https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=Apflu Wikipedia - Benutzerbeiträge [de] 2025-05-17T21:17:55Z Benutzerbeiträge MediaWiki 1.45.0-wmf.1 https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kontextfreie_Grammatik&diff=194787429 Kontextfreie Grammatik 2019-12-10T08:37:39Z <p>Apflu: /* Definition */ reihenfolge berichtigen</p> <hr /> <div>In der Theorie der [[Formale Sprache|formalen Sprachen]] ist eine '''[[Zusammenhang|kontextfreie]] Grammatik''' ({{enS|context-free grammar}}, ''CFG'') eine [[formale Grammatik]], die nur solche [[Produktionsregel|Ersetzungsregeln]] enthält, bei denen immer genau ein [[Nichtterminalsymbol]] auf eine beliebig lange Folge von Nichtterminal- und [[Terminalsymbol]]en abgeleitet wird. Die Ersetzungsregeln haben also die Form &lt;math&gt;V\rightarrow w&lt;/math&gt; (mit Nichtterminalsymbol &lt;math&gt;V&lt;/math&gt; und Zeichenkette &lt;math&gt;w&lt;/math&gt; bestehend aus Nichtterminal- und/oder Terminalsymbolen).<br /> <br /> Weil die linke Seite einer Regel nur aus einem einzigen Nichtterminalsymbol &lt;math&gt;V&lt;/math&gt; besteht, hängt ihre Anwendbarkeit auf eine Zeichenkette nur davon ab, ob das Nichtterminalsymbol &lt;math&gt;V&lt;/math&gt; in der Zeichenkette vorkommt, nicht aber davon, in welchem Kontext es sich befindet. Die Regeln sind also kontextfrei.<br /> <br /> Die kontextfreien Grammatiken sind identisch mit den ''Typ-2''-Grammatiken der [[Chomsky-Hierarchie]].<br /> <br /> == Definition ==<br /> Eine kontextfreie Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt; ist ein 4-[[Tupel]] &lt;math&gt;(V,T,S,P)&lt;/math&gt; mit folgenden Eigenschaften:<br /> * &lt;math&gt;V&lt;/math&gt; ist eine endliche Menge, genannt ''Vokabular'',<br /> * einer Teilmenge &lt;math&gt;T \subset V&lt;/math&gt;, von [[Terminalsymbol]]en (auch kurz ''Terminale'' genannt),<br /> : Dazu gehört die [[Differenzmenge]] &lt;math&gt;N := V \setminus T&lt;/math&gt; von [[Nichtterminalsymbol]]en (auch kurz ''Nichtterminale'' oder ''Variablen'' genannt).&lt;br /&gt;&lt;math&gt;N&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;T&lt;/math&gt; sind [[Disjunkt|disjunkte]] [[Alphabet (Informatik)|Alphabete]]<br /> * ein ''[[Startsymbol]]'' &lt;math&gt;S \in N&lt;/math&gt;,<br /> * eine endliche Menge an [[Produktionsregel]]n (kurz ''Produktionen'') &lt;math&gt;P \subset N \times V^*&lt;/math&gt;.<br /> Hierbei bezeichnet &lt;math&gt;^*&lt;/math&gt; die [[Kleenesche Hülle]].<br /> <br /> === Erläuterung ===<br /> Manche Autoren bezeichnen alternativ das Quadrupel &lt;math&gt;(N, T, P, S)&lt;/math&gt; als Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt;, mit der Forderung, dass &lt;math&gt;N&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;T&lt;/math&gt; zwei endliche, disjunkte Mengen sind, und &lt;math&gt;V := N \cup T&lt;/math&gt;.<br /> <br /> Gelegentlich werden die Nichtterminale (Variablen) abweichend mit &lt;math&gt;V&lt;/math&gt; und die Terminale oder das Gesamtvokabular mit &lt;math&gt;\Sigma&lt;/math&gt; bezeichnet.<br /> <br /> Eine Regel &lt;math&gt;(\alpha, \beta) \in P&lt;/math&gt; wird meist in der Form &lt;math&gt;\alpha \rightarrow \beta&lt;/math&gt; notiert.<br /> <br /> Gemäß der Definition gilt für eine Regel &lt;math&gt;\alpha \rightarrow \beta&lt;/math&gt;, dass &lt;math&gt;\alpha \in N&lt;/math&gt; ist, also dass auf der linken Seite der Ersetzungsregel genau ein Nichtterminal steht. Es ist in einer Regel auf der linken Seite nicht von anderen Symbolen umgeben, und es stehen daher für jede Zeichenkette, die dieses Nichtterminal enthält, immer die gleichen Regeln zur Auswahl, egal welche Symbole das Nichtterminal &lt;math&gt;\alpha&lt;/math&gt; in einer Zeichenfolge umgeben. Kurz gesagt ist die Auswahl der Regeln unabhängig vom Kontext von &lt;math&gt;\alpha&lt;/math&gt;.<br /> <br /> == Von ''G'' erzeugte Sprache ==<br /> Die kontextfreien Grammatiken erzeugen genau die [[Kontextfreie Sprache|kontextfreien Sprachen]], d.&amp;nbsp;h., jede Typ-2-Grammatik erzeugt eine kontextfreie Sprache und zu jeder kontextfreien Sprache existiert eine Typ-2-Grammatik, die diese erzeugt.<br /> <br /> Dabei werden die Produktionsregeln &lt;math&gt;R\rightarrow Q \in P&lt;/math&gt; so angewendet, dass in einem Wort &lt;math&gt;w \in V^\ast&lt;/math&gt; mit R als [[Infix (Theoretische Informatik)|Infix]] (Teilwort, englisch ''substring''), dieses durch Q ersetzt werden kann, so dass ein neues Wort &lt;math&gt;w^\prime&lt;/math&gt; mit &lt;math&gt;Q&lt;/math&gt; als Infix entsteht. Die Menge &lt;math&gt;P&lt;/math&gt; (als Teilmenge eines [[Kartesisches Produkt|kartesischen Produktes]] eine [[Relation]]) wird dadurch erweitert zu<br /> <br /> :&lt;math&gt;\rightsquigarrow_G\;:=\;\{(uRv, uQv) \mid u,v\in V^* \land (R,Q)\in P\}&lt;/math&gt;.<br /> <br /> Diese Ersetzungen können mehrfach vorgenommen werden: Wenn ein Wort &lt;math&gt;v&lt;/math&gt; aus einem Wort &lt;math&gt;u&lt;/math&gt; durch ''n''-fache Anwendung von &lt;math&gt;\rightsquigarrow&lt;/math&gt; hervorgeht, schreibt man &lt;math&gt;u {\rightsquigarrow_G}^n v&lt;/math&gt;, ist dies bei beliebiger endlicher Anwendung der Fall, dann &lt;math&gt;u {\rightsquigarrow_G}^*&lt;/math&gt;. Die Relation &lt;math&gt;{\rightsquigarrow_G}^*&lt;/math&gt; ([[Ableitung (Informatik)|Ableitung]]) steht für eine beliebige endliche Folge von Regelanwendungen bezüglich der Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt;. Siehe dazu auch: [[Relation (Mathematik)#Homogene Relationen|Homogene Relationen]].<br /> <br /> Die kontextfreie Sprache &lt;math&gt;L(G)&lt;/math&gt;, die durch die kontextfreie Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt; generiert wird, ist dann definiert als alle Wörter, die auf diese Weise aus dem Startzeichen abgeleitet werden können:<br /> <br /> :&lt;math&gt;L(G) = \{ w \mid w\in T^* \land S {\rightsquigarrow_G}^* w \}&lt;/math&gt;.<br /> <br /> Es müssen vom Startsymbol &lt;math&gt;S&lt;/math&gt; aus solange Nichtterminale mit Hilfe der Regeln ersetzt werden, bis nur noch Terminale übrig sind. Offenbar gilt &lt;math&gt;L(G)\subseteq T^*&lt;/math&gt;.<br /> <br /> Die kontextfreien Sprachen sind genau die Sprachen, die von einem [[Nichtdeterminismus|nichtdeterministischen]] [[Kellerautomat]]en [[Akzeptieren (Automaten- und Komplexitätstheorie)|akzeptiert]] werden. Existiert auch ein [[Determinismus (Algorithmus)|deterministischer]] Kellerautomat, nennt man die Sprache auch [[Deterministisch kontextfreie Sprache|deterministisch kontextfrei]]. Diese echte Teilmenge der kontextfreien Sprachen bildet die theoretische Basis für die Syntax der meisten [[Programmiersprache]]n.<br /> <br /> Kontextfreie Sprachen können das leere Wort enthalten, z.&amp;nbsp;B. durch eine Produktionsregel &lt;math&gt;(S \rightarrow \varepsilon)&lt;/math&gt;. Einige Sätze über kontextfreie Grammatiken fordern allerdings zusätzlich, dass das leere Wort von ihr nicht erzeugt werden darf. So gibt es z.&amp;nbsp;B. nur zu den kontextfreien Grammatiken eine äquivalente Grammatik in [[Greibach-Normalform]], wenn das leere Wort durch sie nicht erzeugt werden kann, da in jedem Ableitungsschritt genau ein Terminal erzeugt wird.<br /> <br /> == Normalformen ==<br /> Für kontextfreie Grammatiken sind verschiedene Normalformen definiert. Unter der [[Chomsky-Normalform]] (CNF) sind die rechten Seiten der Nichtterminal-Produktionen eingeschränkt, d.&amp;nbsp;h. auf der rechten Seite darf entweder ein einziges Terminal-Symbol oder genau zwei Nichtterminal-Symbole stehen. Wenn das Startsymbol auf der linken Seite steht, darf die rechte Seite der Produktion allerdings auch das leere Wort sein. Durch einen [[Algorithmus]] kann jede kontextfreie Grammatik in die CNF überführt werden.