaysias}}<br />
<br />
Die Streitkräfte Malaysias ''(Angkatan Tentera Malaysia)'' unterteilen sich bei einer Gesamtstärke von knapp über 100.000 aktiven Soldaten in [[Malaysisches Heer|Heer]], [[Malaysische Luftstreitkräfte|Luftstreitkräfte]] und [[Malaysische Marine|Marine]]. Die Streitkräfte von Malaysia können ihre Geschichte auf frühere militärische Einheiten zurückführen, die bereits unter [[Vereinigtes Königreich|britischer]] Kolonialherrschaft entstanden. Die Briten konzentrierten ihre Soldaten, deren Mannschaften üblicherweise aus Indien stammten, in [[Singapur]]. In den Sultanaten wurden nur bewaffnete Polizeieinheiten aus Indern aufgestellt,<ref>Patrick Morrah: ''The History of the Malayan Police'', Journal of the Malayan Branch, Royal Asiatic Society, Vol. XXXVI (1963), Pt. 2, No. 202, S. 46–79</ref> so die ''1st Perak Sikhs'' (1874), ''Selangor Military Force'' (1875, 530 Mann) sowie ''Sungei Ujung Police'' (1874). Im Vertrag 1895 verpflichteten sich die Fürsten kollektiv die ''Malay States Guides''<ref>siehe auch: [[SMS Emden (1908)]] (Meuterei der Bewacher 1915 in Singapur)</ref> zu finanzieren, die aus den Polizeitruppen gebildet wurden. Dazu kam das ''1st Battalion Perak Sikhs.'' Sämtliche dieser Söldner wurden im [[Punjab]] rekrutiert und von Briten kommandiert. Eine europäische Miliz, die ''Malay States Volunteer Rifles'' wurde 1902 aufgestellt (1911: 561 Mann, 22 Offiziere, 6 Monate Ausbildung). Die ''First Malay Experimental Company'' wurde am 1. März 1933 aufgestellt und bestand aus malaiischen Rekruten und britischen Ausbildern. 1935 wurde sie zum ''Malay Regiment'' aufgewertet, kurze Zeit später wurden erstmals auch Malaien als Offiziere eingesetzt, statt wie zuvor lediglich als einfache Mannschaften. Als Japan im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] große Teile Südostasiens eroberte, beteiligte sich das auf nun 1400 Soldaten angewachsene Malay Regiment zusammen mit britischen Einheiten an der letztlich erfolglosen Verteidigung der malaiischen Halbinsel und Singapurs. Während der japanischen Besatzungszeit wurde es aufgelöst.<ref>Lim Kai Tong (1999): ''[http://habitatnews.nus.edu.sg/heritage/pasirpanjang/articles/the_malay_regiment-lim_kay_tong1999.html The Malay Regiment – "Ta'at Dan Setia": 1933-1945]''.</ref><ref name="Blackburn">Kevin Blackburn: ''The commemoration and memory of the Malay Regiment in modern Malaysia and Singapore''. In: Karl Hack / Tobias Rettig (Hrsg.): ''Colonial armies in Southeast Asia'', Routledge: Oxon, New York 2006, ISBN 0-415-33413-6, S. 302–326.</ref> Das Malay Regiment, das bereits im September 1945 mit den überlebenden Veteranen der Vorkriegseinheit wiederaufgestellt worden war, wurde konstant verstärkt und hatte 1953 eine Stärke von sieben Bataillonen bzw. etwa 5000 Soldaten erreicht. 1952 wurden zusätzlich das ''Federation Regiment'' und die ''Federation Armoured Car Squadron'' gegründet. Die [[Föderation Malaya]] (zu diesem Zeitpunkt noch britische Kolonie) verfügte nun erstmals über eine de jure eigene Armee. Am 31. August 1957 erlangte die Föderation Malaya, bestehend aus den neun malaiischen Sultanaten sowie den beiden Straits Settlements [[Penang]] und [[Malakka]], ihre Unabhängigkeit. Die ''[[Malayan Emergency]]'', der Kampf mit der ''Malayan Races Liberation Army'' (MRLA) dauerte bis 1960. Am 16. September 1963 wurde eine neue Föderation unter dem Namen ''Malaysia'' gegründet, welche zusätzlich die britische Kronkolonie Singapur sowie die Protektorate [[Nordborneo]] (heute [[Sabah]]) und [[Sarawak]] umfasste. Die heutigen Streitkräfte wurden aus den Einheiten der Föderation Malaya und den ''Sarawak Rangers'' formal neu gegründet. Die frühen Jahre waren durch territoriale Ansprüche der Nachbarn bestimmt, insbesondere durch die von Indonesien veranlasste [[Konfrontasi]] (1963–1966),<ref>{{Webarchiv|url=http://untreaty.un.org/unts/1_60000/16/16/00030780.pdf|text=United Nations Treaty Registered No. 8029, Manila Accord between Philippines, Federation of Malaya and Indonesia (31. Juli 1963)|wayback=20120111082831}}</ref><ref>[http://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%20608/v608.pdf United Nations Treaty Series No. 8809, Agreement relating to the implementation of the Manila Accord] (PDF-Datei; 5,56&nbsp;MB)</ref> durch das Ausscheiden Singapurs aus der Föderation im Jahre 1965<ref>[http://statutes.agc.gov.sg/non_version/cgi-bin/cgi_getdata.pl?actno=1997-REVED-INDEP&doctitle=INDEPENDENCE%20OF%20SINGAPORE%20AGREEMENT%201965%0A&date=latest&method=part&sl=1&segid=888373490-000001#888373490-000001 PROCLAMATION OF SINGAPORE]</ref> sowie durch den [[Nordborneo-Disput]], in dem die Philippinen den Anspruch auf Sabah (das frühere [[Nord-Borneo]]) geltend machen wollen. Die Streitkräfte von Malaysia wurden dabei im Rahmen des [[ANZAM]] und des [[Anglo-Malayan Defense Agreement]] bis 1971 von Australien und Großbritannien unterstützt. Ab den 1990er Jahren wurden die Streitkräfte von Malaysia umfassend modernisiert. Zudem beteiligte sich Malaysia an weltweiten [[Friedensmission]]en.<br />
<br />
Malaysia gab 2017 knapp 1,1 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 3,5 Milliarden Dollar für seine Streitkräfte aus.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.sipri.org/|titel=Home {{!}} SIPRI|sprache=en|abruf=2017-07-10}}</ref><br />
<br />
=== Polizei ===<br />
{{Hauptartikel|Polis Diraja Malaysia}}<br />
<br />
Die Polis Diraja Malaysia (Königliche malaysische Polizei) ist die Polizeibehörde von Malaysia. Ihr zugehörig ist auch die Spezialeinheit [[Pasukan Gerakan Khas]].<br />
<br />
=== Feuerwehr ===<br />
In der [[Feuerwehr in Malaysia]] waren im Jahr 2019 landesweit 8.928 [[Berufsfeuerwehr|Berufs-]] und 11.338 [[Freiwillige Feuerwehr|freiwillige Feuerwehrleute]] organisiert, die in 193 Feuerwachen und [[Feuerwehrhaus|Feuerwehrhäusern]], in denen 426 [[Löschfahrzeug]]e und 25 [[Drehleiter]]n bzw. [[Teleskopmast (Feuerwehr)|Teleskopmasten]] bereitstehen, tätig sind.<ref name="CTIF-WFS01">{{Internetquelle |autor=Nikolai Brushlinsky, Marty Ahrens, Sergei Sokolov, Peter Wagner |url=https://www.ctif.org/sites/default/files/2021-06/CTIF_Report26.pdf |titel=Welt-Feuer-Statistik Ausgabe Nr. 26-2021 |titelerg=Tabelle 1.13: Personal und Ausstattung der Feuerwehren der Staaten in 2010–2019 |hrsg=Weltfeuerwehrverband [[CTIF]] |datum=2021 |abruf=2022-02-18 |format=PDF}}</ref> Die nationale Feuerwehrorganisation ''Jabatan Bomba dan Penelamat Malaysia'' repräsentiert die malaiische Feuerwehren.<ref name="FM07">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.bomba.gov.my/operasi-kebombaan-dan-penyelamat-bahagian/ |titel=Fire and Rescue Operations Division |titelerg= |hrsg=Jabatan Bomba dan Penelamat Malaysia |datum= |abruf=2022-05-25 |sprache=en |format= }}</ref><br />
<br />
== Wirtschaft ==<br />
{{Hauptartikel|Wirtschaft Malaysias}}<br />
<br />
[[Datei:View on Petronas Towers.JPG|mini|[[Petronas Towers]] in [[Kuala Lumpur]]]]<br />
[[Datei:Proton Suprima S Front Three Quarter Facing Left.jpg|mini|Modell des Automobilherstellers [[Proton (Automobilhersteller)|Proton]]]]<br />
<br />
=== Allgemein ===<br />
Malaysia ist ein an Bodenschätzen und Rohstoffen ([[Zinn]], [[Naturkautschuk|Kautschuk]], [[Palmöl]], [[Erdöl]]) reiches Land. Zudem beheimatet Malaysia die Automobilhersteller [[Inokom]], [[Perodua]] und [[Proton (Automobilhersteller)|Proton]] sowie den Ölmulti [[Petronas]]. Seit Beginn der 1990er-Jahre erfolgte eine rasante industrielle Entwicklung, die das Land in die Reihe der aufstrebenden [[Schwellenland|Schwellenländer]] aufrücken ließ.<br />
<br />
Malaysia gilt ökonomisch und politisch als eines der stabilsten Länder Südostasiens, in dem die Konvergenz von Tradition und Moderne, [[Islam]] und [[Kapitalismus]] propagiert wird. Es ist Mitglied der [[ASEAN]], der [[Gruppe der acht Entwicklungsländer|D-8]] und der [[G15]]. Durch diese Ausrichtung erfuhr das Land einen grundlegenden Wandel von einem zuvor mehrheitlichen Agrarstaat hin zu einem technisierten und kapitalintensiven Industriestandort mit hohem Entwicklungspotenzial. Das Land hat sich seit den Neunzigern stark für ausländische Investoren geöffnet. Ein weiterer Vorteil ist die weltweite Vernetzung der chinesischen ("Bambus-Netzwerk") und indischen Minderheit des Landes.<br />
<br />
Die Wirtschaft ist trotz einiger Liberalisierungsmaßnahmen weiter staatsseitig reguliert. Der Staatsfonds [[Khazanah Nasional]] wirkt als strategischer Arm der Regierung und investiert in zahlreiche Branchen. Ethnische Malaien werden gegenüber Ausländern und malaysischen Chinesen im Geschäftsleben vielfach bevorzugt.<br />
<br />
Die ab 1997 auftretende [[Asienkrise]] traf allerdings auch Malaysia, doch hat sich die Wirtschaft inzwischen wieder erholt und verzeichnet ein erneutes Wachstum von etwa 5 bis 6 %. Im Jahr 2012 wurden mehr als 600 Fusionen- und Akquisitionen im Wert von mehr als 23 Mrd. USD mit der Beteiligung von malaysischen Unternehmen angekündigt.<ref>[http://www.imaa-institute.org/statistics-mergers-acquisitions.html#MergersAcquisitions_Malaysia Institute of Mergers, Acquisitions and Alliances (IMAA)]; Zugriff am 4. April 2013</ref> Die Inflationsrate betrug 2017 etwa 3,8 %. Das [[Bruttoinlandsprodukt]] betrug im Jahre 2016 9.360 [[US$]] pro Einwohner (Vergleichbar mit Russland). Die Arbeitslosenquote wird 2016 mit 3,4 % angegeben und liegt damit relativ niedrig. Unterbeschäftigung ist dabei nicht einberechnet. 2012 arbeiteten 11 % aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, 36 % in der Industrie und 53 % im Dienstleistungssektor. Die Gesamtzahl der Beschäftigten wird für 2017 auf 14,9 Millionen geschätzt, davon 38,1 % Frauen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2129.html |titel=The World Factbook — Central Intelligence Agency |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160821073349/https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/2129.html |archiv-datum=2016-08-21 |archiv-bot= |abruf=2018-08-06}}</ref> [[Arbeitsmigrant]]en machen 20 bis 30 Prozent der Belegschaften in Malaysia aus. Insgesamt leben (Stand 2021) etwa vier bis sechs Millionen Einwanderer in Malaysia. Die meisten Arbeitsmigranten kommen aus [[Nepal]], [[Bangladesch]], [[Indonesien]] oder [[Myanmar]]. Die malaysischen Löhne sind für die Menschen eine Chance, ihre Familien in den Heimatländern besser zu versorgen. Im Jahr 2018 überwiesen ausländische Arbeiter mehr als [umgerechnet] 8,4 Milliarden Euro an ihre Familien ins Ausland.<ref name=":2" /><br />
<br />
Tourismus hat eine hohe Bedeutung für die Wirtschaft des Landes. Mit über 26,7 Millionen Touristen stand Malaysia 2016 auf Platz 12 der meistbesuchten Länder der Welt. Die Tourismuseinnahmen beliefen sich im selben Jahr auf über 18 Mrd. US-Dollar. Die am häufigste besuchte Stadt in Malaysia ist Kuala Lumpur. Die meisten Besucher im Land kommen aus Singapur, Indonesien und der Volksrepublik China.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.e-unwto.org/doi/pdf/10.18111/9789284419029 |titel=UNWTO 2017 |werk= |hrsg=World Tourism Organization |datum= |abruf=2018-08-14}}</ref><br />
<br />
Im [[Global Competitiveness Report]] des [[World Economic Forum]] belegte Malaysia 2016 Platz 25 weltweit, damit war es das asiatische Land mit der sechsthöchsten Wettbewerbsfähigkeit. Im [[Index für wirtschaftliche Freiheit]] belegt das Land 2017 Platz 23 von 180 Ländern.<ref>[http://www.heritage.org/index/ranking heritage.org]</ref><br />
<br />
=== Außenhandel ===<br />
Malaysia ist sehr exportorientiert und hat sich als Vollmitglied der Welthandelsorganisation sowie in ASEAN und APEC für den Abbau von Handelsschranken engagiert. Das Außenhandelsvolumen entspricht dem 1,2-fachen des Bruttosozialproduktes. Damit ist die Inlandskonjunktur auch von der Nachfrage in den Hauptabsatzmärkten abhängig. Die wichtigsten Exportgüter sind elektronische Güter (36,6 %). Der Anteil von Rohöl, Ölprodukten, Flüssiggas (LNG), von Palmöl, Palmölprodukten und Kautschukprodukten an den malaysischen Exporten ist weiterhin auf nunmehr noch rd. 22 Prozent gesunken. Zu Beginn 2017 können wieder leicht steigende Rohstoffpreise verzeichnet werden. Durch die relativ erfolgreiche Positionierung der herstellenden Industrie wuchsen die malaysischen Exporte 2016 um 1,5 Prozent.<br />
<br />
Wichtigster Handelspartner ist seit 2009 die Volksrepublik China. Die Top 10 Handelspartner liegen mit Ausnahme der USA in der Region. Der Gesamtanteil der EU-Mitgliedstaaten am Außenhandel Malaysias lag bei konstant 10,1 Prozent. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner in der EU. Der Außenhandel mit Deutschland stieg 2016 an und liegt nun bei rund 12,3 Mrd. EUR. Die deutschen Exporte nach Malaysia waren mit 4,8 Mrd. EUR annähernd auf Vorjahresniveau, die Einfuhren nach Deutschland stiegen um 4,5 Prozent auf 7,6 Mrd. EUR. Damit weist Deutschland mit Malaysia eine negative Handelsbilanz von 2,8 Mrd. € aus.<ref>{{Internetquelle |autor=Germany Trade and Invest GmbH |url=http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/suche.html?formId=341350&toggleFacet%5Bcountry%5D=MALAYSIA= |titel=GTAI - Suche |abruf=2017-07-19}}</ref><br />
<br />
=== Kennzahlen ===<br />
{| class="wikitable" style="width:60%; text-align:right;"<br />
|+ Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), real Weltbank<ref>{{Internetquelle |url=http://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.KD.ZG?locations=MY |titel=GDP growth (annual %) |hrsg=Data |sprache=en-US |abruf=2022-07-04}}</ref><br />
| Jahr<br />
| 2006<br />
| 2007<br />
| 2008<br />
| 2009<br />
| 2010<br />
| 2011<br />
| 2012<br />
| 2013<br />
| 2014<br />
| 2015<br />
| 2016<br />
|2017<br />
|2018<br />
|2019<br />
|2020<br />
|2021<br />
|-<br />
| Veränderung in % gg. Vj.<br />
| 5,6<br />
| 9,4<br />
| 3,3<br />
| −2,5<br />
| 7,0<br />
| 5,3<br />
| 5,5<br />
| 4,7<br />
| 6,0<br />
| 5,1<br />
| 4,4<br />
|5,8<br />
|4,8<br />
|4,4<br />
|−5,6<br />
|3,1<br />
|}<br />
{| class="wikitable" style="width:60%; text-align:right;"<br />
|+ Entwicklung des BIP (nominal), Weltbank<ref>{{Internetquelle |url=http://data.worldbank.org/country/malaysia |titel=Malaysia {{!}} Data |sprache=en-US |abruf=2022-07-04}}</ref><br />
! colspan="4" style="width:280px;"| absolut (in Mrd. USD)<br />
! colspan="4" style="width:280px;"| je Einwohner (in Tsd. USD)<br />
|-<br />
|style="text-align:left;"| Jahr<br />
| 2010<br />
| 2015<br />
| 2021<br />
|style="text-align:left;"| Jahr<br />
| 2010<br />
| 2015<br />
| 2021<br />
|-<br />
|style="text-align:left;"| BIP in Mrd. $<br />
| 255,0<br />
| 301,5<br />
| 372,7<br />
|style="text-align:left;"| BIP je Einw. (in Tsd. $)<br />
| 9,0<br />
| 10,0<br />
| 11,3<br />
|}<br />
{| class="wikitable" style="width:60%; text-align:right;"<br />
! colspan="7"| Entwicklung des Außenhandels (GTAI)<ref name="gtai.de">{{Internetquelle |autor=Germany Trade and Invest GmbH |url=http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftsdaten-kompakt,t=wirtschaftsdaten-kompakt--malaysia,did=1584638.html |titel=GTAI – Wirtschaftsdaten kompakt |abruf=2017-07-28}}</ref> in Mrd. US-Dollar und seine Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent<br />
|-<br />
|rowspan="2"|<br />
! colspan="2"| 2019<br />
! colspan="2"| 2020<br />
! colspan="2"| 2021<br />
|-<br />
|Mrd. USD<br />
|% gg. Vj.<br />
|Mrd. USD<br />
| % gg. Vj.<br />
| Mrd. USD<br />
|% gg. Vj.<br />
|-<br />
|style="text-align:left;"| Einfuhr<br />
| 205,0<td align="right">−6,0</td><br />
| 190,4 <br />
| −7,1<br />
| 238,2<br />
| +25,1<br />
|-<br />
|style="text-align:left;"| Ausfuhr<br />
| 240,2<br />
| −3,4<br />
| 234,1<br />
| −2,6<br />
| 299,2<br />
| +27,8<br />
|-<br />
|style="text-align:left;"| Saldo<br />
| +35,3<br />
| <br />
| +43,6<br />
| <br />
| +61,0<br />
| <br />
|}<br />
{| class="wikitable" style="width:60%"<br />
|+ Haupthandelspartner Malaysias (2021), Quelle: GTAI<ref name="gtai.de" /><br />
! colspan="2" style="width:280px"| Export (in Prozent) nach<br />
! colspan="2" style="width:280px"| Import (in Prozent) von<br />
|-<br />
| {{CHN}}<br />
|style="text-align:right;"| 15,5<br />
| {{CHN}}<br />
|style="text-align:right;"| 23,3<br />
|-<br />
| {{SGP}}<br />
|style="text-align:right;"| 14,0<br />
| {{SGP}}<br />
|style="text-align:right;"| 9,5<br />
|-<br />
| {{USA}}<br />
|style="text-align:right;"| 11,5<br />
| {{TWN}}<br />
|style="text-align:right;"| 7,6<br />
|-<br />
| {{HKG}}<br />
|style="text-align:right;"| 6,2<br />
| {{USA}}<br />
|style="text-align:right;"| 7,6<br />
|-<br />
| {{JPN}}<br />
|style="text-align:right;"| 6,1<br />
| {{JPN}}<br />
|style="text-align:right;"| 7,5<br />
|-<br />
| {{THA}}<br />
|style="text-align:right;"| 4,2<br />
| {{IDN}}<br />
|style="text-align:right;"| 5,7<br />
|-<br />
| {{VNM}}<br />
|style="text-align:right;"| 3,7<br />
| {{KOR}}<br />
|style="text-align:right;"| 5,1<br />
|-<br />
|{{UNO|#}} sonstige Staaten<br />
|style="text-align:right;"| 38,8<br />
|{{UNO|#}} sonstige Staaten<br />
|style="text-align:right;"| 33,8<br />
|}<br />
<br />
=== Staatshaushalt ===<br />
Der [[Haushaltsplan|Staatshaushalt]] umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 63,0 Mrd. [[US-Dollar]], dem standen Einnahmen von umgerechnet 52,4 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein [[Haushaltssaldo|Haushaltsdefizit]] in Höhe von 3,6 % des [[Bruttoinlandsprodukt|BIP]]. Die [[Staatsverschuldung]] betrug im dritten Quartal 2012 159 Mrd. US-Dollar oder 51,8 % des BIP.<ref>Ministry of Finance Malaysia: {{Webarchiv|url=http://www.treasury.gov.my/pdf/ekonomi/sukutahun3_2012.pdf |wayback=20130205102147 |text=Malaysian Economy, Third Quarter 2012}} (PDF; 660&nbsp;kB), S. 16; Zugriff am 18. Dezember 2012.</ref> Von der Ratingagentur [[Standard & Poor’s]] werden die Staatsanleihen des Landes mit der Note A− bewertet und der Ausblick gilt als stabil (Stand 2018). Das Land verfügt damit über eine relativ hohe Kreditwürdigkeit und kann neue Kredite zu moderaten Zinsen aufnehmen.<ref>{{Internetquelle |url=https://tradingeconomics.com/country-list/rating |titel=Credit Rating - Countries - List |abruf=2018-11-28}}</ref><br />
<br />
Aus dem 16,3 Mrd. US-Dollar umfassenden Budget für Entwicklungsausgaben,<ref name="mof">Ministry of Finance Malaysia: [http://www.treasury.gov.my/pdf/ekonomi/le/1213/chap4.pdf Ekonomic Report 2012/2013] (PDF; 961&nbsp;kB), Kapitel 4, S. 131–136; Zugriff am 18. Dezember 2012.</ref> investierte Malaysia 2012 in die Bereiche<br />
* [[Gesundheitssystem|Gesundheit]]:<ref name="mof" /> 622 Mio. US-Dollar (3,9 %),<br />
* [[Bildungssystem|Bildung]]:<ref name="mof" /> 2,8 Mrd. US-Dollar (17,4 %) und für<br />
* [[Sicherheit]]:<ref name="mof" /> 1,4 Mrd. US-Dollar (8,8 %).<br />
Die Ausgaben für Sicherheit gliedern sich in den Verteidigungshaushalt (1,2 Mrd. US-Dollar) und den Haushalt für die Innere Sicherheit (272 Mio. US-Dollar).<ref name="mof" /><br />
<br />
== Verkehr ==<br />
Dank hoher Investitionen und eines jahrzehntelangen Wirtschaftsaufschwungs verfügt Malaysia inzwischen über eine relativ leistungsfähige Infrastruktur. Im [[Logistics Performance Index]], der von der [[Weltbank]] erstellt wird, belegte Malaysia 2018 den 41. Platz unter 160 Ländern.<ref>{{Internetquelle |url=https://lpi.worldbank.org/international/global?sort=asc&order=International%20shipments#datatable |titel=Global Rankings 2018 {{!}} Logistics Performance Index |abruf=2018-09-14 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
=== Eisenbahn ===<br />
[[Datei:Rail admin building KL.jpg|mini|Verwaltungsgebäude der Eisenbahn in Kuala Lumpur]]<br />
[[Datei:Eisenbahngueterverkehr malaysia.PNG|mini|300px|Eisenbahngüterverkehr in Malaysia, Mio. [[Tonnenkilometer|tkm]], 2004–2006]]<br />
<br />
;Geschichte<br />
Die erste Eisenbahn in Malaysia führte von [[Taiping (Malaysia)|Taiping]] nach [[Port Weld]] und wurde am 1. Juni 1885 eröffnet. 1886 folgte eine [[Eisenbahnstrecke|Strecke]] von Kuala Lumpur zum Hafen von [[Klang (Stadt)|Klang]]. 1903 erreichte die Bahn im Norden [[Butterworth (Malaysia)|Butterworth]] gegenüber von [[Penang]] und im Süden [[Negri Sembilan]]. Ebenfalls 1903 wurde die Strecke von [[Singapur]] nach [[Woodlands (Singapur)|Woodlands]] eröffnet. 1910 war der durchgehende Eisenbahnverkehr zwischen Kuala Lumpur und Singapur möglich, allerdings verkehrte vom Festland nach Singapur noch eine [[Fähre]]. Die feste Verbindung, ein Straßen- und Eisenbahndamm, wurde erst 1923 fertiggestellt. Nachdem [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] 1909 die nördlichen Sultanate von [[Thailand]] zugunsten von Malaya [[Annexion|annektiert]] hatte, wurde die Bahn im Norden vorangetrieben. Der grenzüberschreitende Verkehr mit Thailand wurde 1918 in Betrieb genommen,<ref>B. R. Whyte: ''The Railway Atlas of Thailand, Laos and Cambodia''. White Lotus Co Ltd, Bangkok 2010, ISBN 978-974-480-157-9, S. 42.</ref> der östliche Grenzübergang bei [[Amphoe Su-ngai Kolok|Sungai Kolok]] zum 1. November 1921.<ref>B. R. Whyte: ''The Railway Atlas of Thailand, Laos and Cambodia''. White Lotus Co Ltd, Bangkok 2010, ISBN 978-974-480-157-9, S. 45.</ref> Die [[Bukit-Bunga-Ban-Buketa-Brücke]] ist die neueste Brücke nach Thailand.<br />
<br />
;Infrastruktur<br />
Die [[Eisenbahninfrastruktur]] von Malaysia umfasst 1792&nbsp;[[Eisenbahnstrecke|Streckenkilometer]] (Stand 2011).<ref name="SHB_2012_Bahn_Strasse">{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20131114015856/http://www.statistics.gov.my/portal/download_Handbook/files/BKKP/Buku_Maklumat_Perangkaan_2012.pdf |titel=Statistical Handbook Malaysia 2012 |hrsg=Department of Statistics Malaysia |datum=2013-05-15 |abruf=2013-10-08 |format=PDF |kommentar=malaiisch, englisch; PDF, 3,03 MB; Seite 45; PDF-Seite 71}}</ref> Davon sind 1735&nbsp;km in der für Malaysia historisch üblichen [[Meterspur]], 57&nbsp;km in [[Normalspur]] von 1435&nbsp;mm ausgeführt. Der überwiegende Teil des Netzes verläuft auf dem [[Malaiische Halbinsel|Festland]] und wird von der [[Keretapi Tanah Melayu]] (Malaiischen Eisenbahn) betrieben. Etwa 207&nbsp;km Strecke sind [[Bahnstrom|elektrifiziert]], die meisten davon befinden sich auf der Westseite der Halbinsel im Großraum Kuala Lumpur. Eine zweigleisige für eine Höchstgeschwindigkeit von 160&nbsp;km/h ausgelegte [[Neubaustrecke]] von Kuala Lumpur nach Ipoh wurde Anfang 2008 fertiggestellt. Nördlich Ipohs entsteht zurzeit die Verlängerung bis [[Padang Besar (Malaysia)|Padang Besar]] in der Nähe der Grenze zu Thailand im Rahmen des ''Electrified double track projects'' (EDTP). Diese soll im November 2014<ref name="Gamuda">{{Internetquelle |url=http://www.gamuda.com.my/mrt_railway_edtp.html |titel=Gamuda EDTP page |hrsg=Gamuda Berhad |datum=2012 |abruf=2014-03-24 |kommentar=englisch |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140623065435/http://gamuda.com.my/mrt_railway_edtp.html |archiv-datum=2014-06-23}}</ref> fertiggestellt sein und die Verbindung der Bundesstaaten Perak, Penang, Kedah und Perlis mit der Hauptstadt verbessern.<br />
<br />
Im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es zwei Strecken nach Thailand, die dort an die thailändische [[Südbahn (Thailand)|Südbahn]] anschließen. Im Süden besteht die grenzüberschreitende Verbindung nach Singapur. Die Züge verkehren allerdings seit Juli 2011 nur noch bis ''Woodlands Train Checkpoint'' (WTCP) und fahren den historischen Hauptbahnhof nicht mehr an.<br />
<br />
Darüber hinaus gibt es die [[Sabah State Railway|Keretapi Negeri Sabah]], die [[Staatsbahn]] des Bundesstaates [[Sabah]], die eine 134&nbsp;km lange Strecke in der Spurweite 1000&nbsp;mm auf [[Borneo]] betreibt.<br />
<br />
In Kuala Lumpur verkehren mit [[Kuala Lumpur Star Light Rail Transit]], [[Kuala Lumpur Putra Light Rail Transit]], [[KLIA-Ekspres]] und KLIA-CRS und [[Kuala Lumpur Monorail]] mehrere schienengebundene Nahverkehrsangebote.<br />
<br />
;Betrieb<br />
Preislich ist die Eisenbahn in Malaysia ein sehr günstiges Transportmittel. So kostet die [[Fahrkarte]] von Kuala Lumpur nach ''Woodlands Train Checkpoint'' im [[Schlafwagen]]abteil 1.&nbsp;Klasse mit Doppelbett, eigenem Bad und Frühstück etwa 35&nbsp;EUR <small>(Stand: 2014)</small>, im Sitzwagen entsprechend weniger.<br />
<br />
=== Straße ===<br />
[[Datei:Ölverbrauch Südostasiens ohne Singapure.jpg|mini|Täglicher [[Erdöl|Ölverbrauch]] einiger Länder in Südostasien, [[Liter]] pro Tag/Einwohner]]<br />
<br />
Aufgrund der britischen Kolonialvergangenheit herrscht [[Linksverkehr]]. Malaysia verfügt über etwa 125.800&nbsp;km befestigte Straße (Stand 2011),<ref name="SHB_2012_Bahn_Strasse" /> davon etwa 1.630&nbsp;km Autobahn. So verbindet der [[North-South Expressway (Malaysia)|North-South Expressway]] etwa den Nordzipfel von Malaysia an der Grenze zu Thailand mit [[Johor Bahru]] an der Grenze zu Singapur im Süden. Die Autobahnen sind größtenteils [[maut]]pflichtig, die Gebühr wird dabei direkt an Ort und Stelle an Mautstationen kassiert.<br />
<br />
Während in den Ballungszentren die Straßen vorbildlich ausgebaut sind, findet man abseits der dicht besiedelten Gebiete, speziell in Ostmalaysia oder an der Ostküste der malaiischen Halbinsel, zahlreiche Straßen ohne Asphalt. Aufgrund der schlecht ausgebauten Straßen in abgelegenen Gegenden Ostmalaysias sind dort Wasserwege und Schiffsverbindungen besonders von Bedeutung.<br />
<br />
Ende 2011 waren in Malaysia über 21,4 Millionen [[Kraftfahrzeug]]e registriert, davon knapp zehn Millionen [[Motorrad|Motorräder]].<ref name="SHB_2012_KFZ">{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20131114015856/http://www.statistics.gov.my/portal/download_Handbook/files/BKKP/Buku_Maklumat_Perangkaan_2012.pdf |titel=Statistical Handbook Malaysia 2012 |hrsg=Department of Statistics Malaysia |datum=2013-05-15 |abruf=2013-10-08 |format=PDF |kommentar=malaiisch, englisch; PDF, 3,03 MB; Seite 46; PDF-Seite 72}}</ref> Der Staat subventioniert den Verkauf von Benzin, Diesel und Flüssiggas und legt einen verbindlichen Verkaufspreis fest. Der Benzinpreis für RON 95 liegt seit 1. Oktober 2014 bei RM&nbsp;2,30 pro Liter umgerechnet EUR&nbsp;0,56 (Kurs: 2. Nov 2014).<br />
<br />
2013 kamen in der Malaysia insgesamt 24 Verkehrstote auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Jahr 4,3 Tote. Insgesamt kamen damit über 7.000 Personen im Straßenverkehr ums Leben.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/2015/en/ |titel=Global status report on road safety 2015 |abruf=2018-03-30 |sprache=en-GB}}</ref><br />
<br />
{{Siehe auch|Liste der Autobahnen in Malaysia}}<br />
<br />
=== Wasserwege ===<br />
Wichtige Seehäfen befinden sich in den Städten [[Tanjong Kidurong]], [[Kota Kinabalu]], [[Kuching]], [[Pasir Gudang]], [[Penang]], [[Port Klang]], [[Sandakan]] und [[Tawau]]. Daneben verfügt das Land über etwa 7200&nbsp;km schiffbarer Wasserwege, wobei sich davon 4000&nbsp;km in Ostmalaysia befinden.<br />
<br />
=== Luftfahrt ===<br />
Malaysia hat, nicht zuletzt wegen seiner Geographie, ein sehr dichtes Netz von Inlandsflugverbindungen. Die nationale Fluglinie des Landes heißt [[Malaysia Airlines]], daneben ist mit [[Air Asia]] die erste [[Billigfluglinie]] Südostasiens in Kuala Lumpur beheimatet. Malaysia Airlines bedient zahlreiche Flughäfen innerhalb Malaysias und Südostasiens, bietet aber auch Langstreckenflüge in Richtung Europa und Nordamerika an. Der größte und wichtigste Flughafen des Landes ist der [[Flughafen Kuala Lumpur|Kuala Lumpur International Airport]], er wurde im Jahre 1998 eröffnet.<br />
<br />
== Kultur ==<br />
[[Datei:Hibiskusbluete.jpg|mini|Hibiskusblüte]]<br />
<br />
* Der [[Hibiskus]] ist die [[Nationalblume]] von Malaysia.<br />
* Der bekannteste malaysische Zeichner und [[Karikatur]]ist ist [[Lat (Zeichner)|Lat]].<br />
<br />
{{siehe auch|Liste malaysischer Schriftsteller}}<br />
<br />
=== Medien ===<br />
Die Medien Malaysias sind nicht unabhängig. Ein rigider gesetzlicher Rahmen schränkt ihre freie Entfaltung ein, beispielsweise der ''Printing Presses and Publications Act'' (PPPA) von 1984. Dieses Gesetz regelt das Drucken, Importieren, Reproduzieren, Veröffentlichen und Verteilen von Publikationen. Der Innenminister gibt jährliche Lizenzen für Druckerzeugnisse heraus, die jederzeit widerrufen werden können. Bei Nichteinhaltung drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.<br />
<br />
Die staatliche Nachrichtenagentur [[BERNAMA]] besitzt die Exklusivrechte zur Verbreitung von Wirtschaftsdaten, Nachrichtenbildern und anderem Material über die Printmedien. Die Mehrzahl der klassischen Medienprodukte (Print und Fernsehen sowie Radio) ist in Regierungshand oder gehört regierungsnahen Unternehmen. Oppositionelle Medien gibt es kaum.<br />
<br />
Neue Medien sind stark im Kommen. 2008 kamen auf 100 Einwohner 100 Mobiltelefone. Im Jahr 2019 nutzten 84 Prozent der Einwohner Malaysias das [[Internet]].<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/IT.NET.USER.ZS?most_recent_value_desc=true |titel=Individuals using the Internet (% of population) |hrsg=[[Weltbank]]|abruf=2021-05-04 |sprache=en}}</ref> Obwohl sich das Internet freier entfalten kann als die klassischen Medien, ist auch hier ein Trend zur Kontrolle und Zensur erkennbar. Vor allem kritische politische [[Blog]]s, Online-Zeitungen und Diskussionsforen werden von den Behörden stärker überwacht. Diese erfreuen sich in der Bevölkerung großer Beliebtheit.<ref>[http://www.kas.de/wf/de/33.19710/ Knirsch, Thomas S. / Kratzenstein, Patrick: „Pressefreiheit, Neue Medien und politische Kommunikation in Malaysia – Eine Gesellschaft im Wandel“. KAS-Auslandsinformationen 6/2010], S. 103 ff.</ref><br />
<br />
=== Sport ===<br />
Von 1999 bis 2017 wurde im Automobilsport (Formel 1) jährlich auf dem [[Sepang International Circuit]] der [[Großer Preis von Malaysia|Große Preis von Malaysia]] ausgetragen.<br />
<br />
Zu den populärsten Sportarten in Malaysia gehören [[Badminton]], Fußball und Hockey. Vor allem der Badmintonsport hat in Malaysia eine große Tradition. Das [[Silat]] gilt als traditionelle Kampfkunst der Malaien.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* CHEVALLIER-GOVERS, Constance, Malaysia and the European Union: A Partnership for the 21st Century, (co-direction avec Marcinkowski C. & Harun R.), LIT Verlag, 2011, 271 p.<br />
* CHEVALLIER-GOVERS, Constance, Shariah and Legal Pluralism in Malaysia, Islam and Civilisational Renewal, Octobre 2010, pp. 91–108.<br />
* Alois Karl Leinweber: ''Leben und Arbeiten in Malaysia.'' GD Gentlemen’s Digest, Berlin 2007, ISBN 978-3-939338-26-0.<br />
* {{Internetquelle |autor=[[Jürgen Kremb]] |hrsg=[[Spiegel Online]] |url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,495440,00.html |titel=Todesdrohungen im Paradies |datum=2007-07-24 |abruf=2019-06-23}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikivoyage}}<br />
* [http://www.malaysia.gov.my/ Webauftritt der Regierung Malaysias]<br />
* {{GIGAGEO|RI02.13}}<br />
* [http://www.iten-online.ch/klima/asien/malaysia/malaysia.htm Klimadiagramme und Klimatabellen von Malaysia]<br />
* [http://www.kl-post.com.my/ KL-POST – Info-Magazin für Deutschsprachige in Malaysia]<br />
* [http://www.agc.gov.my/images/Personalisation/Buss/pdf/Federal%20Consti%20(BI%20text).pdf Volltext der malaysischen Verfassung] (PDF; 3,0&nbsp;MB)<br />
* [https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/malaysia-node Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes zu Malaysia]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive/><br />
<br />
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}}<br />
<br />
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<br />
[[Kategorie:Malaysia| ]]<br />
[[Kategorie:Föderale Monarchie (Staat)]]<br />
[[Kategorie:Königreich]]<br />
[[Kategorie:Staat in Asien]]<br />
[[Kategorie:Mitgliedstaat der Vereinten Nationen]]<br />
[[Kategorie:Südostasien]]<br />
[[Kategorie:Mitgliedstaat des Commonwealth of Nations]]<br />
[[Kategorie:Mitgliedstaat der ASEAN]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Turbolader&diff=227504882Turbolader2022-10-31T04:54:15Z<p>Designer2k2: /* Verwendung bei PKW und Motorrädern */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Turbocharger.jpg|mini|Abgasturbolader im Schnitt; links die Turbinenseite (Abgas), rechts der Verdichter (Ansaugluft)]]<br />
[[Datei:Turbolader LKW.jpg|mini|Turbolader an einem Schauraum-[[Motorblock]] eines Lkw]]<br />
<br />
Als '''Turbolader''', auch '''Abgasturbolader''' ('''ATL''') oder [[Umgangssprache|umgangssprachlich]] auch ''Turbo'', wird ein Bauteil zur Verdichtung der einem [[Verbrennungsmotor]] zugeführten Luft bezeichnet ([[Motoraufladung]]). Die [[Motorleistung]] oder die [[Wirkungsgrad|Effizienz]] wird gegenüber einem Motor, der die Luft lediglich ansaugt ([[Saugmotor]]), gesteigert. Der Turbolader ist ein Nebenaggregat des Verbrennungsmotors. Seine Arbeitsweise besteht darin, einen Teil der [[Energie]] des [[Abgas|Motorabgases]] mittels einer [[Turbine]] zu nutzen, um einen [[Verdichter]], meist einen [[Zentrifugalkompressor|Radialverdichter]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.turbos.borgwarner.com/de/products/turbochargerCompressor.aspx |titel=Aufbau und Funktionsweise Verdichter {{!}} BorgWarner Turbo Systems |abruf=2021-03-26 |sprache=de}}</ref>, anzutreiben. Durch den Verdichter wird der Luftdruck im Ansaugsystem erhöht, wodurch der Motor mehr Verbrennungsluft bzw. mehr für die Verbrennung notwendigen [[Sauerstoff]] erhält als ein nicht aufgeladener Saugmotor. Ein Saugmotor erhält die Verbrennungsluft nur durch den Unterdruck, den seine Kolben bei der Abwärtsbewegung im Zylinder erzeugen (Ansaugung).<br />
<br />
Ein Turbolader besteht aus einer [[Abgasturbine]], die die [[Energie]] der ausgestoßenen [[Abgas]]e nutzt und einen Verdichter antreibt, der die Zuluft des Motors verdichtet. Die Luftzuführung wird somit erhöht und die Ansaugarbeit der [[Kolben (Technik)#Anwendungsbeispiel Verbrennungskraftmaschine|Kolben]] vermindert. Turbolader sind meist auf das Nutzen des Drucks der Abgase ausgelegt (Stauaufladung), manche können zusätzlich deren [[Kinetische Energie|Bewegungsenergie]] nutzen (Stoßaufladung). Meist wird dem Verdichter ein [[Ladeluftkühler]] nachgeschaltet, der eine bessere Füllung bei geringerer Temperatur im [[Zylinder (Technik)|Zylinder]] erreichen kann.<br />
<br />
Erfinder des Turboladers ist der Schweizer [[Alfred Büchi]], der im Jahre 1905 ein [[Patent]]<ref>{{Patent|Erfinder=Alfred Büchi|Land=DE|V-Nr=204630|Titel=Verbrennungskraftmaschinenanlage|A-Datum=1905-11-16|V-Datum=1908-11-28}}</ref> über die ''Gleichdruck-'' oder auch ''Stauaufladung'' anmeldete. In den 1930er-Jahren wurden von der [[Adolph Saurer AG]] aus [[Arbon]] [[Dieselmotor|Diesel]]-[[Lastkraftwagen|Lastwagen]] als erste Straßenfahrzeuge mit Turbolader produziert.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.saureroldtimer.ch/5000geschichte/5200chronosaurer/index.html|wayback=20100728054359|text=www.saureroldtimer.ch}}</ref><br />
<br />
== Arbeitsweise{{Anker|Arbeitsweise eines Abgasturboladers}} ==<br />
Ein großer Teil der Verluste entsteht bei thermodynamischen Kreisprozessen wie dem [[Diesel-Kreisprozess|Diesel-]] oder dem [[Otto-Kreisprozess]] durch nicht genutzte Abgaswärme und den Abgas-Restdruck (typisch 0,5–1 bar Überdruck beim Saugmotor, beim Turbo 1–3 bar Überdruck), weil das Gas wegen des begrenzten [[Verdichtungsverhältnis]]ses nicht mehr weiter expandiert werden kann. Beim [[Saugmotor]] wird es ungenutzt in den [[Auspuff]] entlassen. Effektiver ist es, einen Teil dieser Restenergie durch weitere Expansion in einer [[Abgasturbine]] zurückzugewinnen.<br />
Zum Anlaufen wird die Druckdifferenz genutzt. Danach vor allem die Wärmeenergie der Abgase.<br />
Nur beim Hochlaufen ist der Turbinenteil eine Strömungsmaschine. Danach zum größten Teil eine Wärmekraftmaschine. Daher kommt die Wirkungsgradsteigerung.<br />
<br />
Die Wellenleistung dieser hochtourigen Abgasturbine kann auf verschiedene Weisen genutzt werden:<br />
* Sie kann untersetzt auf die [[Kurbelwelle]] des Motors gekoppelt werden ([[Turbo-Compound-Motor]]).<br />
* Sie kann einen [[elektrischer Generator|elektrischen Generator]] antreiben, der eine sonst von der Kurbelwelle anzutreibende [[Lichtmaschine]] entlastet oder sogar überflüssig macht.<br />
* Die von der Abgasturbine gewonnene Leistung kann über einen [[Verdichter]] die Ladeluft komprimieren. Das hat mehrere Effekte:<br />
** Im Ansaugtakt wird der Kolben mit Überdruck angetrieben, statt wie beim [[Saugmotor]] gegen Unterdruck arbeiten zu müssen.<br />
** Der Liefergrad erhöht sich, es gelangt mehr Luft in den Brennraum, wodurch sich auch die Leistung und der Wirkungsgrad des Motors erhöht.<br />
<br />
In jüngerer Zeit werden kaum noch von der Kurbelwelle angetriebene [[Verdichter]] (umgangssprachlich auch als [[Kompressor]] bezeichnet) wie [[Drehkolbenverdichter]] oder [[Roots-Gebläse]] verwendet, da die günstig verfügbare Leistung einer Abgasturbine genutzt werden kann.<br />
<br />
=== Aufladung beim Viertakt-Motor ===<br />
Beim Viertakt-[[Saugmotor]] erzeugen die Kolben im [[Viertaktmotor#Takt 1: Ansaugen|Ansaugtakt]] einen [[Unterdruck]], in den unter Atmosphärendruck stehende Luft oder [[Kraftstoff-Luft-Gemisch]] einströmt. Bei niedrigen Drehzahlen bleibt genügend Zeit, so dass sich der Verbrennungsraum nahezu vollständig mit [[Frischladung]] füllt. Mit steigender Drehzahl jedoch öffnet das [[Einlassventil]] immer kürzer und mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit im Ansaugtrakt anwachsende Druckverluste behindern die Füllung des Zylinders, der [[Liefergrad]] nimmt ab und immer weniger Frischladung steht zur Verfügung. Durch Erhöhen des von außen wirkenden Drucks mit einem Turbolader wird daher vor allem bei hoher Drehzahl wesentlich mehr Frischladung in den Zylinder gepresst, was das [[Drehmoment]] und dementsprechend die erreichbare [[Motorleistung]] steigert.<br />
<br />
[[Datei:Diesel engine Uniflow.PNG|mini|hochkant=0.75|[[Zweitakt-Dieselmotor]] mit gesteuertem [[Auslassventil]] ([[Längsspülung]])]]<br />
<br />
=== Aufladung beim Zweitakt-Motor ===<br />
Bei [[Zweitaktmotor]]en wird während des Durchlaufens des unteren [[Totpunkt]]s in kurzer Zeit gleichzeitig [[Frischladung]] in den Zylinder gedrückt und dabei die Abgase ausgestoßen (dynamischer [[Ladungswechsel]] oder auch „[[Zweitaktmotor#Spülung|Spülen]]“), wofür beim Viertakter zwei getrennte Takte Zeit ist. Der schnelle Ladungswechsel beim Zweitakter erfordert in jedem Fall zumindest ein Gebläse (im einfachsten Fall [[Zweitaktmotor#Kurbelgehäusespülung|Kurbelgehäusespülung]]). Mit Turbolader kann ein effektiv erhöhter Ladedruck nur aufgebaut werden, wenn der Auslass '''vor''' dem Einlass schließt, was beim [[Zweitakt-Dieselmotor]] mit einem gesteuerten Auslassventil erreicht wird.<br />
<br />
== Aufbau & Funktion ==<br />
Ein Abgasturbolader besteht meist aus einer [[Abgasturbine]] und einem [[Turboverdichter]] auf einer gemeinsamen Welle. Sie sind als radiale Strömungsmaschinen ausgebildet, das heißt das Gas strömt bei der Turbine von außen nach innen und beim Verdichter von innen nach außen. Der Abgasstrom versetzt das Turbinenrad in Rotation. Dessen Drehmoment und Drehzahl wird über die gemeinsame Welle auf das Verdichterrad im Ansaugtrakt übertragen.<br />
<gallery><br />
Tubolader.JPG|Turbolader eines PKW (VW Golf)<br />
Turbolader Abgasseite.jpg|Abgasseite mit Turbinenrad und Leitradverstellung<br />
Turbolader Ladeluftseite.JPG|Ladeluftseite mit Verdichterrad<br />
Tubolader_Wellenlagerung01.JPG|Lagerung der Turbowelle<br />
Turbolader Wellenlagerung 02.JPG|Lagerung der Turbowelle<br />
</gallery><br />
=== Turboloch ===<br />
Als Turboloch wird ein Effekt bezeichnet, der ausschließlich bei [[Motoraufladung|turbogeladenen Motoren]] auftritt: Bei kleiner Motorleistung reicht die Abgasmenge nicht, um die [[Abgasturbine]] auf hoher Drehzahl zu halten. Bei niedriger Motordrehzahl läuft die Turbine und mit ihr der Verdichter mit ebenfalls niedriger Drehzahl, sodass der [[Ladedruck]] gering ist. Solange genügend Abgas anströmt, reicht die Drehzahl aus, um auf der Ansaugseite einen Überdruck zu erzeugen. Dieser Zustand wird (bei üblichen Kfz-Motoren) erst bei höherem Gasdurchsatz ab Motordrehzahlen von etwa 1500 bis 2000&nbsp;min<sup>−1</sup> erreicht, so dass Turbomotoren im unteren Drehzahlbereich nur als Saugmotoren arbeiten. Auch bei höheren Drehzahlen und niedriger Last reagieren sie verzögert auf plötzliches Gasgeben, weil der Turbolader erst eine höhere Drehzahl erreichen muss, um den Ladedruck aufzubauen. Der Abgasstrom muss das Laufzeug (Turbinen- und Lüfterrad) erst auf hohe Drehzahl beschleunigen, damit sie ausreichenden Ladedruck liefern. Daher reagiert der Motor verzögert auf den Lastwechsel; die Leistung steigt erst nach einer merklichen Zeitspanne.<br />
<br />
Turbolader mit [[Variable-Turbinengeometrie-Lader|verstellbaren Leitschaufeln]] im Turbineneinlauf (VTG-Lader) haben auch bei geringerer Abgasmenge eine höhere Laderdrehzahl und ein kleineres Turboloch.<br />
<br />
Eine andere Möglichkeit, das Ansprechen eines Turbomotors zu beschleunigen, ist das Verwenden möglichst kleiner Lader mit geringerem [[Trägheitsmoment]], bei Motoren hoher Leistung auch mehrere Lader parallel (Biturbo).<br />
<br />
Das Turboloch kann auch durch einen Druckluftspeicher mit entsprechender Steuerung überbrückt werden oder indem der Verdichter mit einem Elektromotor angetrieben wird, so dass seine Drehzahl unabhängig vom Abgasmassenstrom wird.<br />
<br />
=== Leistungssteigerung ===<br />
Die an der Kurbelwelle messbare Leistungssteigerung beruht zu einem kleinen Teil auf einem verbesserten [[Wirkungsgrad]], zum größten Teil aber darauf, dass in der größeren Luftmenge im Zylinder mehr Kraftstoff verbrannt werden kann. Dies führt zu höherem Motor-[[Mitteldruck]], höherem [[Drehmoment]] und folglich auch mehr Leistung. Bei Otto-Turbomotoren muss oft gegenüber einem Saugmotor das [[Verdichtungsverhältnis]] verringert werden, da es ansonsten infolge zu hohen Gesamtdrucks und daraus resultierender hoher Temperatur zur unkontrollierten Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches kommen kann ([[Klopfen (Verbrennungsmotor)|Klopfen]]).<br />
<br />
=== Ladeluftkühlung ===<br />
Anders als im Saugmotor, bei dem sich die angesaugte Luft wegen des Unterdrucks [[Adiabatische Zustandsänderung|adiabatisch]] im Ansaugtakt abkühlt, führt die Kompression zu einer deutlichen Erwärmung der Luft um bis zu 180&nbsp;°C.<ref name="Gert Hack, Autos schneller machen">Gert Hack: ''Autos schneller machen – Automobil-Tuning in Theorie und Praxis.'' Motorbuch-Verlag, 16. Auflage. 1987, ISBN 3-87943-374-7, S. 83/84.</ref> Weil warme Luft eine geringere Dichte hat, lässt sich die [[Füllungsgrad|Füllung]] und damit die Leistung des Motors noch weiter steigern, indem die Ladeluft nach der Kompression durch einen [[Ladeluftkühler]] gekühlt wird. Ladeluftkühlung wird bei praktisch allen modernen aufgeladenen Motoren angewandt. Da der Ladeluftkühler einen Strömungswiderstand hat und so den vom Verdichter erzeugten Druck wieder etwas vermindert, sollte er eine Abkühlung um mehr als 50&nbsp;[[Kelvin|K]]<ref name="Gert Hack, Autos schneller machen" /> bewirken, um die erwünschte Leistungssteigerung gegenüber einem Motor ohne Ladeluftkühlung zu erzielen.<br />
<br />
Bei Motoren, bei denen eine möglichst hohe Leistungsabgabe Vorrang vor der Lebensdauer hat, kann die Ladeluft auch durch eine zusätzliche [[Wassereinspritzung]] oder Einspritzung eines Wasser-Alkohol-Gemisches direkt in den Ansaugtrakt gekühlt werden, was eine weitere Steigerung der Leistung ermöglicht.<br />
<br />
=== Leistungsregelung ===<br />
{{Anker|Leistungsregelung & Bypass-Ventil}}<br />
Einfache ungeregelte Turbolader haben&nbsp;– wie alle Turbomaschinen&nbsp;– einen engen Betriebsbereich mit bestem Wirkungsgrad, der sich nur schwer auf das Motorkennfeld abstimmen lässt. Ein auf die Maximalleistung des Motors ausgelegter Lader würde bei mittlerer Leistung zu wenig Druck aufbauen, bei niedrigem Gasdurchsatz tritt sogar ein Ansaugdruckverlust ein, weil das langsame Verdichterrad der Strömung beim Ansaugen im Wege steht (siehe auch [[#Turboloch|Turboloch]]). Es gibt verschiedene Techniken und Auslegungsarten, dieses Problem zu entschärfen, verbreitet sind vor allem [[#Wastegate|Bypass-Ventil / Wastegate]], [[#Verstellbare Leitschaufeln (Variable Turbinengeometrie, VTG)|verstellbare Leitschaufeln (Variable Turbinengeometrie, VTG)]] und [[#Registeraufladung|Registeraufladung]]. Die Techniken können auch kombiniert zum Einsatz kommen.<br />
<br />
=== Drehzahl und Lagerung der Turboladerwelle ===<br />
Turbine und Verdichter arbeiten mit [[Turbine|Schaufelrädern]], um Strömungsenergie in eine Drehbewegung umzusetzen und umgekehrt. Moderne Turbolader können Drehzahlen bis zu 400.000 Umdrehungen pro Minute erreichen (zum Beispiel [[Smart Fortwo|smart]] Dreizylinder-Turbodiesel). Für so hohe Drehzahlen muss die Turboladerwelle in einem [[Hydrodynamisches Gleitlager|hydrodynamischen Gleitlager]] gelagert werden. Einige Turbolader haben außer den Ölversorgungsanschlüssen auch Anschlüsse für den Kühlwasserkreislauf.<br />
<br />
Teilweise werden zusätzlich zu den Gleitlagern ein oder zwei keramische Kugellager eingesetzt. Kugelgelagerte Turbolader haben eine geringere Reibung, was sie schneller ansprechen lässt. Das beschleunigt den Drehzahlanstieg des Laders und lässt den Ladedruck früher einsetzen.<br />
<br />
== Stauaufladung und Stoßaufladung ==<br />
Bei der Stauaufladung werden die Abgase zusammengeführt, gesammelt und erst dann auf die Abgasturbine geleitet. Die Turbine ist vorrangig darauf ausgelegt, den Druckunterschied zwischen [[Krümmer#Abgaskrümmer|Abgassammelrohr]] und Auspuffleitung zu nutzen. Sie wird nahezu gleichmäßig angeströmt. Bei der Stoßaufladung ist die Turbine vorrangig darauf ausgelegt, die [[Kinetische Energie|Bewegungsenergie]] der ausgestoßenen Abgase für die Aufladung zu nutzen. Dazu ist sie über enge und möglichst kurze Leitungen mit den Auslässen der Zylinder verbunden. Bei Mehrzylindermaschinen mit Stoßaufladung werden die Abgase durch mehrere Rohrleitungen geführt und treten durch eine Düsengruppe in die Turbine ein. Die Abgasleitungen müssen dabei so zusammengeführt werden, dass die an der jeweiligen Leitung angeschlossenen Zylinder nicht gleichzeitig Abgase ausstoßen.<br />
Bei der Stoßaufladung sinkt der Druck am Auslassventil nach anfänglichem starken Anstieg durch die Massenträgheit der ausgestoßenen Gasmasse unter den Spüldruck ab, was den Gaswechsel begünstigt. Die beschleunigte Gasmasse trifft auf die Turbine und treibt sie an. Der Abgasdruck an der Turbine schwankt wesentlich stärker als bei der Stauaufladung.<br />
<br />
Auch die Entwicklung des Turboladers mit Stoßaufladung geht auf Alfred Büchi zurück.<br />
<br />
== Vor- und Nachteile der Turboaufladung ==<br />
=== Vorteile ===<br />
Die Abgasturboaufladung ermöglicht die Steigerung des maximalen Mitteldrucks und damit des Drehmoments und der maximalen Leistung bei gegebenem Hubvolumen. Diese Steigerung ergibt entweder einen stärkeren Motor mit annähernd gleichen Abmessungen und Gewicht als der ursprüngliche, nicht aufgeladene Motor, oder ermöglicht das Erzielen der gleichen Leistung aus einer kleineren Maschine ([[Downsizing]]). Das Leistungspotential der Turboaufladung wurde in den 1980er-Jahren in [[Formel 1|Formel-1]]<nowiki />-Motoren deutlich, als die stärksten Turbomotoren mit auf 1,5&nbsp;l begrenztem Hubraum im Training Leistungen von mehr als 750&nbsp;kW erreichten.<br />
<br />
Der Überdruck der aufgeladenen Zuluft drückt den Kolben abwärts und sorgt dafür, dass keine Energie zum Ansaugen aufgewendet werden muss.<br />
<br />
Ein großer Vorteil des Abgasturboladers gegenüber dem [[Motoraufladung#Mechanisch angetriebene Kompressoren|Kompressor]] ist, dass der Abgasturbolader zumindest teilweise ansonsten ungenutzten Überdruck (ca. 3&nbsp;bar bei Höchstleistung) der Abgase verwendet, also wenig zusätzliche Leistung zu seinem Betrieb erfordert.<ref>Heinz Grohe: ''Otto- und Dieselmotoren.'' 11. Auflage. Vogel-Verlag, Würzburg 1995, ISBN 3-8023-1559-6.</ref> Beim Turbolader strömt das heiße Abgas mit hoher Geschwindigkeit aus dem Zylinder und versetzt die Turbine in Rotation (der Kolben schiebt in der Folge den Rest des Abgases aus, wobei der Abgasgegendruck allerdings höher als bei einem nicht aufgeladenen oder einem Motor mit Kompressor ist – siehe dazu auch unter „Nachteile“ weiter unten). Dagegen ist ein Kompressor direkt mechanisch an den Motor gekoppelt (Zahnriemen, Zahnräder, Kette, Keilriemen) und zieht somit unmittelbar Nutzleistung vom Motor ab. Ein Vorteil des Kompressors ist, dass er schon bei geringerer Drehzahl als ein Turbolader Überdruck erzeugt. Der Gesamtwirkungsgrad des Systems „Turbo“ liegt insgesamt aber höher als beim System „Kompressor“.<br />
<br />
=== Nachteile ===<br />
Aufladung führt zu höheren mechanischen und thermischen Belastungen sowie zu höheren Mitteldrücken. Daher müssen einige Bauteile verstärkt ausgelegt werden, zum Beispiel [[Motorblock]], [[Zylinder (Technik)|Zylinder]], [[Zylinderkopf]], [[Ventil]]e, [[Zylinderkopfdichtung]], [[Kolben (Technik)|Kolben]], [[Kolbenring]]e, eventuell [[Pleuel]], [[Kurbelwelle]] und einige [[Lager (Maschinenelement)|Lager]]. Dies erhöht im Allgemeinen das Fahrzeuggewicht.<br />
<br />
Wird der Turbolader im Rahmen eines Downsizings vorgesehen, so bleiben Drehmoment und Leistung in etwa bestehen, und der bisherige Antriebsstrang kann weitgehend beibehalten werden.<br />
<br />
Manche Komponenten des Turboladers müssen eventuell (beispielsweise mit einem Ölkühler) gekühlt werden (insbesondere seine Lager).<br />
<br />
Da der Lader seine Energie aus dem Druckgefälle zwischen den Abgasen und der Umgebungsluft bezieht, muss der Querschnitt der Auspuffanlage ausreichend groß sein, damit kein zu großer Gegendruck im Auspuff entsteht. Der Gegendruck sollte nicht über etwa 5&nbsp;[[Pascal (Einheit)|kPa]] liegen<ref name="Gert Hack, Autos schneller machen" /> (wobei der Standardatmosphärendruck ca. 100&nbsp;kPa beträgt).<br />
<br />
<!-- Im praktischen Umgang mit einem Turbomotor ergibt sich die Einschränkung, dass nach einer hohen Belastung des Turboladers zunächst eine Abkühlphase, bspw. durch Langsamfahrt, einzuschieben ist. // bitte belegen! // Vor allem -->Bei aufgeladenen Ottomotoren, deren Abgasturbinen rotglühend heiß werden können, empfehlen manche Hersteller, den Motor nach Fahrten unter hoher Last nicht sofort abzustellen, sondern einige zehn Sekunden mit Standgas laufen zu lassen, um den Lader beim Abkühlen weiter drehen zu lassen. Geschieht das nicht, kann die ölgeschmierte Gleitlagerung der Welle durch Überhitzen irreparabel beschädigt werden.<br />
<br />
Eine Möglichkeit, das zu verhindern, sind sogenannte Nachlaufregler (englisch [[Turbo Timer]]). Diese lassen den Motor nach dem Abschalten der Zündung eine einstellbare Zeit weiterlaufen. Allerdings nehmen manche Versicherungsgesellschaften das Fahrzeug dann nicht mehr an, da der Motor bei abgezogenem Zündschlüssel weiterläuft. Solche Nachlaufregler haben im Geltungsbereich der deutschen [[StVZO]] meistens auch keine [[Betriebserlaubnis|Allgemeine Betriebserlaubnis]]. Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung einer elektrischen Pumpe. Diese kann auch bei abgeschaltetem Motor arbeiten und den Lader kühlen.<br />
<br />
Vor allem in Kraftfahrzeugen ist eine Regelung rund um den Turbolader notwendig, die die Störanfälligkeit senken soll, aber auch selbst Störungen erleiden kann. Die Diagnose bestimmter Schäden kann bei Motoren mit Turbolader komplizierter sein als bei ähnlichen Motoren ohne. Moderne vollelektronische [[Fahrzeugdiagnosesystem]]e („[[On-Board-Diagnose|OBD]]“) erleichtern die Diagnose.<br />
<br />
Im Teil [[#Aufbau & Funktion|Aufbau & Funktion]] wird beschrieben, dass die Lagerung in den Motorölkreislauf einbezogen ist. Die Gleitlager der Turbolader werden von einer motorgetriebenen Ölpumpe versorgt. Während des Beschleunigungsvorgangs (transientes Betriebsverhalten) erzeugt der Turbolader nicht ausreichend Ladedruck, so dass im Ansaugsystem ein kurzzeitiger Unterdruck entsteht, der Öl aus dem Turbolader-Lager ansaugen kann und den Verbrennungsräumen zuleitet. Je nach Fahrintervall liegen Schätzungen vor, dass 30 bis 40 % des Motorölverbrauchs aus der Lagerung des Turboladers kommen. Dieses Motoröl erzeugt Rußpartikel, die ohne Filterung teilweise&nbsp;– falls nicht verbrannt&nbsp;– ausgeleitet werden.<br />
<br />
Beim Beschleunigen aus niedrigen Drehzahlen fehlte vor allem älteren Turbomotoren für Kfz zunächst die richtige Abgasmenge, um den gewünschten Ladedruck zu erzeugen. Erst wenn bei steigender Drehzahl ein ausreichend starker Abgasstrom zur Verfügung stand, setzte die Aufladung ein. Generell setzt die Leistungsabgabe bei plötzlichem Gasgeben verzögert ein, da der Abgasstrom zunächst die Turbine hinreichend beschleunigen muss, damit sich der Ladedruck einstellt. Diese Verzögerung bei plötzlichen Lastsprüngen bezeichnet man als ''Turboloch''. Diese Eigenheiten konnten durch Regelsysteme und den Einsatz kleinerer Lader oder speziell geformter Kanäle im Zylinderkopf zu einem großen Teil kompensiert werden. Konstruktionsbedingt gilt: Ein kleiner Lader spricht aufgrund der geringeren bewegten Masse schneller an als ein großer; ein großer Lader jedoch kann aus gleichem Hubraum eine höhere maximale Leistung erzielen.<br />
<br />
In Rallyefahrzeugen gibt es [[Anti-Lag-System]]e, die dem Absinken der Turbolader-Drehzahl entgegenwirken, und dadurch ein Turboloch verhindern oder abmildern.<br />
<br />
== Ladedruck-Regelung ==<br />
Die Welle des Abgasturboladers dreht sich durch die antreibenden steigenden Abgasmengen mit steigender Motordrehzahl und -leistung immer schneller. Je schneller sich die Turbine dreht, desto mehr Luft fördert der Verdichter, was durch die wachsende Abgasmenge wiederum die Turbine weiter beschleunigt. Bei einer bestimmten Drehzahl erreicht der Verdichter seine Fördergrenze, auch drohen die mechanischen und thermischen Grenzen des Turboladers oder des Motors überschritten zu werden (zum Beispiel die Reibung in den Lagern). Die bei niedrigen Drehzahlen gewünschte Aufladung des Motors kann also in höheren Bereichen problematisch werden. Daher müssen Turbolader ohne Ladedruckregelung so ausgelegt sein, dass sie bei Volllast gerade an ihrer Leistungsgrenze arbeiten, wodurch ein sehr großes Turboloch entsteht. Um dies zu vermeiden, werden Abgasturbolader heute mit einer Ladedruckregelung versehen, die ermöglicht, dass der Lader bereits bei niedrigen Abgasströmen eine hohe Leistung hat und trotzdem bei hohen Drehzahlen die Belastungsgrenze nicht überschreitet; die Verdichterdrehzahl erreicht ein Drehzahlplateau. Diese Regelung kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Etabliert hat sich die Regelung über ein Wastegate (überwiegend bei Ottomotoren) oder über verstellbare Leitschaufeln (VTG, hauptsächlich bei Dieselmotoren). Bei modernen Systemen berechnet das Motorsteuergerät einen Soll-Ladedruck. Ein Drucksensor, der üblicherweise vor der Drosselklappe positioniert wird, liefert den aktuellen Ist-Ladedruck an das Motorsteuergerät. Die Ladedruckregelung hat dabei die Aufgabe, möglichst schnell den Unterschied zwischen Soll- und Ist-Ladedruck auszugleichen. Hierzu bewegt die Ladedruckregelung das vorhandene Stellglied (Wastegate oder VTG) als Stellwert.<br />
<br />
Geregelt werden beide Aktoren entweder pneumatisch-mechanisch oder elektrisch. Bei der pneumatischen Lösung befindet sich auf der Verdichterseite ein Geber: Ab einem gewissen Ladedruck verstellt er das Wastegate oder die Leitschaufeln zunehmend, was einer weiteren Erhöhung des Ladedrucks entgegenwirkt. Bei neueren Motoren wird vermehrt auf elektrische Stellglieder gesetzt, die neben „auf“ oder „zu“ auch Zwischenpositionen einstellen können. Ein Vorteil der elektrischen Regelung ist, dass das Ventil im gesamten Kennfeldbereich unabhängig vom Ladedruck eingestellt werden kann. Dadurch kann der Steller auf unterschiedliche Anforderungen reagieren (wie Schubabschaltung). Zusätzlich kann der Ladedruck kurzzeitig erhöht werden, um einen „Over-Boost“ zu ermöglichen. Außerdem besitzen elektrische Regelungen eine höhere Stellgeschwindigkeit und höhere Zuhaltekräfte, um bei einem Wastegate-Ventil die Leckage zu verringern.<br />
{{Siehe auch|Motoraufladung}}<br />
<br />
=== Wastegate ===<br />
[[Datei:Wastegate-Lader.jpg|mini|Wastegate-Lader, oben im Bild die Druckdose mit mechanischer Verbindung direkt zur Wastegateklappe|alternativtext=]]<br />
Eine Variante der Ladedruckregelung ist das ''Bypassventil'' (auch ''Wastegate'' genannt) im Abgasstrom. Dieses Ventil kann einen Teil des Abgasstroms an der Turbine vorbeileiten, um so eine Erhöhung des Ladedrucks zu vermeiden. Hierdurch lässt sich ein Lader einsetzen, der bereits bei niedrigen Drehzahlen genügend Ladedruck produziert, und so das Turboloch verkleinert. Bei höheren Laderdrehzahlen wird ein Teil des Abgasmassenstroms an der Turbine vorbeigeleitet, um den Lader nicht zu überlasten. Es ist üblich, dass das Bypassventil als Klappe direkt im Turbinengehäuse integriert ist (siehe Bild rechts). Diese Methode der Ladedruckregelung hat allerdings den Nachteil, dass bei geöffnetem Wastegate nicht mehr die Energie des gesamten Abgases genutzt wird, sondern nur noch ein Teil. Das Bypassventil und seine Stellglieder sind aufgrund ihrer Position im heißen Abgasstrom (ca. 1000 °C) thermisch hoch belastet und damit störanfällig. Das war einer der Gründe, warum einzelne Motorenbauer sich von der Turboaufladung von Ottomotoren wieder abwendeten und Kompressorsysteme verwendeten, die ohne Bauteile im Abgasstrom arbeiten.<br />
<br />
Das Wastegate wird meist durch eine Unterdruckdose geregelt, seltener ist eine Überdruckdose. Da die systembedingt hohen Temperaturen am Turbolader zu einer hohen thermischen Belastung der weichmacherhaltigen Unterdruckleitungen und schließlich zu deren Materialermüdungen (Rissen) führen, besitzen neuere Turbolader immer häufiger ein elektronisch gesteuertes Wastegate. Dadurch sinkt die Fehleranfälligkeit und das Wastegate kann schneller eingestellt werden. Zudem können aufwändige Leitungssysteme zur Erzeugung des Unterdrucks entfallen.<br />
<br />
=== Verstellbare Leitschaufeln (Variable Turbinengeometrie, VTG) ===<br />
[[Datei:VariableGeometryTurbo 2.JPG|mini|VTG mit angestellten Schaufeln in der Position für maximale Leistung]]<br />
{{Hauptartikel|Variable-Turbinengeometrie-Lader}}<br />
Turbinen mit verstellbaren Leitschaufeln arbeiten ähnlich wie eine [[Francis-Turbine]]. Die Leitschaufeln im Abgasstrom vor dem Turbinenrad sind verstellbar, wodurch bei niedrigem Durchsatz dem Gas ein höherer [[Drehimpuls]] (in Form einer höheren Tangentialgeschwindigkeit) mitgegeben werden kann. Sie sind im Turbinengehäuse unmittelbar vor dem Turbineneintritt angeordnet. Die Anstellwinkel der Leitschaufeln werden dabei so geregelt, dass bei wenig Gasdurchsatz das Abgas durch reduzierte Strömungsquerschnitte tangential beschleunigt und auf die Turbinenschaufeln geleitet wird, was die Drehzahl der Turbine und somit die Leistung des Verdichters erhöht. Umgekehrt kann bei hohem Gasdurchsatz durch große Querschnitte die Strömungsgeschwindigkeit verringert werden.<br />
<br />
[[Honda]] nutzte 1989 seine Erfahrungen mit Turbomotoren aus der [[Formel 1]] und brachte eine ''Wing turbo'' genannte Variante des [[Honda Legend]] mit einem VTG-Turbo auf den Markt. Die Regelung steuerte ein Digitalrechner. Der 2-Liter-Motor leistete 142&nbsp;kW (193&nbsp;PS) bei 6000/min.<ref>http://dwolsten.tripod.com/articles/jan89a.html/ englisch</ref><br />
<br />
Turbolader mit VTG gibt es seit 1996 auch in Dieselmotoren für PKW. Der ''[[TDI-Motor|TDI]]''-Dieselmotor mit direkter Einspritzung von VW/Audi mit einer maximalen Leistung von 81&nbsp;kW (110&nbsp;PS) erreichte durch die variable Turbinengeometrie als erster PKW-Antrieb einen Motor-Wirkungsgrad von über 40 %. Die verstellbaren Leitschaufeln haben sich inzwischen bei Dieselmotoren als Standard durchgesetzt.<br />
{{Siehe auch|Turbodiesel}}<br />
<br />
Porsche setzte im [[Porsche 997|911 Turbo (997)]] (Verkaufsstart in Deutschland war im Juni 2006) seinen ersten Ottomotor mit VTG ein. Um den mit bis zu 1000&nbsp;°C gegenüber Dieselmotoren erheblich höheren Abgastemperaturen standhalten zu können, müssen hochwarmfeste Legierungen (Wolfram-Stahle) eingesetzt werden.<br />
Entwickelt wurde der moderne VTG-Turbolader für Ottomotoren in enger Zusammenarbeit mit ''[[BorgWarner]] Turbo Systems''.<br />
VW nutzt im „1.5 TSI BlueMotion“ erstmals einen VTG-Lader bei einem Großserien-Ottomotor. Da der Motor, bedingt durch früh schließende Einlassventile, verhältnismäßig niedrige Abgastemperaturen hat (~860 °C), ist der Einsatz möglich. Entwickelt wurde der Lader von Honeywell.<br />
Ein weiterer bekannter Begriff für Turbolader mit verstellbaren Leitschaufeln ist auch ''VNT'' (Variable Nozzle Turbine). Diese Bezeichnung wird von Honeywell für deren Turbosysteme mit variabler Turbinengeometrie unter dem Markennamen ''Garrett'' verwendet.<br />
<br />
== Umluftventil ==<br />
=== Wirkungsweise ohne Umluftventil ===<br />
Wenn die [[Drosselklappe (Motor)|Drosselklappe]] bei Ottomotoren geschlossen wird, stößt die in Bewegung befindliche Luftsäule auf die Klappe. Die Luftsäule (Drucksäule) kehrt um, läuft vor das sich drehende Verdichterrad des Turboladers und bremst dieses stark ab, was bei hohem Ladedruck auf Dauer zur Zerstörung des Turboladers führen kann (oder bei einem defekten Umluftventil). Außerdem sind starke Strömungsgeräusche hörbar, weil die Strömung am Verdichter abreißt („Pumpen“).<br />
<br />
=== Wirkungsweise mit Umluftventil ===<br />
Um dieses ineffektive Abbremsen zu verhindern, wird die Luft über das Umluftventil abgelassen. So kann sich der Lader frei weiterdrehen, ein erneuter Druckaufbau wird verkürzt und ein schnelleres Beschleunigen des Turboladers zugunsten eines besseren Ansprechverhaltens nach dem Schaltvorgang erzielt.<br />
<br />
Universelle (meist als offene Systeme vorgesehene) Lader aus dem Zubehörmarkt lassen sich fast immer in einem festgelegten Bereich auf das Ansprechen bei einer bestimmten Druckschwelle einstellen. Bei werksseitig eingebauten Ladern ist dies seltener, um unsachgemäße Veränderungen der Werkseinstellung zu verhindern.<br />
<br />
Umluftventile sind heutzutage in fast allen Turbolader-Ottomotoren eingebaut und werden auch bei amerikanischen [[Indianapolis 500|Indy-500]]-Rennfahrzeugen eingesetzt.<br />
<br />
=== Offene/Geschlossene Systeme ===<br />
Beim ''offenen'' System wird die überschüssige Luft nicht zurück in den Ansaugkanal (geschlossenes Umluftventil/System), sondern nach außen abgeleitet. Systeme mit einem Ventil sind üblich. Teilweise werden auch Systeme mit zwei integrierten Ventilen verwendet, die einen feinfühligeren Überdruckablass ermöglichen. Der Anbau an einen Motor mit [[Luftmassenmesser]] kann problematisch sein, da die Luft, die ins Freie statt in den Ansaugtrakt gelangt, bereits vom Motorsteuergerät erfasst wurde und die Kraftstoffmenge zur richtigen Gemischbildung darauf angepasst wird. Als Folge der fehlenden Luft kommt es zu einer Überfettung des Gemisches, die Motorleistung sinkt, der Motor kann stottern, die [[Lambdasonde]] und der Katalysator können durch in den Auspuff gelangendes Benzin, das sich entzündet, zerstört werden. Daher ist von einem Umbau auf ein offenes System (ohne Neuprogrammierung des Motorsteuergerätes) dringend abzuraten. Außerdem entspricht das Fahrzeug so nicht mehr der [[Allgemeine Betriebserlaubnis|Allgemeinen Betriebserlaubnis]] (ABE), da ungefilterte ölhaltige Abgase (durch die Ölschmierung des Turboladers und der [[Kurbelgehäuseentlüftung]], die in das Ansaugsystem führt) in die Umwelt abgelassen werden.<br />
<br />
=== Ventilarten ===<br />
Beim Umluftventil sind zwei Ventilarten gängig, Membran oder Kolben. Der Kolben spricht feinfühliger an und schließt schneller, jedoch besteht die Gefahr eines Kolbenklemmers und damit einer Fehlfunktion (bleibt offen oder öffnet nicht).<br />
<br />
Da ein elektrischer Steller deutlich schneller ist als ein herkömmlicher pneumatischer, wird bei einigen Motoren ein elektrisch gesteuertes Ventil verwendet. Über ein Steuergerät oder eine einfache elektrische Schaltung wird das elektrische Ventil geöffnet oder geschlossen und kann damit auch unabhängig vom Druck beliebig gesteuert werden. Dabei ist auch die Nutzung in einem Dieselmotor möglich, dort hat es jedoch keinen technischen Sinn, da ohne Drosselklappe, und dient lediglich dem Showeffekt durch das je nach Ladedruck laute Abblasgeräusch bei einem offenen System.<br />
<br />
Das charakteristische Geräusch bei Membranventilen ist ein hell pfeifendes Zischen, wogegen Kolbenventile bei hohem Ladedruck nur laut zischen und bei niedrigem Ladedruck zum „Flattern“ neigen. Jedoch variieren die Ablassgeräusche auch stark je nach Bauart und Hersteller dieser Ventile.<br />
<br />