<br /> <br /> Eine kontextfreie Grammatik ist in der [[Greibach-Normalform]] (GNF), wenn sie nicht das leere Wort erzeugt und die rechten Seiten der Produktionen mit maximal einem Terminal-Symbol beginnen und sonst nur Nichtterminal-Symbole enthalten. Jede kontextfreie Grammatik, die nicht das leere Wort erzeugt, kann mit einem Algorithmus in die GNF überführt werden.<br /> <br /> == Eigenschaften ==<br /> <br /> === Wortproblem ===<br /> Das [[Wortproblem]] für kontextfreie Sprachen, also das Problem, ob ein Wort &lt;math&gt;w&lt;/math&gt; von einer kontextfreien Grammatik erzeugt werden kann, ist [[Entscheidbarkeit|entscheidbar]].&lt;ref&gt;{{Literatur |Autor=[[Uwe Schöning]] |Titel=Theoretische Informatik- kurz gefasst |Auflage=5 |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2008 |ISBN=978-3-8274-1824-1 |Seiten=13}}&lt;/ref&gt; Auf dem Weg der Lösung des Wortproblems kann zusätzlich ein Ableitungsbaum erzeugt werden. Dieser Ableitungsbaum wird auch Parse-Tree genannt, und ein [[Computerprogramm|Programm]], welches einen Parse-Tree erzeugt, ist ein [[Parser]]. Für jede kontextfreie Grammatik kann automatisch ein Parser [[Parsergenerator|generiert]] werden (siehe auch [[CYK-Algorithmus]]). Die [[Zeitkomplexität|Worst-Case-Laufzeitkomplexität]] eines Parsers für eine beliebige kontextfreie Grammatik liegt in &lt;math&gt;\mathcal O\left(n^3\right)&lt;/math&gt; (s. [[Landau-Symbole]]). Für [[Deterministisch kontextfreie Sprache|Teilklassen von kontextfreien Grammatiken]] können Parser erzeugt werden, deren Laufzeit in &lt;math&gt;\mathcal O(n)&lt;/math&gt; liegt. Ein typischer [[Anwendungsfall]] eines effizienten kontextfreien Parsers mit linearer Laufzeit ist das Parsen eines [[Programmiersprache]]n-[[Quelltext]]s durch einen [[Compiler]].<br /> <br /> Wenn ein Wort &lt;math&gt;w&lt;/math&gt; der Sprache L (&lt;math&gt;w\in L(G)&lt;/math&gt;) durch die Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt; auf mehrere verschiedene Arten erzeugt werden kann, dann ist diese Grammatik [[Mehrdeutige Grammatik|mehrdeutig]]. Ein Parser kann bei einer mehrdeutigen Grammatik für ein gegebenes Wort nicht nur einen, sondern mehrere Ableitungsbäume erzeugen. Mehrdeutigkeit ist nicht problematisch, wenn nur das Wortproblem gelöst werden soll. Wird aber den unterschiedlichen Ableitungsbäumen eine unterschiedliche Bedeutung zugeordnet, dann kann ein Wort bei einer mehrdeutigen Grammatik mehrere unterschiedliche Bedeutungen haben. Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer eindeutigen kontextfreien Grammatik ist ein Compiler, der für jede gültige Eingabe deterministisch und eindeutig ausführbaren Zielcode erzeugen muss.<br /> <br /> === Mehrdeutigkeit ===<br /> Das Problem, ob eine (beliebige) kontextfreie Grammatik mehrdeutig oder nicht-mehrdeutig ist, ist nicht entscheidbar.&lt;ref&gt;{{Literatur |Autor=Alfred V. Aho and Jeffrey D. Ullman |Titel=The Theory of Parsing, Translation, and Compiling. Volume 1: Parsing |Verlag=Prentice-Hall |Datum=1972 |ISBN=0-13-914556-7 |Seiten=202}}&lt;/ref&gt; Es existieren aber Testverfahren, die für bestimmte Teilklassen der kontextfreien Grammatiken Mehrdeutigkeit bzw. Nicht-Mehrdeutigkeit feststellen können.&lt;ref&gt;{{Literatur |Autor=H. J. S. Basten |Titel=Ambiguity Detection Methods for Context-Free Grammars |Datum=2007-08-17 |Kommentar=Master Thesis |Online=http://homepages.cwi.nl/~paulk/thesesMasterSoftwareEngineering/2007/BasBasten.pdf}}&lt;/ref&gt; Je nach Testverfahren terminiert der Mehrdeutigkeits-Test nicht oder der Test liefert zurück, dass die Mehrdeutigkeit nicht festgestellt werden kann, falls die kontextfreie Eingabe-Grammatik nicht Element einer bestimmten Teilklasse von kontextfreien Grammatiken ist.<br /> <br /> === Äquivalenz ===<br /> Das Problem, ob zwei kontextfreie Grammatiken &lt;math&gt;G_1&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;G_2&lt;/math&gt; die gleiche Sprache generieren (also ob &lt;math&gt;L(G_1) = L(G_2)&lt;/math&gt;), ist nicht entscheidbar.&lt;ref name=&quot;Schöning-S137&quot;&gt;Schöning, 2001, S. 137.&lt;/ref&gt;<br /> <br /> === Teilmenge ===<br /> Das Problem, ob die durch eine kontextfreie Grammatik &lt;math&gt;G_1&lt;/math&gt; erzeugte Sprache auch von einer kontextfreien Grammatik &lt;math&gt;G_2&lt;/math&gt; erzeugt wird (also ob &lt;math&gt;L(G_1)\subseteq L(G_2)&lt;/math&gt;), ist nicht entscheidbar.&lt;ref name=&quot;Schöning-S137&quot; /&gt;<br /> <br /> === Vereinigung ===<br /> Die Vereinigung &lt;math&gt;L(G_1) \cup L(G_2)&lt;/math&gt; der Sprachen zweier kontextfreier Grammatiken &lt;math&gt;G_1=(V_1,T_1,P_1,S_1)&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;G_2=(V_2,T_2,P_2,S_2)&lt;/math&gt; kann ebenfalls von einer kontextfreien Grammatik erzeugt werden, nämlich<br /> :&lt;math&gt;G_1\cup G_2 := (\{S\}\cup V_1\cup V_2, T_1\cup T_2, P_1\cup P_2\cup\{S\rightarrow S_1, S\rightarrow S_2\}, S)&lt;/math&gt;.<br /> Dabei wird vorausgesetzt, dass die beiden Nichtterminalmengen &lt;math&gt;N_1 = V_1 \setminus T_1&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;N_2 = V_2 \setminus T_2&lt;/math&gt; [[disjunkt]] sind (&lt;math&gt;N_1\cap N_2=\emptyset&lt;/math&gt;), und &lt;math&gt;S&lt;/math&gt; ein beliebiges zusätzliches Zeichen ist (&lt;math&gt;S\notin N_1\cup N_2\cup T_1\cup T_2&lt;/math&gt;), was aber für alle &lt;math&gt;G_1, G_2&lt;/math&gt; erreicht werden kann.<br /> <br /> === Schnitt ===<br /> Das Problem, ob der Schnitt der Sprachen zweier kontextfreier Grammatiken &lt;math&gt;G_1, G_2&lt;/math&gt; ebenfalls von einer kontextfreien Grammatik erzeugt wird, ist nicht entscheidbar.&lt;ref name=&quot;Schöning-S137&quot; /&gt;<br /> <br /> === Komplement ===<br /> Das Komplement einer kontextfreien Grammatik ist im Allgemeinen nicht kontextfrei.<br /> <br /> == Beispiele ==<br /> Sei &lt;math&gt;G=(V,T,P,S)&lt;/math&gt; eine kontextfreie Grammatik mit &lt;math&gt;N = V \setminus T&lt;/math&gt; und<br /> <br /> &lt;math&gt;T = \{ x, y, z \}&lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;N = \{ S, A, B\}&lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;P&lt;/math&gt; enthält 4 Produktionen bzw. Produktionsregeln:<br /> <br /> &lt;math&gt;\begin{align}<br /> S &amp; \rightarrow &amp; A \\<br /> A &amp; \rightarrow &amp; x A y \\<br /> A &amp; \rightarrow &amp; x B y \\<br /> B &amp; \rightarrow &amp; z<br /> \end{align}<br /> &lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;w_1 = xxzyy&lt;/math&gt; kann durch die Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt; mit folgender Ableitung erzeugt werden:<br /> <br /> &lt;math&gt;t(w_1) = S(A(x,A(x,B(z),y),y))&lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;t(w_1)&lt;/math&gt; ist der Ableitungsbaum in Term-Schreibweise. Die Wurzel und die inneren Knoten sind mit Nichtterminal-Symbolen und die Blätter mit Terminal-Symbolen beschriftet.<br /> <br /> Also ist &lt;math&gt;w_1\in L(G)&lt;/math&gt;.<br /> <br /> Das Beispiel Wort &lt;math&gt;w_2&lt;/math&gt; mit &lt;math&gt;w_2 = z&lt;/math&gt; ist nicht Teil der Sprache &lt;math&gt;L(G)&lt;/math&gt;, da das Nichtterminal &lt;math&gt;B&lt;/math&gt; nicht das Startsymbol ist und über das Startsymbol jedes Wort der Sprache von den Terminal-Symbolen &lt;math&gt;x&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;y&lt;/math&gt; eingeschlossen sein muss. In Formelschreibweise:<br /> <br /> &lt;math&gt;w_2\notin L(G)&lt;/math&gt;<br /> <br /> Grammatik &lt;math&gt;G&lt;/math&gt; ist nicht mehrdeutig.<br /> <br /> === Sprache der Palindrome ===<br /> Die Grammatik &lt;math&gt;G(\{S, a, b\}, \{a, b\}, P, S)&lt;/math&gt; mit &lt;math&gt;P&lt;/math&gt; gegeben als &lt;math&gt;S \rightarrow \varepsilon | a | b | aSa | bSb&lt;/math&gt; erzeugt die Sprache aller Palindrome über dem Alphabet &lt;math&gt;\{a,b\}&lt;/math&gt;.