Technisch nicht ganz korrekt ist, dass die elektronisch gesteuerten Ventile (technisch gesehen überflüssige Ventile bei Dieselmotoren) ebenfalls als ''Blow-Off-'' bzw. Pop-Off-Ventile bezeichnet werden, da die Blow-Off-Ventile im eigentlichen Sinne stets druckgesteuert sind.<br />
<br />
=== Gängige Bezeichnungen ===<br />
Englischsprachige Bezeichnungen für Abblasventil, Ablassventil oder (Schub-)Umluftventil, die auch häufig verwendet werden, sind unter anderem: Blow-Off-Valve (BOV), Pop-Off-Valve (POV) (eingedeutscht: „Pop-Off-Ventil“)<br />
<br />
== Weitere Bauarten ==<br />
=== Biturbo/Twin Turbo ===<br />
[[Datei:Biturbo.png|mini|hochkant=1.8|Schematische Darstellung des Biturbo-Prinzips]]<br />
Als Biturbo oder „Twin Turbo“ bezeichnet man die parallele Verwendung von zwei Ladern. ''Bi'' ist die lateinische Vorsilbe für ''zwei'', Twin bedeutet „Zwilling“ (englisch). Bei dieser Konstruktionsform werden anstelle eines einzelnen großen zwei kleinere Lader verwendet. So wird beispielsweise bei einem Vierzylinder-Biturbo-Motor jeder Turbolader von den Abgasen zweier Zylinder angetrieben. Durch die Verwendung von zwei kleineren Ladern mit entsprechend geringeren Trägheitsmomenten kann das Ansprechverhalten beim Gasgeben sowie der Wirkungsgrad des gesamten Systems verbessert werden. In geringem Umfang wurden auch Motoren mit mehr als zwei Turboladern entwickelt, um eine weitere Verbesserung zu erreichen. Die [[Bugatti]]-Modelle [[Bugatti EB110|EB110]], [[Bugatti Veyron 16.4|Veyron]] und [[Bugatti Chiron|Chiron]] haben vier Turbolader.<br />
<br />
=== Sequenzieller Biturbo ===<br />
Bei einem sequenziellen Biturbo werden nicht beide Turbinen ständig durch die Abgase angetrieben, sondern die zweite Turbine wird erst bei entsprechendem Leistungsbedarf zugeschaltet und treibt dann den zweiten Verdichter an. Ist das geschehen, arbeiten die Lader nach dem Prinzip des Biturbos parallel. Im Allgemeinen stehen beiden Turboladern die Abgase aller Zylinder zur Verfügung, sie sind nicht jeweils einer Zylinderbank zugeordnet, wodurch bei niedrigen Drehzahlen der erste Turbolader durch die Abgase aller Zylinder betrieben werden kann.<br />
Ziel dieser Technik ist eine bessere Nutzbarkeit des Drehzahlbandes. Im oberen Drehzahlbereich hat man den Vorteil der größeren Fördermenge zweier Turbolader, während in den niedrigen Drehzahlbereichen die geringe Masseträgheit nur einer Turbine ein schnelles und frühes Aufbauen des Ladedrucks und damit ein gutes Ansprechverhalten bewirkt.<br />
Beispiele:<br />
* Ottomotor: Der 3,0-l-Reihensechszylinder-Twinturbo, der ab 1993 im [[Toyota Supra#Supra (JZA80, 1993–2002)|Toyota Supra]] (JZA80) verwendet wurde (der Supra wird als Twin Turbo bezeichnet, nicht als Biturbo).<br />
* Dieselmotor: Der 2,2-l-Vierzylinder-Biturbo-Dieselmotor von Ford/PSA (DW12BTED4); der [[Opel Insignia A#Dieselmotoren|2.0 CDTI BiTurbo]] (143&nbsp;kW/195&nbsp;PS, 400&nbsp;Nm Drehmoment) von Opel (seit Januar 2012 im [[Opel Insignia]] erhältlich)<ref>[http://media.opel.com/media/intl/en/opel/news.detail.html/content/Pages/news/intl/en/2011/OPEL/12_05_opel_insignia_double_turbo_technology http://media.opel.com/ (englisch, 5. Dezember 2011)]</ref><br />
<br />
=== Registeraufladung ===<br />
[[Datei:Registeraufladung.png|mini|hochkant=1.8|Schematische Darstellung der Registeraufladung]]<br />
Als Registeraufladung (auch sequentielle Aufladung genannt) bezeichnet man die parallele abwechselnde Verwendung von Turboladern. Dabei wird ein kleinerer Lader, der schon bei geringem Abgasstrom und aufgrund der geringen Massenträgheit schneller hochdreht, für niedrige Motordrehzahlen verwendet. Bei größerer Abgasmenge wird auf einen großen Turbolader umgeschaltet, der dann genügend Luftmasse und Druck für den hohen Frischluftbedarf höherer Motordrehzahlen bereitstellt. Die unterschiedlichen Turbolader können besser auf ihren Wirkungsbereich abgestimmt werden und der kleine Lader verringert das sogenannte „Turboloch“: Bei niedrigen Motordrehzahlen war der zumeist große Lader nicht in der Lage, eine ausreichend hohe Turbo-Drehzahl zu erreichen, um damit einen Überdruck im Ansaugbereich aufzubauen. Unterhalb dieser kritischen Marke arbeitet ein normaler Turbomotor eher als Saugmotor, unter Umständen sogar noch gedrosselt durch die „bremsenden“ Turbinenschaufeln und die geringere Verdichtung, die jedem Turbomotor immanent ist. Die Registeraufladung ist im Automobilbau allerdings bis heute nur bei wenigen leistungsstarken Motoren anzutreffen. Erstes (Klein-)Serienfahrzeug mit Registerturbo war der [[Porsche 959]].<br />
<br />
Es gibt auch Aufladekonzepte mit einer Kombination aus Registeraufladung und mehrstufiger Aufladung, so bei den Motoren der BMW-Modelle [[BMW E60|535d (Baureihe E60/61)]], [[BMW E90|335d]], [[BMW N47|123d]], bei einigen Ausführungen der Mercedes-Benz-Dieselmotoren [[Mercedes-Benz OM 646/OM 647/OM 648|OM646]],<ref>[http://www.atzonline.de/Aktuell/Nachrichten/1/5586/Selbstregelnder-Verdichter-Bypass-fuer-zweistufige-Aufladung-im-Sprinter.html atzonline.de]{{Toter Link|date=2018-03|archivebot=2018-03-26 00:04:35 InternetArchiveBot|url=http://www.atzonline.de/Aktuell/Nachrichten/1/5586/Selbstregelnder-Verdichter-Bypass-fuer-zweistufige-Aufladung-im-Sprinter.html}}</ref> [[Mercedes-Benz OM 651|OM651]] und der 180-PS-Ausführung des [[Saab 9-3|Saab-9-3]]-Dieselmotors. Dabei arbeiten die Verdichter des kleineren und des größeren Laders in Reihe auf der Ansaugseite. Ist der Leistungsbedarf niedrig, wird die Luft nur durch den Verdichter des kleineren Laders komprimiert. Bei höherer Last wird dann durch Steuerung des Abgasstroms und geregelte Überbrückung des ersten Verdichters der größere Lader wirksam. Durch eine Kennfeldregelung der Gassteuerung auf der Abgas- wie auf der Frischgasseite im Zusammenspiel mit der Kraftstoffeinspritzung können Drehmomentschwankungen im Übergangsbereich weitgehend unterdrückt werden.<br />
<!-- Dabei handelt es sich ganz klar um Registeraufladung! Vergleich Registervergaser! Eine kleine Drosselklappe und später eine große Drosselklappe! Wird der kleine Lader ausgekoppelt spricht man von einer mehrstufigen Registeraufladung! Vergleich Porsche 959! Für Rückfragen stehe ich auch hier zur Verfügung. Würde mich um eine Änderung der Grafik freuen, wollte wegen dem Lizenzzeugs da nicht drin rumschreiben! --><br />
<br />
=== Mehrstufige Aufladung ===<br />
Bei einer mehrstufigen Aufladung wird die Luft durch mehrere hintereinander geschaltete Verdichter komprimiert. Die so erreichbaren Verdichtungsverhältnisse sind nur unter Bedingungen stark verringerten Außendrucks sinnvoll einsetzbar, so dass diese Technik nur bei der Entwicklung von Flugmotoren eine Rolle spielte. Bei mehrstufiger Aufladung wurden zunächst mechanische Lader und Turbolader kombiniert. So enthielt der Versuchsmotor Daimler-Benz DB624 (Prüfstandserprobung ab 1944) eine Kombination aus zwei mechanischen Getriebeladern und einem Abgasturbolader. Die konzipierte [[Volldruckhöhe]] lag bei 15.000 bis 17.000 Metern.<br />
<br />
Die Kombination aus Kolbenmotor und (mehrstufigen) Turbotriebwerk heißt „Compound“-Antrieb. [[Napier & Son|Napier]] erprobte Ende der 1940er-Jahre Compoundtriebwerke, allerdings kamen diese Napier Nomad genannten Triebwerke mit Dieselmotoren nie über das Versuchsstadium hinaus.<br />
<br />
Beim Antrieb des ab 1989 entwickelten Höhenforschungsflugzeugs [[Grob G 850|Grob Strato 2C]] war ein mehrstufiger Turbolader vorgesehen, wobei die erste und zweite Stufe aus dem Nieder- und dem Mitteldruckverdichter eines Dreiwellen-Turboproptriebwerks ([[Pratt & Whitney Canada PW100|Pratt & Whitney Canada PW127]]) bestanden. Alle Komponenten waren in der Triebwerksgondel untergebracht. Nach dem Passieren der Turbine des Turboladers wurde das Abgas in die Turbinensektion des ursprünglichen Turboprop-Verdichters geleitet. Die von den Verdichterstufen komprimierte Luft wurde dem Verdichter des Turboladers und dann dem Motor zugeführt. Das Druckverhältnis betrug maximal 1:45, was große Ladeluftkühler notwendig machte. Die konzipierte Volldruckhöhe lag bei 24.000 Metern, die maximale Flughöhe bei 26.000 Metern.<ref>{{Literatur|Autor=Kyrill von Gersdorff, Kurt Grasmann, Helmut Schubert|Titel=Flugmotoren und Strahltriebwerke|Verlag=Bernard & Graefe|ISBN=3-7637-6107-1|Auflage=3.|Jahr=1995}}</ref> Das Projekt wurde jedoch aus finanziellen und politischen Gründen nicht weiterverfolgt.<br />
<br />
=== Twin-Scroll-Lader ===<br />
[[Datei:Twin-scroll-turbo2.jpg|mini|320px|Schema Twin-Scroll-Lader]]<br />
Twin-Scroll-Lader unterscheiden sich von anderen Ladern durch die abweichende Gestaltung des Turbinengehäuses und sind eine Alternative zu Bi-Turbo-Konzepten mit zwei parallel angeordneten Abgasturboladern. Das Spiralgehäuse der Twin-Scroll-Turbine wird durch einen Flutenteiler in zwei parallel verlaufende Strömungskanäle eingeteilt. In Verbindung mit einem zweiflutigen Abgaskrümmer ermöglicht dies eine getrennte Zuführung der Abgase auf das Turbinenlaufrad. Ziel hierbei ist, eine gegenseitige ungünstige Beeinflussung der einzelnen Zylinder beim Ladungswechsel möglichst zu unterbinden. Im Abgaskrümmer werden die Abgaskanäle von jeweils zwei Zylindern (bei Vierzylinder-Motoren) oder drei Zylindern (bei Sechszylinder-Motoren) zu einem Strang zusammengefasst und durch den Aufbau des Twin-Scroll-Turbinengehäuses erst direkt vor dem Turbinenlaufrad wieder zusammengeführt. Die Auswahl der Zylinder richtet sich nach der Zündfolge des Motors, sodass aufeinander folgende Zylinder stets unterschiedlichen Abgassträngen zugeordnet werden. Positive Effekte des Twin-Scroll-Laders sind ein reduzierter Abgasgegendruck und ein verbesserter Gaswechsel des Motors, wodurch sich wiederum dessen Verbrauch, Leistung und Ansprechverhalten verbessern. Diese Art der Turboaufladung verwendet beispielsweise [[Fiat Chrysler Automobiles]] im [[Alfa Romeo Giulia (952)|Alfa Romeo Giulia]] 2.0 Turbo [[Multiair|MultiAir]] oder [[Opel]] im [[Opel Astra J|Astra J OPC]]. Der Twin-Scroll-Lader darf nicht mit einem [[Scrollverdichter]] („G-Lader“) verwechselt werden, der eine [[Kolbenmaschine]] ist.<br />
<br />
=== Turbo-Compound ===<br />
Bei der [[Turbo-Compound-Motor|Turbo-Compound]]-Technik kombiniert man einen herkömmlich arbeitenden Turbolader oder einen Kompressor mit einer nachgeschalteten Abgasturbine, die mechanisch mit der Kurbelwelle verbunden ist.<br />
<br />
Diese zweite Turbine nutzt die Energie des nach dem Austritt aus dem ersten Lader immer noch heißen Abgases. Resultat ist ein höheres Drehmoment bei gesteigerter Energieausnutzung, also eine weitere Verbesserung des [[Wirkungsgrad]]es.<br />
<br />
Statt die Turbine an die Kurbelwelle zu koppeln, kann sie auch einen zusätzlichen Generator antreiben, um das elektrische Bordnetz zu unterstützen. Dies ist sowohl in Verbindung mit der Turbine des Abgasturboladers, als auch mit einer separaten nachgeschalteten Turbine möglich.<br />
<br />
=== Ladeluftkühler ===<br />
Da das Vorkomprimieren die Lufttemperatur erhöht und somit der angestrebten Vergrößerung der Ansaugluftmenge entgegenwirkt, wurden [[Ladeluftkühler]] entwickelt, um diesen Nachteil wieder auszugleichen. Ladeluftkühler erhöhen immer auch den thermodynamischen Wirkungsgrad des Motors.<br />
<br />
== Turboaufladung bei Kraftfahrzeugen ==<br />
=== Anwendung bei Dieselmotoren ===<br />
{{Hauptartikel|Turbodiesel}}<br />
Bei Dieselmotoren für PKW wie auch für LKW ist der Abgas-Turbolader mittlerweile „[[Stand der Technik]]“. Schon frühzeitig kam dieser für Großdieselmotoren, etwa für Schiffe und Lokomotiven zum Einsatz. Ab den 1950er Jahren wurden Turbodiesel in großen LKW verwendet, später auch in kleineren Kraftfahrzeugen. Bei PKW kam der Turbodiesel erstmals 1978 im [[Mercedes-Benz W 116#300 SD (mit Dieselmotor)|Mercedes 300&nbsp;SD]] zur Anwendung.<br />
<br />
=== Anwendung bei Ottomotoren ===<br />
[[Datei:Abgas-Turbolader Pkw. im Technik-Museum Speyer.jpg|mini|Abgas-Turbolader eines Pkw]]<br />
Bei [[Ottomotor]]en mit [[Äußere Gemischbildung|äußerer Gemischbildung]] ist der Ladedruck durch die entstehende [[Verdichtungswärme]] des Treibstoff-Luftgemisches im zweiten Takt begrenzt. Eine Überschreitung bedeutet ungesteuerte [[Selbstentzündung]] und damit [[Klopfen (Verbrennungsmotor)|Motorklopfen]] oder [[Motorklingeln]].<br />
Der Klopfbeginn kann mittels hochoktanigem Treibstoff, durch einen wirksamen Ladeluftkühler oder durch [[Wassereinspritzung|Wasser-Methanol-Einspritzung]] nach oben versetzt werden. In den meisten Fällen werden jedoch die Steuerzeiten verändert und die Verdichtung herabgesetzt, um diesem Effekt vorzubeugen.<br />
<br />
Wegen der höheren Abgastemperaturen im Vergleich zum Diesel gilt die Verwendung von Turboladern in Ottomotoren als schwieriger und erfordert hochwarmfeste Werkstoffe. Dennoch überwiegen auch beim Ottomotor die Vorteile, weshalb bei einem Großteil der modernen Ottomotoren auf die Aufladung mittels Turbolader gesetzt wird.<br />
<br />
=== Verwendung bei PKW und Motorrädern ===<br />
Erste aufgeladene Motoren wurden ab 1910 in den [[A.L.F.A. 24 HP|A.L.F.A.-24-HP-Modellen]] eingebaut, die aus den vom gleichen Hersteller entwickelten Flugzeugen übernommen wurden (siehe unten). Großserien-PKW mit aufgeladenen Ottomotoren kamen zuerst in den USA ab 1961 als [[Oldsmobile]] [[Oldsmobile F-85|F-85]] ''Jetfire'' (Aluminium-[[V8-Motor|V8]] mit 215&nbsp;[[Kubikzoll|cui]]&nbsp;≈&nbsp;3,5&nbsp;Liter Hubraum, 160&nbsp;kW, 218&nbsp;SAE-PS und [[Wassereinspritzung|Methanol-Wasser-Einspritzung]], bis 1963 im Programm<ref>Heiner Buchinger: Rover V8 Story, in Roverblatt, S.&nbsp;16ff.</ref>) und ab 1962 als [[Chevrolet Corvair]] Spyder (Sechszylinder-Boxer-Turbo, Hubraum: 145&nbsp;cui;&nbsp;≈&nbsp;2,4&nbsp;Liter, 110&nbsp;kW, 150&nbsp;SAE-PS) auf den Markt.<br />
<br />
In Europa rüstete der Schweizer Ingenieur und Unternehmer [[Michael May (Rennfahrer)|Michael May]] ab 1966 zunächst [[Ford P7|Ford 20M]] und später auch andere Pkw-Modelle mit Turboladern aus.<ref>[http://www.ford-capri.ch/start-d/foto-galerie/technik/may-turbo-a.html Capri I 2300 GT mit May-Turbolader – Die sanfte Gewalt mit May-Turbo-Aufladung], [http://www.ford-capri.ch/start-d/foto-galerie/technik/may-turbo-b.html 2], [http://www.ford-capri.ch/start-d/foto-galerie/technik/may-turbo-c.html 3], [http://www.ford-capri.ch/start-d/foto-galerie/technik/may-turbo-d.html 4], [http://www.ford-capri.ch/start-d/foto-galerie/technik/may-turbo-e.html 5]</ref> In Deutschland gingen 1973 mit dem [[BMW 02#BMW 2002 turbo|BMW 2002&nbsp;turbo]] und 1975 mit dem [[Porsche 930|Porsche 911&nbsp;turbo]] turbogeladene Pkw in Serienproduktion. Beide hatten durch die Ölkrise bedingt jedoch wenig Erfolg. 1978 kam der [[Saab 99|Saab 99&nbsp;Turbo]] auf den Markt, bei dem ein schnell ansprechender, kleiner Turbolader mit einem Steuerventil (Wastegate) kombiniert wurde. Die Höchstleistung wurde nur wenig gesteigert, aber der Motor lieferte ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen. Der Saab 99&nbsp;Turbo war das erste turbogeladene Serienauto, das nicht in kleinen Stückzahlen als Sportgerät, sondern in großen Serien produziert wurde.<br />
<br />
Ottomotoren werden nur zu geringen Anteilen mit Aufladung versehen, auch wenn in jüngster Zeit eine deutliche Zunahme zu verzeichnen ist, bevorzugt bei leistungsstarken Modellen. Der Trend geht zu sogenannten [[Downsizing]]-Konzepten, bei denen kleinere Motoren mit Aufladung an die Stelle größerer nicht aufgeladener Motoren treten. Ziel beim Downsizing (dt. Verkleinerung) ist ein geringerer Verbrauch durch [[Drosselverluste|Entdrosselung]] des Motors. Weitere Vorteile ergeben sich aus vermindertem Gewicht und einer verminderten Reibung.<br />
<br />
Aufgeladene Motoren – sowohl Otto- als auch Dieselmotoren – sind in der Herstellung meist teurer als vergleichbare Saugmotoren, zudem regelungstechnisch komplex (Steuerung der druckmindernden Ventile wie das Wastegate oder das Umluftventil). Bei auf Schubphasen folgendem Gasgeben, hauptsächlich im unteren Drehzahlbereich, entfalten Turbomotoren ihre Leistung etwas verzögert. Dieses sogenannte Turboloch tritt bei Ottomotoren meist stärker als bei Dieselmotoren auf. Es konnte durch Fortschritte bei der Konstruktion (verstellbare Leitschaufeln, kleinere und somit schneller ansprechende Lader, leichtere Schaufelräder mit geringerer Massenträgheit) und in der Regelungstechnik stark reduziert werden.<br />
<br />
Früher sagte man Turbomotoren einen höheren Verbrauch nach, dies relativiert sich meist zu höheren ''absoluten'' Verbrauch des stärkeren aufgeladenen Motors. Moderne Turbo-Ottomotoren verbrauchen im Bestpunkt spezifisch weniger Kraftstoff als Saugmotoren ''gleicher'' Leistung (gemessen in Gramm/Kilowattstunde, früher in Gramm/PS-Stunde). Auch in der [[Formel&nbsp;1]] war der (früher dort laut Reglement untersagte, ab der Saison 2014 jedoch wieder eingeführte) Turbomotor dem Saugmotor im spezifischen Verbrauch überlegen. Eine absolut höhere Leistung verursacht jedoch auch einen höheren absoluten Kraftstoffverbrauch.<br />
<br />
Nahezu alle Großserienhersteller bieten inzwischen Ottomotoren mit Turboaufladung an; Dieselmotoren ohne Aufladung spielen auf dem europäischen Markt praktisch keine Rolle mehr.<br />
<br />
[[Lancia]] hat schon 1985 im Motorsport (für die „Gruppe&nbsp;B“) einen mit Abgasturbolader ''und'' Kompressor aufgeladenen Rennmotor entwickelt und diesen Motor in den laut [[Motorsport-Homologation|Homologations]]-Regeln vorgeschriebenen 200 Serienmodellen des [[Lancia Delta&nbsp;S4]] eingesetzt. [[Nissan (Auto)|Nissan]] baute 1988 in einer Motorsport-Kleinserie des Modells [[Micra]] ebenfalls einen solchen Motor ein, der allerdings aus nur 0,9&nbsp;Litern Hubraum 81&nbsp;kW (110&nbsp;PS) und ein spezifisches Drehmoment von 144&nbsp;Nm/l bei 4800/min erzielte. Der VW-[[TSI (Motorentechnik)|TSI]]-Großserienmotor (Golf GT, 1,4 L mit 125&nbsp;kW/170&nbsp;PS, ab 2005) kombiniert Direkteinspritzung mit einem Turbolader für hohe Drehzahlen und einem Roots-Kompressor für niedrige; der Motor erreicht ein spezifisches Drehmoment von 200&nbsp;Nm/l bereits bei 1500/min.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.volkswagen.de/vwcms/master_public/virtualmaster/de3/unternehmen/innovation___technik/antrieb/start/90_kw_tsi_motor.html |text=''Innovation + Technik beim 90-kW-TSI-VW-Motor'' |wayback=20100130223047 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
Anfang der 1980er-Jahre wurden auch [[Motorrad|Serienmotorräder]] ([[Honda CX 500|Honda CX 500 Turbo]], [[Yamaha XJ 650|Yamaha XJ 650 Turbo]], Kawasaki Z750 Turbo) ohne großen Markterfolg mit Turboladern angeboten. Außerdem machte die plötzliche Leistungssteigerung beim Erreichen einer bestimmten Motordrehzahl diese Motorräder besonders beim Beschleunigen (auch wegen des im Vergleich zum PKW deutlich geringeren Gewichts) schwerer beherrschbar.<br />
<br />
=== Turboaufladung in der Luftfahrt ===<br />
[[Datei:801-turbo2.jpg|mini|Turbolader des BMW801TJ-Flugmotors, 1944]]<br />
Im Ersten Weltkrieg fanden Versuche statt, Abgasturbinen mit Ladegebläsen mechanisch zu koppeln und so einen Abgasturbolader zu schaffen. Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurde die Entwicklung dann weiter vorangetrieben, jedoch wurde die Motorentechnik bis zum Kriegsende von der mechanischen Aufladung („supercharged“) dominiert. In Deutschland gab es zusätzliche Turbolader (mehrstufige Aufladung) nur für besondere Höhenanwendungen, zunächst in den verschiedenen Ausführungen des Junkers Gegenkolben-Zweitaktdiesel-Flugmotores [[Jumo 207]], und in nennenswerten Stückzahlen im [[BMW 801]]TJ-0.<br />
<br />
In den USA erhielt die [[Lockheed P-38]] den [[Allison V-1710]] mit [[General Electric|General-Electric]]-Turbolader.<br />
<br />
Nach dem Krieg wurden bis zur Einführung der [[Turboprop]]- und [[Turbinen-Strahltriebwerk]]e für Linienmaschinen einige Jahre zum Teil sehr hochentwickelte Motoren mit Abgasturbinen (nicht -turbolader) wie zum Beispiel der [[Wright R-3350]] gebaut. Die Kurbelwelle trieb über ein Zweiganggetriebe den Radialverdichter an. Die drei Abgasturbinen waren über Flüssigkeitskupplungen und Zahnräder mit der Kurbelwelle verbunden. Sie lieferten 550&nbsp;hp (410&nbsp;kW) zusätzliche Leistung<ref>http://www.conniesurvivors.com/1-twa_flightengineer.htm Website über die Lockheed Super Constellation</ref>.<br />
<br />
Heute werden Motoren mit Abgasturbolader, hauptsächlich Ottomotoren, vor allem bei Privat- und Geschäftsreiseflugzeugen der mittleren Kategorien verwendet. Es muss zwischen zwei unterschiedlichen Verfahren der Turboaufladung unterschieden werden:<br />
<br />
==== Turbo supercharging ====<br />
Der Druck im Ansaugtrakt (Upper deck, Ladedruck) kann mittels Drosselklappenverstellung bis teilweise weit über den der Volldruckhöhe angehoben werden. Dem Motor kann dadurch eine Mehrleistung gegenüber der Nennleistung entnommen werden (Startleistung). Diese ist in den meisten Fällen auf maximal fünf Minuten begrenzt. Motoren dieser Bauart haben eine geringere Verdichtung als die Saugversionen. Beispiele: TSIO-520-UB (Continental, Beech Bonanza B36TC), TIO-540-AE2A (Lycoming, Piper Malibu Mirage). Die Nachteile dieser Version liegen bei verstärkten Verschleißerscheinungen durch Mehrbelastung und höhere Betriebstemperaturen.<br />
<br />
==== Turbo normalizing ====<br />
Der durch die Drosselklappenverstellung vorgegebene Druck im Ansaugtrakt (Upper deck, Ladedruck) wird über einen hydraulischen Regler und ein Abblaseventil (Waste gate) konstant gehalten. Der maximal mögliche Ladedruck entspricht dem bei Volldruckhöhe. Der Motor ist bis auf den Lader wie die Saugversion aufgebaut, kann aber seine maximale Nennleistung wegen des konstanten Ladedrucks bis in sehr große Höhen (>20.000&nbsp;ft) abgeben.<br />
<br />
==== Ladeluftkühler ====<br />
Dem Ladeluftkühler wurde bei Flugmotoren während sehr langer Zeit keine Bedeutung zugemessen, da man vom Anwendungsfall im Automotor ausging (erzeugen von Mehrleistung durch höhere Luftdichte). Dadurch entsprach die Lebensdauer von turbogeladenen Flugmotoren aufgrund der zusätzlichen Temperaturbelastung durch die erhitzte Ladeluft lange Zeit nicht den Angaben der Hersteller, was mit erhöhtem (Reparatur)-Aufwand verbunden war. Moderne Ladersysteme haben hocheffiziente Ladeluftkühler, die es dem Betreiber in allen Arbeitspunkten und auch bei extremen Witterungsverhältnissen (Hochsommer, Wüstenbetrieb usw.) möglich machen, die Temperatur des Motors (vor allem die der Zylinderköpfe) innerhalb der für die Lebensdauer der Motoren und die Unterhaltskosten erträglichen Grenzen zu halten.<br />
<br />
Durch Aufladung wird das Fliegen in größeren Höhen ermöglicht, was wegen des dort geringeren Luftwiderstandes wirtschaftliche Vorteile bringt. Durch den mit zunehmender Höhe geringer werdenden Außendruck der Luft verbessert sich ferner die Effizienz der Abgasturbine, was den Aufwand einer Aufladung für Leistungsklassen zwischen Saugmotor und Turboprop rechtfertigt. Ein Beispiel eines aufgeladenen Motors ist der [[BRP-Rotax|Rotax]] 914 des Bombardier-Konzerns. Die Produktionsvorbereitung des [[Bombardier]] V300T ist seit 2006 eingestellt und auch die Zertifizierung wird nicht mehr betrieben.<ref>{{Webarchiv|url= http://www.rotax.com/en/Media.Center/Press.Releases/1/20061114.htm|wayback= 20101106222549|text=''BRP-Rotax shelves its V6 aircraft engines project''}}</ref><br />
<br />
In den letzten Jahren wurden auch Turbomotoren für kleinere Flugzeuge entwickelt (zum Beispiel der ''[[Thielert]]-Diesel''), deren Vorteile im geringen Verbrauch und in der einfachen Bedienung liegen.<br />
<br />
== Hersteller von Turboladern ==<br />
{{Mehrspaltige Liste|<br />
* [[Asea Brown Boveri|ABB Turbo Systems]]<br />
* [[BorgWarner|BorgWarner Turbo Systems]] (Schwitzer & 3KWarner, ehemals Turbolader-Sparte von [[Kühnle, Kopp & Kausch|KKK]])<br />
* [[BMTS Technology]] (ehemals Bosch Mahle Turbo Systems)<br />
* [[Caterpillar]]<br />
* [[Continental AG]]<br />
* [[Cummins Engine#Turbotechnik|Cummins Turbo Technologies]] (Holset)<br />
* [[Hitachi Warner Turbo Systems]] (Joint Venture von [[Hitachi (Unternehmen)|Hitachi]] und [[BorgWarner]])<br />
* [[Honeywell|Honeywell Turbo Technologies]] ([[Garrett AiResearch|Garrett]])<br />
* [[HKS Turbos]]<br />
* [[IHI Charging Systems International]]<br />
* [[Komatsu (Unternehmen)|Komatsu]]<br />
* [[Kompressorenbau Bannewitz|Kompressorenbau Bannewitz (KBB)]]<br />
* [[MAN Diesel & Turbo]]<br />
* [[Mitsubishi Heavy Industries]]<br />
* [[MTU Friedrichshafen]]<br />
* [[Napier & Son|NAPIER Turbochargers]]<br />
* [[KSPG#Pierburg|Pierburg]]<br />
* [[Voith Turbo]]<br />
* [[Garrett AiResearch]]<br />
}}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Abgasturboaufladung bei Schiffsmotoren]]<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur|Autor=Michael Mayer|Titel=Abgasturbolader. Sinnvolle Nutzung der Abgasenergie|Verlag=Verlag Moderne Industrie|ISBN=3-478-93263-7|Auflage=5.|Jahr=2003}}<br />
* {{Literatur|Autor=[[Gert Hack]], Iris Langkabel|Titel=Turbo- und Kompressormotoren. Entwicklung, Technik, Typen|Verlag=Motorbuch Verlag|Ort=Stuttgart|ISBN=3-613-01950-7|Auflage=3.|Jahr=2001}}<br />
* {{Literatur|Autor=Heinz Grohe|Titel=Otto- und Dieselmotoren|Verlag=Vogel Buchverlag|ISBN=3-8023-1559-6|Auflage=11.|Jahr=1995}}<br />
* [[Ernst Jenny]]: ''Der BBC-Turbolader.'' Verlag Birkhäuser, Basel, 1993, ISBN 978-3-7643-2719-4. [https://zeitungsarchiv.nzz.ch/#read/11300/NZZ%20-%20Neue%20Z%C3%BCrcher%20Zeitung/1993-05-26/69 ''Buchbesprechung.''] Neue Zürcher Zeitung, 26. Mai 1993, S. 69.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Turbochargers|Turbolader}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [https://www.energie-lexikon.info/turboaufladung.html Turboaufladung (RP-Energie-Lexikon)]<br />
* [http://abgasturbomaschine-extrem.de/ Drehzahlstationäre Turboaufladung]<br />
* [https://www.youtube.com/watch?v=KMqv1G7Kt_I Funktionsweise eines Turboladers (Animation)] Auf YouTube. Abgerufen am 28. September 2022.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Lesenswert|10. Juni 2008|47078065}}<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4141045-2}}<br />
<br />
[[Kategorie:Abgasanlage (Verbrennungsmotor)]]<br />
[[Kategorie:Ansaugtrakt]]<br />
[[Kategorie:Leistungssteigerung (Verbrennungsmotor)]]<br />
[[Kategorie:Kreiselpumpe]]<br />
[[Kategorie:Verdichter]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=VW_Lamando&diff=227504875VW Lamando2022-10-31T04:53:01Z<p>Designer2k2: /* Geschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Infobox PKW-Modell<br />
| Marke = [[Volkswagen]]<br />
| Modell = Lamando<br />
| Bild = Volkswagen Lamando 01 China 2016-04-16.jpg<br />
| Bild zeigt = VW Lamando (2016–2018)<br />
| von = 2014<br />
| bis = <br />
| Klasse = [[Kompaktklasse]]<br />
| Versionen = [[Limousine]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br>1,4–2,0 Liter<br>(96–162 kW)<br />
| Länge = 4598–4615<br />
| Breite = 1826<br />
| Höhe = 1425<br />
| Radstand = 2656<br />
| Gewicht = 1300–1475<br />
| Vorgänger = <br />
| Nachfolger = <br />
}}<br />
<br />
Der '''VW Lamando''' ist ein als [[viertüriges Coupé]] vertriebenes Fahrzeug der Marke [[Volkswagen]]. Das Modell entstand auf Basis des [[VW Golf VII|Golf VII]] und baut wie dieser auf dem [[Modularer Querbaukasten|modularen Querbaukasten]] auf.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Der Lamando wurde erstmals als Studie '''New Midsize Sedan''' auf der [[Auto China]] gezeigt,<ref>{{Internetquelle |url=http://www.auto-motor-und-sport.de/news/vw-lamando-in-china-serienversion-des-new-midsize-sedan-8576069.html |titel=Serienversion des New Midsize Sedan |hrsg=auto-motor-und-sport.de |datum=2014-08-29 |sprache=de |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160919091353/http://www.auto-motor-und-sport.de/news/vw-lamando-in-china-serienversion-des-new-midsize-sedan-8576069.html |archiv-datum=2016-09-19 |archiv-bot= |zugriff=2016-09-19}}</ref> die Serienversion präsentierte Volkswagen auf der Chengdu Auto Show 2014. Das Modell wird seit November 2014 in [[Volksrepublik China|China]] für den chinesischen Markt gebaut. Die sportliche GTS-Variante zeigte Volkswagen auf der Auto China 2016, sie kam im Sommer 2016 in China in den Handel.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.carnewschina.com/2016/04/22/this-is-the-volkswagen-lamando-gts-for-china/ |titel=This is the Volkswagen Lamando GTS for China |hrsg=carnewschina.com | datum=2016-04-22 | zugriff=2016-09-19 |sprache=en}}</ref> Auf der Chengdu Auto Show im September 2018 wurde eine überarbeitete Variante des Lamando präsentiert.<ref>{{Internetquelle|url=https://carnewschina.com/2018/09/03/highlights-of-the-2018-chengdu-auto-show-in-china-part-1/ |titel=Highlights Of The 2018 Chengdu Auto Show In China Part 1 |hrsg=carnewschina.com | datum=2018-09-03 | zugriff=2018-09-06 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
Nach der Vorstellung des 17&nbsp;cm längeren [[VW Lamando L|Lamando&nbsp;L]] im Januar 2022 soll der Lamando weiterhin gebaut werden.<ref>{{Internetquelle|url=https://de.motor1.com/news/561441/vw-lamando-china-flie%C3%9Fheck-2022/ |titel=VW Lamando L (2022) debütiert in China als stylisches Fließheck |datum=2022-01-18 |abruf=2022-01-18}}</ref><br />
<br />
<gallery widths="200"><br />
Volkswagen Lamando 02 China 2016-04-16.jpg|Heckansicht<br />
File:2017 Volkswagen Lamando GTS 01 in Bengbu Anhui China.jpg|VW Lamando GTS (2016–2018)<br />
File:2017 Volkswagen Lamando GTS 02 in Bengbu Anhui China.jpg|Heckansicht<br />
File:Volkswagen Lamando facelift 2 China 2019-03-20.jpg|VW Lamando (seit 2018)<br />
</gallery><br />
<br />
== Technische Daten ==<br />
Zum Marktstart standen zwei Ottomotoren für den Lamando zur Verfügung: Ein 1,4-Liter-[[TSI (Motorentechnik)|TSI]]-[[Ottomotor]] mit einer Leistung von {{kW2Ps|96}} oder {{kW2Ps|110}} oder ein 1,8-Liter-TSI-Ottomotor mit einer Leistung von {{kW2Ps|132}}. Die sportliche GTS-Variante mit einem 2,0-Liter-TSI-Ottomotor und einer Leistung von {{kW2Ps|162}} folgte im Sommer 2016.<br />
<br />
{| class="wikitable" style="font-size: 100%; text-align: center;"<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|<br />
! colspan="2" | 1.4 [[TSI (Motorentechnik)|TSI]]<br />
! 1.8 TSI<br />
! 2.0 TSI GTS<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Bauzeitraum<br />
| colspan="2" | seit 11/2014<br />
| 11/2014–08/2018<br />
| 08/2016–11/2017<br />
|-<br />
! style="text-align:left;" colspan="5"| Motorkenndaten<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Motortyp<br />
| colspan="4" | R4-[[Ottomotor]]<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| [[Hubraum]]<br />
| colspan="2" | 1395 cm³<br />
| 1798 cm³<br />
| 1984 cm³<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| max. Leistung bei min<sup>−1</sup><br />
| {{kW2Ps|96}} bei 5000<br />
| {{kW2Ps|110}} bei 5000<br />
| {{kW2Ps|132}} bei 4300–6250<br />
| {{kW2Ps|162}} bei 4500–6200<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| max. [[Drehmoment]] bei min<sup>−1</sup><br />
| 225 Nm bei 1400–3500<br />
| 250 Nm bei 1750–3000<br />
| 300 Nm bei 1450–4100<br />
| 350 Nm bei 1500–4400<br />
|-<br />
! style="text-align:left;" colspan="5"| Kraftübertragung<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Antrieb, serienmäßig<br />
| colspan="4" | [[Vorderradantrieb]]<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Getriebe, serienmäßig<br />
| colspan="2" | 5-Gang-[[Schaltgetriebe]]<br />
| colspan="2" | 7-Stufen-[[Doppelkupplungsgetriebe]]<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Getriebe, wahlweise<br />
| colspan="2" | 7-Stufen-Doppelkupplungsgetriebe<br />
| colspan="2" | —<br />
|-<br />
! style="text-align:left;" colspan="5"| Messwerte<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Höchstgeschwindigkeit<br />
| 200–206&nbsp;km/h<br />
| 200–215&nbsp;km/h<br />
| 225&nbsp;km/h<br />
| 240&nbsp;km/h<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h<br />
| 9,1&nbsp;s<br />
| 8,5&nbsp;s<br />
| 7,9&nbsp;s<br />
| 6,9&nbsp;s<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Leergewicht<br />
| 1300&nbsp;kg<br />(1325&nbsp;kg)<br />
| 1340&nbsp;kg<br />(1365&nbsp;kg)<br />
| 1440–1445&nbsp;kg<br />
| 1475&nbsp;kg<br />
|-<br />
! style="text-align:left;"| Tankinhalt<br />
| colspan="4" | 50 l<br />
|}<br />
<small>In Klammern Gewicht der Ausführung mit Doppelkupplungsgetriebe</small><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Volkswagen Lamando}}<br />
* [https://lamando.svw-volkswagen.com/ Offizielle Website] (chinesisch)<br />
<br />
{{Navigationsleiste Volkswagen-Modelle}}<br />
<br />
[[Kategorie:Volkswagen-Automobil|Lamando]]<br />
[[Kategorie:Fahrzeug der Kompaktklasse]]<br />
[[Kategorie:Limousine]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Lancia_Ypsilon_(846)&diff=227504844Lancia Ypsilon (846)2022-10-31T04:47:15Z<p>Designer2k2: /* Allgemeines */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt, sowie Text korrigiert</p>
<hr />
<div>{{Infobox PKW-Modell<br />
| Marke = [[Lancia]]<br />
| Modell = Ypsilon<br />
| Bild = Lancia Ypsilon 0.9 TwinAir Turbo 8v Platinum (II) – Frontansicht, 31. Dezember 2012, Düsseldorf.jpg<br />
| Bild zeigt = Lancia Ypsilon Platinum (2011–2016)<br />
| von = 2011<br />
| bis = <br />
| Klasse = [[Kleinwagen]]<br />
| Versionen = [[Kombilimousine]]<br />
| Motoren = [[Ottomotor]]en:<br />0,9–1,2 Liter<br />(51–63 kW)<br />[[Dieselmotor]]:<br />1,3 Liter<br />(70 kW)<br />
| Länge = 3837–3842<br />
| Breite = 1676<br />
| Höhe = 1518–1520<br />
| Radstand = 2390<br />
| Gewicht = 965–1165<br />
| Vorgänger = [[Lancia Ypsilon (843)|Lancia Ypsilon]]<br />
| Nachfolger = <br />
}}<br />
{| class="wikitable float-right" width="258"<br />
|-<br />
| Sterne im [[Euro NCAP]]-[[Crashtest]] (2015)<ref>[http://www.euroncap.com/en/results/lancia/ypsilon/22030 Ergebnis des Lancia Ypsilon beim Euro-NCAP-Crashtest] (2015)</ref><br />
| [[Datei:Crashtest-Stern 2.svg|105px|2 Sterne im Euro-NCAP-Crashtest]]<br />
|}<br />
Der '''Lancia Ypsilon''' (Typ 846), bzw. in einigen Ländern '''Lancia New Ypsilon''' genannt, ist ein [[Kleinwagen]] des [[italien]]ischen Automobilherstellers [[Lancia]]. <br />
<br />
Das Fahrzeug ist der Nachfolger des gleichnamigen [[Lancia Ypsilon (843)|Lancia Ypsilon]] und wurde im März 2011 auf dem 81. [[Genfer Auto-Salon]] präsentiert. Es wurde ab Juni 2011 in Europa bzw. ab 2. Juli 2011 in Deutschland verkauft. Ab September 2011 wurde der Wagen zudem in Großbritannien und Irland unter der Marke [[Chrysler]] verkauft. Parallel dazu wurde der dreitürige Vorgänger weiterhin gebaut und in einigen europäischen Ländern vertrieben.<br />
<br />
Ende April 2017 stoppte Lancia den Verkauf des Fahrzeugs außerhalb Italiens.<ref>http://www.auto-motor-und-sport.de/news/lancia-in-deutschland-stellt-vertrieb-ein-713091.html Lancia Deutschland stellt den Vertrieb ein</ref><br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
Mit der Einführung der ersten Baureihe (damals noch als [[Lancia Y10|Y10]]) im Frühsommer 1985 hat Lancia das Segment der Luxus-/Lifestyle-Kleinwagen begründet. Nachdem alle bisherigen Ypsilon-Modelle bis 2011 ausschließlich mit drei Türen gebaut wurden, wird der neue Ypsilon (intern: Typ&nbsp;846) nur noch als Fünftürer angeboten. Die hinteren Türen wurden optisch kaschiert durch die Positionierung der Griffe am Ende des Fensterbandes, das markant nach hinten ansteigt. <br />
<br />
Der ''New Ypsilon'' erhält den neuen Kühlergrill, mit horizontalen, in der Mitte eine verjüngten Streben. Entworfen wurde der Ypsilon der vierten Generation im ''Centro Stile Lancia'' und folgt der mit dem [[Lancia Delta|Delta III]] eingeführten Formensprache.<br />
<br />
<gallery widths="200"><br />
Datei:Lancia Ypsilon 0.9 TwinAir Turbo 8v Platinum (II) – Heckansicht, 31. Dezember 2012, Düsseldorf.jpg|Heckansicht<br />
Datei:Chrysler Ypsilon Gold.jpg|Chrysler Ypsilon (2011–2017)<br />
Datei:New_Ypsilon_interni.jpg|Innenraum<br />
</gallery><br />
<br />
Es werden 16 verschiedene Lackierungen angeboten, darunter vier Bi-Colore-Lackierungen. Hierbei werden die Motorhaube, das Dach und der Spoileransatz an der Heckklappe in einem anderen Farbton lackiert als die restliche Karosserie. Das Fahrzeug wurde gegenüber dem Vorgänger um drei Zentimeter länger (3,84&nbsp;m), um einen Zentimeter niedriger (1,52&nbsp;m) und um knapp zwei Zentimeter schmäler (1,68&nbsp;m). Der Radstand blieb unverändert.<br />
<br />
Der Ypsilon hat LED-Rückleuchten sowie Tagfahrlicht an der Front. Optional sind Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Scheinwerferwaschanlage erhältlich. Eine Neuheit stellt das Smart-Fuel-System dar, wodurch das Verschrauben des Tankdeckels überflüssig wird.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.auto-motor-info.de/cms/index.php?section=gallery&cid=115&pId=498 |text=Tankstutzen ohne Schraubverschluss |wayback=20140602195048 |archiv-bot=}} </ref> Durch Einhängen oder Herausziehen der Zapfpistole wird der Tank automatisch geöffnet und geschlossen.<br />
<br />
<gallery widths="200"><br />
Datei:Lancia Ypsilon Geneva.jpg|Lancia Ypsilon mit Bi-Colore-Lackierung<br />
</gallery><br />
<br />
== Modellpflege ==<br />
[[Datei:2018 Lancia Ypsilon 1.2 Fire facelift.jpg|mini|Lancia Ypsilon (seit 2016)]]<br />
<br />
Ende 2011 wurde die Motorenpalette unter dem Namen ''Ypsilon Ecochic'' um eine Variante des 1,2-Liter-Motors ergänzt, die auch mit [[Autogas]] betrieben werden kann.<ref>http://www.lanciapress.com/press/article/11365 Lancia Ypsilon Ecochic Vorstellung</ref><br />
Ein Jahr später nahm der Hersteller eine [[Erdgas|CNG]]-betriebene Variante des 0,9-Liter-Antriebs in sein Angebot auf.<ref>http://www.lanciapress.com/press/article/115405 Einführung der CNG-Version</ref><br />
<br />
Auf der [[Internationale Automobil-Ausstellung|IAA]] 2015 stellte Lancia ein [[Modellpflege|Facelift]] für den Ypsilon vor. Dieses umfasst neben einer Überarbeitung des Frontdesigns eine veränderte Innenraumgestaltung. Zudem wurden zwei neue Farbtöne und das bis dahin nicht im Ypsilon erhältliche Uconnect-Infotainment-System eingeführt.<ref>http://www.lanciapress.com/press/article/117189 Facelift 2015</ref><br />
<br />
== Innenraum ==<br />
Die Gestaltung des Armaturenbretts orientiert sich am Vorgänger. In der Mitte des Armaturenbretts wurden die Instrumente angeordnet. Direkt unterhalb des Radios und der Bedienungselemente für die Heizung oder Klimatisierung ist der Schalthebel in der Mitte des Armaturenträgers montiert und damit höher als sonst üblich.<br />
<br />
Die Sitze können mit Stoff, Mikrofaser „Castiglio“ oder einer Stoff-/Leder-Kombination bezogen sein. Abhängig von der Ausstattung und den Sitzbezügen sind stellenweise auch die Türverkleidungen mit Kunstleder oder Naturseide bespannt. In dieser Fahrzeugklasse einmalig dürfte es sein, dass auch ein Teil des Armaturenbretts mit Textil oder Kunstleder bezogen ist. Es gibt wahlweise eine Rücksitzbank mit zwei Sitzplätzen die sich im Verhältnis 50:50 umklappen lässt oder eine dreisitzige Bank, die sich im Verhältnis 60:40 umlegen lässt.<br />
<br />
== Ausstattung ==<br />
{{Lückenhaft|1=Handelt es sich um Serien- oder Sonderaustattung?|2= Dieser Abschnitt}}<br />
<!--1. welche Ausstattung ist gemeint, Serien- oder Sonderausstattung, 2. bezieht sich das auf DACH? dann Vergangenheitsform --><br />
Die Ausstattung des Ypsilon ist für diese Fahrzeugklasse umfangreich. Es gibt u.&nbsp;a. Klimaautomatik, Nebelscheinwerfer, Tempomat, Tripcomputer, Lederlenkrad mit Multifunktionstasten, Audioanlage mit Radio und MP3/CD-Player, „Blue&Me“-System mit Sprachsteuerung, Licht- und Regensensor, Parksensoren hinten und diverse 15- oder 16-Zoll-Leichtmetallräder, teilweise auch in Bi-Colore-Ausführung. Außerdem gibt es ein sogenanntes 360° Soundsystem mit 500 Watt, ein Navigationssystem „Blue&Me-TomTom2“ und einen halbautomatischen Einparkassistenten „Magic Parking“.<br />
Für den Ypsilon ist ein groß dimensioniertes Glasschiebedach „Granluce“ erhältlich. Dieses Schiebedach nimmt nahezu 70 Prozent des Dachhimmels ein und besteht aus zwei Glaspaneelen (einem festen und einem beweglichen) und zwei Sonnenrollos, die voneinander unabhängig in Richtung Dachmitte gleiten.<br />
<br />
Es werden drei Ausstattungslinien (Silver, Gold und Platinum) sowie wechselnde Sondermodelle angeboten.<br />
<br />
== Sicherheit ==<br />
Serienmäßig wird der Lancia Ypsilon mit sechs [[Airbag]]s (Fahrer-/Beifahrerairbag und jeweils zwei Seiten- und Kopfairbags) geliefert. [[Antiblockiersystem|ABS]] mit elektronischem Bremskraftverteiler (EBD) sowie ein [[elektronisches Stabilitätsprogramm]] (ESC) mit Bremsassistent, Berganfahrhilfe, [[Antriebsschlupfregelung|ASR]] und MSR ist ebenfalls immer serienmäßig. Das Fahrzeug hat außerdem Kopfstützen an allen Sitzplätzen (an den Vordersitzen sind sie zudem aktiv), Kindersitzbefestigung (Isofix), Sicherheitspedale und -lenksäule, Fire-Prevention-System, ausschließlich 3-Punkt-Sicherheitsgurte (vorne mit Gurtstraffern, Gurtkraftbegrenzern und akustischem Warnsignal bei nichtangelegtem Gurt), Kindersicherung in den hinteren Türen und eine elektronische Wegfahrsperre.<br />
<br />
== Technik und Motoren ==<br />
Die Bodengruppe ist mit der des [[Fiat 500 (2007)|Fiat 500]] verwandt. Außer einem Schaltgetriebe gibt es in Kombination mit dem 0.9&nbsp;[[Fiat Twin-Air|TwinAir]]-Motor ein Automatikgetriebe mit fünf Stufen. Dieses sogenannte DFN-Getriebe (DFN für ''Dolce Far Niente'', zu Deutsch: das süße Nichtstun) ist ein automatisiertes Schaltgetriebe, also ein herkömmliches Schaltgetriebe, bei dem ein Aggregat die Kupplung betätigt und ein weiteres Aggregat die Gänge einlegt, gesteuert von einer Steuerungselektronik. Ein Kupplungspedal gibt es in diesem Fall natürlich nicht. Das Getriebe verbindet den Wirkungsgrad eines Schaltgetriebes mit den Vorzügen einer Getriebeautomatik.<br />
<br />
Alle Otto- und Dieselmotoren sind im Ypsilon serienmäßig mit einem Start&Stopp-System ausgerüstet und darüber hinaus mit einer Schaltpunktanzeige versehen.<br />
<br />
===Ottomotoren===<br />
* 1.2 8V, 51&nbsp;kW (69&nbsp;PS), seit 2011 (seit 2012 auch mit Autogas)<br />
* 0.9 [[Fiat Twin-Air|TwinAir]] 8V, 63&nbsp;kW (85&nbsp;PS), seit 2011 (seit 2013 auch mit Erdgas)<br />
<br />
Seit dem Verkaufsstart werden zwei Otto-Motoren angeboten, nämlich der 1.2&nbsp;8V und der 0.9&nbsp;TwinAir&nbsp;8V genannte Zweizylinder-Motor. Alle Motoren erfüllen die Euro-5-Abgasnorm.<br />
<br />
===Dieselmotor===<br />
* 1.3 [[Common-Rail-Einspritzung|Multijet II]] 16V, 70&nbsp;kW (95&nbsp;PS), seit 2011<br />
<br />
Ebenfalls zur Markteinführung kam der 1.3&nbsp;Multijet&nbsp;16V mit 70&nbsp;kW (95&nbsp;PS) in das Programm, der ebenfalls die Euro-5-Abgasnorm erfüllt. Dieser Motor erreicht einen kombinierten Verbrauch von 3,8&nbsp;l Diesel (99&nbsp;g/km CO<sub>2</sub>-Ausstoß) unter Einsatz des Start&Stopp-Systems.<br />
<br />
== Technische Daten ==<br />
<div style="clear:both" class="NavFrame"><br />
<div class="NavHead"><div align="left">'''Ottomotoren'''<br />
</div></div><br />
<div class="NavContent"><br />
{| class="wikitable" style="text-align:left;" <br />
|-style="background:#cccccc;"<br />
| colspan="7" style="text-align:center;" | '''Lancia Ypsilon 846'''<br />
|-style="background:#cccccc;"<br />
! width="15%"|Lancia Ypsilon:<br />
! 1.0 Mild-Hybrid{{FN|1}}<br />
! colspan="2" width="35%"|1.2 8v<br />
! colspan="3" width="35%"|0.9 TwinAir Turbo 8v<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bauzeitraum: || style="text-align:center;" | seit 03/2020 || style="text-align:center;" | 07/2011–08/2018 || colspan="2" style="text-align:center;" | seit 08/2018 || style="text-align:center;" | 07/2011–08/2018 || style="text-align:center;" | seit 03/2020<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Motor: || style="text-align:center;" | 3-Zylinder-Reihenmotor ||colspan="2" style="text-align:center;" | 4-Zylinder-Reihenmotor || colspan="3" style="text-align:center;" | 2-Zylinder-Reihenmotor<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Motoreinbaulage: || colspan="6" style="text-align:center;" | vorne quer<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Ventile pro Zylinder: || colspan="3" style="text-align:center;" | 2 || colspan="3" style="text-align:center;" | 4<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Hubraum: || style="text-align:center;" |999&nbsp;cm³ || colspan="2" style="text-align:center;" |1242&nbsp;cm³ || colspan="3" style="text-align:center;" |875&nbsp;cm³<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bohrung × Hub: || || colspan="2" style="text-align:center;" |70,8 × 78,9 mm || colspan="3" style="text-align:center;" |80,5 × 86,0 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Leistung bei 1/min: || style="text-align:center;" |51&nbsp;kW (70&nbsp;PS)<br/> bei 6000 || colspan="2" style="text-align:center;" |51&nbsp;kW (69&nbsp;PS)<br/> bei 5500 || style="text-align:center;" |52&nbsp;kW (70&nbsp;PS)<br/> bei 5500 || colspan="2" style="text-align:center;" |63&nbsp;kW (85&nbsp;PS)<br/> bei 5500 <br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Max. Drehmoment bei 1/min: || style="text-align:center;" |92&nbsp;Nm bei 3500 || colspan="2" style="text-align:center;" |102&nbsp;Nm bei 3000 || style="text-align:center;" |135&nbsp;Nm bei 2500 || colspan="2" style="text-align:center;" |145&nbsp;Nm bei 1900<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Gemischaufbereitung: || style="text-align:center;" colspan="6" | Multipoint-Kraftstoffeinspritzung<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Motoraufladung: || colspan="3" style="text-align:center;" | – || colspan="3" style="text-align:center;" | Turbolader und Ladeluftkühler<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Ventilsteuerung: || colspan="3" style="text-align:center;" | [[OHC-Ventilsteuerung|DOHC]], Zahnriemen || colspan="3" style="text-align:center;" | [[OHC-Ventilsteuerung|OHC]], Zahnriemen, MultiAir System<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Getriebe: || style="text-align:center;" |6-Gang-Getriebe manuell || colspan="2" style="text-align:center;" |5-Gang-Getriebe manuell || colspan="2" style="text-align:center;" |5-Gang-Getriebe manuell (wahlweise mit 5-Gang-Automatik DFN) || style="text-align:center;" |5-Gang-Getriebe manuell<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radaufhängung vorn: || colspan="6" style="text-align:center;" | MacPherson-Federbeine mit Querlenkern, doppelt wirkende hydraulische Teleskopstoßdämpfer und Stabilisator<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radaufhängung hinten: || colspan="6" style="text-align:center;" | Verbundlenkerachse, doppelt wirkende hydraulische Teleskopstoßdämpfer, Schraubenfedern<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Lenkung: || colspan="6" style="text-align:center;" | Elektrische Servolenkung Dualdrive mit zuschaltbarer City-Funktion, 9,3&nbsp;m Wendekreis<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bremsanlage vorne: || || colspan="2" style="text-align:center;" | Scheiben 257 mm || colspan="3" style="text-align:center;" | Scheiben 257 mm (innen belüftet)<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bremsanlage hinten: || || style="text-align:center;" colspan="5" | Trommeln 203 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bereifung: || colspan="6" style="text-align:center;" | 185/55 R15 oder 195/45 R16<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Sitzplätze: || colspan="6" style="text-align:center;" | 4 oder 5<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Länge/Breite/Höhe: || style="text-align:center;" | 3837/1676/1518 mm || style="text-align:center;" | 3842/1676/1520 mm || colspan="2" style="text-align:center;" | 3837/1676/1518 mm || style="text-align:center;" | 3842/1676/1520 mm || style="text-align:center;" | 3837/1676/1518 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radstand: || colspan="6" style="text-align:center;" | 2390 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Leergewicht/zul. Gesamtgewicht: || style="text-align:center;" | 1055/k.&nbsp;A.&nbsp;kg || style="text-align:center;" | 965/1445&nbsp;kg (1500&nbsp;kg bei 5 Sitzplätzen) || style="text-align:center;" | 1055/k.&nbsp;A.&nbsp;kg || style="text-align:center;" | 1165/k.&nbsp;A.&nbsp;kg || style="text-align:center;" | 975–980/1455–1460&nbsp;kg (1510–1515&nbsp;kg bei 5 Sitzplätzen) || style="text-align:center;" | 1165/k.&nbsp;A.<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Kofferraumvolumen: || colspan="6" style="text-align:center;" | 245 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Tankvolumen: || colspan="6" style="text-align:center;" | 40 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Kraftstoff: || colspan="6" style="text-align:center;" | Super bleifrei (ROZ 95)<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Höchstgeschwindigkeit: || colspan="3" style="text-align:center;" |163&nbsp;km/h || style="text-align:center;" |160&nbsp;km/h || style="text-align:center;" |176&nbsp;km/h || style="text-align:center;" |170&nbsp;km/h<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Beschleunigung, 0–100&nbsp;km/h: || style="text-align:center;" |14,2 s || style="text-align:center;" |14,5 s || style="text-align:center;" |14,8 s || style="text-align:center;" |14,4 s || style="text-align:center;" |11,9 s (12,2 s bei DFN) || style="text-align:center;" |13,0 s<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Verbrauch (Liter/100&nbsp;km) nach RL 80 / 1268 / EWG || colspan="6" style="text-align:center;" |<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Stadt: || style="text-align:center;" |4,7–4,9 l|| style="text-align:center;" |6,4 l|| style="text-align:center;" |6,3–6,8 l|| style="text-align:center;" |6,4 l|| style="text-align:center;" |5,0 l (4,9 l bei DFN) || style="text-align:center;" |6,4 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Überland: || style="text-align:center;" |3,5–43,6 l|| style="text-align:center;" |4,1 l|| style="text-align:center;" |4,6–4,7 l|| style="text-align:center;" |4,9 l || style="text-align:center;" |3,8 l (3,7 l bei DFN) || style="text-align:center;" |4,9 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| kombiniert: || style="text-align:center;" |4,0–4,1 l|| style="text-align:center;" |4,9 l|| style="text-align:center;" |5,3–5,4 l|| style="text-align:center;" |5,5 l|| style="text-align:center;" |4,2 l (4,1 l bei DFN) || style="text-align:center;" |5,5 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| CO<sub>2</sub>-Emissionen: || style="text-align:center;" |90–92 g/km || style="text-align:center;" |115 g/km || style="text-align:center;" |119–126 g/km || style="text-align:center;" |125 g/km || style="text-align:center;" |99 g/km (97 g/km bei DFN) || style="text-align:center;" |125 g/km<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Abgasnorm: || style="text-align:center;" | Euro 6d || style="text-align:center;" | Euro 5 || colspan="2" style="text-align:center;" | Euro 6d-TEMP || style="text-align:center;" | Euro 5 || style="text-align:center;" | Euro 6d-TEMP<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|}<br />
{{FNZ|1|Mild-Hybrid mit 3,6 kW [[Startergenerator#Riemengetriebene Startergeneratoren|Riemenstarter-Generator]] und [[Lithium-Ionen-Akkumulator]] von 14V, 11 Ah||gruppe=}}<br />
</div></div><br />
<br />
<div style="clear:both" class="NavFrame"><br />
<div class="NavHead"><div align="left">'''Dieselmotoren'''<br />
</div></div><br />
<div class="NavContent"><br />
{| class="wikitable"<br />
|-style="background:#cccccc;"<br />
| colspan="3" style="text-align:center;" | '''Lancia Ypsilon 846'''<br />
|-style="background:#cccccc;"<br />
! width="15%"|Lancia Ypsilon:<br />
! width="50%"|1.3 MultiJet 16v DPF<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bauzeitraum: || style="text-align:center;" | 07/2011–08/2018<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Motor: || style="text-align:center;" | 4-Zylinder-Reihenmotor<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Motoreinbaulage: || colspan="2" style="text-align:center;" | vorne quer<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Ventile pro Zylinder: || style="text-align:center;" | 4<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Hubraum: || style="text-align:center;" |1248 cm³<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bohrung × Hub: || style="text-align:center;" |69,6 × 82,9 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Leistung bei 1/min: || style="text-align:center;" | 70 kW(95 PS)<br/>bei 4000<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Max. Drehmoment bei 1/min: || style="text-align:center;" |200 Nm bei 1500<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Gemischaufbereitung: || style="text-align:center;" |Multijet-Direkteinspritzung vom Typ „Common-Rail“ mit Turbolader und Ladeluftkühler<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Ventilsteuerung: || style="text-align:center;" | [[OHC-Ventilsteuerung|DOHC]], Steuerkette<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Getriebe: || style="text-align:center;" |5-Gang-Getriebe manuell<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radaufhängung vorn: || style="text-align:center;" |MacPherson-Federbeine mit Querlenkern, doppelt wirkende hydraulische Teleskopstoßdämpfer und Stabilisator<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radaufhängung hinten: || style="text-align:center;" | Verbundlenkerachse, doppelt wirkende hydraulische Teleskopstoßdämpfer, Schraubenfedern<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Lenkung: || style="text-align:center;" | Elektrische Servolenkung Dualdrive mit zuschaltbarer City-Funktion, 9,3 m Wendekreis<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bremsanlage vorne: || style="text-align:center;" | Scheiben 284 mm (innen belüftet)<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bremsanlage hinten: || style="text-align:center;" | Trommeln 203 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Bereifung: || style="text-align:center;" | 185/55 R15 oder 195/45 R16<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Sitzplätze: || style="text-align:center;" | 4 oder 5<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Länge/Breite/Höhe: || style="text-align:center;" | 3842/1676/1520 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Radstand: || style="text-align:center;" | 2390 mm<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Leergewicht/zul. Gesamtgewicht: || style="text-align:center;" | 1050/1530 kg (1585 kg bei 5 Sitzplätzen)<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Kofferraumvolumen: || style="text-align:center;" | 245 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Tankvolumen: || style="text-align:center;" | 40 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Kraftstoff: || style="text-align:center;" | Diesel<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Höchstgeschwindigkeit: || style="text-align:center;" |183 km/h<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Beschleunigung, 0–100 km/h: || style="text-align:center;" |11,4 s<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Verbrauch (Liter/100 km) nach RL 80 / 1268 / EWG || style="text-align:center;" |<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Stadt: || style="text-align:center;" |4,7 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Überland: || style="text-align:center;" |3,2 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| kombiniert: || style="text-align:center;" |3,8 l<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| CO<sub>2</sub>-Emissionen: || style="text-align:center;" |99 g/km<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
| Abgasnorm: || style="text-align:center;" | Euro 5<br />
|- class="hintergrundfarbe5"<br />
|}<br />
</div></div><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Lancia Ypsilon}}<br />
* [https://www.lancia.it/ypsilon Offizielle Ypsilon Website] (italienisch)<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<references/><br />
<br />
{{Zeitleiste Lancia- und Autobianchi-Modelle}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Lancia-Modelle}}<br />
<br />
[[Kategorie:Kleinwagen]]<br />
[[Kategorie:Kombilimousine]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Interpol&diff=226299786Interpol2022-09-19T17:47:28Z<p>Designer2k2: /* Ziele, Funktionen und Finanzierung */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt die Polizeiorganisation; für die gleichnamige Band siehe [[Interpol (Band)]].}}<br />
{{Infobox Zwischenstaatliche Organisation<br />
| Name = Internationale kriminalpolizeiliche Organisation&nbsp;– Interpol<br />
| Kürzel = ICPO-Interpol<br />
| englisch = The International Criminal<br />Police Organization&nbsp;– Interpol<br />
| Sonstige_Sprache = <br />
| Eigensprache = <br />
| Flagge = <br />
| Flaggentext = <br />
| Bild = ICPO-Interpol Lione.JPG<br />
| Bildunterschrift = Das Generalsekretariat von Interpol in [[Lyon]]<br />
| Organisationsart = internationale Polizeiorganisation<br />
| Vorsitz = {{GER|Jürgen Stock (Jurist)|Jürgen Stock}}<br />(Generalsekretär)<br />
{{VAE|Ziel=Ahmed Naser Al-Raisi}}<br />(Präsident)<br />
| Status = <br />
| Gründung = 1923<br />
| Sitz = [[Lyon]], {{FRA}}<br />
| Oberorganisation = <br />
| Tochterorganisationen = <br />
| URL = [https://www.interpol.int/ www.interpol.int]<br />
| Sprachen = Englisch, Französisch,<br />Arabisch, Spanisch<br />
| Glieder = [[Datei:Map of the member states of Interpol 2018.svg|200px]] ''→ [[Liste der Mitgliedstaaten von Interpol|Mitgliedstaaten]]''<br />
| Gliedzahl = 195<br />
}}<br />
<br />
Die '''Internationale kriminalpolizeiliche Organisation&nbsp;– Interpol''', kurz '''IKPO''', '''ICPO-Interpol''', '''Interpol''' (von englisch '''''Inter'''national Criminal '''Pol'''ice Organization''), ist ein Verein zur Stärkung der Zusammenarbeit nationaler Polizeibehörden. Sie wurde 1923 als ''Internationale kriminalpolizeiliche Kommission'' in [[Wien]] gegründet und hat ihren Sitz in [[Lyon]]. Derzeit hat Interpol [[Liste der Mitgliedstaaten von Interpol|195 Mitgliedstaaten]].<ref>{{Internetquelle<br />
|titel=Member Countries (World) |url=https://www.interpol.int/Member-countries/World<br />
|werk=www.interpol.int |sprache=en |zugriff=2018-08-19}}</ref><ref>{{Internetquelle<br />
|titel=Kosovo nicht in Polizeiorganisation Interpol aufgenommen<br />
|url=https://derstandard.at/2000091826898/Interpol-lehnt-Mitgliedschaft-des-Kosovo-ab<br />
|werk=[[Der Standard]] |datum=2018-11-20 |zugriff=2018-11-24}}</ref><br />
<br />
Die Verarbeitung von Daten bei Interpol wird von einer gemäß Art. 36 der Interpol-Statuten unabhängigen Kommission überwacht. Sie besteht aus fünf Personen, die sich dreimal pro Jahr treffen. Sie prüft Beschwerden, Anträge auf Einsicht in Akten und Datenbanken<ref>siehe www.interpol.int, legal material</ref> und spricht Empfehlungen aus, ob eine Fahndung aufrechterhalten werden soll.<ref name="SZMagazin">Lena Kampf: [https://sz-magazin.sueddeutsche.de/politik/der-viel-zu-lange-arm-des-gesetzes-80920 ''Der viel zu lange Arm des Gesetzes.''] In: ''[[Süddeutsche Zeitung Magazin]]'', 17. Januar 2015.</ref><br />
<br />
== Organisation ==<br />
=== Ziele, Funktionen und Finanzierung ===<br />
Die größte Polizeiorganisation der Welt ist juristisch ein Verein, eingetragen nach französischem Privatrecht – kein völkerrechtlicher Vertrag liegt ihr zugrunde, kein Parlament hat die Tätigkeit von Interpol je ratifiziert.<ref name="SZMagazin" /> Es besteht keine externe Kontrolle über Interpol.<ref>Albrecht Randelzhofer: ''Rechtsschutz gegen Maßnahmen von INTERPOL vor deutschen Gerichten?'', in: Ingo von Münch (Hrsg.): ''Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht: Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer'', Walter de Gruyter: Berlin 1981, S. 531–555. ISBN 3-11-008118-0.</ref> Die Aufgabe von Interpol ist die umfassende Unterstützung aller [[kriminalpolizei]]lichen [[Behörde]]n und anderer Einrichtungen, die zur Verhütung oder Bekämpfung von [[Verbrechen]] beitragen können, unter der Berücksichtigung nationaler [[Gesetz]]e und der [[Menschenrechte]].<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art2 |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art2 |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, Article 2</ref><br />
<br />
Die Hauptfunktionen der [[Organisation]] sind die Gewährleistung eines globalen Kommunikationssystems, die Bereitstellung von [[Datenbank]]en für die Informationsverarbeitung, die Benachrichtigung der Mitgliedstaaten über gesuchte Personen, die Koordinierung gegenseitiger Unterstützungsmaßnahmen durch Entsendung von technischen Spezialisten und Zurverfügungstellung von Ausrüstung (technische Hilfe) und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Aus- und Fortbildung, Ausrüstung, Einsatz von Personal und Hilfsmitteln.<br />
<br />
Interpol wurde bis 2011 fast ausschließlich durch jährliche Zahlungen der Mitgliedstaaten finanziert, das Budget für 2008 betrug 47,6 Millionen [[Euro]].<ref name="zeit" /><ref>{{Webarchiv |url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/FactSheets/GI01.pdf |text=INTERPOL: an overview |wayback=20060111045404 |archiv-bot=}} (PDF)</ref> Unter [[Ronald Kenneth Noble|Ronald Noble]] – Interpol-Generalsekretär von 2000 bis 2014 – wurde das Finanzierungsmodell ab 2011 geändert. Millionen-Beiträge hat Interpol u.&nbsp;a. von der [[FIFA]], [[Altria Group|Philip Morris]] und der [[Pharmahersteller|Pharmaindustrie]] erhalten. Mit dem Organisationskomitee der [[Fußball-Weltmeisterschaft 2022]] in Katar wurde ein Abkommen über 10 Millionen US-Dollar abgeschlossen.<ref name="zeit">{{Internetquelle |autor=Robert Schmidt, Mathieu Martiniere |url=https://www.zeit.de/sport/2018-03/interpol-polizei-ermittlung-doping-geldannahme-kritik |titel=Wenn die Weltpolizei mit der Fifa dealt |werk=[[Die Zeit|zeit.de]] |datum=2018-03-20 |zugriff=2019-07-30}}</ref><br />
<br />
=== Organe ===<br />
==== Generalversammlung ====<br />
{{Siehe auch|Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol}}<br />
Die Generalversammlung (General Assembly) ist das höchste [[Organ (Recht)|Organ]] von Interpol. Jeder [[Mitgliedstaat]] verfügt über eine Stimme, bei Abstimmungen reicht eine einfache Mehrheit, bei Änderungen der Statuten ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Die Generalversammlung tritt mindestens einmal im Jahr zusammen, eine außerordentliche Einberufung ist möglich.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ga |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ga |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, The General Assembly</ref><br />
Dabei werden alle wichtigen Entscheidungen über die generelle Verfahrensweise, Ressourcen, Methoden, Finanzen und Programme getroffen. Die Zusammensetzung des Exekutivkomitees (Executive Committee) wird ebenso in der Generalversammlung bestimmt.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.interpol.int/Public/icpo/GeneralAssembly/default.asp | archive-is=20120803125704 | text=Interpol General Assembly}}</ref><br />
Das Exekutivkomitee besteht aus einem [[Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol|Präsidenten]], drei Vizepräsidenten und neun Delegierten der Generalversammlung.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ec |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ec |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, The Executive Committee</ref><br />
Die Hauptaufgabe des Exekutivkomitees ist die Überwachung der Durchführung von Entscheidungen der Generalversammlung und der Administration des [[Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol|Generalsekretärs]]. Andere Aufgaben sind die Vorbereitung von Sitzungen der Generalversammlung, die Unterbreitung von Programmen an diese und die Bearbeitung von zugewiesenen Zuständigkeiten.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art22 |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art22 |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, Article 22</ref><br />
<br />
{{Lückenhaft|Daten zu den einzelnen Generalversammlungen in der Tabelle}}<br />
{| class="wikitable mw-collapsible mw-collapsed zebra"<br />
! Nr. !! Datum !! Ort !! Quelle / Bemerkung<br />
|-<br />
|88<br />
|15. bis 18. Oktober 2019<br />
|{{CHL|Ziel=Santiago de Chile}}<br />
|<br />
|-<br />
| 87 || 18. bis 21. November 2018 ||{{UAE|Ziel=Dubai}}<br />
|<br />
|-<br />
| 86 || 26. bis 29. September 2017 ||{{CHN|Ziel=Beijing}}<br />
|<br />
|-<br />
| 85 || 7. bis 10. November 2016 || {{IDN|Ziel=Bali (Indonesien)}}||<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/161116_InterpolGeneralversammlung.html |titel=85. INTERPOL-Generalversammlung auf Bali |datum= 2016-11-15 |zugriff=2019-01-10}}</ref><br />
|-<br />
| 84 || 2. bis 5. November 2015 ||{{Ruanda|Ziel=Kigali}}<br />
|<br />
|-<br />
| 83 || 3. bis 7. November 2014 || {{Monaco}} || <ref>[http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/11/interpol-generalversammlung.html www.bmi.bund.de]</ref><br />