<br /> <br /> === Mehrdeutiges Beispiel ===<br /> Ein Beispiel für eine mehrdeutige Grammatik ist &lt;math&gt;G_2=(V_2,T_2,P_2,S_2)&lt;/math&gt; mit &lt;math&gt;N_2 = V_2 \setminus T_2&lt;/math&gt; und<br /> <br /> &lt;math&gt;T_2 = \{ x, y \}&lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;N_2 = \{ S_2, A\}&lt;/math&gt;<br /> <br /> &lt;math&gt;P_2&lt;/math&gt; enthält folgende Produktionen:<br /> <br /> &lt;math&gt;\begin{align}<br /> S_2 &amp; \rightarrow &amp; A \\<br /> A &amp; \rightarrow &amp; AA \\<br /> A &amp; \rightarrow &amp; x A y \\<br /> A &amp; \rightarrow &amp; \varepsilon<br /> \end{align}<br /> &lt;/math&gt;<br /> <br /> Für &lt;math&gt;w_3=xy&lt;/math&gt; existieren unter anderem die Ableitungen &lt;math&gt;S_2(A(x,A(\varepsilon),y))&lt;/math&gt;, &lt;math&gt;S_2(A(A(\varepsilon),A(x,A(\varepsilon),y)))&lt;/math&gt; und &lt;math&gt;S_2(A(A(x,A(\varepsilon),y),A(\varepsilon)))&lt;/math&gt;. Also ist &lt;math&gt;G_2&lt;/math&gt; mehrdeutig.<br /> <br /> == Erweiterung ==<br /> Eine Erweiterung der kontextfreien Grammatiken bilden '''stochastische''' kontextfreie Grammatiken (SCFG), auch bekannt als '''probabilistische''' kontextfreie Grammatiken (PCFG). Hier wird jeder Produktionsregel eine Auftrittswahrscheinlichkeit zugeordnet:<br /> &lt;math&gt;\rho\colon P\rightarrow\mathbb{R}^{\geq 0}&lt;/math&gt;, so dass für jedes &lt;math&gt;\alpha'\in N&lt;/math&gt; gerade &lt;math&gt;\sum_{\begin{smallmatrix}{\beta}\\(\alpha', \beta)\in P\end{smallmatrix}} \rho(\alpha', \beta) = 1&lt;/math&gt; ist.<br /> <br /> Diese Auftrittswahrscheinlichkeiten der einzelnen Regeln induzieren eine [[Wahrscheinlichkeitsverteilung]] auf der Menge der von der Grammatik erzeugten Wörter.<br /> <br /> Eine stochastisch kontextfreie Grammatik kann beispielsweise dazu verwendet werden, für ein Eingabewort den wahrscheinlichsten Parse in einer syntaktisch mehrdeutigen Grammatik zu berechnen. Ein anderer Anwendungsfall ist das stochastische Samplen von Ableitungsbäumen unter den gegebenen Regelwahrscheinlichkeiten einer mehrdeutigen Grammatik. Die von einer SCFG erzeugte Sprache ist genau so definiert wie die Sprache einer CFG. SCFGs werden z.&amp;nbsp;B. in der [[Bioinformatik]] und der [[Computerlinguistik]] eingesetzt.<br /> <br /> == Siehe auch ==<br /> * [[Backus-Naur-Form]]<br /> * [[Lineare Grammatik]]<br /> * [[Tree Adjoining Grammar]]<br /> <br /> == Literatur ==<br /> * {{Literatur |Autor=[[John E. Hopcroft]], [[Jeffrey D. Ullman]] |Titel=Introduction to automata theory, languages, and computation |Verlag=Addison-Wesley |Datum=1979 |ISBN=0-201-02988-X |Seiten=77 ff.}}<br /> * {{Literatur |Autor=Taylor L. Booth und Richard A. Thomson |Titel=Applying probability measures to abstract languages |Sammelwerk=IEEE Transactions on Computers |Band=C-22 |Nummer=5 |Datum=1973 |Seiten=442–450 |DOI=10.1109/T-C.1973.223746}}<br /> * {{Literatur |Autor=J. Baker |Hrsg=J. J. Wolf and D. H. Klatt |Titel=Trainable grammars for speech recognition |Sammelwerk=Speech communication papers presented at the 97th meeting of the Acoustical Society of America |Verlag=MIT |Ort=Cambridge, MA |Datum=1979-06 |Seiten=547–550 |Kommentar=JASA Vol. 65, issue S1, p. S132 ist nur der Abstract in einem Abstract-Band}}<br /> * {{Literatur |Autor=[[Uwe Schöning]] |Titel=Theoretische Informatik - kurzgefasst |Auflage=4 |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Berlin |Datum=2001 |ISBN=3-8274-1099-1 |Seiten=13, 51}}<br /> <br /> == Einzelnachweise ==<br /> &lt;references /&gt;<br /> <br /> [[Kategorie:Theorie formaler Sprachen]]</div> Apflu https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Apflu&diff=150666276 Benutzer:Apflu 2016-01-25T11:27:23Z <p>Apflu: </p> <hr /> <div>{{Userboxtop|toptext=Allgemein}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Gespräch}}<br /> {{User zh}}<br /> {{User en-3}}<br /> {{User de-2}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Computer}}<br /> {{Userboxbottom}}</div> Apflu https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Apflu&diff=150666169 Benutzer:Apflu 2016-01-25T11:24:32Z <p>Apflu: </p> <hr /> <div>{{Userboxtop|toptext=Allgemein}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Gespräch}}<br /> {{User zh}}<br /> {{User en-3}}<br /> {{User de-2}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Computer}}<br /> {{User Windows 7}}<br /> {{User dos}}<br /> {{User Google Chrome}}<br /> {{User resolution 1600x900}}<br /> {{User Telegram|@=apflu}}<br /> {{User bilibili}}<br /> {{User Anti baidu plagiarism}}<br /> {{User BaiduBaike ago}}<br /> {{User Moegirl}}<br /> {{User anti-baidu}}<br /> {{User Laptop}}<br /> {{Userboxbottom}}</div> Apflu https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Apflu&diff=150666143 Benutzer:Apflu 2016-01-25T11:23:42Z <p>Apflu: </p> <hr /> <div>{{Userboxtop|toptext=Allgemein}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Gespräch}}<br /> {{User zh}}<br /> {{User en-3}}<br /> {{User de-2}}<br /> {{Userboxbottom}}</div> Apflu https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Benutzer:Apflu&diff=150666117 Benutzer:Apflu 2016-01-25T11:23:10Z <p>Apflu: AZ: Die Seite wurde neu angelegt: {{Userboxtop|toptext=Allgemein}} {{Userboxbreak|toptext=Gespräch}} {{User Chinglish}} {{User zh}} {{U…</p> <hr /> <div>{{Userboxtop|toptext=Allgemein}}<br /> {{Userboxbreak|toptext=Gespräch}}<br /> {{User Chinglish}}<br /> {{User zh}}<br /> {{User zh-wenyan-3}}<br /> {{User en-3}}<br /> {{User de-2}}</div> Apflu https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Satire&diff=150665490 Satire 2016-01-25T11:04:35Z <p>Apflu: /* Gegenwart */ ein + -&gt; †</p> <hr /> <div>'''Satire''' ist in der älteren Bedeutung des Begriffs eine ''Spottdichtung'', die Zustände oder Missstände in sprachlich überspitzter und verspottender Form thematisiert. Im heutigen Sprachgebrauch versteht man darunter aber meist einen künstlerisch gestalteten [[Prosa]]text, in dem Personen, Ereignisse oder Zustände verspottet oder angeprangert werden. Historische Bezeichnungen sind auch ''Spottschrift'', ''Stachelschrift'' und ''[[Pasquill]]'' (gegen Personen gerichtete satirische Schmähschrift).<br /> <br /> Das Wort ''Satire'' entstammt dem [[latein]]ischen ''satira'', das wiederum aus ''satura lanx'' hervorgeht und ‚mit Früchten gefüllte Schale‘ bedeutet. Im übertragenen Sinn lässt es sich mit ‚bunt gemischtes Allerlei‘ übersetzen. In früherer Zeit&lt;!-- (von wann bis) wann in etwa?--&gt; wurde ''Satire'' fälschlicherweise auf ''[[Satyr]]'' zurückgeführt, daher die ältere Schreibweise ''Satyra''.&lt;ref&gt;Siehe im Anhang unter Mittelalter [[Udo Kindermann]] 1978.&lt;/ref&gt;<br /> [[Datei:Gillray-Tiddy-Doll.png|miniatur|hochkant=1.25|Satirische Zeichnung von 1806 zeigt [[Napoleon Bonaparte#Der Aufstieg des Kaiserreiches und die Neuordnung Europas|Napoleon als Bäcker seiner Verbündeten]] und [[Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord|Talleyrand]], der bereits neuen Teig knetet.]]<br /> [[Datei:Cruikshank - The Allied Bakers.png|miniatur|hochkant=1.25|Andere Rollenverteilung 1814, Napoleon wird von [[Gebhard Leberecht von Blücher|Blücher]] und Woronzeff in den „Backofen der Verbündeten“ geschoben.]]<br /> <br /> == Varianten ==<br /> Unter Satire kann man Folgendes verstehen:<br /> * die ''satirische Darstellungsweise'', die in verschiedensten medialen Formen (literarischer oder journalistischer Text – wie [[Gedicht]], [[Essay]] oder [[Roman]] –, [[Drama]], [[Comic|Zeichnung]], [[Kabarett]]&amp;shy;programm, [[Film]], Sendung im [[Fernsehen]] oder [[Hörfunk]], [[Website]] usw.) und in verschiedensten Darstellungsformen ([[Fake|gefälschte]] Nachricht, fiktives [[Interview]], fiktive [[Reportage]], [[Glosse]] etc.) auftritt;<br /> * eine [[Literatur|literarische]] [[Gattung (Literatur)|Gattung]] römischen Ursprungs; als solche sind ihre wichtigsten Untergattungen:<br /> # ''Menippeische Satire'' ([[Menippos von Gadara|Menippos]])<br /> # ''Verssatire'' (fragmentarisch bereits bei Ennius, Lucilius eigentlicher Schöpfer)<br /> # ''Ständesatire'' (Mittelalter)<br /> # ''[[Narrenliteratur]]'' (Renaissance)<br /> # ''[[Schelmenroman|Pikaresker Roman]]'' (Barock)<br /> # ''Literatursatire'' (Romantik)<br /> # ''Philistersatire'' oder ''Spießbürgersatire'' (Romantik)<br /> # ''Gelehrtensatire''<br /> # ''gesellschaftskritische und politische Satire'' (19. und 20. Jahrhundert)<br /> * ein einzelnes künstlerisches ''Werk'', das von der satirischen Schreibweise Gebrauch macht oder der Gattung angehört.<br /> Als ''Realsatire'' bezeichnet man einen Vorgang, der bereits bei neutraler, objektiver Beobachtung oder Beschreibung satirisch wirkt.<br /> <br /> == Satirische Schreibweise ==<br /> Es gibt annähernd so viele Bestimmungen der satirischen Schreibweise, wie es Satiriker gibt, und keine Bestimmung trifft auf die Gesamtheit der Satiren zu. Ihre Gegenstände, Mittel und Funktionen wandeln sich im Laufe der Geschichte. Es ist daher unmöglich, sie scharf von der [[Komik]], der [[Parodie]] und der [[Polemik]] zu trennen.<br /> <br /> Satire kann folgende Funktionen haben (nicht alle müssen im Einzelfall gleichermaßen gegeben sein):<br /> * [[Kritik]]: Nach [[Friedrich Schiller|Schiller]] stellt die Satire die mangelbehaftete Wirklichkeit einem Ideal gegenüber.&lt;ref&gt;Vgl. dazu: Friedrich Schiller: ''Satirische Dichtung.'' In: ''Über naive und sentimentalische Dichtung.'' (1795) Philosophische Schriften Teil 1; Nationalausgabe Band 20, Weimar/Böhlau, 1962.&lt;/ref&gt;<br /> * Polemik: Einseitigkeit, Parteilichkeit, [[Agitation]] bis hin zur [[Aggression]].<br /> * [[Didaktik]]: direkte oder indirekte Absicht zu belehren und zu bessern.<br /> * [[Populärkultur|Unterhaltung]]: Nähe zu Formen der Komik und zur Parodie, von denen sie sich durch die kritische Haltung unterscheidet<br /> <br /> Die Satire bedient sich häufig der Übertreibung ([[Hyperbel (Sprache)|Hyperbel]]), kontrastiert Widersprüche und Wertvorstellungen in übertriebener Weise ([[Bathos]]), verzerrt Sachverhalte, vergleicht sie spöttisch mit einem Idealzustand ([[Antiphrasis]]) und gibt ihren Gegenstand der Lächerlichkeit preis. Zu ihren Stilmitteln gehören Parodie, [[Travestie (Literatur)|Travestie]] und [[Persiflage]], zu ihren Tonfällen [[Ironie]], [[Spott]] und [[Sarkasmus]]. Insofern sich die Satire auf eine Idealvorstellung beruft, kann sie sich auch des [[Pathos]] bedienen.<br /> <br /> Eine wichtige Form der Satire ist der ''satirische Roman'', in der die Satire als [[fiktion]]ales [[Erzähltheorie|Narrativ]] auftritt. Sehr häufig ist hier die Form des [[Reisebericht]]s in der ersten Person oder einer Reisebeschreibung in der dritten Person, wobei die Hauptfigur oft sehr naiv erscheint (siehe [[Erzählperspektive]]). Es können entweder die naiven Erwartungen der Hauptfigur an die Welt mit der Wirklichkeit, die sie erlebt, kontrastiert werden, oder die von ihr bereiste Welt kann satirisch mit anderen Formen literarischer oder philosophischer Weltdarstellung kontrastieren.<br /> <br /> Satire tritt häufig als ''Mittel der Polemik'' auf. In öffentlichen [[Debatte]]n und im gelehrten [[Disput]] kann sie ein Mittel sein, einen Gegner bloßzustellen. Dabei greift sie nicht direkt mit Sachargumenten an, sondern geht den indirekten Weg der Kontrastierung, bei der dem Zuhörer oder Leser der Kontrast zwischen Wirklichkeit und Ideal augenfällig wird. In dieser Funktion ist sie Teil der Streitkunst ([[Eristik]]). Aggressionspotenzial und Gewaltnähe der Satire werden in der alteuropäischen Tradition durchgehend reflektiert.&lt;ref&gt;Christoph Deupmann: ''‚Furor satiricus‘. Verhandlungen über literarische Aggression im 17. und 18.&amp;nbsp;Jahrhundert.'' Niemeyer, Tübingen 2002, ISBN 3-484-18166-4.&lt;/ref&gt;<br /> <br /> == Geschichte ==<br /> === Antike ===<br /> ==== Menippeische Satire ====<br /> Älteste und zugleich langlebigste Untergattung der Satire ist die ''menippeische Satire''. Die [[Antike]] definierte sie zunächst rein formal durch die Kombination von [[Vers]]- und [[Prosa]]&amp;shy;dichtung ([[Prosimetrum]]). Nach dem römischen [[Polyhistor]] [[Marcus Terentius Varro]], der die prosimetrische Form (nicht den Inhalt) in die römische Literatur importierte, wird sie auch als ''varronische Satire'' bezeichnet.<br /> <br /> Ihr Namensgeber ist der [[Griechische Antike|griechische]] [[Kyniker]] [[Menippos von Gadara]] (3. Jahrhundert v. Chr.), von dem selbst keine Schriften erhalten sind. Er soll mit einer Mischung aus Ernst und Komik, aus Witz und Spott, in Dialogen und Parodien die kynische Kritik ([[Diatribe]]) in literarische Form gebracht haben.<br /> <br /> Die formale Freiheit der Menippea wurde bald umgedeutet zur inhaltlichen und stilistischen Freiheit. Äußere Formlosigkeit, freier Wechsel der Tonfälle und Perspektiven wurden für sie zu flexiblen Mitteln, durch Spott, Parodie und Ironie die Wahrheit zu sagen.<br /> <br /> Der Syrer [[Lukian von Samosata]] (2. Jahrhundert n. Chr.) war der erste Schriftsteller, der sich auf Menippos berief, als er satirische Werke in dieser freien Form verfasste. In seinen komischen ''Totengesprächen'', die eine heute verlorene Schrift des Menippos nachahmen, tritt dieser auch selbst als Figur auf. Ein klassisches Beispiel für die ''Menippea'' ist [[Seneca]]s ''[[Apocolocyntosis]]'' („Verkürbissung“), eine Schmährede auf den verstorbenen [[Claudius|Kaiser Claudius]], sowie auch [[Petron]]s ''[[Satyricon (Petron)|Satyricon]]''.<br /> <br /> In der [[Renaissance]] lebte die Menippea wieder auf. 1581 veröffentlichte der Humanist [[Justus Lipsius]] sein Werk ''Satyra Menippea: Somnium, sive lusus in nostri aevi criticos'', es war der erste Werktitel nach der Antike, der sich auf diesen Gattungsbegriff berief. 1594 entstand in Paris eine Gemeinschaftsarbeit von vier gebildeten Parisern, die unter dem Titel ''La Satire Ménippée'' die Herrschenden anprangerte (Lexika nennen diesen Titel noch bis 1750 unter diesem Stichwort). Weitere literarische Beispiele sind etwa [[François Rabelais]]' ''[[Gargantua und Pantagruel|Pantagruel]]'' (1532) und ''[[Gargantua und Pantagruel|Gargantua]]'' (1534), [[Johann Fischart]]s ''[[Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung|Geschichtsklitterung]]'' (1575/90), [[Laurence Sterne]]s ''[[Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman|Tristram Shandy]]'' (1759–67), ''Des Luftschiffers Gianozzo Seebuch'' von [[Jean Paul]] (im ''Titan'', 1800–03) oder die ''Wunderbare Geschichte von BOGS dem Uhrmacher'' (1807) von [[Clemens Brentano]] und [[Joseph Görres]].<br /> <br /> [[Northrop Frye]] schlug vor, die Menippea als ''literarische Großform'' neben anderen Formen der [[Prosa]] einzuordnen. [[Michail Michailowitsch Bachtin|Michail Bachtin]] (1987) sieht in ihr das kulturtragende Prinzip des [[Karneval]]s, das in den Volkskulturen Europas eine zentrale Rolle spielt und auch in der Literatur aufzufinden ist.