|-<br />
| 82 || 21. bis 24. Oktober 2013 || {{COL|#}} [[Cartagena (Kolumbien)|Cartagena]] ||<ref>[http://www.elespectador.com/noticias/judicial/articulo-385472-colombia-sera-sede-de-asamblea-general-de-interpol www.elespectador.com]</ref><br />
|-<br />
| 81 || 5. bis 8. November 2012 || {{ITA|Ziel=Rom}} || <ref>{{Webarchiv | url=http://www.interpol.int/News-and-media/Events/2012/81st-INTERPOL-General-Assembly2/81st-INTERPOL-General-Assembly | wayback=20120811085008 | text=}}</ref><ref>{{Webarchiv | url=http://www.interpol.int/News-and-media/Events/2012/81st-INTERPOL-General-Assembly2/81st-INTERPOL-General-Assembly-Resolutions | wayback=20130629024657 | text=}}</ref><br />
|-<br />
| 80 || 31. Oktober bis 3. November 2011 || {{VIE|Ziel=Hanoi}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 79 || 8. bis 11. November 2010 || {{QAT|Ziel=Doha}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 78 || 11. bis 15. Oktober 2009 || {{Singapur}} || <ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/PressReleases/PR2009/PR200982.asp |wayback=20090914015313 |text=www.interpol.int }}</ref><br />
|-<br />
| 77 || 7. bis 10. Oktober 2008 || {{RUS|Ziel=Sankt Petersburg}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 76 || 5. bis 8. November 2007 || {{MAR|Ziel=Marrakesch}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 75 || 19. bis 22. September 2006 || {{BRA|Ziel=Rio de Janeiro}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 74 || 19. bis 22. September 2005 || {{GER|Ziel=Berlin}} || ''Gastgeber'' [[Bundeskriminalamt (Deutschland)|Bundeskriminalamt]]<br />
|-<br />
| 73 || 5. bis 8. Oktober 2004 || {{MEX|Ziel=Cancún}} ||<br />
|-<br />
| 72 || 29. September bis 2. Oktober 2003 || {{ESP|Ziel=Benidorm}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 71 || 21. bis 24. Oktober 2002 || {{CMR|Ziel=Yaoundé}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 70 || 24. bis 28. September 2001 || {{HUN|Ziel=Budapest}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 69 || 30. Oktober bis 4. November 2000 || {{GRE|#}} [[Rhodos (Stadt)|Rhodos]] || &nbsp;<br />
|-<br />
| 68 || 8. bis 12. November 1999 || {{KOR|Ziel=Seoul}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 67 || 22. bis 27. Oktober 1998 || {{EGY|Ziel=Kairo}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 66 || 15. bis 21. Oktober 1997 || {{IND|Ziel=Neu-Delhi}} || &nbsp;<br />
|-<br />
| 65 || 23. bis 29. Oktober 1996 || {{TUR|Ziel=Antalya}} || &nbsp;<br />
|}<br />
<br />
==== Generalsekretariat ====<br />
Das Generalsekretariat hat seinen Sitz in Lyon und ist für die praktische Arbeit das wichtigste Organ. Es wird vom [[Generalsekretär]] geleitet, der das von ihm ausgewählte Fach- und Verwaltungspersonal einsetzt. Im Generalsekretariat werden die tägliche Administration der internationalen Polizeikooperation und die Beschlüsse durchgeführt.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/icpo/governance/sg/default.asp |wayback=20051024003621 |text=Interpol Secretary General }}</ref> Dabei fungiert das Generalsekretariat als zentrale Koordinationsstelle zwischen den nationalen Zentralbüros.<br />
<br />
==== Nationales Zentralbüro ====<br />
Jeder Mitgliedstaat hat ein Nationales Zentralbüro/Landeszentralbüro (''National Central Bureau''/LZB) zu ernennen. Dieses dient der Koordination zwischen der Interpol und den einzelnen Staaten. Zu diesem Zweck muss das Büro Verbindungen zu den Behörden des Landes, zu anderen nationalen Büros und zum Generalsekretariat bereitstellen.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ncb |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#ncb |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, National Central Bureaus</ref><br />
In manchen Staaten wird die Funktion des Nationalen Zentralbüros/Landeszentralbüros von der inländischen Zentralstelle für kriminalpolizeiliche Ermittlungen wahrgenommen. In anderen Ländern wurde hingegen eine eigene Dienststelle nur für den Interpol-Aufgabenbereich eingerichtet, beispielsweise in den [[Vereinigte Staaten|USA]].<ref>U.S. National Central Bureau. U.S. Department of Justice[https://www.justice.gov/interpol-washington]</ref> In [[Deutschland]] und [[Österreich]] agiert das jeweilige Bundeskriminalamt ([[Bundeskriminalamt (Deutschland)|BKA]] und [[Bundeskriminalamt (Österreich)|BK]]) zugleich als Nationales Zentralbüro/Landeszentralbüro.<br />
<br />
Bei den Beratern (Advisers) handelt es sich meist um international anerkannte Experten.<br />
<br />
== Notices und Diffusions ==<br />
Hinsichtlich der Suchaufträge wird zwischen Notices (Ausschreibungen zur Fahndung) und Diffusions („Durchgaben“) unterschieden. Ausschreibungen werden von den Mitgliedsstaaten oder den akkreditierten internationalen Organisationen zentral an Interpol geleitet und von dort an die übrigen Mitglieder verteilt. Im Gegensatz dazu werden Durchgaben vom veranlassenden Land direkt an gewünschte Länder zugestellt und von Interpol zusätzlich in den Datenbanken erfasst. Beide Suchauftragsarten sind in sieben Kategorien aufgeteilt und werden gemäß der farblichen Kategorisierung auch „Buntecken“&nbsp;– also für die einzelnen Typen etwa „Rotecke“ oder „Gelbecke“&nbsp;– genannt.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.interpol.int/content/download/786/6291/version/14/file/Factsheets_EN_feb2012_GI02.pdf | wayback=20120713075817 | text=International Notices system (engl.)}} (PDF; 1&nbsp;MB)</ref><br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
|-<br />
! width="20%"| Notice-Kategorie<br />
! width="20%"| deutsche Bezeichnung<br />
! Details<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: red; color: white"| '''Red Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: red; color: white"| '''Rote Ausschreibung'''<br />
| Ersuchen um Festnahme oder vorläufige Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: blue; color: white"| '''Blue Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: blue; color: white"| '''Blaue Ausschreibung'''<br />
| Sammlung von zusätzlichen Informationen über die Identität oder Aktivitäten einer Person im Bezug auf ein Verbrechen.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: green; color: white"| '''Green Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: green; color: white"| '''Grüne Ausschreibung'''<br />
| Bereitstellung von Warnungen und kriminalistischen Informationen über Personen, die Straftaten begingen und diese wahrscheinlich in anderen Ländern wiederholen werden.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: yellow; color: black"| '''Yellow Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: yellow; color: black"| '''Gelbe Ausschreibung'''<br />
| Hilfe bei der Ortung vermisster Personen, häufig Jugendlicher, oder Hilfe bei der Identifizierung von Personen, die sich nicht selbst identifizieren können.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: black; color: white"| '''Black Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: black; color: white"| '''Schwarze Ausschreibung'''<br />
| Suche nach Informationen bezüglich unidentifizierter Leichen.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: orange; color: white"| '''Orange Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: orange; color: white"| '''Orange Ausschreibung'''<br />
| Warnt Polizei und andere internationale Organisationen über potentielle Bedrohungen von versteckten Waffen, Paketbomben oder anderem gefährlichen Material.<br />
|-<br />
| style="text-align: center; background: purple; color: white"| '''Purple Notice'''<br />
| style="text-align: center; background: purple; color: white"| '''Lila Ausschreibung'''<br />
| Verbreitung von Informationen über Modus Operandi (Vorgehensweise bei der Tat), kriminelle Methoden, Gegenstände, Apparate und Verstecke.<br />
|-<br />
| style="text-align: center;"| '''Interpol-United Nations Security Council Special Notice'''<br />
| style="text-align: center;"| '''Interpol-Sonderausschreibung der Vereinten Nationen'''<br />
| Ausgegeben für Gruppen und Einzelpersonen, die Ziel der UN-Sanktionen gegen [[al-Qaida]] oder die [[Taliban]] sind.<br />
|}<br />
{{lückenhaft|Incident Response Teams „Disaster“, „Crime“ [https://www.interpol.int/How-we-work/INTERPOL-response-teams]<br />
}}<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
=== Die Vorgeschichte der Kommission (19. Jahrhundert bis 1914) ===<br />
Im 19. Jahrhundert kam es durch die sukzessive Expansion des modernen Staates in außerstaatliche Bereiche der Gesellschaft zu ständigen [[Krise]]n. Diese wurden durch sozialistische Parteien und Bewegungen weiter verstärkt. Durch zahllose [[Attentat]]e auf die Herrschafts- und Oberschicht in beinahe allen europäischen Ländern verbreitete sich der Eindruck einer [[Verschwörungstheorie#19. Jahrhundert: Revolution versus Reaktion|anarchistischen Weltverschwörung]] und es kam in der [[Internationale Konferenz von Rom für die soziale Verteidigung gegen Anarchisten|Konferenz von Rom]] 1898 zur ersten größeren Verabredung internationaler polizeilicher Zusammenarbeit.<ref>Mathieu Deflem: ''History of International Police Cooperation.'' in ''Encyclopedia of Criminology'', edited by Richard A. Wright and J. Mitchell Miller. New York: Routledge, 2005 {{Webarchiv|text=Online verfügbar |url=http://www.cas.sc.edu/socy/faculty/deflem/zhistorintpolency.html |wayback=20101018001830 }}</ref> Bei vielen Staatsmännern kam es zur Gleichsetzung von [[Sozialismus]] und [[Anarchismus]]. Diese Umstände bildeten eine Voraussetzung für die internationale polizeiliche Kooperation.<ref>''„Festzuhalten bleibt hier zunächst, daß die Kooperation gegen gemeinsame politische Gegner und nicht die gegen die gewöhnliche Kriminalität am Anfang der internationalen Kooperation von Polizeien stand.“'' Heiner Busch: ''Grenzenlose Polizei?'' S. 264.</ref><br />
<br />
Bei der [[Geschichtsschreibung]] der [[Kriminalpolizei (Deutschland)|Kriminalpolizeien]] ist der Kampf gegen das gemeine [[Verbrechen]] die dominierende Ursache. Insbesondere schnellere Transportmittel sollten es Kriminellen ermöglicht haben, sich der Jurisdiktion zu entziehen.<ref>Hans Hoeveler: ''Internationale Bekämpfung des Verbrechens.'' S. 9–29.</ref><ref>Kurt Schaefer: ''Internationale Verbrechensbekämpfung.'' S. 31–35.</ref> Die technische Entwicklung im Bereich der [[Kommunikation]] und des Transportwesens war jedoch die Voraussetzung für eine adäquate polizeiliche Kooperation. Der Wissenschaftler [[John Tobias]] führt an, dass der schnellere Transport und die bessere Kommunikation der Verbrechensbekämpfung zugutekam.<ref>John Tobias: ''Crime and Industrial Society in the 19th century.'' S. 192.</ref> Auch wenn sich seine Studie auf [[England]] beschränkt, ist davon auszugehen, dass dies überall der Fall war. Im April 1914 wurde der Erste Internationale Polizeikongress in [[Monaco]] abgehalten, der als der Vorläufer-[[Tagung|Kongress]] der ''Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission'' (IKPK) gilt. Die Intentionen sowie genauere Informationen sind unbekannt.<br />
<br />
=== Von der ersten Gründung bis zum ersten Ende (1919–1945) ===<br />
Ende 1919 versuchte der Kapitän der niederländischen [[Koninklijke Marechaussee|Marechaussee]], van Houten, erfolglos mit einem Brief an die bedeutendsten Polizeibehörden, eine Konferenz für internationale Verbrechensbekämpfung einzuberufen. Vier Jahre später gelang es dem Wiener Polizeipräsidenten [[Johann Schober]], einen Internationalen Polizeikongress in Wien abzuhalten. Als Grund wird der Anstieg der Kriminalität nach dem [[Erster Weltkrieg|Weltkrieg]] angeführt.<br />
<br />
Zudem hatte Schober für diese Aufgabe ideale Qualifikationen, wie zum Beispiel außenpolitische Erfahrung und diplomatische Schulung. Seine Informationspolitik als Wiener Polizeipräsident war äußerst offensiv, 1920 errichtete er einen eigenen polizeilichen [[Nachrichtendienst]] mit politischen Zielsetzungen. „In einer Instruktion wies er darauf hin, daß es keineswegs nur um potentielle Unruhestifter gehe, sondern ausnahmslos um alle politisch tätigen Personen und Gruppen.“<ref>Rainer Hubert: ''Schober.'' S. 163.</ref> Erwähnenswert ist die Tatsache, dass der Nachrichtendienst über keine Mittel für einen Auslandsnachrichtendienst verfügte.<ref>[[Gerhard Jagschitz]]: ''Die Politische Zentralevidenzstelle der Bundespolizeidirektion Wien.'' In: Österreichische Gesellschaft für Zeitgeschichte: ''Jahrbuch für Zeitgeschichte 1978'', S. 73–75.</ref> Dennoch gelang es, eine Art [[antikommunistisch]]e Interpol zu etablieren. Ob sich die Intentionen Schobers (und anderer Teilnehmer) bei der Konferenz auf den „Kampf gegen das gemeine Verbrechen“<ref>''Auszug aus den Statuten der IKPK 1923.'' In: ''Hoeveler.'' S. 36.</ref> beschränkten, ist deshalb zweifelhaft.<br />
<br />
In Wien wurde 1923 die ''Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission'' (IKPK) gegründet. Am 3. September fand die erste Sitzung in der [[Bundespolizeidirektion Wien|Wiener Polizeidirektion]] statt. Das Protokoll über zukünftige Kooperation unterschrieben Vertreter aus 16 europäischen Staaten, den Vereinigten Staaten sowie Japan. Der Beschluss zur Gründung der IKPK wurde am 7. September 1923 gefasst.<ref>Alexander Elster, [[Rudolf Sieverts]] (Herausgeber): ''Handwörterbuch der Kriminologie'', Band 4, ISBN 978-3-11-008093-3, S. 60. {{Google Buch |BuchID=7ejBfC2HCacC |Seite=60}}</ref> Es stellt sich die Frage, für welche Zwecke die IKPK eingesetzt wurde. [[Wien]] wurde laut dem Politikwissenschaftler [[Heiner Busch]] aufgrund der Persönlichkeit Schobers als Zentrale der IKPK gewählt, ein weiterer Aspekt dürfte die Erfahrung und das Archiv der ehemaligen [[Kaiserlich und königlich|k.&nbsp;u.&nbsp;k.]] Dienststellen gewesen sein.<br />
<br />
Die hauptsächliche Tätigkeit der IKPK war die Nachrichtenverarbeitung und -übermittlung eingegangener Meldungen, weshalb das Polizeifunkwesen gefördert wurde. Ebenso wurden Zentralstellen zur [[Fälschung]]sbekämpfung und [[Personenerkennung]] eingerichtet.<br />
<br />
Auch nach der Machtübernahme [[Engelbert Dollfuß|Dollfuß’]] und der Errichtung des [[Ständestaat (Österreich)|österreichischen Ständestaates]] blieb die Organisation bestehen. Nach dem [[Anschluss Österreichs|Anschluss]] und der Eingliederung Österreichs in das [[NS-Staat|Dritte Reich]] wurde der bisherige [[Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol|Interpol-Präsident]] [[Michael Skubl]] abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Sein Nachfolger wurde der österreichische Nationalsozialist [[Otto Steinhäusl]]. Nach dessen baldigem Tod wurde der Sitz der IKPK von Wien nach [[Berlin-Wannsee]] verlegt und dem [[Reichssicherheitshauptamt]] unterstellt.<ref>Werner Sabitzer: [https://www.polizei.gv.at/wien/publikationen/geschichte/interpol.aspx ''Die Geschichte von Interpol.''] Website der Wiener Landespolizeidirektion, abgerufen am 23. August 2018.</ref> In einem der zwei von der IKPK genutzten Häuser fand die [[Wannseekonferenz]] betreffend die „[[Endlösung der Judenfrage]]“ statt. In Berlin wurde die IKPK durch den [[SS-Obergruppenführer]] [[Reinhard Heydrich]] präsidiert, nach dessen Tod durch ein [[Operation Anthropoid|Attentat]] des [[Tschechoslowakischer Widerstand 1939–1945|tschechischen Widerstands]] in [[Prag]] durch den SS-Obergruppenführer [[Ernst Kaltenbrunner]], der nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] in Nürnberg hingerichtet wurde. Die Akten der IKPK, die nach Berlin überführt wurden, etwa die so genannte internationale Zigeunerregistratur, aber auch die Akten betreffend Falschmünzerei und Passfälschung waren für die Nationalsozialisten hilfreich bei der Verfolgung bestimmter Personengruppen, sowie bei ihrer massenweisen [[Aktion Bernhard|Herstellung von Falschgeld und von falschen Pässen]] im [[KZ Sachsenhausen]] bei Berlin.<ref>Thomas Huonker, [[Willi Wottreng]]: [http://www.thata.ch/weltwochewirduldenkeinezigeuner01022001.htm ''„Wir dulden keine Zigeuner“.''] ''[[Die Weltwoche|Weltwoche]]'', 1. Februar 2001.</ref> Mit [[Kontrollratsgesetz]] Nr. 31 vom 1. Juli 1946 wurden die „deutschen Polizeibüros und -agenturen politischen Charakters“ aufgelöst.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.verfassungen.ch/de/de45-49/index.htm |wayback=20180823174041 |text=''Kontrollratsgesetz Nr. 31'' }} Polizeibüros und -agenturen politischen Charakters vom 1. Juli 1946. verfassungen.de, abgerufen am 23. August 2018.</ref><br />
<br />
=== Von der neuen IKPK bis zur IKPO (1946–1956) ===<br />
Die ''Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission'' (IKPK) wurde 1945 aufgelöst<ref>{{Webarchiv | url=http://www.interpol.int/Public/icpo/governance/sg/history.asp | archive-is=20120604193327 | text=INTERPOL history}}</ref> und ein Jahr später auf Initiative des Generalinspekteurs der belgischen Polizei, [[Florent Louwage]], neu gegründet. Dabei wurden neue Statuten festgeschrieben. Die genauen Gründe und Umstände für die Neugründung sind unbekannt bzw. finden keine Erwähnung. Anderson führt an, dass aufgrund des Schwarzmarktes und der Vertriebenen eine internationale Polizeikooperation dringend nötig war. Doch stellt sich die Frage, welche Hilfe die IKPK hierbei leisten sollte. Die Intention der Neugründung muss im Kontext des [[Ost-West-Konflikt]]s gesehen werden, wobei die IKPK ein möglichst unpolitisches Profil wahren wollte. Ebenso sollte die vorherige Auflösung vermutlich die Distanzierung zur IKPK der [[Zwischenkriegszeit|Zwischen-]] und Kriegszeit hervorheben.<br />
<br />
Als neuer Sitz wurde [[Paris]] gewählt; dies führte zur Dominanz der [[Polizei (Frankreich)|französischen Polizei]] über mehrere Jahrzehnte.<ref>''„Die förmliche Entpolitisierung der Organisation seit 1946 und ihre Anpassung an das Völkerrecht, ist die wesentliche Voraussetzung ihres Aufstiegs zu einer tatsächlich internationalen Organisation gewesen.“'' Busch: S. 276.</ref> In die Statuten wurden die [[Menschenrechte]] einbezogen und an das [[Völkerrecht]] angepasst, außerdem wurde eine ausschließliche Zusammenarbeit im Bereich der gewöhnlichen [[Kriminalität]] festgelegt. Ebenso fand eine erfolgreiche Annäherung an die [[UN]] statt, 1949 erhielt die IKPK den konsultativen Status der UN als [[Nichtregierungsorganisation]]. Die Mitgliederzahl konnte schnell erweitert werden, dennoch blieb die IKPK europäisch dominiert.<br />
<br />
1950 zeigte sich die geringe Wirkung der Entpolitisierung vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes. Die [[Flugzeugentführung|Entführung]] von drei [[Verkehrsflugzeug]]en<ref>Anderson: S. 44; vgl. Busch, S. 277 schreibt dagegen von nur einem Verkehrsflugzeug, Busch zitiert dabei Anderson und ein anderes Werk.</ref> veranlasste die [[Tschechoslowakei|ČSSR]], die Kooperation der Interpol anzufordern. Für das Generalsekretariat handelte es sich dabei um eine kriminelle Tat. Der Vizepräsident der IKPK und Direktor des [[Federal Bureau of Investigation|FBI]], [[J. Edgar Hoover]], betrachtete die Entführer jedoch als politische [[Flüchtling]]e,<ref>Anderson: S. 44 (siehe 32); vgl. Busch: S. 277 schreibt hier von ''„Freiheitskämpfern“''.</ref> deshalb wäre eine Kooperation gemäß den Interpol-Statuten in diesem Fall nicht zulässig. Es folgte der offizielle Austritt der USA und beinahe aller [[Ostblock]]staaten, wobei die USA ab 1952 wieder in der IKPK durch das Finanzministerium vertreten wurden.<br />
<br />
=== Internationalisierung und rechtlicher Status (1956–1984) ===<br />
1956 kam es zur Neugründung, es wurde ein neuer Name gewählt und die [[Drahtwort|Telegramm-Kurzanschrift]] ''Interpol'' wurde in den Namen aufgenommen.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/public/ICPO/history.asp |wayback=20110604120709 |text=Brief History of INTERPOL }}</ref> Die Interpol wurde durch eine Reihe von Verträgen und [[Abkommen]] internationaler und erhielt den Status einer [[Juristische Person|juristischen Person]]. Dies wurde insbesondere durch den Erhalt des Status einer [[Internationale Organisation (Völkerrecht)|zwischenstaatlichen Organisation]] durch die UN 1971 und durch das [[Sitzabkommen]] (''Headquarters Agreement'') mit Frankreich im Jahr darauf erreicht. Dieses wurde zehn Jahre später überarbeitet und verlangte eine unabhängige [[datenschutzrecht]]liche Stelle zur Kontrolle. In den 1970er Jahren wurde die Interpol stark kritisiert, die Kritikpunkte waren die fehlende Beteiligung bei der Terrorismusbekämpfung und die schwerfällige Kommunikation.<br />
<br />
Der Interpol-Präsident von 1968 bis 1972, [[Paul Dickopf]], war unter den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] als SS-Mann vereidigt worden und hatte nach dem Krieg zusammen mit anderen ehemaligen SS-Polizeimännern das [[Bundeskriminalamt (Deutschland)|Bundeskriminalamt]] in [[Wiesbaden]] aufgebaut.<br />
<br />
=== Terrorismus und Informationstechnologie (1984–2002) ===<br />
Die Mängel, die in den 1970er Jahren bestanden, wurden in den 1980er Jahren weitgehend beseitigt. 1984 kam es zu einer Änderung in Bezug auf politisch motivierte Straftaten, insbesondere im Bereich des [[Terrorismus]]. Die Generalversammlung erließ eine Resolution.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/public/ICPO/GeneralAssembly/Agn53/Resolutions/AGN53RES6.asp |wayback=20041212023002 |text=Violent Crime Commonly Referred to as Terrorism }}</ref> Diese sieht vor, dass die politische Bewertung von Straftaten im nationalstaatlichen Ermessen liegt.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art3 |archiv-url=http://arquivo.pt/wayback/20080224183329/http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/constitution/constitutionGenReg/constitution.asp#art3 |archiv-datum=2008-02-24 |text=ICPO-INTERPOL Constitution and General Regulations }}, Article 3</ref><br />
Anlässlich des bevorstehenden Umzugs nach [[Lyon]] 1989 kam es zur Reorganisation des Generalsekretariats.<br />
<br />
Es folgte der Ausbau der Informationsinfrastruktur, 1990 wurde ein Kommunikationssystem für den Datenaustausch mit den nationalen Zentralbüros eingerichtet. Die Systeme wurden in den folgenden Jahren verbessert und erweitert. Seit 2002 sind beinahe alle nationalen Zentralbüros mit dem Interpol-Hauptquartier durch das [[Interpol Global Communication System 24/7]] (I-24/7) verbunden. 1997 wurde ein Kooperationsvertrag mit der UN geschlossen, dieser gewährt der Interpol einen Beobachter-Status in der UN.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.interpol.int/Public/ICPO/LegalMaterials/cooperation/agreements/UN1997.asp |wayback=20041211235604 |text=Co-operation agreement between the United Nations and the International Criminal Police Organization-Interpol }}, Artikel 6.1</ref><br />
<br />
=== Seit 2002 ===<br />
{{Lückenhaft|1=Sämtliche Entwicklungen ab 2002 bis 2021 fehlen, darunter auch die Kontroverse um [[Meng Hongwei]].}}<br />
<br />
Auf der im November 2021 in [[Istanbul]] abgehaltenen 89. Delegiertenversammlung wurde der Generalmajor [[Ahmed Nasser al-Raisi]], Generalinspekteur im Innenministerium der [[Vereinigte Arabische Emirate|Vereinigten Arabischen Emirate]], zum [[Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol|nächsten Interpol-Präsidenten]] gewählt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.france24.com/en/live-news/20211124-emirati-general-accused-of-torture-up-for-interpol-top-role |titel=Emirati general accused of torture up for Interpol top role |datum=2021-11-24 |sprache=en |abruf=2021-11-25}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Orlando Crowcroft |url=https://www.euronews.com/2021/11/23/in-istanbul-a-bitter-leadership-election-exposes-interpol-s-fault-lines |titel=In Istanbul, a leadership election exposes Interpol's bitter divide |datum=2021-11-23 |sprache=en |abruf=2021-11-25}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/ahmed-nasser-al-raisi-interpol-praesident-foltervorwuerfe |titel=Umstrittener Generalmajor wird Interpol-Chef |werk=[[Die Zeit]] |datum=2021-11-25 |abruf=2021-11-25 }}</ref><ref>{{Internetquelle |werk=[[DiePresse.com]] |url=https://www.diepresse.com/6065949/general-aus-emiraten-trotz-foltervorwurfen-neuer-interpol-chef |titel=General aus Emiraten trotz Foltervorwürfen neuer Interpol-Chef |datum=2021-11-25 |sprache=de |abruf=2021-11-25 }}</ref> Seine Wahl traf teilweise auf Protest. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, darunter [[Human Rights Watch]], werfen ihm vor, als „Teil des Sicherheitsapparates“ der Vereinigten Arabischen Emirate „systematisch gegen die friedliche Opposition“ vorzugehen. Die Organisation ''Gulf Center for Human Rights'' beschuldigt ihn, in Folter eines bekannten Regierungskritikers involviert zu sein. Die Emirate hatten schon 2015 mit Spenden an Interpol im großen Stil begonnen und die Frage aufgeworfen, ob sich das Land damit Einfluss erkaufen wolle, sie sind nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler.<ref name="orf20111125">{{Internetquelle |werk=[[ORF]] |url=https://orf.at/stories/3237829/ |titel=Raisi trotz Foltervorwürfen neuer Interpol-Chef |datum=2021-11-25 |sprache=de |abruf=2021-11-25 }}</ref> Abgeordnete des Europaparlaments schrieben in einem Brief an die EU-Kommissionspräsidentin, dass Interpol durch die Wahl an Reputation verlieren werde. 25 französische Parlamentarier baten Staatspräsident [[Emmanuel Macron]], gegen die Wahl zu intervenieren. In der Türkei haben Anwälte im Namen des Golfzentrums für Menschenrechte Anzeige erstattet. In mindestens fünf Ländern wurden gegen ihn im Zusammenhang mit Foltervorwürfen Klagen eingereicht.<ref name="orf20111125" /> Al-Raisis Amtszeit beginnt im März 2022<ref>[https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/umstrittener-generalmajor-aus-emiraten-neuer-interpol-praesident-17651527.html ''Umstrittener Generalmajor aus Emiraten neuer Interpol-Präsident.''] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]'', 25. November 2021.</ref><ref>[[Ulrich Schmid (Journalist)|Ulrich Schmid]]: [https://www.nzz.ch/international/interpol-wird-der-zwielichtige-ahmed-nasser-al-raisi-neuer-chef-ld.1656789 ''Zwielichtiger Emirati wird Interpol-Chef.''] In: ''[[Neue Zürcher Zeitung]]'', 25. November 2021.</ref>, er übernimmt die Nachfolge des Südkoreaners Kim Jong Yang, der seit 2018 Präsident von Interpol ist.<ref>{{Internetquelle |autor=ORF at/Agenturen red |url=https://orf.at/stories/3237778/ |titel=Interpol wählt neuen Präsidenten |datum=2021-11-24 |sprache=de |abruf=2021-11-25}}</ref> Einzige Gegenkandidatin war die Interpol-Vizepräsidentin für Europa Šárka Havránková aus Tschechien.<ref>{{Internetquelle |url=https://deutsch.radio.cz/tschechin-havrankova-wurde-nicht-zur-interpol-chefin-gewaehlt-8734999 |titel=Tschechin Havránková wurde nicht zur Interpol-Chefin gewählt |werk=[[Radio Praha International]] |datum=2021-11-25 |sprache=de |abruf=2021-11-25}}</ref> Al-Raisi wurde nach drei Wahlrunden und mit 68,9 % Zustimmung gewählt.<ref name="GuardianAFP">{{Cite news|last=<!--AFP-->|date=2021-11-25|title=Interpol appoints Emirati general accused of torture as president|work=[[The Guardian]]|url=https://www.theguardian.com/world/2021/nov/25/interpol-appoints-emirati-general-accused-torture-president-ahmed-nasser-al-raisi|access-date=2021-11-25}}</ref><ref>[https://www.spiegel.de/ausland/interpol-waehlt-naser-al-raisi-trotz-foltervorwuerfen-zu-neuem-chef-a-5556eda5-2cfe-4769-b120-8a55e303a724 ''Interpol wählt Raisi trotz Foltervorwürfen zu neuem Chef.''] In: ''[[Spiegel Online]]'', 25. November 2021 (abgerufen am 28. November 2021).</ref> Die Delegierten stimmten außerdem für die Aufnahme der [[Föderierte Staaten von Mikronesien|Föderierten Staaten von Mikronesien]] als 195. Mitglied.<ref>[https://www.interpol.int/News-and-Events/News/2021/INTERPOL-General-Assembly-opens-in-Turkey-with-new-member-country-bringing-total-to-195 ''INTERPOL General Assembly opens in Turkey with new member country bringing total to 195.''] In: ''interpol.int'', 23. November 2021 (englisch).</ref><br />
<br />
== Bedeutung und Wirkung ==<br />
[[Datei:DBP 1973 759 Interpol.jpg|mini|Briefmarke: 50 Jahre Interpol, [[Briefmarken-Jahrgang 1973 der Deutschen Bundespost|Briefmarke von 1973]] (Entwurf: [[Karl Oskar Blase]]).]]<br />
<br />
{{Belege fehlen}}<br />
<br />
Im Zeitalter der internationalen Vernetzung gewinnt das Interpol-Generalsekretariat als Sammelstelle internationaler Datenbestände zunehmend an Bedeutung. Unter der Bezeichnung ASF (Automated Search Facility) gibt es Datenbanken für gestohlene Fahrzeuge und Ausweise. Eine weitere [[Datenbank]] für [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Profile, die von Tatortspuren oder Mundhöhlenabstrichen Verdächtiger stammen, ist zurzeit im Aufbau. Nach der Flutkatastrophe in Südasien am 26. Dezember 2004 half Interpol insbesondere in Thailand bei der Identifizierung von Opfern aus aller Welt.<br />
<br />
Im Gegensatz zu vielen Darstellungen in [[Kriminalroman]]en gibt es keine eigenen Interpol-''Agenten'', die Verbrecher in fremde Länder verfolgen und selbsttätig ermitteln. Interpol verfügt über keine eigenen Fahnder, sondern koordiniert nur die Zusammenarbeit nationaler Ermittler. Es gilt der Grundsatz der nationalen [[Souveränität]]. Polizeiliche Exekutivmaßnahmen wie Anhaltungen, Festnahmen, das Tragen von Dienstwaffen oder die Einsichtnahme in das Strafregister dürfen nur von Sicherheitsbeamten des jeweiligen Staates ergriffen werden. Selbst wenn ausländische Polizeibeamte nur anreisen, um im Zuge einer Auslieferung einen Häftling am Flughafen zu übernehmen, müssen sie um Genehmigung ersuchen, wenn sie Waffen mitführen wollen. Das Gleiche gilt für die Durchlieferung von Häftlingen, die nicht direkt von einem fremden Land in ein anderes befördert werden können. Überlegungen wie sie derzeit bei [[Europol]] angestellt werden, ob man Polizeibeamte mit Exekutivbefugnissen auch im Ausland ausstatten sollte (Stichwort EuroCOP), sind bei Interpol kein Thema.<br />
<br />
Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme, das Ersuchen eines Interpol-Mitgliedstaates um Personenfahndung zur Festnahme sei einem [[Internationaler Haftbefehl|internationalen Haftbefehl]] gleichzusetzen. Der Umgang mit Notices und Diffusions bleibt jedoch jedem Land überlassen – also die gesuchte Person im Inland zur Festnahme auszuschreiben oder die Interpol-Ausschreibung lediglich als Erkenntnismitteilung anzusehen. Letzteres ist oft der Fall, wenn mit dem ersuchenden Land kein bilaterales [[Auslieferungsabkommen]] besteht.<br />
<br />
Es ist schwierig, über die Bedeutung und Wirkung der Interpol eine Aussage zu treffen. Das Problem ist die äußerst fragliche Tätigkeit der IKPK und die lange Zeit begrenzte Tätigkeit der IKPO bei politisch motivierten Straftaten. Die Bedeutung und Wirkung der Interpol ist die Pionierarbeit im Bereich der internationalen polizeilichen Kooperation, besonders im technischen und rechtlichen Bereich. Für die [[Terrorismusbekämpfung]] konnte die Interpol aufgrund der späten Änderung der Organisationspolitik kaum Beiträge leisten, in diesem Bereich etablierten sich eigene Organisationen.<br />
<br />
Die Interpol-Statuten verbieten eigentlich Hilfestellungen bei politisch motivierten Delikten und militärischen bzw. religiösen Angelegenheiten – eine Voraussetzung für die reibungslose Zusammenarbeit von [[Staat]]en mit unterschiedlichen politischen Systemen und [[Religion]]en.<ref>[https://www.interpol.int/content/download/590/file/Constitution%20of%20the%20ICPO-INTERPOL-EN.pdf?inLanguage=eng-GB PDF]</ref> Dieser Grundsatz kam u.&nbsp;a. zur Anwendung, als [[Italien]] um Mitfahndung nach den [[Südtirol]]-Aktivisten der 1960er-Jahre ersuchte. Dies änderte sich insbesondere seit einer Resolution 1984 (siehe Geschichte).<br />
<br />
== Kritik ==<br />
Im Februar 2012 kam Interpol in die Kritik, da es entgegen seinen Statuten angeblich an der Auslieferung des religionskritischen Journalisten [[Hamsa Kaschgari]] an [[Saudi-Arabien]] beteiligt gewesen sei.<ref>[https://www.theguardian.com/world/2012/feb/10/interpol-journalist-arrested-muhammad-tweet ''Interpol accused after journalist arrested over Muhammad tweet.''] In: ''[[The Guardian]]''. 10.&nbsp;Februar 2012, abgerufen am 13.&nbsp;Februar 2012.</ref> Interpol bestreitet, gegen Kaschgari eine Ausschreibung zur Fahndung ausgestellt zu haben.<br />
<br />
Im Sommer 2013 geriet Interpol wegen der Annahme von millionenschweren Kooperationsverträgen mit der Industrie in Kritik. Bei den zwischen 2011 und 2013 abgeschlossenen Verträgen mit der [[FIFA]], dem Tabakkonzern [[Philip Morris International|Philip Morris]] und 29 Pharmaunternehmen wie [[Sanofi]], die 26 Prozent des Etats von Interpol in Höhe von 78 Millionen Euro erbringen,<ref name="SZMagazin" /> wurden vor allem die mangelnde Transparenz sowie die Missachtung von möglichen Interessenkonflikten bei der Verfolgung von Straftätern kritisiert.<ref name="zeit-2013-10-21">{{Internetquelle | url=http://www.zeit.de/2013/42/internationale-polizeiorganisation-interpol-pharmaindustrie/komplettansicht | titel=Interpol: Wer hilft hier wem? | autor= Robert Schmidt und Mathieu Martiniere | werk=zeit.de | datum=21. Oktober 2013 |zugriff=15. Dezember 2014}}</ref><ref name="zeit-2013-06-07">{{Internetquelle | url=http://www.zeit.de/2013/23/interpol-tabakindustrie/komplettansicht | titel=Tabakindustrie: Interpol, die Lobby und das Geld | autor= Robert Schmidt und Mathieu Martiniere | werk=zeit.de | datum=7. Juni 2013 |zugriff=15. Dezember 2014}}</ref><ref>[http://www.slate.fr/story/73687/interpol-philip-morris-lobby-tabac-financement www.slate.fr]</ref><ref>[http://www.lyoncapitale.fr/Journal/France-monde/Actualite/Dossiers/L-immoral-financement-d-Interpol/Interpol-le-lobby-du-tabac-se-paie-une-vitrine www.lyoncapitale.fr]</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste der Generalsekretäre und Präsidenten von Interpol]]<br />
* [[Stolen and Lost Travel Documents Database]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Malcolm Anderson: ''Policing the World: Interpol and the Politics of International Police Co-operation''. Clarendon, Oxford 1989, ISBN 0-19-827597-8.<br />
* Christoph Arbeithuber: ''Die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation. INTERPOL.'' Dissertation. Linz 1996.<br />
* Nadia Gerspacher: ''The Roles of International Police Cooperation Organizations.'' In: ''European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice,'' 13 (2005) S. 413–434.<br />
* Michael Fooner: ''INTERPOL: Issues in World Crime and International Criminal Justice.'' Plenum, New York 1989, ISBN 0-306-43135-1.<br />
* J. Jäger: ''Verfolgung durch Verwaltung. Internationales Verbrechen und internationale Polizeikooperation 1880–1933.'' UVK, Konstanz 2006.<br />
* R. Kendall (Hrsg.): ''Interpol: 75 Years of International Police Co-operation.'' Kensington, London 1998.<br />
* Rutsel Silvestre J. Martha: ''The Legal Foundations of INTERPOL.'' Hart, Oxford/Portland 2010, ISBN 978-1-84946-040-8.<br />
* [[Albrecht Randelzhofer]]: ''Rechtsschutz gegen Maßnahmen von INTERPOL vor deutschen Gerichten?.'' In: [[Ingo von Münch]] (Hrsg.): ''Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht: Festschrift für [[Hans-Jürgen Schlochauer]].'' Walter de Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-008118-0, S. 531–555.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Commonscat}}<br />
* [https://www.interpol.int/ Offizielle Website] von Interpol (englisch)<br />
* {{Internetquelle |url=https://www.dw.com/de/interpol-wer-kontrolliert-die-weltpolizei/av-44689595 |titel=Interpol – Wer kontrolliert die Weltpolizei? |hrsg=[[Deutsche Welle]] |zugriff=2018-07-18 |abruf-verborgen=1 |kommentar=Videodokumentation}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references responsive /><br />
<br />
{{Coordinate|NS=45.7828|EW=4.8484|type=landmark|dim=200|region=FR-69}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=k|GND=4027473-1|LCCN=n/80/90100|VIAF=128211548}}<br />
<br />
[[Kategorie:Organisation der Polizei]]<br />
[[Kategorie:Internationale Organisation (Völkerrecht)]]<br />
[[Kategorie:Organisation (Lyon)]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 1923]]<br />
[[Kategorie:Verein (Frankreich)]]<br />
[[Kategorie:Abkürzung]]<br />
[[Kategorie:Interpol| ]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Druckfarbenentfernung&diff=226299720Druckfarbenentfernung2022-09-19T17:45:17Z<p>Designer2k2: /* Prozess */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>Die '''Druckfarbenentfernung''' oder auch '''Deinking''' (von {{enS|ink}} = „[[Druckfarbe]]“, „Tinte“) ist der Schlüsselprozess beim [[Papierrecycling]] zum Entfernen der Druckfarbe aus bedrucktem [[Altpapier]]. Das Altpapier wird dabei durch mechanische und chemische Methoden gebleicht. In Deutschland wird Altpapier deinkt, um daraus Zeitungsdruckpapier, Büropapiere (Kopierpapier) und Hygienepapiere herzustellen. Hier bestimmen vor allem die optischen Eigenschaften den Gebrauchswert. Dunkle Altpapiersorten (Verpackungen, Karton) können nicht deinkt werden, sie müssen deshalb vorher aussortiert werden. Solche Sorten werden wieder zur Herstellung von Karton oder Wellpappe genutzt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Der Ursprung des Deinking-Verfahrens ist auf eine Entdeckung von [[Justus Claproth]] im Jahr 1774 zurückzuführen, bei der die Druckfarbe aus gedrucktem Papier heraus gewaschen wurde, um wieder beschreibbares Papier herzustellen. Bis 1843 wurden für das Recyclingpapier Fasern aus Altkleidung verwendet, dann hielt die Holzpulpe als Ausgangsmaterial Einzug. Mit dem Einsatz der Flotation für die Druckfarbenentfernung von Papier in den 1950er Jahren konnten Papierfasern als Ausgangsstoff in der Papierproduktion verwendet werden. Zuvor eignete sich das Altpapier lediglich zur Produktion von Karton. Der nun erzielbare Weißgrad ermöglichte fortan die Produktion von Zeitungs- und Hygienepapieren.<ref name="jb">Jürgen Blechschmidt (Hrsg.): ''Altpapier. Regularien − Erfassung – Aufbereitung – Maschinen und Anlagen – Umweltschutz.'' Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-446-42616-0.</ref><ref name="lg">Lothar Göttsching, Heikki Pakarinen (Hrsg.): ''Recycled Fiber and Deinking'' (= ''Papermaking Science and Technology. A Book Series covering the latest Technology and future Trends'', Band&nbsp;7). Fapet Oy, Helsinki 2000, ISBN 952-5216-07-1, S.&nbsp;12–141.</ref><br />
<br />
== Prozess ==<br />
Vor Mitte der 1970er Jahre bestanden die Deinkingsysteme aus Desintegration (Zugabe von Deinkingchemikalien in die Auflösetrommel) Sortierung und [[Flotation]] zur Entfernung der Druckfarbe. Hinzu kamen Eindickung (Trennung des Stoffaufbereitungs-Wasserkreislaufs vom Papiermaschinen-Wasserkreislauf), Heißdispergierung zur feinen Zerteilung der verbleibenden Störstoffe und die Feinsortierung mittels sehr feiner Schlitze. Dadurch können neben der Druckfarbe sogenannte Stickys (klebende Verunreinigungen) entfernt werden. Der heutige Deinkingprozess enthält meist eine zweite Flotations- sowie Eindickungsstufe und die Reinigung der Kreislaufwässer (DAF = ''dissolved air flotation''), um eine erhöhte Qualitätsstufe zu erreichen.<ref name="jb89">Jürgen Blechschmidt (Hrsg.): ''Altpapier. Regularien − Erfassung – Aufbereitung – Maschinen und Anlagen – Umweltschutz.'' Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-446-42616-0. S.&nbsp;89</ref> Neben dem in Europa üblichen Flotationsdeinking gibt es auch das ''Waschdeinking'' (häufiger in Nordamerika). Die Flotation liefert höhere Ausbeuten und benötigt erheblich weniger Wasser als die Wäsche. Die Wäsche wird bei der Herstellung von Hygienepapieren eingesetzt, wo gezielt vor allem die langen Fasern ohne Fein- und Füllstoffe herausgesiebt werden.<br />
<br />
Die Flotation entfernt die Druckfarbe aus dem eingesetzten Altpapier und erhöht so den Weißgrad. Dabei wird die hydrophile (wasseranziehende) Eigenschaft der Fasern genutzt. Diese werden von Wasser benetzt, während die hydrophobe (wasserabstoßende) Druckfarbe weitgehend unbenetzt bleibt. Aus diesem Prozess leiten sich die Anforderungen an für das Deinking geeignetes Altpapier ab. Diese ''Deinkingware'' wird in einer Altpapier-Sortenliste<ref name="sortenliste">{{Webarchiv |url=http://www.alpa-rohstoffhandel.de/downloads/Altpapier_Standardsorten.pdf |text=''Altpapier: Liste der europäischen (CEPI/B.I.R.) Standardsorten und ihre Qualitäten.'' |wayback=20111005115418 |format=PDF; 22&nbsp;kB |archiv-bot=}} 'alpa-rohstoffhandel.de; abgerufen am 4. Juli 2017 ().</ref> definiert.<br />
<br />
Aus im [[Flexodruck]] hergestellten Zeitungen, die in England und Italien verbreitet sind, kann die Druckfarbe bei der Flotation nicht entfernt werden. Dies bereitet erhebliche Probleme beim Recycling. Schon geringe Anteile von Flexozeitungen in der Altpapiermischung führen zu einem schlechten Weißgrad. Das Bindemittel der Flexodruckfarbe löst sich im schwach alkalischen Milieu auf und setzt die Primärpigmente der Farbe frei, diese Partikel sind sehr klein und nicht hydrophob, deshalb funktioniert bei ihnen der Flotationsprozess nicht. Ähnliche Probleme bei der Flotation bereiten pigmentierte Inkjet-Tinten, digitale Druckverfahren mit Polyethylen-Flüssigtoner<ref name="lep">[https://www.ingede.com/ingindxd/digideink-d.html Deinken von Digitaldrucken.] INGEDE-Webseite; Erheblicher Schaden durch Indigo-Drucke.</ref> und UV-Lack. Allerdings könnte hier eine Optimierung der verwendeten Deinkingchemikalien zur Problemlösung beitragen.<ref>{{Literatur |Autor=Manoj K. Bhattacharyya, Hou T. Ng, Laurie S. Mittelstadt, Eric G. Hanson |Titel=Deinking of Digital Prints: Effect of Near-Neutral Deinking Chemistry on Deinkability |Sammelwerk=Journal of Imaging Science and Technology |Band=56 |Nummer=6 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2012-11 |ISBN= |Seiten=60503-1-60503-5(5) |DOI=10.2352/J.ImagingSci.Technol.12.56.6.060503}}</ref> Neu entwickelte polyesterbasierte Flüssigtoner sind wie klassische Trockentoner dagegen hervorragend deinkbar.<br />
<br />
''Deinkbarkeit'' wird inzwischen als Kriterium für die Rezyklierbarkeit eines Papierprodukts anerkannt. Zuerst nahmen der Nordische Schwan ([[Nordisches Umweltzeichen]]) und das [[Österreichisches Umweltzeichen|Österreichische Umweltzeichen]] für Druckprodukte<ref name="uz24">[https://www.umweltzeichen.at/cms/upload/20%20docs/richtlinien-lf/uz24_r5a_druckerzeugnisse_2009.pdf Österreichisches Umweltzeichen für Druckerzeugnisse (UZ24)] (PDF) Langfassung (pdf).</ref> Deinkbarkeit als Kriterium auf. Das 2012 verabschiedete [[Europäisches Umweltzeichen|Europäische Umweltzeichen]] für Druckerzeugnisse (''EU Ecolabel for printed paper'')<ref name="euecolabel">{{EUR-Lex-Rechtsakt|reihe=L|jahr=2012|amtsblattnummer=223|anfangsseite=55|endseite=1|titel=''Beschluss der Kommission vom 16. August 2012 zur Festlegung der Umweltkriterien für die Vergabe des EU-Umweltzeichens für Druckerzeugnisse''}}, abgerufen am 10. Januar 2014.</ref> enthält ebenfalls Deinkbarkeit als wichtige Voraussetzung.<br />
<br />
[[Recyclingpapier]] aus Altpapier wird deinkt, bei sogenanntem ''Umweltpapier'' wird darauf verzichtet. Bei der Aufbereitung des Altpapiers zu ''Umweltpapier'' werden keine Chemikalien zugegeben, Druckfarben werden nicht aus dem Altpapierstoff entfernt und auf eine Bleiche wird verzichtet. Der Recyclingvorgang kann nicht beliebig oft wiederholt werden, da das Papier nicht nur durch verbleibende Druckfarbenpartikel an Helligkeit verliert, sondern auch mit intensiviertem Recycling den Qualitätsanforderungen moderner Druck- und Vervielfältigungsverfahren nicht mehr genügt. Eine Folge ist, dass diese sehr dunklen Papiersorten weniger Abnehmer finden und schneller wieder im Müll landen.<br />
<br />
Altpapierfasern sind theoretisch 4- bis 6-mal wiederverwertbar, da sie bei jedem Recyclingzyklus abgeschwächt und verkürzt werden. Kleine Bruchstücke werden allerdings ausgeschwemmt, und frische Fasern etwa aus Zeitschriften kompensieren die Verluste. So ist bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Altpapiers aus schon einmal recyceltem Papier (z.&nbsp;B. Zeitungen) und Frischfaser (z.&nbsp;B. aus Zeitschriften) kein „Recyclingkollaps“ zu befürchten.<br />
<br />
Andere Deinkingvarianten, die gelegentlich zusätzlich eingesetzt werden, sind das enzymatische Deinking oder die „DAF“ (''dissolved air flotation'').<br />
<br />
== Chemikalien ==<br />
Ähnlich wie beim Wäschewaschen wird zum Deinken ein ''Waschmittel'' benötigt. Voraussetzung für die Entfernung der Druckfarbe aus dem Altpapierstoff ist die Ablösung der Farbpartikel von den Fasern. Dazu werden die nötigen Chemikalien üblicherweise schon bei der Zerfaserung des Altpapiers im Pulper oder in der Trommel zugegeben.<br />
Deinkingrezepturen enthalten [[Natronlauge]], Natron[[wasserglas]], [[Wasserstoffperoxid]] und ein [[Tensid]] (Seife). Diese Chemikalien unterstützen das Auflösen des Altpapiers und bewirken zusammen mit der mechanischen Beanspruchung, dass sich die Druckfarbe von den Fasern löst. Um die Wirkung der Chemikalien voll auszunutzen, müssen bestimmte Reaktionszeiten eingehalten werden. Daher lagert der aufgelöste Altpapierstoff nach der Zerfaserung meist einige Zeit in großen [[Bütte]]n, bevor er gereinigt und deinkt wird. Gerade holzhaltiges Altpapier vergilbt unter der Einwirkung der Natronlauge leicht, deshalb wird hier schon Peroxid zugesetzt. Dieses Bleichmittel wirkt einer Vergilbung der Fasern entgegen, unterstützt die Ablösung der Druckfarben und kann zusätzlich einen Bleicheffekt (Zerstörung bleichempfindlicher Farbstoffe) bewirken.<br />
Peroxid wird leicht von Schwermetallionen zersetzt, weshalb oft kurz vorher im [[Pulper]] ein Peroxid-Stabilisator zugesetzt wird. Dazu dient Wasserglas (Natriumsilikat), bis heute der beste Peroxid-Stabilisator; Komplexbildner werden bei der Altpapieraufbereitung praktisch nicht mehr eingesetzt. Wasserglas unterstützt außerdem sowohl die Druckfarbenablösung als auch die Druckfarbenentfernung bei der Flotation.<br />
Ist die Druckfarbe von der Faser gelöst, muss ein Sammler die Druckfarbenteilchen an sich binden und bei der Flotation für die Anlagerung an die Luftblasen sorgen. Dies ist Aufgabe der waschaktiven Substanzen: meist Seifen (anionische Tenside), mit denen erfahrungsgemäß beim herkömmlichen Deinking die besten Ergebnisse erzielt werden. Tenside verbessern das Ablösen der Druckfarbe. Daher werden sie meist im Pulper zugegeben, üblicherweise 0,5–1,0 %. Im Gegensatz zum Wäschewaschen brauchen Tenside beim Deinken hartes Wasser, mindestens 1,8 mmol/l (10 [[°dH]]). Bei weichem Wasser werden Calciumionen zugesetzt oder synthetische Tenside verwendet.<br />
Im Verlauf des Deinkens wird der überwiegende Teil der Chemikalien abgebaut (z.&nbsp;B. wird aus Wasserstoffperoxid Wasser). Die Tenside werden mit dem Flotationsschaum entfernt.<br />
<br />
== Reststoffe ==<br />
Die Deinkingreststoffe, sogenannte Deinkingschlämme, bestehen aus Füllstoffen (Calciumcarbonat, Kaolin, Silikate), Faserstoffen, Extraktstoffen (Fette, lösliche Druckfarben- und Strichbindemittelbestandteile) sowie Feinstoffen (unlösliche Druckfarben- und Streichfarbenbestandteile, Klebstoffbestandteile).<ref name="jb" /><br />
Bei der Verwertung dieser Stoffe spielt die thermische Behandlung ([[Abfallverbrennung]]) eine zentrale Rolle. Fast alle Reststoffe der Papierindustrie fallen mit relativ niedrigen Feststoffgehalten an, bringen jedoch wegen des hohen Gehalts an organischen Komponenten in der Regel noch einen so hohen Heizwert mit, dass sie ohne Stützfeuer brennen, also Energie gewonnen wird. Deshalb werden mehr als 55 % der Deinkingreststoffe als [[Ersatzbrennstoff]] in den eigenen Kraftwerken der Papierfabriken oder extern verbrannt, um so Energie zu erzeugen. Die nicht brennbaren Bestandteile bleiben als (eventuell verwertbare) [[Asche]], als [[Schlacke (Verbrennungsrückstand)|Schlacke]] und als Filterstaub zurück.<br />
<br />
Etwa 42 % der Deinkingreststoffe werden stofflich verwertet. Beispielsweise werden sie wegen des hohen Fasergehalts bei der [[Lochziegel]]herstellung genutzt. Hier sind sie ein willkommenes Porosierungshilfsmittel – beim Brennen der Ziegel hinterlassen die Fasern winzige Hohlräume, die die wärmedämmende Wirkung der Ziegel verbessern. Deinkingreststoffe sind zudem für [[Zement]]herstellung, wegen des hohen Aluminiumgehalts (aus dem [[Kaolin]], das u.&nbsp;a. im Papierstrich eingesetzt wird), geeignet. Je nach verwendetem Ton kann der Zusatz der Reststoffe die Zementqualität verbessern. Organische Substanzen wie die Papierfasern oder Rückstände aus Druckfarben verbrennen beim Brennen des Zements.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|deink|Deinking|lang=en}}<br />
* [https://www.ingede.com/ ''INGEDE''.] ''Internationale Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik&nbsp;e.&nbsp;V.'', Informationen zum Thema Papierrecycling<br />
* [https://www.chemieunterricht.de/dc2/papier/ ''Projekt Papier''] Universität Bielefeld, Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie; mit u.&nbsp;a. [https://www.chemieunterricht.de/dc2/papier/dc2pv_12.htm Schulversuchen zum Thema Deinking]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Papierrecycling]]<br />
[[Kategorie:Chemisch-technisches Verfahren]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Proporz&diff=226299696Proporz2022-09-19T17:44:32Z<p>Designer2k2: /* Österreich */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt den politischen Begriff. Zum Nachtanz in der Musik siehe [[Allemande]].}}<br />
'''Proporz''' (von {{laS|''proportio''}} „Verhältnis“) bezeichnet das Verhältnis der Angehörigen einer Gruppe und der Zahl ihrer Vertreter in einem Entscheidungsgremium.<br />
<br />
== Begriff ==<br />
Es ist eine Kurzbezeichnung für [[Proportionalität]] (Verhältnismäßigkeit) und bezeichnet damit die anteilsmäßige Beteiligung politischer Gruppierungen ([[Politische Partei|Parteien]]) an Gremien, [[Regierung]]en und Ämtern.<br />
<br />
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird damit zumeist die Praxis von Regierungsparteien, besonders in [[Große Koalition|Großen Koalitionen]] ([[Österreich]], [[Deutschland]]) bezeichnet, entsprechend ihrem jeweiligen politischen Stärkeverhältnis Posten im öffentlichen Dienst und in der verstaatlichten Wirtschaft an Parteigänger zu vergeben.<br />
<br />
In der Schweiz wird die große Kammer des Bundesparlaments durch [[Proporzwahl]] besetzt, während die kleine Kammer mit je zwei Vertretern der Staaten ([[Kanton (Schweiz)]]) durch [[Majorzwahl]] bestimmt wird.<br />
<br />
Typischerweise werden [[Koalition (Politik)|Koalition]]sregierungen (in etwa) proportional zur [[Fraktion (Politik)|Fraktionsstärke]] (oder deren Stimmenanteil) der Regierungsparteien besetzt. Der Politikwissenschaftler [[Gerhard Lehmbruch]] versuchte 1967, die spezifischen Charakteristika des in [[Politisches System Österreichs|Österreich]] und der [[Politisches System der Schweiz|Schweiz]] bestehenden politischen Systems auf theoretischer Ebene in einem Begriff zu bündeln: der [[Proporzdemokratie]].<ref>Gerhard Lehmbruch: ''Proporzdemokratie: Politisches System und politische Kultur in der Schweiz und in Österreich.'' ISBN 978-3-168-17671-8.</ref><br />
<br />
== Österreich ==<br />
In Österreich hatte der Parteienproporz nach 1945 eine besondere Bedeutung in der Politik und allgemein bei der Besetzung öffentlicher Ämter, da auf eine ausgeglichene Verteilung Wert gelegt wurde. Ursprünglich galt der Proporz als demokratischer Stabilitätsfaktor nach den Erfahrungen des [[Österreichischer Bürgerkrieg|Bürgerkriegs von 1934]], da er Konflikten vorbeugen und zentrifugalen Kräften in Österreich entgegenwirken sollte.<br />
<br />
Bei der ersten österreichischen Wahl zum [[Wort des Jahres]] Ende 1999 konnte von der Jury kein Jahrhundertwort ausgemacht werden, aber ''Proporz'' wurde als „Halbjahrhundertwort“ gekürt, „da er die österreichische Politik und das Sozialleben wie kein anderer Begriff seit 1945 geprägt hat“ und es „im politischen Leben zuvor ja das genaue Gegenteil der Fall war“.<ref>Jury: {{Webarchiv |url=http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/oewort/1999/jhdwort.htm |text=Das „Halbjahrhundertwort“. |wayback=20150402163301 |archiv-bot=}} www-oedt.kfunigraz.ac.at, 1999</ref><br />
<br />
=== Bund ===<br />
Von [[Bundesregierung Figl I|1945]] bis [[Bundesregierung Klaus I|1966]] regierten durchgehend [[große Koalition]]en. Bei Ministerien mit einem Staatssekretär war dieser meist aus dem anderen Lager als der Minister. 1949 wurde der Proporz auf jene Führungsriegen ausgedehnt, die der [[Verstaatlichung in Österreich|verstaatlichten Industrie]] vorstanden. Nach dem großen Erfolg des rechten [[Verband der Unabhängigen|Verbandes der Unabhängigen (VdU)]] in der [[Nationalratswahl in Österreich 1949|Wahl 1949]] wandten die „großen Zwei“ ([[Sozialdemokratische Partei Österreichs|SPÖ]] und [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]]) das Proporzsystem auf allen administrativen Niveaus an, auch um das Potential des VdU zu begrenzen. Dies umfasste auch die österreichische [[Sozialpartnerschaft]] mit ihren vier Hauptorganisationen: den ÖVP-geführten [[Wirtschaftskammer Österreich|Wirtschaftskammer]] und [[Landwirtschaftskammer (Österreich)|Landwirtschaftskammer]], und den SPÖ-geführten [[Österreichischer Gewerkschaftsbund|Gewerkschaftsbund]] und [[Bundesarbeiterkammer|Arbeiterkammer]], sowie auch die staatlichen Medien.<br />
<br />
In der 1958 gegründeten [[Österreichischer Rundfunk|österreichischen Rundfunk Ges. m. b. H.]] war mit zwei Mann von der SPÖ und zwei Mann von der ÖVP besetzt, wobei der Hörfunk einen schwarzen Direktor und das anfangs unterschätzte Fernsehen einen roten Direktor hatte. In wichtigen Fragen war eine einstimmige Entscheidung nötig. Nachdem man die meinungsbildende Wirkung des Fernsehens allgemein erkannt hatte, begann man um den Einfluss dort zu ringen. Als gemeinsame Lösung wurde 1963 bei den Koalitionsverhandlungen zur [[Bundesregierung Gorbach II|Regierung Gorbach II]] ein Geheimpapier ausgehandelt, nachdem jeder leitende Posten bei Rundfunk und Fernsehen doppelt besetzt werden sollte: Ein roter Leiter und ein schwarzer Stellvertreter, oder umgekehrt. Nachdem der Text dem [[Kurier (Tageszeitung)|Kurier]] zugespielt worden war, initiierte dieser das [[Rundfunkvolksbegehren]] 1964, um den ORF von der Einflussnahme der Parteien zu befreien.<ref>Hugo Portisch: ''Das Volksbegehren zur Reform des Rundfunks 1964'', in: Haimo Godler (Hg.): ''Vom Dampfradio zur Klangtapete: Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich'', Böhlau Verlag Wien, 2004, ISBN 978-3-205-77239-2, S. 65ff. ({{Google Buch |BuchID=SfWe-9dWAEEC |Seite=66 |Hervorhebung=Geheimabkommen}})</ref> Da jede Partei um ihren Einfluss fürchtete, gelang die Umsetzung aber erst 1966 unter der ÖVP-Alleinregierung [[Bundesregierung Klaus II|Klaus II]].<br />
<br />
Die Kritiker des Proporzes beklagten eine [[Parteibuchwirtschaft]], die [[Konsens]]politik und eine drohende Depolitisierung in der Großen Koalition: Sie verkruste,<ref>[[Ernst Hanisch (Historiker)|Ernst Hanisch]]: ''Österreichs Geschichte 1890–1990.'' Wien 1994.</ref> vegetiere lustlos vor sich hin und verlöre jegliche Eigendynamik und Zündstoff. „Die Konversion von solidarischem in individuelles Handeln bringt einen Abzug von Energie vom Schlachtfeld und Marktplatz der Politik mit sich.“<ref>[[Ralf Dahrendorf]]: ''Konflikt und Freiheit: auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft'' Piper Verlag, München, 1972, ISBN 3-492-01782-7</ref> Es stelle sich die Frage, ob Konflikte in der Demokratie als Modernisierungsfaktor förderlich seien.<br />
<br />
=== Länder ===<br />
Der Proporz war Bestandteil der [[Landesverfassung (Österreich)|Landesverfassungen]] der meisten [[Land (Österreich)|Bundesländer]]. Es handelte sich dabei um eine abgeschwächte Form der [[Allparteienregierung#Österreich|Allparteienregierung]] (auch: Konzentrationsregierung), wobei den im [[Landtag (Österreich)|Landtag]] vertretenen Parteien dann automatisch ein Regierungssitz zusteht, wenn sie bei den [[Ergebnisse der Landtagswahlen in Österreich|Landtagswahlen]] eine bestimmte Stärke erreicht haben.<br />
<br />
Bis 1999 hatten alle Bundesländer mit Ausnahme von [[Vorarlberg]] eine solche Regelung; im Jahr 2017 waren es nur noch zwei Länder: [[Niederösterreich]] und [[Oberösterreich]].<br />
<br />
[[Land Salzburg|Salzburg]] und [[Tirol (Bundesland)|Tirol]] ersetzten 1999 den Proporz durch ein System freier Mehrheits- und Koalitionsbildungen. Am 30.&nbsp;Juni 2011 wurde in der Steiermark ([[Landesregierung Voves II]]) der Proporz mit Beginn der Legislaturperiode 2015–2020 abgeschafft.<ref name="Stmk-2015">[https://stmv1.orf.at/stories/523948/ ''Steiermark schafft Proporz ab.''] In: ''steiermark.[[Österreichischer Rundfunk|ORF]].at,'' 30. Juni 2011. Abgerufen am 21. Mai 2022.</ref> Das Burgenland schaffte den Proporz im Dezember 2014 mit Blick auf die Landtagswahl am 31. Mai 2015 ab.<ref>{{Internetquelle | url=https://burgenland.orf.at/v2/news/stories/2683812/ | titel=Proporz ist abgeschafft | werk=burgenland.orf.at | datum=2014-12-11 | zugriff=2022-05-21}}</ref> Auch in Kärnten wurde die Abschaffung des Proporzes ab 2018 via einer Landesverfassungsreform, die bereits 2013 von der Dreier-Koalition SPÖ, ÖVP und Grüne in Aussicht gestellt wurde, im Oktober 2015 grundsätzlich beschlossen, und schließlich am 1. Juni 2017 die neue Landesverfassung, und damit das Ende des Proporzes, beschlossen.<ref name="Ktn-2017">[https://kaernten.orf.at/v2/news/stories/2846624/ ''Neue Landesverfassung beschlossen.''] In: ''kaernten.[[Österreichischer Rundfunk|ORF]].at,'' 1. Juni 2017. Abgerufen am 21. Mai 2022.</ref><br />
<br />
Damit sind derzeit sieben Länder mit freiem System:<ref>[http://derstandard.at/2000024679132/Proporz-und-Opposition Österreichs Landesverfassungen: Proporz und Opposition], derstandard.at vom 28. Oktober 2015, zuletzt abgerufen am 25. März 2016.</ref><br />
* Vorarlberg (seit 1923)<br />
* Salzburg (seit 1999)<br />
* Tirol (seit 1999)<br />
* [[Wien]] (mit der Besonderheit der Unterscheidung in „amtsführende [[Wiener Stadtsenat und Wiener Landesregierung|Stadträte]]“ und solche ohne Ressort)<br />
* [[Steiermark]] (seit 2015)<ref name="Stmk-2015" /><br />
* [[Burgenland]] (seit 2015)<br />
* [[Kärnten]] (seit 2017)<br />
<br />
=== Städte ===<br />
Auch in den Statuten der meisten Städte ist die Vergabe der [[Stadtrat#Österreich|Stadtratposten]] nach dem Proporz vorgesehen. So haben u.&nbsp;a. [[Graz]], [[Linz]], [[Salzburg]] und [[Wiener Neustadt]] Proporz-Regelungen und damit Stadträte, die der Opposition angehören.<br />
<br />
=== Zitate ===<br />
{{Zitat|Das Gleichgewichtsprinzip ist ein so charakteristischer Bestandteil der österreichischen Innenpolitik und damit der Organisation der Verwaltung in Bund, Ländern, Gemeinden und in öffentlicher Hand befindlicher Unternehmen geworden, daß man mit gutem Grunde sagen könnte, daß die meisten Bestimmungen des formellen Verfassungsrechts, einschließlich der republikanischen Staatsform, ohne tiefgreifende Folgen geändert werden könnten, solange nur dieses Prinzip in Kraft bleibt, während die Rückkehr zur freien politischen Konkurrenz einer Revolution gleich käme, obwohl dazu nicht ein Komma im Verfassungstext geändert werden müßte.|[[Gustav Eduard Kafka|Gustav E. Kafka]]|1958|ref=<ref>Gustav E. Kafka, Graz: ''Die Verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im modernen Staat – 2. Mitbericht'', in: Vereinigung der Deutschen Strafrechtslehrer: ''Veroeffentlichungen Staatsrechtslehrer 17 2ae – Tagung am 8. Oktober 1958 an der Universität Wien'', S. 89</ref>}}<br />
<br />
{{Zitat|Mein Vetter hatte einen hohen Posten, er war Polizeiarzt. Er sei zufrieden, sagte er mir. Er könne zwar nie einen Posten kriegen, wenn nicht ein Schwarzer auch einen kriegt, aber er könne auch nicht hinausgeschmissen werden, wenn nicht ein Schwarzer auch hinausgeschmissen wird.||Der aus Argentinien heimgekehrte Schriftsteller [[Alfredo Bauer]] bekommt von seinem Vetter den Proporz in Österreich erklärt|ref=<ref>Der Standard [http://derstandard.at/1256255728779/STANDARD-Interview-Es-waren-Oesterreichs-Feinde-die-uns-vertrieben Interview "Es waren Österreichs Feinde, die uns vertrieben"] 23. Oktober 2009</ref>}}<br />
<br />
== Schweiz ==<br />
Der Begriff Proporz wird in der Schweiz für die proportionale Vertretung, auch aller [[Bürger]] ([[Stimmberechtigte]]n, [[Stimmbürger]]) verwendet. Daher auch [[Proporzwahl]] ([[Verhältniswahl]]).<br />
<br />
== Südtirol ==<br />
In [[Südtirol]] bezeichnet der Begriff ''Proporz'' die gesetzlich garantierte Verteilung der öffentlichen Mittel (regionales Haushaltsbudget, Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, öffentliche Sozialleistungen) an die drei anerkannten Sprachgruppen (deutsch, italienisch, ladinisch). siehe [[Ethnischer Proporz (Südtirol)]].<br />
<br />
== Deutschland und Schweiz==<br />
=== Frauenproporz ===<br />
[[Bündnis 90/Die Grünen|Die Grünen]] in der Bundesrepublik Deutschland führten den so genannten Frauenproporz ([[Frauenquote]]) bei ihren Vorstandsgremien und ihren Kandidatenlisten für die [[Parlament]]e ein. Dieser sollte dafür sorgen, dass mindestens 50 % der Vorstandsposten und der Mandate an [[Frau]]en gehen. Dabei sei aber darauf hingewiesen, dass die Grünen deutlich weniger als 50 % weibliche Mitglieder haben, sodass diese Regelung effektiv eine Begünstigung der Frauen gegenüber den Männern in der Partei darstellt.<br />
<br />
An diesem Prinzip wird aus verschiedenen Gründen Kritik geübt. Seine Anwendung kann mitunter dazu führen, dass die Männer verbissener um die für sie gebliebenen Männerplätze kämpfen oder dass [[Minderheit]]en, denen man vorher einen gewissen Proporz zugestanden hatte, nicht mehr in gleichem Maße zum Zuge kommen. Auch wird befürchtet, dass Frauen mitunter in ihrer Eigenschaft als Frauen und nicht ausschließlich auf Grund ihrer eigenen Fähigkeiten und Qualitäten gewählt werden.<br />
<br />
Ähnliche Quotenregelungen kommen auch bei der Partei [[Die Linke]] zum Einsatz.<br />
<br />
Über eine gleichberechtigte [[Doppelspitze]] aus einem Mann und einer Frau in der Parteiführung verfügen heute [[Bündnis 90/Die Grünen]] (seit 1991, zuvor immer mindestens eine Frau an der Dreifachspitze), [[Die Linke]] (seit 2010), die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands]] (SPD, seit 2019) und die [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz]] (SP, seit 2020).<br />
<br />
Auch die [[Grüne Partei der Schweiz]] (GPS) wendet eine Frauenquote an, hat aber nur einen Vorsitzenden.<br />
<br />
=== Regionalproporz ===<br />
Personalentscheidungen in der Politik werden in Deutschland auch vom so genannten Regionalproporz beeinflusst. Ein bekanntes Beispiel sind die Kabinettsbesetzungen auf Landesebene in [[Bayern]] durch die [[CSU]], bei denen für die Wahl der Minister deren Herkunft aus den verschiedenen Regionen des Freistaats Bayern eine gewichtige Rolle spielt.<ref>Artikel aus der Augsburger Allgemeinen vom 16. Oktober 2008: [http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Die-bayerische-Voelkerverwirrung-id4335836.html „Die bayerische Völkerverwirrung“]</ref><br />
Aber auch auf Bundesebene und bei anderen Parteien als der CSU kann Regionalproporz bei der Besetzung von Spitzenpositionen den Ausschlag geben.<ref>Artikel aus der Wirtschaftswoche vom 17. Dezember 2013: [http://www.wiwo.de/politik/deutschland/regionalproporz-wie-der-geburtsort-kompetenz-vernichtet/9230356.html „Wie der Geburtsort Kompetenz vernichtet“]</ref><br />
<br />
== Quellen ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|Proporz}}<br />
* [http://www.infobitte.de/free/lex/LgD_Lex0/p/proporz.htm Definition im Lexikon Geteiltes Deutschland]<br />
<br />
[[Kategorie:Politisches Instrument]]<br />
[[Kategorie:Bundesregierung (Österreich)]]<br />
[[Kategorie:Landespolitik (Österreich)]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ultramarin&diff=226299502Ultramarin2022-09-19T17:41:23Z<p>Designer2k2: /* Begriffsklärungen und Geschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|erläutert Ultramarin als Farbe und Pigment. Der gleichnamige Yachthafen am Bodensee ist unter [[Ultramarin (Marina)]] zu finden. Für weitere Bedeutungen siehe [[Ultramarine]].}}<br />
<br />
{{Farbmuster|Ultramarinblau<br />[[RGB-Farbraum|RGB]]:18,10,143|#120a8f}}<br />
<br />
'''Ultramarin''' ({{laS|ultramarinus|de=überseeisch; über das Meer}}) ist ein blauer Farbton. Ultramarin steht auch für eine Sammelbezeichnung für sehr [[lichtecht]]e, [[anorganisch]]e [[Pigment]]e unterschiedlicher [[Farbe]] mit ähnlichem chemischen Aufbau. Die früher zur Pigmentherstellung verwendeten [[Mineral]]ien wurden „über das Meer“ nach Europa importiert, so entstand der Begriff ''Ultramarin''.<br />
<br />
== Der Farbton Ultramarin ==<br />
=== Begriffsklärungen und Geschichte ===<br />