<br /> <br /> ==== Lucilische, horazische, juvenalische Satire ====<br /> [[Datei:Satire (Orazio) - pag. 12.JPG|miniatur|links|&lt;center&gt;''Le Satire e l’epistole di Q. Orazio Flacco,'' gedruckt im Jahre 1814&lt;/center&gt;]]<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |<br /> '''Römische Antike'''<br /> * [[Gaius Lucilius|Lucilius]]<br /> * [[Horaz]]<br /> * [[Juvenal]]<br /> * [[Apuleius]]<br /> * [[Titus Petronius|Petron]]<br /> * [[Martial]]<br /> * [[Aulus Persius Flaccus|Persius]]<br /> * [[Lukian von Samosata|Lukian]]<br /> |}<br /> <br /> Die [[Römisches Reich|Römer]] führten die Satire auf die Spottverse des römischen Dichters [[Gaius Lucilius|Lucilius]] zurück. [[Quintilian]]s stolzer Satz: „Satura quidem tota nostra est“ („Die Satire freilich ist ganz unser“, ''Institutio Oratoria'' X, 1) belegt, wie bedeutsam den Römern diese literarische Gattung erschien: diese als einzige hatten sie nicht von den [[Griechische Antike|Griechen]] übernommen. Lucilius' Verssatiren markierten also im 2. Jahrhundert v. Chr. eine [[Emanzipation]] von der bis dahin griechisch geprägten Dichtkunst. Damit gemeint ist jedoch nur die ''Verssatire'' (in [[Daktylus|daktylischen]] [[Hexameter]]n), auch ''lucilische Satire'' genannt.<br /> <br /> Lucilius war ein Schriftsteller von Rang und finanzieller Unabhängigkeit; nur so konnte er es wagen, über Personen des öffentlichen Lebens Spott auszugießen. Viele seiner Spottdichtungen wurden ursprünglich einzeln publiziert, wenn sie sich auf tagespolitische Ereignisse bezogen. Sie verspotten in [[Epigramm]]en und [[Dialog]]en die römische Geschäftswelt und das Leben in Rom, die menschlichen [[Laster]], [[Aberglauben]] und Krankheiten, zeichnen in bissigem Ton Ehefrauen und Affären, und belehren über Sprache, [[Orthografie]] und Dichtkunst.<br /> <br /> [[Horaz]] berief sich auf Lucilius als Vorgänger, indem er seine Satiren wie dieser als ''Sermones'' betitelte und in strengen Hexametern abfasste. Sie erheben den philosophischen Anspruch, die Laster in der Welt zu nennen, die für den Unfrieden in der Welt verantwortlich sind: Habgier, Ehebruch, Aberglaube, Maßlosigkeit usw. Die Themen sind also ähnlich denen von Lucilius’ Satiren, doch weniger scharf im Ton; Horaz war wegen seiner weniger einflussreichen Position dazu gezwungen, die Schwächen des Menschen an sich selbst oder an verstorbenen Personen aufzuzeigen – oder an solchen, die ihm nicht gefährlich werden konnten.<br /> <br /> Stilistisch wird demnach zwischen der ''horazischen Satire'' (scherzhaft und komisch) und der ''juvenalischen Satire'' (strafend, pathetisch) unterschieden. Diese Gattungsbegriffe existierten bis weit ins späte 18. Jahrhundert und waren in der literarischen Praxis wie in der [[Literaturgeschichte]] gebräuchliche Unterscheidungen; selbst Friedrich Schiller unterschied noch zwischen der „lachenden“ und der „pathetischen“ Satire. Durch [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] folgenreiche Neueinteilung der Literatur in [[Epik]], [[Lyrik]] und [[Drama]] verloren die antiken Unterscheidungen für die Gegenwartsliteratur an Bedeutung.<br /> <br /> „Satura“ („Füllung“, „Gemisch“) war ursprünglich der Titel einer Gedichtsammlung von [[Ennius]], die aber selbst nicht satirischen Inhalts ist. Als „saturae“ werden bei [[Livius]] auch komödiantische Gesangs- und Tanzdarbietungen bezeichnet, die er auf die griechischen [[Satyrspiel]]e zurückführen wollte. Bezeichnete Lucilius selbst seine Satiren anfangs als „ludus ac sermones“ (Spiele und Schriftwerke, Dialoge), so standen in den ersten drei Jahrhunderten beide Begriffe nebeneinander, bis sich mit dem boshaften Schriftenzyklus aus 16 Satiren von [[Juvenal]] im 2. Jahrhundert n. Chr. die Bezeichnung „satura“ für ein literarisches Werk satirischen Inhalts endgültig durchsetzte.<br /> <br /> === Mittelalter ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;9&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |<br /> '''Ständesatire'''<br /> * [[Heinrich von Melk]]<br /> * [[Wernher der Gartenaere]]<br /> * [[Seifried Helbling]]<br /> * [[Walther von der Vogelweide]]<br /> * ''[[Des Teufels Netz]]'' (um 1400)<br /> <br /> '''Parodie'''<br /> * [[Neidhart]]<br /> * [[Heinrich Wittenwiler]]<br /> * [[Ulrich von Liechtenstein]]<br /> |}<br /> [[Datei:Meckenem hasen.jpg|links|400px|mini|Hasen rösten den Jäger am Spieß, Kupferstich von [[Israhel van Meckenem der Jüngere|Israhel van Meckenem]], 15. Jahrhundert]]<br /> Satiren des Mittelalters und des Humanismus waren tendenziell konservativ, von christlichen Werten und der Richtigkeit der [[Ständeordnung]] überzeugt. Weil sie die unaufhebbare Sündhaftigkeit des Menschen darstellen und auf Besserung hinwirken können, gehören sie zur christlichen [[Didaktik]].<br /> <br /> Im [[Mittelalter]] tritt Satire daher meist als ''Ständesatire'' auf. Ausgehend von der hierarchischen Feudalordnung kritisiert sie Verletzungen der Standespflichten und jede Art von Übertretung der von Gott geschaffenen Sozialordnung. Dazu zählt die Auflehnung der unteren Stände (Bauern), aber auch die Grausamkeit des [[Adel]]s oder die sündhafte Leichtlebigkeit der Geistlichen.<br /> <br /> Eine andere Form ist das Tierepos, etwa ''[[Reineke Fuchs]]'' (verschiedene Fassungen). [[Fabel|Tierfabel]] und [[Schwank]] wurden in ihm zu einem literarischen „Spiegel“ verschmolzen, der die moralische Verkommenheit der höfischen Welt mit dem höfischen Ideal vergleicht. Man kann das Tierepos auch als Parodie des höfischen [[Epos]] verstehen, dessen Helden diese Ideale verkörperten.<br /> &lt;div clear=&quot;all&quot; style=&quot;clear:both;&quot;&gt;&lt;/div&gt;<br /> <br /> === Humanismus und Renaissance ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot;|<br /> '''Narrenliteratur'''<br /> * [[Sebastian Brant]]<br /> * [[Erasmus von Rotterdam]]<br /> * [[Johann Geiler von Kaysersberg]]<br /> * [[Thomas Murner]]<br /> * [[Ulrich von Hutten]]<br /> <br /> '''Groteske'''<br /> * [[Johann Fischart]]<br /> * [[Rabelais]]<br /> <br /> '''Fastnachts- und Passionsspiele'''<br /> * [[Pamphilus Gengenbach]]<br /> * [[Niklaus Manuel]]<br /> * [[Hans Rosenplüt]]<br /> * [[Hans Folz]]<br /> * [[Thomas Naogeorg]]<br /> |}<br /> <br /> [[Datei:Narrenschiff02.png|miniatur|links|Illustration aus dem [[Das Narrenschiff (Brant)|Narrenschiff]]: ''Von vnnutzē buchern'' – über den, der viele Bücher besitzt und sie weder liest noch versteht, nur abstaubt]]<br /> <br /> Erst die Entwicklung des modernen [[Individualismus]] in der italienischen [[Renaissance]] brachte als Korrektiv die „moderne“ Satire hervor: der Witz wird zur Waffe. [[Jacob Burckhardt|Burckhardt]] bezeichnete das Italien des 15. Jahrhunderts als „eine Lästerschule (…), wie die Welt seitdem keine zweite mehr aufzuweisen gehabt hat“ (''Die Cultur der Renaissance'', 1860). Die Bandbreite der satirischen Schriften Italiens reichte von den [[Lustspiel]]en der [[Commedia dell’arte]] bis zum gelehrten [[Witz]], den ''facetiae'', die von [[Philologe]]n gesammelt und analysiert wurden.<br /> <br /> Die Parodie des Feierlichen und Erhabenen stand in hoher Blüte; der Witz etwa eines [[Teofilo Folengo]] oder eines [[Pietro Aretino]] war berüchtigt. Der vielseitige Aretino schrieb Komödien, die das aristokratische Leben in Rom verspotteten. In seinen fast 3000 ''Briefen'' und vermischten Schriften übt er seine Kunst, spontan – oft auch [[Opportunismus|opportunistisch]] – zu jedem beliebigen Gegenstand eine spitze Bemerkung zu formulieren, besonders gegen alles Pedantische und Pathetische.<br /> <br /> In Deutschland lag die Situation anders. Die Satiren des [[Humanismus]] gehören meist zur Gattung der [[Narrenliteratur]]. Fast bruchlos stehen [[Sebastian Brant]]s ''[[Das Narrenschiff (Brant)|Narrenschiff]]'' (1494) und [[Erasmus von Rotterdam]]s ''[[Lob der Torheit]]'' (1509) und ''[[Julius vor der verschlossenen Himmelstür]]'' (1514) in der Tradition des Mittelalters; sie sind hauptsächlich auf die humanistische Kritik von Sitten und Untugenden der Zeitgenossen gerichtet, die sie mit didaktischer Strenge zu verbessern trachten. Besonders das ''Narrenschiff'' fand in lateinischer Übersetzung&lt;ref&gt;Wahrscheinlich plante Brant, sein Werk selbst ins Lateinische zu übersetzen, übertrug diese Aufgabe dann aber seinem Schüler [[Jakob Locher]], dessen Arbeit unter dem Titel ''Stultifera Navis'' am 1. Juni 1497 in Straßburg erschien, gedruckt von [[Johannes Grüninger|Johann Grüninger]] – Quelle: [[Das Narrenschiff (Brant)]].&lt;/ref&gt; in ganz Europa Leser und Nachahmer.<br /> <br /> Die [[Volksbuch|Volksbücher]] ''[[Till Eulenspiegel]]'' (ca. 1510) und ''[[Schildbürger|Die Schiltbürger]]'' (1598) folgten einer anderen Tradition: der des [[Hofnarr]]en oder [[Schelm]]en, der Streiche spielt. Auf Bühnen und bei Volksfesten findet sich politischer Spott gegen Herrschende und Beherrschte in [[Fastnachtsspiel]]en und [[Burleske]]n. Auch einige satirische [[Passionsspiel]]e sind erhalten.<br /> <br /> === Reformation ===<br /> [[Datei:bapstesel.gif|miniatur|Papstkarikatur der Reformationszeit]]<br /> [[Datei:Teufels Dudelsack.gif|miniatur|links|Karikatur [[Martin Luther]]s aus der Reformationszeit]]<br /> <br /> Die [[Reformation]] entdeckte die Satire als publizistisches Mittel der polemischen [[Agitation]] im Streit um die christliche Lehre. Je nach religiöser Zugehörigkeit ihrer Autoren richteten sich die satirischen Streitschriften und Flugblätter gegen die [[Römisch-katholische Kirche|Katholische Kirche]] (Erasmus, [[Ulrich von Hutten]], [[Dunkelmännerbriefe]]) beziehungsweise gegen die Vertreter der Reformation ([[Thomas Murner]]). Dabei wurden sowohl die widerstreitenden Gruppen, als auch erstmals ihre individuellen Exponenten Ziel der satirischen Angriffe. Der Papst als Esel oder Drache, [[Johannes Eck]] als Schwein, Thomas Murner als Katze, oder der Theologe Lemp als bissiger Hund und dazu kontrastierend Luther als siebenköpfiges Ungeheuer ([[Hans Brosamer]]) oder des Teufels Dudelsack.<br /> <br /> Vielfach erfolgte im Rückgriff auf biblische Situationen eine aktualisierende Zuspitzung auf das Tagesgeschehen. Gestalten der [[Apokalypse]] versah man mit den päpstlichen Insignien, die [[Hure Babylon]] trägt die [[Tiara]], an Stelle von Babylon schildert die [[Septemberbibel]] das zugrunde gehende Sündenbabel Rom.<br /> <br /> Bildsatiren der Reformationszeit wurden in hoher Zahl und vielfältigen originellen und vor allem derb-volkstümlichen Exemplaren aufgelegt und verbreitet. Gleichwohl erfolgten die Veröffentlichungen der Karikaturen aus Gründen des Selbstschutzes häufig anonym. Berichtet wird von Haftstrafen für Zeichner, Drucker und Kolporteure für ihre „Schmähschriften“.<br /> <br /> In [[Bern]] waren es nicht Predigten sondern die antikatholischen Fastnachtsspiele von [[Niklaus Manuel]], die der Reformation zum Durchbruch verhalfen.<br /> &lt;div clear=&quot;all&quot; style=&quot;clear:both;&quot;&gt;&lt;/div&gt;<br /> <br /> === Barock ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |<br /> '''Barock'''<br /> <br /> * [[Johann Michael Moscherosch|J. M. Moscherosch]]<br /> * [[Abraham a Sancta Clara]]<br /> * [[Johann Lauremberg]]<br /> * [[Johann Balthasar Schupp|J. B. Schupp]]<br /> * [[Joachim Rachel]]<br /> * [[Johann Beer]]<br /> * [[Christian Weise]]<br /> * [[Friedrich Rudolf Ludwig von Canitz|F. von Canitz]]<br /> * [[John Donne]]<br /> * [[John Arbuthnot]]<br /> * [[Clément Marot]]<br /> * [[Joachim du Bellay]]<br /> * [[Pierre de Ronsard]]<br /> * [[Jean de La Fontaine]]<br /> * [[Molière]]<br /> * [[Francisco de Quevedo y Villegas|Quevedo]]<br /> <br /> '''Pikaresker Roman'''<br /> <br /> * [[Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen|Grimmelshausen]]<br /> * [[Andreas Gryphius]]<br /> * [[Christian Reuter (Schriftsteller)|Christian Reuter]]<br /> * [[Miguel de Cervantes]]<br /> <br /> '''Alamode-Satire'''<br /> <br /> * [[Friedrich von Logau]]<br /> * [[Johann Heinrich Schill]]<br /> * [[Gottfried Wilhelm Sacer]]<br /> |}<br /> <br /> Satiren dienten auch im [[Barock]] der Kritik an der [[Hof (Monarchie)|höfischen Welt]] und den Zeitgenossen, indem sie die Verkehrtheit der gegenwärtigen Welt pointiert herausstellten und mit dem Ideal christlicher Sitten, Ehrbarkeit und Tugend verglichen. Repräsentativ ist dafür [[Johann Michael Moscherosch|Moscheroschs]] Roman ''Wahrhafftige Gesichte Philanders von Sittewalt'' (1646), der die erstarrten Repräsentationsgesten des [[Adel]]s durch bittersten Hohn entlarven wollte. Man glaubte auch, mittels heiterer Schriften von [[Schlaflosigkeit]] und [[Melancholie]] heilen zu können, etwa durch humoristisch-satirische [[Kollektanee]]n wie die ''Curiösen Speculationen bey Schlaf-losen Nächten'' ([[Johann Georg Schmidt (Apotheker)|Johann Georg Schmidt]], 1707).<br /> <br /> [[Datei:Quijote-2.jpg|miniatur|links|Illustration von [[Grandville]] zu einer französischen [[Don Quijote|Don-Quijote]]-Ausgabe von 1848]]<br /> <br /> Zu den heute bekanntesten satirischen Romanen des Barock gehören [[Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen|Grimmelshausens]] herausragender ''[[Der abenteuerliche Simplicissimus|Simplicissimus Teutsch]]'' (1662) und [[Christian Reuter (Schriftsteller)|Christian Reuters]] ''Schelmuffsky'' (1696/97), die beide – auf jeweils sehr unterschiedliche Weise – der komisch-satirischen Tradition des [[Schelmenroman|Schelmenromans oder pikaresken Romans]] zugeordnet werden können. Auch [[Andreas Gryphius]]' Stück ''Horribilicribrifax'' (1663) gehört vom Ideengut in diese Aufzählung. Ihr aller Vorbild ist jedoch das monumentalste Werk der barocken Satire, [[Miguel de Cervantes|Cervantes’]] parodistischer Ritterroman ''[[Don Quijote]]'' (1605–1615). Gerade der ''Schelmuffsky'' entfaltet eine komische Höhe, die vielleicht erst wieder mit [[Gottfried August Bürger]]s Bearbeitung der Abenteuergeschichten des [[Baron Münchhausen]] (1786) erreicht wurde. Die Abenteuer des fluchenden und aufschneiderischen Schelmuffsky hatten jedoch zu Lebzeiten des Autors wenig Wirkung und wurden erst um 1800 von den deutschen [[Romantik]]ern wiederentdeckt.<br /> <br /> Ein wichtiges Phänomen ist auch die so genannte ''Alamode-Satire'' ([[Französische Sprache|frz.]] ''à la mode'' = modisch, neumodisch) oder ''Sprachsatire'': Viele Autoren – zu dieser Zeit meist Amtmänner, Geistliche oder Hofschreiber – waren Mitglieder der [[Patriotismus|patriotischen]] [[Sprachgesellschaft]]en. Deren selbstgesetztes Ziel war es, Literatur in deutscher Sprache zu fördern und den deutschen Wortschatz von Fremdwörtern zu reinigen. Mit polemischen Mitteln agitierte man daher gegen „Sprachverderber, welche die alte Teutsche Muttersprach, mit allerley frembden Wörtern vermischen, dass solche kaum halber kan erkant werden“ (''Klaglied'' von 1638). Solche Polemiken tragen Titel wie ''Deutsche Satyra wieder alle Verterber der deutschen Sprache'' ([[Johann Heinrich Schill]], 1643), oder ''Reime dich, oder ich fresse dich: das ist, deutlicher zu geben, Antipericatametanaparbeugedamphirribificationes Poeticae oder Schellen- und Scheltenswürdige Thorheit Boeotischer Poeten in Deutschland'' ([[Gottfried Wilhelm Sacer]], 1673). Ein weiterer bedeutender Satiriker der Zeit war [[Joachim Rachel]], der sich als „deutscher Juvenal“ außerordentlicher Popularität erfreute.<br /> <br /> Da ein beliebtes schriftstellerisches Genre die Abfassung von deutschsprachigen [[Rhetorik]]-Lehrbüchern war, kursierten auch satirisch gemeinte Anleitungen zur Redekunst „à la mode“. Im Zuge dieser kollektiven „Spracharbeit“ versuchte man auch die verdeutschten Bezeichnungen „Stachelschrift“ und „Stachelgedicht“ für satirische Schriften einzuführen; sie fanden jedoch wenig Verbreitung.