Mit dem Farbton Ultramarin kennzeichnet man heute den Farbton des Pigments „Ultramarinblau dunkel“, das international unter der Bezeichnung Pigment Blue 29 gehandelt wird. Abweichend davon sind zahlreiche weitere Ultramarinpigmente erhältlich, die grün- oder rotstichig bzw. heller oder dunkler sind. Im erweiterten Sinne deckt der Farbton Ultramarin also den gesamten Bereich von einem Grünblau über ein sattes Blau bis zu einem dunklen Rosa ab. Alle Sorten werden industriell in Produkten des Alltags oder in Künstlerfarben verarbeitet. In der Werbung wird das Blau gerne eingesetzt, um eine positive Stimmung beim Käufer zu wecken. Die Textilindustrie verwendet es als [[Wäscheblau|Waschblau]] schon seit längerer Zeit, da das Blau als [[Komplementärfarbe]] zu Gelb den Gelbstich verringert und Textilien rein weiß erscheinen lässt. Ultramaringrün wird heute kaum noch verwendet.<br />
<br />
Der Begriff Ultramarin geht auf die Geschichte der Farbenbeschaffung und der Farbenherstellung zurück. Das blaue Gestein [[Lapislazuli]] und vor allem das daraus hergestellte Pigment ''Fra Angelico Blau'' war wegen seiner Beständigkeit und des aufwändigen Herstellungsverfahrens schon im Mittelalter sehr kostbar. Lapislazuli wird auch in China, Persien und Tibet gefunden. Die besten Sorten kamen aber schon im Mittelalter aus Afghanistan über Venedig nach Europa. So entstand der Name ''azurro ultramarine'', was so viel bedeutet wie „Das Blau von jenseits des Meeres“.<ref name="pigmenthandbuch" /><ref>{{Webarchiv |url=http://kremer-pigmente.de/de/blog/ultramarine-one-pigment-many-qualities |text=Ultramarin: ein Pigment – viele Qualitäten |wayback=20130508124944 |archiv-bot=}}</ref><ref>[http://chsopensource.org/2013/04/10/ultramarine/ ultramarine (in engl.)]</ref> Die Herstellung von Pigmenten aus Lapislazuli ist erst ab dem frühen Mittelalter dokumentiert. Damit gilt Fra Angelico Blau als relativ modernes Blaupigment.<ref>[http://www.seilnacht.com/Lexikon/Lapis.htm Fra Angelico Blau] in Seilnachts Lexikon der Farbstoffe und Pigmente.</ref> [[Ägyptisch Blau]] oder [[Maya-Blau]] haben eine andere chemische Zusammensetzung und sind wesentlich älter.<br />
<br />
=== Sorteneinteilung ===<br />
Der [[Colour Index]] (C. I.) führt folgende Varietäten des Pigments auf<ref>{{RömppOnline|ID=RD-21-00206|Name=Ultramarin-Pigmente|Abruf=2014-06-12}}</ref><br />
* Ultramarinblau als ''Pigment Blue 29'' (C. I. 77007)<ref>[http://ruby.chemie.uni-freiburg.de/Vorlesung/Fotos/Pigmente/ultramarin_blau_mittel.jpg Ultramarin blau_mittel]</ref><br />
* Ultramaringrün als ''Pigment Green 24'' (C. I. 77013; kein kommerz. Produkt) und ''Pigment Green 55'' (C. I. 77007; derzeit kein kommerz. Produkt)<br />
* Ultramarinrot als ''Pigment Red 259''<ref>[http://ruby.chemie.uni-freiburg.de/Vorlesung/Fotos/Pigmente/ultramarin_rot.jpg Pigmente Ultramarin rot]</ref><br />
* Ultramarinviolett als ''Pigment Violet 15''<ref>[http://ruby.chemie.uni-freiburg.de/Vorlesung/Fotos/Pigmente/ultramarin_violett.jpg Pigmente Ultramarin violett]</ref><br />
<br />
=== RAL-Farbsystem ===<br />
Im [[RAL-Farbsystem]] ist Ultramarinblau als Farbe RAL 5002 definiert. Heute ist es die Farbe des [[Technisches Hilfswerk|Technischen Hilfswerks]] und ganz allgemein die [[Signalfarbe]] für Hinweise und Schutzpflicht nach [[DIN]] 4844-1:2012-06<br />
<br />
<gallery mode="packed" heights="150px"><br />
Lapis-lazuli hg.jpg|[[Lapislazuli]] aus Afghanistan<br />
Natural ultramarine pigment.jpg|Natürliches Ultramarin-Pigment<br />
Ultramarinepigment.jpg|Synthetisches Ultramarin-Pigment<br />
Pigment Violet 15.jpg|Synthetisches Ultramarinviolett<br />
Natural ultramarine painted.jpg|Natürliches Ultramarinblau als Farbe auf Papier<br />
</gallery><br />
<br />
== Natürliches Ultramarinblau, Fra Angelico Blau ==<br />
[[Datei:Folio 34r - The Last Judgement.jpg|mini|''Das Jüngste Gericht'', aus dem [[Très Riches Heures|Stundenbuch des Herzogs von Berry]], 1412–1416]]<br />
Natürliches Ultramarinblau oder ''Fra Angelico Blau'' wird aus [[Lapislazuli]] gewonnen. Seine blaue Farbe erhält das Gestein durch das darin enthaltenen Mineral [[Lasurit]], ein komplexes [[schwefel]]haltiges [[Alumosilicate|Aluminiumsilikat]]. Lapislazuli in herausragender Qualität – also mit hohem Lasuritanteil – ist nur an einer einzigen Fundstelle im Norden [[Afghanistan]]s zu finden. Aus dem gemahlenen Lapislazuli wird in verschiedenen Reinigungsverfahren das blaue Pigment gewonnen. Dazu wird der zu Pulver zermahlene Lapislazuli mit Wachsen, Harzen und Ölen vermischt, die Masse in Stoffsäckchen aus Baumwolle oder Leinen gefüllt und unter Wasser ausgeknetet. So gelangen nur die feinsten Lasuritteilchen durch das Tuch in das Wasser. [[Pyrit]], [[Kalkstein|Kalk]] und andere Bestandteile des Lapislazuli bleiben in der Knetmasse zurück. Die Reste im Tuch werden als Ultramarinasche bezeichnet. Insgesamt sind für die Pigmentgewinnung bis zu 49 Arbeitsschritte notwendig, was noch heute den hohen Preis ausmacht. Schon Albrecht Dürer wog das Pigment mit Gold auf.<ref>[http://www.seilnacht.com/Lexikon/Lapis.htm Fra Angelico Blau] in Seilnachts Lexikon der Farbstoffe und Pigmente.</ref> Aufgrund seiner Kostbarkeit konnte es in der Malerei nur sparsam eingesetzt werden und kam vor allem bei bildlichen Darstellungen von [[Jesus Christus]] oder der [[Maria (Mutter Jesu)|Jungfrau Maria]] zum Einsatz. Außerdem wurde es in der [[Buchmalerei]] verwendet.<ref>{{Internetquelle |autor=Ravi Mangla |url=http://www.theparisreview.org/blog/2015/06/08/true-blue/ |titel=True Blue: A brief history of ultramarine. |werk=the Paris Review |datum=2015-06-08 |sprache=en |abruf=2015-06-13}}</ref><br />
<br />
== Synthetisches Ultramarinblau ==<br />
Ein [[Frankreich|französischer]] Ausschuss setzte im Jahre 1824 einen hohen Preis für die Entwicklung eines Verfahrens zur künstlichen Herstellung von Ultramarinblau aus. 1828 erhielt der Franzose [[Jean-Baptiste Guimet]] den Preis für die Herstellung aus [[Quarz]], [[Kaolin]], [[Soda (Mineral)|Soda]] oder [[Natriumsulfat]], [[Schwefel]] und [[Holzkohle]], die ihm zwei Jahre zuvor gelungen war. Fast gleichzeitig mit Guimet entwickelte [[Christian Gottlob Gmelin]] in [[Tübingen]] 1828 ein entsprechendes Verfahren.<ref>{{Literatur |Autor=[[Fritz Seel]], Gisela Schäfer, Hans-Joachim Güttler, Georg Simon |Titel=Das Geheimnis des Lapis Lazuli |Sammelwerk=[[Chemie in unserer Zeit]] |Band=8 |Nummer=3 |Datum=1974 |Seiten=65–71 |DOI=10.1002/ciuz.19740080302}}</ref><br />
<br />
Im Jahr 1828 erfand [[Friedrich August Köttig]] das ''Meißner Lasursteinblau'', eine Variante des künstlichen Ultramarins. Dieses Herstellungsverfahren erlangte 1829 Fabrikationsreife.<br />
<br />
1834 gründete [[Carl Leverkus]] die erste deutsche Fabrik zur Herstellung künstlichen Ultramarins. 1845 gelang [[Wilhelm Büchner (Apotheker)|Wilhelm Büchner]] die Entwicklung einer erheblich vereinfachten Produktionsweise, die zur Gründung seiner Ultramarinfabrik in [[Pfungstadt]] führte.<br />
[[Datei:Deutsche-Patentschrift-No-1.png|mini|Deckblatt des ersten Reichspatents]]<br />
<br />
1836 begann [[Johannes Zeltner]] aus unternehmerischem Interesse, das von [[Thomas Leykauf]] und [[Friedrich Wilhelm Heyne]] entwickelte Verfahren zur Erzeugung von Ultramarin<ref>Friedrich Wilhelm Heyne: ''Abhandlung über die chemisch-technische Bereitung von Ultramarin-Farben nach der Erfindung von Leykauf und Heyne oder über die Wichtigkeit der Blau- und Grün-Ultramarinfabrikation für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe''. Campe, Nürnberg 1840. ([http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:061:2-10142 Digitalisierte Ausgabe] der [[Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf]])</ref> zu fördern. 1838 errichtete er an der heutigen Zeltnerstraße in [[Nürnberg]] die erste Ultramarinfabrik in [[Bayern]], die ''Nürnberger Ultramarinfabrik''. Zeltner meldete am 2. Juli 1877 sein ''Verfahren zur Herstellung einer rothen Ultramarinfarbe'' zum Patent an. Dies war das erste Patent in Deutschland überhaupt.<ref>Pressedienst des Deutschen Patent- und Markenamts: {{Webarchiv |url=http://www.dpma.de/infos/pressedienst/pm020711.html |text=''125 Jahre Deutsches Patent- und Markenamt.'' |wayback=20050307045112}}</ref><br />
<br />
Die jährliche Weltproduktion an Ultramarin beträgt heute über 20.000 Tonnen.<ref>[http://www.seilnacht.com/Lexikon/Ultramar.htm Ultramarinblau] in Seilnachts Lexikon der Farbstoffe und Pigmente.</ref><br />
<br />
=== Herstellung ===<br />
Folgende Rohmaterialien werden für die Herstellung von synthetischem, reinblauem Ultramarin eingesetzt:<br />
# [[Eisen]]freies [[Kaolin]] (Al<sub>2</sub>O<sub>3</sub> · 2SiO<sub>2</sub> · 2H<sub>2</sub>O) oder ein anderes reines [[Tonmineral]], bei dem das Verhältnis von [[Kieselsäure]] (SiO<sub>2</sub>) zu [[Aluminiumoxid]] (Al<sub>2</sub>O<sub>3</sub>) dem von Kaolin möglichst gleichen sollte,<br />
# kalziniertes (wasserfreies) [[Natriumsulfat]] (Na<sub>2</sub>SO<sub>4</sub>),<br />
# kalziniertes Natriumkarbonat ([[Waschsoda]]) (Na<sub>2</sub>CO<sub>3</sub>),<br />
# [[Schwefel]] (pulverisiert) und<br />
# [[Aktivkohle]]pulver oder [[Kohle]] mit einem sehr geringen [[Asche]]anteil oder [[Kolophonium]].<br />
<br />
Für Kunststoffsysteme und Lacke, die unter sauren Bedingungen verarbeitet werden, ist Ultramarin wenig geeignet, da es sich in Gegenwart schwacher Säuren mit der Zeit zersetzt. Um die geringe Säurebeständigkeit zu beheben, wurden säurebeständigere Typen entwickelt, in denen die Pigmentpartikel mit [[Silicate]]n oder [[Siliciumdioxid]] beschichtet sind.<ref>{{Literatur |Autor=Zhong Cao u. a. |Titel=Preparation of Acid-Resistant Ultramarine Pigment by Dense Silica Coating Process |Sammelwerk=Advanced Materials Research |Band=233–235 |Datum=2011 |Seiten=246–249 |DOI=10.4028/www.scientific.net/AMR.233-235.246}}</ref> Weitere Bearbeitungsprozesse, insbesondere das [[Mahlwerk|Mahlen]], verringern allerdings die Schutzwirkung dieser Beschichtung.<br />
<br />
=== Kieselsäurearmes Ultramarin ===<br />
Das kieselsäurearme ''Ultramaringrün'' erhält man durch die Vereinigung eines Gemisches aus weichem Ton, Glaubersalz ([[Natriumsulfat]]), [[Aktivkohle]], [[Natriumcarbonat|Soda]] und [[Schwefel]]. Das Produkt ist zunächst [[weiß]], die Farbe schlägt aber rasch nach [[Grün]] um, wenn es nach Zugabe des Schwefels erhitzt wird. Das blaue Pigment lässt sich aus dieser Vorstufe durch Ausbrennen des Gemisches erzeugen.<br />
<br />
=== Kieselsäurereiches Ultramarin ===<br />
Ein kieselsäurereiches Produkt erhält man im Allgemeinen durch Erhitzen einer Mischung aus reinem [[Kaolin]], sehr feinem weißem Sand, Schwefel und [[Aktivkohle]] in einem [[Muffelofen]]. Daraus entsteht alsbald ein blaues Produkt, das häufig auch einen rötlichen Farbton aufweist. Die verschiedenen Ultramarine – blau, grün, rot bzw. violett (''Ultramarinviolett'') – werden fein gemahlen und mit Wasser ausgewaschen.<br />
<br />
=== Herstellung aus Zeolith ===<br />
Anstatt aus Kaolin kann Ultramarin auch bei niedrigeren Temperaturen ab 500&nbsp;°C aus synthetischem [[Zeolith A]], Soda und Schwefel hergestellt werden.<ref>{{Literatur |Autor=S. Kowalak u. a. |Titel=Application of zeolites as matrices for pigments |Sammelwerk=[[Microporous and Mesoporous Materials]] |Band=61 |Datum=2003 |Seiten=213–222 |DOI=10.1016/S1387-1811(03)00370-6}}</ref> Der Farbton lässt sich durch Wahl des Ausgangszeoliths variieren.<ref>{{Literatur |Autor=Laurenz Bock |Titel=Zum heutigen Stande der Ultramarinforschung |Sammelwerk=[[Angewandte Chemie (Zeitschrift)|Angewandte Chemie]] |Band=28 |Nummer=26 |Datum=1915 |Seiten=147–152 |DOI=10.1002/ange.19150282603}}</ref><br />
<br />
== Chemische Struktur und Eigenschaften ==<br />
Synthetische und natürliche Ultramarine basieren – unabhängig von deren Farbe – auf der chemischen Struktur des farblosen [[Sodalith]]. Dieses Mineral gehört zu den [[Clathrat]]en, die über ein System von sehr kleinen Hohlräumen (Käfigen) verfügen. Bei Sodalith sind die Hohlräume so klein, dass nur wenige Atome in diese Käfige passen. Die Gitterstruktur wird von Aluminium-, Silizium- und Sauerstoffatomen gebildet und enthält Natriumionen, die die Kanäle „verstopfen“ und Elektroneutralität herstellen.<br />
<br />
Bei den Ultramarinen enthalten die Hohlräume einfach negativ geladene [[Polysulfide|Polysulfid]]-Radikalanionen. Diese „eingesperrten“ Ionen verhalten sich anders als elementarer Schwefel. Sie [[Absorption (Physik)#Sichtbares Licht|absorbieren]] das [[Licht]] bestimmter [[Wellenlänge]]n und bilden so ein [[Farbzentrum]]. Fällt weißes Licht, wie etwa [[Sonnenlicht]], auf das Pigment, so fehlt in der [[Reflexion (Physik)|Reflexion]] der durch das Pigment absorbierte Anteil des Lichts. Das menschliche [[Auge]] registriert allein das reflektierte Licht, das als [[Körperfarbe]] wahrgenommen wird. Der Farbton des Pigments hängt von der jeweiligen Struktur und Anzahl der „eingesperrten“ Polysulfidionen ab, im Einzelnen sind es Polysulfid-Radikalionen, das gelbgrüne <math>\mathrm{S_2^-}</math>, das blaue <math>\mathrm{S_3^-}</math> und das rote <math>\mathrm{S_4^-}</math>.<ref>http://ruby.chemie.uni-freiburg.de/Vorlesung/silicate_8_8.html Sodalith und Ultramarine auf der Website der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg]]</ref><br />
<br />
Eine Besonderheit der Ultramarinpigmente ist ihre hohe [[Lichtechtheit|Farbstabilität]]. Die freien Polysulfid-Radikalanionen sind an sich nicht stabil gegen Luft. In den „Sodalith-Käfigen“ sind sie jedoch vor chemischen Angriffen (insbesondere durch Sauerstoff) geschützt. Die [[Farbzentrum|Farbzentren]] bleiben dadurch erhalten. Der physikalische Vorgang der Absorption beruht hier auf Elektronenvorgängen, die die anorganische [[Analysenprobe#Matrix|Matrix]] nicht beeinflussen.<br />
<br />
Der Brechungsindex von Ultramarinblau beträgt 1,5.<ref>{{Literatur |Autor=Ingo Klöckl |Titel=Chemie der Farbmittel: In der Malerei |Verlag=Walter de Gruyter GmbH & Co KG |Datum=2015 |ISBN=978-3-11-037453-7 |Online=https://books.google.de/books?id=JQNfCAAAQBAJ&pg=PA198&lpg=PA198&dq=brechungsindex+ultramarinblau&source=bl&ots=9vws8kW2Au&sig=b_z5Ul9wECrTS2bOBpLPaXQBFGw&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjO2cTGr6_PAhVJORQKHSLyDvgQ6AEIODAE#v=onepage&q=brechungsindex%2520ultramarinblau&f=false |Abruf=2016-09-28}}</ref><br />
<br />
Chemische Formeln<ref name="pigmenthandbuch">Temple C. Patton: ''Pigment Handbook''. John Wiley Sons, New York/ London/ Sydney/ Toronto 1973, S. 409&nbsp;ff.</ref><br />
* C.I. Pigment Blue 29 (77007) mit einer [[Molare Masse|molaren Masse]] von 916 bis 1026 g/mol<br />
** Ultramarinblau hell: Na<sub>6</sub>Al<sub>6</sub>Si<sub>6</sub>O<sub>24</sub>S<sub>2</sub><br />
** Ultramarinblau mittel: Na<sub>7</sub>Al<sub>6</sub>Si<sub>6</sub>O<sub>24</sub>S<sub>3</sub><br />
** Ultramarinblau dunkel: Na<sub>8</sub>Al<sub>6</sub>Si<sub>6</sub>O<sub>24</sub>S<sub>4</sub><br />
* C.I. Pigment Violet 15 (77007) mit einer molaren Masse von 874 bis 918 g/mol<br />
** Ultramarinrosa: H<sub>2</sub>Na<sub>4</sub>Al<sub>6</sub>Si<sub>6</sub>O<sub>24</sub>S<sub>2</sub><br />
** Ultramarinrosa: H<sub>2</sub>Na<sub>6</sub>Al<sub>6</sub>Si<sub>6</sub>O<sub>24</sub>S<sub>2</sub><br />
<br />
== Weitere Fakten ==<br />
* [[Wilhelm Büchner (Apotheker)|Wilhelm Büchner]] gelang um 1841 eine Vereinfachung in der Produktion von künstlichem Ultramarin. Das soll er seiner Mutter gegenüber mit ''„Da haben wir die Million!“'' kommentiert haben.<br />
* Ultramarin wird als [[Farbmittel]] in der [[Zeugdruckerei]] verwendet.<br />
* Die Verwendung von Ultramarin in [[Ölfarbe]]n erfordert wie bei [[Erdfarbe]]n oder [[Zinkweiß]] die Anwendung von [[Sikkativ]]en, um die Trocknung zu beschleunigen.<br />
* Da Ultramarin – wie [[Cinnabarit|Zinnober]] und [[Auripigment]] – ein [[Sulfid|sulfidhaltiges]] Pigment ist, [[Alterung (Chemie)|altert]] es beim gleichzeitigen Einsatz mit [[Bleiweiß]], so dass sich die Farbtöne verändern. In [[Aquarell]]en und verschiedenen anderen Bindemitteln führt die Bildung von tiefschwarzem [[Bleisulfid]] nach geraumer Zeit zu einer Verschwärzung.<br />
* ''Ultramarin'' (1933) ist der Titel einer [[Erzählung]] von [[Malcolm Lowry]].<br />
* ''Die Spur des Ultramarins'' (2015) ist der Titel eines [[Historischer Roman|historischen Romans]] von [[Pia Rosenberger]].<br />
* Die [[Flagge von Barbados]] ist eine [[Trikolore]] in den Farben Ultramarinblau, Goldgelb und Ultramarinblau.<br />
* Der Maler und Performance-Künstler [[Yves Klein]] ließ 1957 sein ''International Klein Blue'' (IKB), ein besonderes Ultramarinblau, patentieren. Mit Hilfe des Bindemittels [[Polyvinylacetat|Rhodopas]] gelang es ihm, die Leuchtkraft des reinen Pigments auf die Leinwand zu bringen.<ref>Ingrid Pfeiffer, Carla Orthen: ''Biografie.'' In: Oliver Berggruen, Max Hollein, Ingrid Pfeiffer (Hrsg.): ''Yves Klein.'' Kunsthalle Schirn, Frankfurt am Main, S. 222 f.</ref><br />
* Ein großer Teil der Ausrüstung des [[Technisches Hilfswerk|Technischen Hilfswerks]] ist in Ultramarinblau ([[RAL-Farbsystem#Blau|RAL-Nummer 5002]]) gehalten.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* A. Kurella, I. Strauss: ''Lapislazuli und natürliches Ultramarin''. In: ''Maltechnik-Restauro.'' 1983, S. 34–54.<br />
* S. Muntwyler: ''Ultramarin. Das Pigment von jenseits der Meere''. In: C. Cattaneo, S. Muntwyler, M. Rigert, H. P. Schneider (Hrsg.): ''Farbpigmente, Farbstoffe, Farbgeschichten.'' 2. Auflage. Alata Verlag, Winterthur 2011, ISBN 978-3-033-02968-2.<br />
* T. Seilnacht: ''DVD-ROM Chemie'', Lexikon der Farbstoffe und Pigmente, Seilnacht Verlag & Atelier, Bern 2017.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* Herbert Röhrig: [http://www.kremer-pigmente.de/ultramarin.htm ''Dreitausend Jahre Ultramarin.''] In: ''Farbe und Lack.'' Centralblatt 1933.<br />
* [http://www.seilnacht.com/Lexikon/Ultramar.htm Ultramarinblau.] In: ''Seilnachts Lexikon der Farbstoffe und Pigmente''<br />
* [http://aic.stanford.edu/jaic/articles/jaic30-02-001.html ''The Identification of Blue Elements in Early Sienese Paintings by Color Infrared Photography.''] In: ''The Journal of the American Institute for Conservation.'' Vol. 30. Nr. 2, 1991, S. 115–124.<br />
* [http://colourlex.com/project/ultramarine-natural/ Ultramarine, natural.] In: ''Colourlex.com''<br />
* [http://colourlex.com/project/ultramarine-artificial/ Ultramarine, artificial.] In: ''Colourlex.com''<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Farbname]]<br />
[[Kategorie:Anorganisches Pigment]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bors%C3%A4ureester&diff=225152326Borsäureester2022-08-07T18:44:48Z<p>Designer2k2: /* Verwendung */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Borsäureester.png|mini|Struktur von Borsäureestern]]<br />
'''Borsäureester''' sind [[Ester]] der [[Borsäure]], die zum Beispiel durch Reaktion von Borsäure mit [[Alkohole]]n unter [[Kondensationsreaktion|Abspaltung von Wasser]] entstehen. Durch Destillation können die entstandenen Borsäureester gereinigt werden.<br />
<br />
Ein Beispiel dafür ist die Gewinnung von [[Borsäuretrimethylester]] (Trimethylborat), welcher manchmal synonym als ''Borsäureester'' bezeichnet wird, aus Borsäure und [[Methanol]].<ref>[https://www.uni-wuerzburg.de/fileadmin/08020000/pdf/erlebnis/gruen_borsaeureester.pdf Grüne Flammen (Bildung von Borsäuremethylester)] (PDF; 9&nbsp;kB).</ref><br />
<br />
== Verwendung ==<br />
Borsäureester werden u.&nbsp;a. als Komponente in [[Bremsflüssigkeit]]en<ref>Bert Breuer, Karlheinz H. Bill; Bremsenhandbuch: Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik; ISBN 978-3-83480064-0.</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.biat.uni-flensburg.de/msc/datenallgemein/bremsfluessigkeit.htm |text=Bremsflüssigkeit - Spezifikation |wayback=20090608033552 |archiv-bot=}}</ref>, als Riechstoffe<ref>{{Patent| Land=DE| V-Nr=19517504| Code=A1| Typ=Patentanmeldung| Titel=Borsäureester und ihre Verwendung als Riechstoffe| A-Datum=1995-05-12| V-Datum=1996-11-14| Anmelder=Haarmann & Reimer GmbH| Erfinder=Ralf Pelzer et al}}</ref> und bei Schulversuchen zum Nachweis von Methanol<ref>[https://www.chemieunterricht.de/dc2/r-oh/a-borsre.htm Bunte Alkoholflammen mit Borsäureestern (Prof. Blumes Bildungsserver)]</ref> eingesetzt. Weiterhin dienen sie (vor allem cyclische Borsäureester) als [[Mikrobiozid]]e, [[Fungizid]]e und [[Insektizid]]e.<ref> W. Kliegel; Bor in Biologie, Medizin und Pharmazie. Physiologische Wirkung und Anwendung von Borverbindungen; ISBN 978-3-540-93411-0.</ref><br />
<br />
== Stoffbeispiele ==<br />
* [[Borsäuretrimethylester]]<br />
* [[Borsäuretriethylester]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Borsaureester}}<br />
[[Kategorie:Borsäureester| ]]<br />
[[Kategorie:Stoffgruppe]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Styrol-Butadien-Kautschuk&diff=225152295Styrol-Butadien-Kautschuk2022-08-07T18:43:14Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div><br />
{{Infobox Polymer<br />
|Strukturformel = [[Datei:Styrol-Butadien-Kautschuk.svg|200px|Strukturformel von Styrol-Butadien-Kautschuk]]<br />
|Polymertyp = 3<br />
|Summenformel = C<sub>12</sub>H<sub>14</sub><ref name=PubChem>https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/62697</ref><br />
|Andere Namen = *Styrol-Butadien-Copolymer<br />
* Polystyrol-Polybutadien-Polystyrol<br />
|CAS = {{CASRN|9003-55-8}}<br />
|Bausteine = * [[1,3-Butadien]]<br />
* [[Styrol]]<br />
|Aggregat = fest<br />
|Dichte = ca. 1 g/cm³ (20 °C)<ref>https://sds.evonik.com/msds-list/searchresult/plastic-additives/DE/99112861/SDS_CH/sds.pdf</ref><br />
|Molare Masse = 158,24<ref name="PubChem" /><br />
|Quelle GHS-Kz = NV<br />
|GHS-Piktogramme = {{GHS-Piktogramme|/}}<br />
|GHS-Signalwort = <br />
|H = {{H-Sätze|/}}<br />
|EUH = {{EUH-Sätze|/}}<br />
|P = {{P-Sätze|/}}<br />
|Quelle P = <br />
}}<br />
<br />
'''Styrol-Butadien-Kautschuk''' ([[Kurzzeichen (Kunststoff)|Kurzzeichen]] '''SBR''', abgeleitet von {{enS|styrene-butadiene rubber}}; auch ''Styrol-Butadien-Copolymer'', Kurzzeichen ''SB'') ist ein [[Copolymer]] aus [[1,3-Butadien]] und [[Styrol]]. SBR ist die am meisten hergestellte Variante des [[Synthesekautschuk]]s. Im Jahr 2012 sind weltweit rund 5,4&nbsp;Mio.&nbsp;Tonnen verbraucht worden.<ref>Arne Peters: ''{{Webarchiv |url=http://www.k-zeitung.de/elastomermarkt-mit-perspektive/150/1193/68340/ |text=Elastomermarkt mit Perspektive. |wayback=20140714145444 |archiv-bot=}}'' Meldung in der K-Zeitung vom 24. Juni 2013.</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Styrol-Butadien-Kautschuk wurde 1926 durch die deutschen Chemiker [[Walter Bock]] und [[Eduard Tschunkur]] bei der [[I.G.-Farben]]industrie im Werk [[Leverkusen]] entwickelt und am 15. Januar 1927 zum Patent angemeldet.<ref>[http://worldwide.espacenet.com/publicationDetails/originalDocument?CC=DE&NR=511145C&KC=C&FT=D&ND=3&date=19301027&DB=worldwide.espacenet.com&locale=de_EP Patent DE 511145 (Verfahren zur Darstellung von künstlichem Kautschuk)], angemeldet 15. Januar 1927, erteilt 16. Oktober 1930.</ref> Die Wortmarke „[[Buna (Kautschuk)|Buna]]“ wurde am 11. Juli 1929 für die I.G.-Farbenindustrie geschützt.<ref>[http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/DD419435/DE Markenregister DD419435] sowie [http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/507563/DE DE507563], Wortmarke „[[Buna (Kautschuk)|Buna]]“ angemeldet für I.G.-Farbenindustrie, nach Liquidation der IG 1951/52 waren die Rechte auf die Nachfolgegesellschaften übergegangen. Heute ist die Marke im Besitz von [[Dow Chemical]] und [[Lanxess]].</ref> Die Herstellung mit Hilfe der [[Emulsionspolymerisation]] gelang erstmals 1929, damit war es der erste wirtschaftlich nutzbare synthetische [[Kautschuk]]. Unter dem Namen [[Buna (Kautschuk)|Buna-S]] sollte SBR die [[Kriegswirtschaft Deutschland (1939-1945)|deutsche Kriegswirtschaft (1939–1945)]] als Teil der [[Heimstoff]]-Politik vom Import von [[Kautschuk|Naturkautschuk]] unabhängig machen.<br />
<br />
== Herstellung ==<br />
Zur großtechnischen Herstellung wird die [[Emulsionspolymerisation]] bei 5&nbsp;°C angewendet, die daher auch mit ''Kaltpolymerisation'' bezeichnet wird. Warmpolymerisation bei ca. 50&nbsp;°C ergibt verzweigte Molekülketten, die den daraus gewonnenen Kautschuk weniger elastisch machen. Für den auch bei tiefen Temperaturen elastischen Gummi für Winterreifen wird dagegen [[Lösungspolymerisation]] eingesetzt. [[Kettenpolymerisation#Radikalische Kettenpolymerisation|Radikalische Polymerisation]] ist ebenfalls möglich, wird jedoch bisher nicht großtechnisch angewandt. SBR enthält üblicherweise 23,5 % Styrol und 76,5 % Butadien. Nach der [[Polymerisation]] wird das SBR durch [[Vulkanisation]] vernetzt und bekommt dadurch seine endgültige Form.<br />
<br />
== Eigenschaften ==<br />
SBR zeigt gute Beständigkeit und wenig Quellung in anorganischen und organischen [[Säure]]n und [[Base (Chemie)|Basen]] sowie in [[Alkohole]]n und [[Wasser]]. Es ist unempfindlich gegen [[Bremsflüssigkeit]], wird hier aber meist durch [[EPDM]] ersetzt.<br />
<br />
Es ist hingegen stark quellend in [[Aliphat]]en, [[Aromaten]] und [[Chlorkohlenwasserstoffe]]n, insbesondere in [[Mineralöl]], [[Schmierfett]] und [[Leichtbenzin|Benzin]].<br />
<br />
Gegen Witterungseinflüsse ist es beständiger als Naturkautschuk, aber schlechter als z.&nbsp;B. [[Chloropren-Kautschuk]] (CR) und [[Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk]] (EPDM).<br />
<br />
Thermischer Anwendungsbereich: ca. −40 °C bis +70 °C.<br />
<br />
== Verwendung ==<br />
SBR ist heute der meistverwendete Synthesekautschuk, der unter Verwendung verschiedener Füllerstoffe wie beispielsweise [[Siliciumdioxid|Silica]] in der Herstellung von [[Reifen]] –&nbsp;besonders der Lauf&shy;flächen&nbsp;–, [[Dichtung (Technik)|Dichtungen]] und [[Transportband|Transportbändern]] Anwendung findet.<ref>K. Nusser, T. Mosbauer, G.J. Schneider: ''Silica dispersion in styrene butadiene rubber composites studied by synchrotron tomography''. In: ''Journal of Non-Crystalline Solids'', Volume 358, Issue 3, [[doi:10.1016/j.jnoncrysol.2011.10.009]].</ref><br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Copolymer]]<br />
[[Kategorie:Elastomer]]<br />
[[Kategorie:Polyen]]<br />
[[Kategorie:Alkylsubstituiertes Benzol]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=%C3%96tztaler_Mopedmarathon&diff=224167762Ötztaler Mopedmarathon2022-07-02T09:13:54Z<p>Designer2k2: Zahlen von 2022 Ergänzt sowie Quelle hinzugefügt.</p>
<hr />
<div>[[Datei:Logo Ötztaler Mopedmarathon.png|miniatur|Logo des Ötztaler Mopedmarathon]]<br />
Der '''Ötztaler Mopedmarathon''' war eine Vereinsausfahrt für einspurige [[Kleinkraftrad|Kleinkrafträder]] des ''Ötztaler Moped Vereins'' mit Sitz in [[Gurgl]] im Bezirk Imst<ref>Zentrales Vereinsregister, Nr. 173485690, abgerufen am 11. September 2017</ref>, die seit 2013 jedes Jahr Ende Juni ausgetragen wurde und bis 2018 dem Streckenverlauf des [[Ötztaler Radmarathon]] folgte. Der Ötztaler Mopedmarathon galt als eine feste Größe im internationalen Motorsport-Bereich.<ref>{{Internetquelle | autor= | url=https://rustynailmotors.com/oetztaler-mopedmarathon/ | titel=Alpenglühen über Sölden. Oetztaler-Mopedmarathon. Das legendäre Moped-Kultrennen | titelerg=Rusty Nail Motors | datum=2017 | kommentar= | zugriff=2017-09-08}}</ref><ref>{{Literatur |Autor= |Titel=Ötztaler Mopedmarathon 2017 Stirb langsam 5 |Hrsg= |Sammelwerk=[[Motorrad (Zeitschrift)]] |Band= |Nummer=Heft 2017 / 17 |Auflage= |Verlag=[[Motor Presse Stuttgart]] |Ort= |Datum= |ISBN= |Seiten=126-131 |Online=[http://web.archive.org/web/20170831012127/https://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-mopedmarathon-2017.842582.html Zusammenfassung]}}</ref> 2020 wurde der Ötztaler Mopedmarathon aufgrund des Veranstaltungsverbots, das bis Ende August 2020 gilt, abgesagt. Im Jahr 2022 fand der letzte Mopedmarathon statt. Eine Fortsetzung ist in Sölden nicht geplant.<ref name=":0">{{Internetquelle |autor=Hanna Koerdt |url=https://www.az-online.de/altmark/kalbe/von-kalbe-zum-oetztaler-mopedmarathon-mit-der-simson-im-ersten-gang-auf-den-gletscher-91638018.html |titel=Mit der Simson im ersten Gang auf den Gletscher |werk=AZ Online |datum=2022-06-29 |sprache=de |abruf=2022-07-02}}</ref><br />
<br />
== Wertung ==<br />
Zusätzlich zu den Kleinkrafträdern fuhr ein [[Rennrad]]fahrer im Feld mit, dieser gab die schnellste Zeit vor. Die Wertung erfolgte nach dem zeitlichen Abstand zur Mittelzeit. Diese wurde aus der Zeit des mitfahrenden Radfahrers und des zuletzt ankommenden Kleinkraftrades gebildet.<br />
<br />
Es gab eine getrennte Wertung für Mopeds mit Automatikgetriebe und Schaltgetrieben.<br />
<br />
== Teilnehmer ==<br />
[[Datei:ÖMM Teilnehmer 2022.jpg|mini|ÖMM Teilnehmer auf einer [[DKW Hummel]]]]<br />
Die Anmeldung erfolgte über eine Website, die Teilnehmerzahl war seit 2016 begrenzt.<ref>{{Internetquelle|url=http://austroclassic.at/index.php?option=com_content&task=view&id=4254&Itemid=46|titel=Austroclassic Wer langsam fährt hat länger Spaß!|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://hoehepunkt-tirols.oetztal.com/oetztaler-mopedmarathon/|titel=Ötztal Mopedmarathon|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref> Die Mopeds mussten 2 Räder in einer Spur haben.<ref>{{Literatur |Autor=Annette Clauß |Titel=Mit der Kreidler Florett zum Mopedmarathon: Über den Ötztaler Mopedmarathon |Hrsg= |Sammelwerk=[[Stuttgarter Nachrichten]] |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum= |Seiten= |ISBN= |Online=https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mit-der-kreidler-florett-zum-mopedmarathon-im-schneckentempo-ins-grosse-abenteuer-page2.ba070b84-64b9-40fa-926d-07000d20af2c.html |Abruf=2018-06-27}}</ref> Für die Motoren galt ein Limit von 50 Kubikzentimetern und sie durften nicht getunt ("frisiert") sein.<ref>{{Literatur | Autor=Hans Jörg Conzelmann | Titel=Wer sein Moped liebt, der schiebt | Sammelwerk=[[Reutlinger General-Anzeiger]] | Seiten= | Datum=2014-08-02 | Online=[http://www.xtramp.de/wp/wp-content/uploads/02.08.2014.GEA_Mopedmarathon.pdf Digitalisat] }}</ref> Die Teilnahme mit [[Kleinmotorrad|Kleinmotorrädern]] (> 50 cm²) war nicht gestattet.<br />
<br />
Im Jahr 2015 sind von 478 Startern 78 nicht im Ziel angekommen.<ref name="nordwest">{{Literatur | Autor=Wolfgang Alexander Meyer | Titel=Alpenmarathon auf dem Moped | Sammelwerk=[[Nordwest-Zeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-14 | Online= }}</ref> Im Jahr 2016 waren Teilnehmer aus [[Österreich]], der [[Schweiz]], [[Tschechien]], [[Italien]] und [[Deutschland]] dabei.<ref>{{Literatur | Autor=Elfi Bachmeier-Fausten | Titel=Der Mopedmarathon in Österreich lockt | Sammelwerk=[[Mittelbayerische Zeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-24 | Online=[http://www.mittelbayerische.de/region/kelheim/gemeinden/kelheim/der-mopedmarathon-in-oesterreich-lockt-22796-art1395773.html Online] }}</ref> Im Jahr 2017 waren mehr als 20 Prozent der Teilnehmer weiblich.<ref>{{Literatur | Autor=Clemens Thavonat | Titel=Langsam wird man Champ | Sammelwerk=[[Niederösterreichische Nachrichten]] | Seiten=20 | Datum=2017-07-11 | Online= }}</ref> Im Jahr 2019 kamen 291 Teilnehmer nicht ins Ziel.<br />
{| class="wikitable"<br />
!Jahr<br />
!Teilnehmer<br />
|-<br />
|2013<br />
|6<ref>{{Internetquelle|url=https://www.yumpu.com/de/document/view/59119075/otztaler-mopedmarathon-vereinsmagazin-50er-ausgabe-1/5|titel=Yumpu Ötztaler Mopedmarathon Vereinsmagazin|autor=|hrsg=|werk=|seiten=10|datum=|sprache=de|zugriff=2017-09-01}}</ref><br />
|-<br />
|2014<br />
|130<ref name="TT Helden">{{Literatur | Autor=Matthias Christler | Titel=Ötztaler Mopedmarathon: Die Helden der Langsamkeit | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]] | Seiten= | Datum=2016-06-26 | Online=[https://www.tt.com/artikel/10195228/oetztaler-mopedmarathon-die-helden-der-langsamkeit Online] }}</ref><br />
|-<br />
|2015<br />
|478<ref name="nordwest" /><ref name="TT Helden" /><br />
|-<br />
|2016<br />
|1111<ref name="TT Rekord">{{Literatur | Autor=Matthias Reichle | Titel=Rekord beim Mopedmarathon | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]] | Seiten= | Datum=2017-06-04 | Online=[https://www.tt.com/artikel/13054626/rekord-beim-mopedmarathon Online] }}</ref><br />
|-<br />
|2017<br />
|1513<ref>{{Literatur | Autor=Michael Schümann | Titel=Ötztaler Moped Marathon | Sammelwerk=Mopedonline | Seiten= | Datum=2017-07-05 | Online=[http://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-moped-marathon-2017.838032.html Online] }}</ref><ref>{{Literatur|Autor=|Titel=Ötztaler Mopedmarathon 2017 Stirb langsam 5|Hrsg=|Sammelwerk=[[Motorrad (Zeitschrift)]]|Band=|Nummer=Heft 2017 / 17|Auflage=|Verlag=[[Motor Presse Stuttgart]]|Ort=|Datum=|Seiten=126|ISBN=|Online=[http://www.motorradonline.de/termine-und-treffen/oetztaler-mopedmarathon-2017.842582.html Zusammenfassung]}}</ref><br />
|-<br />
|2018<br />
|1807<ref>{{Literatur| Autor=Matthias Reichle | Titel=Viel Lärm um Ötztaler Mopedmarathon | Sammelwerk=[[Tiroler Tageszeitung]]| Online=https://www.tt.com/artikel/14517040/viel-laerm-um-oetztaler-mopedmarathon| Abruf=2020-03-04}}</ref><br />
|-<br />
|2019<br />
|2018<br />
|-<br />
|2022<br />
|2500<ref name=":0" /><br />
|}<br />
<br />
== Strecke von 2013 bis 2018 ==<br />
[[Datei:Jaufenpass - panoramio.jpg|mini]]<br />
Die Vereinsausfahrt hatte eine offizielle Länge von 238 km und führte über 5500 Höhenmeter<ref>{{Literatur | Autor=Annette Clauß | Titel=Im Schneckentempo auf den Pass | Sammelwerk=[[Stuttgarter Nachrichten]] | Seiten=23 | Datum=2017-01-14 | Online= }}</ref><ref name="TT Rekord" />, zu deren Bewältigung die Fahrer zwischen rund 7 und 13 Stunden benötigten.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.mopedmarathon.at/ergebnisliste-oemmxvii.pdf|titel=Ergebnisliste 2017|autor=|hrsg=|werk=|datum=2017|sprache=|zugriff=2017-09-01|archiv-url=http://web.archive.org/web/20170908020330/http://www.mopedmarathon.at/ergebnisliste-oemmxvii.pdf|archiv-datum=2017-09-08}}</ref><br />
<br />
=== Pässe ===<br />
Die Vereinsausfahrt fuhr von [[Sölden (Ötztal)|Sölden]] im [[Ötztal]] über vier [[Gebirgspass|Pässe]]:<ref>{{Internetquelle|url=https://www.oetztaler-radmarathon.com/hoehenprofil|titel=Höhenprofil|autor=|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2017-09-01}}</ref><ref>{{Literatur | Autor=Corinna Willführ | Titel=Mit 50 Kubikzentimetern über die Alpen. Vier Pässe und 5500 Höhenmeter | Sammelwerk=[[Frankfurter Neue Presse]] | Seiten=18 | Datum=2016-07-29 | Online=[https://web.archive.org/web/20170908064843/http://ndp.fnp.de/lokales/wetterau/Mit-50-Kubikzentimetern-ueber-die-Alpen;art677,2134340 Online] }}</ref><br />
* [[Kühtaisattel]] (+1.200 Hm)<br />
* [[Brennerpass]] (+780 Hm)<br />
* [[Jaufenpass]] (+1.130 Hm)<br />
* [[Timmelsjoch]] (+1.760 Hm)<br />
<br />
=== Streckenverlauf ===<br />
'''Sölden''' (1.377 m) — [[Längenfeld]] — [[Umhausen]] — [[Oetz]] (820 m) — '''[[Kühtai]]''' (2.020 m) — [[Kematen in Tirol]] — [[Völs (Tirol)|Völs]] — [[Innsbruck]] (600 m) — Sonnenburgerhof — [[Schönberg im Stubaital]] — [[Matrei am Brenner]] — [[Steinach am Brenner]] — [[Gries am Brenner]] — '''Brenner''' (1.374 m) — [[Sterzing]] (948 m) — '''Jaufenpass''' (2.090 m) — [[St. Leonhard in Passeier]] (689 m) — '''Timmelsjoch''' (2.509 m) — '''Sölden''' (1.377 m).<br />
<br />
== Strecke 2019 ==<br />
Die Strecke hatte eine Länge von 206 km und insgesamt 6763 Höhenmeter. Die Fahrzeit betrug zwischen 7 und 12 Stunden.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.meinbezirk.at/imst/c-lokales/verflixter-siebter-oetztaler-mopedmarathon-erfolgreich-absolviert_a3473142 |titel="Verflixter" siebter Ötztaler Mopedmarathon erfolgreich absolviert |abruf=2019-06-24 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
=== Streckenverlauf ===<br />
'''Sölden''' (1.377 m) — [[Längenfeld]] — [[Umhausen]] — [[Oetz]] (820 m) — '''[[Silzer Sattel|Haiminger Sattele]]''' (1.690 m) — Umhausen (1.031 m) — '''[[Niederthai]]''' (1.538 m) — Längenfeld (1.179 m) — '''Sölden''' (1.377 m) — '''Timmelsjoch''' (2.509 m) — [[Rabenstein (Moos in Passeier)|Rabenstein]] (1.419 m) — '''Timmelsjoch''' (2.509 m) — '''Sölden''' (1.377 m).<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://info.mopedmarathon.at/ |titel=ÖTZTALER MOPEDMARATHON XIX – STRECKEN INFOS |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2019-06-24 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://mopedmarathon.at/ Webpräsenz]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur | Autor= | Titel=Das Magazin (Themenheft zum Ötztaler Mopedmarathon) | Nummer=Heft 1 | Sammelwerk=Rusty Nail Motors | Seiten= | Datum=2017 | Online=[https://rustynailmotors.com/oetztaler-mopedmarathon/ Zusammenfassung] }}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Otztaler Mopedmarathon}}<br />
[[Kategorie:Veranstaltung in Österreich]]<br />
[[Kategorie:Veranstaltung (Straßenverkehr)]]<br />
[[Kategorie:Motorsport-Subkultur]]<br />
[[Kategorie:Gegründet 2013]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vollzugsordnung_f%C3%BCr_den_Funkdienst&diff=224167104Vollzugsordnung für den Funkdienst2022-07-02T08:44:13Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt, sowie Text korrigiert und auf HTTPS angepasst</p>
<hr />
<div>{| class="wikitable infobox float-right" cellpadding="2" cellspacing="1" style="background:#6688AA" style="float:right; margin-left:15px;"<br />
|- style="background:#F7F8FF"<br />
! colspan="2"| [[Datei:Emblem of the United Nations.svg|45px|zentriert]]<br />
|----<br />
! colspan="2"| Basisdaten<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Kurztitel: || Vollzugsordnung für den Funkdienst (Deutschland, Schweiz bis 2012)<br />Radioreglement (Schweiz seit 2012)<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Voller Titel: || Vollzugsordnung für den Funkdienst der Konstitution und<br />Konvention der Internationalen Fernmeldeunion<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Typ: || [[völkerrechtlicher Vertrag]]<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Rechtsmaterie: || [[Völkerrecht]]<br />
|----<br />
| Geltungsbereich: || international<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| [[Abkürzung]]: || VO Funk<br />
<!-- |---- bgcolor="#F7F8FF"<br />
| [[Fundstellennachweis|FNA]]: || --><br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Vertragsstaaten: || ca. 200<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Verkündungstag: || 2012<br />
|---- style="background:#F7F8FF"<br />
| Deutsche Fassung: || keine<br />
|---- style="background:#6688AA"<br />
|}<br />
<br />
Die '''Vollzugsordnung für den Funkdienst''', kurz '''VO Funk''' (Deutschland) bzw. das '''Radioreglement''' (Schweiz) ({{enS|Radio Regulations}}, ''RR'') regelt im [[Völkerrecht]] die Funkdienste und die Nutzung von Funkfrequenzen. Es ist der Anhang zur [[Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion]] (ITU). In Übereinstimmung mit der Konstitution und Konvention der ITU und mit der Internationalen Fernmeldeordnung (ITR) der ITU gehört diese ITU-Vollzugsordnung zu den grundlegenden Dokumenten der [[Internationale Fernmeldeunion|Internationalen Fernmeldeunion]] (ITU).<br />
<br />
Die ITU-Vollzugsordnung für den Funkdienst umfasst und regelt den Teil der zugewiesenen Frequenzen des [[Elektromagnetisches Spektrum|elektromagnetischen Spektrums]] (auch [[Hochfrequenz]]spektrum) von 8&nbsp;kHz bis 275&nbsp;GHz.<br />
<br />
== Inhalt ==<br />
Die VO Funk weist u.&nbsp;a. die Frequenzbereiche den [[Funkdienst]]en zu und beschreibt technische Parameter und Betriebsverfahren.<br />
<br />
Sie wird regelmäßig durch [[World Radiocommunication Conference|Weltfunkkonferenzen]] überarbeitet und erscheint in den Amts- und Arbeitssprachen Englisch, Arabisch, Chinesisch, Spanisch, Französisch und Russisch.<br />
<br />
Die letzte vollständige Übersetzung in Deutschland erfolgte 1982 durch das damalige deutsche [[Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen]].<br />
<br />
== Struktur ==<br />
Die VO Funk in der Fassung von 2012 ist wie folgt strukturiert:<br />
<br />
BAND 1 – Artikel<br />
* KAPITEL I – Terminologie und technische Charakteristika<br />
* KAPITEL II – Frequenzen<br />
* KAPITEL III – Koordinierung, Veröffentlichung und Nachweis von Frequenzzuteilungen und Änderungspläne<br />
* KAPITEL IV – Störungen<br />
* KAPITEL V – Administrative Festlegungen<br />
* KAPITEL VI – Festlegungen zu [[Funkdienst]]en und [[Funkstelle]]n<br />
* KAPITEL VII – Fernmeldeverkehr zu Such- und Sicherheitszwecken<br />
* KAPITEL VIII – [[Flugfunkdienst]]e<br />
* KAPITEL IX – [[Seefunkdienst]]e<br />
* KAPITEL X – Bestimmungen zur Inkraftsetzung der VO Funk<br />
<br />
BAND 2 – Anhänge<br />BAND 3 – Resolutionen und Empfehlungen<br />BAND 4 – ITU-R Empfehlungen durch Verweis aufgenommen<br />Karten, die in Bezug auf Anhang 27 zu verwenden sind<br />
<br />
== Geografische Aufteilung ==<br />
Die VO Funk teilt die Welt in drei ''ITU-Regionen'' auf.<br />
{{siehe auch|ITU-Region}}<br />
<br />
== Definitionen ==<br />
Die Vollzugsordnung für den Funkdienst definiert:<br />
<br />
* die Zuweisung der verschiedenen Frequenzbänder an die verschiedenen Funkdienste;<br />
* die verbindlichen technischen Parameter, die von den Funkstationen, insbesondere den Sendern, eingehalten werden müssen;<br />
* die Verfahren für die Koordinierung (Gewährleistung der technischen Kompatibilität) und die Notifizierung (förmliche Eintragung und Schutz im internationalen Hauptfrequenzregister) der Frequenzzuteilungen, die den Funkstationen von den nationalen Regierungen erteilt wurden;<br />
* andere Verfahren und operative Bestimmungen.<br />
<br />
Für die Ausarbeitung, Überarbeitung und Verabschiedung der Vollzugsordnung für den Funkdienst sind die Weltfunkkonferenzen (WRC)<br />
der ITU zuständig, die in der Regel alle drei oder vier Jahre zusammentreten. Die letzten WRCs waren:<br />
<br />
* Genf, 1995 (WRC-95)<br />
* Genf, 1997 (WRC-97)<br />
* Istanbul, 2000 (WRC-2000)<br />
* Genf, 2003 (WRC-03)<br />
* Genf, 2007 (WRC-07)<br />
* Genf, 2012 (WRC-12)<br />
* Genf, 2015 (WRC-15)<br />
* Sharm el-Sheikh, 2019 (WRC-19)<br />
Geplant ist die WRC 2023 vom 20. November bis 15. Dezember 2023 - [[Vereinigte Arabische Emirate]] / United Arab Emirates (UAE)<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Als '''Weltfunkvertrag''' werden die internationalen Übereinkommen bezeichnet, mit denen ab 1903 der Funkverkehr und die Radioübertragung geregelt wurden.<br />
<br />
=== Vorgeschichte ===<br />
Ab 1900 sicherte sich die [[Marconi Company|Marconi International Marine Communication Company]] in London das alleinige Recht auf Ausübung des Funkbetriebes, nachdem sie dazu übergegangen war, ihre Geräte nicht mehr zu verkaufen, sondern einschließlich Personal an die Reedereien zu vermieten. Benutzer von Marconi-Anlagen durften außer in Notfällen nur mit anderen Marconi-Anlagen telegrafisch in Verbindung treten.<ref>http://www.friedewald-family.de/Publikationen/Nischenprodukt.pdf</ref><br />
<br />
Vom 4. bis 13. August 1903 fand in Berlin mit 90 Vertretern aus 32 Staaten die erste Radiokonferenz für den Funkverkehr statt. Es kam jedoch lediglich zwischen Deutschland, England, Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland, Italien, Spanien und den USA zu gültigen Vereinbarungen.<ref>[http://books.google.com/books?id=gjgmmY1S1uUC&pg=PT163&lpg=PT163 Blitz und Anker, Band 1: Informationstechnik - Geschichte und ..., Band 1 Von Joachim Beckh; S. 163]</ref><br />
<br />
=== Erster Weltfunkvertrag ===<br />
Um der Gefahr eines Weltfunkmonopols durch Marconi zu begegnen, erwarb [[Telefunken]] 1905 das Recht, auf deutschen Schiffen Empfangs- und Sendeeinrichtungen zu errichten und zu betreiben. Ferner lud die deutsche Reichsregierung zu einer ''[[Weltfunkkonferenz]]'' nach [[Berlin]] ein mit dem Ziel, jedes Funkmonopol zu beseitigen. [[Reinhold von Sydow]] leitete vom 3. Oktober bis 1. November 1906 die zweite Tagung der Radiokonferenz in Berlin, an der 27 Nationen teilnahmen. Das Ergebnis dieser Tagung, der von 30 Ländern am 3. November 1906<ref>{{Webarchiv |url=http://www.dl0bn.de/archiv/1976/drs4176.htm |text=Deutschland-Rrundspruch des DARC Nr. 41/76 vom 05.12.1976 |wayback=20020725053129 |archiv-bot=}}</ref> gebilligte erste ''Weltfunkvertrag'' (Vorläufer der heutigen Internationalen Fernmeldeverträge), der die Verkehrspflicht zwischen Küsten- und Bordstationen einführte, verschaffte dem Funkverkehr international freie Bahn. Führend in der Welt wurden schnell drei Funkgesellschaften, das waren in den USA die [[Radio Corporation of America]], in England Marconi und in Deutschland Telefunken. Da die Eigenheiten des funktechnischen Betriebsdienstes ein besonderes Unternehmen erforderten, entstand 1908 die Firma ''Internationaler Telefunken Betrieb'', aus der 1911 die ''[[Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegrafie|Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie]]'' (Debeg) hervorging.<ref>http://www.seefunknetz.de/entwickl.htm</ref><br />
<br />
Auf Vorschlag Deutschlands wurde auf der Ersten Weltfunkkonferenz in Berlin 1906 als erstmals international einheitliches Seenotzeichen 3 Punkte, 3 Striche, 3 Punkte (ohne Pausen zwischen den Buchstaben) eingeführt. Dieses als „[[SOS (Notsignal)|SOS]]“ bekannte Signal wurde auch von der Luftfahrt übernommen.<ref>http://www.deutsches-telefon-museum.eu/1900.htm</ref><br />
<br />
Nachdem Marconi auch 1909 noch fortgesetzt die Nachrichtenübermittlung für jedermann verweigerte, erwarb die staatliche Telegrafenverwaltung Marconis Küstenstationen und gab sie für den öffentlichen Verkehr frei.<br />
<br />
=== Zweiter Funkvertrag ===<br />
Nach dem Untergang der [[RMS Titanic]] im April 1912 war klar geworden, wie wichtig die neuentdeckte Funktechnik auch für den Seeverkehr war. Als die Titanic auf den Eisberg lief, war ein ostwärts fahrendes Schiff, die [[Californian (Schiff)|Californian]], nur 6 bis 8 km von der Unfallstelle entfernt. Deren Funker hatte Verbindung mit dem Funker [[Jack Phillips]] der Titanic gesucht, aber auf Grund von Missverständnissen nicht bekommen. Andere Schiffe, die noch in der Nähe waren, waren noch nicht mit Funkgerät ausgerüstet und konnten daher die Notrufe überhaupt nicht hören.<ref>http://www.fernsehmuseum.info/vom-rundfunk-zum-fernsehen.html</ref><br />
<br />
Im gleichen Jahr wurde in [[London]] der zweite Internationale Funkentelegrafenvertrag abgeschlossen. Von Januar bis Oktober ratifizierten die vorherigen Staaten den Vertrag, der am 1. Juli 1913 in Kraft trat.<br />
<br />
Der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch die Umsetzung der Verträge.<br />
<br />
=== Dritter Weltfunkvertrag ===<br />
[[Datei:Deutsches Reichsgesetzblatt 29T2 024 0265.jpg|mini|Gesetz über den Weltfunkvertrag (Deutschland, 1929)]]<br />
Oktober/November 1927 fand in [[Washington, D.C.]] die Internationale Weltfunkkonferenz statt. An der Konferenz nehmen 400 Vertreter aus 76 Staaten teil. Am 25. November 1927 wurde der Dritte Weltfunkvertrag (''Weltnachrichtenvertrag'') zwischen 76 Regierungen und 65 Gesellschaften abgeschlossen.<ref>[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w4_bsb00000119_00453.html Reichstagsprotokolle, S. 453ff]</ref> Die Bestimmungen traten am 1. Januar 1929 in Kraft.<br />
<br />
Der Vertrag verpflichtet in Artikel 10 die Vertragsländer, dafür zu sorgen, dass öffentliche und private Sendestationen nach dem erfahrungsmäßig besten Verfahren eingerichtet und betrieben werden; und zwar so, dass sie den radioelektronischen Verkehr oder Dienst der übrigen Vertragsstaaten nicht stören.<br />
<br />
Er beinhaltet Vereinbarungen über die Frequenzvergabe. Dem Rundfunk stehen ein Langwellenbereich von 160 bis 228 kHz und ein Mittelwellenbereich von 675 bis 1500 kHz zur Verfügung. Im Kurzwellenbereich, der zu Beginn der 1920er Jahre von Amateuren erschlossen worden war, erhält der Rundfunk sechs Bänder bei 49, 31, 25, 19, 17, und 14 m Wellenlänge. Überdies wird der Internationale Beratende Ausschuss für den Funkdienst [[Comité Consultatif International des Radiocommunications]] (CCIR) gegründet. Die Washingtoner Beschlüsse machen für Europa eine Revision des Genfer Frequenzplans von 1925 erforderlich.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.rfcb.ch/hinnen/international003.html |text=Teil 3: Internationale Rundfunk- und Fernseh-Chronik 1926-1930 |wayback=20110322040417 |archiv-bot=}}</ref> Den wenigen Tausend Funkamateuren des Jahres 1927 wurden dabei alle Frequenzbänder im Bereich unter 200 m Wellenlänge zugewiesen.<br />
<br />
Alle Schiffe mit mehr als 300 Fahrgästen müssen drei Funker an Bord haben, Schiffe mit 150 bis 300 Fahrgästen zwei Funker und Schiffe ab 25 Fahrgäste und alle Frachtschiffe einen Funker. Das Betriebspersonal setzte sich in dieser Zeit aus ehemaligen Angehörigen der Debeg, der Deutsch Atlantischen Telegrafen-Gesellschaft, die vom Telegrafenamt Emden kamen, und aus 10 Postsupernumeraren zusammen.<br />
<br />
=== Jubiläum ===<br />
Am 30. Oktober 2006 beging die ITU in Genf feierlich den 100. Jahrestag der VO Funk. Folgende Meilensteine markieren den Weg von 1906 bis heute:<br />
* Internationale Radiotelegraphen-Konvention von Berlin 1906 – erste Ausgabe der VO Funk, Regelung des Funkverkehrs zwischen Schiffen auf See und dem Festland<br />
* Europäische Rundfunkkonferenz Genf 1926 – erster Versuch einer umfassenderen europäischen Frequenzregelung<br />
* Internationale Rundfunkkonferenz Washington 1927 – Sendefrequenzen der Kurzwellen-Rundfunkstationen wurden festgelegt<br />
* Europäische Rundfunkkonferenz Prag 1929<br />
* Internationale Rundfunkkonferenz Madrid 1932<br />
* Europäische Rundfunkkonferenz Luzern 1933<br />
* Internationale Rundfunkkonferenz Kairo 1938<br />
* Europäische Rundfunkkonferenz Montreux 1939<br />
* Internationale Rundfunkkonferenz Atlantic City 1947<br />
* [[Kopenhagener Wellenplan]] Kopenhagen 1948 – Plan zur Verteilung der Sendefrequenzen für Rundfunksender im Lang- und Mittelwellenbereich<br />
* Internationale Rundfunkkonferenz Genf 1975 – [[Genfer Wellenplan (1975)|Genfer Wellenplan]] zum Betrieb der Rundfunksender im Lang- und Mittelwellenbereich, trat am 23. November 1978 in Kraft und ist heute mit kleinen Modifikationen noch immer gültig<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Hermann Thurn: ''Die Funkentelegraphie im Recht''; 1913<br />
* H. Thurn: ''Die internationale Reglung der Funktelegraphie und -telephonie''; 1929<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [https://www.itu.int/pub/R-REG-RR-2020 Aktuelle Fassung der VO Funk] (2020)<!-- “Persistent link: http://handle.itu.int/11.1002/pub/814b0c44-en” --><br />
* [http://www.itu.int/en/history/Pages/RegulationsCollection.aspx Historische ITU-Dokumente] (originalsprachige Ausgaben von 1906, 1912, 1927, 1932, 1938, 1947, 1959, 1968, 1976, 1982, 1990, 1998, 2001, 2004, 2008, 2012, 2016)<br />
** Deutsche Übersetzungen: [[s:Internationaler Funkentelegraphenvertrag / Ausführungsübereinkunft|1906]], [[:Datei:Deutsches Reichsgesetzblatt 1913 038 432.jpeg|1912]], [https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=drb&datum=1929&page=295&size=45 1927], [https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=drb&datum=1934&page=1292&size=45 1932], [https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=drb&datum=1939&page=451&size=45 1938]<br />
* Gesetz zu der Konstitution und der Konvention der Internationalen Fernmeldeunion ({{BGBl|1996 II S. 1306}})<br />
* {{§§|freqv|juris|text=Frequenzverordnung}} (2013)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Rechtshinweis}}<br />
<br />
[[Kategorie:VO Funk| !]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=H%C3%BCllkurvenspitzenleistung&diff=224166777Hüllkurvenspitzenleistung2022-07-02T08:34:04Z<p>Designer2k2: /* Literatur */ VO-Funk auf die Aktuelle Ausgabe von 2020 geändert</p>
<hr />
<div>[[Datei:Peak Envelope Power.svg|miniatur|right|Darstellung der Hüllkurvenspitzenleistung am Beispiel eines AM-modulierten Signals. Die PEP ist die in rot dargestellte Leistungsfläche.]]<br />
Die '''Hüllkurvenspitzenleistung''' ({{enS|peak envelope power}}, '''''PEP''''') ist ein Begriff aus der [[Funktechnik]] und drückt eine Leistungsgröße aus.<br />
<br />
PEP bezeichnet die [[Hochfrequenz|hochfrequente]] effektive [[Wirkleistung]] am Ausgang einer [[Endstufe|Sendeendstufe]] während einer Periode der Hochfrequenzschwingung bei der höchsten Spitze der Modulationshüllkurve. Bei einem [[Amplitudenmodulation|amplitudenmodulierten]] Signal ist dies bei dem kurzen Augenblick bei der Periode der Hochfrequenz mit der größten Amplitudenauslenkung und im nebenstehenden Diagramm als rote Fläche unter dem Signalverlauf dargestellt.<br />
<br />
Die Hüllkurvenspitzenleistung dient als [[Messgröße]] für die maximale effektive Leistung, die in die [[Antennenspeiseleitung|Antennenleitung]] gespeist wird. Daneben werden in der Funktechnik auch weitere, nicht zu verwechselnde Leistungsdefinitionen verwendet, wie beispielsweise die [[effektive Strahlungsleistung]] (ERP, EIRP) welch die effektiv abgestrahlte Leistung bei einer Antenne beschreiben.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* ''Technik der Nachrichtenübertragung.'' Band 1: ''Grundlagen der Hochfrequenztechnik.'' Institut zur Entwicklung Moderner Unterrichtsmedien e. V., Bremen, 1980.<br />
* ''[[VO Funk]]'', Ausgabe 2020, Artikel 1.157, Definition: ''peak envelop power (of a radio transmitter) / Hüllkurvenspitzenleistung (eines Funksenders)''.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [https://www.empowerrf.com/rf-amplifiers/index.php?topic=peak_power www.rf-amplifiers.com, erklärende Grafik (engl.)]<br />
* [https://www.itu.int Internationale Fernmeldeunion]<br />
<br />
{{DEFAULTSORT:Hullkurvenspitzenleistung}}<br />
[[Kategorie:Elektrische Messtechnik]]<br />
[[Kategorie:Elektrische Leistung]]<br />
[[Kategorie:Funktechnik]]<br />
[[Kategorie:VO Funk|Leistung]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=L%C3%B6ten&diff=224092730Löten2022-06-29T17:30:23Z<p>Designer2k2: /* Zinn-Bismut-Lot und weitere Alternativen */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt Löten, ein thermisches Werkverfahren. Für die norwegische Kommune [[Løten]] siehe dort.}}<br />
[[Datei:Lötstelle an einem Schalter.jpg|mini|Lötstelle zwischen einem Kabel und Lötfahne eines Schalters]]<br />
<br />
'''Löten''' ist ein thermisches Verfahren zum [[Verbindungstechnik#Stoffschluss|stoffschlüssigen]] Fügen von Werkstoffen, wobei eine flüssige Phase durch Schmelzen eines Lotes (Schmelzlöten) oder durch [[Diffusion]] an den Grenzflächen (Diffusionslöten) entsteht. Dabei wird eine [[Legierung|Oberflächenlegierung]] erzeugt, das Werkstück in der Tiefe aber nicht aufgeschmolzen: Die [[Liquidustemperatur]] der Grundwerkstoffe wird nicht erreicht. Nach dem Erstarren des Lotes ist wie beim Schweißen eine stoffschlüssige Verbindung hergestellt.<br />
<br />
Der Unterschied zum [[Schweißen]] liegt darin, dass beim Schweißen die Liquidustemperatur der zu verbindenden Komponenten erheblich überschritten wird und dass beim Löten die chemische Bindung zwar gleich sein kann, aber die Liquidustemperatur kaum oder nicht überschritten wird. Die Art der chemischen Zusammensetzung der Verbindung unterscheidet sich je nach verwendeten Hilfsmitteln (Schweißdraht beim Schweißen, Lotpaste oder Lotdraht beim Löten).<br />
<br />
== Geschichte des Lötens ==<br />
Löten ist eine sehr alte Technik, die nachweislich schon um 5000 v.&nbsp;Chr. und vermutlich auch schon davor bekannt war. Die damals bekannten Metalle [[Gold]], [[Silber]] und [[Kupfer]] wurden zu Kult- oder Schmuckgegenständen verarbeitet, wobei das Löten als Verbindungstechnik zum Einsatz kam. Beim sogenannten Reaktionslöten (oder auch Diffusionslöten) werden Kupfersalze in der CO-Atmosphäre des Holzkohlefeuers reduziert, und die Kupferanteile ergeben bei der chemischen Reaktion mit Gold oder Silber eine lötfähige [[Legierung]]. Das entstehende [[Eutektikum]] hat einen niedrigeren Schmelzpunkt als die reinen Metalle Gold, Silber und Kupfer. Gegenüber den Schmelztemperaturen von Gold (1063&nbsp;°C), Silber (961&nbsp;°C) und Kupfer (ca. 1100&nbsp;°C) hat eine Legierung 66,5 % Gold/(Rest-)Kupfer einen Schmelzpunkt von 889&nbsp;°C. Als Basis für das Kupfersalz kam z.&nbsp;B. Kupferkarbonat in Form von pulverisiertem [[Malachit]], sowie Beimischungen von [[Alaun]] und [[Natriumcarbonat|Soda]]/Natron-Bindemittelgemischen als „Kleber“ zum Einsatz. Abbildungen in altägyptischen Gräbern zeigen Goldarbeiter mit Blasrohr vor einem [[Holzkohle]]feuer. Erst später kam die heute bekanntere Technik zum Einsatz, eine bereits vorhandene Legierung als Lotzugabe einzusetzen.<br />
Beispiele für diese Lötkunst sind u.&nbsp;a. die ägyptische Goldmaske des [[Tutanchamun]]s, der [[Hundeanhänger (Susa)|Hundeanhänger aus Susa]], ein goldener Dolch der [[Sumerer]], gefunden in [[Ur (Stadt)|Ur]] in Chaldäa am Ufer des Euphrat (2600 v.&nbsp;Chr.), oder eine goldene Halskette der [[Etrusker]] (6 Jh. v.&nbsp;Chr.).<br />
<br />
== Verbindungen ==<br />
=== Verbindungsmaterialien ===<br />
Als Verbindungsmaterial dient meist eine leicht schmelzbare Metalllegierung, das [[Lot (Metall)|Lot]]. Mit dessen Hilfe wird eine metallische Verbindung von zwei metallischen Bauteilen erzeugt.<br />
<br />
[[Technische Keramik|Keramik]]- und Glasbauteile können mit [[Glaslot]] oder&nbsp;–&nbsp;wenn sie vorher metallisiert wurden&nbsp;–&nbsp;mit Metalllot und Metallteilen verbunden werden.<br />
Als Alternative zur vorherigen Metallisierung eignet sich auch das Aktivlöten, bei dem dem Lot ein Aktivelement zulegiert wird oder der Fügepartner selbst eine Aktivelement-Legierung ist. Aktivmetalle können beispielsweise Titan oder Indium sein. Diese sind bei erhöhten Temperaturen sauerstoffaffin und reagieren während der Lötung mit dem Sauerstoff der Oxidkeramik.<br />
<br />
=== Verbindungstechniken ===<br />
Das Löten steht neben anderen [[Verbindungstechnik]]en, z.&nbsp;B. dem Schweißen, dem [[Kleben]] oder formschlüssigen Verbindungen wie [[Niet]]en, [[Bördeln]], [[Aufschrumpfen]] oder Ein[[pressverbindung]]en. Löten wird insbesondere für [[Verbindungstechnik (Elektrotechnik)|elektrische Verbindungen]] eingesetzt.<br />
<br />
Ein Kennzeichen einer Lötverbindung ist die [[Intermetallische Verbindung]]. In dieser dünnen Schicht bilden der Grundwerkstoff und das Lot eine Legierung und gehen eine feste Verbindung ein.<br />
<br />
Nachteilig wirkt sich das Vorhandensein unterschiedlicher Metalle und Legierungen an Lötverbindungen aus. Bei Anwesenheit eines Elektrolyten (z.&nbsp;B. Feuchtigkeit) entstehen galvanische Elemente wie ein [[Lokalelement]], die zu verstärkter [[Korrosion]] führen können.<br />
<br />
== Einteilung der Lötverfahren ==<br />
[[Datei:Einteilung der Lötverfahren nach Energieträger.svg|mini|hochkant=2.75|zentriert|Einteilung der Lötverfahren nach Energieträger]]<br />
Entscheidend für die Einteilung ist die Liquidustemperatur des Lotes:<br />
* bis 450&nbsp;°C: Weichlöten<br />
* ab 450&nbsp;°C: [[Hartlöten]]<br />
* über 900&nbsp;°C: [[Hochtemperaturlöten]] (im Vakuum oder unter [[Schutzgas]]; siehe DIN 8505 Teil 2)<br />
<br />
Die Anwendung entscheidet über das verwendete Verfahren.<br />
<br />
Hartlötverbindungen weisen im Allgemeinen eine geringere Festigkeit auf als [[Schweißen|Schweißverbindungen]], aber fast immer eine höhere als Weichlötverbindungen.<br />
<br />
== Lote ==<br />
[[Datei:Weichlot.jpg|mini|hochkant|Weichlot]]<br />
Als Material zum Erzeugen einer Lötverbindung werden [[Lot (Metall)|Lote]] verwendet. Metalllote sind meist Legierungen, die als Lötdraht oder [[Lotpaste]] vorliegen. Sie enthalten oft bereits ein [[#Flussmittel|Flussmittel]], bei Weichloten üblicherweise in Hohlkammern eingearbeitet, bei Hartloten als äußere, zu Unterscheidungszwecken meist eingefärbte Umhüllung.<br />
<br />
Nach der Lötung verbleibt oft ein Rückstand des Flussmittels auf der Lötstelle.<br />
<br />
Vakuumverbindungen (Hochvakuumanlagen oder [[Elektronenröhre]]n) oder solche mit hohen Reinheitsansprüchen (z.&nbsp;B. Montage von [[Halbleiterlaser]]n) müssen ohne Flussmittel erfolgen, erfordern daher reine Oberflächen der Fügepartner und müssen unter Schutzgas oder Vakuum ausgeführt werden.<br />
<br />
Metallisierte [[Keramik]]teile sowie thermisch hoch beanspruchte Edelstähle werden häufig mit [[Silberlot]] gelötet.<br />
<br />
[[Glaslot]] zum Löten von Keramik und Glas wird pastös verarbeitet, es besteht aus Pulver eines besonders niedrig schmelzenden Glases und organischen Zusatzstoffen, welche die pastöse Konsistenz einstellen. Die organischen Stoffe verdampfen bzw. pyrolysieren und verbrennen beim Löten vollständig.<br />
<br />
Für Wärmetauscher in der Automobilindustrie werden meistens Aluminium-Silizium-Hartlote verwendet. Bei Massenfertigung sind vielfach angepasste, zweckdienliche Formen von Al-Si-Lote gebräuchlich, beispielsweise als [[Plattieren|Plattierung]] oder Lot-Ringe.<br />
<br />
== Flussmittel ==<br />
{{Hauptartikel|Flussmittel (Löten)}}<br />
Damit der oben beschriebene Diffusionsprozess stattfinden kann, müssen alle Metalloberflächen blank und somit frei von Oxiden und Verschmutzungen sein.<br />
<br />
Fast ausnahmslos wird unter Lufteinwirkung gelötet ([[Wellenlöten]] generell in Stickstoffatmosphäre). Schon während der Erwärmung der Lötstelle begünstigt der Sauerstoff in der Luft eine Oxidation der Oberflächen, die eine zuverlässige und damit erfolgreiche Lötung gefährdet.<br />
<br />
Daher wird in solchen Fällen vor dem Lötvorgang ein Flussmittel aufgetragen. Das Flussmittel reduziert (entoxidiert) die Oberfläche beim Löten und soll die erneute [[Oxide|Oxidbildung]] vor und während des Lötvorgangs verhindern, die sonst die Fließ- und Benetzungseigenschaften stark reduzieren würde, und weiterhin um Einschlüsse von Fremdstoffen zu verringern. Ein weiterer Effekt ist das Verringern der [[Oberflächenspannung]] des flüssigen Lotes.<br />
<br />
Die Art der Flussmittel ist vom Anwendungsgebiet abhängig. Viele Flussmittel müssen nach der Lötung beseitigt werden, da sie sonst [[Korrosion|korrosiv]] wirken.<br />
<br />
In Spezialfällen oder aus Kostengründen in der Großserienfertigung wird ohne Flussmittel unter [[Schutzgas]] oder Vakuum gelötet. Das Schutzgas verhindert die Oxidation und kann auch reduzierend auf vorhandene Oxidschichten wirken.<br />
<br />
== Wärmeeinbringung ==<br />
Wärme wird mittels eines [[Lötkolben]]s, der [[Flamme]] eines [[Lötbrenner]]s, [[Heißluftgebläse|Heißluft]], heißem [[Reflow-Löten#Dampfphase (Kondensationslöten)|Dampf]], [[Wärmestrahlung]], [[Laser]] oder [[Elektromagnetische Induktion|Induktion]] eingebracht, in manchen Fällen auch durch Ultraschall, Elektronenstrahl oder einen [[Lichtbogen]] (Lichtbogenhartlöten).<br />
<br />
== Löten in der Elektrotechnik/Elektronik ==<br />
[[Datei:Desoldering.jpg|mini|Manuelles Entlöten mittels eines elektrischen [[Lötkolben]]s]]<br />
[[Datei:Lotkegel.svg|mini|Lotkegel in idealer [[Meniskus (Hydrostatik)|Meniskus]]-Form (hellgrau) zwischen einem bedrahteten Bauteil und der Leiterplatte]]<br />
Am weitesten verbreitet ist das Löten in der Elektrotechnik und Elektronik. Die Lötungen werden dort fast ausschließlich mit [[Lot (Metall)|Weichlot]] ausgeführt.<br />
<br />
Als Flussmittel werden in der Elektronik normalerweise nur sogenannte ''säurefreie Flussmittel'' verwendet, beispielsweise [[Kolophonium]]. Dabei bezieht sich der Begriff ''säurefrei'' auf die abgekühlte Lötstelle.<br />
Während der Lötung spielen die Zersetzungsprodukte der dann sauer wirkenden Bestandteile des Flussmittels eine entscheidende Rolle für die Qualität der Lötverbindung. Auch nicht-saure Flussmittel können somit korrosiv wirken.<br />
<br />
Bei großflächigen Lötungen werden die zu lötenden Gegenstände vorher typischerweise an der Fügefläche mit Weichlot verzinnt, um Wärmebelastungen der umgebenden Bauteile gering zu halten. Gleichzeitig begünstigt diese Vorarbeit die Benetzung.<br />
<br />
In der [[Elektrotechnik]] wird vor allem das [[Wellenlöten]] (Schwalllöten), das [[Reflow-Löten]] und das Löten mit Heißluft eingesetzt. Das Löten ist neben anderen [[Verbindungstechnik (Elektrotechnik)|Verbindungstechniken]] ([[Crimpen]], [[Wire Wrap]], [[Klemme (Elektrotechnik)|Klemme]], [[Schneidklemme|Schneidklemm]]technik, Steckverbindungen, [[Bonden]], [[Schweißen]]) das verbreitetste Verbindungsverfahren in der Elektronik. Die geringsten Abmessungen der Lötstellen und auch die geringsten Abstände zwischen zwei Lötstellen betragen etwa 0,2&nbsp;mm.<br />
<br />
=== Lötverfahren ===<br />
<!--Liste bitte in Text „umwandeln“--><br />
* [[Tauchlöten]]<br />
* [[Wellenlöten|Wellenlöten/Schwalllöten]]<br />
* [[Reflow-Löten]]<br />
* [[Lichtlöten]]<br />
* [[Induktives Löten]]<br />
* [[Widerstandslöten]]<br />
* [[Kaltlöten]]<br />
* [[Vakuumlöten]]<br />
* [[Heißluftlöten]]<br />
* [[Laserlöten]]<br />
* [[Löten mit offener Gasflamme]]<br />
* [[Diffusionslöten]]<br />
* [[Amorphe Lötfolie]]<br />
* [[Dampfphasenlöten]]<br />
* [[Mikrolöten]]<br />
* [[Ultraschalllöten]]<br />
<br />
=== Qualität von Lötungen ===<br />
[[Datei:Surface Mounted Device, soldered.jpg|mini|Montage durch Schwalllöten, zu erkennen sind Reste von Lötzinn auf dem Lötstopplack. Die Qualität der eigentlichen Lötstellen ist unterschiedlich.]]<br />