<br /> &lt;div clear=&quot;all&quot; style=&quot;clear:both;&quot;&gt;&lt;/div&gt;<br /> <br /> === Aufklärung und Romantik ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |<br /> '''Aufklärung'''<br /> * [[Gottlieb Wilhelm Rabener]]<br /> * [[Christian Ludwig Liscow]]<br /> * [[Albrecht von Haller]]<br /> * [[Georg Christoph Lichtenberg|G.C. Lichtenberg]]<br /> * [[Christoph Martin Wieland]]<br /> * [[Johann Karl Wezel]]<br /> * [[Jonathan Swift]]<br /> * [[Joseph Addison]]<br /> * [[George Gordon Byron|Lord Byron]]<br /> * [[Daniel Defoe]]<br /> * [[Henry Fielding]]<br /> * [[John Gay]]<br /> * [[Alexander Pope]]<br /> * [[Laurence Sterne]]<br /> * [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Montesquieu]]<br /> * [[Voltaire]]<br /> * [[Denis Diderot]]<br /> <br /> '''Romantik'''<br /> * [[Jean Paul]]<br /> * [[Clemens Brentano]]<br /> * [[Ludwig Tieck]]<br /> * [[Joseph Görres]]<br /> * [[Ernst August Friedrich Klingemann|Bonaventura]]<br /> * [[Joseph von Eichendorff]]<br /> |}<br /> <br /> Im Zeitalter der [[Aufklärung]] florierte die Satire als didaktisches Mittel, mit der die philosophischen und pädagogischen Ziele der Aufklärung befördert werden sollten. Die Kritik der Mächtigen blieb jedoch lange Zeit ausgespart; sicher vor allem aus Furcht vor [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]]. Die Satiren [[Gottlieb Wilhelm Rabener]]s etwa blieben „menschenfreundliche“ Kritik von Verstößen gegen guten [[Geschmack (Kultur)|Geschmack]] und [[Sittlichkeit]].<br /> <br /> Zugleich entfaltete sich das [[Literaturtheorie|literaturtheoretische]] Interesse an der Satire. [[Johann Georg Sulzer]] etwa definierte die Satire nicht mehr über die Form, sondern über den Inhalt. Von ihr wird verlangt, dass sie Themen von ''sozialer Relevanz'' behandle, nämlich „jede im Verstand, Geschmack oder dem sittlichen Gefühl herrschende Unordnung“; damit gehört sie zu den wertvollen Mitteln, die der moralischen Besserung des Menschen dienen: „Der Endzweck der Satire ist dem Übel, das sie zum Inhalt gewählt hat, zu steuern, es zu verbannen, oder wenigstens sich dem weiteren Einreißen desselben zu widersetzen und die Menschen davon abzuschrecken.“ (''Allgemeine Theorie der schönen Künste'', 1771).<br /> <br /> Gerade die Satire der Spätaufklärung übte aber auch scharfe Kritik an den Idealvorstellungen der Aufklärung. In [[Johann Karl Wezel]]s satirischem Roman ''[[Belphegor (Wezel)|Belphegor]]'' ist es die Vorstellung, das Geschehen in der Welt folge einem rationalen Plan, die in aller Deutlichkeit widerlegt wird. Erfolg haben in Deutschland nun auch die Satiren von [[Jonathan Swift]], die frühaufklärerische Ideale kritisieren: So persifliert ''[[A Modest Proposal]]'' (1729) die Vorstellung, rationale Überlegungen könnten der Linderung menschlicher Not dienen; in ''[[Gullivers Reisen|Gulliver’s Travels]]'' (1726) bereist der Held einige Inseln, die Parodien auf gelehrte Theorien der Zeit darstellen.<br /> <br /> Zu den namhaftesten Satirikern der Spätaufklärung zählen [[Georg Christoph Lichtenberg]], der den kurzen, geschliffenen ''[[Aphorismus]]'' populär machte, und [[Jean Paul]], dessen gesamtes Werk eine Neigung zur Satire zeigt. In England blühte die Satire noch mehr als in Deutschland; ebenso in Frankreich bei den namhaftesten Aufklärern, etwa [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Montesquieu]] (''[[Persische Briefe]]'', 1721), [[Voltaire]] (''[[Candide oder der Optimismus|Candide]]'', 1759) und [[Denis Diderot]] (''Rameaus Neffe'', 1761–1776). Auch [[Friedrich Schiller|Schillers]] und [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] ''Xenien'' (1797) kann man zu den satirischen Schriften zählen; ihre spitzen ''[[Epigramm]]e'' zielten vor allem auf ihre Dichterkollegen und unmittelbaren publizistischen Gegner.<br /> <br /> Schiller war es auch, der die Satire in der Wertschätzung an den Rand der Dichtkunst rückte: „Streng genommen verträgt (…) der Zweck des Dichters weder den Ton der Strafe, noch den der Belustigung.“ (''Über naive und sentimentalische Dichtung: Satirische Dichtung''. 1795) Unter bestimmten Bedingungen könne satirische Dichtung dennoch gelten; abhängig jedoch von der moralischen Integrität ihrer Autoren: die „pathetische Satire“ müsse „aus einem glühenden Triebe für das Ideal hervorfließen“; die „lachende Satire“ könne nur einer „schönen Seele“ entspringen. In mittelmäßigen Händen würde die Satire zum Spott werden und ihre „poetische Würde“ verlieren – und demzufolge aus der „hohen Literatur“ ausgeschlossen werden.<br /> <br /> Zu den ''Literatursatiren'' der Romantik zählen [[Ludwig Tieck]]s Stücke ''[[Der gestiefelte Kater (Tieck)|Der gestiefelte Kater]]'' (1797), der „gleichsam auf dem Dache der dramatischen Kunst herumspaziert“ ([[Friedrich Schlegel]]) und ''[[Die Verkehrte Welt]]'' (1798), das „Schauspiel eines Schauspiels“ ([[August Wilhelm Schlegel]]). Schlegels Konzepte der ''[[Romantische Ironie|romantischen Ironie]]'' und der ''[[Transzendental|Transzendentale]] [[Universalpoesie]]'', die sich ironisch immer wieder selbst den Boden unter den Füßen wegzieht, kann im weitesten Sinne selbst zu den satirischen Schreibverfahren gezählt werden. Es ist jedoch zu beobachten, dass sich Theorie und literarische Praxis der Satire in der Romantik trennen – ihre produktivsten Theoretiker wie die Gebrüder Schlegel sind selbst literarisch wenig aktiv.<br /> <br /> In ''Philistersatiren'' wurden der brave [[Spießbürger]] und dessen geistige Vertreter („[[Philister (Ästhetik)|Philister]]“) veräppelt. Bei [[Clemens Brentano]] und [[Joseph Görres]], aber auch bei [[Joseph von Eichendorff]] finden sich Texte dieses Genres. Später auch ''Spießbürgersatire'' genannt, hat diese Form praktisch bis heute Bestand.<br /> &lt;div clear=&quot;all&quot; style=&quot;clear:both;&quot;&gt;&lt;/div&gt;<br /> <br /> === 1820–1945 ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |'''Literatur (19. Jahrhundert)'''<br /> * [[Heinrich Heine]]<br /> * [[Wilhelm Hauff]]<br /> * [[Georg Weerth]]<br /> * [[Wilhelm Busch]]<br /> * [[Karl Gutzkow]]<br /> * [[Robert Hamerling]]<br /> * [[Robert Prutz]]<br /> * [[Karl Immermann]]<br /> * [[Mark Twain]]<br /> * [[William Makepeace Thackeray|W. M. Thackeray]]<br /> * [[Ambrose Bierce]]<br /> <br /> '''Komödie'''<br /> * [[Christian Dietrich Grabbe|C.D. Grabbe]]<br /> * [[Arthur Schnitzler]]<br /> * [[Johann Nestroy]]<br /> * [[Oscar Wilde]]<br /> * [[George Bernard Shaw]]<br /> <br /> '''Zeitschriften'''<br /> * [[Le Charivari]]<br /> * [[Punch (Zeitschrift)|Punch]] (1841)<br /> * [[Kladderadatsch]] (1848)<br /> * [[Ulk]] (1872)<br /> * [[Fliegende Blätter]]<br /> * [[Nebelspalter]] (1875)<br /> * [[Der Wahre Jacob]] (1879)<br /> * [[Simplicissimus]] (1896)<br /> * [[Die Muskete]] (1905)<br /> <br /> '''Zeit der Weimarer Republik'''<br /> * [[Karl Kraus]]<br /> * [[Kurt Tucholsky]]<br /> * [[Erich Kästner]]<br /> * [[Gustav Meyrink]]<br /> * [[Joachim Ringelnatz]]<br /> * [[Heinrich Mann]]<br /> * [[Jaroslav Hašek]]<br /> * [[Karl Valentin]]<br /> * [[Liesl Karlstadt]]<br /> * [[Robert T. Odeman]]<br /> |}<br /> [[Datei:Editorial cartoon depicting Charles Darwin as an ape (1871).jpg|miniatur|links|[[Charles Darwin]] als Affe in einem [[Cartoon]] von 1871]]<br /> [[Datei:China1850.JPG|miniatur|links|''China modernisirt sich''. Satyrisches Bild Nr. 38, kolorierter Kupferstich der Wiener Theaterzeitung, um 1850]]<br /> [[Hegel]]s ''Vorlesungen über die Ästhetik'' (1835–1838) urteilten noch über die Gegenwart: „Heutigentags wollen keine Satiren mehr gelingen“. Das 19. Jahrhundert sollte ihn auf eine gewisse Art widerlegen.<br /> <br /> Aus der hohen Literatur verschwand die Satire zunächst in Deutschland zunehmend. Herausragend waren noch [[Karl Immermann]]s ''Epigonen'' (1836) und ''Münchhausen'' (1836–39), [[Robert Hamerling]]s ''Homunculus'' (1888). Auch [[Theodor Fontane|Fontanes]] ''[[Frau Jenny Treibel]]'' (1892) trägt satirische Züge. Satirische Schreibweisen finden sich außerdem bei [[Wilhelm Raabe]], [[Fritz Reuter]] und dem konservativen Schweizer [[Jeremias Gotthelf]]. Große literarische Satiren entstanden jedoch woanders: bei [[Mark Twain]] und [[Charles Dickens]], [[Ambrose Bierce]] (''Des Teufels Wörterbuch'') und [[Gustave Flaubert]] (''[[Bouvard und Pécuchet]]'', ''Wörterbuch der Gemeinplätze'').