<br />
Die Benetzung ist ein wichtiges Kriterium für die erfolgreiche Lötung. Es sollte nur so viel Lot an der Lötstelle verwendet werden, dass die Kontur der Bauteileanschlüsse im Lot sichtbar bleibt. Der Winkel zwischen einem Tropfen des flüssigen Lotes und dem Grundwerkstoff wird [[Benetzungswinkel]] genannt. Ein Benetzungswinkel von 0 bis 30° wird als „vollständig bis ausreichend benetzt“, von 30 bis 90° als „teilweise benetzt“ und über 90° als „nicht benetzt“ eingestuft. Grundsätzlich sollte der Benetzungswinkel also kleiner als 30° sein.<br />
<br />
Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist die Sauberkeit der Lötstellen, so sollten zum Beispiel keine Lotreste außerhalb der Lötstellen zu finden sein. Die Lötstellen sollten sauber und gleichmäßig sein, das gilt auch für die Durchkontaktierungen.<br />
{{Absatz}}<br />
=== Kalte Lötstelle ===<br />
[[Datei:Cold solder joint2.jpg|mini|eine kalte Lötstelle]]<br />
[[Datei:Gebrochene loetstellen.jpg|mini|gebrochene Lötstellen an einem [[Zeilentrafo]]]]<br />
Ein besonders beim Löten im Elektronikbereich gefürchtetes Phänomen sind die sogenannten kalten Lötstellen. Bei einer kalten Lötstelle besteht keine stoffschlüssige Verbindung zwischen Lot und Fügepartner.<br />
<br />
Kalte Lötstellen sind oft schwer zu erkennen. Im Gegensatz zu korrekten Lötstellen sehen sie eventuell matt aus (bleihaltige Lote erstarren hochglänzend, bleifreie Lote sind generell matt) oder weisen eine leicht klumpige Oberfläche auf. Weiterhin ist der fehlende [[Meniskus (Hydrostatik)|Meniskus]] einer guten Benetzung ein Indiz für eine mangelhafte Lötstelle. Die mechanischen und elektrischen Eigenschaften einer kalten Lötstelle sind mangelhaft.<br />
Kalte Lötstellen sind typische Ursachen für Zuverlässigkeitsprobleme in elektronischen Baugruppen.<br />
<br />
Kalte Lötstellen können viele verschiedene Ursachen haben:<br />
* Bei Handlötung wurde ein Lot mit weiter Temperaturspanne zwischen der [[Liquidustemperatur|Liquidus]]- und [[Solidustemperatur]] verwendet. Innerhalb dieser Temperaturspanne ist das Lot breiig, schon leichte Erschütterungen begünstigen das Entstehen einer kalten Lötstelle.<br />
:Für Handlötungen empfiehlt sich daher ein Lot, bei dem beide Temperaturen zusammenfallen, wie z.&nbsp;B. L-Sn63PbAg mit 178&nbsp;°C Solidus- und Liquidustemperatur.<br />
* Die Löttemperatur war zu gering&nbsp;– die Lötstelle war zu kalt&nbsp;– wohl der Namensgeber. Es erfolgte keine oder keine vollständige Benetzung.<br />
* Die Löttemperatur war zu hoch. Das Flussmittel hat sich zu schnell zersetzt, bzw. verdampft bevor eine chemisch [[Reduktion_(Chemie)|reduzierende]] (deoxidierende) Wirkung einsetzt. Die hohe Temperatur führt zu einer schnellen Oxidation der zu verbindenden Bereiche.<br />
* Beim Abkühlen einer Lötverbindung wurde nicht sichergestellt, dass der gesamte Lötbereich zwischen der Liquidus- und Solidustemperatur erschütterungsfrei bleibt.<br />
* Die zu benetzenden Oberflächen sind wegen Oxidation oder Überlagerung (Durchwachsen der intermetallischen Phase) nicht mehr benetzbar, so dass das Lot eher formschlüssig eine Art „Verklammerung“ darstellt.<br />
<br />
Kalte Lötstellen verursachen oft nicht sofort eine elektrische Unterbrechung. Eine kalte Lötstelle hält jedoch nur geringen mechanischen Belastungen stand. Aufgrund dessen können sowohl kleine [[Vibration]]en oder Erschütterung der Lötstelle als auch Dehnungsbewegungen bei sich erwärmenden Bauteilen zu Funktionsstörungen beitragen. Vibrationen treten zum Beispiel an Leiterbahnen auf: Am Anfang ist die [[Leiterbahn]] bzw. der Anschlussdraht noch „fest“ in der kalten Lötstelle eingeschlossen, doch schon bald können die Vibrationen des Leiterdrahtes ein Spiel innerhalb der Lötstelle „hineinschlagen“, der Draht kann sich dann innerhalb der Lötstelle bewegen. Nun kann innerhalb der Kontaktstelle eine Relativbewegung eintreten, kleine Kontaktunterbrechungen treten als [[Wackelkontakt]] auf, es können bei höheren elektrischen Strömen auch Lichtbögen (Spannungsüberschläge) entstehen.<br />
<br />
In elektronischen Geräten und Baugruppen führen Kontaktunterbrechungen und -unsicherheiten zu Funktionsstörungen. Die möglicherweise entstehenden Lichtbögen können Verbrennungen innerhalb der Lötstelle erzeugen. Diese Stellen sind dann von einer Ruß- oder Oxidschicht überzogen. Dadurch verschlechtert sich der elektrische Kontakt noch weiter.<br />
<br />
Das Auffinden kalter Lötstellen ist oft schwierig, da sie bei mechanischer Bewegung eventuell zunächst wieder für einige Zeit einen Kontakt herstellen. Die Lokalisation kann durch gezielte Erschütterungen oder [[Kältespray]] erleichtert werden. Eventuell müssen mehrere unzuverlässig erscheinende Lötstellen „auf Verdacht“ nachgelötet werden.<br />
{{Absatz}}<br />
<br />
=== Lösen von elektrischen Lötverbindungen ===<br />
[[Datei:20041214 2037 1789a-Leistungswiderstand mit Sicherungsloetung.jpg|mini|Leistungswiderstand mit Sicherungslötung (unten rechts)]]<br />
Durch erneutes Erhitzen und damit Verflüssigen des Lotes lassen sich elektrische Lötverbindungen voneinander lösen. Die Lötverbindung gehört trotzdem prinzipiell zu den nichtlösbaren Verbindungen, weil sich die Materialeigenschaften ändern und die Lötstelle selbst beim Entlöten zerstört wird. Meist können aber das Bauelement und das [[Lötauge]] der gedruckten Schaltung erneut benutzt werden.<br />
<br />
Das Lösen von Lötstellen ist manchmal zur Reparatur und Bauelementaustausch notwendig. Für das Entlöten bzw. Auseinanderlöten gibt es zum Teil spezielle Werkzeuge und Hilfsmittel wie die [[Entlötpumpe|Lotsaugpumpe]] oder die [[Entlötlitze]].<br />
<br />
Bei starker Erwärmung während des Betriebes einer Baugruppe kann es bei falscher Dimensionierung oder Überlastung auch zu einer unbeabsichtigten Lösung der Lötstelle kommen.<br />
Einige Hochlastwiderstände sind mit einer federbelasteten Lötstelle versehen. Erhitzt sich der Widerstand wegen eines Defektes in der angeschlossenen Schaltung ([[Elektrischer Kurzschluss|Kurzschluss]]) stark, öffnet sich die Lötstelle und unterbricht den weiteren Stromfluss.<br />
<br />
=== Bleifreie Elektroniklote ===<br />
[[Datei:Huawei E367, O2 Surfstick Plus - Electrical connector-8493.jpg|miniatur|Kleine Platine mit der Aufschrift ''<span dir="ltr" lang="en">PB-FREE</span>'' auf der linken Seite]]<br />
Wegen des Risikos für Gesundheit und Umwelt durch das Blei in Elektronikloten musste dieses in der [[Europäische Union|EU]] bis 1. Juli 2006 im Elektronikbereich ersetzt werden ([[RoHS-Richtlinien|RoHS]] DIR 2002/95/EG; Elektronikschrott-Richtlinie [[WEEE]] DIR 2002/96/EG). Die Verwendung von Blei und anderen Schwermetallen, wie Cadmium und Quecksilber, ist in Elektro- und Elektronikgeräten untersagt, die ab 1. Juli 2006 neu in Verkehr gebracht werden.<br />
<br />
Als Ersatz werden zum Beispiel Legierungen der Gruppe [[Zinn|Sn]]/[[Silber|Ag]], Sn/[[Kupfer|Cu]] oder Sn/Ag/Cu eingesetzt. Diese haben jedoch meist einen weniger universellen Einsatzbereich und bringen z.&nbsp;T. technische Probleme wie Verspröden und [[Whisker (Kristallographie)|Whiskerbildung]] mit sich. Der gravierendste Nachteil dieser neuen Lote ist der um ca. 10&nbsp;K bis 30&nbsp;K höhere Schmelzpunkt. Gerade in der Bestückung bzw. Verlötung von Baugruppen mit vielen verschiedenen Bauelementen kann dieser erhöhte thermische Stress einige Bauelemente sehr nah an ihre Belastungsgrenze führen. Vermehrte Ausfälle als Folge dieses Fertigungsschritts sind möglich.<br />
<br />
Andere Lote haben einen sehr niedrigen Schmelzpunkt, was die Gefahr versehentlichen Schmelzens oder geringerer Lebensdauer birgt. Ein zu niedriger Schmelzpunkt kann auch auftreten, wenn sich bei Reparaturen mit herkömmlichem Lötzinn die Zusammensetzung ändert. Für unterschiedliche Zwecke müssen unterschiedliche Lote eingesetzt werden. Zum Teil werden diese technologisch schon gut beherrscht.<br />
<br />
Bleihaltige Lote dürfen von Privatpersonen benutzt werden. Gewerblich dürfen sie angewendet werden, wenn besondere Zuverlässigkeit erforderlich ist. Weiterhin dürfen und sollen Geräte, die mit bleihaltigem Lot hergestellt wurden, mit ebensolchem repariert werden. Auch dürfen bleihaltige Lote zu Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Wie bei den meisten Tätigkeiten mit dem Gefahrstoff Blei hat der Arbeitgeber jedoch regelmäßig besondere Schutzmaßnahmen zu treffen<ref>in Deutschland etwa nach den [[TRGS]] [https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/pdf/TRGS-505.pdf?__blob=publicationFile&v=3 505]; dort Tätigkeit Nr. 5 der Listen Ziff. 3.3 und Anlage 2</ref>.<br />
<br />
==== Zinn-Silber- und Zinn-Kupfer-Legierungen ====<br />
Zur Umstellung auf bleifreie Lötverbindungen wird eine Ablösung der üblichen Sn60Pb40-[[Lot (Metall)|Lote]] und die Einführung von höherschmelzenden SnCu- oder SnAgCu-Loten getestet. Hierbei zeigen sich neben höheren Kosten, bis zu einer Verdopplung für die bleifreien Lote, auch Probleme mit der qualitativen Beurteilung der „matteren“ Lötstellen beim Einsatz silberhaltiger Legierungen. Neben einem neuen Tiegel und dem gesamten Tiegelinventar wird auch eine längere Vorheizstrecke benötigt. Ferner kann Silber sowohl Edelstahl als auch Titan auflösen. Für den Löttiegel und die Lötdüsen wird deshalb beschichteter Stahl verwendet. Diese Beschichtung ist aber empfindlich gegenüber mechanischer Beanspruchung (Bohren, Kratzen, Schlagen).<br />
<br />
Das gesamte thermische [[Prozessfenster]] ist kleiner geworden: So beträgt die Temperaturdifferenz zwischen Schmelzpunkt von Sn<sub>95.5</sub>Ag<sub>3.8</sub>Cu<sub>0.7</sub> (217&nbsp;°C) und der Arbeitstemperatur von 260&nbsp;°C nur noch 43&nbsp;K. Zum Vergleich beträgt sie beim Sn<sub>63</sub>Pb<sub>37</sub> (Schmelzpunkt 186&nbsp;°C und einer Arbeitstemperatur 250&nbsp;°C) 64&nbsp;K. Dies kann beispielsweise bewirken, dass bei [[Leiterplatte#Mehrlagige Leiterplatten|Multilayerplatinen]], Platinen mit Kühlkörpern, Trafos oder anderen wärmeentziehenden Bauteilen das Lot beim Hochsteigen in der Durchkontaktierung bereits erstarrt, bevor es die Oberseite erreicht und der Kontakt hergestellt wird. Als Ausweg ist eine Erhöhung des Energieeintrags während der Vorheizungsphase möglich. Das Arbeiten mit höheren Löttemperaturen (bis ca. 280&nbsp;°C) würde zwar das Prozessfenster vergrößern, kann aber bei kleinen Bauteilen mit geringer Wärmekapazität zu Schmelzeffekten führen.<br />
<br />
Der Einsatz von [[Stickstoff]] zur Vermeidung von Oxidationsprodukten ist sinnvoll. Ein weiteres bis jetzt ungelöstes Problem ist die Bildung von [[Whisker (Kristallographie)|Whiskern]], die zu Kurzschlüssen auf Platinen führen können. Besonders gefährdet sind Baugruppen mit hohen Arbeitstemperaturen (Computer, Leistungsverstärker). In sicherheitsrelevanten Bereichen ist daher bleifreies Lötzinn unzulässig.<br />
<br />
==== Zinn-Bismut-Lot und weitere Alternativen ====<br />
Eine weitere Alternative sind Zinn-[[Bismut]]-Legierungen. Der Schmelzpunkt von Sn42Bi ist mit 139&nbsp;°C sogar tiefer als der von Sn60Pb mit 183&nbsp;°C, womit sich die thermische Belastung der Bauelemente verringern lässt. Nachteilig ist, dass Zinn-Bismut-Lot, z.&nbsp;B. beim Nachlöten von bleihaltigen Lötverbindungen mit Blei legiert, [[Roses Metall]] – ein unterhalb 100 °C schmelzendes Metall – ergibt.<ref>rupert-trager.de: [http://www.rupert-trager.de/proj/Bleifrei.pdf Bleifreie Lote] (PDF; 408&nbsp;kB).</ref> Aufgrund der Kosten können Zinn-Bismut-Legierungen nur für Nischen eingesetzt werden. Weiterhin sind in der Literatur [[indium]]haltige bleifreie Lote u.&nbsp;a. mit ihren Liquidus- und Solidustemperaturen aufgelistet.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.ipc.org/4.0_Knowledge/4.1_Standards/Free/j-std-006b-amendments1-2.pdf |text=Archivierte Kopie |wayback=20131109202727 |archiv-bot=}} IPC J-STD-006B Amendment s1&2, September 2009: ''Requirements for Electronic Grade Solder Alloys and Fluxed and Non-Fluxed Solid Solders for Electronic Soldering Applications'', Seite 6</ref><br />
<br />
== Löten von Rohren ==<br />
[[Datei:Fitting1537.JPG|mini|Richtungsänderung mit weichgelöteten Rohren und Fittings aus [[Kupfer]]]]<br />
Auch Kupfer- oder Edelstahlrohre werden häufig verlötet. Für die Verbindung und Richtungsänderungen von gas- beziehungsweise flüssigkeitsführenden Leitungen stehen eine Vielzahl von Formstücken, die sogenannten [[Fitting]]s, zur Verfügung.<br />
<br />
Je nach Einsatzzweck ist Hart- oder Weichlöten vorgeschrieben, wobei [[definition]]sgemäß unter 450&nbsp;[[°C]] eine Weichlötung und ab 450&nbsp;°C eine Hartlötung erfolgt, bei der auch unterschiedliche Lote und [[#Flussmittel|Flussmittel]] Verwendung finden.<br />
<br />
Trinkwasserleitungen aus Kupfer müssen bis DN 25 (CU 28&nbsp;mm&nbsp;×&nbsp;1,5&nbsp;mm) weichgelötet werden, ab DN&nbsp;32 (CU&nbsp;35&nbsp;mm&nbsp;×&nbsp;1,5&nbsp;mm) ist Hartlöten erlaubt (DN = Durchmesser nominal). Eine Weichlötung ist bis CU&nbsp;108 zulässig.<br />
<br />
Gas-, Ölversorgungs- sowie Heizungsleitungen mit Vorlauftemperaturen von über 110&nbsp;°C müssen stets hartgelötet werden.<br />
<br />
Leitungen für Kältemittel, etwa bei der Installation von Direktverdampfer-[[Wärmepumpen]], müssen hartgelötet und frei von Zunder ([[Kupfer(II)-oxid|Kupferoxid]]) sein.<br />
Die Zunderbildung im Inneren des Rohres kann mit [[Stickstoff]], [[Formiergas]] oder Brennspiritus ([[Ethanol]]) verhindert werden.<br />
<br />
Die Verbindungsstelle zweier Bauteile wird als ''Lötnaht'' bezeichnet, ihre zeichnerische Darstellung ist in DIN EN 22553 geregelt. Im Wesentlichen werden als Nahtformen ''Stumpfstoß'' (Stirnseite an Stirnseite) und ''Überlappung'' (Rohr in Rohr oder Fläche auf Fläche) unterschieden. Die Fügefläche sollte möglichst groß dimensioniert sein, um Kräfte gut übertragen zu können.<ref>{{Cite web|url=http://www.suissetec.ch/library/downloads/merkblaetter_tba/spengler/deutsch/1Weichloeten_-_Die_saubere_Loetnaht.pdf|title=Weichlöten: Die saubere Lötnaht|date=2006-10-00|accessdate=2013-03-20|last=|first=|format=PDF; 425&nbsp;kB|work=suissetec-INFO, Merkblatt Nr. 2b|archiveurl=https://web.archive.org/web/20130312120336/http://www.suissetec.ch/library/downloads/merkblaetter_tba/spengler/deutsch/1Weichloeten_-_Die_saubere_Loetnaht.pdf|archivedate=2013-03-12|offline=yes|archivebot=}}</ref><br />
<br />
{{Absatz}}<br />
<br />
== Lichtbogenlöten ==<br />
[[Datei:Plasmatronlötnaht.JPG|mini|Plasmatronlötnaht zwischen Seitenwand und Wasserkanal an der Heckklappe des Audi A3 Sportback.]]<br />
Das Lichtbogenlöten wird bei aluminierten, phosphatierten oder Edelstahlblechen, aber besonders an verzinktem Stahlblech eingesetzt. Bei der Schmelztemperatur des Lotes (um 1000&nbsp;°C) verdampft die Zinkschicht nur lokal und die Bauteile verziehen sich wenig im Vergleich zum Schweißen. Das Lot (z.&nbsp;B. eine Kupferbasislegierung) korrodiert nicht. Beim Lichtbogenlöten kommt es zu keiner wesentlichen Aufschmelzung des Grundwerkstoffes – man spricht jedoch auch vom Lötschweißen. Es sind üblicherweise keine Flussmittel erforderlich, als Schutzgas wird [[Argon]] verwendet.<ref>https://www.wuerth.de/web/media/downloads/pdf/meinwuerth_1/downloadcenter/broschueren/loet_schweisstechnik.pdf ''Grundwissen Schweißverfahren'' in Löt- und Schweißtechnik 2, Firmenschrift der Firma Adolf Würth GmbH & Co. KG, abgerufen am 11. AUG 2017.</ref><br />
<br />
Es werden drei Verfahren unterschieden: das Metall-Inertgas- (MIG-), das Wolfram-Inertgas- (WIG-) und Plasma-Löten. Beim MIG-Löten brennt wie beim [[MIG-Schweißen|MIG]]- oder [[MAG-Schweißen]] ein Lichtbogen zum Zusatzwerkstoff, dieser besteht jedoch aus dem Lot. Beim WIG-Löten brennt der Bogen wie beim [[Wolfram-Inertgas-Schweißen]] zu einer Wolframelektrode und es kann bei manueller Zuführung stabförmiges Lot bzw. bei automatisierte Zuführung drahtförmiges Lot in den Lichtbogen geführt werden. Beim Plasmalöten brennt der Lichtbogen in einer Schutzgasdüse zwischen Elektrode und Werkstück. Dadurch wird eine höhere Energiedichte beim Löten erzielt und es sind schmalere Nähte mit höherer Lötgeschwindigkeit möglich. Wird das Lot zusätzlich durch eine Widerstandserwärmung erhitzt, spricht man vom Plasmaheißdrahtverfahren. Es ist eine weitere Steigerung der Lötgeschwindigkeit möglich.<br />
<br />
<gallery><br />
Schematische Darstellung MSG-Löten.jpg|Schematische Darstellung MSG-Löten<br />
Schematische Darstellung WIG-Löten.jpg|Schematische Darstellung WIG-Löten<br />
Schematische Darstellung Plasma-Löten.jpg|Schematische Darstellung Plasmalöten<br />
</gallery><br />
<br />
{| class="wikitable float-right"<br />
|+ Übliche Zusätze zum Lichtbogenlöten (Auszug aus Tabelle 5 von DVS 0938-1)<br />
|class="hintergrundfarbe5"|Bezeichnung, Werkstoffnummer:<br />
|SG-CuSi3<br />
|SG-CuAl8<br />
|-<br />
|class="hintergrundfarbe5"|Schmelzbereich in °C:<br />
|910 bis 1025<br />
|1030 bis 1040<br />
|-<br />
|class="hintergrundfarbe5"|Streckgrenze R<sub>p 0,2</sub> in N/mm²:<br />
|>120<br />
|180<br />
|-<br />
|class="hintergrundfarbe5"|Zugfestigkeit R<sub>m</sub> in N/mm²:<br />
|340…460<br />
|380…450<br />
|}<br />
<br />
Es werden Blechdicken bis etwa 3&nbsp;mm gelötet. Die Beschichtungsdicken sollen 15&nbsp;μm nicht wesentlich übersteigen<!--wieso? bitte Quelle!-->.<br />
Die Lotdrähte haben 0,8 bis 1,2&nbsp;mm Durchmesser. Als [[Schutzgas]] wird reines [[Argon]] oder Argon mit Beimischungen verwendet. Es sind Kehl-, Bördel- und I-Nähte (vgl. [[Schweißen]]) üblich. Das Löten an verformten, unter Zugspannung stehenden Konturen ist wegen der Gefahr der Lötrissigkeit zu vermeiden<!---bitte Quelle ergänzen-->.<br />
<br />
Um den [[Arbeitsschutz]] zu gewährleisten, ist eine Absaugung des Lötrauches erforderlich. Es gibt Schutzgasbrenner mit integrierter Absaugung. Es gilt die Unfallverhütungsvorschrift BGR 220 und die BGR 500 Kapitel 2.26 (vormals BGV D1).<br />
<br />
{{Absatz}}<br />
<br />
== Löten im Fahrzeugbau ==<br />
Das MIG-Löten bietet gegenüber dem Schweißen beim Karosserie- und Fahrzeugbau den Vorteil, dass Gefügeveränderung des Grundwerkstoffes und großflächige Verletzungen der Zinkbeschichtung vermieden werden, weil die Bauteiltemperatur im Wesentlichen weit unterhalb von 1000&nbsp;°C bleibt. Korrosionsschutz und Bruchverhalten werden nicht negativ beeinträchtigt. Ein weiterer Grund sind Qualitätsprobleme beim Schweißen verzinkter Bleche aufgrund der Verdampfung des Zinks (fehlende Anbindung, Lunkerbildung).<br />
<br />
Einige Fahrzeughersteller schreiben das MIG-Löten für bestimmte Nähte zwingend vor.<br />
<br />
Auch das [[Widerstandslöten]] ist im Karosseriebau üblich. Hierbei wird mit hoher [[Stromstärke]] durch das Karosseriemetall die Lötstelle mit dem Lot (z.&nbsp;B. eine Kupfer-Silizium-Legierung) erwärmt und nur das Lot schmilzt.<br />
<br />
Beim [[Laserlöten]] wird das Lot in der Fuge mit einem Laserstrahl aufgeschmolzen. Auch Laserlöten ist im Karosseriebau gebräuchlich.<br />
<br />
== Gefahren beim Löten ==<br />
[[Datei:Lötrauchabsaugung.jpg|mini|Lötrauchabsaugung]]<br />
Die beim Weichlöten in der Elektro- und Elektronikindustrie entstehenden Lötrauche enthalten Schadstoffe. Bedingt durch das Vorhandensein von Flussmittel, das unter anderem [[Kolophonium]], [[Ammoniumchlorid]] und [[organische Säuren]] enthält, ist eine nicht zu unterschätzende Gesundheitsgefährdung gegeben. Atmungsorgane und Augen werden gereizt und geschädigt. Dämpfe können beim Einatmen zu Kopfschmerzen, Ermüdungserscheinungen, Bindehautreizungen u.v.m. führen. Lötrauchabsaugung ist deshalb generell sinnvoll und am Arbeitsplatz gemäß DGUV Information 213-725 (bisher [[Berufsgenossenschaftliche Informationen|BGI]]/[[Gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland|GUV]]-I 790-025) der [[Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung|Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung]] auch bei nur gelegentlichen Lötarbeiten vorgeschrieben.<ref>{{Internetquelle |autor=Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) |url=https://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=25844 |titel=Manuelles Kolbenlöten mit bleifreien Lotlegierungen in der Elektro- und Elektronikindustrie – Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung. Verfahrens- und stoffspezifisches Kriterium (VSK) nach der TRGS 420 |abruf=2019-06-28 |sprache=}}</ref> In der Industrie werden hierzu oft speziell angefertigte [[Absauganlage]]n verwendet. Aufgrund der Zusammensetzung aus sehr unterschiedlichen Schadstoffen wie Feinstaub und Lösemitteldämpfen sind Absauganlagen für Lötrauch oft mit mehreren Filterstufen ausgestattet. [[Schwebstofffilter]] sorgen für die Abscheidung von Partikeln, während [[Aktivkohle]]filter gasförmige Schadstoffe und belastende Gerüche auffangen sollen.<br />
Bei Lötarbeiten, die oberhalb des Kopfes durchgeführt werden, ist die Gefahr von herabtropfendem Zinn besonders groß. Generell soll ein Lötkolben nie direkt über den Kopf gehalten werden.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* {{Literatur<br />
|Autor = Reinard J. Klein Wassink|Titel = Weichlöten in der Elektronik|Verlag = Eugen G. Leuze |Ort = Saulgau| Auflage = 2. | Jahr = 1991 | ISBN = 3-87480-066-0 }}<br />
* {{Literatur|Herausgeber = Wolfgang Scheel|Titel = Baugruppentechnologie der Elektronik|Verlag = Verlag Technik u. a.| Ort = Berlin u. a. | Jahr = 1997 | ISBN = 3-341-01100-5 }}<br />
* Brian Jepson, Tyler Moskowite, Gregory Hayes: ''Learn to Solder. Tools and Techniques for Assembling Electronics.'' 1., neue Ausgabe. O'Reilly & Associates, Sebastopol CA 2012, ISBN 978-1-4493-3724-7.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Soldering|Löten|3=S}}<br />
{{Wikibooks|Fehlersuche in Elektronik-Schaltungen/ Löten und Entlöten|Löten und Entlöten}}<br />
* [https://www.heise.de/tp/features/Umweltfreundlich-basteln-3404128.html Umweltfreundlich basteln – Seit Juli 2006 muss bleifrei gelötet werden] [[Telepolis]]<br />
* [http://www.elektronik-kompendium.de/sites/grd/0705261.htm Das Elektronik-Kompendium, Löten]<br />
<br />
== Belege ==<br />
<references />{{Normdaten|TYP=s|GND=4036162-7|LCCN=|NDL=|VIAF=}}<br />
{{SORTIERUNG:Loten}}<br />
[[Kategorie:Fügendes Fertigungsverfahren]]<br />
[[Kategorie:Löten| ]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bremsleuchte&diff=224092487Bremsleuchte2022-06-29T17:26:44Z<p>Designer2k2: /* Geschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Tesla Model S (12593950693).jpg|mini|Aktivierte Bremsleuchten an einem [[Tesla Model S]]]]<br />
<br />
'''Bremsleuchten''' (allgemeinsprachlich auch ''Bremslichter'') sind ein Teil der [[Fahrzeugbeleuchtung]] und dienen dazu, den nachfolgenden Verkehr vor einer [[Bremsverzögerung]] des Fahrzeugs zu warnen. <br />
<br />
In den meisten [[Kraftfahrzeug|Kraftfahrzeugen]] und deren [[Anhänger|Anhängern]], die in Deutschland zugelassen sind, müssen nach {{§|53|stvzo|juris}} [[StVZO]] je nach Bauart ein bis drei Bremsleuchten eingebaut sein. <br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Durch § 53 (3) der [[StVZO]] wurde 1938 in Deutschland erstmals „ein oder zwei gelbrote Bremslichter“ für Kraftfahrzeuge vorgeschrieben. Ausnahmen bestanden für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen bis 20 km/h sowie Krafträder und Krankenfahrstühle.<ref>''Straßenverkehrsrecht.'' Beck Verlag, München/ Berlin 1941, S. 116.</ref> Die Bauartgenehmigungspflicht für Fahrzeugteile, insbesondere der lichttechnischen Einrichtungen, erfolgte zum 1. Januar 1954.<ref>''TÜV Rheinland-Handbuch Oldtimer: Zulassung – Kauf – Trends – Werterhaltung.'' Kirschbaum Verlag, Bonn 2016, ISBN 978-3-7812-1943-4, S. 94.</ref> Bei Fahrzeugen mit Erstzulassung vor dem 1. Januar 1983 waren auch gelbe Bremsleuchten zulässig.<ref>§ 72 StVZO: Übergangsvorschrift zu § 53 Abs. 2 (Farbe des Bremslichts).</ref> Seit 1. Januar 1988 sind Bremsleuchten auch an Motorrädern mit einer [[Bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit|bbH]] von mehr als 50 km/h zwingend vorgeschrieben.<ref> {{Webarchiv |url=https://www.adac.de/infotestrat/oldtimer-youngtimer/kauf-zulassung/vorschriften-krad/default.aspx?ComponentId=4 |text=adac.de |wayback=20160929141800 |archiv-bot=}} ''Übergangsvorschriften für Motorräder'' (abgerufen am 20. September 2016)</ref><ref>§ 53 (2) Nr. 1 StVZO.</ref><br />
Die Bremsleuchten müssen mit einem roten Licht nach hinten leuchten. Die Leuchtkraft muss so hell sein, dass sie auch am Tag gesehen werden. Die zwei Bremsleuchten sind bei den meisten Fahrzeugen links und rechts in den Schlussleuchten integriert. Dabei kann die Glühlampe eine eigene Fassung haben, oder mit dem Schlusslicht in einer Zweifadenglühlampe zusammengefasst sein. Die dritte Bremsleuchte befindet sich mittig im Fahrzeugheck und höher als die zwei seitlichen Leuchten. <br />
<br />
Ab den 2000er-Jahren löste die [[Leuchtdiode|LED]] die [[Glühlampe]] in vielen Bremsleuchten ab. Neben der längeren Lebensdauer des Leuchtmittels haben LEDs gegenüber Glühlampen den Vorteil, schneller aufzuleuchten und somit die Reaktionszeit nachfolgender Fahrer um ca. 150 bis 200 ms zu verringern.<ref>{{Literatur |Autor=Ramaswamy Palaniappan, Surej Mouli, Evangelia Fringi, Howard Bowman, Ian Mcloughlin |Titel=Incandescent Bulb and LED Brake Lights: Novel Analysis of Reaction Times |Sammelwerk=IEEE Access |Band=9 |Datum=2021 |Sprache=en |ISSN=2169-3536 |DOI=10.1109/ACCESS.2021.3058579 |Seiten=29143–29152 |Online=https://ieeexplore.ieee.org/abstract/document/9351984 |Abruf=2021-11-07}}</ref><br />
<br />
Bei [[Lastkraftwagen|LKW]] sind zwei Bremsleuchten meistens Bestandteil der Schlussleuchten. Allerdings können je nach Einsatzzweck und Art des Aufbaus zusätzliche Bremsleuchten angebracht sein.<br />
<br />
== Funktion ==<br />
[[Datei:Orange 997 GT3 RS rear view.jpg|mini|Bremsleuchten müssen auch bei Tageslicht deutlich erkennbar sein.]]<br />
[[Datei:Bremsleuchten IMG 3032.jpg|mini|Glühbirnen vom Typ [[Lampensockel#Sockelbezeichnungen_f%C3%BCr_Kfz-Gl%C3%BChlampen|P21W, BA15s, 12V, 21W]] werden häufig in Bremslichtern eingesetzt – links defekt, rechts neu.]]<br />
<br />
Das Aufleuchten der Bremslichter kann auf unterschiedliche Weise ausgelöst werden:<ref>{{Internetquelle |url=https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2015/2364/oj |titel=Regelung Nr. 13-H der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE) — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Personenkraftwagen hinsichtlich der Bremsen &#91;2015/2364&#93; |werk=Amtsblatt der Europäischen Union |hrsg=Europäische Union |format= |abruf=2021-11-10 |kommentar=Abschnitt 5.2.22}}</ref><br />
<br />
* Bei einer vom Fahrer direkt ausgelösten Bremsung, in der Regel durch Betätigen des Bremspedals. Die Betätigung kann direkt über einen elektromechanischen Taster oder einen [[Näherungsschalter]] am Bremspedal erfolgen. Daneben gibt es auch Ausführungen, die durch den Druckaufbau der hydraulischen Bremsanlage betätigt werden. Bei modernen Fahrzeugen wird das Signal an ein [[Steuergerät]] gesendet. Dieses aktiviert die Leuchten und leitet die Information über den [[CAN-Bus]] an andere Steuergeräte (z.&nbsp;B. [[Electronic Diesel Control|EDC]]) weiter.<br />
* Bei einer automatisch ausgelösten Bremsung durch ein [[Fahrerassistenzsystem]] (verpflichtend nur bei einer Verzögerung von 0,7 m/s² oder mehr).<br />
* Bei einer beim [[One-Pedal-Driving]] durch Loslassen des Fahrpedals ausgelösten elektrischen [[Nutzbremse|Rekuperation]] (verpflichtend bei einer Verzögerung von 1,3 m/s² oder mehr, unzulässig bei 0,7 m/s² oder weniger)<br />
<br />
Eine automatische selektive Bremsung, die primär zur Beeinflussung des Fahrverhaltens dient (zum Beispiel eine [[Fahrdynamikregelung]]), darf das Bremslicht nicht aktivieren.<br />
<br />
Eine Besonderheit ist das [[Adaptives Bremslicht|adaptive Bremslicht]], das bei besonders starken Bremsungen oder Notbremsungen blinkt oder in größerer Fläche leuchtet (z.&nbsp;B. durch zwei Bremsleuchten pro Seite).<br />
<br />
== Sonderregelungen ==<br />
[[Datei:Commo voyage.jpg|mini|Zwei zusätzliche Bremsleuchten hinter der Heckscheibe an einem [[Opel Commodore]]]]<br />
<br />
Gelbe Bremsleuchten waren nur bis Anfang der 1970er Jahre üblich und sind heute nur noch vereinzelt bei Oldtimern und an Straßenbahnen zu finden. Dabei wird das Bremslichtsignal auf die Leitung des [[Fahrtrichtungsanzeiger|Fahrtrichtungsanzeigers]] aufgeschaltet und zwar so, dass der Fahrtrichtungsanzeiger Vorrang hat, d.&nbsp;h. bei einer Bremsung ohne Blinken leuchten beide (alle) Brems-/Blinklichter. Wird gleichzeitig geblinkt, so blinkt das Licht auf der „Blinkseite“, das andere leuchtet weiterhin konstant. Diese Schaltung ermöglicht es, mit nur zwei einfadigen Glühlampen alle nach hinten abzugebenden Lichtsignale eines Kraftfahrzeugs zu realisieren. Hierzu werden üblicherweise kleine, oft runde Rückleuchten mit nur zwei Kammern verwendet. Ebenfalls bei Oldtimern (z.&nbsp;B. VW Käfer) und vielen US-Fahrzeugen war eine Einkammer-Leuchte mit einer einzigen Zweifadenglühlampe und einer roten Abschlussscheibe üblich. Auch hier kommt die Vorrangschaltung (Blinklicht vor Bremslicht) zum Einsatz. Heutzutage sind vor allem bei größeren LKW Rückleuchten mit mindestens fünf Kammern üblich, etliche Funktionen sind dann doppelt oder mehrfach bestückt.<br />
<br />
== Autosport ==<br />
Bremslichter wurden seit etwa 2002 in der [[Formel 1]] (F1) diskutiert und damit experimentiert. In der [[Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft|DTM]] sind Bremsleuchten vorgeschrieben und es gab einige Jahre vor 2007 Fälle von händisch – vorzeitig – einschaltbaren Bremslichtern, um den Hintermann zu verwirren.<ref>[https://www.formel1.de/forum/viewtopic.php?t=3181 Bremslichter in der Formel 1? ] formel1.de, Forum, Beiträge vom 4. März 2007, 10.55 und 20.44, abgerufen 14. November 2020.</ref><br />
<br />
F1-Wagen tragen eine große tiefliegende rote [[Rückleuchte]] mittig etwa auf Höhe der Hinterachse und seit 2019 zusätzlich zwei kleinere, hochliegende Leuchten an den Endplatten des [[Heckflügel]]s, um die Beleuchtung bei [[Gischt]] besser sichtbar zu machen.<ref>[https://www.motorsport-total.com/formel-1/news/formel-1-fuehrt-2019-zusaetzliche-ruecklichter-am-heckfluegel-ein-18082816 Formel 1 führt 2019 zusätzliche Rücklichter am Heckflügel ein] motorsport-total.com, 28. August 2018, abgerufen 14. November 2020. – "bei [[Le-Mans-Prototyp|LMP]]-Autos bereits üblich ..."</ref> Das Reglement besagt, dass sie leuchten müssen, wenn der Wagen auf Intermediates oder Regenreifen unterwegs ist – also bei Regen. Die Leuchte(n) '''blinken''' seit 2014 als '''Verzögerungswarnsignal''', schon wenn die Motorleistung reduziert wird oder durch Gaswegnehmen die Rekuperation bremst. Hat ein Fahrer noch keine Superlizenz, fährt der Wagen mit grünen Heckleuchten.<ref>[https://www.motorsport-total.com/formel-1/news/neue-formel-1-ruecklichter-2019-das-steckt-dahinter-19030310 Neue Formel-1-Rücklichter 2019: Das steckt dahinter!] motorsport-total.com, 3. März 2019, abgerufen 14. November 2020.</ref><ref>[https://www.speedweek.com/formel1/news/51082/Kein-frueher-Aprilscherz-Formel-1-2014-mit-Bremslicht.html Kein früher Aprilscherz: Formel 1 2014 mit Bremslicht] speedweek.com, 31. Jänner 2014, abgerufen 14. November 2020.</ref><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Robert Bosch (Hrsg.): ''Autoelektrik Autoelektronik.'' 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-528-23872-8.<br />
* Jürgen Kasedorf, Richard Koch: ''Service-Fibel für die Kfz-Elektrik.'' 15. Auflage. Vogel Buchverlag, 2007, ISBN 978-3-8343-3098-7.<br />
* Rudolf Hüppen, Dieter Korp: ''Autoelektrik alle Typen.'' Motorbuchverlag, Stuttgart, 1968, ISBN 3-87943-059-4.<br />
* Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: ''Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik.'' 6. Auflage. Verlag Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8348-1011-3.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Automobile brake lights}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Rechtshinweis}}<br />
[[Kategorie:Signallicht]]<br />
[[Kategorie:Fahrzeugleuchte]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Amateurfunkzeugnis&diff=223593238Amateurfunkzeugnis2022-06-10T13:15:46Z<p>Designer2k2: /* Amateurfunkgenehmigungen */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt, sowie Sprache gesetzt</p>
<hr />
<div>{{Staatslastig|DACH}}<br />
[[Datei:W8PAL.jpg|mini|Historische Amateurfunklizenz von [[Alfred Gross (Ingenieur)|Alfred Gross]] (1935)]]<br />
Das '''Amateurfunkzeugnis''' ist eine Prüfungsbescheinigung der für den [[Amateurfunkdienst]] zuständigen [[Behörde]].<br />
<br />
Zum Senden im Rahmen des Amateurfunkdienstes benötigt man eine Amateurfunk-Prüfungsbescheinigung sowie eine [[Zulassung (Verwaltungsrecht)|Zulassung]] zur Teilnahme am Amateurfunkdienst mit gleichzeitiger Zuteilung eines personengebundenen [[Amateurfunkrufzeichen]]s. Diese können durch eine Prüfung bei der nationalen Fernmeldeverwaltung erworben werden.<br />
<br />
Amateurfunkzeugnis wird häufig als ''Lizenz'' oder ''Lizenzurkunde'' bezeichnet. Das beruht auf dem international, zum Beispiel der in der [[Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications|ECC]]-Empfehlung 05(06) verwendeten Begriff ''Radio Amateur License''.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Deutschland ==<br />
Das Amateurfunkzeugnis ist der Nachweis der [[Bundesnetzagentur]] für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) über eine erfolgreich abgelegte Amateurfunkprüfung.<br />
<br />
=== Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst ===<br />
[[Datei:Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst Klasse E,.jpg|mini|350px|Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst für die [[#Klasse E|Klasse&nbsp;E]]]]<br />
[[Datei:AFu-Lizenz-A.jpg|mini|350px|Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst für die [[#Klasse A|Klasse A]]]]<br />
Das Amateurfunkzeugnis ist Voraussetzung für die Erteilung einer ''Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst'' und gleichzeitiger Zuteilung eines personengebundenen [[Amateurfunkrufzeichen]]s, die auf {{§|9|afuv_2005|juris|text=§9}} [[Amateurfunkverordnung]] (AFuV) beruht. Das ist rechtlich ein vom Erteilen des Amateurfunkzeugnisses (§7 AFuV) gesonderter Vorgang und ist mit einer eigenen Gebühr verbunden<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Frequenzen/Amateurfunk/Gebuehren/ANetzABgebV-Abs3.pdf?__blob=publicationFile |titel=Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Bundesnetzagentur (BNetzABGebV) Abschnitt 3 |hrsg=BNetzA |datum=2021-08-19 |abruf=2022-04-30 |format=PDF; 102 KB}}</ref>. Man kann sie aber bei der Prüfungsanmeldung gleich für den Fall, dass man besteht, mitbeantragen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Frequenzen/Amateurfunk/AntraegeundFormulare/Formblatt_zur_Beantragung_der_Zulassung_zur_Amateurfunkprüfung.pdf?__blob=publicationFile |titel=Formblatt zur Beantragung der Zulassung zur Amateurfunkprüfung, der Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst, der Anerkennung einer ausländischen Amateurfunk-Prüfungsbescheinigung oder -Genehmigung |hrsg=BNetzA |datum=2019-05-10 |abruf=2022-04-30 |format=PDF; 477 KB}}</ref><br />
Erst mit dem zugeteilten Rufzeichen ist das Senden auf den [[Amateurfunkband|Amateurfunkbändern]] gestattet und eine im Handel erhältliche oder selbstgefertigte Amateurfunkstelle sowie Sendeanlagen, die zu Amateurfunkstellen umgebaut sind, als Sender zu betreiben. Der rein passive Empfang von Aussendungen (ohne selbst zu senden) erfordert gemäß §9 Abs.&nbsp;5 AFuV keine ''Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst''.<br />
<br />
=== Prüfung ===<br />
Für das Amateurfunkzeugnis wird man in folgenden Prüfungsteilen geprüft:<br />
* Technik (bei Klasse E eingeschränkter Fragenkatalog)<br />
* [[Amateurfunkbetriebstechnik]] (Abwicklung des Funkverkehrs), für Klassen A+E identisch<br />
* Gesetzeskunde (z.&nbsp;B. [[Amateurfunkgesetz]], [[Amateurfunkverordnung]], [[Vollzugsordnung für den Funkdienst]], [[Telekommunikationsgesetz (Deutschland)|Telekommunikationsgesetz]], [[Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln]] …), für Klassen A+E identisch<br />
* [[Morsen|Morsetelegrafie]] (freiwillige Zusatzprüfung; früher insbesondere für die Erteilung einer [[HAREC]] wichtig)<br />
<br />
Im schriftlichen Test der Prüfungsteile Technik, Betriebstechnik und Vorschriften wird nach dem [[Multiple Choice|Mehrfachauswahlformat]] ''(Multiple Choice)'' verfahren. Dabei werden vier mögliche Antworten vorgeschlagen, von denen nur eine korrekt ist.<br />
<br />
Der jeweilige Prüfungsteil gilt als bestanden, wenn 75 % der möglichen Punkte erreicht wurden. Ab 70 % ist eine mündliche Nachprüfung möglich. Bei der Morsetelegrafie-Prüfung darf man höchstens vier unkorrigierte Fehler haben.<br />
<br />
Für die Erweiterung einer Klasse-E-Lizenz auf Klasse A muss lediglich der (umfangreichere) Prüfungsteil Technik der Klasse A abgelegt werden.<br />
<br />
=== Aktuelle Amateurfunkzeugnis-Klassen ===<br />
Die Anforderungen der Prüfung hängen von der Amateurfunkzeugnis-Klasse (Lizenzklasse) ab.<ref>Verordnung zum Gesetz über den Amateurfunk (Amateurfunkverordnung – AFuV) https://www.gesetze-im-internet.de/afuv_2005/BJNR024200005.html</ref><br />
<br />
==== Klasse A ====<br />
: Zugang zu allen Amateurfunkbändern mit einer maximalen Sendeausgangsleistung von bis zu 750 W [[Hüllkurvenspitzenleistung|PEP]]. Diese Klasse entspricht der [[#CEPT-Lizenz (Funkbetrieb im Ausland)|CEPT-Lizenz]].<br />
<br />
==== Klasse E ====<br />
[[Datei:Amateurfunkzeugnis Klasse E.jpg|mini|250px|Amateurfunkzeugnis für die Klasse E]]<br />
: Sogenannte „Einsteiger-Lizenz“ gestattet Zugang zu einigen Amateurfunkbändern mit einer maximalen Sendeausgangsleistung von bis zu 100&nbsp;W PEP im Kurzwellen-Bereich und bis zu 75&nbsp;W PEP im Ultrakurzwellen-Bereich. Diese Klasse entspricht der CEPT-Novice-Lizenz. Im Einzelnen ist Sendebetrieb zulässig auf folgenden Frequenzbereichen mit folgenden maximal zulässigen Sendeausgangsleistungen:<br />
{{Siehe auch|Amateurfunkband#Frequenzbereiche in Deutschland|titel1=Frequenzbereiche in Deutschland}}<br />
{| class="wikitable"<br />
! Band || Frequenz (MHz)|| Leistung<br />
|-<br />
|rowspan="2"| [[160-Meter-Band|160 m]]<br />
| 1,810–1,890 || bis 100 W<br />
|-<br />
| 1,890–2,000 || bis 10 W<br />
|-<br />
| [[80-Meter-Band|80 m]]<br />
| 3,500–3,800 || bis 100 W<br />
|-<br />
| [[15-Meter-Band|15 m]]<br />
| 21,000–21,450 || bis 100 W<br />
|-<br />
| [[10-Meter-Band|10 m]]<br />
| 28,000–29,700 || bis 100 W<br />
|-<br />
|rowspan="2"| [[6-Meter-Band|6 m]]<br />
| 50,000–50,400 || bis 100 W <br />
|-<br />
| 50,400–52,000 || bis 25 W<br />
|-<br />
| [[2-Meter-Band|2 m]]<br />
| 144–146 || bis 75 W<br />
|-<br />
| [[70-Zentimeter-Band|70&nbsp;cm]]<br />
| 430–440 || bis 75 W<br />
|-<br />
|[[13-Zentimeter-Band|13&nbsp;cm]]<br />
| 2320–2450 || bis 5 W<br />
|-<br />
|[[6-Zentimeter-Band|6&nbsp;cm]]<br />
| 5650–5850 || bis 5 W<br />
|-<br />
|[[3-Zentimeter-Band|3&nbsp;cm]]<br />
| 10.000–10.500 || bis 5 W<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
In diesem Rahmen dürfen die Inhaber einer Amateurfunkzulassung der Klasse&nbsp;E auch Funkbetrieb in einigen Kurzwellenbändern mit eingeschränkter Sendeleistung durchführen. Inhaber einer Amateurfunkzulassung der Klasse&nbsp;A hingegen dürfen Funkbetrieb in allen für den Amateurfunkdienst ausgewiesenen Frequenzbereichen bis hin zur maximal zulässigen Sendeleistung durchführen. In allen beiden Lizenzklassen sind u.&nbsp;a. jedoch auch die [[Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder|Regelungen der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder]] (BEMFV) zu beachten. Dieses Nachweisverfahren betrifft ortsfeste Funkanlagen, welche eine Leistung ≥&nbsp;10&nbsp;W [[EIRP]] ausstrahlen.<br />
<br />
=== CEPT-Lizenz (Funkbetrieb im Ausland) ===<br />
[[Datei:Licence CEPT radioamateur.JPG|mini|Amateurfunk-Lizenz]]<br />
Die CEPT-Lizenz wurde vom [[Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications|ERO]] eingeführt, um den Amateurfunkbetrieb im Urlaub oder bei dauerhaftem Aufenthalt in anderen Ländern zu vereinfachen. Sie besteht aus zwei voneinander unabhängigen Teilen. Der erste Teil, die Empfehlung T/R 61-01 ''CEPT Radio Amateur Licence'', regelt den Amateurfunkbetrieb bei einem kurzzeitigen Auslandsaufenthalt. In 31 Ländern<ref name="T/R_61-01">{{Webarchiv |url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=1802 |text=Länderliste zur T/R 61-01 |wayback=20100421230731 |archiv-bot=}}</ref> kann man Funkbetrieb machen, ohne erst eine Lizenz bzw. ein Rufzeichen im Gastland beantragen zu müssen. Im zweiten Teil, der Empfehlung T/R 61-02 ''Harmonised amateur radio examination certificates'', wird die gegenseitige Anerkennung von Amateurfunkzeugnissen festgeschrieben und gleichzeitig werden die Themen vorgegeben, die in einer Amateurfunkprüfung abgeprüft werden müssen, um international anerkannt werden zu können. 21 Länder wenden die T/R 61-02 an.<ref name="T/R_61-02">{{Webarchiv |url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=1803 |text=Länderliste zur T/R 61-02 |wayback=20081002103653 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
Für Deutschland hat die Bundesnetzagentur die beiden o.&nbsp;g. CEPT-Empfehlungen durch die [[Amtsblatt]]-[[Verfügung]] 11/2005<ref> {{Webarchiv|text=Verfügung 11/2005 |url=http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Telekommunikation/Regulierung/Frequenzordnung/Amateurfunk/AmtsblattverfuegungenAFu/Vfg112005n228hereEinzeId1320pdf.pdf?__blob=publicationFile |wayback=20120722135523}}</ref> in nationales Recht umgesetzt.<br />
<br />
Beispiel für den Funkbetrieb nach CEPT-Empfehlung im Ausland: Die deutsche Station mit dem Rufzeichen DL1XXX funkt in Spanien (Landes-[[Präfix]] EA). Dann benützt sie dort das Rufzeichen EA/DL1XXX.<br />
Vor Einführung der CEPT-Regulierung musste man für jeden Auslandsaufenthalt im Gastland eine Lizenz beantragen. Die dortige Behörde erteilte ein spezielles Rufzeichen. Jedes Land musste mit der Behörde des anderen Landes ein Abkommen schließen, in dem jeweils die Details festgelegt wurden. Das bedeutete für 30 Länder den Abschluss von 900 zwischenstaatlichen Abkommen. Der CEPT-Regulierung kann jedes neue Land durch einfache Willenserklärung, ohne Verhandlung, beitreten.<br />
<br />
Im Oktober 2005 wurde die ''CEPT Novice Radio Amateur Licence'' geschaffen; sie stellt geringere Anforderungen an die Amateurfunkprüfungen als die ''CEPT Radio Amateur Licence''. Die Prüfungsinhalte sind im ''ERC Report 32'' zusammengefasst, auf deren Grundlage die Lizenzprüfungen gegenseitig anerkannt werden können (analog zur ''T/R 61-02''). Die eigentliche Lizenz ist die Empfehlung ''ECC/REC 05-06'' und wird von zurzeit 22 Ländern (Stand April 2013)<ref name="ECC/REC_05-06">{{Webarchiv |url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=2136 |text=Länderliste zur ECC/REC 05-06 |wayback=20100902075921 |archiv-bot=}}</ref> angewandt. Sie regelt – analog zur ''T/R 61-01'' – den Funkbetrieb beim Besuch im Ausland. Die Bundesnetzagentur hat diese beiden Empfehlungen in der Vfg. 93/2005 in deutsches Recht umgesetzt.<br />
<br />
Da es sich bei den CEPT-Lizenzen nur um Empfehlungen handelt, können die einzelnen Länder weitere Auflagen erlassen, also z.&nbsp;B. eine [[Telegraphie]]&shy;prüfung fordern. Maßgeblich ist immer die Rechtslage des Gastlandes.<br />
<br />
=== K-Lizenz ===<br />
In Deutschland wurde für Einsteiger die Einführung einer K-Lizenz mit reduzierten Prüfungen und Privilegien diskutiert. Nach Ablehnung durch das Wirtschaftsministerium sind diese Überlegungen weitestgehend niedergelegt worden. Anfang 2015 wurde das Thema erneut beim [[Runder Tisch Amateurfunk|Runden Tisch Amateurfunk]] diskutiert und wird aktuell weiter verfolgt.<br />
<br />
=== Lehrgänge zur Prüfungsvorbereitung ===<br />
In Deutschland bieten die beiden Amateurfunkverbände [[Deutscher Amateur-Radio-Club|DARC]] und [[Verband der Funkamateure in Telekommunikation und Post|VFDB]] Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Amateurfunkprüfung Klasse&nbsp;E und&nbsp;A sowie praktischen Ausbildungsfunkbetrieb an. Außerdem kann man hier auch eine Empfangsamateurprüfung ablegen und erhält dann ein sogenanntes [[Amateurfunkrufzeichen#Empfangsamateure|DE-Rufzeichen]], unter dem man als [[Funkamateur#SWL|''Short Wave Listener'']] ''(SWL)'' [[QSL-Karte]]n (Funkbestätigungskarten) versenden kann.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in der Schweiz ==<br />
{{Siehe auch|Amateurband#Heute in der Schweiz zugewiesene Frequenzbereiche|titel1=In der Schweiz zugewiesene Frequenzbereiche nach Zeugnisklasse}}<br />
In der Schweiz spricht auch von ''Amateurfunkkonzessionen''.<br />
<br />
Prüfungen sind beim Bundesamt für Kommunikation abzulegen. Die Prüfungsbereiche erstrecken sich über<br />
Technik, Vorschriften, Aufbau und den Betrieb der Funkstation. Lehrgänge zur Prüfungsvorbereitung bietet die [[Union Schweizerischer Kurzwellen-Amateure]] (USKA) an.<br />
<br />
;Einsteiger-Lizenz („HB3-Lizenz“): Die Einsteiger-Lizenz ist ein einfach zu erreichender Zwischenschritt zur Kurzwellen-Lizenz. An der Prüfung werden Vorschriften und einfache, elementare Grundkenntnisse der Elektronik abgefragt. Mit einer Einsteiger-Lizenz darf man Amateurfunkgeräte aus kommerzieller Produktion, mit einer Leistung von max. 50&nbsp;Watt im UKW-Frequenzbereich (144 bis 146&nbsp;MHz und 430 bis 440&nbsp;MHz) benutzen. Seit dem 1. Januar 2008 sind die Kurzwellen-Bänder 160/80/15/10&nbsp;Meter ebenfalls für HB3-Lizenzierte freigegeben. Die max. Leistung wird auf 100&nbsp;Watt begrenzt. Die HB3-Lizenz entspricht der CEPT-Novice-Lizenz nach der Empfehlung ''ECC/REC 05-06''.<ref name="ECC/REC_05-06" /><br />
<br />
;Kurzwellen-Lizenz („HB9-Lizenz“): Nach Ablegen der entsprechenden Prüfung und Erwerb der Lizenz darf man mit großer Leistung auf allen Amateurfunk-Frequenzen senden und selbst gebaute Funkgeräte verwenden. Die HB9-Lizenz entspricht der CEPT-Lizenz nach der Empfehlung ''T/R 61-01''.<ref name="T/R_61-01" /><br />
<br />
;Empfangs-Lizenz („HE-Höramateur“): Man kann auch als „Hörer“ anfangen, um sich mit dem Betrieb auf den Amateurfunk-Bändern vertraut zu machen. Das kommt einem später als Funkamateur mit Einsteiger- oder Kurzwellen-Lizenz zugute. Eine Empfangs-Lizenz erhält man ohne eine Ausbildung und Prüfung über die Union Schweizerischer Kurzwellen-Amateure, früher amtlich über die [[Swisscom#Geschichte|PTT]].<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Österreich ==<br />
[[Datei:Amateurfunkpruefungszeugnis Oesterreich.jpg|mini|Amateurfunkprüfungszeugnis für CEPT Klasse 1]]<br />
{{Siehe auch|Amateurband#Heute_in_Österreich_zugewiesene_Frequenzbereiche.5B2.5D|titel1=In Österreich zugewiesene Frequenzbereiche nach Bewilligungsklasse}}<br />
Die (mündlichen) Prüfungen sind beim örtlich zuständigen Fernmeldebüro (Fernmeldebehörde 1. Instanz) abzulegen. Die Prüfungsbereiche erstrecken sich über die beiden Bereiche „Rechtliche Bestimmungen“ und „Technische Grundlagen und Betrieb“.<br />
<br />
;Bewilligungsklasse 1 (CEPT-Lizenz): Alle zulässigen Frequenzbereiche inkl. Kurzwelle; max. 400&nbsp;W. Alle zulässigen Betriebs- und Sendearten inkl. CW (Morsen)<br />
;Bewilligungsklasse 3: Frequenzbereiche 144–146&nbsp;MHz (2&nbsp;m) und 430–440&nbsp;MHz (70&nbsp;cm) max. 100&nbsp;W. Es dürfen nur kommerziell gefertigte und unmodifizierte Sendeanlagen verwendet werden. Die Lizenz ist nur in Österreich gültig.<br />
;Bewilligungsklasse 4 (CEPT-Novizen-Lizenz): Frequenzbereiche Kurzwelle 160&nbsp;m, 80&nbsp;m, 15&nbsp;m, 10&nbsp;m; UKW: 2&nbsp;m, 70&nbsp;cm max. 100&nbsp;W. Es dürfen nur kommerziell gefertigte und unmodifizierte Sendeanlagen verwendet werden. Die Lizenz ist in allen Ländern gültig, die ebenfalls eine CEPT-Novizen-Lizenz haben.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Polen ==<br />
Um in Polen die Funkanlagen im Amateurfunkdienst bedienen zu dürfen, wird das Amateurfunkzeugnis<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/swiadectwa-amatorskie-4390 |titel=Świadectwa w służbie radiokomunikacyjnej amatorskiej - UKE |werk=www.uke.gov.pl |sprache=pl |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160415050413/http://www.uke.gov.pl/swiadectwa-amatorskie-4390 |archiv-datum=2016-04-15 |archiv-bot= |zugriff=2016-04-15}}</ref> (poln. Świadectwo operatora urządzeń radiowych w służbie amatorskiej) benötigt. Die Zeugnisse werden in zwei Klassen erteilt:<br />
* Klasse A – berechtigt den Inhaber zum Bedienen von Amateurfunkanlagen, welche in allen in Polen freigegebenen Frequenzbereichen arbeiten können. Des Weiteren ermöglicht dieses Zeugnis dem Inhaber, ein Antrag auf die Amateurfunkgenehmigung der Klasse 1 zu stellen und somit ein Rufzeichen zugeteilt zu bekommen. Das Amateurfunkzeugnis der Klasse A erfüllt den international anerkannten HAREC Standard und entspricht der CEPT-Amateurfunkgenehmigung gemäß der CEPT-Empfehlung T/R 61-01. Der Antragsteller muss mindestens 15 Jahre alt sein, um das Zeugnis der Klasse A ausgestellt zu bekommen.<br />
<br />
* Klasse C – berechtigt den Inhaber zum Bedienen von Amateurfunkanlagen, welche in folgenden Frequenzbereichen arbeiten können: 1810–2000 kHz, 3500–3800 kHz, 7000–7200 kHz, 14000–14350 kHz, 21000–21450 kHz, 28000–29700 kHz, 144–146 MHz 430–440 MHz und 10–10,5 GHz. Des Weiteren macht dieses Zeugnis dem Inhaber möglich den Antrag auf die Amateurfunkgenehmigung der Klasse 3 zu stellen und somit den Rufzeichen zugeteilt zu bekommen. Das Zeugnis der Klasse C erfüllt die ECC-Empfehlung (05)06. Der Antragsteller muss mindestens 10 Jahre alt sein, um das Zeugnis der Klasse C ausgestellt zu bekommen.<br />
<br />
=== Prüfung ===<br />
Die in Polen für den Amateurfunkdienst zuständige Behörde heißt Urząd Komunikacji Elektronicznej<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/ |titel=UKE - Strona Główna - UKE |werk=www.uke.gov.pl |zugriff=2016-04-15}}</ref> (Abkürzung UKE). Die Amateurfunkprüfungen sind in Polen vor der Kommission von UKE abzulegen. Die Prüfung besteht aus zwei Teilen:<br />
* In dem ersten (schriftlichen) Teil werden die folgenden Prüfungsteilen* geprüft:<br />
# Technik<br />
# Sichere Arbeit und Bedienung der Elektronischen Geräte<br />
# Betriebstechnik<br />
# Vorschriften und Gesetzkunde<br />
<nowiki>*</nowiki>bei den Prüfungen für Zeugnisse der Klasse C werden weniger Fragen abgefragt, als das bei der Prüfung für das Zeugnis der Klasse A der Fall ist.<br />
* In dem zweiten (praktischen) Teil der Prüfung wird die korrekte Abwicklung des Funkverkehrs geprüft. Es wird meistens eine QSO Simulation zwischen dem Prüfer und dem Prüfling durchgeführt. Getestet werden die Kenntnisse des Q-Schlüssels, die korrekte Aussprache des ICAO-Funkalphabetes und die Kenntnisse der ITU-Präfixe<br />
<br />
Bei der Prüfung sind maximal 25 Punkte zu erreichen – pro Bereich maximal 5 Punkte. Die Prüfung ist dann als bestanden anzusehen, wenn der Prüfling in jedem Bereich mindestens 3 Punkte bekommt. Sollte der Prüfling bei der Prüfung durchfallen, so kann er die Bereiche, in denen er weniger als 3 Punkte erreicht hat, innerhalb eines Jahres nachholen.<br />
<br />
Die Zulassung zur Prüfung und die Ausstellung des ersten Zeugnisses kostet 75 PLN für Klasse A und 50 PLN für Klasse C. Ausstellung eines neuen Zeugnisses(ohne Prüfung) kostet 15 PLN<br />
<br />
=== Amateurfunkgenehmigungen ===<br />
In Polen werden zwei Grundkategorien der Amateurfunkgenehmigungen<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/pozwolenia-amatorskie-4266 |titel=Pozwolenia amatorskie - UKE |werk=www.uke.gov.pl |sprache=pl |offline=ja |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160415050418/http://www.uke.gov.pl/pozwolenia-amatorskie-4266 |archiv-datum=2016-04-15 |archiv-bot= |zugriff=2016-04-15}}</ref> ausgestellt, je nach dem von den Antragsteller vorgelegten Amateurfunkzeugnis.<br />
<br />
==== Kategorie 1 ====<br />
Die Funkgenehmigung der Kategorie 1 ermöglicht dem Inhaber den Betrieb mit maximal 500 Watt Sendeleistung mit allen zulässigen Betriebs- und Sendearten inkl. CW (Morsen) in allen in Polen für den Amateurfunkdienst zugelassenen Frequenzbereichen.<br />
<br />
==== Kategorie 3 ====<br />
Die Funkgenehmigung der Kategorie 3 ermöglicht dem Inhaber den Betrieb mit maximal 100 Watt Sendeleistung mit allen zulässigen Betriebs- und Sendearten in folgenden in Polen für den Amateurfunkdienst zugelassenen Frequenzbereichen: 1810–2000 kHz, 3500–3800 kHz, 7000–7200 kHz, 14000–14350 kHz, 21000–21450 kHz, 28000–29700 kHz, 144–146 MHz, 430–440 MHz und 10–10,5 GHz.<br />
<br />
Die Gültigkeitsdauer der Genehmigungen (sowohl der Kategorie 1, als auch 3) liegt bei 10 Jahren.<br />
<br />
==== Andere Genehmigungsarten ====<br />
<br />
===== Kategorie 5 =====<br />
Funkgenehmigung im Amateurfunkdienst, welche den Inhaber berechtigt die automatische Funkstation zu betreiben. Sendeleistung je nach Genehmigung.<br />
<br />
===== Kategorie T – zusätzliche Genehmigung =====<br />
Zusätzliche Funkgenehmigung wird nur dem Inhaber einer Genehmigung der Kategorie 1 erteilt. Maximale zugelassene Sendeleistung liegt bei 1500 Watt. Diese Kategorie der Genehmigung kann maximal ein Jahr gültig sein.<br />
<br />
Die Erteilung der Amateurfunkgenehmigung kostet immer 82 PLN.<br />
<br />
=== Rufzeichen ===<br />
Die Rufzeichen<ref>{{Internetquelle |url=https://amator.uke.gov.pl/?locale=en |titel=Verzeichnis der aktiven Rufzeichen Polens |autor= |hrsg= |werk= |datum= |zugriff=2016-04-15}}</ref> setzten sich in Polen wie folgt zusammen:<br />
# Präfix – zur Auswahl stehen Präfixe HF, SN, SO, SP, SQ, SR, 3Z<br />
# Zahl von 0 bis 9<br />
# Kombination maximal<br />
## 7 Zeichen, darunter Buchstaben und Ziffern. Als letztes Zeichen muss immer Buchstabe stehen – bei der Kategorie T<br />
## 4 Zeichen, darunter Buchstaben und Ziffern. Als letztes Zeichen muss immer Buchstabe stehen – bei weiteren Kategorien<br />
Das Präfix SR ist ausschließlich für die Rufzeichen der Kategorie 5 freigegeben.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Eckart Moltrecht]]: ''Amateurfunklehrgang TECHNIK für das Amateurfunkzeugnis Klasse E'', 8. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2011, ISBN 978-3-88180-364-9<br />
* Eckart Moltrecht: ''Amateurfunklehrgang TECHNIK für das Amateurfunkzeugnis Klasse A'', 5. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2010, ISBN 978-3-88180-389-2<br />
* Eckart Moltrecht: ''Amateurfunk-Lehrgang, Betriebstechnik und Vorschriften für das Amateurfunkzeugnis'', 5. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2010, ISBN 978-3-88180-803-3<br />
* Christoph Grandt, Stratis Karamanolis: ''So werde ich Funkamateur'', Elektra Verlag ISBN 3-922238-15-7<br />
* Hans H. Cuno (DL2CH): ''Vorbereitung auf die Amateurfunk Lizenz Prüfung'', frech Verlag ISBN 3-7724-5402-X<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Amateur radio licenses|Amateurfunkzeugnisse}}<br />
* [http://www.darc.de/ausbildung/ Amateurfunklehrgänge Deutschland]<br />
* [http://www.oevsv.at/opencms/newcomer/Kurse/ Amateurfunklehrgänge Österreich]<br />
* [https://www.uska.ch/einsteiger/der-weg-zur-lizenz/ausbildungskurse/ Amateurfunklehrgänge Schweiz]<br />
* [https://www.afup.a36.de/links/links.html Links] zum Thema nicht nur für Deutschland, Österreich und die Schweiz.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Rechtshinweis}}<br />
<br />
[[Kategorie:Amateurfunkrecht|Zeugnis]]<br />
[[Kategorie:Dokument]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Amateurfunkzeugnis&diff=223593157Amateurfunkzeugnis2022-06-10T13:12:23Z<p>Designer2k2: /* CEPT-Lizenz (Funkbetrieb im Ausland) */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Staatslastig|DACH}}<br />
[[Datei:W8PAL.jpg|mini|Historische Amateurfunklizenz von [[Alfred Gross (Ingenieur)|Alfred Gross]] (1935)]]<br />
Das '''Amateurfunkzeugnis''' ist eine Prüfungsbescheinigung der für den [[Amateurfunkdienst]] zuständigen [[Behörde]].<br />
<br />
Zum Senden im Rahmen des Amateurfunkdienstes benötigt man eine Amateurfunk-Prüfungsbescheinigung sowie eine [[Zulassung (Verwaltungsrecht)|Zulassung]] zur Teilnahme am Amateurfunkdienst mit gleichzeitiger Zuteilung eines personengebundenen [[Amateurfunkrufzeichen]]s. Diese können durch eine Prüfung bei der nationalen Fernmeldeverwaltung erworben werden.<br />
<br />
Amateurfunkzeugnis wird häufig als ''Lizenz'' oder ''Lizenzurkunde'' bezeichnet. Das beruht auf dem international, zum Beispiel der in der [[Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications|ECC]]-Empfehlung 05(06) verwendeten Begriff ''Radio Amateur License''.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Deutschland ==<br />
Das Amateurfunkzeugnis ist der Nachweis der [[Bundesnetzagentur]] für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) über eine erfolgreich abgelegte Amateurfunkprüfung.<br />
<br />
=== Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst ===<br />
[[Datei:Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst Klasse E,.jpg|mini|350px|Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst für die [[#Klasse E|Klasse&nbsp;E]]]]<br />
[[Datei:AFu-Lizenz-A.jpg|mini|350px|Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst für die [[#Klasse A|Klasse A]]]]<br />
Das Amateurfunkzeugnis ist Voraussetzung für die Erteilung einer ''Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst'' und gleichzeitiger Zuteilung eines personengebundenen [[Amateurfunkrufzeichen]]s, die auf {{§|9|afuv_2005|juris|text=§9}} [[Amateurfunkverordnung]] (AFuV) beruht. Das ist rechtlich ein vom Erteilen des Amateurfunkzeugnisses (§7 AFuV) gesonderter Vorgang und ist mit einer eigenen Gebühr verbunden<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Frequenzen/Amateurfunk/Gebuehren/ANetzABgebV-Abs3.pdf?__blob=publicationFile |titel=Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Bundesnetzagentur (BNetzABGebV) Abschnitt 3 |hrsg=BNetzA |datum=2021-08-19 |abruf=2022-04-30 |format=PDF; 102 KB}}</ref>. Man kann sie aber bei der Prüfungsanmeldung gleich für den Fall, dass man besteht, mitbeantragen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Frequenzen/Amateurfunk/AntraegeundFormulare/Formblatt_zur_Beantragung_der_Zulassung_zur_Amateurfunkprüfung.pdf?__blob=publicationFile |titel=Formblatt zur Beantragung der Zulassung zur Amateurfunkprüfung, der Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst, der Anerkennung einer ausländischen Amateurfunk-Prüfungsbescheinigung oder -Genehmigung |hrsg=BNetzA |datum=2019-05-10 |abruf=2022-04-30 |format=PDF; 477 KB}}</ref><br />
Erst mit dem zugeteilten Rufzeichen ist das Senden auf den [[Amateurfunkband|Amateurfunkbändern]] gestattet und eine im Handel erhältliche oder selbstgefertigte Amateurfunkstelle sowie Sendeanlagen, die zu Amateurfunkstellen umgebaut sind, als Sender zu betreiben. Der rein passive Empfang von Aussendungen (ohne selbst zu senden) erfordert gemäß §9 Abs.&nbsp;5 AFuV keine ''Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst''.<br />
<br />
=== Prüfung ===<br />
Für das Amateurfunkzeugnis wird man in folgenden Prüfungsteilen geprüft:<br />
* Technik (bei Klasse E eingeschränkter Fragenkatalog)<br />
* [[Amateurfunkbetriebstechnik]] (Abwicklung des Funkverkehrs), für Klassen A+E identisch<br />
* Gesetzeskunde (z.&nbsp;B. [[Amateurfunkgesetz]], [[Amateurfunkverordnung]], [[Vollzugsordnung für den Funkdienst]], [[Telekommunikationsgesetz (Deutschland)|Telekommunikationsgesetz]], [[Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln]] …), für Klassen A+E identisch<br />
* [[Morsen|Morsetelegrafie]] (freiwillige Zusatzprüfung; früher insbesondere für die Erteilung einer [[HAREC]] wichtig)<br />
<br />
Im schriftlichen Test der Prüfungsteile Technik, Betriebstechnik und Vorschriften wird nach dem [[Multiple Choice|Mehrfachauswahlformat]] ''(Multiple Choice)'' verfahren. Dabei werden vier mögliche Antworten vorgeschlagen, von denen nur eine korrekt ist.<br />
<br />
Der jeweilige Prüfungsteil gilt als bestanden, wenn 75 % der möglichen Punkte erreicht wurden. Ab 70 % ist eine mündliche Nachprüfung möglich. Bei der Morsetelegrafie-Prüfung darf man höchstens vier unkorrigierte Fehler haben.<br />
<br />
Für die Erweiterung einer Klasse-E-Lizenz auf Klasse A muss lediglich der (umfangreichere) Prüfungsteil Technik der Klasse A abgelegt werden.<br />
<br />
=== Aktuelle Amateurfunkzeugnis-Klassen ===<br />
Die Anforderungen der Prüfung hängen von der Amateurfunkzeugnis-Klasse (Lizenzklasse) ab.<ref>Verordnung zum Gesetz über den Amateurfunk (Amateurfunkverordnung – AFuV) https://www.gesetze-im-internet.de/afuv_2005/BJNR024200005.html</ref><br />
<br />
==== Klasse A ====<br />
: Zugang zu allen Amateurfunkbändern mit einer maximalen Sendeausgangsleistung von bis zu 750 W [[Hüllkurvenspitzenleistung|PEP]]. Diese Klasse entspricht der [[#CEPT-Lizenz (Funkbetrieb im Ausland)|CEPT-Lizenz]].<br />
<br />
==== Klasse E ====<br />
[[Datei:Amateurfunkzeugnis Klasse E.jpg|mini|250px|Amateurfunkzeugnis für die Klasse E]]<br />
: Sogenannte „Einsteiger-Lizenz“ gestattet Zugang zu einigen Amateurfunkbändern mit einer maximalen Sendeausgangsleistung von bis zu 100&nbsp;W PEP im Kurzwellen-Bereich und bis zu 75&nbsp;W PEP im Ultrakurzwellen-Bereich. Diese Klasse entspricht der CEPT-Novice-Lizenz. Im Einzelnen ist Sendebetrieb zulässig auf folgenden Frequenzbereichen mit folgenden maximal zulässigen Sendeausgangsleistungen:<br />
{{Siehe auch|Amateurfunkband#Frequenzbereiche in Deutschland|titel1=Frequenzbereiche in Deutschland}}<br />
{| class="wikitable"<br />
! Band || Frequenz (MHz)|| Leistung<br />
|-<br />
|rowspan="2"| [[160-Meter-Band|160 m]]<br />
| 1,810–1,890 || bis 100 W<br />
|-<br />
| 1,890–2,000 || bis 10 W<br />
|-<br />
| [[80-Meter-Band|80 m]]<br />
| 3,500–3,800 || bis 100 W<br />
|-<br />
| [[15-Meter-Band|15 m]]<br />
| 21,000–21,450 || bis 100 W<br />
|-<br />
| [[10-Meter-Band|10 m]]<br />
| 28,000–29,700 || bis 100 W<br />
|-<br />
|rowspan="2"| [[6-Meter-Band|6 m]]<br />
| 50,000–50,400 || bis 100 W <br />
|-<br />
| 50,400–52,000 || bis 25 W<br />
|-<br />
| [[2-Meter-Band|2 m]]<br />
| 144–146 || bis 75 W<br />
|-<br />
| [[70-Zentimeter-Band|70&nbsp;cm]]<br />
| 430–440 || bis 75 W<br />
|-<br />
|[[13-Zentimeter-Band|13&nbsp;cm]]<br />
| 2320–2450 || bis 5 W<br />
|-<br />
|[[6-Zentimeter-Band|6&nbsp;cm]]<br />
| 5650–5850 || bis 5 W<br />
|-<br />
|[[3-Zentimeter-Band|3&nbsp;cm]]<br />
| 10.000–10.500 || bis 5 W<br />
|-<br />
|}<br />
<br />
In diesem Rahmen dürfen die Inhaber einer Amateurfunkzulassung der Klasse&nbsp;E auch Funkbetrieb in einigen Kurzwellenbändern mit eingeschränkter Sendeleistung durchführen. Inhaber einer Amateurfunkzulassung der Klasse&nbsp;A hingegen dürfen Funkbetrieb in allen für den Amateurfunkdienst ausgewiesenen Frequenzbereichen bis hin zur maximal zulässigen Sendeleistung durchführen. In allen beiden Lizenzklassen sind u.&nbsp;a. jedoch auch die [[Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder|Regelungen der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder]] (BEMFV) zu beachten. Dieses Nachweisverfahren betrifft ortsfeste Funkanlagen, welche eine Leistung ≥&nbsp;10&nbsp;W [[EIRP]] ausstrahlen.<br />
<br />
=== CEPT-Lizenz (Funkbetrieb im Ausland) ===<br />
[[Datei:Licence CEPT radioamateur.JPG|mini|Amateurfunk-Lizenz]]<br />
Die CEPT-Lizenz wurde vom [[Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications|ERO]] eingeführt, um den Amateurfunkbetrieb im Urlaub oder bei dauerhaftem Aufenthalt in anderen Ländern zu vereinfachen. Sie besteht aus zwei voneinander unabhängigen Teilen. Der erste Teil, die Empfehlung T/R 61-01 ''CEPT Radio Amateur Licence'', regelt den Amateurfunkbetrieb bei einem kurzzeitigen Auslandsaufenthalt. In 31 Ländern<ref name="T/R_61-01">{{Webarchiv |url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=1802 |text=Länderliste zur T/R 61-01 |wayback=20100421230731 |archiv-bot=}}</ref> kann man Funkbetrieb machen, ohne erst eine Lizenz bzw. ein Rufzeichen im Gastland beantragen zu müssen. Im zweiten Teil, der Empfehlung T/R 61-02 ''Harmonised amateur radio examination certificates'', wird die gegenseitige Anerkennung von Amateurfunkzeugnissen festgeschrieben und gleichzeitig werden die Themen vorgegeben, die in einer Amateurfunkprüfung abgeprüft werden müssen, um international anerkannt werden zu können. 21 Länder wenden die T/R 61-02 an.<ref name="T/R_61-02">{{Webarchiv |url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=1803 |text=Länderliste zur T/R 61-02 |wayback=20081002103653 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
Für Deutschland hat die Bundesnetzagentur die beiden o.&nbsp;g. CEPT-Empfehlungen durch die [[Amtsblatt]]-[[Verfügung]] 11/2005<ref> {{Webarchiv|text=Verfügung 11/2005 |url=http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Sachgebiete/Telekommunikation/Regulierung/Frequenzordnung/Amateurfunk/AmtsblattverfuegungenAFu/Vfg112005n228hereEinzeId1320pdf.pdf?__blob=publicationFile |wayback=20120722135523}}</ref> in nationales Recht umgesetzt.<br />
<br />
Beispiel für den Funkbetrieb nach CEPT-Empfehlung im Ausland: Die deutsche Station mit dem Rufzeichen DL1XXX funkt in Spanien (Landes-[[Präfix]] EA). Dann benützt sie dort das Rufzeichen EA/DL1XXX.<br />
Vor Einführung der CEPT-Regulierung musste man für jeden Auslandsaufenthalt im Gastland eine Lizenz beantragen. Die dortige Behörde erteilte ein spezielles Rufzeichen. Jedes Land musste mit der Behörde des anderen Landes ein Abkommen schließen, in dem jeweils die Details festgelegt wurden. Das bedeutete für 30 Länder den Abschluss von 900 zwischenstaatlichen Abkommen. Der CEPT-Regulierung kann jedes neue Land durch einfache Willenserklärung, ohne Verhandlung, beitreten.<br />
<br />
Im Oktober 2005 wurde die ''CEPT Novice Radio Amateur Licence'' geschaffen; sie stellt geringere Anforderungen an die Amateurfunkprüfungen als die ''CEPT Radio Amateur Licence''. Die Prüfungsinhalte sind im ''ERC Report 32'' zusammengefasst, auf deren Grundlage die Lizenzprüfungen gegenseitig anerkannt werden können (analog zur ''T/R 61-02''). Die eigentliche Lizenz ist die Empfehlung ''ECC/REC 05-06'' und wird von zurzeit 22 Ländern (Stand April 2013)<ref name="ECC/REC_05-06">{{Webarchiv|url=http://www.erodocdb.dk/doks/implement_doc_adm.aspx?docid=2136 |wayback=20100902075921 |text=Länderliste zur ECC/REC 05-06 |archiv-bot=2018-08-25 04:18:29 InternetArchiveBot }}</ref> angewandt. Sie regelt – analog zur ''T/R 61-01'' – den Funkbetrieb beim Besuch im Ausland. Die Bundesnetzagentur hat diese beiden Empfehlungen in der Vfg. 93/2005 in deutsches Recht umgesetzt.<br />
<br />
Da es sich bei den CEPT-Lizenzen nur um Empfehlungen handelt, können die einzelnen Länder weitere Auflagen erlassen, also z.&nbsp;B. eine [[Telegraphie]]&shy;prüfung fordern. Maßgeblich ist immer die Rechtslage des Gastlandes.<br />
<br />
=== K-Lizenz ===<br />
In Deutschland wurde für Einsteiger die Einführung einer K-Lizenz mit reduzierten Prüfungen und Privilegien diskutiert. Nach Ablehnung durch das Wirtschaftsministerium sind diese Überlegungen weitestgehend niedergelegt worden. Anfang 2015 wurde das Thema erneut beim [[Runder Tisch Amateurfunk|Runden Tisch Amateurfunk]] diskutiert und wird aktuell weiter verfolgt.<br />
<br />
=== Lehrgänge zur Prüfungsvorbereitung ===<br />
In Deutschland bieten die beiden Amateurfunkverbände [[Deutscher Amateur-Radio-Club|DARC]] und [[Verband der Funkamateure in Telekommunikation und Post|VFDB]] Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Amateurfunkprüfung Klasse&nbsp;E und&nbsp;A sowie praktischen Ausbildungsfunkbetrieb an. Außerdem kann man hier auch eine Empfangsamateurprüfung ablegen und erhält dann ein sogenanntes [[Amateurfunkrufzeichen#Empfangsamateure|DE-Rufzeichen]], unter dem man als [[Funkamateur#SWL|''Short Wave Listener'']] ''(SWL)'' [[QSL-Karte]]n (Funkbestätigungskarten) versenden kann.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in der Schweiz ==<br />
{{Siehe auch|Amateurband#Heute in der Schweiz zugewiesene Frequenzbereiche|titel1=In der Schweiz zugewiesene Frequenzbereiche nach Zeugnisklasse}}<br />
In der Schweiz spricht auch von ''Amateurfunkkonzessionen''.<br />
<br />
Prüfungen sind beim Bundesamt für Kommunikation abzulegen. Die Prüfungsbereiche erstrecken sich über<br />
Technik, Vorschriften, Aufbau und den Betrieb der Funkstation. Lehrgänge zur Prüfungsvorbereitung bietet die [[Union Schweizerischer Kurzwellen-Amateure]] (USKA) an.<br />
<br />
;Einsteiger-Lizenz („HB3-Lizenz“): Die Einsteiger-Lizenz ist ein einfach zu erreichender Zwischenschritt zur Kurzwellen-Lizenz. An der Prüfung werden Vorschriften und einfache, elementare Grundkenntnisse der Elektronik abgefragt. Mit einer Einsteiger-Lizenz darf man Amateurfunkgeräte aus kommerzieller Produktion, mit einer Leistung von max. 50&nbsp;Watt im UKW-Frequenzbereich (144 bis 146&nbsp;MHz und 430 bis 440&nbsp;MHz) benutzen. Seit dem 1. Januar 2008 sind die Kurzwellen-Bänder 160/80/15/10&nbsp;Meter ebenfalls für HB3-Lizenzierte freigegeben. Die max. Leistung wird auf 100&nbsp;Watt begrenzt. Die HB3-Lizenz entspricht der CEPT-Novice-Lizenz nach der Empfehlung ''ECC/REC 05-06''.<ref name="ECC/REC_05-06" /><br />
<br />
;Kurzwellen-Lizenz („HB9-Lizenz“): Nach Ablegen der entsprechenden Prüfung und Erwerb der Lizenz darf man mit großer Leistung auf allen Amateurfunk-Frequenzen senden und selbst gebaute Funkgeräte verwenden. Die HB9-Lizenz entspricht der CEPT-Lizenz nach der Empfehlung ''T/R 61-01''.<ref name="T/R_61-01" /><br />
<br />
;Empfangs-Lizenz („HE-Höramateur“): Man kann auch als „Hörer“ anfangen, um sich mit dem Betrieb auf den Amateurfunk-Bändern vertraut zu machen. Das kommt einem später als Funkamateur mit Einsteiger- oder Kurzwellen-Lizenz zugute. Eine Empfangs-Lizenz erhält man ohne eine Ausbildung und Prüfung über die Union Schweizerischer Kurzwellen-Amateure, früher amtlich über die [[Swisscom#Geschichte|PTT]].<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Österreich ==<br />
[[Datei:Amateurfunkpruefungszeugnis Oesterreich.jpg|mini|Amateurfunkprüfungszeugnis für CEPT Klasse 1]]<br />
{{Siehe auch|Amateurband#Heute_in_Österreich_zugewiesene_Frequenzbereiche.5B2.5D|titel1=In Österreich zugewiesene Frequenzbereiche nach Bewilligungsklasse}}<br />
Die (mündlichen) Prüfungen sind beim örtlich zuständigen Fernmeldebüro (Fernmeldebehörde 1. Instanz) abzulegen. Die Prüfungsbereiche erstrecken sich über die beiden Bereiche „Rechtliche Bestimmungen“ und „Technische Grundlagen und Betrieb“.<br />
<br />
;Bewilligungsklasse 1 (CEPT-Lizenz): Alle zulässigen Frequenzbereiche inkl. Kurzwelle; max. 400&nbsp;W. Alle zulässigen Betriebs- und Sendearten inkl. CW (Morsen)<br />
;Bewilligungsklasse 3: Frequenzbereiche 144–146&nbsp;MHz (2&nbsp;m) und 430–440&nbsp;MHz (70&nbsp;cm) max. 100&nbsp;W. Es dürfen nur kommerziell gefertigte und unmodifizierte Sendeanlagen verwendet werden. Die Lizenz ist nur in Österreich gültig.<br />
;Bewilligungsklasse 4 (CEPT-Novizen-Lizenz): Frequenzbereiche Kurzwelle 160&nbsp;m, 80&nbsp;m, 15&nbsp;m, 10&nbsp;m; UKW: 2&nbsp;m, 70&nbsp;cm max. 100&nbsp;W. Es dürfen nur kommerziell gefertigte und unmodifizierte Sendeanlagen verwendet werden. Die Lizenz ist in allen Ländern gültig, die ebenfalls eine CEPT-Novizen-Lizenz haben.<br />
<br />
== Amateurfunkzeugnis in Polen ==<br />
Um in Polen die Funkanlagen im Amateurfunkdienst bedienen zu dürfen, wird das Amateurfunkzeugnis<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/swiadectwa-amatorskie-4390 |titel=Świadectwa w służbie radiokomunikacyjnej amatorskiej - UKE |werk=www.uke.gov.pl |zugriff=2016-04-15 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160415050413/http://www.uke.gov.pl/swiadectwa-amatorskie-4390 |archiv-datum=2016-04-15 |offline=ja |archiv-bot=2018-08-25 04:18:29 InternetArchiveBot }}</ref> (poln. Świadectwo operatora urządzeń radiowych w służbie amatorskiej) benötigt. Die Zeugnisse werden in zwei Klassen erteilt:<br />
* Klasse A – berechtigt den Inhaber zum Bedienen von Amateurfunkanlagen, welche in allen in Polen freigegebenen Frequenzbereichen arbeiten können. Des Weiteren ermöglicht dieses Zeugnis dem Inhaber, ein Antrag auf die Amateurfunkgenehmigung der Klasse 1 zu stellen und somit ein Rufzeichen zugeteilt zu bekommen. Das Amateurfunkzeugnis der Klasse A erfüllt den international anerkannten HAREC Standard und entspricht der CEPT-Amateurfunkgenehmigung gemäß der CEPT-Empfehlung T/R 61-01. Der Antragsteller muss mindestens 15 Jahre alt sein, um das Zeugnis der Klasse A ausgestellt zu bekommen.<br />
<br />
* Klasse C – berechtigt den Inhaber zum Bedienen von Amateurfunkanlagen, welche in folgenden Frequenzbereichen arbeiten können: 1810–2000 kHz, 3500–3800 kHz, 7000–7200 kHz, 14000–14350 kHz, 21000–21450 kHz, 28000–29700 kHz, 144–146 MHz 430–440 MHz und 10–10,5 GHz. Des Weiteren macht dieses Zeugnis dem Inhaber möglich den Antrag auf die Amateurfunkgenehmigung der Klasse 3 zu stellen und somit den Rufzeichen zugeteilt zu bekommen. Das Zeugnis der Klasse C erfüllt die ECC-Empfehlung (05)06. Der Antragsteller muss mindestens 10 Jahre alt sein, um das Zeugnis der Klasse C ausgestellt zu bekommen.<br />
<br />
=== Prüfung ===<br />
Die in Polen für den Amateurfunkdienst zuständige Behörde heißt Urząd Komunikacji Elektronicznej<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/ |titel=UKE - Strona Główna - UKE |werk=www.uke.gov.pl |zugriff=2016-04-15}}</ref> (Abkürzung UKE). Die Amateurfunkprüfungen sind in Polen vor der Kommission von UKE abzulegen. Die Prüfung besteht aus zwei Teilen:<br />
* In dem ersten (schriftlichen) Teil werden die folgenden Prüfungsteilen* geprüft:<br />
# Technik<br />
# Sichere Arbeit und Bedienung der Elektronischen Geräte<br />
# Betriebstechnik<br />
# Vorschriften und Gesetzkunde<br />
<nowiki>*</nowiki>bei den Prüfungen für Zeugnisse der Klasse C werden weniger Fragen abgefragt, als das bei der Prüfung für das Zeugnis der Klasse A der Fall ist.<br />
* In dem zweiten (praktischen) Teil der Prüfung wird die korrekte Abwicklung des Funkverkehrs geprüft. Es wird meistens eine QSO Simulation zwischen dem Prüfer und dem Prüfling durchgeführt. Getestet werden die Kenntnisse des Q-Schlüssels, die korrekte Aussprache des ICAO-Funkalphabetes und die Kenntnisse der ITU-Präfixe<br />
<br />
Bei der Prüfung sind maximal 25 Punkte zu erreichen – pro Bereich maximal 5 Punkte. Die Prüfung ist dann als bestanden anzusehen, wenn der Prüfling in jedem Bereich mindestens 3 Punkte bekommt. Sollte der Prüfling bei der Prüfung durchfallen, so kann er die Bereiche, in denen er weniger als 3 Punkte erreicht hat, innerhalb eines Jahres nachholen.<br />
<br />
Die Zulassung zur Prüfung und die Ausstellung des ersten Zeugnisses kostet 75 PLN für Klasse A und 50 PLN für Klasse C. Ausstellung eines neuen Zeugnisses(ohne Prüfung) kostet 15 PLN<br />
<br />
=== Amateurfunkgenehmigungen ===<br />
In Polen werden zwei Grundkategorien der Amateurfunkgenehmigungen<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uke.gov.pl/pozwolenia-amatorskie-4266 |titel=Pozwolenia amatorskie - UKE |werk=www.uke.gov.pl |zugriff=2016-04-15 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20160415050418/http://www.uke.gov.pl/pozwolenia-amatorskie-4266 |archiv-datum=2016-04-15 |offline=ja |archiv-bot=2018-08-25 04:18:29 InternetArchiveBot }}</ref> ausgestellt, je nach dem von den Antragsteller vorgelegten Amateurfunkzeugnis.<br />
<br />
==== Kategorie 1 ====<br />
Die Funkgenehmigung der Kategorie 1 ermöglicht dem Inhaber den Betrieb mit maximal 500 Watt Sendeleistung mit allen zulässigen Betriebs- und Sendearten inkl. CW (Morsen) in allen in Polen für den Amateurfunkdienst zugelassenen Frequenzbereichen.<br />
<br />
==== Kategorie 3 ====<br />
Die Funkgenehmigung der Kategorie 3 ermöglicht dem Inhaber den Betrieb mit maximal 100 Watt Sendeleistung mit allen zulässigen Betriebs- und Sendearten in folgenden in Polen für den Amateurfunkdienst zugelassenen Frequenzbereichen: 1810–2000 kHz, 3500–3800 kHz, 7000–7200 kHz, 14000–14350 kHz, 21000–21450 kHz, 28000–29700 kHz, 144–146 MHz, 430–440 MHz und 10–10,5 GHz.<br />
<br />
Die Gültigkeitsdauer der Genehmigungen (sowohl der Kategorie 1, als auch 3) liegt bei 10 Jahren.<br />
<br />
==== Andere Genehmigungsarten ====<br />
<br />
===== Kategorie 5 =====<br />
Funkgenehmigung im Amateurfunkdienst, welche den Inhaber berechtigt die automatische Funkstation zu betreiben. Sendeleistung je nach Genehmigung.<br />
<br />
===== Kategorie T – zusätzliche Genehmigung =====<br />
Zusätzliche Funkgenehmigung wird nur dem Inhaber einer Genehmigung der Kategorie 1 erteilt. Maximale zugelassene Sendeleistung liegt bei 1500 Watt. Diese Kategorie der Genehmigung kann maximal ein Jahr gültig sein.<br />
<br />
Die Erteilung der Amateurfunkgenehmigung kostet immer 82 PLN.<br />
<br />
=== Rufzeichen ===<br />
Die Rufzeichen<ref>{{Internetquelle |url=https://amator.uke.gov.pl/?locale=en |titel=Verzeichnis der aktiven Rufzeichen Polens |autor= |hrsg= |werk= |datum= |zugriff=2016-04-15}}</ref> setzten sich in Polen wie folgt zusammen:<br />
# Präfix – zur Auswahl stehen Präfixe HF, SN, SO, SP, SQ, SR, 3Z<br />
# Zahl von 0 bis 9<br />
# Kombination maximal<br />
## 7 Zeichen, darunter Buchstaben und Ziffern. Als letztes Zeichen muss immer Buchstabe stehen – bei der Kategorie T<br />
## 4 Zeichen, darunter Buchstaben und Ziffern. Als letztes Zeichen muss immer Buchstabe stehen – bei weiteren Kategorien<br />
Das Präfix SR ist ausschließlich für die Rufzeichen der Kategorie 5 freigegeben.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Eckart Moltrecht]]: ''Amateurfunklehrgang TECHNIK für das Amateurfunkzeugnis Klasse E'', 8. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2011, ISBN 978-3-88180-364-9<br />
* Eckart Moltrecht: ''Amateurfunklehrgang TECHNIK für das Amateurfunkzeugnis Klasse A'', 5. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2010, ISBN 978-3-88180-389-2<br />
* Eckart Moltrecht: ''Amateurfunk-Lehrgang, Betriebstechnik und Vorschriften für das Amateurfunkzeugnis'', 5. Auflage, Verlag für Technik und Handwerk 2010, ISBN 978-3-88180-803-3<br />
* Christoph Grandt, Stratis Karamanolis: ''So werde ich Funkamateur'', Elektra Verlag ISBN 3-922238-15-7<br />
* Hans H. Cuno (DL2CH): ''Vorbereitung auf die Amateurfunk Lizenz Prüfung'', frech Verlag ISBN 3-7724-5402-X<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Amateur radio licenses|Amateurfunkzeugnisse}}<br />
* [http://www.darc.de/ausbildung/ Amateurfunklehrgänge Deutschland]<br />
* [http://www.oevsv.at/opencms/newcomer/Kurse/ Amateurfunklehrgänge Österreich]<br />
* [https://www.uska.ch/einsteiger/der-weg-zur-lizenz/ausbildungskurse/ Amateurfunklehrgänge Schweiz]<br />
* [https://www.afup.a36.de/links/links.html Links] zum Thema nicht nur für Deutschland, Österreich und die Schweiz.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Rechtshinweis}}<br />
<br />
[[Kategorie:Amateurfunkrecht|Zeugnis]]<br />
[[Kategorie:Dokument]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Essig&diff=222856100Essig2022-05-14T03:48:35Z<p>Designer2k2: /* Submersverfahren (Acetatorverfahren) */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt das Würz- und Konservierungsmittel. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Essig (Begriffsklärung)]].}}<br />
[[Datei:Essig-1.jpg|mini|[[Aceto balsamico]], Rot- und Weißweinessig]]<br />
[[Datei:Vinegar infused with oregano.jpg|mini|Weißweinessig mit Oregano]]<br />
[[Datei:Barrels vinegar.jpg|mini|Lagerung von [[Balsamessig]] in Holzfässern]]<br />
'''Essig''' (von mittelhochdeutsch ''ezzich''; [[Latein|lateinisch]] '''Acetum''') ist ein [[Gustatorische Wahrnehmung#Die Geschmacksqualitäten|sauer]] schmeckendes [[Gewürz|Würz-]] und [[Konservierungsmittel]], das durch [[Fermentation]] [[Ethanol|alkoholhaltiger]] [[Flüssigkeit]]en mit [[Acetobacteraceae|Essigsäurebakterien]] ([[Essigmutter]]) hergestellt wird. Essig ist im Wesentlichen eine verdünnte Lösung von [[Essigsäure]] in Wasser.<br />
<br />
Die Essigaufbereitung zählt zu den ältesten [[Lebensmittel]]herstellungsverfahren der Menschheit. In Deutschland darf Speiseessig nach der ''Verordnung über den Verkehr mit Essig und Essigessenz'' von 1972<ref name="gesetz">Gesetze im Internet: [https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/essigv/gesamt.pdf Verordnung über den Verkehr mit Essig und Essigessenz, 25. April 1972, zuletzt geändert am 5. Juli 2017.] (PDF; 35&nbsp;kB), abgerufen am 16. August 2019.</ref> zwischen 5 % und maximal 15,5 % [[Essigsäure]] enthalten; Essigessenz für den allgemeinen Verkauf maximal 25 %, ansonsten bis 80 %. Essig aus dem Handel hat meistens eine Essigsäurekonzentration von 5 % bis 6 %. Auch mit Wasser verdünnte Essigsäure oder Essigessenz wird oft als Essig bezeichnet, muss jedoch als solche deklariert werden. Essig enthält höchstens geringe Mengen (0,2–1,5 %)<ref name="mazetti">[https://mazzettioriginale.de/produkte/weinessig/ Mazetti: Wie viel Alkohol hat Weinessig?]</ref> an [[Ethanol|Alkohol]]. Eisessig ist hochkonzentrierte Säure (99 bis 100 %), die dementsprechend sehr wenig oder gar kein Wasser enthält. Der Trivialname rührt daher, dass reine Essigsäure schon bei 16 Grad Celsius zu eisartigen Kristallen erstarrt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Viele [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkulturen]] des Altertums –&nbsp;[[Altes Ägypten|Ägypter]], [[Perserreich|Perser]], [[Römisches Reich|Römer]], [[Griechen]] und [[Babylonier]]&nbsp;– stellten bereits Essig her. Essig, aus sauer gewordenen Fruchtsäften, Wein oder Bier gewonnen, war, mit Wasser gemischt, als kühlendes Getränk geschätzt. Es gibt Überlieferungen aus [[Mesopotamien]], in denen von „saurem Bier“ die Rede ist. Dieses Produkt, von den Ägyptern „Hequa“ genannt, wurde aus [[Gerste]] gebraut und durch den Essigstich sauer. [[Römische Legion]]äre hatten ein Gemisch aus Wasser und Essig in ihren Feldflaschen, das sie „[[Posca]]“ nannten, oft wurde das [[Trinkwasser]] dieser Zeit so erst genießbar.<br />
[[Datei:Fotothek df tg 0008625 Ständebuch ^ Beruf ^ Handwerk ^ Brenner ^ Branntwein.jpg|mini|Der [[Hefner]] (Essig-Hersteller)]]<br />
Die [[Heilmittel|medizinische Anwendung]] von Essig bei [[Atemwegserkrankung]]en und [[Verdauung]]sbeschwerden ist schon durch [[Hippokrates von Kos|Hippokrates]] überliefert. [[Lucius Iunius Moderatus Columella|L.&nbsp;J.&nbsp;M. Columella]], der bedeutendste Ackerbauschriftsteller des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, berichtet in seinem Werk „[[De re rustica (Columella)|De re rustica]]“ sehr ausführlich über die Möglichkeiten, Essig herzustellen. Seine Ausgangsstoffe waren [[Wein]], [[Echte Feige|Feigen]] und [[Gerste]].<br />
[[Datei:Toulouse - Musée Paul-Dupuy - 20110909 (1).jpg|mini|Historische Flasche für [[Vierräuberessig]] oder Pestessig, galt als Schutzmittel gegen ansteckende Krankheiten und wird auch jetzt noch zum Räuchern von Krankenzimmern benutzt.]]<br />
<br />
Im [[Mittelalter]] galt insbesondere Kräuteressig als Heilmittel. [[Hildegard von Bingen]], [[Nostradamus]] und [[Florenz von Venningen]] berichten in ihren Schriften über die Wirkungsweise und Verwendung der im ''acetum sanum'' extrahierten Heilpflanzen. In der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Heilkunde fand auch der aus Essig und Zucker hergestellte '''Essigzucker''' (lateinisch ''oxisaccharum'')<ref>Vgl. etwa Otto Zekert (Hrsg.): ''Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570.'' Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 150 (''Oxysaccharum'').</ref> Verwendung. Vorwiegend zur [[Desinfektion]] wurde damals der menschliche Körper verschiedenen Einreibungen mit Essig unterzogen. Noch im 18. Jahrhundert versuchte man, der [[Pest]] mit [[Pestessig]] beizukommen. Behälter und Geräte, die in der Medizin Verwendung fanden, wurden mit Essig gereinigt. Ab dem 16. Jahrhundert wurden die ersten [[Steuer]]n auf Produkte mit oder aus Essig erhoben. Vor allem das Einlegen von Gemüse in Essig und die Herstellung von [[Marinieren|Marinade]]n für Salate war damals in [[Frankreich]] sehr beliebt.<br />
<br />
In der [[Schönheit]]spflege diente Essig wegen seiner reinigenden und desinfizierenden Wirkung bis hin zur Behandlung hartnäckiger [[Hautkrankheit]]en. Heute noch berühmt ist der [[Veilchen]]blüten-Essig der Kaiserin [[Elisabeth von Österreich-Ungarn|Sisi]]. Heute wird Essig vor allem als [[Konservierungsmittel|Konservierungs-]], [[Gewürz|Würz-]] und Genussmittel verwendet.<br />
<br />
== Essig-Arten ==<br />
Essige unterscheidet man zum einen nach den Herstellungsarten, zum anderen nach den dabei genutzten Grundstoffen. Hinsichtlich der Herstellung wird grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Herstellungsarten unterschieden. Zum einen kann Essig auf dem Wege der Fermentierung unter Nutzung von Essig-Bakterien hergestellt werden, zum anderen durch Verdünnung von Essig-Essenz. Essig-Essenz zeichnet sich durch einen Säuregehalt von 25 % bis 80 % aus und wird auf der Basis von Essig-Säure hergestellt (Säureessig), die entweder natürlich durch die Verarbeitung von Holzabfällen (Holzessig), insbesondere Buchen-Holz, oder aber synthetisch gewonnen wird. Industrieessige sind synthetisch hergestellte Essige.<br />
[[Datei:Producing Black Vinegar at Fukuyama.jpg|mini|Traditionelle Herstellung des Schwarzen Essigs in [[Kirishima]], Japan, 2009.]]<br />
=== Gärungsessige ===<br />
Die Gärungsessige, korrekt jedoch [[Fermentierung]]sessige, unterscheidet man nach dem Grundstoff, der als Ausgangsmaterial für die alkoholische und die anschließende Essigsäure-Fermentierung genutzt wird.<br />
<br />
{| class="wikitable sortable"<br />
<br />
|+Tabellarischer Überblick über Essig-Sorten (Gärungsessige, ohne Ansatzessige) (zusammengestellt&nbsp;unter&nbsp;Nutzung&nbsp;von<ref name="lexikon">Anne Iburg: ''DuMonts kleines Lexikon Essig & Öl – Herkunft – Geschmack – Verwendung – Rezepte''. DuMont monte Verlag, Köln, ISBN 3-8320-8795-8.</ref><ref name="kocha">[http://www.kocha.de/ratgeber/essigsorten.php Essigsorten], Kocha, abgerufen am 8. Mai 2011.</ref><ref name="dorling">Elisabeth Lambert Ortiz: ''Essig''. In: ''Kräuter, Gewürze & Essenzen: Das Handbuch für die Küche''. Dorling Kindersley Verlag, 2011, ISBN 978-3-8310-9099-0, S.&nbsp;230–231.</ref>)<br />
<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! width="15%"| Essig-Art<br />
! width="25%"| Essig-Sorte<br />
! width="20%"| Grundstoff<br />
! width="40%" class="unsortable"| Bemerkungen<br />
|-<br />
<br />
| [[Branntweinessig]]<br />
| Branntweinessig oder Spritessig, Österreich: Weingeistessig<br />
| data-sort-value="Branntwein" | Verdünnter Branntwein, Branntwein-Maische (Zuckerrüben u.&nbsp;a.)<br />
|<br />
* nur sauer und ohne eigenes Aroma<br />
* gilt als universeller Essig<br />
* farblos<br />
* meistproduzierter Essig in Deutschland<br />
* 5 % Säureanteil (Sprit bis 14 % Säure)<br />
|-<br />
<br />
| Branntweinessig<br />
| Kartoffelessig<br />
| data-sort-value="Kartoffeln" | Vergorene Kartoffeln, Kartoffelbrand<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Branntweinessig<br />
| Wodkaessig<br />
| Wodka<br />
|<br />
* 5 % Säure, in Russland verbreitet<br />
|-<br />
<br />
| Branntweinessig<br />
| Zuckerrohressig<br />
| Zuckerrohr<br />
|<br />
* in Asien und Mittelamerika verbreitet<br />
|-<br />
<br />
| Branntweinessig<br />
| Whiskyessig<br />
| Whisky<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Weinessig<br />
| Rotweinessig<br />
| data-sort-value="Traubenwein, rot" | Roter Traubenwein<br />
|<br />
* Mindestens 6 % Säureanteil<br />
* kann bis zu 0,5 Vol.-% Restalkohol enthalten<br />
* Ausgangsprodukt Wein ist definiert laut Weingesetz<br />
|-<br />
<br />
| Weinessig<br />
| Weißweinessig<br />
| data-sort-value="Traubenwein, weiss" | Weißer Traubenwein<br />
|<br />
* Mind. 6 % Säureanteil<br />
* kann bis zu 0,5 Vol.-% Restalkohol enthalten<br />
* Ausgangsprodukt Wein ist definiert laut Weingesetz<br />
|-<br />
<br />
| Weinessig<br />
| Sherryessig<br />
| [[Sherry]]<br />
|<br />
* Spezialität aus Spanien<br />
* mindestens 7 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Weinessig<br />
| Champagneressig<br />
| Champagner<br />
|<br />
* Spezialität aus Frankreich (Champagne)<br />
* 6 % bis 8 % Säure<br />
* enthält auch Alkohol<br />
|-<br />
<br />
| Weinessig<br />
| Winzeressig<br />
| data-sort-value="Wein, hochwertig" | Hochwertiger Wein<br />
|<br />
* Edelessig<br />
|-<br />
<br />
| Balsamessig<br />
| [[Aceto balsamico|Aceto-Balsamico-Essig]]<br />
| data-sort-value="Traubensaft" | Eingekochter Traubensaft<br />
|<br />
* Spezialität aus Norditalien (Modena und Reggio Emilia)<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| [[Apfelessig]], Cidre-Essig<br />
| data-sort-value="Apfel" | Äpfel, Apfelsaft, Most, Apfelwein<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
* mild säuerlich und fruchtig<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Birnenessig<br />
| data-sort-value="Birne" | Mostbirnen, Birnensaft<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
* fruchtiger Geschmack<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Himbeeressig<br />
| data-sort-value="Himbeere" | mit Himbeeren aromatisiert<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Erdbeeressig<br />
| data-sort-value="Erdbeere" | mit Erdbeeren aromatisiert<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Johannisbeeressig<br />
| data-sort-value="Johannisbeere" | Vergorene Johannisbeeren<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Pflaumenessig<br />
| Pflaumen<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Kirschessig<br />
| Kirschen<br />
|<br />
* Mind. 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Traubenessig<br />(Rosinenessig, Dattelessig, Feigenessig)<br />
| Rosinen, Datteln, Feigen<br />
|<br />
* Besonders in muslimischen Gebieten<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Kokosessig<br />
| Palmwein aus Kokosblütenzucker<br />
|<br />
* Speziell in der südostasiatischen Küche genutzt<br />
|-<br />
<br />
| Frucht- oder Obstessig<br />
| Bananenessig<br />
| data-sort-value="Banane" | Kochbananen<br />
|<br />
* Speziell in Südamerika und Südostasien<br />
|-<br />
<br />
| Getreideessig<br />
| Malzessig<br />
| Malz, Gerste-Maische<br />
|<br />
* Beliebt in Skandinavien und in England (''malt vinegar'')<br />
* speziell zu „[[Fish and Chips]]“<br />
* oft als Einmachessig genutzt<br />
|-<br />
<br />
| Getreideessig<br />
<br />
| Bieressig<br />
| Bier, Biermaische<br />
|<br />
* Enthält Vitamin B2 und Eiweiß, riecht und schmeckt nach Bier<br />
|-<br />
<br />
| Gemüseessig<br />
| Tomatenessig<br />
| Tomaten<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Gemüseessig<br />
| Gurkenessig<br />
| data-sort-value="Gurke" | Eingedickter Gurkensaft<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Gemüseessig<br />
| Möhrenessig<br />
| data-sort-value="Möhre" | Möhren<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Gemüseessig<br />
| Rote-Bete-Essig<br />
| Rote Bete<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| Gemüseessig<br />
| Spargelessig<br />
| Spargel<br />
|<br />
* 5 % Säure<br />
|-<br />
<br />
| [[Reisessig]]<br />
| Weißer und dunkler Reisessig<br />
| Reis, Reiswein<br />
|<br />
* 2 % bis 4 % Säure<br />
* mild im Geschmack<br />
* wird zum Würzen asiatischer Speisen benutzt<br />
* insbesondere für Sushi-Reis<br />
|-<br />
<br />
| Molkenessig<br />
| Molkenessig (Milchserumessig)<br />
| Molke<br />
|<br />
* Schweizer Spezialität<br />
* wird auch in Frankreich und in Österreich hergestellt<br />
* enthält neben Essigsäure auch Milchsäure<br />
|-<br />
<br />
| Honigessig<br />
| Honigessig<br />
| data-sort-value="Honig" | Vergorener Honig, Met<br />
|<br />
* Französische Spezialität<br />
* 5 % Säure<br />
* goldene Farbe<br />
|}<br />
<br />
=== Aromatisierte Essige oder Ansatzessige ===<br />
Als ''Aceta'' (Mehrzahl von ''Acetum'') wurden (in der [[Pharmazie]]) schon früher Auszüge von [[Droge (Pharmazie)|Drogen]] mit Weinessig bezeichnet.<ref>Otto Zekert (Hrsg.): ''Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570.'' Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 133.</ref> Nach der Herstellung kann Essig mit Gewürzen, Kräutern oder Früchten versetzt werden, um seinen Geschmack zu beeinflussen. Oft werden Salbei, Estragon, Knoblauch, Brombeeren oder Himbeeren verwendet. Ebenso sind Mischungen üblich. Branntweinessig, Wein- und Obstessige eignen sich als Basisessige für diese sogenannten Ansatzessige oder aromatisierten Essige. Kräuter- und Gewürzessige gehören zu den Ansatzessigen, ebenso Essige mit einer Aromamischung von unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten.<br />
<br />
== Herstellungsverfahren ==<br />
[[Datei:Essig-Herstellung Berlin.jpg|mini|Industrielle Essigherstellung: Drei große Holzbottiche nehmen die Gärflüssigkeit auf.]]<br />
[[Datei:Wiener Essigbrauerei 30.JPG|mini|Bottich in der Wiener Essigbrauerei]]<br />
<br />
Als Grundlage für die Essigherstellung können alkoholhaltige Flüssigkeiten, beispielsweise Wein, [[Apfelmost]], [[Bier]], [[Reiswein]], auch [[Malz]]sud oder zuckerhaltige Flüssigkeiten wie Traubensaft beispielsweise für den [[Aceto balsamico]] di Modena dienen. Überwiegend jedoch wird Essig aus verdünntem reinen destillierten Alkohol ([[Agraralkohol]]) oder aus [[Verarbeitungswein]] in Form des sogenannten „White vinegar“ hergestellt. Aus destilliertem Alkohol gewonnener Essig wird Branntweinessig genannt.<br />
<br />
Für die Herstellung von Malzessig wird zunächst eine [[Maischen#Getreidemaische|Getreidemaische]] vorzugsweise aus [[Mälzen|gemälzter]] [[Gerste]] [[Schrot (Getreide)|geschrotet]] und mit heißem Wasser vermischt. Durch enzymatische Prozesse bei diesem Maischen wird [[Amylose]] in Malzzucker [[Maltose]] und Traubenzucker ([[Glucose]]) umgewandelt. Dabei entstehen auch andere [[Zuckerart]]en. Über einen perforierten Boden wird die zuckerreiche Flüssigkeit abgetrennt und gesammelt. Dieser Malzextrakt wird ungehopft<ref>[http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Essig ''Essig''.] In: ''Meyers Großes Konversations-Lexikon'', 6. Auflage, 1905–1909, S. 119.</ref> abgekühlt und mit Hefe ([[Saccharomyces cerevisiae]]) versetzt, die den Zucker zu Alkohol und Kohlendioxid vergärt. Die daraus entstehende Flüssigkeit bildet das Substrat für die Veressigung. Für die Qualität des Malzessigs ist das Verhältnis von vergärbaren Zuckern und unvergärbaren Zuckern ausschlaggebend. Die unvergärbaren Zucker bilden die für Malzessig typischen Aromakomponenten.<br />
<br />
Der Vorgang wird oft als [[Essigsäuregärung|Essigsäure-„Gärung“]] bezeichnet, korrekt bezeichnet ist er jedoch eine Fermentation. Er ist eine teilweise „Veratmung“, da dabei Sauerstoff aus der Luft nötig ist, im Gegensatz zur alkoholischen [[Gärung]]. Daher kann Essig nicht in geschlossenen, ungelüfteten Behältern produziert werden. Für die Herstellung gibt es mehrere Verfahren.<br />
<br />
=== Orléans-Verfahren (Oberflächenverfahren) ===<br />
Das ''Orléans-Verfahren'' ist die Bezeichnung für die offene Herstellungsweise bei der die Ausgangsflüssigkeit mit [[Essigmutter|Essigbakterien]] geimpft wird. Der Fermentationsvorgang wird in offenen Kesseln sich selbst überlassen. Die Produktion wird in warmen Räumen für eine beschleunigte Reaktion durchgeführt. Nach einiger Zeit bildet sich auf der Flüssigkeitsoberfläche eine [[Kahmhaut]] der alkoholverwertenden Bakterien, die sog. [[Essigmutter]]. So verwandelt sich das alkoholische Ausgangsprodukt langsam in das Oxidationsprodukt Essig. Ist der Alkohol vollständig in Essigsäure umgewandelt, wird der Essig unter der Haut vorsichtig abgelassen. Teilweise wird der Essig danach in Fässern gelagert, wodurch sich sein Aroma durch Reifungsprozesse nochmals verbessert. Dieses Verfahren ist zeitaufwändiger als das Schnellessigverfahren, birgt die Gefahr der „Fehlgärung“ und eignet sich nicht für große Mengen.<br />
<br />
Dieses ursprüngliche Verfahren wurde vermutlich zufällig entdeckt, da Wein, der offen steht, früher oder später von selbst zu Essig werden kann. Die Ursache wurde erst im 19. Jahrhundert entdeckt, als [[Louis Pasteur]] den Beweis dafür erbrachte, dass kleine Lebewesen, die man mit bloßem Auge nicht erkennen kann, diesen Umwandlungsprozess vollziehen. In seiner 1868 veröffentlichten Arbeit ''Études sur le vinaigre'' schrieb er, die „Essigsäuregärung“ sei ein biologischer Prozess, der von bestimmten Bakterien, ''Acetobacter'' oder Gluconobacter genannt, durchgeführt wird. Diese „wilden“ überall vorhandenen Essigbakterien finden sich bei offener Lagerung meist selbst ein, auch die [[Essigfliege]] kann Überträger der Bakterien sein.<br />
<br />
=== Schnellessig- und Spanbildnerverfahren (Generatorverfahren) ===<br />
Von den Personen, die versuchten, die Essigherstellung zu verbessern –&nbsp;also vor allem zu beschleunigen&nbsp;–, ist [[Sebastian Karl Schüzenbach]] zu nennen. Er führte das Schnellessigverfahren ein: Da Essigbakterien [[aerob]] arbeiten, hilft ihnen ein schwimmendes Trägermaterial, in der Regel Holzspäne, aber auch Kunststoffkügelchen, auf denen sich die Bakterien ansiedeln und festheften. Da die Essigmutter auf dem Trägermaterial „gefesselt“ wird, nennt man das Verfahren auch ''Fesselverfahren.'' Die Späne vergrößern die Oberfläche an der sich die Essigbakterien ansiedeln können, und die größere Menge an Bakterien beschleunigt die Umwandlung.<br />
<br />
Bei dem ''Rundpump-'' oder ''Umwälzverfahren'' werden die Späne in einem zylindrischen Behälter (''Essiggenerator'' oder ''Großraumbildner''), dem sogenannten Spanbildner,<ref name="fass">: [http://www.vomfass-wien.at/wissen/wie-entsteht-essig.html ''Wie entsteht Essig?''] Vom Fass Wien, abgerufen am 8. Mai 2011.</ref> beständig mit der Ausgangsflüssigkeit (Maische) überrieselt. Von unten wird die von den Bakterien benötigte Frischluft eingeblasen. Dieses Verfahren eignet sich zur großtechnischen Herstellung, die Fermentation kann innerhalb weniger Tage bis Wochen abgeschlossen werden. Nachteil ist der hohe Aufwand, da Temperatur und Belüftung ständig reguliert werden müssen. Bei zu starkem Lufteintrag kann es zu Aromaauswaschungen kommen.<br />
<br />
Ein neues Fesselverfahren ersetzt die Späne durch Keramikscherben. Das verbilligt die Produktion, da die Keramik praktisch unbegrenzt verwendbar ist.<br />
<br />
=== Submersverfahren (Acetatorverfahren) ===<br />
[[Datei:Wiener Essigbrauerei 40.JPG|mini|Ganz rechts ein vollautomatisierter [[Bioreaktor|Fermenter]] der Firma [[Heinrich Frings (Unternehmen)|Heinrich Frings]].]]<br />
[[Submersfermentation|Submersverfahren]], wie jenes von [[Otto Hromatka]],<ref>San Chiang Tan: {{Webarchiv |url=http://etd.lsu.edu/docs/available/etd-11092005-152334/unrestricted/Tan_thesis.pdf |text=''Vinegar Fermentation''. |wayback=20120905113935 |format=PDF; 2,5MB |archiv-bot=}} Master’s Thesis. Louisiana State University 2005.</ref> arbeiten ohne Trägermaterial, die Bakterien sind direkt in der Flüssigkeit suspendiert (sozusagen untergetaucht, daher auch der Name des Verfahrens). Die Produktion dauert je nach Technik im [[Venturi-Verfahren]] zwei bis drei Tage oder in Turbinenanlagen 24 Stunden. Turbinenanlagen bringen bei der industriellen Alkoholessiggewinnung die besten Ergebnisse, Venturiverfahren erhalten die Farbe und den Fruchtcharakter besser. Durch die kurze Produktionszeit ist eine hohe Wirtschaftlichkeit gegeben, weshalb die meisten Essigproduzenten weltweit auf das Turbinenverfahren umstellen. Die Luftzufuhr wird gesteuert, da es durch zu starken Lufteintrag bei frühen Systemen zu Aromaauswaschungen gekommen ist. Bei Submersverfahren führt die Reinheit der verwendeten Essigkulturen zu sehr reintönigen Essigen, die bei Fesselverfahren durch die Vermischung mit anderen Bakterien nicht erreicht werden können.<br />
<br />
=== Soleraverfahren ===<br />
Das [[Solera-System]], auch Soleraverfahren genannt, ist eine klassische Vorgehensweise. Hierbei wird die Ausgangsessenz von Wein-Essig, welche beispielsweise nach dem Orléans-Verfahren hergestellt wurde, weiter veredelt, indem man in sogenannten ''Criaderas'' (übereinander liegenden Fassreihen) jeweils den schon gealterten Jungessig mit einem bestimmten Prozentsatz von frischem [[Traubenmost]] der neuen Ernte ansetzt. Dieses Verfahren funktioniert in der Regel so, dass nur in der obersten Fassreihe die Menge frisch zugesetzt wird, welche vorher für die nächstuntere Reihe entnommen worden ist. Dieses System setzt sich kontinuierlich bis in die unterste Fassreihe fort, wobei nur in der obersten Reihe zur Impfung frische Flüssigkeit zugesetzt wird. In die Fässer darunter kommt jeweils die schon teilgealterte Essenz. In den Fässern der untersten Reihe befindet sich immer das fertige Produkt. Natürlich ist es im Zuge der Vergrößerung oder Erneuerung von solchen Fasslagern nicht immer möglich, das Verfahren nach dem klassischen System beizubehalten, weshalb man die Essenzen auch öfter umpumpt oder die Fassreihen der ersten Jahrgänge gegenüber denen der Folgejahrgänge platziert.<br />
[[Datei:vinegar desserts.jpg|mini|Drei Desserts aus der Emilia-Romagna mit „Balsamico tradizionale“: [[Zabaione]], [[Crème caramel|Latte alla portoghese]] und [[Panna cotta]].]]<br />
<br />
== Verwendung ==<br />
[[Datei:Kaiserin Elisabeth im Morgenlicht.jpg|mini|Zu [[Elisabeth von Österreich-Ungarn|Sisis]] Schönheitsmitteln gehörte ein Veilchenessig]]<br />
Die Anwendungsbereiche von Essig sind sehr vielfältig. Unter anderem wird er eingesetzt als<br />
* [[Würzessig|Würzmittel]], überwiegend für [[Salat (Speise)|Salate]] und in Essig eingelegtes [[Gemüse]] und [[Obst]], [[Mixed Pickles]],<br />
* wichtige Zutat bei der Herstellung von [[Senf|Tafelsenf]],<br />
* [[Aperitif]] oder [[Digestif]] pur,<br />
* mit Wasser oder Säften verdünntes [[Erfrischungsgetränk]], die alten Römer nannten es [[Posca]],<br />
* [[Konservierungsmittel]],<br />
* [[Desinfektionsmittel]],<ref>Duan SM, Zhao XS, Wen RF, Huang JJ, Pi GH: ''Stability of SARS coronavirus in human specimens and environment and its sensitivity to heating and UV irradiation.'' Biomed Environ Sci. September 2003;16(3): S.&nbsp;246–255. PMID 14631830.</ref><br />
* [[Naturheilmittel]] ([[Apfelessig]])<br />
* [[Kosmetikum]], ({{INCI|Name=VINEGAR |ID=92471 |Abruf=2021-09-16}}) Vinaigre de Toilette, in der Parfümerie wurden Rosenessig, Orangenblütenessig und andere blumige Duftessige angesetzt, aufgrund seiner natürlichen desinfizierenden Eigenschaften wurden sie zur Pflege von Gesichts- und Kopfhaut verwendet.<br />
* Reinigungsmittel, zur Entfernung von Urinstein und Kalkablagerungen<br />
<br />
Einfache Essigsorten und handelsübliche Essigkonzentrate bis 30 % eignen sich neben der Zubereitung von Speisen auch gut zur Entkalkung von [[Kochtopf|Kochtöpfen]] und elektrischen Schnellkochern. Durch Erwärmung bis zum Kochen wird die Wirkung beschleunigt. Werden konzentriertere Essige wie [[Essigsäure|Essigessenz]] eingesetzt, ist erhöhte Vorsicht geboten.<br />
<br />
== Film ==<br />
* ''Gib ihm Saures – In der Welt der Essige.'' Dokumentarfilm, Deutschland, 2011, 29 Min., Buch und Regie: Gerd Ries, Produktion: [[SWR]], Reihe: Essgeschichten, Erstsendung: 24. August 2011 bei arte, [http://programm.ard.de/TV/einsplus/2013/04/23/essgeschichten/eid_287239811747567 Inhaltsangabe] von SWR.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Alfred Wagner: ''Die Herstellung von Essigsäure, Gärungsessig, Buttersäure, Zitronensäure und Milchsäure'', 1. Band, Chemisch-technische Bibliothek 382. Band, A. Hartleben's Verlag, Wien und Leipzig 1926. ([http://d-nb.info/363233105 online])<br />
* {{Literatur<br />
|Autor=Anne Iburg<br />
|Titel=DuMonts kleines Lexikon Essig & Öl<br />
|TitelErg=Herkunft – Geschmack – Verwendung – Rezepte<br />
|Verlag=DuMont monte Verlag<br />
|Ort=Köln<br />
|Datum=2002<br />
|ISBN=3-8320-8795-8}}<br />
* {{Literatur<br />
|Autor=Julie Townsend<br />
|Titel=Jetzt ist Essig!<br />
|TitelErg=Der kultige Universalhelfer für Haushalt und Küche<br />
|Verlag=Premio<br />
|Ort=Münster<br />
|Datum=2007<br />
|ISBN=978-3-86706-046-2<br />
|Kommentar=Geschichte, Essigsorten, Herstellung und Verwendung vom Essig<br />
|Originaltitel=Vinegar: A Guide to the Many Types and Their Uses Around the Home. Arcurus, London 2007<br />
|Übersetzer=Nora Boot, Wiebke Krabbe}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote}}<br />
{{Commonscat|Vinegar|Essig}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [http://www.chemieunterricht.de/dc2/essig/inhalt1.htm Das Essig-Projekt von Blumes]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4153051-2}}<br />
<br />
[[Kategorie:Essig| ]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Leinwand&diff=222856045Leinwand2022-05-14T03:43:04Z<p>Designer2k2: /* Bespannen der Leinwand */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|erläutert die Leinwand in der Malerei; zu anderen Bedeutungen siehe [[Leinwand (Begriffsklärung)]].}}<br />
[[Datei:3D Schildersdoek.JPG|miniatur|Leinwand auf Holzrahmen]]<br />
[[Datei:Up-side-up-abstrakte-malerei.jpg|miniatur|Leinwand mit Acrylfarbe bemalt]]<br />
Eine '''Leinwand''' ist ein Gewebe aus [[Flachsfaser|Leinen]], das auf einen [[Keilrahmen]] auf- oder in einen Tragerahmen gespannt ist. Sie dient bei zahlreichen Maltechniken der [[Leinwandgemälde|Leinwandmalerei]], z.&nbsp;B. der [[Ölmalerei]] und [[Acrylfarbe|Acryl-]]Malerei, als [[Bildträger]].<br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
Die Vorteile von Leinwänden gegenüber anderen Bildträgern wie Holz, Metall und Wänden sind die geringen Kosten, das geringe Gewicht und die Flexibilität (zusammenrollen für Transporte). Als Nachteile lassen sich eine geringere Stabilität und die Gefahr des Brechens der Malschicht auflisten. Die Textur im Werk, die durch die Leinwand als Unterlage hervorgerufen wird, kann ein gewollter Effekt sein, aber auch als Nachteil empfunden werden.<br />
<br />
== Geeignete Stoffe ==<br />
Für die Malerei eignen sich viele [[Gewebe (Textil)|Gewebe]] sowohl aus natürlichen als auch aus synthetischen Fasern. Die Gewebestruktur hat einen erheblichen Einfluss auf die stofflich-gestalterische Wirkung. Die verschiedenen Kunstepochen hatten auch ihre unterschiedlichen Vorlieben. In der älteren Kunst bevorzugte man Stoffe aus [[Hanffaser]], die sehr robust waren. Die Knoten, die in jedem handgewebten Stoff zu finden sind, wurden mit einem Hammer flach geschlagen. Beim mehrmaligen Vorleimen wurden sie immer wieder zwischendurch angeschliffen, um die Oberfläche möglichst zu glätten.<br />
<br />
Die Industrialisierung brachte die Möglichkeit der mechanisch gewebten Stoffe. In dieser Zeit verbreiteten sich [[Baumwollfaser|Baumwollstoffe]] unter den Künstlern. In der moderneren Malerei fand man wieder zurück zu den handgewebten Hanfstoffen und setzte bewusst die Struktur als Gestaltungsmittel ein. Heutige Leinwände sind üblicherweise aus Baumwolle oder Leinen gefertigt. Baumwolle ist günstiger aber weniger flexibel – Abdrücke im Gewebe können bestehen bleiben. Leinen ist teurer aber flexibler und es hält höhere Belastungen aus. Große Bilder sind daher meist aus Leinen gefertigt.<ref>[https://www.bigduckcanvas.com/categories/resources/what-is-canvas.html What is canvas?]</ref><br />
<br />
== Bespannen der Leinwand ==<br />
Das Bespannen von Leinwänden bedarf einer gewissen Geschicklichkeit und Übung. Der nicht behandelte Stoff wird fadengerade und locker auf einen Holzrahmen gespannt. Dabei spannt man immer diagonal über Kreuz, also zuerst die Ecke links oben, dann rechts unten und so weiter.<br />
<br />
Der unbehandelte Stoff wird durch die Leitung gespannt (siehe unten). Die Keile, die moderne Rahmen an der Rückseite haben, dienen nicht dazu, misslungene Bespannung zu korrigieren, sondern Spannungsveränderungen durch veränderte Luftfeuchtigkeit und Temperatur auszugleichen. Vorsicht ist beim Auskeilen der präparierten Leinwand geboten, da eine mögliche Überspannung nicht rückgängig gemacht werden kann. Ist der Stoff bereits grundiert, dann wird straff gespannt – dies empfiehlt sich jedoch nicht für größere Bilder, weil das Gewebe schnell Falten wirft.<br />
<br />
Prinzipiell wird bei der Bespannung von Leinwänden zwischen einem Stretcher und einem Strainer unterschieden.<ref>Mayer Ralph: ''The Artist's Handbook of Materials and Techniques''. Viking Adult; 5. Auflage (1991), ISBN 0-670-83701-6</ref> Der Stretcher wurde im 18. Jahrhundert populär und ist auch heute noch die bevorzugte Bauart der Rahmenkonstruktion. Die historisch ältere Variante ist der Strainer, der bereits im 16. Jahrhundert weitläufig eingesetzt wurde.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.michaelksupports.com/resources/stretcher-v-strainer.html |text=Stretcher versus Strainer |wayback=20150612142631 |archiv-bot=}}</ref><br />
<br />
<gallery><br />
Datei:Splined Canvas.jpg|Leinwand auf Keilrahmen<br />
Datei:Strainer bar corner 051907.jpg|Bespannen der Leinwand<br />
</gallery><br />
<br />
== Vorleimung ==<br />
Ist der Stoff aufgespannt, wird er mit einer so genannten Vorleimung, also einer stark verdünnten Leimlösung, behandelt. Heutzutage gibt es moderne Binder wie [[Acryl]], die sehr „gutmütig“ sind. Die alte Technik nutzte [[Knochenleim]], dessen Verarbeitung etwas schwieriger ist. Knochenleim muss vorsichtig erhitzt werden, am besten in einem Wasserbad, damit er nicht anbrennt. Diese Leime sind die stärksten natürlichen Leime, die wir kennen. Mit Ihnen lassen sich auch große Leinwände spannen. Lässt man den Leim zu lange stehen, dann riecht dieser sehr unangenehm.<br />
<br />
=== Weitere mögliche Zutaten und Beimengungen ===<br />
Da der Knochenleim nach dem Trocknen weiter wasserlöslich bleibt, ist er für Maltechniken auf Wasserbasis ungeeignet. Um die Wasserlöslichkeit herabzusetzen, wird dem Leim [[Alaun]] (Kalium-Aluminium-Sulfat) hinzugesetzt. Dieser bewirkt ein Ausfällen des Eiweißanteils im Leim und sorgt für eine zusätzliche Bindung durch Eiweißketten, die später unlöslich trocknen – vergleichbar mit dem Bindemittel [[Kasein]] (Käsestoff).<br />
<br />
Eine weitere Methode besteht im Hinzufügen von Eiern. Die dabei entstehende [[Eitempera]] ist allerdings nicht so flexibel wie Leim und neigt schnell zum Brechen. Dieser Nachteil spielt auf starren Bildträgern wie Holzplatten keine Rolle, wo es dann auch bedenkenlos eingesetzt werden kann. Diese Eitempera-Grundierungen brauchen zur vollständigen Durchtrocknung länger als reine Leim-Gründe.<br />
<br />
== Die Grundierung ==<br />
Bevor die Leinwand benutzt werden kann, muss sie grundiert werden. Es gibt zwar einige Beispiele der neueren Malerei, bei der als gestalterisches Mittel darauf bewusst verzichtet wurde. Die [[Grundierung#Kunst|Grundierung]] dient der Konservierung, und eine helle Grundierung verstärkt die Leuchtkraft der Farben. Ungrundierte Stoffe werden schneller brüchig.<br />
<br />
[[Rembrandt van Rijn|Rembrandt]] bevorzugte eine dunkelbraune Grundierung, was seinen Bildern die dunkle warme Ausstrahlung verleiht. [[Peter Paul Rubens|Rubens]] hingehen bevorzugte den weißen Gipsgrund mit heller Blaugraulasierung.<br />
<br />
=== Helle Grundierung ===<br />
Leim ist fast [[Farblosigkeit|farblos]]. Für einen weißen Untergrund mischt man der Grundierung deshalb weiße [[Pigment]]e zu. Hier bietet sich [[Pastellkreide|Kreide]], [[Zinkweiß]] und [[Titanweiß]] an. Das früher beliebte, aber giftige [[Bleiweiß]] wird heute nicht mehr verwendet, stattdessen wird meist Titanweiß bevorzugt, das eine bessere Deckkraft besitzt. Außerdem ist Titanweiß im Gegensatz zu Bleiweiß [[chemisch inert]]. Da Titanweiß relativ teuer ist und für die Grundierung große Mengen benötigt werden, wird es manchmal auch mit dem preiswerteren Zinkweiß oder der noch billigeren [[Tafelkreide|Kreide]] gestreckt. Die Kreide sollte vorher etwa 24 Stunden in Wasser „[[Einsumpfen|eingesumpft]]“ werden, weil sie eine enorme Saugkraft hat, die das Trockenverhalten sonst negativ beeinflussen kann.<br />
<br />
Je mehr Kreide verwendet wird, desto saugfähiger wird der Grund. Das kann so weit gehen, dass das gesamte Bindemittel der Farbe abgesaugt wird und die Farbe sehr matt aussieht und zum Teil „abkreidet“ (d.&nbsp;h. die Farbe ist nicht „wischfest“). Auch nach dem völligen Durchtrocknen kann die Farbe bei Berührung an der Hand zurückbleiben, weil nicht mehr genügend Bindemittel vorhanden ist, um einen geschlossenen Malfilm zu bilden.<br />
<br />
Zum Auftragen der Weiß-Grundierung haben sich Farbrollen bewährt.<br />
<br />
Je nach Grundierung ist zu beachten, dass die Grundierung sich beim [[Trocknung|Trocknen]] zusammenzieht. Wichtig ist dies beim Bespannen des Rahmens (sofern man die Leinwand erst nach dem Bespannen grundiert), da gerade bei großen Formaten durch das Trocknen der Grundierung der Druck auf den Rahmen so groß werden kann, dass dieser bricht.<br />
<br />
=== Gipsgründe ===<br />
Bei den vielerwähnten Gipsgründen handelt es sich nicht um [[Stuck|Stuck-Gips]] oder dergleichen, der nach Wasserzugabe abbindet, sondern um [[Kreidegrund|Kreidegründe]].<br />
<br />
=== Papierbespannung ===<br />
Gemeint ist nicht, dass das [[Papier]] direkt auf dem Holzrahmen befestigt wird, sondern auf der Stoffbespannung, quasi als Grundierung mit allen Vor- und Nachteilen, die Papier hat, so zum Beispiel den starken Hang zum [[Farbstich#Gilb|Vergilben]] bei Sonnenbestrahlung. Dies ist eine Sondertechnik, die nur wenig verbreitet ist. Nennenswert ist sie eigentlich nur im Zusammenhang mit der [[Dadaismus|Dada-Bewegung]] und ihren [[Collage]]n.<br />
<br />
== Isolierung ==<br />
Bevor der eigentliche Malprozess beginnt, wird häufig noch eine so genannte Isolierung aufgetragen. Diese hat zum einen die Aufgabe, die Saugfähigkeit des Malgrundes zu regulieren, und zum anderen gestalterische Gründe. So benutzte Rubens zum Beispiel bewusst eine unregelmäßige streifige graublaue Isolierung. Wer schon mal versucht hat, auf einem strahlend weißen Untergrund die [[Skizze#Bildende Kunst|Vorzeichnung]] anzulegen wird wissen, wie schwer es ist, die richtigen Proportionen zu finden, besonders bei großformatigen Bildern. Deshalb wird bewusst die Gleichmäßigkeit damit durchbrochen. Als Material kann alles dienen, was „mager“ genug ist (siehe unten „Fett auf mager“) und nur wenig zur Vergilbung neigt.<br />
<br />
== „Fett auf mager“ ==<br />
Eine [[Faustregel]], die beim Bildaufbau immer berücksichtigt werden sollte (und das betrifft das gesamte Bild – nicht nur die Grundierung), lautet: „Fett auf mager“. „Fett“ heißt bindemittelreich und „mager“ bindemittelarm. Also immer eine bindemittelreichere Schicht auf eine bindemittelärmere Schicht. Und zwar aus zwei Gründen: zum einen, um Spannungen zwischen den einzelnen Bildschichten zu vermeiden, und zum anderen, um eine gute Haftung zu gewährleisten. Auch zwischen den einzelnen [[Bindemittel]]n gibt es eine Fett-auf-mager-Hierarchie, so sind die wasserlöslichen die mageren und die öllöslichen die fetten. Fette Bindemittel dehnen sich beim Trocknen physisch aus; also Ölfarbe zum Beispiel. Die mageren hingegen ziehen sich zusammen; ganz extrem zum Beispiel bei [[Kasein]]-[[Tempera]]. Würde man versuchen, eine Kaseinfarbe auf eine Ölfarbe aufzutragen, würde sie zum einen abperlen und zum anderen (wenn man sie beispielsweise durch Zugabe von Ei [[Emulsion|emulgiert]] und dadurch doch noch zum Haften bringt) nach kurzer Zeit unter der Ausdehnung der Ölfarbe reißen.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
*[[Buchbinderleinwand]]<br />
*[[Bildwand]] (ursprünglich und umgangssprachlich ''Leinwand'')<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|Leinwand}}<br />
{{Commonscat|Canvas|Leinwand}}<br />
<br />
== Quellen und Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4167249-5}}<br />
<br />
[[Kategorie:Technische Textilie]]<br />
[[Kategorie:Malutensil]]<br />
[[Kategorie:Leinen]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Syphilis&diff=222856035Syphilis2022-05-14T03:40:42Z<p>Designer2k2: /* Epidemiologie */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt, sowie aktuellen RKI Link ergänzt</p>
<hr />
<div>{{Infobox ICD<br />
| BREITE = <br />
| 01-CODE = A50<br />
| 01-BEZEICHNUNG = Syphilis connata<br />
| 02-CODE = A51<br />
| 02-BEZEICHNUNG = Frühsyphilis<br />
| 03-CODE = A52<br />
| 03-BEZEICHNUNG = Spätsyphilis<br />
| 04-CODE = A53<br />
| 04-BEZEICHNUNG = Sonstige und nicht näher bezeichnete Syphilis<br />
| 05-CODE = <br />
| 05-BEZEICHNUNG = <br />
}}<br />
<br />
'''Syphilis''' (''[[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]]:'' {{IPA|ˈzyːfilɪs}}<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Krech, Eberhard Stock, Ursula Hirschfeld, Lutz Christian Anders |Titel=Deutsches Aussprachewörterbuch |Auflage=1. |Verlag=Walter de Gruyter |Ort=Berlin / New York |Datum=2009 |ISBN=978-3-11-018202-6 |Seiten=970}}</ref><ref>Aussprache in [[Bundesdeutsches Hochdeutsch|Deutschland]] in [[Österreichisches Hochdeutsch|Österreich]] auch [{{IPA|ˈzɪfɪlɪs}}] bzw. [{{IPA|ˈsɪfɪlɪs}}].</ref>, {{Audio|De-Syphilis.ogg|anhören}}), auch '''Lues (venerea)''' (''[[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]]:'' {{IPA|ˈluːɛs}}<ref>{{Literatur |Autor=Eva-Maria Krech, Eberhard Stock, Ursula Hirschfeld, Lutz Christian Anders |Titel=Deutsches Aussprachewörterbuch |Auflage=1. |Verlag=Walter de Gruyter |Ort=Berlin, New York |Datum=2009 |ISBN=978-3-11-018202-6 |Seiten=711}}</ref>, {{Audio|De-Lues.ogg|anhören}}), '''harter Schanker''' und '''Morbus Schaudinn''' oder '''Schaudinn-Krankheit''' genannt, ist eine [[Krankheitsverlauf#Zeitlicher Verlauf|chronische]] [[Infektionskrankheit]], die zur Gruppe der [[Sexuell übertragbare Erkrankung|sexuell übertragbaren Erkrankungen]] gehört. Der Erreger der Syphilis ist das [[Bakterien|Bakterium]] ''[[Treponema pallidum|Treponema pallidum subspecies pallidum]]''. Die Syphilis wird hauptsächlich beim [[Geschlechtsverkehr]] durch Schleimhautkontakt und ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen. Während der [[Schwangerschaft]] und bei der Geburt kann eine erkrankte Mutter ihr Kind [[Infektion|infizieren]] (''Syphilis connata'').<br />
<br />
Das Erscheinungsbild der Krankheit ist vielfältig. Typisch ist ein Beginn mit schmerzlosen Schleimhautgeschwüren und Lymphknotenschwellungen. Bei einem Teil der Infizierten kommt es zu einem chronischen Verlauf, der durch vielfältigen Haut- und Organbefall gekennzeichnet ist. Im Endstadium kommt es zur Zerstörung des [[Zentrales Nervensystem|zentralen Nervensystems]]. Die Diagnose wird hauptsächlich durch den Nachweis von [[Antikörper]]n erstellt. Die Syphilis ist durch die Gabe von [[Antibiotikum|Antibiotika]], unter anderem [[Penicillin]], heilbar. Die Entdeckung und die spätere Verfügbarkeit von Antibiotika in ausreichenden Mengen führten zu einem deutlichen Rückgang der Syphilis im 20. Jahrhundert. Seit den 1990er Jahren ist jedoch wieder ein Anstieg der erkannten Erkrankungen feststellbar.<br />
<br />
Seit 2010 gibt es in Deutschland pro Jahr 3 bis 6 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner.<ref>Weitere, detailliertere Zahlen im Abschnitt Epidemiologie.</ref><br />
Der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers ''Treponema pallidum'' ist in Deutschland nichtnamentlich zu melden. Eine Meldepflicht besteht für Erreger und Krankheit in der Schweiz und eine beschränkte Meldepflicht für die Erkrankung in Österreich.<br />
<br />
'''Syphilidologie''' ist die Lehre von den syphilitischen Krankheiten.<br />
<br />
[[Datei:DürerSyphilis1496.jpg|mini|[[Albrecht Dürer]] zugeschriebene Darstellung eines Syphilitikers (Flugblatt mit dem Lehrgedicht des Arztes [[Theoderich Ulsenius|Dietrich Ulsen]], Nürnberg 1496)]]<br />
<br />
== Etymologie und Bezeichnungen ==<br />
[[Datei:Fracastoro - Syphilus.jpg|mini|Geschichte des Syphilus, Stich von Jan Sadeler aus dem 16. Jahrhundert]]<br />
<br />
Der erste dokumentierte Ausbruch der Syphilis in Europa geschah im Jahr 1494 oder 1495 in [[Neapel|Neapel, Italien]], während der französischen Invasion im [[Italienische Kriege#Erster französischer Feldzug (1494/95)|Italienischen Krieg von 1494–98]]. Damals wurde angenommen, dass die Krankheit durch die französischen Truppen verbreitet worden sei, weshalb die Krankheit zunächst unter dem Namen '''Franzosenkrankheit''' (später auch '''Franzosenseuche'''<ref>Vgl. etwa Heinrich Oppenheimer: ''Girolamo Fracastoro’s Gedicht von der Syphilis oder von der Franzosenseuche. Im Versmaß des lateinischen Urtextes.'' August Hirschwald, Berlin 1902.</ref>) bekannt wurde.<ref>Adam Winters: ''Syphilis.'' Rosen Publication Group, New York 2006, ISBN 1-4042-0906-9, S. 17.</ref><br />
<br />
Das Wort ''Syphilis'' findet sich erstmals 1530 im Titel eines Gedichtes des [[Verona|veronesischen]] Arztes [[Girolamo Fracastoro]], mit dem Namen ''Syphilis, sive Morbus Gallicus'' („Syphilis, oder die französische Krankheit“).<ref name="OED">[http://www.etymonline.com/index.php?allowed_in_frame=0&search=syphilis&searchmode=none ''Online Etymology Dictionary.''] etymonline.com</ref><ref>W. Pflug: ''Syphilis oder Morbus gallicus. Eine etymologische Betrachtung.'' K. J. Trübner, Straßburg 1907.</ref> Darin wird die mythische Geschichte des auf einer fernen Insel lebenden Schafhirten ''Syphilus'' erzählt, der wegen [[Gotteslästerung]] (er errichtete verbotene Altäre) vom Sonnengott ([[Apollon|Apollo]]) mit einer neuen Krankheit bestraft wurde, aber durch das später von spanischen Seefahrern nach Europa gebrachten Holz des Wunderbaumes Guajak geheilt wurde.<ref>Vgl. [[August Buck]]: ''Die Medizin im Verständnis des Renaissancehumanismus.'' In: Deutsche Forschungsgemeinschaft: ''Humanismus und Medizin.'' Hrsg. von Rudolf Schmitz und [[Gundolf Keil]], Acta humaniora der Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1984 (= ''Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung.'' Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 181–198, hier: S. 194–197.</ref> Der Name ''Syphilus'' ist die [[Lateinische Sprache|latinisierte]] Form des [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] Namens {{lang|grc|Σύφιλος|Sýphilos}}, welcher mit „Schweine liebend“ übersetzt werden kann ({{lang|grc|σῦς|sŷs|de=Schwein}}, {{lang|grc|φιλεῖν|phileîn|de=lieben}}).<ref name="Gemoll">[[Wilhelm Gemoll]], Karl Vretska: ''Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch.'' 9. Auflage. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien/ München 1991, ISBN 3-209-00108-1.</ref> Den Namen Syphilus hat Fracastoro gemäß [[Franz Boll (Philologe)|Franz Boll]] (1910 in den ''Jahrbüchern für das klassische Altertum'')<ref>Franz Boll: ''Der Ursprung des Wortes Syphilis.'' In: ''Neues Jahrbuch für klassisches Altertum.'' Band 25, 1910, S. 72 ff.</ref> vermutlich antikisierend leicht umgestaltend der antiken Mythologie entlehnt. Bei [[Ovid]] (''Metamorphosen.'' VI, 231) heißt ''Sipylus'' der zweite Sohn der vom Berg ''Sipylus'' stammenden und dort versteinert sitzenden (''Metamorphosen.'' VI, 149) [[Niobe (Mythologie)|Niobe]]. Weshalb er diesen Namen, der wohl keine Beziehung zum Wesen der Krankheit aufweist, auswählte, ist unklar. Möglicherweise und gemäß [[George Lincoln Hendrickson]]<ref>[[George Lincoln Hendrickson|George L. Hendrickson]]: ''The „Syphilis“ of Girolamo Fracastoro. With Some Observations on the Origin and History of the word „Syphilis“.'' In: ''Bulletin of the History of Medicine.'' (Johns Hopkins University Press) Band 2, 1934, S. 515 ff.</ref> und Heinrich Oppenheimer hat Fracastoro den Syphilus aber auch nach einem bereits geläufigen Krankheitsnamen ''síphilis'' (griechisch σίφιλις in ''De contagionibus'', Buch 2, Kapitel 15), einer Krankheit des Schleims, benannt.<ref>[[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' in der Übersetzung von [[Ernst Alfred Seckendorf]] (1892–1941) (= ''Schriftenreihe der Nordwestdeutschen dermatologischen Gesellschaft.'' Heft 6) Lipsius & Tischer, Kiel 1960, S. 5–20, hier: S. 8–10.</ref><br />
<br />
Abgesehen von Fracastoros Schriften lässt sich „Syphilis“ als Krankheitsbezeichnung erstmals vereinzelt im 17. Jahrhundert nachweisen, wurde, nach Erscheinen des mehrfach aufgelegten und übersetzten Buches über Syphilis<ref>Daniel Turner: ''Syphilis. A practical dissertation on the venereal disease.'' London 1717.</ref> von Daniel Turner,<ref>Vgl. auch ''Dr. Daniel Turners, Mitglied des Collegii Medici in London, Syphilis oder Praktische Abhandlung von der Venus-Seuche in zweyen Theilen. Nebst Dr. Boerhavens Nachricht von der Gonorrhoea, auch anderen Zusätzen des Verfassers und einer Vorrede des Herrn Hofrath Heisters. Denen Deutschen Wund-Ärzten zum Nutzen aus dem Englischen übersetzet von einem der die Wundarzneney liebet.'' Deetz sehl. Wittwe und Runge, Zelle/Leipzig 1754.</ref> in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebräuchlicher,<ref>Vgl. auch [[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Seit wann ist der Krankheitsname Syphilis allgemein gebräuchlich?'' In: ''Dermatologische Wochenschrift.'' Band 114, 1942, S. 193 ff.</ref> aber erst im 19. Jahrhundert die bevorzugte Bezeichnung.<ref>[[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 5–20, hier: S. 8.</ref><br />
<br />
In moderner Zeit wurde häufiger von „Lues“ (kurz für ''Lues venerea'') als von „Syphilis“ gesprochen. Das [[lateinisch]]e Wort ''luēs'' bedeutet „Seuche“, „Unheil“; ''venereus'' entstammt dem [[Humanistisches Latein|humanistischen Latein]], leitet sich von ''venus'', Liebeslust, Liebesgenuss‘<ref name="Stowasser">[[Joseph Maria Stowasser|J. M. Stowasser]] u.&nbsp;a.: ''Der Kleine Stowasser: Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch.'' 2. Auflage. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1987, ISBN 3-209-00225-8.</ref> her und bedeutet „den Geschlechtsverkehr betreffend“. Mit der Absicht, der Krankheit statt des die Franzosen verunglimpfenden Begriffs „französische Krankheit“ einen neutralen Namen zu geben, prägte der französische Arzt Jacques de Béthencourt 1526 die Bezeichnung ''Morbus veneris'' („Krankheit der Venus“). Häufig wurde die Syphilis auch als '''Lustseuche''' bezeichnet.<ref>[[Birgit Adam]]: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6, S. 17 und 92.</ref><br />
<br />
Daneben sind aus der Geschichte mehrere hundert andere Namen für die Syphilis überliefert. Diese beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild (''Morbus pustulatus''), auf abgefallene Körperteile, auf Heilige ([[Ijob|Hiob]], [[Rochus von Montpellier|Rochus]] und andere), auf vermeintliche Ursachen (''Lues venera'', ''Lues aphrodisiaca'', ''Passio turpis'', ''Saturnina''), auf das vermeintliche Herkunftsland (''Morbus gallicus'') oder auf die Lokalisation (''Pudendagra'', ''Mentulagra'').<ref>[[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 5–20, hier: S. 7 f.</ref> So ist die Syphilis in verschiedenen europäischen Sprachen unter anderem als ''neapolitanische'', ''italienische'', ''französische'', ''spanische'', ''kastilische'', ''englische'', ''schottische'' oder ''polnische'' Krankheit benannt worden, je nachdem, aus welchem Land die Erkrankung in den jeweiligen Sprachkreis vermeintlich eingeschleppt worden war.<ref>Rolf Winau: {{Webarchiv |url=http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/2002_01/02_01_winau/index.html |text=''Seit Amors Köcher auch vergiftete Pfeile führt – Die Ausbreitung der Syphilis in Europa'' |wayback=20110613055541}}. FU Berlin. (abgerufen im Juni 2007).</ref><ref>Birgit Adam: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6, S. 37–39.</ref> Im Volksmund wurde die Syphilis auch als „Große Blattern“ und mit ähnlichen Begriffen bezeichnet.<br />
<br />
== Erreger ==<br />
[[Datei:TreponemaPallidum.jpg|mini|''Treponema pallidum'' ([[Elektronenmikroskopie|Elektronenmikroskopische]] Aufnahme)]]<br />
<br />
''[[Treponema pallidum]]'' subspecies ''pallidum'' ist ein [[Gramfärbung|gramnegatives]] Bakterium der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Treponema]]'' in der [[Familie (Biologie)|Familie]] der ''[[Spirochaetaceae]]''. ''Treponema pallidum'' (früher ''Spirochaeta pallida'' genannt) ist spiralig gewunden. Im [[Dunkelfeldmikroskop]], das auch zum Nachweis dient, zeigt es Rotationen um die Längsachse und Beugebewegungen, jedoch keine selbstständige Fortbewegung. Die [[Replikation]]szeit beträgt etwa 36 Stunden.<br />
<br />
Der einzige [[Wirt (Biologie)|Reservoirwirt]] ist der Mensch, für den es [[Pathogenität|obligat pathogen]] ist, d.&nbsp;h. auch gesunde immunkompetente Menschen erkranken. ''T.&nbsp;pallidum'' überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit, reduzierte Sauerstoffkonzentration verlängert das Überleben ([[mikroaerophil]]es Bakterium). Eine [[in vitro|In-vitro]]-Kultur von ''Treponema pallidum'' ist nicht möglich, da es Nährstoffe aus dem menschlichen Organismus benötigt, die es nicht selbst produzieren kann. Lediglich in [[Kaninchen]]<nowiki />hoden gelingt eine Anzucht.<br />
<br />
Neben ''Treponema pallidum'' umfasst die Gattung Treponema weitere für den Menschen pathogene (schädliche) Erreger: ''T.&nbsp;pallidum subspecies endemicum'' verursacht in Afrika und im mittleren Osten die [[Endemie|endemische]] Krankheit ''[[Bejel]]'', auch nicht-[[Venerologie|venerische]] oder extragenitale Syphilis genannt (s.&nbsp;u.). ''[[Treponema pertenue|T.&nbsp;pallidum subspecies pertenue]]'' verursacht in Afrika, Asien und Lateinamerika die [[Frambösie]], eine langwierige Infektionskrankheit, die mit Haut- und Knochenveränderungen einhergeht. ''Treponema carateum'' verursacht in Zentral- und Südamerika die ''Pinta''. Diese ist eine Hauterkrankung mit [[rezidiv]]ierenden [[Hyperpigmentierung|hyperpigmentierten]] [[Läsion]]en vorwiegend an Armen und Beinen, die narbig verheilen. ''T.&nbsp;vincentii'' kann im Rahmen einer Mischinfektion eine [[Angina Plaut-Vincent|Plaut-Vincent-Angina]] verursachen.<br />
<br />
Nichtpathogene Treponema-Arten sind ''T.&nbsp;denticola, T.&nbsp;minutum, T.&nbsp;refringens'' und ''T.&nbsp;phagedenis'', die in der normalen [[Standortflora]] des Mundes, [[Verdauungstrakt]]es sowie der [[Geschlechtsorgane]] zu finden sind. Bei einem mikroskopischen Erregernachweis können sie zu einer Verwechslung beitragen.<ref name="rki">[http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Syphilis.html ''Syphilis (Lues).''] In: ''RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte.'' Robert-Koch-Institut.</ref><ref>Herbert Hof, Rüdiger Dörries: ''Medizinische Mikrobiologie.'' 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-125312-6.</ref><br />
<br />
== Übertragung ==<br />
''Treponema pallidum'' wird in der Regel über direkte [[Sexualität|sexuelle Kontakte]] übertragen. Es dringt dabei durch kleinste [[Läsion]]en der [[vagina]]len, [[Mund|oralen]] oder [[Anus|analen]] [[Schleimhaut]] oder Haut in den Körper ein. Der Erreger kann auch über Verletzungen und Hautkontakt übertragen werden. Die austretende Flüssigkeit aus den hochinfektiösen Geschwüren ist bei direktem Hautkontakt äußerst ansteckend. Während die Syphilis in den Stadien I und II (siehe unten: [[#Stadienhafter Verlauf|Stadien]]) ansteckend bis hochansteckend ist, ist die [[Infektiosität]] in den späteren Stadien wesentlich geringer.<br />
<br />
Ein weiterer bedeutsamer Übertragungsweg ist die diaplazentare Übertragung, das heißt der Übertritt der Bakterien über die Plazenta auf das ungeborene Kind ([[Fötus]]). Die diaplazentare Übertragung ist ab dem vierten Schwangerschaftsmonat bis einschließlich der Geburt möglich und kann zu [[Fehlgeburt|Abort]], intrauterinem Fruchttod, Totgeburt oder einer Schädigung des Kindes führen. In Deutschland werden durch die im Rahmen der [[Mutterschaftsrichtlinie]]n vorgeschriebenen Untersuchungen nahezu alle unbehandelten Syphilisfälle bei Schwangeren entdeckt und die Übertragung verhindert.<br />
<br />
Infektionen durch nicht [[Sterilisation|sterile]] [[Akupunktur]]<nowiki />nadeln, [[Kanüle|Injektionskanülen]] oder [[Bluttransfusion]]en spielen eine untergeordnete Rolle, da alle Blutspender auf die Krankheit getestet werden. Die in den Stadien I und II auftretenden hochinfektiösen Geschwüre und [[Papel]]n können aber gegebenenfalls zu einer Ansteckung ohne sexuelle Kontakte führen.<br />
<br />
== Epidemiologie ==<br />
[[Datei:Stat Syphilis RKI .png|mini|450px|Anzahl gemeldeter Syphilis-Fälle in Deutschland (1971–2011)]]<br />
Die [[Inzidenz (Epidemiologie)|Jahresinzidenzratio]] (Erkrankungswahrscheinlichkeit in einem Jahr) betrug um die Jahre 2004–2007 in Deutschland etwa 0,00004, in Europa und den USA unter 0,0003, weltweit etwa 0,002.<br />
<br />
Die Syphilis ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit. Die WHO schätzt die Zahl der Neuerkrankungen auf weltweit etwa zwölf Millionen Fälle jährlich, davon über 90 % in Entwicklungsländern, Stand 1999. Nach der Entwicklung des Penicillins gingen die Erkrankungszahlen im Verlauf des 20. Jahrhunderts deutlich zurück, was durch Behandlungsprogramme der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] in stark betroffenen Regionen seit den 1950er Jahren gefördert wurde.<ref name="WHO">WHO: ''{{Webarchiv |url=http://www.who.int/tdr/dw/syphilis2004.htm |text=Focus Syphilis. |wayback=20080711175356}}'' In: ''Nature Microbiology Reviews.'' Band 2, 2004, S. 448–449.</ref><br />
<br />
In ''Industrieländern'' liegen die Schwerpunkte in den Großstädten; insbesondere homosexuelle Männer sind betroffen. 84 Prozent aller Angaben zu dem wahrscheinlichen Infektionsweg (angegeben bei 71,5 % der 3.698 Fälle 2011) entfielen auf solche Sexualkontakte.<ref>''[[Epidemiologisches Bulletin]] des Robert-Koch-Instituts'' Nr. 24, 2012; [http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/Ausgaben/24_12.pdf?__blob=publicationFile rki.de] (PDF; 113&nbsp;kB).</ref> Der Anteil der Männer unter den Betroffenen ist von 60 % in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf über 85 % angestiegen. Die Anzahl der Fälle bei Frauen und heterosexuell infizierten Männern ist hingegen stabil geblieben.<br />
<br />
In ''Deutschland'' werden vom [[Robert Koch-Institut]] registrierte diagnostizierte Neudiagnosen für 2019 mit 7889<ref name="RKI2020">{{Internetquelle |autor=Jamela Seedat |url=https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/49_20.pdf?__blob=publicationFile |titel=Syphilis in Deutschland 2019 – Neuer Höchststand von Infektionen; SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland |werk=Epidemiologisches Bulletin |hrsg=RKI |datum=2020-12-03 |format=PDF |sprache=de |abruf=2021-03-04}}</ref>, für 2018 mit 7332, für 2017 mit 7476, für 2016 mit 7178, für 2015 mit 6834, für 2014 mit 5722, für 2013 mit 5017, für 2009 mit 2742, für 2004 mit 3352 angegeben. Die Zahl der Infektionen in Deutschland nimmt in den letzten Jahren also deutlich zu. Dabei ist die Inzidenz bei Frauen nur 1,1; bei Männern dagegen 18,1 Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr. Die Städte mit der höchsten Inzidenz sind Köln (57,8), Berlin (39,7) und München (30,2) jeweils pro 100.000 Einwohner und Jahr für das Jahr 2019. Das Stadium der 2019 dem RKI gemeldeten Fälle war folgendermaßen:<br />
* 26,5 % primäre Syphilis<br />
* 15,5 % sekundäre Syphilis<br />
* 2,1 % tertiäre Syphilis<br />
* 24,5 % Frühlatenz<br />
* 1,1 % Spätlatenz<br />
* 3 Fälle angeborener Syphilis<ref name="RKI2020" /><br />
<br />
<ref>[https://www.spiegel.de/gesundheit/sex/syphilis-immer-mehr-deutsche-sind-betroffen-a-1067262.html#ref=nl-dertag ''Krank durch Sex: Immer mehr Deutsche leiden an Syphilis''.] [[Spiegel Online]], 11. Dezember 2015.</ref> Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] lag damit bei 3 bis 6 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern pro Jahr.<ref>[http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/S/Syphilis/Syphilis_1971_2005/Syphilis_PPT_Tabelle.html Syphilis-Meldungen von 1971 bis 2012.] Robert Koch-Institut.</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://survstat.rki.de/ |titel=SurvStat@RKI 2.0 |hrsg=[[Robert Koch-Institut]] |abruf=2014-05-14}}</ref> Syphilis tritt nicht selten als Koinfektion bei [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-Infizierten in Erscheinung. In anderen Industrieländern ist die Situation vergleichbar.<ref name="rki" /><br />
<br />
Die Rate der [[Konnatal|angeborenen]] Infektionen ('''konnatale Syphilis''') ist sehr gering und liegt bei einigen wenigen Fällen im Jahr.<ref name="rki" /><br />
<br />
== Meldepflicht ==<br />
In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers ''Treponema pallidum'' [[Meldepflichtige Krankheit#Deutschland|nichtnamentlich meldepflichtig]] nach {{§|7|ifsg|juris}} Absatz&nbsp;3 des [[Infektionsschutzgesetz]]es (IfSG). Meldepflichtig sind die Leitungen der Labore usw. ({{§|8|ifsg|juris}} IfSG). Nach dem Recht Sachsens besteht nach der ''Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Erweiterung der Meldepflicht für übertragbare Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz'' eine namentliche Meldepflicht bezüglich Erkrankung und Tod an angeborener ''Lues''.<ref>{{Internetquelle |autor=Staatsministerin für Soziales |url=https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift_gesamt/1307/31906.html |titel=Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Erweiterung der Meldepflicht für übertragbare Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz |titelerg=Vollzitat: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Erweiterung der Meldepflicht für übertragbare Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz vom 3. Juni 2002 (SächsGVBl. S. 187), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. November 2012 (SächsGVBl. S. 698) geändert worden ist |werk=revosax.sachsen.de |abruf=2020-11-16 |kommentar=Fassung gültig ab: 16. Dezember 2012}}</ref><br />
<br />
Nach dem österreichischen Geschlechtskrankheitengesetz ist die Erkrankung ''Syphilis'' [[Meldepflichtige Krankheit#Beschränkt meldepflichtige Krankheiten nach dem Geschlechtskrankheitengesetz|beschränkt meldepflichtig]] ({{§|4|Geschlechtskrankheitengesetz|RIS-B|DokNr=NOR12129671}} in Verbindung mit {{§|1|Geschlechtskrankheitengesetz|RIS-B|DokNr=NOR12129668}} Geschlechtskrankheitengesetz).<br />
<br />
In der Schweiz<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/infektionskrankheiten/leitfaden-meldepflicht.pdf.download.pdf/leitfaden-zur-meldepflicht.pdf |titel=Meldepflichtige übertragbare Krankheiten und Erreger |titelerg=Leitfaden zur Meldepflicht 2020 |hrsg=Bundesamt für Gesundheit BAG, Abteilung Übertragbare Krankheiten |datum=2020-02-23 |format=PDF; 4 MB |abruf=2020-03-08 |kommentar=Ausführliche Broschüre}}</ref> ist der positive laboranalytische Befund bei Aufforderung durch die Kantonsärztin oder den Kantonsarzt, den Fall zu melden, oder der Beginn einer antibiotischen Behandlung der Syphilis [[Meldepflichtige Krankheit#Schweiz|meldepflichtig]]. Zudem ist der positive laboranalytische Befund zu ''Treponema pallidum'' meldepflichtig. Beides dem [[Epidemiengesetz]] (EpG) in Verbindung mit der ''Epidemienverordnung'' und {{§§|URL|2=https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20151622/index.html#app1ahref0|3=Anhang 1}} bzw. {{§§|URL|2=https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20151622/index.html#app3ahref0|3=Anhang 3}} der ''Verordnung des [[Eidgenössisches Departement des Innern|EDI]] über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen''.<br />
<br />
== Klinisches Bild ==<br />
=== Stadienhafter Verlauf ===<br />
==== Frühsyphilis ====<br />
===== Primärstadium, Primärsyphilis, Lues I =====<br />
Drei bis vier Wochen nach der Ansteckung erscheint an der Stelle, an der die Bakterien in die Haut oder Schleimhaut eingedrungen sind, ein kleines, schmerzloses oder schmerzarmes, knötchenförmiges [[Geschwür]], dessen Randbereich verhärtet ist. Deshalb wird das nach etwa einer Woche münzgroß gewordene Geschwür auch als harter Schanker ([[Ulcus durum]]) bezeichnet. Es handelt sich zunächst also um eine [[Lokalinfektion]]. Dieser [[Primärläsion|Primäraffekt]] entsteht bei vaginalem Geschlechtsverkehr am [[Penis]], an den [[Schamlippe]]n oder in der [[Vagina]]. Bei Oralverkehr findet man es auch im [[Mund]] oder [[Pharynx|Rachen]] und bei Analverkehr im [[Enddarm]]. Das Geschwür ist gerötet und sondert eine farblose Flüssigkeit ab. Diese enthält viele Erreger, ist also äußerst ansteckend. Ein bis zwei Wochen später schwellen die benachbarten [[Lymphknoten]] an und es können Gelenk-, Muskel- und Knochenschmerzen auftreten. Von diesem Zeitpunkt an kann die Krankheit mit dem [[TPHA]]-Test nachgewiesen werden. Auch unbehandelt heilen die Geschwüre von selbst nach ca. 4–6 Wochen ab, weshalb die Erkrankung oft ignoriert oder nicht erkannt wird.<br />
<br />
<gallery class="center" widths="200" heights="160"><br />
Ulcus-durum-am-Penis-01.jpg|Harter Schanker an der Unterseite des [[Penis]].<br />
Chancres on the penile shaft due to a primary syphilitic infection caused by Treponema pallidum 6803 lores.jpg|Schanker am [[Penis des Menschen|Penisschaft]] aufgrund einer ''Treponema-pallidum''-Infektion (primäres Stadium der Syphilis).<br />
</gallery><br />
<br />
===== Sekundärstadium, Sekundärsyphilis, Lues II =====<br />
[[Datei:Vaginal syphilis (disturbing image).jpg|mini|hochkant|''Condylomata lata'' der [[Vulva]].]]<br />
<br />
Acht bis neun Wochen nach der Ansteckung kommt es oft zu grippeartigen Beschwerden wie Fieber, Abgeschlagenheit oder Kopf- und Gliederschmerzen. Die Lymphknoten am ganzen Körper sind geschwollen (generalisierte [[Lymphadenopathie]], Polyskleradenitis). Die Erkrankung ist nun in ein [[Generalisierung (Erkrankung)|generalisiertes]] Stadium übergegangen. Nach zehn Wochen erscheint bei den meisten Erkrankten ein Hautausschlag ([[Exanthem]]). Zunächst sind es nur schwachrosa gefärbte Flecken, die sich in kupferfarbene Knötchen ([[Papel]]n) verwandeln. Breite Papeln, die besonders in Hautfalten auftreten, nennt man ''Condylomata lata''. Wenn diese aufgehen und nässen, ist die austretende Flüssigkeit hoch infektiös. Seltener treten auch Schleimhautveränderungen im Mund ([[Enanthem]], ''Plaques muqueuses'') und an den Genitalien auf. Auch Augenentzündungen können auftreten. Manchen Patienten fallen die Haare aus ([[Haarausfall|''Alopecia specifica'']]). Alle Hauterscheinungen (Syphilide) heilen nach ungefähr vier Monaten ab, so dass manche Patienten von ihrer Infektion wenig bemerken. Unbehandelt kommen sie innerhalb verschiedener Zeitabstände wieder. Typischerweise tritt bei allen Hauterscheinungen der Syphilis ''wenig bis kein'' [[Juckreiz]] auf.<br />
<br />
In etwa 30 % einer unbehandelten Syphilis tritt im Laufe von Jahren eine Spontanheilung ein.<ref name="RKI - Syphilis">[[Robert Koch-Institut]]: [https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Syphilis.html;jsessionid=95F9D1F20FF34991DC26A742E505BCFC.internet051#doc2382636bodyText1 ''Syphilis - RKI-Ratgeber.'' Abschnitt: ''Klinische Symptomatik.''] Auf: ''rki.de'', Stand: 12. November 2020, abgerufen am 29. Mai 2021.</ref> Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter Frühsyphilis kann die Erkrankung bei den Betroffenen in der folgenden [[Inkubationszeit|Latenzzeit]] zu einem Stillstand kommen, wobei die Erreger sich jedoch weiterhin im Körper befinden. So kann sich nach Monaten oder Jahren aus der '''latenten Syphilis''' eine Spätsyphilis entwickeln. Der Infizierte ist ansteckend, auch wenn diese Gefahr sinkt, je länger der Patient beschwerdefrei bleibt.<br />
<br />
Für eine Form der Spätsyphilis mit [[Argyll-Robertson-Syndrom|Robertson-Pupille]], [[Aortitis]] und abgeschwächten Reflexen der Ober- und Unterschenkelmuskulatur sowie chronischer [[Meningoenzephalitis]] wurde früher der Begriff ''Babinski-Vaques-Syndrom'' verwendet.<ref>B. Leiber: ''Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe.'' Herausgegeben von G. Burg, J. Kunze, u.&nbsp;a. 7., völlig neu bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, München/ Baltimore 1990, ISBN 3-541-01727-9.</ref><br />
<br />
==== Spätsyphilis ====<br />
===== Tertiärstadium, Tertiärsyphilis, Lues III {{Anker|Tertiärstadium}} =====<br />
[[Datei:Gumma of nose due to a long standing tertiary syphilitic Treponema pallidum infection 5330 lores.jpg|mini|hochkant|Gumma auf dem Nasenrücken (tertiäres Stadium der Syphilis)]]<br />
<br />
Drei bis fünf Jahre später sind nicht nur Eintrittspforte, Lymphknoten und Haut befallen. Die Erreger haben sich im ganzen Körper ausgebreitet und auch innere Organe wie [[Blutgefäßsystem|Blutwege]], [[Luftwege]], [[Rachen]], [[Speiseröhre]], [[Magen]], [[Leber]], [[Knochen]] und [[Muskeln]] befallen. Es bilden sich Knoten, die oft gummiartig verhärtet sind (''Gummen'', in der Einzahl ''Gumma''). Die Bezeichnung als „Gummi“ geht auf [[Girolamo Fracastoro]] zurück, der das Symptom der erweichenden Knoten in seinem Lehrgedicht über die Syphilis so benannte.<ref>[[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 5–20, hier: S. 11.</ref> Histologisch stellen sich Gummen als monozytär-destruierende, plasmazellhaltige [[Granulom]]e dar.<ref>{{Literatur |Autor=W. [Werner] Böcker<!-- 1944- -->, Philipp U. Heitz |Titel=Pathologie |Auflage=5., vollständig überarbeitete |Ort=München |Datum=2015 |ISBN=978-3-437-17045-4}}</ref> Sie treten insbesondere an Haut, Schleimhaut und Knochen auf. Auf der Haut bilden sie mitunter große [[Geschwür]]e, am Gaumen entsteht unter Umständen eine Perforation zur Nasenhöhle. Besonders gefährlich ist ein syphilitischer Knoten an der Hauptschlagader ([[Aorta]]), verursacht von einer Entzündung in der mittleren und äußeren Wandschicht derselben ([[Mesaortitis luetica]]). Etwa 30 Jahre nach der Infektion kann ein solcher Knoten als Spätkomplikation zu einer leicht aufreißbaren Aussackung der Aorta ([[Aortenaneurysma]]) führen. Sollte diese Ausbuchtung reißen, verblutet der Betroffene innerlich. Zudem kann auch das zentrale Nervensystem<ref>Immo von Hattingberg: ''Die Neurosyphilis.'' In: [[Ludwig Heilmeyer]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Inneren Medizin.'' Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1308–1311, hier: S. 1309 (''Die Lues cerebrospinalis.'').</ref> befallen sein.<br />
<br />
===== Quartärstadium (Neurolues, Neurosyphilis), Lues IV =====<br />
{{Hauptartikel|Neurolues}}<br />
[[Datei:Tabes Dorsalis.jpg|mini|Die Entmarkung des Rückenmarks bei ''Tabes dorsalis'' in einem Myelin-gefärbten Präparat]]<br />
<br />
Während die bei etwa 20 % der Betroffenen zehn bis zwanzig Jahre nach Beginn der Erkrankung auftretenden schweren neurologischen Störungen ursprünglich dem Tertiärstadium zugeordnet wurden, spricht die neuere Literatur auch von einem eigenständigen Quartärstadium (Lues&nbsp;IV). Ein Viertel der unbehandelten Patienten erkranken an chronischer Hirnentzündung (''Syphilis cerebrospinalis''), die zu [[Demenz]] führt. Zum Teil wird auch von einer erheblichen kurzzeitigen Steigerung der [[Kognition|kognitiven]] mentalen Fähigkeiten der Infizierten berichtet.<ref>So schreibt [[Hans Henny Jahnn]] in seinem Roman ''Die Niederschrift des Gustav Anias Horn, nachdem er neunundvierzig Jahre alt geworden war.'' Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1959, S.&nbsp;7&nbsp;f.:<br />
„''Und die Lueskranken, die einen gewaltsamen Aufschwung ihrer Geisteskräfte erleben, wie wenn sich ein unerschöpflicher Born in ihnen aufgetan hätte. Sie sind gewalttätig, überströmend. Die Herren dieser Welt. Es gibt deren welche, die preisen die Krankheit als eine heilige. Keine hemmende Vernunft stellt sich zwischen sie und ihren geraden Weg zu den Zielen. Sie vermögen die Stunden der Nächte denen der Tage anzuhängen, ohne einer tiefen Ermüdung anheimzufallen. Flüchtige Gedanken sind ihnen gut genug, um eine Wahrheit daraus zu erstellen. Sie kennen nur den halben Zweifel und die ganze Überzeugung. – Bis das Stottern über sie kommt, die Dämmerung, die den hohen Flug ihres Könnens verwischt.''“</ref> Die ''Progressive Paralyse'' der [[Neurolues]] äußert sich durch den zunehmenden Abbau der intellektuellen Fähigkeiten, eine [[Ataxie]] und Sprachstörungen. Weiter werden das [[Rückenmark]] und seine austretenden Nerven so geschädigt, dass die Patienten zunächst Schmerzen haben, dann Schmerz und Temperatur nicht mehr wahrnehmen (''Tabes dorsalis''). Das Gehen und die Kontrolle über [[Harnblase|Blase]] und [[Darm]] sind gestört. Am Ende sind die Patienten gelähmt. Es kann auch zu einer Beteiligung des [[Sehnerv]]s mit folgender Sehverschlechterung bis zur Erblindung kommen. Weiterhin treten Kreislauf-, Knochen- und Gelenkschäden ([[Jean-Martin Charcot|Charcot]]-Gelenke) auf. Dieser Verlauf wird in den westlichen Ländern dank ausreichender Therapie mit Antibiotika nur noch selten beobachtet. Außergewöhnliche sensitive oder psychische Veränderungen in dieser Phase wurden vielerorts beschrieben, aber nie systematisiert, so die übermäßige Steigerung der [[Libido]] und verschiedene Arten von [[Wahrnehmung]]s<nowiki />veränderungen.<br />
<br />
=== {{Anker|Lues connata}}Angeborene Syphilis (Lues connata, konnatale Syphilis) ===<br />
Im vierten bis fünften Schwangerschaftsmonat (also nach der Entwicklung des eigenen Immunsystems), kann ein Foetus an Syphilis erkranken. Als Folge hiervon kann es zu Tot-, Fehl- oder [[Frühgeburt]] kommen, zu Geburten von schwerkranken Kindern mit angeborener Syphilis, der ''Lues connata'', oder aber zu Geburten scheinbar gesunder Kinder, bei denen noch keine Symptome augenfällig sind. Grob wird die Lues connata in zwei Formen unterteilt, wobei diese Beurteilung zum Teil erst rückwirkend getroffen werden kann.<br />
<br />
Bei der ''[[Lues connata praecox]]'' (auch Syphilis connata praecox – frühzeitige angeborene Lues) sind die [[Leitsymptom]]e wie folgt: blutige [[Rhinitis|Koryza]] (Schnupfen), makulopapulöses [[Exanthem]] (fleckiger, an den Haaransätzen durch kleine Knötchen gekennzeichneter Ausschlag) und [[Pseudoparalyse]]. Darüber hinaus kann es zu blasigen Hautveränderungen ([[Pemphigus]]), Vergrößerung von Leber und Milz ([[Hepatosplenomegalie]]) und [[Osteochondritis]] (entzündlichen Knorpel-/Knochenerkrankungen) kommen, die das spätere Wachstum und Aussehen beeinflussen<ref>{{Literatur |Autor=Friedrich Burkhardt |Hrsg=Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger W. Braun, Peter Kimmig |Titel=Mikrobiologische Diagnostik Bakteriologie - Mykologie - Virologie - Parasitologie |Auflage=2. |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart - New York |Datum=2009 |ISBN=978-3-13-743602-7 |Seiten=595-596}}</ref>.<br />
<br />
Bei Symptomen, die sich etwas später zeigen und über das zweite Lebensjahr hinaus sichtbar sind, spricht man dagegen von der ''[[Lues connata tarda]]'' (angeborene verzögerte Lues). Diese geht klassisch mit einer [[Hutchinson-Trias]] einher: Hornhautentzündung des Auges ([[Keratitis]]), [[Innenohrschwerhörigkeit]] und [[Hutchinson-Zähne|tonnenförmige Schneidezähne]]<ref>{{Literatur |Autor=Gerd Herold |Hrsg=Gerd Herold und Mitarbeiter |Titel=Innere Medizin |Verlag=Selbstverlag |Ort=Köln |Datum=2017 |ISBN=978-3-9814660-6-5 |Seiten=887}}</ref>. Zusätzlich kann durch die Zerstörung von Knorpel und Knochen der Nasenscheidewand der Nasenrücken einsinken, eine so genannte [[Sattelnase]] entstehen. Diese für die angeborene Syphilis typischen Merkmale werden auch [[Stigmata]] genannt. Vorsorgeuntersuchungen und frühzeitige Therapie können beiden Erscheinungsformen der angeborenen Syphilis annähernd ausschließen.<br />
<br />
=== Extragenitale Syphilis ===<br />
Die ''extragenitale'' oder [[Endemische Syphilis]] wird durch ''Treponema pallidum ssp. endemicum'' verursacht (s.&nbsp;o.). Sie kommt in [[Afrika]] und im [[Mittlerer Osten|mittleren Osten]] vor, wo sie ''Bejel'' genannt wird. Im Gegensatz zu Treponema Pallidum wird sie auch durch Gegenstände des täglichen Gebrauchs übertragen, die Eintrittspforte ist oft die Mundschleimhaut. Die Haut- und Schleimhautsymptome sind praktisch nicht von der venerischen Syphilis zu unterscheiden, allerdings sind Organe nur selten betroffen. Die serologischen Syphilis-Tests fallen positiv aus. Die Behandlung besteht wie bei der venerischen Syphilis in der Gabe von [[Benzylpenicillin]].<br />
<br />
== Diagnostik ==<br />
[[Datei:Treponema pallidum cropped.png|mini|''Treponema pallidum'' in der Dunkelfeldmikroskopie, gefärbt mittels Immunfluoreszenz-Technik]]<br />
Neben der Beobachtung der typischen Symptome (Anamnese und klinische Untersuchung) existieren verschiedene direkte und indirekte Nachweismethoden der Syphilis-Infektion. Der direkte Erregernachweis geschieht durch [[Dunkelfeldmikroskopie]] oder Silberfärbung von Sekreten. Sehr empfindlich ist der Immunfluoreszenz-Test. In Einzelfällen ist ebenfalls ein [[Polymerase-Kettenreaktion|PCR]]-Nachweis möglich, nicht hingegen die Anzucht des Erregers. Bei unbekanntem Infektionszeitpunkt muss der [[Liquor cerebrospinalis]] auf eine mögliche Neurolues untersucht werden ([[Lumbalpunktion]]). Die indirekten Verfahren, die in aller Regel zur Diagnosestellung eingesetzt werden, beruhen auf dem serologischen Nachweis von Syphilis-[[Antikörper]]n im Patientenblut:<ref name="rki" /><br />
<br />
Der [[TPHA]] ''(Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Assay)'' ist ein Screening-Test (Suchtest) auf den Syphilis-Erreger: Blutserum des Patienten wird in Verdünnungsreihen mit Treponema-markierten Schafsblutkörperchen zusammengebracht; sind Antikörper gegen den Erreger vorhanden, verklumpt das Blut (vgl. [[Titer (Medizin)|Titerbestimmung]]). Eine Variante dieses Tests, bei der statt Schafsblutkörperchen Latexpartikel verwendet werden, bezeichnet man als TPPA (Treponema pallidum Partikelagglutinationstest). Der TPHA-Test ist frühestens vier bis sechs Wochen nach der Infektion positiv.<br />
<br />
Der [[FTA-Abs-Test]] ''(Treponema-pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest)'' ist ein Bestätigungstest bei positivem TPHA: Das Serum wird mit sogenannten Reiter-Spirochäten (apathogene Treponemen) zusammengebracht. Dabei werden kreuzreagierende Antikörper, die zu einem falsch-positiven Ergebnis führen, entfernt. Daher kommt das ABS im Namen des Tests: die „falschen“ (kreuzreagierenden) Antikörper werden absorbiert. Im nächsten Schritt wird eine Glasplatte, die mit abgetöteten Treponemen beschichtet ist, mit dem „absorbierten“ Serum des Patienten zusammengebracht. Die Bindung der Antikörper aus dem Patientenserum an die Treponemen auf der Glasplatte wird dann mit einem farblich markierten Antikörper in der Fluoreszenzmikroskopie sichtbar gemacht. Eine Variante dieses Tests, bei der nur [[Immunglobulin M|IgM-Antikörper]] nachgewiesen werden, bezeichnet man als FTA-ABS-19S-IgM.<br />
<br />
Der [[VDRL-Test]] ''(Venereal Disease Research Laboratory)'' dient als Test zur Verlaufskontrolle, Aktivitätsbeurteilung und Einschätzung der Behandlungsbedürftigkeit: In diesem Test werden Antikörper gegen [[Cardiolipin]] nachgewiesen, die nicht spezifisch für die Syphilis sind, sondern auch bei anderen Erkrankungen vorkommen (insb. [[Antiphospholipid-Syndrom]]). Er wird auch als CMT (Cardiolipin-Mikroflockungstest) bezeichnet.<br />
<br />
== Therapie ==<br />
[[Datei:Syphilis is a dangerous disease.png|mini|hochkant|''Syphilis ist eine gefährliche Krankheit, kann aber geheilt werden.'' Poster der US-amerikanischen Regierung zur Bekämpfung der Syphilis aus den 1930er Jahren.]]<br />
<br />
Da ''Treponema pallidum'' auch nach 80 Jahren keine Resistenzen gegen [[Penicillin]]e ausgebildet hat, sind diese die Mittel der Wahl zur Behandlung der Syphilis in allen Krankheitsstadien, insbesondere [[Penicillin G]] und [[Benzylpenicillin-Benzathin]]. Da sich die Treponemen langsam replizieren, ist – abgesehen von der Frühsyphilis<ref>Marianne Abele-Horn: ''Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten.'' Marburg 2009, S. 233.</ref> – eine Behandlungsdauer von mindestens 10–14 Tagen, in späten Stadien und bei Neurolues von 14–21 Tagen, notwendig. Im Primär-/Sekundärstadium ist alternativ auch eine einmalige höherdosierte Gabe möglich. Während in den frühen Stadien eine [[intramuskulär]]e Injektion ausreichend ist, kann bei einer Neurolues auf diese Weise kein ausreichender Wirkspiegel im Gehirn aufgebaut werden. In diesen Fällen ist darum im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes eine [[intravenös]]e Gabe über drei Wochen notwendig. Penicilline sind auch zur Therapie der Lues connata und Erkrankungen während einer Schwangerschaft sowie bei HIV-Infektion angezeigt.<br />
<br />
Bei Allergien wird auf andere [[Antibiotika]] wie [[Tetracycline]], [[Makrolide]] oder [[Cephalosporine]] zurückgegriffen. Die Auswahl erfolgt je nach Krankheitsstadium und Begleitumständen. Beim Einsatz von Cephalosporinen muss mit [[Kreuzallergie]]n in etwa 5–10 % der Fälle gerechnet werden.<br />
<br />
Eine Nebenwirkung der Antibiotikatherapie der Syphilis ist die [[Jarisch-Herxheimer-Reaktion]], welche insbesondere bei älteren Patienten oder länger bestehender Syphilis auftritt, meist in frühen Stadien, nur selten bei einer Neurolues. Dabei führt das schnelle Zerfallen der Treponemen beim Vorhandensein zahlreicher Erreger zum Freiwerden von [[Toxine]]n. [[Fieber]], [[Kopfschmerzen|Kopf-]] und [[Myalgie|Muskelschmerzen]] und [[Hypotonie]] können die Folge sein, meist 2–8 Stunden nach Therapiebeginn. Die Jarisch-Herxheimer-Reaktion kann mit [[Kortison]]-Derivaten behandelt werden. Auch eine [[Krankheitsprävention|Prophylaxe]] ist so möglich.<ref name="herold">Gerd Herold: ''Innere Medizin 2009: eine vorlesungsorientierte Darstellung; unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die ärztliche Prüfung; mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis'' (= ''Herold innere Medizin.'') Selbstverlag, Köln 2009.</ref><br />
<br />
Bei Therapieerfolg zeigt sich ein deutlicher Rückgang der [[Antikörper]]. Therapiekontrollen sollten initial vierteljährlich, später jährlich mittels VDRL- und TPHA-Test erfolgen, bei Befall des Gehirns auch mittels der schon länger eingesetzten<ref>Theodor Kohrs: ''Liquorbefunde bei behandelte Syphilis.'' In: ''Dermatologische Zeitschrift.'' Band 32, 1921, S. 71–91.</ref> [[Liquor cerebrospinalis|Liquordiagnostik]]. In der Schwangerschaft werden monatliche Kontrollen empfohlen.<ref name="rki" /><ref>{{Internetquelle |url=http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/059-002.htm |titel=Diagnose und Therapie der Syphilis |werk=Leitlinien der Deutschen STD-Gesellschaft |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20100517055400/http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/059-002.htm |archiv-datum=2010-05-17 |abruf=2016-06-06}}</ref><br />
<br />
Eine einmal überstandene Syphilis schützt jedoch nicht vor einer erneuten Infektion, da durch die Erkrankung keine überdauernden [[Antikörper]] gegen den Erreger entstehen und somit auch keine Immunität ausgebildet wird.<ref>Pharmazeutische Zeitung: [https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-232011/pharmacon-meran-2011/die-rueckkehr-der-syphilis/ '' Sexuell übertragbare Krankheiten - Die Rückkehr der Syphilis.''] - ''Pharmacon Meran 2011'', Ausgabe 23/2011 Auf: ''pharmazeutische-zeitung.de'' vom 7. Juni 2011; zuletzt abgerufen am 29. Mai 2021.</ref><br />
<br />
== Prävention ==<br />
Gegen die Syphilis gibt es keine [[Impfung]].<ref name="RKI - Syphilis" /> Durch die Anwendung von [[Kondom]]en beim [[Geschlechtsverkehr]] kann die Übertragungswahrscheinlichkeit der Syphilis und anderer [[Geschlechtskrankheit]]en wesentlich verringert werden. Wegen der gleichen Ansteckungswege tritt eine Syphilis-Erkrankung oft gemeinsam mit einer [[HIV]]-Infektion auf, es sollten also bei Vorliegen einer [[Sexuell übertragbare Erkrankung|sexuell übertragbaren Erkrankung]] immer andere mit geprüft und ausgeschlossen werden. Die Benachrichtigung und serologische Untersuchung des Partners des Erkrankten bezeichnet man als ''Partner-Tracing''.<ref>Marianne Abele-Horn: ''Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten.'' Marburg 2009, S. 234.</ref><br />
<br />
Eine Übertragung der Syphilis ist auch beim [[Oralverkehr]] möglich.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
=== Ursprung der Syphilis ===<br />
Über den Ursprung der Syphilis herrschte lange Zeit Uneinigkeit. Durch frühe Beschreibungen bei den Teilnehmern von [[Christoph Kolumbus|Kolumbus]]’ zweiter Amerikareise und in zeitlicher Nähe der Reisen wurde angenommen, die Syphilis sei aus Amerika eingeschleppt worden (vgl. [[Columbian Exchange]]) und vorher in anderen Kontinenten völlig unbekannt gewesen. Spätere Forschung legt nahe, dass – vermutlich weniger gefährliche – Formen der Syphilis schon mindestens in der Antike in Europa bekannt waren. Vermutlich wurde jedoch ein südamerikanischer Stamm durch die spanischen Entdeckungsfahrten neu eingeschleppt, an den die europäische Bevölkerung über keine Anpassung verfügte (siehe [[#Kombinationstheorie|unten]]).<br />
<br />
Mit dem Wort Syphilis waren im 16. Jahrhundert möglicherweise neben der durch Treponema pallidum verursachten Krankheit auch andere [[Treponematose]]n wie [[Frambösie]] und [[Pinta (Krankheit)|Pinta]] gemeint. Auch die [[Gonorrhoe]] wurde manchmal noch nicht von der Syphilis unterschieden. Auch damalige Verwechslungen mit der [[Lepra]] (dem „Aussatz“) sind in einigen Fällen nicht ausgeschlossen.<ref>Birgit Adam: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' 2001, S. 40.</ref><br />
<br />
==== Ausbreitung Ende 15. Jahrhundert ====<br />
[[Datei:Grünpeck 1496a.jpg|mini|Joseph Grünpeck: Das Christuskind straft die Menschheit mit Syphilis (Holzschnitt 1496)]]<br />
<br />
Ab dem Jahr 1493, in dem [[Christoph Kolumbus]] von seiner ersten Amerikaexpedition zurückkehrte, fielen in spanischen Hafenstädten wie [[Barcelona]] Fälle einer damals als neuartig erscheinenden Erkrankung auf. Der spanische Arzt [[Ruy Díaz de Isla]] wollte die ersten Fälle unter den 1496 zurückgekehrten Teilnehmern der zweiten Reise von Kolumbus ausgemacht haben.<!-- Beleg fehlt, bei 17 Schiffen mit 1500 Mann ist aber davon auszugehen, dass einige vorzeitig zurückgekehrt sind um Bericht zu erstatten --><br />
<br />
Die Erkrankung verbreitete sich rasch in den Hafenstädten des westlichen und mittleren Mittelmeeres, so auch in Neapel, das damals zur [[Krone von Aragonien]] gehörte und somit einen direkten personellen Austausch mit Barcelona hatte. 1494 brach der französische König [[Karl VIII. (Frankreich)|Karl&nbsp;VIII.]] mit einem zusammengewürfelten, mehrheitlich aus in [[Burgund]] rekrutierten [[Söldner]]n bestehenden Heer nach Italien auf, um seine Erbansprüche auf das Königreich [[Neapel]] durchzusetzen. Nach einer kurzen Belagerung wurde Neapel am 22. Februar 1495 eingenommen. Bereits im Frühsommer 1495 gab Karl&nbsp;VIII. Neapel jedoch wieder auf, da er eine Einkesselung durch seine Gegner befürchten musste. Während der Besatzung Neapels war es zu einem ersten größeren Syphilisausbruch unter den Truppen Karls gekommen, der sich nach dem Rückzug ab Oktober 1495<ref>Volker Zimmermann: ''Die beiden Harburger Syphilis-Traktate.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' Band 7, 1989, S. 71–81, hier: S. 71.</ref> auf Mittel- und Norditalien sowie die Herkunftsländer der Söldnertruppen ausweitete. Die italienischen Ärzte nannten in der Folge die vor allem durch Geschwüre auffallende Krankheit Franzosenkrankheit (''morbus gallicus''), die französischen Mediziner sprachen von einer italienischen Krankheit. Bemerkenswert war die hohe [[Virulenz]] des Erregers. In der Folge des Syphilisausbruches von Neapel überzog innerhalb von fünfzig Jahren eine Syphilis-[[Epidemie]] die [[Alte Welt]]. So wurde beispielsweise die etwa 20.000 Einwohner zählende Stadt Straßburg 1496 davon befallen (von dem Prediger [[Johann Geiler von Kaysersberg]] wurde die Krankheit allerdings als [[Pocken|„Blattern“]] bezeichnet).<ref>Klaus-Dieter Linsmeier: ''Seuchen. Nächstenliebe in Zeiten der Syphilis.'' In: ''Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion'' (= ''Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur.'' Band 2.19), 2019, S. 74 f.</ref> Die Epidemie schwächte sich dann aber infolge eines Virulenzverlustes deutlich ab und setzte sich auf unterschiedlich hohem Niveau bis in die heutigen Tage fort.<br />
<br />
==== Miasma-Theorie und astrologische Erklärung ====<br />
In Deutschland war in der frühen Neuzeit die [[Miasma]]-Theorie verbreitet. Man glaubte, so auch geschildert in dem Syphilis-Gedicht (Buch 1, Verse 220 ff.) von Fracastoro, für den die astrale Ätiologie der Syphilis feststand, dass die seltene [[Konjunktion (Astronomie)|Konjunktion]] der [[Planet]]en [[Saturn (Planet)|Saturn]] und [[Jupiter (Planet)|Jupiter]] am 25. November 1484 im [[Tierkreiszeichen|Zeichen]] des [[Skorpion (Sternbild)|Skorpions]] und Hause des [[Mars (Planet)|Mars]] die Ursache der Epidemie gewesen sei. „Der gute Jupiter unterlag den bösen Planeten Saturn und Mars und das Zeichen des Skorpions, dem die Geschlechtsteile untergeben sind, erklärt, weshalb die Genitalien der erste Angriffspunkt der neuen Krankheiten waren.“<ref>[[Iwan Bloch]]: ''Ursprung der Syphilis.'' Fischer, Jena, 1901/11.</ref><ref>Traktat ''De morbo Gallico'' des Benedictus Rinius; zitiert nach Ludwik Fleck: ''Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980 [zuerst 1935], S. 4 f.: „…&nbsp;ut affirmant Astronomi, ex coniunctione Saturni et Iovis in tertia scorpionis facie in 23 gradu transacta 1484&nbsp;…“</ref><ref>Walther Schönfeld: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 11 f.</ref><br />
<br />
==== Verschmelzungstheorie ====<br />
[[Paracelsus]] glaubte an die Entstehung durch den Geschlechtsakt eines [[Lepra|leprösen]] Mannes mit einer [[tripper]]kranken Frau. Letztlich war eine religiöse und sozialkritische Erklärung der Syphilis, dass es sich bei dieser Erkrankung um eine Geißel Gottes für die notorischen Sünden der Welt handele.<br />
<br />
==== Kolumbus-Theorie ====<br />
Der österreichische Arzt [[Leonhardus Schmaus]] folgerte 1518 aus der Tatsache, dass die Syphilis durch das amerikanische [[Guajak#Heilmittel|Guajak-Holz]], welches möglicherweise schon vor 1504 in Spanien bekannt war, geheilt wird, die Krankheit müsse aus Amerika stammen.<ref>''Lucubratiuncula de morbo Gallico et cura eius nouiter reperta cum ligno Indico''. Sigismund Grimm, Wien 18. Dezember 1518 [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10166431_00001.html (Digitalisat)]</ref><ref>''Dictionnaire des sciences médicales. Biographie médicale.'' Band 7, Panckoucke, Paris 1825. S. 147 [http://www.biusante.parisdescartes.fr/histoire/medica/resultats/?cote=47667x07&p=150&do=page (Digitalisat)]</ref> Der spanische Arzt [[Ruy Díaz de Isla]] verfasste zwischen 1510 und 1520 einen Bericht, der erst 1539 veröffentlicht wurde. Darin beschrieb er, dass er im Jahr 1493 einige Mitglieder von [[Christoph Kolumbus|Kolumbus’]] Schiffsmannschaft nach ihrer Rückkehr aus Mittelamerika wegen syphilitischer Geschwüre behandelt habe. Diese Art von Geschwüren habe er vorher nie in seiner Praxis gesehen. Er schloss daraus, dass diese neue Krankheit von [[Hispaniola]] (Insel Haiti) nach Europa importiert worden sei.<ref>Ruy Diaz de Isla: ''Tractado contra el mal serpentine''. Sevilla 1539 (geschrieben ca. 1510) [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10197838_00001.html (Digitalisat)] Ein Manuskript dieses Buches (Codex P, Nr. 42), dessen Entstehungszeit er auf vor 1521 schätzte, hat Bonofacio Montejo (ca. 1825–1890) in der Nationalbibliothek in Madrid entdeckt.</ref> Auch [[Gonzalo Fernández de Oviedo]], der von 1514 bis 1556 achtmal den Atlantischen Ozean überquerte und 42 Jahre in Mittelamerika zubrachte, schrieb in seiner ''Historia general y natural de las Indias Occidentales&nbsp;…'', es sei sicher, dass die Erkrankung aus Westindien stamme und von den Seeleuten des Kolumbus nach Europa gebracht wurde.<ref>Iwan Bloch: ''Der Ursprung der Syphilis.'' G. Fischer, Jena 1901–1911, Band I 1901, S. 184–192, {{archive.org |derursprungders02blocgoog |Blatt=n204}}. Darin S. 187–189 eine deutsche Übersetzung der relevanten Stellen aus der Oviedo-Ausgabe des 19. Jahrhunderts.</ref> [[Bartolomé de las Casas]], ein Gegner von Oviedo in Beziehung auf dessen Stellung zu der Behandlung der Indianer, bezeugte trotzdem ausdrücklich Oviedos These vom amerikanischen Ursprung der Syphilis.<ref>Iwan Bloch: ''Der Ursprung der Syphilis.'' G. Fischer, Jena, Band I 1901, S. 192–201, {{archive.org |derursprungders02blocgoog |Blatt=n212}}</ref> Noch [[Jean Astruc]] bekräftigte die Kolumbus-Theorie in seiner zuerst 1736 erschienenen umfangreichen Abhandlung über die Geschlechtskrankheiten, welche bis weit ins 19. Jahrhundert als Referenzwerk galt.<ref>Jean Astruc: ''De morbis venereis libri sex.'' G. Cavelier Lutetiae Parisiorum 1736, [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k98761w gallica.bnf.fr]</ref><br />
<br />
==== Präkolumbische Theorie ====<br />
Der italienische Humanist [[Niccolò Leoniceno]] hatte bereits 1497 erklärt, dass die Beschreibung [[Ulcus|ulcerierender Erkrankungen]] des Penis durch antike Autoren den Schluss zuließen, dass es sich bei der Syphilis um eine sehr alte europäische Erkrankung handele.<ref>Niccolò Leoniceno. ''Libellus de Epidemia, quam vulgo Morbum Gallicum vocant.'' [[Aldus Manutius]], Venedig Juni 1497 [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k585082 (Digitalisat)] Die relevanten Stellen aus Leonicenos Schrift sind in deutscher Übersetzung nachzulesen bei: [[Philipp Gabriel Hensler]] (1733–1855). ''Geschichte der Lustseuche, die zu Ende des XV. Jahrhunderts in Europa ausbrach.'' Herold. Hamburg (1783 und) 1789, S. 29–32 [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10727502_00048.html (Digitalisat)]</ref> Unter Bezug auf Leoniceno argumentierten der portugiesische Arzt [[António Nunes Ribeiro Sanches]] (1752)<ref>António Nunes Ribeiro Sanches. ''Dissertation sur l’origine de la maladie vénérienne, pour prouver que le mal n’est pas venu d’Amerique, mais qu’il a commencé en Europe, par une Épidémie.'' Durand und Pissot, Paris 1752 [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10474458_00001.html (Digitalisat)]</ref><ref>António Nunes Ribeiro Sanches. ''Dissertation sur l’origine de la maladie vénérienne, pour prouver que le mal n’est pas venu d’Amerique, mais qu’il a commencé en Europe, par une Epidemie. Suivi de l’examen historique sur l’apparition de la maladie vénérienne en Europe. Et sur la nature de cette Épidémie.'' A. Koster, Leiden 1777 [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10474461_00001.html (Digitalisat)]</ref> und der deutsche Arzt [[Philipp Gabriel Hensler]] (1790)<ref>Philipp Gabriel Hensler: ''Vom abendländischen Aussatze im Mittelalter, nebst einem Beitrage zur Kenntniß und Geschichte des Aussatzes.'' Herold, Hamburg 1790 [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10472462_00001.html (Digitalisat)]</ref> im ausklingenden 18. Jahrhundert gegen die Kolumbus-Theorie.<br />
<br />
Der Engländer [[Simon Mays]] gründet eine zunächst heftig umstrittene präkolumbische [[Theorie]] auf Knochenfunde, die auf die Zeit von 1296 bis 1445 datiert wurden. Spezifische Veränderungen an den Knochen lassen seiner Ansicht nach mit großer Sicherheit auf eine Infektion mit Syphilis schließen. Die bedeutendsten Funde dieser Art stammen aus [[Riverhall]], [[Essex]], in [[England]]. Demnach trat die Syphilis also bereits deutlich früher als 1495 zuerst in England auf.<br />
<br />
Weiterhin wurden im Bereich der Kirche eines zerstörten Klosters der englischen Hafenstadt [[Kingston upon Hull]] drei Skelette gefunden, die nach Ansicht der Experten eindeutige Spuren einer fortgeschrittenen Syphiliserkrankung aufweisen.<ref>T. E. von Hunnius, C. A. Roberts, A. Boylston, S. R. Saunders: ''Histological identification of syphilis in pre-Columbian England.'' In: ''Am J Phys Anthropol.'' Apr. 2006, Band 129, Nr. 4, S. 559–66, PMID 16345063.</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.pbs.org/wnet/secrets/case_syphilis/interview.html |titel=The Syphilis Enigma |werk=Secrets of the Dead |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20050829194030/http://www.pbs.org/wnet/secrets/case_syphilis/interview.html |archiv-datum=2005-08-29 |abruf=2016-06-06}}</ref> Durch diese Befunde wurde die Forschung motiviert, nunmehr intensiver in Europa nach weiteren Spuren der Syphilis aus der Zeit vor 1495 zu suchen. In Süditalien entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen in [[Metapont]], einer griechischen Siedlung aus dem 6.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr., viele Knochen mit den klassischen Anzeichen der Syphilis. Dabei konnte erstmals auch in Europa bei einem Kinderskelett an den zugehörigen Zähnen eine nur von der Syphilis verursachte Querfurche nachgewiesen werden. Solche Zahnspuren entstehen nur, wenn ein Kind von seiner Mutter während der Schwangerschaft oder unter der Geburt mit dem Erreger der Syphilis infiziert worden ist.<ref>[[Geneviève Lüscher]]: [https://www.nzz.ch/articleE3UMA-1.32790 ''Zeichen der Syphilis im Europa vor Kolumbus''.] Auf: ''NZZ Online.'' vom 17. Mai 2006.</ref> Sowohl bei der Suche nach Anzeichen dieser Erkrankung in [[Pompeji]] als auch bei Knochenfunden aus dem 13. Jahrhundert in der Türkei<ref>Y. S. Erdal: ''A pre-Columbian case of congenital syphilis from Anatolia (Nicaea, 13th century AD).'' In: ''International Journal of Osteoarchaeology (Int J Osteoarchaeol).'' 2006, Band 16, Nr. 1, S. 16–33, [[doi:10.1002/oa.802]].</ref> wurde man ebenfalls fündig. Diese Funde schienen zu belegen, dass die schwere Erkrankungsform der Syphilis in Europa auch schon lange vor dem 15. Jahrhundert anzutreffen und nicht erst von den [[Conquistador]]en aus Lateinamerika eingeschleppt worden war.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.arte.tv/de/suche/1472760.html |text= |wayback=20070929103239}} S. Cerasuolo, E. Fergnachino: ''Das Syphilisgeheimnis.'' TV-Dokumentation, Großbritannien 2002.</ref><ref>P. D. Mitchell: ''Pre-Columbian treponemal disease from 14th century AD Safed, Israel, and implications for the medieval eastern Mediterranean.'' In: ''American journal of physical anthropology.'' (Am J Phys Anthropol) Juni 2003, Band 121, Nr. 2, S. 117–124, PMID 12740955.</ref><br />
Bei einer genaueren Durchsicht der Publikationen von bis dahin 54 Fällen einer angenommenen Syphilisinfektion in der Alten Welt vor Kolumbus kamen andere Forscher jedoch zu dem Ergebnis, dass entweder die diagnostischen Kriterien einer tertiären Syphilis bei strikter Prüfung nicht erfüllt waren, oder dass in den Fällen mit tatsächlicher Kriterienerfüllung die [[Radiokohlenstoffdatierung]]en durch den sogenannten [[Reservoireffekt]] verfälscht waren.<ref>K. N. Harper, M. K. Zuckerman, M. L. Harper, J. D. Kingston, G. J. Armelagos: ''The origin and antiquity of syphilis revisited: An Appraisal of Old World pre-Columbian evidence for treponemal infection.'' In: ''American Journal of Physical Anthropology.'' 146 (2011), S. 99–133. [[doi:10.1002/ajpa.21613]]</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.pasthorizonspr.com/index.php/archives/12/2011/skeletons-point-to-columbus-voyage-for-syphilis-origins |titel=Skeletons point to Columbus voyage for syphilis origins |datum=2011-12-21 |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140502002428/http://www.pasthorizonspr.com/index.php/archives/12/2011/skeletons-point-to-columbus-voyage-for-syphilis-origins |archiv-datum=2014-05-02 |abruf=2016-06-06}}</ref><br />
<br />
Bei Ausgrabungen am Domplatz in [[St. Pölten]] konnten Forscher des Departments für Gerichtsmedizin und des Zentrums für Anatomie und Zellbiologie (Knochenlabor) der [[Medizinische Universität Wien|MedUni Wien]] mehrere Fälle von wahrscheinlich [[Angeboren|kongenitaler]] Syphilis aus der Zeit zwischen 1320 und 1390 [[Morphologie (Biologie)|morphologisch]] (strukturell) nachweisen, wobei Veränderungen des Gebisses von Skeletten aus dem 14. Jahrhundert als Grundlage dienten. „Wir konnten die so genannten [[Hutchinson-Zähne]] mit zentralen Einkerbungen und konvergierenden Rändern sowie die Maulbeer- oder Knospenform bei Mahlzähnen nachweisen, die charakteristisch für die Syphilis sind“, erklären die Studienautoren Kanz und Großschmidt (Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie). Der morphologische Nachweis soll nun im nächsten Schritt sowohl [[Molekularbiologie|molekularbiologisch]] als auch mithilfe der [[Proteomik]] untermauert werden. Vor allem aus der proteomischen Untersuchung erwarten sich die Wissenschaftler weitere Rückschlüsse, da die [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] der Syphilis sehr schnell zerfällt.<ref>{{Literatur |Autor=Johanna Sophia Gaul, Karl Grossschmidt, Christian Gusenbauer, Fabian Kanz |Titel=A probable case of congenital syphilis from pre-Columbian Austria |Sammelwerk=Anthropologischer Anzeiger |Band=72 |Nummer=4 |Datum=2015 |Seiten=451–472 |DOI=10.1127/anthranz/2015/0504}}</ref><br />
<br />
==== Kombinationstheorie ====<br />
Auch der Ansatz, dass der Syphilis-Erreger in verschiedenen [[Pathogenität|pathogenen]] Stämmen sowohl in der Alten als in der Neuen Welt vor Kolumbus existierte, wurde verfolgt.<ref>(„combination theory“) Alfred W. Crosby: ''The Columbian exchange: biological and cultural consequences of 1492.'' Praeger, New York 2003, ISBN 0-275-98092-8, S. 146.</ref> Durch [[Molekularbiologie|molekularbiologische]] Untersuchungstechniken gewonnene Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass von den Schiffsbesatzungen der spanischen Entdecker erstmals ein südamerikanischer Stamm des Bakteriums ''Treponema pallidum'' nach Europa eingeschleppt wurde. Dieser hat sich anschließend sehr schnell ausgebreitet, da die europäische Bevölkerung an diesen Erregerstamm keinerlei Anpassung aufwies.<ref>K. N. Harper, P. S. Ocampo u.&nbsp;a.: [http://www.plosntds.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pntd.0000148 ''On the origin of the treponematoses: a phylogenetic approach''.] In: ''PLoS Neglected Tropical Diseases.'' 15. Jan. 2008, Band 2, Nr. 1, Art. e148, PMID 18235852.</ref><ref>Kristin Harper u.&nbsp;a.: ''PLoS Neglected Tropical Diseases.'' Band 2, Nr. 1, Art. e148, siehe auch Kommentar zur Studie: Connie Mulligan u.&nbsp;a.: ''Molecular Studies in Treponema pallidum Evolution: Toward Clarity.''</ref><br />
<br />
Weiterhin gibt es Hinweise, dass die Syphilis in einer harmloseren Form, als Hautkrankheit, schon im alten Griechenland oder im präkolumbischen Amerika existierte, und die Wissenschaftler vermuten, dass der Erreger im Verlaufe der frühen Menschheits- und Zivilisationsentwicklung bei zunehmender Anwendung von Körperpflege ([[Hygiene]]) weltweit in den verschiedenen Kulturen zu der für den Menschen so gefährlichen Form der Syphilis [[Mutation|mutierte]]. Eine neue Studie bekräftigt diese Theorie.<ref>Universität Zürich: [https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2020/Syphilis.html ''Die Syphilis grassierte wohl schon vor Kolumbus in Europa''.] Medienmitteilung vom 13. August 2020; abgerufen am 29. September 2020.</ref><ref>Kerttu Majander, Saskia Pfrengle, Arthur Kocher, Denise Kühnert, Johannes Krause, Verena J. Schuenemann u.&nbsp;a.: ''Ancient Bacterial Genomes Reveal a High Diversity of Treponema pallidum Strains in Early Modern Europe.'' In: ''Current Biology.'' 13. August 2020, Band 30, S. 1–16, [[doi:10.1016/j.cub.2020.07.058]].</ref><br />
<br />
=== Beschreibungen der Syphilis Ende 15. Jahrhundert ===<br />
<br />
[[Datei:A Malafranczos morbo gallorum preservatio ac Cura.png|mini|Titelblatt des Buches von Bartholomäus Steber (Wien 1498)]]<br />
<br />
Im ausgehenden 15. Jahrhundert wurde die Syphilis wiederholt in gedruckten [[Traktat]]en beschrieben. Der erste gedruckte medizinische Text datiert von 1495. Die ersten zehn Traktate über die Syphilis (in den deutschsprachigen Texten<ref>auch [[Karl Sudhoff]]: ''Eine neue Krankheit, „die nuwe krenckte“, im Juni 1494 in Düsseldorf.'' In: ''[[Sudhoffs Archiv]].'' Band 7, 1914, S. 43–45.</ref> auch als ''Französische Krankheit''<ref>Volker Zimmermann: ''Die beiden Harburger Syphilis-Traktate.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' Band 7, 1989, S. 77 f.</ref> bezeichnet) stammen noch aus den letzten fünf Jahren des 15. Jahrhunderts. Druckorte waren die ersten Ausbreitungsgebiete der neuen [[Seuche]]: [[Italien]], [[Deutschland]] und [[Spanien]]. Der erste französische Traktat folgte 1501.<ref>''Historic dispute: Did syphilis originate in the New World.'' In: '' Scienclarified.'' Band 2, 2008.</ref><br />
<br />
[[Konrad Schellig]]s ''Consilium'' 1495 oder 1496 stand am Anfang. Es folgten [[Joseph Grünpeck|Grünpecks]] ''Tractatus de pestilentia scorra'' von 1496.<ref>[http://www.digitale-sammlungen.de/~db/0002/bsb00027711/images Tractat von dem vrsprung des Boesen Franzos Mit Widmungsvorrede des Autors an Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg, 11. November 1496]. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek.</ref> Der bedeutende [[Humanist]] und Arzt [[Niccolò Leoniceno]] aus [[Vicenza]] ging ab 1495 in seinen Vorlesungen an der Universität [[Ferrara]] auf die Epidemie ein. 1497 veröffentlichte er in [[Venedig]] die erste wissenschaftliche Abhandlung über die Krankheit, die er als ''Morbus gallicus'' („gallische Krankheit“) bezeichnete.<ref>Niccolò Leoniceno. ''Libellus de Epidemia, quam vulgo Morbum Gallicum vocant.'' [[Aldus Manutius]], Venedig Juni 1497 [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k585082 (Digitalisat)]</ref> Leoniceno empfahl eine [[topische Anwendung]] von [[Quecksilber]]<nowiki />salzen, da er von einer Erkrankung der Haut ausging. Die Empfehlung der Quecksilberanwendung bei Hauterkrankungen wurde von ihm aus arabischen Quellen übernommen. Noch 1497 erschienen der ''Tractatus de pustulis'' des schwäbischen Leibarztes [[Johannes Widmann (Mediziner)|Johannes Widmann]] und ''De morbo quem Gallicum nuncupant'' von [[Corradino Gilino]]. 1498 folgten [[Bartholomäus Steber]]s ''A malafranzos, morbo Gallorum, praeservatio et cura'', [[Natale Montesauro]]s ''De dispositionibus, quas vulgares mal franzoso appellant'', [[Antonio Scanaroli]]s ''Disputatio utilis de morbo Gallico'' und des spanischen Hofarztes [[Francisco López de Villalobos]] umfangreiche [[Monographie]] ''Somario de la medicina con un tratodo sobre las pestiferas bubas'' über die Syphilis. López de Villalobos berichtete den 1495 bereits vermuteten<ref>[[Gundolf Keil]]: ''Seuchenzüge des Mittelalters.'' In: [[Bernd Herrmann (Anthropologe)|Bernd Herrmann]] (Hrsg.): ''Mensch und Umwelt im Mittelalter.'' Stuttgart 1986, S. 109–128; hier: S. 118–122.</ref> sexuellen Übertragungsweg, die Hautmanifestationen und die Spätkomplikationen der Erkrankung. Auch er empfiehlt die topische Anwendung von Quecksilbersalzen.<br />
<br />
Als zweites verbreitetes Mittel gegen die Syphilis kam im 16. Jahrhundert das [[Guajakharz]] (siehe unten) zum Quecksilber hinzu.<ref>Birgit Adam: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' 2001, S. 98–103 (''Quecksilber und Guajak'').</ref> Vorherige Behandlungsversuche etwa mit Vermeidung von Sumpfgebieten, mit Aderlass, mit Anwendung von Thymian, Meerzwiebeln oder Koloquinthen bleiben meist wirkungslos.<ref>[[August Buck]]: ''Die Medizin im Verständnis des Renaissancehumanismus.'' In: Deutsche Forschungsgemeinschaft: ''Humanismus und Medizin.'' Hrsg. von Rudolf Schmitz und [[Gundolf Keil]], Acta humaniora der Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1984 (= ''Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung.'' Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 181–198, hier: S. 194.</ref><br />
<br />
Am 25. Februar 1500 schilderte Valentin Krauss (genannt Crusius), ein Arzt, Senator und Stadtrichter aus [[Brașov|Kronstadt]] in [[Siebenbürgen]] in einem Brief an [[Conrad Celtis]] die ersten Syphilisfälle Kronstadts (So schrieb er „Gallus apud nos primum incipit saevire atrociter“).<ref>Robert Offner: ''Kronstadt, der Stadtarzt Paulus Kyr und Ferrara.'' In: Robert Offner (Hrsg.): ''[[Paulus Kyr]], Die Gesundheit ist ein köstlich Ding.'' Ein ins Deutsche, Rumänische und Ungarische übersetzter und mit zeitgenössischen Bildern versehener und kommentierter Nachdruck des Gesundheitslehrbuches des Kronstädter Arztes Paulus Kyr: ''Sanitatis studium ad imitationem aphorismorum compositum item alimentorum uires breuiter et ordine alphabetico positae Autore Paulo Kyr medico. Impressum in Inclyta Transylvaniae Corona anno 1551.'' Schiller Verlag, Hermannstadt/Bonn 2010, ISBN 978-3-941271-33-3, S. 9–20, hier: S. 10.</ref><br />
<br />
=== Abgrenzung von der Gonorrhoe ===<br />
Der Unterschied zwischen Harnröhrenausfluss und [[Spermatorrhoe|Samenfluss]] war bereits dem persischen Arzt [[ʿAli ibn al-ʿAbbas al-Madschūsi|Haly Abbas]] im 10. Jahrhundert bekannt.<ref>[[Birgit Adam]]: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6, S. 91.</ref><br />
<br />
Der schottische [[Chirurgie|Chirurg]] und [[Anatomie|Anatom]] [[John Hunter (Mediziner)|John Hunter]] (1728–1793) versuchte 1767 in einem Aufsehen erregenden Selbstversuch, Syphilis und [[Gonorrhoe]] als unterschiedliche Ausformung einer einzigen Krankheit zu belegen, indem er Eiter aus der Harnröhre eines Tripperkranken mit einem [[Skalpell]] in seinen eigenen Penis einbrachte. Aufgrund eines methodischen Fehlers (der Spender war mit beiden Erkrankungen infiziert) glaubte Hunter, der typische syphilitische Symptome entwickelte, den gemeinsamen Ursprung bewiesen zu haben. Der Irrtum wurde erst fünfzig Jahre später aufgedeckt, jedoch wurden noch im 19. Jahrhundert von Geschlechtskrankheiten verschiedener Art betroffene Patienten als „Syphilitische“ bezeichnet.<ref>Manfred Vasold: ''Die Sterblichkeit in Nürnberg im 19. Jahrhundert. Lebensumstände, Krankheit und Tod (um 1800 bis 1913).'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' Band 25, 2006, S. 241–338, hier: S. 277 f.</ref> Hunter starb 1793 an den Spätfolgen seines Experimentes.<br />
<br />
Dass es sich bei Syphilis und Gonorrhoe um unterschiedliche Erkrankungen und bei der Gonorrhoe um eine eigenständige Krankheit handelt, wurde erstmals 1837 durch den französischen Arzt [[Philippe Ricord]] nachgewiesen und 1838<ref>Ricord: ''Traité pratique des maladies vénériennes.'' 1838, S. 104 f.</ref> publiziert.<ref>Hendrik Christian Voß: ''Die Darstellung der Syphilis in literarischen Werken um 1900. Auswirkung wissenschaftlicher Konzepte und sozialer Ideen.'' Medizinische Dissertation, Lübeck 2004, S. 9; [https://www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss115.pdf zhb.uni-luebeck.de] (PDF; 1,1&nbsp;MB).</ref> Bis zu diesem Zeitpunkt wurden beide Erkrankungen als ''morbus venereus'' (bzw. „Lustseuche“<ref>Julius Rosenbaum: ''Geschichte der Lustseuche im Altertume […]''. Halle 1839; 7. Auflage, H. Barsdorf, Berlin 1904</ref>) zusammengefasst.<ref>{{Literatur |Autor=Philippe Ricord |Titel=Lexikon der Naturwissenschaftler |Verlag=Spektrum |Ort=Heidelberg |Datum=2000}}</ref> Der an der Universität Breslau angestellte Assistenzarzt [[Albert Neisser]] entdeckte im Jahre 1879 erstmals die Gonokokken im Urethralabstrich eines Patienten.<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Winkle |Titel=Kulturgeschichte der Seuchen |Verlag=Komet |Ort=Düsseldorf/Zürich |Datum=1997 |ISBN=3-933366-54-2}}</ref><br />
<br />
=== Neuere Geschichte der Erkrankung ===<br />
==== Diagnostische Verfahren und Erregernachweis ====<br />
[[Fritz Schaudinn]] und [[Erich Hoffmann (Mediziner)|Erich Hoffmann]] gelang 1905 der erste mikroskopische Nachweis der Treponemen,<ref>Fritz Richard Schaudinn, Erich Hoffmann: ''Vorläufiger Bericht über das Vorkommen von Spirochaeten in syphilitischen Krankheitsprodukten und bei Papillomen.'' In: ''Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berlin).'' Band 22, 1905, S. 527–534.</ref> die Reinzüchtung des Syphiliserregers ''Treponema pallidum'' erstmals 1911 dem japanischen Bakteriologen [[Noguchi Hideyo]].<ref>Hideyo Noguchi: ''The Establishment of Treponema pallidum as the causative agent of Syphilis, and the cultural Differentiation between this organism and certain morphologically allied Spirochaetae.'' In: ''Can Med Assoc J.'' Band 2, Nr. 4, April 1912, S. 269–276.</ref> Der Japaner war es auch, der zwei Jahre später erstmals einen Zusammenhang zwischen der Infektion mit Treponema pallidum und der progressiven Paralyse sowie Tabes dorsalis herstellen konnte, da er die Treponemen im Gehirn und im Knochenmark nachgewiesen hatte.<ref name="Japanische Medizin">R. Rullière: ''Die Japanische Medizin.'' In: R. Toellner: ''Illustrierte Geschichte der Medizin.'' Band 2, Andreas, Salzburg 1992, ISBN 3-86070-204-1.</ref><br />
<br />
[[August von Wassermann]] und Mitarbeiter entwickelten 1906 ein auf der Arbeit von [[Jules Bordet]]<ref>Bernard Zalc: ''Some comments on Fleck’s Interpretation of the Bordet-Wassermann Reaction in view of present biochemical knowledge.'' In: Robert S. Cohen, [[Thomas Schnelle (Soziologe)|Thomas Schnelle]] (Hrsg.): ''Cognition and Fact. Materials on Ludwik Fleck.'' Dordrecht 1986, S. 399–406.</ref> aufbauendes Nachweis-Verfahren ''(Wassermann-Test)'', bei welchem bei der Syphilis in Blut oder [[Liquor cerebrospinalis]] auftretende Antikörper ''(Reagine)''<ref>R. Gregorzyk: ''Reagin- und Antikörper-Titer bei Salvarsan- und Penicillin-behandelter Spätlues. Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 26. Tagung in Gemeinschaft mit der Schweizer Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie gehalten in Zürich vom 17.–20. April 1964.'' In: ''Arch. klin. exp. Dermatol.'' Band 219, 1964, S. 261–264.</ref> mit [[Cardiolipin]] reagierten, das aus Rinderherzen gewonnen wurde.<ref>August von Wassermann, Albert Neisser, Carl Bruck: [http://pds.lib.harvard.edu/pds/view/7067682 ''Eine serodiagnostische Reaktion bei Syphilis''.] In: ''Deutsche Medizinische Wochenschrift.'' 1906, Nr. 48, S. 745–746.</ref> Der Test stellt eine Modifikation der Komplementbindungs-Reaktion dar, die von Jules Bordet und [[Octave Gengou]] entwickelt wurde. Erstmals stand damit eine serologische Möglichkeit<ref>Felix Plaut: ''Die theoretische Begründung der Wassermannschen Reaktion.'' In: ''Münchener medizinische Wochenschrift.'' Band 78, 1931, S. 1461–1463.</ref> zur Verfügung, eine Syphilis-Infektion frühzeitig zu diagnostizieren.<ref>Vgl. etwa Heinrich E. Schmidt: ''Ueber die Bedeutung der Wassermann’schen Reaktion im allgemeinen und im besonderen für die Behandlung der syphilitischen Soldaten.'' In: ''Berliner klinische Wochenschrift.'' Band 53, 1916, S. 589 f.</ref> Der Nachweis mit diesem Verfahren ist jedoch relativ [[Spezifität|unspezifisch]] und produzierte viele [[falsch-positiv]]e Ergebnisse. In den 1930er Jahren entwickelte [[William Augustus Hinton]] den ''Hinton-Test'', der auf [[Flockung]] beruht und etwas spezifischer war. Beide Tests sind heute durch modernere Verfahren ersetzt.<br />
<br />
==== Entwicklung von Behandlungsverfahren ====<br />
[[Datei:Besnard Buchtitel.png|mini|Titelblatt von Besnards Warnschrift über die Behandlung der Syphilis mit Quecksilber, 1811]]<br />
<br />
Die Syphilis wurde bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem mit dem giftigen [[Quecksilber]] behandelt, mit dem man den Körper des Erkrankten großflächig bestrich, was neben anderen [[Nebenwirkung|unerwünschten Wirkungen]] gewöhnlich zu einem vollständigen Ausfall der Körperbehaarung sowie sämtlicher Zähne führte und den rapiden Verfall sämtlicher Körperfunktionen einleitete (siehe auch [[Quecksilbervergiftung]]),<ref>J. Caspary: ''Ueber chronische Quecksilberbehandlung der Syphilis.'' In: ''[[Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis]].'' 1887, Band 19, Nr. 1, S. 3–35; [http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2FBF02042296 link.springer.com] (PDF).</ref> oder aber mit der [[Pastille]] [[Pilula hydrargyri]], im Englischen auch als „blue mass“ bezeichnet, einem im 17. bis zum 19. Jahrhundert auf Quecksilber [[Galenik|basierenden]] Medikament. Bereits 1783 und nochmals 1811 publizierte der Mediziner [[Franz Joseph von Besnard]] (1749–1814), Leibarzt des Königs von Bayern, Warnschriften vor dieser gefährlichen Therapie.<br />
<br />
Neben der Behandlung mit Substanzen wie Quecksilber und [[Quecksilber(I)-chlorid|Kalomel]] wurden sogar Lösungen von [[Quecksilber(II)-chlorid]] zur Syphilistherapie ab den 1880er Jahren auch in die Haut (''subkutan'')<ref>Emil Stern: ''Ueber das Quecksilberchlorid-Chlornatrium und seine subcutane Anwendung.'' In: ''Berliner klinische Wochenschrift.'' Band 15, 1878, S. 59–64.</ref> gespritzt.<ref>Gottfried Schramm: ''Zur Geschichte der subkutanen Injektionen und Injektabilia in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung der Quecksilbertherapie.'' Stuttgart 1987, S. 60 und 70.</ref><ref>[[Florian G. Mildenberger]]: ''Kein Heil durch Arsen? Die Salvarsandebatte und ihre Konsequenzen.'' In: ''Fachprosaforschung - Grenzüberschreitungen.'' Band 8/9, 2012/2013, S. 327–390, hier: S. 329 f.</ref><br />
<br />
Das Quecksilber war bereits mehrere Jahrhunderte zuvor als mehr oder weniger wirksames Therapeutikum gegen [[Lepra]] und verschiedene andere Hauterkrankungen angewandt worden. [[Konrad Schilling]] (1448–1508) war textlich der Erste, der in seinem Werk ''Consilium in morbum gallicum'' (um 1488–1496) über die externe Quecksilber-Therapie bei der Syphilis berichtete.<br />
Hiernach wurde auch von anderen Ärzten, so [[Antonio Benivieni]] (1440–1502), der in Florenz herausgefunden hatte, dass Syphilis von der Mutter auf das Kind übertragen werden kann,<ref>Barbara I. Tshisuaka: ''Benivieni, Antonio.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 164 f.</ref> [[Hieronymus Fracastorius]] (1478–1553), [[Pedro Pintor]] (1423–1503) und [[Johannes Widmann (Mediziner)|Johannes Widmann]] (1440–1524), über den erfolgreichen Einsatz des Quecksilbers als Externa geschrieben. Später führten auch [[Bader]] und [[Quacksalber]] diese Therapieform durch. Die Quecksilber-Applikation erfolgte zumeist in Form von Einreibungen (etwa mit der [[Graue Quecksilbersalbe|grauen Quecksilbersalbe]] und anderen quecksilberhaltigen Salben<ref>Eduard Lang: ''Prophylaxe und Therapie der Syphilis in zwölf Vorlesungen.'' Wiesbaden 1896, S. 807.</ref>), durch orale Aufnahme sowie auch durch [[Inhalation]] der ''Räucherungen mit Quecksilber''.<br />
<br />
Die südamerikanischen Indianer verfügten über eine kombinierte Syphilistherapie, die ihnen in der Regel auch Heilung verschaffte, denn die Krankheit verlief bei ihnen weniger schwer als bei Europäern. Sie verwendeten Abkochungen aus dem Holz oder der Rinde des [[Guajak]]baumes (''Guaiacum officinale'' und ''G.&nbsp;sanctum'') oder der [[Sarsaparille]]<nowiki />wurzel (''Smilax regelii'' u.&nbsp;a. Arten) in Kombination mit einem Schwitzbad und einer Fastenkur. Das Schwitzbad, dem sich die Indianer nach Einnahme von Guajak unterzogen, bestand in einer gezielten Heißbedampfung der äußeren [[Genitalien]]. Der deutsche Humanist [[Ulrich von Hutten]], der die bereits Fracastoro bekannten schlafraubenden Knochenschmerzen (''dolores osteocopi nocturni'') schilderte, erprobte diese Methode im Selbstversuch und beschrieb sie in seinem 1519 erschienenen Werk ''De guajaci medicina et morbo gallico liber unus'' („Über das Medikament Guajak und die gallische Krankheit“). Tatsächlich trat durch die Behandlung zeitweilig eine Verbesserung ein, Hutten ging aber wohl dennoch an der Syphilis zugrunde.<br />
<br />
Das Guajakholz und dessen Entdeckung durch Ureinwohner der [[Neue Welt|neuen Welt]] mit Hilfe der Nymphe Ammerice auf der Insel „Ophyre“ (angelehnt an das antike [[Ophir]]) wird auch im dritten Buch von [[Fracastoro]]s 1530 erschienenen Lehrgedicht über ''Syphilis'' als Heilmittel genannt.<ref>Walther Schönfeld: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 10–15.</ref><br />
<br />
Auch [[Lobelin]], ein im [[Indianertabak]] („Lobelia syphilitica“) enthaltenes Alkaloid fand als ''Antisyphilitikum''<ref>Siegmund Somogyi: ''Zur Kenntnis der Wirkung der Antisyphilitica.'' In: ''Arch. Dermatol. Syph.'' Band 126, 1926, S. 660–663.</ref> Verwendung bei Syphilis.<ref>[https://www.henriettes-herb.com/eclectic/dmna/lobelia-syph.html ''Lobelia Syphilitica. Blue Lobelia''.] (John Uri Lloyd, Curtis G. Lloyd: ''Drugs and medicines of North America.'' Band 2, J.U. & C.G. Lloyd, Cincinnati (JU) 1884–1887.) Auf: ''henriettes-herb.com''; abgerufen am 8. September 2020.</ref><br />
<br />
1892 verursachte [[Albert Neisser]] einen der ersten deutschen Medizinskandale, indem er auf der Suche nach einer [[Serumtherapie]] Krankenhauspatientinnen mit Syphilis angesteckt hatte.<ref>Lutz Sauerteig: ''Krankheit, Sexualität, Gesellschaft: Geschlechtskrankheiten und Gesundheitspolitik in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert.'' Beiheft 12 von ''Medizin, Gesellschaft und Geschichte.'' Steiner, Stuttgart 1999, [https://books.google.de/books?id=hvYQMnS2U-YC&pg=PA35 S. 35f.]</ref> Bereits 1844 hatte Joseph-Alexandre Auzias-Turenne (1812–1870), ein in [[Pertuis]] geborener Assistent von [[Philippe Ricord]] in Paris, über seine Tierversuche zur Übertragung der Syphilis berichtet, woraus er eine Theorie zur prophylaktischen „Syphilisation“ ableitete. An die Wirksamkeit dieser falschen<ref>D. Beyer Perett: ''Ethics and error. The dispute between Ricord and Auzias-Turenne over syphilization 1845–70.'' Stanford, CA, 1977.</ref> Hypothese, deren praktische Anwendung in französischen Krankenhäusern ihm jedoch verboten wurde, glaubte er bis zu seinem Tod.<ref>[[Werner E. Gerabek]]: ''Auzias-Turenne, Joseph Alexandre.'' In: Werner E. Gerabek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 124.</ref><br />
<br />
[[Datei:Paul Ehrlich Arbeitszimmer.jpg|mini|[[Paul Ehrlich]]]]<br />
<br />
Den Stand der therapeutischen Möglichkeiten Ende des 19. Jahrhunderts fasste der österreichische Hautarzt Eduard Lang (1841–1916) zusammen.<ref>Eduard Lang: ''Prophylaxe und Therapie der Syphilis in zwölf Vorlesungen.'' Wiesbaden 1896.</ref> Versuche mit Arsenpräparaten wie [[Arsanilsäure|Atoxyl]] und ''Arsacetin'' sowie dem nur im Tierversuch erfolgreichen „Präparat 418“ (Arsenophenylglycin), die 1907/1908 durch [[Paul Uhlenhuth]] und [[Paul Ehrlich]] entwickelt und getestet worden waren, scheiterten vor allem an den schwerwiegenden Nebenwirkungen.<ref>Florian G. Mildenberger: ''Kein Heil durch Arsen? Die Salvarsandebatte und ihre Konsequenzen.'' 2012/2013, S. 332 f.</ref><br />
1909 entwickelten [[Sahachiro Hata]] und [[Paul Ehrlich]] die organische [[Arsen]]verbindung [[Arsphenamin]] (''Salvarsan''), mit der erstmals eine gezielte chemotherapeutische Behandlung der Syphilis versucht wurde.<ref>Egon Tomasczewski: ''Zusammenfassende Uebersicht der Salvarsanbehandlung der Syphilis.'' Berlin/Wien 1911.</ref><ref>Konrad Alt: ''Das neueste Ehrlich-Hatapräparat gegen Syphilis.'' In: ''Münchner medizinische Wochenschrift.'' Band 57, 1910, S. 561–564.</ref> In den Folgejahren wurden mit dem Ziel besserer Verträglichkeit Abkömmlinge der Substanz entwickelt, so zum Beispiel ''Neosalvarsan'' und ''Solusalvarsan'' sowie ''Spirotrypan''. Eine weitere Arsenverbindung, die in den USA zeitweise zur Behandlung der Neurosyphilis eingesetzt wurde, war das von [[Walter Abraham Jacobs]] und [[Michael Heidelberger (Immunologe)|Michael Heidelberger]] am [[Rockefeller University|Rockefeller Institute for Medical Research]] entwickelte [[Tryparsamid]]. Ein weiterer Salvarsanabkömmling war die Arsenverbindung ''Neo-Arsoluin''.<ref>Werner Höfer: ''Klinische Erfahrungen mit Neo-Arsoluin bei der Luesbehandlung.'' In: ''Deutsches Gesundheitswesen.'' Band 6, 1951, S. 1343–1347.</ref> Die Arsenpräparate wurden Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend von modernen Antibiotika wie dem [[Penicillin]] verdrängt, das bis heute die Behandlungsgrundlage der Syphilis darstellt.<ref>[http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=titel_11_2004 ''Paul Ehrlich – Von der Immunologie bis zu Salvarsan''.] In: ''[[Pharmazeutische Zeitung]].'' Nr. 11/2004.</ref><br />
<br />
Ehrlich suchte gezielt nach einem Medikament, zu dessen Wirksamkeit er zuerst eine Theorie entwickelte. Kern seiner Theorie war, dass die für die Immunabwehr zuständigen Zellen bestimmte Rezeptoren besäßen, an die Gifte oder Erreger andocken sollten, was schließlich die Produktion von Antikörpern auslöse. Erreger und Rezeptor passten dabei zueinander wie ein Schlüssel in das Schloss. Ehrlichs Idee war, dieses Prinzip umzukehren und für die Bekämpfung des Krankheitserregers zu nutzen. Es galt, die Rezeptoren des Erregers aufzuspüren, an die nun nicht Antikörper, sondern Medikamente andocken sollten, um ihre tödliche Giftfracht in das Bakterium einzuschleusen. Der Erreger würde nun mit chemischen Stoffen traktiert, und gleichzeitig sollten körpereigene Zellen möglichst wenig in Mitleidenschaft gezogen werden.<br />
<br />
Auf der Grundlage dieses theoretischen Konzepts prüften Ehrlich und sein Assistent über 600 Arsenverbindungen auf die geforderten Eigenschaften hin, bis ihnen im September 1909 der entscheidende Durchbruch gelang<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Winkle |Titel=Kulturgeschichte der Seuchen |Verlag=Komet |Ort=Düsseldorf/Zürich |Datum=1997 |ISBN=3-933366-54-2 |Seiten=599-602}}</ref>. Die Verbindung mit der chemischen Bezeichnung m-Diamino-p-dioxyarseno-benzoldichlorhydrat erzielte bei Tierversuchen verblüffende Ergebnisse. Zum ersten Mal schien es möglich, die Syphilis wirkungsvoll zu behandeln. Schon bald erwies sich, dass das Medikament [[Salvarsan]] zu schwersten Nebenwirkungen führte. Überdies wurde es bei falscher Lagerung giftig. Ehrlich optimierte das Medikament. 1911 gelang es, ein Salvarsanpräparat herzustellen, das nur noch knapp 20 % Arsen enthielt, in seiner Wirkung aber auch schwächer als das alte Salvarsan war. Zwischen 1914 und 1930 wurde (etwa durch Carl Voegtlin 1923<ref>John Parascandola: ''Carl Voegtlin and the „Arsenic receptor“ in chemotherapy.'' In: ''Journal of the History of Medicine and Allied Sciences.'' Band 32, 1977, S. 151–171, hier: S. 166.</ref>) die Relevanz der Tierversuche aus dem Speyer-Haus bezweifelt und Salvarsan von verschiedenen Autoren als toxisch und grundsätzlich gefährlich für den Menschen eingestuft.<ref>Florian G. Mildenberger: ''Auf verlorenem Posten. Der einsame Kampf des Heinrich Dreuw gegen Syphilis und Salvarsan.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' Band 30, 2011, S. 218–258.</ref><ref>Florian G. Mildenberger: ''Kein Heil durch Arsen? Die Salvarsandebatte und ihre Konsequenzen.'' 2012/ 2013, S. 327–390.</ref><ref>Robert Bernhardt: ''Indikationen und Kontraindikationen der Salvarsanbehandlung der Syphilis.'' In: ''Archiv für Dermatologie und Syphilis.'' Band 173, 1936, S. 291–301.</ref><br />
<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand man heraus, dass ''[[Treponema pallidum]]'' Temperaturen von über 41&nbsp;°C nicht überlebt. 1917 impfte der Österreicher [[Julius Wagner-Jauregg]], Direktor der Niederösterreichischen Landesheil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke in Wien, neun an Progressiver Paralyse erkrankte Patienten mit dem Blut eines Malaria-Kranken. Er beobachtete eine Wirkung, die erheblich günstiger war als bei allen bisher eingesetzten Therapieverfahren, und arbeitete eine mit Arsphenamin kombinierte Vorgehensweise aus ([[Malariatherapie]]), für deren Entdeckung ihm 1927 der [[Nobelpreis für Medizin]] verliehen wurde.<ref>Julius Wagner-Jauregg: [http://www.nobel.se/medicine/laureates/1927/wagner-jauregg-lecture.html ''The Treatment of Dementia Paralytica by Malaria Inoculation.''] Nobel Lecture 1927.</ref><br />
<br />
Die Effektivität der Behandlung von Syphilis mit Penicillin wurde zuerst 1943 von [[John F. Mahoney]] in den USA nachgewiesen; bereits 1944 war die Behandlung in den US-Streitkräften eine Standardtherapie.<ref>John F. Mahoney: ''Some of the early phases of penicillin therapy against syphilis.'' In: ''American Medical Association: Archives of Dermatology.'' 1956, Band 73, Nr. 5, S. 485–488.</ref><ref>J. F. Mahoney, R. C. Arnold, A. Harris: ''Penicillin treatment in early syphilis.'' In: ''[[American Journal of Public Health]].'' 1943, Band 43, S. 1387–1391.</ref><br />
<br />
==== Tuskegee-Syphilis-Studie ====<br />
[[Datei:Tuskegee study.jpg|mini|Untersuchung im Rahmen der Tuskegee-Syphilis-Studie]]<br />
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{{Hauptartikel|Tuskegee-Syphilis-Studie}}<br />
In [[Tuskegee (Alabama)|Tuskegee]] in den [[Vereinigte Staaten|USA]] wurde von 1932 bis 1972 eine [[Tuskegee-Syphilis-Studie|Langzeitstudie]] durchgeführt,<ref>Thomas G. Benedek: ''The „Tuskegee study“ of syphilis. Analysis of moral versus methodological aspect.'' In: ''Journal of Chronical Diseases.'' Band 31, 1978, S. 35–50.</ref> in welcher an etwa 400 schwarzen und gleichzeitig meist armen und analphabetischen Einwohnern mit bekannter Syphilis die Spätfolgen der unbehandelten Infektion beobachtet werden sollten. Dabei wurde den Probanden auch nach der verbreiteten Einführung der Penicillin-Therapie ab 1947 diese bewusst vorenthalten; die beobachteten Personen wurden weder über die Studie selbst informiert noch darüber, dass in der Zwischenzeit eine effektive Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung stand. Nachdem im Juli 1972 die Presse über den Versuch berichtet hatte, wurde die Studie von einer eigens eingesetzten Kommission als ethisch ungerechtfertigt bewertet und im Herbst desselben Jahres abgebrochen.<ref>[https://www.cdc.gov/tuskegee/timeline.htm ''Die ‚Centers for Disease Control and Prevention‘ zur Tuskegee-Studie''.] Auf: ''cdc.gov''; abgerufen im Juni 2019.</ref> Im Jahr 2010 wurde ein weiterer [[Syphilis-Menschenversuche in Guatemala|Syphilis-Menschenversuch]] bekannt, der von den USA in [[Guatemala]] 1946 bis 1948 finanziert und durchgeführt worden war.<ref>[https://www.welt.de/politik/ausland/article10017220/US-Aerzte-infizierten-Hunderte-mit-Syphilis.html ''Guatemala 1946–1948 – US-Ärzte infizierten Hunderte mit Syphilis''.] Auf: ''Welt Online'' vom 1. Oktober 2010; abgerufen am 2. September 2011.</ref><br />
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=== Politisierung des Syphilis-Begriffs ===<br />
Ab dem 19. Jahrhundert, insbesondere im [[Nationalsozialismus]], wurde der Begriff der Syphilis [[Antisemitismus|antisemitisch]], [[Feminismus|antifeministisch]] und [[Rassismus|rassistisch]] aufgeladen. Die Syphilis wurde zur [[Chiffre (Literatur)|Chiffre]] für als „[[Dekadenz|dekadent]]“ wahrgenommene zivilisatorische Entwicklungen. Die „Syphilisation“ oder „Syphilisierung“ wurde zum antisemitischen Code einer angenommenen „Vergiftung“ des „Volkskörpers“. Dieser Sprachgebrauch wurde beispielsweise in Propagandamaterial der Nationalsozialisten verwendet und auch von [[Adolf Hitler|Hitler]] selbst mehrmals aufgegriffen. „Besonders der Syphilis gegenüber kann man das Verhalten der Volks- und Staatsleitung nur mit vollkommener Kapitulation bezeichnen“, heißt es hierzu in ''[[Mein Kampf]]'' (1933; S.&nbsp;269), ehe dann Klartext folgt im Blick auf Kommendes, zusammenfassend geredet: Von der Syphilis und der in ihr sich dokumentierenden Rücksichtslosigkeit im geschlechtlichen Verkehr sowie der Kosten derselben bei unheilbar Erkrankten führt ein gerader Weg in die Euthanasie und nach Auschwitz.<ref>{{Literatur |Autor=Christian Niemeyer |Titel=Nietzsches Syphilis und die der Anderen. Eine Spurensuche |Verlag=Karl Alber |Ort=München / Freiburg |Datum=2020 |ISBN=978-3-495-49064-8 |Seiten=489 - 491}}</ref> Dabei verband man die Syphilis mit einem modernen, zumal bei französischen Literaten um [[Jules de Goncourt]], der 1870 der Syphilis erlag,<ref>{{Literatur |Autor=Christian Niemeyer |Titel=Nietzsches Syphilis und die der Anderen. Eine Spurensuche |Verlag=Karl Alber |Ort=München / Freiburg |Datum=2020 |ISBN=978-3-495-49064-8 |Seiten=409 - 411}}</ref> sowie seinen Bruder [[Edmond und Jules de Goncourt|Edmond de Goncourt]] verbreiteten Lebensstil, der zumindest der Idee nach z.&nbsp;B. vom 1889 in Turin zusammengebrochenen Syphilitiker [[Friedrich Nietzsche]]<ref>{{Literatur |Autor=Christian Niemeyer |Titel=Nietzsches Syphilis und die der Anderen. Eine Spurensuche |Verlag=Karl Alber |Ort=München / Freiburg |Datum=2020 |ISBN=978-3-495-49064-8 |Seiten=31 - 33}}</ref> oder dem Schriftsteller [[Guy de Maupassant]] aufgegriffen wurde. Einem derartigen Lebensentwurf wurde eine völkische und rassenhygienische Sicht einer "deutschen Kultur" entgegengesetzt. Dabei wurden insbesondere Verbindungen zwischen einem libertären [[Sexualität des Menschen|Sexualleben]] in Großstädten und der Krankheit hergestellt.<ref>{{Literatur |Autor=Klaus Theweleit |Titel=Männerphantasien |Auflage=Vollständige und um ein Nachwort erweiterte Neuausgabe, erste Auflage |Verlag=Matthes & Seitz |Ort=Berlin |Datum=2019 |ISBN=978-3-95757-759-7}}</ref> Im [[Diskursatlas Antifeminismus]] wird dies so zusammengefasst: „Sowohl in der Warnung vor einer (Früh)Sexualisierung als auch vor einer künstlerischen ‚Entartung‘ wird mit der Metapher einer ‚geistig/kulturelle Syphilis‘ der ‚jüdische Kulturbolschewismus‘ beschrieben, der auf einen ‚dekadenten Verfall‘ der ‚deutschen Hochkultur‘ hinarbeite.“<ref name="Rotgrün-versifft – Diskursatlas">{{Internetquelle |url=https://www.diskursatlas.de/index.php?title=Rotgrün-versifft#.22Versyphilitisierung_des_Volkskörpers.22 |titel=Rotgrün-versifft |werk=Diskursatlas |abruf=2021-08-11}}</ref><br />
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Heutzutage findet sich eine Wiederaufnahme dieser Idee in der Verwendung des rechten Kampfbegriffs „linksversifft“ bzw. „linksgrünversifft“.<ref name="Margarete Stokowski, DER SPIEGEL">{{Internetquelle |autor=Margarete Stokowski |url=https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/rechte-sprache-warum-linksgruen-versifft-a-1252819.html |titel=Rechte Sprache: Warum „linksgrün versifft“? |werk=[[Spiegel Online]] |sprache=de |abruf=2021-08-11}}</ref> Dieser wurde zunächst von dem rassistischen Portal [[Politically Incorrect|PI-News]] geprägt und später u.&nbsp;a. von dem [[Rechtsextremismus|rechten]] Autor [[Akif Pirinçci|Akif Pirinnci]] und dem rechten Blog [[Die Achse des Guten]] übernommen. Auch von dem damaligen Bundesvorsitzenden der [[Alternative für Deutschland|AfD]] [[Jörg Meuthen]] wurde diese Begrifflichkeit in einer Rede 2016 verwendet.<ref name="Rotgrün-versifft – Diskursatlas" /><ref name="Margarete Stokowski, DER SPIEGEL" /><br />
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== Die Syphilis in der Kunst ==<br />
Die Auseinandersetzung mit der Syphilis entstand bei vielen Autoren, angefangen bei [[Ulrich von Hutten|Hutten]] allein schon aus dem Motiv der Selbstbetroffenheit.<br />
<br />
* [[Sebastian Brant]]: ''De pestilentiali scorra sive mala de Franzos'' – lateinisches Flugblatt von 1496, gewidmet [[Johannes Reuchlin]].<ref>Sebastian Brant ''Das Narrenschiff.'' Hrsg. von Joachim Knape. Stuttgart 2005 (= ''Reclams Universalbibliothek.'' Band 18333), ISBN 3-15-018333-2, Sp. 258.</ref> Eine Umdichtung dieses Gedichts „über die pustulöse Pest oder die wilden Warzen“ verfasste der Dermatologe und Medizinhistoriker [[Ernst Alfred Seckendorf]], und auch in ''Dichter und Ärzte''<ref>R. Finckenstein: ''Dichter und Ärzte. Ein Beitrag zur Geschichte der Literatur und zur Geschichte der Medizin.'' Marusche und Behrendt, Breslau 1864.</ref> von Raphael Finckenstein findet sich auf S. 74–76 eine Übersetzung.<ref>[[Walther Schönfeld (Mediziner)|Walther Schönfeld]]: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 5–20, hier: S. 19 f.</ref><br />
* Die Hymne ''Carmen […] ad clementissimam dominam nostram Mariam'' von Conrad Reitter, erschienen in ''Mortilogus. F. Conradi Reitteri Nordlingensis Prioris monasterii Caesariensis Epigrammata ad eruditissimos vaticolas'' (Augsburg 1508) und übersetzt von Seckendorf („Des J. Conrad Reitter Hymnus an unsere liebliche Herrin Maria, daß sie uns unversehrt vor der gallischen Krankheit bewahre“<ref>F. Burkhart, G. Vorberg, E. Seckendorf: ''Streit um den Ursprung der Syphilis.'' In: ''Medizinische Welt.'' 1931, Nr. 25, S. 905–907.</ref>).<ref>Walther Schönfeld: ''Einleitung.'' In: Girolamo Fracastoro: ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres.'' Kiel 1960, S. 20.</ref><br />
* Das Lehrgedicht des [[Fracastoro]] aus dem 16. Jahrhundert ''Syphilidis sive morbi gallici libri tres'' reiht sich in vergleichbare [[Didaktik|didaktische]] Schriften der [[Renaissance]] ein.<br />
* Als eigenständiges wiederkehrendes literarisches Motiv taucht die Syphilis erstmals im 17. Jahrhundert in den [[Schelmenroman]]en der Barockliteratur auf z.&nbsp;B. bei [[Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen|Grimmelshausen]], der seine [[Courasche]] an Syphilis erkranken lässt. (Simplicius hingegen erkrankt nicht an Syphilis, sondern an Pocken.)<br />
* Die gelungenste Darstellung im 18. Jahrhundert ist die Figur des [[Pangloss]] in [[Voltaire]]s ''[[Candide oder der Optimismus|Candide]]''. Voltaire erdichtet dazu als [[Satire]] auf adelige Stammbäume eine lückenlose Infektionskette seit Kolumbus. Pangloss entwickelt gar eine Rechtfertigung der Syphilis in der besten aller Welten.<br />
* In seinem Drama ''[[Gespenster (Ibsen)|Gespenster]]'' (1881) erzählt [[Henrik Ibsen]] die Geschichte der Frau Alving, Witwe eines Hauptmanns und Kammerherrn, der an Syphilis starb. Obwohl die Familie, die er angesteckt hatte, großes Leid durchmacht, hält die Witwe die tatsächlichen Umstände seines Todes geheim.<br />
* [[Oskar Panizza]], der 1894 auch über Syphilisfälle am päpstlichen Hof<ref>Oskar Panizza: ''Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmänner.'' [1894] Mit einem Geleitwort von [[M.&nbsp;G. Conrad]]. Neuausgabe (Auswahl aus den „666 Thesen und Zitaten“). Nordland-Verlag, Berlin 1940, S. 174–176.</ref> berichtete, greift im selben Jahr in seiner Himmelstragödie ''[[Das Liebeskonzil]]'' auf die spätmittelalterliche Auffassung der Syphilis als Gottesstrafe zurück und wird wegen vermeintlicher [[Blasphemie]] abgestraft.<ref>[[Oskar Panizza]]: ''Das Liebeskonzil, eine Himmelstragödie in fünf Aufzügen.'' Schabelitz, Zürich 1894.</ref><br />
* In seinem Roman ''[[Doktor Faustus]]'' (1947) lässt [[Thomas Mann]] einen Komponisten sich bewusst mit Syphilis infizieren um der genialen Inspiration willen, die er sich von der syphilitischen Gehirnaffektion verspricht. In dem Roman tritt diese Steigerung auch ein. Danach fällt der so Genialisierte für den Rest seines Lebens in geistige Umnachtung.<br />
* Die naturalistische Schriftstellerin [[Clara Viebig]] behandelt in ihrem Berlin-Roman ''[[Die Passion (Roman)|Die Passion]]'' (1925) den Lebensweg der jungen Eva, die von Geburt an Syphilis hat. Neben der Darstellung des Krankheitsverlaufes ist das Hauptmotiv die soziale Ausgrenzung, die das Mädchen dadurch erfährt, dass ihre Umwelt mit der als anrüchig geltenden Krankheit nicht umgehen kann. Ihr Lebenswille ist durch die permanente Diskriminierung bald gebrochen, und Eva stirbt schließlich mit 18 Jahren an Herzversagen.<br />
* [[Wolf Serno]] beschreibt in seinem Roman ''Die Hitzkammer'' (auch erschienen als ''Hexenkammer'') ausführlich die zwanzigtägige Behandlung einer Syphiliserkrankten mit einer Kombination aus Schwitzkur, Fasten und großflächiger äußerlicher Anwendung einer quecksilberhaltigen Salbe.<ref>Wolf Serno: ''Die Hitzkammer.'' Droemer, München 2004, ISBN 3-426-19594-1.</ref><br />
* Im [[Debüt]]<nowiki />film ''[[The Libertine]]'' von [[Laurence Dunmore]] erkrankt der Protagonist ''John Wilmot'' ([[Johnny Depp]]) an Syphilis.<br />
* In dem Film ''[[Das stumme Duell]]'' (Originaltitel: Shizukanaru Ketto) von [[Akira Kurosawa]] erkrankt der Protagonist ''Dr. Kyoji Fujisaki'' ([[Toshirō Mifune]]) an Syphilis.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Kaninchensyphilis]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Marianne Abele-Horn: ''Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten.'' Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 233 f.<br />
* [[Birgit Adam]]: ''Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten.'' Orbis, München 2001, ISBN 3-572-01268-6, insbesondere S. 17–21 und 28–111.<br />
* Ernst Bäumler: ''Amors vergifteter Pfeil. Kulturgeschichte einer verschwiegenen Krankheit.'' Hoffmann & Campe, Hamburg 1976, ISBN 3-455-08962-3; Neudruck ebenda 1997.<br />
* [[Iwan Bloch]]<br />
** ''Der Ursprung der Syphilis: eine medizinische und kulturgeschichtliche Untersuchung.'' G. Fischer, Jena 1901, {{archive.org |derursprungdersy00bloc}}<br />
** ''Das erste Auftreten der Syphilis (Lustseuche) in der europäischen Kulturwelt: Gewürdigt in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, dargestellt nach Anfang, Verlauf und voraussichtlichem Ende.'' Fischer, Jena 1904, {{archive.org |dasersteauftrete00bloc |Blatt=n5}}<br />
** ''Geschichte der Hautkrankheiten in der neueren Zeit.'' In: [[Max Neuburger]] und [[Julius Pagel]] (Hrsg.): ''Handbuch der Geschichte der Medizin.'' Band III, Fischer, Jena 1905, S. 393–463, {{archive.org |handbuchdergesch03puscuoft |Blatt=392}}<br />
* [[Werner E. Gerabek]]: ''Syphilis.'' In: Werner E. Gerabek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1371–1374.<br />
* Malte König: ''Syphilisangst in Frankreich und Deutschland. Hintergrund, Beschwörung und Nutzung einer Gefahr 1880–1940.'' In: Malte Thießen (Hrsg.): ''Infiziertes Europa. Seuchen im langen 20. Jahrhundert'' (= ''Historische Zeitschrift.'' Beiheft, Neue Folge Nr. 64). Oldenbourg, München 2014, ISBN 978-3-11-036434-7, S. 50–75.<br />
* Melanie Linöcker: ''Der Unzucht und Lastern derbey entspringende Krankheit: Syphilis und deren Bekämpfung in der Frühen Neuzeit am Beispiel des Wiener Bürgerspitals St. Marx.'' VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-7884-7 (Zugleich: Dissertation, Universität Salzburg 2006).<br />
* Klaus-Dieter Linsmeier: ''Seuchen. Nächstenliebe in Zeiten der Syphilis.'' In: ''Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion'' (= ''Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur.'' Band 2.19), 2019, S. 74 f.<br />
* Sheila Lukehart: ''Syphilis.'' In: Manfred Dietel, Norbert Suttorp, Martin Zeitz (Hrsg.): ''Harrisons Innere Medizin.'' Band 1, 16. Auflage, deutsche Sonderausgabe, ABW-Wissenschaftsverlag, Berlin 2006, ISBN 3-86541-100-2, S. 1052–1060.<br />
* Peter Fritsch, Robert Zangerle, Angelika Stary: ''Syphilis.'' In: ''Lexikon Medizin.'' Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-20412-1, S.&nbsp;2077–2090.<br />
* [[Johann Karl Proksch]]<br />
** ''Die Litteratur über die venerischen Krankheiten: von den ersten Schriften über Syphilis aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bis zum Jahre 1889''. P. Hanstein, Bonn 1889–1891, Band I 1889 {{archive.org |b24750293_0001}}, Band II 1890 {{archive.org |b24750293_0002}}, Band III 1891 {{archive.org |b24750293_0003}}, Autorenregister 1891 {{archive.org |b24750293_0004}}<br />
** ''Geschichte der venerischen Krankheiten: eine Studie.'' P. Hanstein, Bonn 1895, Band I {{archive.org |diegeschichteder01prok}}, Band II {{archive.org |diegeschichteder02prok}}<br />
** ''Beiträge zur Geschichte der Syphilis.'' P. Hanstein, Bonn 1904, {{archive.org |b24868139}}<br />
* Christian Niemeyer: ''Nietzsches Syphilis und die der Anderen. Eine Spurensuche.'' 1. Auflage, Alber, München/ Freiburg 2020, ISBN 978-3-495-49064-8.<br />
* Dominique Puenzieux, Brigitte Ruckstuhl: ''Sexualität, Medizin und Moral. Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Syphilis und Gonorrhöe in Zürich 1879-1920.'' Chronos, Zürich 1994, ISBN 3-905311-52-6 (zugleich: Dissertation, Universität Zürich 1994).<br />
* Claude Quétel: ''History of Syphilis.'' Polity Press, Cambridge (UK) 1990, ISBN 0-7456-0490-0 (R. J. Knecht: ''[http://fh.oxfordjournals.org/content/5/4/489.extract Review of Books → Claude Quétel: ''History of Syphilis.'' 1990].'' In: ''French History.'' Band 5, Nr. 4, September 1990, S. 489–491.)<br />
* Bruce M. Rothschild: ''History of Syphilis.'' In: ''[[Clinical Infectious Diseases]].'' [http://cid.oxfordjournals.org/content/40/10.toc Band 40, Nr. 10], Oxford 2005, S. 1454ff. ([http://cid.oxfordjournals.org/content/40/10/1454.full Volltext online]).<br />
* Lutz Sauerteig: ''Medizin und Moral in der Syphilisbekämpfung.'' In: ''Medizin, Gesellschaft und Geschichte.'' Band 19, 2000, S. 55–70.<br />
* Helmut Schlereth: ''Martin Pollich von Mellrichstadt (geb. um 1455, gest. 1513) und sein Streit mit Simon Pistoris über den Ursprung der „Syphilis“'' (= ''Würzburger medizinhistorische Forschungen.'' Band 73). Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2231-9 (zugleich: Dissertation, Universität Würzburg 2000).<br />
* [[Henry E. Sigerist]]: ''Der Krankheitsname Syphilis.'' In: ''Münchener medizinische Wochenschrift.'' 1930, Nr. 2, S. 1418 ff.<br />
* [[Karl Sudhoff]]: ''Aus der Frühgeschichte der Syphilis. Handschriften- und Inkunabelstudien: epidemiologische Untersuchung und kritische Gänge'' (= ''Studien zur Geschichte der Medizin.'' Band 9). Barth, Leipzig 1912, {{archive.org |ausderfrhgesch00sudh}}<br />
* Karl Sudhoff: ''Graphische und Typographische Erstling der Syphilisliteratur aus den Jahren 1495 und 1496.'' C. Kuhn, München 1912.<br />
* C. Wieselhuber: ''Miserum spectaculum, horrendus fetor, aspectus horrendus: „Syphilis“ in Strasbourg at the turn of th 16th century.'' In: E. Connelly, S. Künzel (Hrsg.): ''New approaches to disease, disability, and medicine in medieval Europe'' (= ''BAR international series. Studies in early medicine.''). Archaeopress, Oxford 2018, ISBN 978-1-78491-883-5, S. 141–151.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wikinews|Kategorie:Syphilis|Syphilis}}<br />
* {{RobKochInst|http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/S/Syphilis/Syphilis.html}}<br />
* Rolf Winau: {{Webarchiv |url=http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/2002_01/02_01_winau/index.html |text=''Seit Amors Köcher auch vergiftete Pfeile führt – Die Ausbreitung der Syphilis in Europa''. |wayback=20110613055541}} FU Berlin<br />
* [http://ocp.hul.harvard.edu/contagion/syphilis.html Syphilis, 1494–1923.] Harvard University Library, Open Collections Program, Contagion, Historical Views of Diseases and Epidemics<br />
* [http://www.cdc.gov/std/syphilis/stats.htm Syphilis Statistics.] Centers for Disease Control and Prevention<br />
<br />
== Anmerkungen ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Gesundheitshinweis}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4058793-9|LCCN=sh85131679|NDL=00560462}}<br />
<br />
[[Kategorie:Sexuell übertragbare Erkrankung]]<br />
[[Kategorie:Meldepflichtige Krankheit]]<br />
[[Kategorie:Bakterielle Infektionskrankheit des Menschen]]<br />
[[Kategorie:Syphilis| ]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Klaviersonate_Nr._11_(Mozart)&diff=222856009Klaviersonate Nr. 11 (Mozart)2022-05-14T03:33:37Z<p>Designer2k2: /* Spätere Verwendung der Komposition */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>[[Datei:Wolfgang-amadeus-mozart 1.jpg|hochkant|mini|Wolfgang Amadeus Mozart <small>(posthumes Porträt von [[Barbara Krafft]])</small>]]<br />
Die '''Sonate Nr. 11 A-Dur [[Köchelverzeichnis|KV]] 331 (300i)''' ist eine der bekanntesten [[Klaviersonate]]n [[Wolfgang Amadeus Mozart]]s. Mozart schrieb sie 1783 in [[Wien]] oder [[Salzburg]]. Der Erstdruck erschien 1784 ebenda bei [[Artaria]] & Co.<br />
<br />
Das Werk konnte insbesondere durch seinen dritten [[Satz (Musikstück)|Satz]] an Popularität gewinnen; dabei handelt es sich um ein als ''Türkischer Marsch'' bekannt gewordenes und mit ''Alla Turca'' überschriebenes [[Allegro (Musik)|Allegretto]] in [[Rondo (Musik)|Rondoform]] in [[a-Moll]], das in [[A-Dur]] endet.<br />
<br />
Nach dem dritten, wird ebenso der erste Satz der Sonate in der Popkultur häufig zitiert, und ist durch seine eingängige Melodie sehr beliebt.<br />
<br />
== Aufbau und Analyse ==<br />
Die Sonate besteht aus den folgenden drei Sätzen:<br />
# ''Thema. Andante grazioso'' – Thema mit Variationen I-VI<br />
# ''Menuetto'' – Menuett und Trio<br />
# ''Alla Turca. Allegretto'' – Rondo „Alla Turca“<br />
<br />
Eine Aufführung dauert ungefähr 26 Minuten.<br />
<br />
=== Erster Satz ===<br />
[[Datei:MozartExcerptK331.svg|mini|Die ersten zwei Takte des Themas]]<br />
[[Datei:Piano Sonata No. 11, Tema.ogg|mini|Thema des ersten Satzes]]<br />
<br />
Die Sonate beginnt mit einem [[Variation (Musik)|Variationssatz]] anstelle eines [[Sonatensatzform|Sonatenhauptsatzes]]. Er besteht aus einem [[Thema (Musik)|Thema]] mit sechs Variationen.<br />
<br />
==== Thema ====<br />
Andante grazioso, 6/8-[[Taktart|Takt]], A-Dur<br />
<br />
Das Thema ist zweiteilig, wobei jeder Teil einmal wiederholt wird, und weist Merkmale eines [[Siciliano]]s auf; der [[Rhythmus (Musik)|Rhythmus]] dieser [[Barockmusik|barocken]] Tanzform durchzieht das ganze Stück und verleiht ihm seinen speziellen, recht lieblichen Charakter. Das [[Tempo (Musik)|Tempo]] ist ruhig gehalten und bis auf kurze, mit ''forte'' unterschriebene Stellen, die eher wie [[Akzent (Musik)|Akzente]] wirken, ergeht es der [[Dynamik (Musik)|Dynamik]] ebenso. Auch die [[Harmonik]] ist einfach gestaltet, da sie kaum die [[Funktionstheorie|Hauptfunktionen]] verlässt.<br />
<br />
==== Variationen ====<br />
Der [[Komponist]] bedient sich verschiedener Möglichkeiten, das Thema anderweitig aufzugreifen und zu verarbeiten: Neben der Verwendung von Komplementärrhythmik werden auch Veränderungen des [[Tongeschlecht]]s, des Tempos und der Taktart vorgenommen.<br />
<br />
=== Zweiter Satz ===<br />
Menuetto, 3/4-Takt, A-Dur<br />
<br />
Der zweite Satz ist ein [[Menuett]] mit folgendem Ablauf: ''Menuetto – Trio – Menuetto ([[Da capo]])''.<br />
<br />
==== Menuetto ====<br />
Das Menuett ist aus zwei Teilen aufgebaut, die jeweils wiederholt werden. Das Hauptthema ist eine (nach A-Dur transponierte und an den 3/4-Takt angepasste) Variante des Hauptthemas aus dem 1. Satz seiner Klaviersonate in C-Dur KV 309. Der erste, 18-taktige Teil unterstreicht anfangs das typische Schreiten eines Menuetts, [[Modulation (Musik)|moduliert]] dann jedoch zur [[Dominante]] [[E-Dur]], während schnelle [[Notenwert|Sechzehntelbewegungen]] einen Kontrast zu den vorherigen [[Motiv (Musik)|Motiven]] aufzeigen. Der zweite, 30-taktige Teil beginnt mit einer Art von [[Durchführung (Musik)|Durchführung]] in Moll, welche schließlich wieder in E-Dur endet, sodass der erste Teil als [[Reprise (Musik)|Reprise]] daran anknüpfen kann; diese endet in der [[Tonika]] A-Dur.<br />
<br />
==== Trio ====<br />
Das Trio steht in der [[Subdominante]] [[D-Dur]] und ist insbesondere durch gleichmäßige Achtelbewegungen geprägt. Sein Formschema ähnelt dem des Menuetts.<br />
<br />
=== Dritter Satz ===<br />
[[Datei:Rondo Alla Turka.ogg|mini|Rondo „Alla Turca“]]<br />
[[Datei:RondoAllaTurcaMozart.png|mini|hochkant=1.8|Die ersten 12 Takte des ''Alla Turca''<!-- Die hier abgedruckten Noten sind falsch, da Mozarts Vorschläge als gewöhnliche 16tel ausgeschrieben werden! -->]]<br />
[[Datei:Mozart KV-331 III Teil-C.png|mini|hochkant=1.8|Teil C ({{Audio|Mozart KV-331 III Teil-C-audio.mid|Hörbeispiel}})]]<br />
<br />
Allegretto, 2/4-Takt, a-Moll<br />
<br />
Der dritte Satz ist ein [[Rondo (Musik)|Rondo]] mit folgendem Schema: |: A :||: B – A' :||: C :||: D :||: E – D' :||: C :||: A :||: B – A' :||: C' :| F<br />
<br />
Das gesamte Stück entfaltet sich melodisch gesehen nur in der rechten Hand, die linke Hand spielt durchgehend [[Arpeggio]]s oder andere begleitende Elemente. [[Kontrapunkt]]e werden nicht verwendet.<br />
<br />
Der bekannte Anfang des Stückes (Teil A) ist ein gebrochener, schnell aufsteigender und [[Figuration (Musik)|umspielter]] a-Moll-[[Dreiklang]] ({{Audio|Mozart KV-331 III start.mid|Hörbeispiel}}), dem eine viertaktige [[Scheinmodulation]] zur Dominante nachgeht. Der folgende, fast [[Antithese|antithetische]] Teil B besitzt ein Motiv in der [[Tonikaparallele]] [[C-Dur]] mit eher absteigendem Charakter; dieses [[Sequenz (Musik)|sequenziert]] in a-Moll, woraufhin Teil A erneut einsetzt, nun aber ''fortepiano'' in der Tonika endet.&nbsp;<ref>In versteckter Form kann man das Rondo – insbesondere seinen Beginn – auch als verfremdete Variation, verfremdet im Stil einer türkischen [[Janitscharenmusik]], des Themas aus dem ersten Satz der Sonate interpretieren. Dadurch ergibt sich ein impliziter Zusammenhang zwischen diesen scheinbar ganz unterschiedlichen Sätzen der Sonate.</ref><br />
<br />
Teil C steht in A-Dur und stellt somit einen noch größeren Gegensatz dar als zuvor. Wenn man den kompletten Satz als Sonatenrondoform ansieht, so können die Teile D und E als Durchführung interpretiert werden. Der erste der beiden beginnt in [[fis-Moll]] und moduliert wiederum scheinbar nach [[cis-Moll]], wobei der [[Quinte|Quintton]] am Schluss jedoch fehlt. Dies lässt eine Umdeutung zur oberen [[Terz (Musik)|Terz]] des A-Dur-Dreiklangs als Ansatz für Teil E zu, denn dieser steht in jener Tonart. Danach leitet sich Teil D nochmals ein und endet auf fis.<br />
<br />
Nach einer kurzen Überleitung (Teil C) kehren Teil A und B als Reprise zurück. In leicht veränderter Form schließt sich Teil C ein letztes Mal ''forte'' an und bereitet den Weg für eine brillante [[Coda (Musik)|Coda]] (Teil F) in A-Dur, welche die Sonate in einem gelungenen Finale ausklingen lässt.<br />
<br />
== Manuskript ==<br />
Vom Autograph dieser Sonate galt lediglich das letzte Blatt mit den Takten 90ff. des 3. Satzes (Alla turca) als erhalten.<ref>[http://dme.mozarteum.at/DME/nma/nma_cont.php?vsep=198&l=1&p1=87]</ref> Anfang September [[2014]] vermeldeten ungarische Medien,<ref>[http://rtl.hu/rtlklub/hirek/eredeti_mozart_keziratra_bukkantak RTL: Eredeti Mozart-kéziratra bukkantak / RTL: originale Mozart-Handschrift entdeckt]</ref> dass in der [[Széchényi-Nationalbibliothek]] vier Seiten des 3. Satzes in Mozarts eigener Handschrift zum Vorschein gekommen seien. Das Manuskript weiche in etlichen Punkten von der bisher überlieferten Fassung ab. Die Neuentdeckung wurde am 26. September 2014 in Budapest öffentlich gespielt.<ref name="AFP.com">{{Internetquelle |url=https://www.yahoo.com/news/rediscovered-sonata-mozart-intended-040236298.html |autor=Eszter Zalan |titel=A rediscovered sonata, as Mozart intended |werk=yahoo.com/news |hrsg=AFP |datum=2014-09-27 |zugriff=2017-02-17 |sprache=en}}</ref><br />
<br />
== Spätere Verwendung der Komposition ==<br />
<br />
* [[Max Reger]] verwendete das Thema des ersten Satzes in seinem Werk ''[[Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart]]'' (1914) für [[Orchester]].<br />
* Der russische Pianist [[Arcadi Volodos]] komponierte eine virtuose Paraphrase.<br />
* Der erste Satz war die Kennmelodie der [[Gutenachtgeschichte]]n ''[[Betthupferl]]'' des ORF Fernsehens von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre.<br />
* Eine Version des Türkischen Marsches erschien 1970 mit dem [[Musikalbum|Album]] ''[[Benny Goodman]] Today'' unter dem Titel ''Venus H.B. (Turkish March)''.<br />
* Im [[Computerspiel]] ''[[Knights and Merchants]]'' (1998) wird u.&nbsp;a. eine Bearbeitung des ersten Satzes als Hintergrundmusik benutzt.<br />
* Im [[Game Boy|Nintendo-Game-Boy-Spiel]] ''[[Lemmings]]'' (1991) wird der dritte Satz als Hintergrundmusik benutzt.<br />
* Der deutsche Klavierkabarettist [[Bodo Wartke]] veröffentlichte 2005 ein [[Boogie-Woogie]]-Arrangement des Türkischen Marsches unter dem Namen ''Alla Turca Stomp''. Bereits 1993 schrieb [[Fazıl Say]] eine Jazz-Adaption namens ''Alla Turca Jazz''<ref>{{Webarchiv |url=http://www.schott-musik.de/shop/tw_popular/show,229658.html |text=Eintrag zu ''Alla Turca Jazz'' |wayback=20110225040659 |archiv-bot=}} von Fazıl Say bei ''schott-musik.de''</ref>.<br />
* Die kasachische [[Folk Metal|Folk-Metal-Band]] [[Ulytau (Band)|Ulytau]] veröffentlichte 2009 eine Metal-Version des Türkischen Marsches auf ihrem Album ''Two Warriors''.<br />
* Im [[Computerspiel]] ''[[Civilization (Computerspiel)|Civilization]]'' (1991) ist der dritte Satz als Diplomatie- und Erkennungsmelodie für die [[Deutschland|Deutsche]] Zivilisation zu hören.<br />
* Der deutsche Rapper Eko Fresh verwendete den Anfang des dritten Satzes in dem Song ''1 Mann Orchester'' von seinem 2010er Album ''Was kostet die Welt''.<br />
* Im [[Nintendo Entertainment System|Nintendo-Entertainment-System]]-Spiel ''The Adventures of Captain Comic'' von Color Dreams ist der dritte Satz des Stückes eines von vielen klassischen Melodien, die als Musik für das Spiel verwendet wurden, weil der Entwickler dafür keine Lizenzgebühren bezahlen musste<ref>{{Webarchiv |url=http://www.neswarpzone.com/colordreamsshrine1/cdcomic.html |text=Archivierte Kopie |wayback=20131025075056 |archiv-bot=}}</ref>.<br />
* Im Hollywoodfilm ''[[Unleashed – Entfesselt]]'', hat der erste Satz der Sonate eine Art Schlüsselrolle, und wird im Film mehrmals angespielt.<br />
* Im deutschen Film ''[[Blueprint (Film)|Blueprint]]'' wird der erste Satz auch von der Protagonistin, die Klavierspielerin ist, gespielt.<br />
* Das Liedermacher-Duo [[Simon & Jan]] integrierte das Thema des dritten Satzes in sein Lied ''Wolfgang'', das sich textlich auf satirische Weise mit der Jugend Wolfgang Amadeus Mozarts auseinandersetzt.<br />
* Auch existieren zahlreiche kammermusikalische Adaptionen, wie ein Arrangement des ''Andante Grazioso'' für Streichquartett und Gitarre vom deutschen Komponisten Frederic Bernard<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=nEfoRGKfNz0 |titel=Andante Grazioso for String Quartet and Guitar (Original Arrangement - Sheet Music Video) |sprache=de-DE |abruf=2021-12-26}}</ref><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Liste der Klaviermusikwerke Mozarts]]<br />
* [[Janitscharenmusik]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Piano Sonata No. 11, K 331}}<br />
* {{NMA|197|14|198|87|11. Sonate in A KV 331 (300i)}}<br />
* [http://www.mutopiaproject.org/cgibin/make-table.cgi?searchingfor=mozart+331 Freie Notenausgaben der Sonate Nr. 11 KV 331] im [[Mutopia-Projekt]]<br />
* {{IMSLP2|id=Piano Sonata No.11, K.331 (Mozart, Wolfgang Amadeus)|cname=Klaviersonate Nr. 11}}<br />
* [http://www.henle.de/de/startseite/mozart-klaviersonaten.html Beschreibungen der Sonaten] auf G. Henle Verlag Webseite<br />
<br />
== Einzelnachweise und Fußnoten ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|TYP=w|GND=300111304|VIAF=201853721}}<br />
<br />
{{Navigationsleiste Klaviersonaten von Wolfgang Amadeus Mozart}}<br />
<br />
[[Kategorie:Klaviersonate von Wolfgang Amadeus Mozart|#11]]<br />
[[Kategorie:Musik 1783]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rivella&diff=221707924Rivella2022-04-02T08:31:37Z<p>Designer2k2: /* Geschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel|behandelt das Getränk. Zum Hersteller siehe [[Rivella AG]]. Zum Geistlichen siehe [[Mauro Rivella]].}}<br />
<!-- schweizbezogen --><br />
[[Datei:Pack shot.jpg|mini|Rivella Grün, Rot und Blau, altes Verpackungsdesign]]<br />
'''Rivella''' ist der Markenname eines [[kohlensäure]]haltigen, [[alkoholfrei]]en [[Erfrischungsgetränk]]s mit 35 % [[Molke|Milchserum]], das in der [[Schweiz]] und [[Holland]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.schweizerbauer.ch/markt-preise/pandemie-bremst-geschaeft-von-rivella-ein/ |titel=Pandemie bremst Geschäft von Rivella ein |hrsg=[[Schweizer Bauer]] |datum=2021-02-23 |abruf=2021-02-24}}</ref> hergestellt wird. Rivella wird von der [[Rivella AG|gleichnamigen Aktiengesellschaft]] in [[Rothrist]] [[Kanton Aargau|AG]] abgefüllt. Diese ist im Eigentum der Familie des Gründers [[Robert Barth (Unternehmer)|Robert Barth]].<br />
<br />
Der Name ''Rivella'' leitet sich aus dem [[Kanton Tessin|Tessiner]] Ortsnamen ''[[Riva San Vitale]]'' sowie dem italienischen Wort ''Rivelazione'' (Offenbarung) ab.<ref name="NZZ">{{Webarchiv |url=http://www.nzz.ch/2005/09/27/il/articleD5WO8.html |wayback=20120304063934 |text=''Rivella Erfrischend säuerliches Tafelgetränk.''}} In: ''Neue Zürcher Zeitung.'' 1. November 2005.</ref><br />
<br />
== Rezeptur ==<br />
Die Inhaltsstoffe von ''Rivella Rot'' sind:<br />
* [[Wasser]]<br />
* Milchserum (35 %),<ref>[http://www.rivella.de/#rivella/das_erfrischungsgetraenk rivella.de]</ref> das aus [[Molke]] gewonnen wird<br />
* [[Zucker]]<br />
* [[Kohlensäure]]<br />
* [[Säuerungsmittel]] (L(+)-[[Milchsäure]])<br />
* Karamellisierter Zucker<br />
* Natürliche Aromen<br />
<br />
{| class="wikitable" style="text-align:center;"<br />
! colspan="7"| Ernährungsinfo <small>(pro 100 ml)</small><br />
|-<br />
! Sorte<br />
! Herstellungsjahre<br />
! Energie<br />
! Fett<br />
! Kohlenhydrate<br />
! Eiweiss<br />
! Salz<br />
|-<br />
! style="background:#E2231A; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Rot<br />
| ''seit 1952''<br />
| 37 kcal<br />
| 0 g<br />
| 9 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
! style="background:#0047BA; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Blau<br />
| ''seit 1959''<br />
| 7 kcal<br />
| 0 g<br />
| 1,5 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
! style="background:#6CC04A; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Grüntee<br />
| ''seit 1999''<br />
| 22 kcal<br />
| 0 g<br />
| 5 g<br />
| 0 g<br />
| 0,02 g<br />
|-<br />
! style="background:#3FBACF; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Refresh<br />
| ''seit 2018''<br />
| 21 kcal<br />
| 0 g<br />
| 5,2 g<br />
| 0 g<br />
| 0,02 g<br />
|-<br />
! style="background:#EF4A81; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Grapefruit<br />
| ''seit 2021''<br />
| 19 kcal<br />
| 0 g<br />
| 4,7 g<br />
| 0 g<br />
| 0,02 g<br />
|-<br />
! style="background:#9A6F4E; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Schweizer Minzen<br />
| ''seit 2021''<br />
| 19 kcal<br />
| 0 g<br />
| 4,7 g<br />
| 0 g<br />
| 0,02 g<br />
|-<br />
! colspan="7"| Aus dem Verkehr gezogene Sorten<br />
|-<br />
! Sorte<br />
! Herstellungsjahre<br />
! Energie<br />
! Fett<br />
! Kohlenhydrate<br />
! Eiweiss<br />
! Salz<br />
|-<br />
! style="background:#F9BF00; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Gelb<ref>{{cite web|title=Rivella Gelb|url=http://www.rivella.ch/index/produkte/rivella_produkte_rivella/rivella_produkte_gelb/rivella_produkte_gelb_zusammensetzung.htm|work=Rivella AG|date=2008|accessdate=2018-03-15|archiveurl=https://web.archive.org/web/20090307192942/http://www.rivella.ch/index/produkte/rivella_produkte_rivella/rivella_produkte_gelb/rivella_produkte_gelb_zusammensetzung.htm|archivedate=2009-03-07|deadurl=yes}}</ref><br />
| ''2008–2011''<br />
| 13 kcal<br />
| 0 g<br />
| 3,1 g<br />
| 0 g<br />
| 0,02 g<br />
|-<br />
! style="background:#FF671B; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Pfirsich<ref>{{cite web|title=Rivella Pfirsich|url=http://www.rivella.ch/de/sortiment/pfirsich|work=Rivella AG|date=2016|accessdate=2018-03-15|archiveurl=https://web.archive.org/web/20160404055122/http://www.rivella.ch/de/sortiment/pfirsich|archivedate=2016-04-04|deadurl=yes}}</ref><br />
| ''2014–2016''<br />
| 35 kcal<br />
| 0 g<br />
| 8,4 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
! style="background:#F4921C; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Mango Tropical<ref>{{cite web|title=Rivella Mango Tropical|url=http://www.rivella.ch/de/sortiment/mango|work=Rivella AG|date=2017|accessdate=2018-03-15|archiveurl=https://web.archive.org/web/20170301075844/http://www.rivella.ch/de/sortiment/mango|archivedate=2017-03-01|deadurl=yes}}</ref><br />
| ''2016–2018''<br />
| 35 kcal<br />
| 0 g<br />
| 8,4 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
! style="background:#D51067; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Rhabarber<ref>{{cite web|title=Rivella Rhabarber|url=http://www.rivella.ch/de/sortiment/rhabarber|work=Rivella AG|date=2017|accessdate=2021-11-29|archiveurl=https://web.archive.org/web/20170301080041/http://www.rivella.ch/de/sortiment/rhabarber|archivedate=2017-03-01|deadurl=yes}}</ref><br />
| ''2014–2019''<br />
| 35 kcal<br />
| 0 g<br />
| 8,4 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
! style="background:#9F56C2; text-align:left; color:#FFFFFF;"| Rivella Holunderblüte<ref>{{cite web|title=Rivella Holunderblüte|url=http://www.rivella.ch/de/sortiment/holunderbluete|work=Rivella AG|date=2019|accessdate=2021-11-29|archiveurl=https://web.archive.org/web/20191118094843/https://www.rivella.ch/de/sortiment/holunderbluete|archivedate=2019-11-18|deadurl=yes}}</ref><br />
| ''2019–2021''<br />
| 35 kcal<br />
| 0 g<br />
| 8,4 g<br />
| 0 g<br />
| 0,03 g<br />
|-<br />
|colspan="7" style="font-size:smaller"| Quelle: [http://www.rivella.ch/de/sortiment Ernährungsinfo Rivella]<br />
|}<br />
<br />
== Verbreitung ==<br />
Rivella gilt als ein Nationalgetränk der Schweiz.<ref>[http://www.tagesanzeiger.ch/leben/essen-und-trinken/Das-modifizierte-Nationalgetraenk-im-Test/story/21844860 Das modifizierte Nationalgetränk im Test] Tages-Anzeiger, Artikel vom 16. Mai 2014</ref> Im Jahr 2013 betrug der wertmässige Marktanteil der Rivella AG im Schweizer Erfrischungsgetränkemarkt 15,3 Prozent.<ref>[http://www.rivella.com/ch/de/unternehmen/zahlen-und-fakten/zahlen/ Kennzahlen Rivella-Gruppe 2010]</ref> Rivella ist die Nummer 2 nach [[Coca-Cola]].<br />
<br />
Im [[Liechtenstein|Fürstentum Liechtenstein]], in den [[Niederlande]]n und in [[Luxemburg]] ist Rivella seit längerer Zeit erhältlich. ''Rivella Light'' wurde 1958 als [[Diabetes mellitus|Diabetes]]-Getränk in den Niederlanden lanciert, ein Jahr später (1959) kam es als ''Rivella Blau'' auf den Schweizer Markt. Die Niederlande sind heute der grösste Auslandsmarkt für Rivella. Der Vertrieb nach [[Deutschland]] wird 2019 eingestellt, da es nicht gelungen sei, auf dem deutschen Markt Fuss zu fassen.<ref>{{Internetquelle |autor=Ulrich Senf |url=https://www.badische-zeitung.de/rivella-stoppt-verkauf-der-schweizer-kult-limo-in-deutschland |titel=Rivella stoppt Verkauf der Schweizer Kult-Limo in Deutschland |hrsg=Badische Zeitung |datum=2019-03-14 |abruf=2019-03-15}}</ref> Zudem ist Rivella in den Grenzregionen [[Frankreich]]s und [[Österreich]]s erhältlich.<br />
<br />
Der Marktauftritt im Ausland unterscheidet sich von demjenigen in der Schweiz. In den 1960er und 1970er Jahren wurde Rivella in Deutschland unter dem Markennamen Larell angeboten, um wettbewerbliche Konflikte mit der deutschen Limonadenmarke [[Libella]] zu vermeiden. Später wurde der Name auch dort in Rivella geändert.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
<br />
[[Molke]] ist ein [[protein]]haltiges Nebenprodukt der [[Käseherstellung]] und wurde bereits ab 1940 in der originalen Rezeptur von [[Fanta]] verwendet.<br />
Robert Barth bzw. dessen Bruder erwirbt 1950 die Rezeptur für ein Molken-Tafelgetränk, aus dem Rivella entsteht. Zunächst fand die Produktion in [[Stäfa]], dann in [[Uster]] statt. 1952 wurde die Rivella AG gegründet und Rivella Rot wird auf dem Getränkemarkt eingeführt. 1954 zog man von Uster nach [[Rothrist]]. In Holland wurde mit Rivella Blau 1958 eines der ersten [[Leichtprodukt|Leichtgetränke]] eingeführt. 1977 begann man mit der Werbepartnerschaft mit der [[Swiss-Ski|Schweizer Skinationalmannschaft]]. Rivella Grün wurde 1999 in das Sortiment aufgenommen.<br />
<br />
Einen Relaunch der Gesamtmarke Rivella gab es 2007, mit neuem Erscheinungsbild und neuer Flaschenpolitik. Der Gründer Robert Barth starb am 29. März 2007 im Alter von 85 Jahren in Rothrist im Kanton Aargau. Das Unternehmen ist weiterhin in Besitz der Familie des Gründers. Der grösste Schweizer Lebensmittelhändler [[Migros]] wechselte 2008 von der bisherigen Eigenmarke ''Mivella'' auf die [[Markenprodukt]]e von Rivella (''Mivella'' wurde im Auftrag der Migros ebenfalls von Rivella hergestellt).<ref>{{Webarchiv |url=http://www.migros.ch/DE/Ueber_die_Migros/Medien/Aktuelle_Meldungen/Seiten/NewsFull.aspx?NewsID=318 |text=Migros führt Rivella ein |wayback=20090307235655 |archiv-bot=}}</ref> Die Marken Rivella CLIQ Pfirsich und Rhabarber wurden 2014 in den Getränkemarkt eingeführt. Im Jahr 2016 gab es einen Relaunch mit neuem Design und Logo.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* [http://www.rivella.ch/ www.rivella.ch]<br />
* {{KECH|425}}<br />
* [http://www.rivella.com/ Internationale Website]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Markenname (Erfrischungsgetränk)]]<br />
[[Kategorie:Kulinarisches Erbe der Schweiz]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Volkswagenwerk_Emden&diff=221707869Volkswagenwerk Emden2022-04-02T08:29:44Z<p>Designer2k2: /* Werksgeschichte */ Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
<hr />
<div>{| class="wikitable float-right"<br />
|+<br />
! colspan="2" |Volkswagenwerk Emden<br />
|-<br />
|Gründung<br />
|1964<ref name=":0">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.volkswagen-newsroom.com/de/volkswagen-ag-standort-emden-5913 |titel=Volkswagen AG Werk Emden |werk= |hrsg= |datum= |abruf=2020-07-06 |sprache=de}}</ref><br />
|-<br />
|Produktion<br />
|rund 189.180 Fahrzeuge (12/2019)<ref name=":0" /><br />
|-<br />
|Fläche<br />
|4.300.000 m²<ref name=":0" /><br />
|-<br />
|Mitarbeiter<br />
|rund 8.000 (01/2020)<ref name=":0" /><br />
|-<br />
|Leitung<br />
|Uwe Schwartz<ref name=":0" /><br />
|}<br />
Das '''Volkswagen Werk Emden''' ist seit 1964 ein Produktionsstandort der [[Volkswagen AG]] in der Stadt [[Emden]]. Er wurde insbesondere wegen der Nähe zum Hafen zur [[VW Käfer|Käfer-Produktion]] errichtet. Ab 1977 wurde der [[VW Passat]] produziert, ein Jahr darauf lief der letzte in Emden produzierte Käfer vom Band.<br />
<br />
[[Datei:Flug Emden 2010 107.JPG|mini|Luftbild des Werks, im Hintergrund links der Teil des Hafens, in dem der Autoumschlag stattfindet]]<br />
[[Datei:Luftaufnahmen Nordseekueste 2013 05 by-RaBoe 247.jpg|mini|Luftbild des Werks]]<br />
[[Datei:VolkswagenPlantEmden.JPG|mini|Teilansicht des VW-Werks Emden]]<br />
[[Datei:VW Kaefer 1303 weiß.JPG|mini|VW Käfer 1303 Bj. 1974]]<br />
[[Datei:06-VW-Passat.jpg|mini|VW-Passat Bj. 2008]]<br />
<br />
== Werksgeschichte ==<br />
Volkswagen entschied sich in den frühen 1960er Jahren für Emden als neuen Produktionsstandort, weil der [[Emder Hafen]] der westlichste [[Seehafen]] Deutschlands ist und daher die kürzesten Transportwege nach Übersee bietet. Ein weiterer Grund war die hohe Arbeitslosenquote in [[Ostfriesland]]. Das Werk wurde in erster Linie für den Export des erfolgreichen [[VW Käfer]] errichtet. Zudem verfügte die Stadt über 200 Hektar [[Koog|eingepolderten Landes]] und somit über ausreichende Flächenreserven für Betriebserweiterungen, die im Bedarfsfall preisgünstig zu erwerben wären.<br />
<br />
Das Werk wurde nach neunmonatiger Bauzeit eingeweiht. Am 8.&nbsp;Dezember&nbsp;1964 begann die Produktion des VW Käfer.<ref>[http://www.oldbug.de/ Liebhaber klassischer Volkswagen bis ca. 1967; siehe hierzu „Historie“ und dann das Jahr „1964“]</ref> 1965 kaufte Volkswagen die 1960 von dem [[Lastkraftwagen|Lkw]]-Produzenten [[Büssing AG|Büssing]] erworbene Produktionsstätte auf dem [[Larrelt|Larrelter Polder]]; das Areal wird von der Statistikstelle der Stadt jedoch zum Stadtteil [[Port Arthur/Transvaal]] gezählt. Büssing musste im Juni 1964 nach nur zweieinhalb Jahren Produktion den Lkw-Getriebebau in den 120.000 m² großen Hallen einstellen.<ref>H. Büssing: Mensch, Werk, Erbe,- Seite 184, 185. Vandenhoeck & Ruprecht-Verlag, 1989, ISBN 3-525-13175-5.</ref><br />
<br />
Der letzte in Deutschland gebaute Käfer verließ am 19.&nbsp;Januar&nbsp;1978 das Montageband in Emden. Das [[VW Käfer#Cabrios|Käfer-Cabriolet]] wurde noch bis Januar 1980 bei [[Karmann]] in Osnabrück gebaut. <br />
<br />
Seit 1978 wird der [[VW Passat]] auch in Emden produziert. Das Werk in der Seehafenstadt ist das „Leitwerk“ für dieses Modell. Neben der [[Limousine]] läuft die [[Kombinationskraftwagen|Kombiversion]] [[Variant (Volkswagen)|Variant]] vom Band. Nach dem Ende der Fertigung des [[VW CC]] wird seit 2016 der Nachfolger [[VW Arteon]] produziert. Im werkseigenen Presswerk werden zudem Blechteile für unterschiedliche Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns hergestellt.<br />
<br />
Das Emder Volkswagen-Werk ist „Patenwerk“ für das im April 2011 neu eröffnete Werk der [[Volkswagen Group of America Chattanooga Operations]]. In [[Chattanooga (Tennessee)]] entsteht der speziell auf den amerikanischen Markt abgestimmte [[VW Passat (NMS)]].<ref>{{Webarchiv |url=http://www.grossheide.de/fileadmin/Mediendatenbank/Gemeinde/Grossheide/Pressespiegel/Maerz_2012/06_Maerz_VW.pdf |text=''Bericht im Ostfriesischen Kurier am 6. März 2012'' |wayback=20150924023821 |archiv-bot=}} (PDF; 517kB)</ref><br />
<br />
Im August 2019 gab VW bekannt, dass das Werk Emden zu einem reinen E-Auto-Werk umgebaut wird. Ab 2022 werden dort Modelle auf Basis des sogenannten [[Modularer E-Antriebs-Baukasten|Modularer E-Antriebs-Baukastens]] (MEB) gebaut. In den Umbau wird VW eine Milliarde Euro investieren.<ref>{{Internetquelle |autor=NDR |url=https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/VW-Emden-wird-zweiter-reiner-E-Auto-Standort,vw5096.html |titel=VW: Emden wird zweiter reiner E-Auto-Standort |abruf=2020-02-08 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
Ab 2023 soll der VW Passat nur noch in der slowakischen Hauptstadt [[Bratislava]] vom Band laufen. Das Werk in Emden soll mit dem ''Aero'' dafür ein weiteres vollelektrisches Auto nach dem ''ID.4'' erhalten.<ref>{{Internetquelle |autor=Werner Beutnagel |url=https://www.automobil-produktion.de/hersteller/wirtschaft/vw-werk-emden-bekommt-neues-e-modell-113.html |titel=VW-Werk Emden bekommt neues E-Modell |abruf=2020-11-22 |sprache=de}}</ref><br />
<br />
== Bedeutung für Emden und Umgebung ==<br />
Das Volkswagen-Werk hat für den Arbeitsmarkt in Emden und Ostfriesland eine überragende Bedeutung, insbesondere für die Stadt Emden und den [[Landkreis Aurich]]. Das Werk beschäftigt rund 8000 Mitarbeiter.<ref name="Presseinfo">{{cite web|url=https://www.volkswagen-newsroom.com/de/volkswagen-ag-standort-emden-5913|title=Presse-Basisinformationen: Volkswagen AG Werk Emden|date=6. Juli 2020|accessdate=2020-07-06|last=|first=|publisher=Volkswagen Media Services}}</ref> Damit ist es der größte industrielle Produktionsstandort westlich von [[Bremen]] <!--(das dortige [[Mercedes-Benz|Mercedes-Werk]] im Stadtteil [[Hemelingen|Sebaldsbrück]] ist größer)--> und nördlich des [[Ruhrgebiet|Ruhrgebiets]]. Von den rund 29.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Emden arbeiten somit mehr als ein Viertel bei oder unmittelbar für Volkswagen. Die damit verbundene Kaufkraft sichert wiederum eine große Zahl an Arbeitsplätzen, die allerdings nur schwer in Zahlen gefasst werden kann. Teils [[Pendler|pendeln]] Beschäftigte auch aus dem Umland von [[Wilhelmshaven]] und [[Oldenburg (Oldenburg)|Oldenburg]] ein. Der Großteil der Einpendler stammt jedoch aus dem Landkreis Aurich und zu einem bereits etwas geringeren Anteil aus dem [[Landkreis Leer]].<br />
<br />
Im [[Emder Hafen]] gibt es zwei Kaianlagen, die für den Autoumschlag genutzt werden. Durch das Werk wurde der Emder Hafen der mittlerweile drittgrößte Autoverladehafen Europas nach [[Häfen in Bremerhaven|Bremerhaven]] und [[Hafen Zeebrugge|Zeebrugge]]. 2008 wurden im Emder Hafen erstmals mehr als eine Million Fahrzeuge umgeschlagen. Fast der gesamte Im- und Export des Volkswagen-Konzerns, also inklusive der Tochterfirmen, läuft über den Emder Hafen. Das Werk verfügt über zwei größere Verladebahnhöfe. Zudem wird der Emder [[Rangierbahnhof]] heute in erster Linie für das Zusammenstellen von Zügen für Volkswagen genutzt.<br />
<br />
Im ''Industriepark Frisia'', dem Gelände der ehemaligen und mittlerweile abgerissenen [[Erdölwerke Frisia]] vor den Toren des Volkswagen-Werks, siedelten sich in den vergangenen Jahren Zulieferfirmen mit rund 500 Beschäftigten an. Das Gelände wurde zuvor [[Dekontamination|dekontaminiert]], in erster Linie durch Geldmittel der EU und der Stadt.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Volkswagenwerk Emden}}<br />
* [https://www.volkswagen-newsroom.com/de/emden-3739 Emden – Volkswagen Newsroom]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Volkswagenwerke in Deutschland}}<br />
<br />
{{Coordinate |map= |article= |text= |NS=53/20/51 |EW=7/09/30 |type=landmark |pop= |elevation= |dim= |name= |region=DE-NI <!--|mapsize= |sortkey= -->}}<br />
<br />
[[Kategorie:Volkswagen]]<br />
[[Kategorie:Produzierendes Unternehmen (Emden)]]<br />
[[Kategorie:Fabrikanlage]]</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Vermicelles&diff=221707816Diskussion:Vermicelles2022-04-02T08:27:53Z<p>Designer2k2: /* Link */ Archivlink im Artikel geprüft</p>
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<div>== Nicht nur in der Schweiz ==<br />
In Österreich bekannt als ''Kastanienreis'', allerdings eher mit Rum und nicht mit Kirschwasser zubereitet. Gibt's in Deutschland ein ähnliches Dessert?<br />
--[[Benutzer:Peter Putzer|Peter Putzer]] 23:30, 23. Jun. 2008 (CEST)<br />
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== Sprachliche Definition ==<br />
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Dass Vermicelle französisch für Würmchen stehe, ist so nicht richtig. Ich habe keinen (Online-)Übersetzer gefunden, der das hergibt. Nach Rücksprache mit französisch-Muttersprachlern (Westschweizer und Franzosen) wurde mir bestätigt, dass man unter Vermicelle ''nur'' Fadennudeln resp. durch ein Lochsieb gepresstes Kastanienpüree versteht. Einen kleinen Wurm, ein Würmchen, definiert es einhellig ''nicht''. Also raus mit diesem sprachlichen Querverweis? Die fr:WP führt noch diesen Satz an: ''Le terme dérive d'un mot latin, vermiculus, par l'intermédiaire de l'italien vermicelli, vermisseaux''. Also evtl. lateinischen Ursprungs? Das müsste aber jemand beurteilen, der des Lateinischen mächtig ist. -- [[Benutzer:Chriusha|Хрюша]] <small> <sup>[[Benutzer Diskussion:Chriusha|??]]</sup> </small> 13:15, 19. Okt. 2010 (CEST)<br />
:Richtig, mein F-Wörterbuch kennt unter Vermicelles auch nur Fadennudeln. Dafür steht im Latein-WB aber tatsächlich ''vermiculus'' = Würmchen! Hab es entsprechend geändert. --[[Benutzer:UweRohwedder|UweRohwedder]] 20:35, 19. Okt. 2010 (CEST)<br />
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== Fadennudeln vs. Kastanienreis ==<br />
<br />
Bei Namensgleichheit (die offenbar partiell besteht - wobei WP kein Französischwörterbuch ist) sollte ein zweiter Artikel und eine BKL angelegt werden. Das unter demselben Lemma abzuhandeln, ist Humbug. --[[Benutzer:Peter Putzer|pep.]] 19:05, 19. Okt. 2010 (CE<br />
==Wortherkunft==<br />
Meine Großmutter sagte immer: "Man kann sich beim Nasebohren den Finger abbrechen!"<br />
Selbstverständlich habe die Vermicelles den gleichen Wortursprung wie die französischen Fadennudeln, nämlich vermiculus! Die Vermicelles sehen genauso wie "les vermicelles" aus.--[[Spezial:Beiträge/87.175.201.251|87.175.201.251]] 17:46, 11. Sep. 2012 (CEST)<br />
<br />
== Mont Blanc ==<br />
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Wo ist der Unterscheid zum [[Mont Blanc (Süßspeise)]]? Sind das zwei verschiedene Gerichte oder nur zwei Namen? --[[Benutzer:Anvilaquarius|Anvilaquarius]] ([[Benutzer Diskussion:Anvilaquarius|Diskussion]]) 09:53, 4. Jun. 2018 (CEST)<br />
: Der Begriff «Mont Blanc» ist mir in dieser Form noch nicht begegnet; wo wird das denn angeboten? Gruss, [[Benutzer:Giacomo1970|Giacomo1970]] ([[Benutzer Diskussion:Giacomo1970|Diskussion]]) 10:41, 4. Jun. 2018 (CEST)<br />
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::{{ping|Anvilaquarius|Giacomo1970}} (Sorry for writing in English, but I'm Italian) I think "Vermicelles" is just the Swiss name for "Mont Blanc": for example<br />
::* the image you can find in [[:en:Mont Blanc (dessert)]] is labelled as Vermicelles;<br />
::* [[:fr:Mont-blanc (gâteau)]] says that ''en Suisse, ce dessert s'appelle "des vermicelles"'' (i.e.: in Switzerland, this dessert is named "vermicelles");<br />
::* in [https://eatlittlebird.com/mont-blanc-chocolate-pavlova/ this source], I've found that "<u>In countries like Switzerland, Germany and Austria, a Mont Blanc dessert is often called Vermicelles, referring to the noodle-like strands which the chestnuts typically resemblez</u>".<br />
::De.wiki is the only wiki having two different item, so if we merge them we can merge also the two Wikidata items. --[[Benutzer:BohemianRhapsody|BohemianRhapsody]] ([[Benutzer Diskussion:BohemianRhapsody|Diskussion]]) 20:09, 31. Okt. 2018 (CET)</div>Designer2k2https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vermicelles&diff=221707788Vermicelles2022-04-02T08:27:14Z<p>Designer2k2: Archivbot Link geprüft und Hinweis entfernt</p>
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<div>[[Datei:VermicellesDessert.jpg|mini|Vermicelle mit [[Vanille (Gewürz)|Vanilleglace]] und Schlagrahm]]<br />
<!--schweizbezogen-->'''Vermicelle'''<ref>{{Webarchiv |url=https://www.spruengli.ch/de/vermicelle-toertli.html |text=Vermicelle-Törtli |wayback=20161101101749 |archiv-bot=}}</ref> oder '''Vermicelles''' (v. ital.: ''vermicelli'' ‚Würmchen‘) ist ein Schweizer Dessert aus Marroni-Püree. Ursprünglich stammt es aus der [[Italienische Schweiz|Südschweiz]], wird heute aber in der ganzen Schweiz hergestellt und konsumiert.<br />
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== Herstellung ==<br />
[[Datei:Vermicellespresse.JPG|mini|Vermicelle-Presse aus Kunststoff]]<br />
<br />
Das Mus wird aus [[Pürieren|pürierten]] in Milch gekochten Marroni ([[Edelkastanie|Esskastanien]]) hergestellt und mit [[Butter]] oder Pflanzenöl, [[Läuterzucker]], [[Kirschwasser]] und [[Vanille (Gewürz)|Vanille]] verfeinert. Für die typische Form wird die Marronimasse mit einer Vermicelle-Presse durch ein Lochblech gepresst, so dass etwa 15 cm lange spaghettiartige «Würmer» entstehen. Gutes Vermicelle ist cremig und schmeckt nach Marroni.<ref>[https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/tests/degustationen/vermicelles-von-cremig-bis-staubtrocken Von cremig bis staubtrocken], [[Schweizer Radio und Fernsehen|SRF]]</ref><br />
<br />
== Servier-Varianten ==<br />
Das Vermicelle wird entweder pur oder auf (auch neben und unter) Schlagrahm und [[Meringue]] gegessen. Eine weitere Variante sind Vermicelle-Törtchen. Hier wird das Vermicelle in ein [[Tartelette|Mürbeteigtörtchen]] angerichtet und mit Schlagrahm dekoriert. Die Vermicelle-Torte besteht aus einem Mürbteig- oder Blätterteigboden, mit einem hauchdünnen Aufstrich aus [[Kuvertüre|Couverture]], einem dünnen Bett aus Vanillecreme und einem dicken Belag aus Vermicelle, verziert mit Schlagrahm. Der ''Coupe Nesselrode'' besteht aus Vanilleglace, Vermicelle, Schlagrahm und Meringue.<ref>{{Internetquelle |autor=Dani Fohrler, Maja Brunner |url=https://www.srf.ch/sendungen/a-point/was-der-coupe-nesselrode-mit-weltpolitik-zu-tun-hat |titel=Was der Coupe Nesselrode mit Weltpolitik zu tun hat |werk= |hrsg=Schweizer Radio und Fernsehen SRF |datum=2015-11-12 |zugriff=2018-10-31}}</ref><br />
<br />
== Verbreitung ==<br />
Während der Herbstsaison wird Vermicelle in der Schweiz in jedem besseren Café und in vielen Restaurants serviert. In der Konditorei oder im Take-Away im Supermarkt gehört Vermicelle zum Standardangebot. Das Maronen[[püree]] wird auch vorgefertigt tiefgefroren in Blöcken oder in Tuben abgefüllt, in Kunststoffcontainern eingeschweisst oder in wurstähnlichen Hüllen im Supermarkt ganzjährig verkauft. In Deutschland hingegen ist Vermicelle praktisch unbekannt. In Österreich kennt man das Gericht unter dem Namen Maronireis.<br />
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== Siehe auch ==<br />
* [[Kastanienreis]] (Österreich)<br />
* [[Mont Blanc (Süßspeise)]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat}}<br />
* {{KECH|190|Vermicelles}}<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
<br />
[[Kategorie:Süßspeise]]<br />
[[Kategorie:Schweizer Küche]]<br />
[[Kategorie:Kulinarisches Erbe der Schweiz]]</div>Designer2k2