<br /> <br /> Dominiert wurde das 19. Jahrhundert aber vom Aufkommen der ''gesellschaftskritischen und politischen Satire''. Soziologisch kann man sie als Reaktion auf das Bestreben nach [[Parlamentarismus]] und [[Demokratie]] in ganz Europa und die Entstehung des ganzen Spektrums [[Politische Partei|politischer Parteien]] sehen. Ihre Pioniere waren [[Heinrich Heine]], [[Wilhelm Hauff]] und [[Georg Weerth]]. Heine attackierte im ''Atta Troll'' (1843) allegorisch die deutsche Politik des [[Vormärz]]. Seine „politische Dichtkunst“, wie er sie nannte, richtet sich auch in ''Deutschland, ein Wintermärchen'' (1844) pessimistisch gegen die preußische Hegemonie.<br /> <br /> Leichte ''[[Komödie|Theaterkomödien]]'' wurden um die Jahrhundertwende im deutschsprachigen Raum zum bevorzugten Medium des satirischen Witzes. Repräsentative Autoren waren die Österreicher [[Arthur Schnitzler]], [[Johann Nestroy]] und [[Hugo von Hofmannsthal]]. Auch der [[Naturalismus (Literatur)|Naturalismus]] hatte seine satirisch-sozialkritischen Dramen, etwa [[Gerhart Hauptmann]]s ''Biberpelz'' (1893) und [[Arno Holz]]' ''Blechschmiede'' (1902) sowie der wiederentdeckte Spätromantiker [[Christian Dietrich Grabbe]] mit seinem Lustspiel ''Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung'' (1827). Ab 1900 fasste dann das [[Kabarett]] im deutschsprachigen Raum Fuß. Kabarettistische Bühnenprogramme wurden in den Großstädten zur beliebten Abendunterhaltung und zum zentralen Medium für tagesaktuelle Kritik an Politik und Zeitumständen.<br /> <br /> Ab 1854 garantierte ein Bundesgesetz in Deutschland im Prinzip die [[Pressefreiheit]]. Klagen wegen „Pressevergehens“ und Gefängnisstrafen für Redakteure waren jedoch an der Tagesordnung. Wegen der neuen Freiheit und trotz der scharfen Überwachung durch die Staatsanwaltschaft wurden zahlreiche ''satirische Zeitschriften'' verschiedener politischer Richtungen gegründet. In England erschien seit 1841 der ''[[Punch (Zeitschrift)|Punch]]'', der sich in Anlehnung an den [[Paris]]er ''[[Le Charivari|Charivari]]'' auch „The London Charivari“ nannte. ''Punch'' und ''Charivari'' waren Vorbilder für eine ganze Anzahl deutschsprachiger satirischer Magazine. Im Jahr der [[Märzrevolution]] 1848 erschienen beispielsweise allein in Berlin rund 35 dieser zum großen Teil sehr kurzlebigen politischen „Witzblätter“. Dauerhaften Erfolg hatte unter anderen der bürgerlich-konservative ''[[Kladderadatsch]]''.<br /> <br /> Neue Formen der Satire entstanden vor allem in diesem flexiblen Medium der [[Zeitschrift]]. Zur literarischen Satire in ihren verschiedenen Formen gesellte sich das Bildmedium, die politische [[Karikatur]]. Eine Innovation war der [[Cartoon]], der in England entstand und durch meist unpolitische Themen gekennzeichnet war. Mit grafisch anspruchsvollen Zeichnungen und kurzen, pointierten Dialogen skizzierte er gesellschaftliche Peinlichkeiten und komische Situationen. Cartoons wurden bald auch in deutschen Zeitschriften populär; zu ihren Gestaltern gehörten die besten Grafiker des [[Jugendstil]]s.<br /> <br /> In der Zeit der [[Weimarer Republik]] von 1919 bis 1933 zählen [[Kurt Tucholsky]] und [[Erich Kästner]] (ab 1927) zu den großen Satirikern deutscher Sprache. „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“, beschrieb Tucholsky 1919 die Situation der Satire, die von Staat, Kirche und den konservativen Parteien bekämpft wurde. Der Wiener Kritiker [[Karl Kraus]], der mit seiner Zeitschrift ''[[Die Fackel]]'' (1899) ein eigenes öffentliches Forum für Kritik an Sprache, Gesellschaft und Journalismus schuf, ist bis heute einer der meistzitierten Satiriker.<br /> <br /> Nennenswert sind auch [[Heinrich Mann]]s gesellschaftskritische Romane ''[[Professor Unrat]]'' (1905) und ''[[Der Untertan]]'' (1919), [[Ödön von Horváth]]s ''Der ewige Spießer'' (1930) sowie die armeekritischen ''[[Der brave Soldat Schwejk|Abenteuer des braven Soldaten Schwejk]]'' (1920–23) des Tschechen [[Jaroslav Hašek]]. Gleichzeitig schufen [[Karl Valentin]] und [[Liesl Karlstadt]] ihre ersten Stummfilme und Bühnenprogramme.<br /> <br /> Der gesellschaftskritische [[Expressionismus]] brachte auch [[Bildende Kunst]] hervor, die stark satirische Züge trägt, etwa die überzeichneten, grotesken Gesellschaftsbilder von [[George Grosz]] und [[Otto Dix]].<br /> <br /> Nach 1933 wurden unter der Diktatur des [[Nationalsozialismus]] satirische Zeitschriften eingestellt, die Schriftsteller ins [[Exil]] gejagt. Viele satirische Werke wurden Opfer der [[Bücherverbrennung]]en und der [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]]. Manche Zeitschriften, etwa der [[Simplicissimus]], existierten weiter, wurden aber [[Gleichschaltung|gleichgeschaltet]] und mit regimetreuen Inhalten versehen.<br /> <br /> Auch die österreichische Satirezeitschrift ''[[Die Muskete]]'' existierte noch bis 1941. Nationalistische und antikommunistische Züge waren ihr nie fremd gewesen; dennoch wurde sie für den Nationalsozialismus, der seit 1938 auch in Österreich herrschte, vereinnahmt. Das Titelblatt der letzten Ausgabe von 1941 zierte ein rotwangiges Mädchen in Bauerntracht mit einem [[Deutscher Schäferhund|Deutschen Schäferhund]].<br /> <br /> In den [[USA]] konnten satirische Romane dagegen aufblühen: der immens gebildete [[Vladimir Nabokov]], der sarkastische [[Sinclair Lewis]] und der Reiseschriftsteller [[Evelyn Waugh]] gelten als herausragend.<br /> &lt;div clear=&quot;all&quot; style=&quot;clear:both;&quot;&gt;&lt;/div&gt;<br /> <br /> === Nach 1945 ===<br /> {| border=&quot;0&quot; align=&quot;right&quot; cellpadding=&quot;10&quot; cellspacing=&quot;0&quot; style=&quot;margin-left:10px&quot;<br /> |bgcolor=&quot;#dddddd&quot; |<br /> '''Seit 1945'''<br /> * [[Loriot]]<br /> * [[Ephraim Kishon]]<br /> <br /> '''Neue Frankfurter Schule'''<br /> * [[Robert Gernhardt]]<br /> * [[F. K. Waechter]]<br /> * [[Eckhard Henscheid]]<br /> * [[Chlodwig Poth]]<br /> * [[Bernd Eilert]]<br /> * [[Hans Traxler]]<br /> <br /> '''Zeitschriften'''<br /> * [[Eulenspiegel (Magazin)|Eulenspiegel]] (1954)<br /> * [[Pardon (Zeitschrift)|pardon]] (1962)<br /> * [[Titanic (Magazin)|Titanic]] (1979)<br /> * [[Watzmann (Magazin)|Watzmann]] (1982)<br /> * [[Der Postillon]] (2008)<br /> * LegalSatire &lt;ref&gt;http://legalcareers.de/satire_entries&lt;/ref&gt; (2014)<br /> |}<br /> <br /> Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] war es die sogenannte [[Neue Frankfurter Schule]], die die deutsche Satire entstaubte und zu neuen Höhen führte. Gemeinsames Forum war vor allem die Satirezeitschrift ''[[Pardon (Zeitschrift)|pardon]]'' (1962). Weil der Verleger den Kurs des Hefts änderte, gründeten ''pardon''-Mitarbeiter 1979 das Satireheft ''[[Titanic (Magazin)|Titanic]]'', das nach wie vor monatlich erscheint. Gerade die Geschichte der Titanic belegt, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland Satire nicht ''alles'' darf; mehrmals wurde die Titanic gerichtlich zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt.<br /> <br /> In der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] erschien ab 1954 das Magazin ''[[Eulenspiegel (Magazin)|Eulenspiegel]]'', das noch heute erscheint, sich jedoch seit der Wende stark gewandelt hat, vor allem auch stilistisch, und in vielen Aspekten der ''Titanic'' ähnelt.<br /> <br /> Erfolgreicher als die Neue Frankfurter Schule waren in Deutschland, gerechnet an den Verkaufszahlen, allerdings die bürgerlichen Satiren von [[Ephraim Kishon]] und [[Loriot]]. Romane mit satirischen Zügen stammen von u.&amp;nbsp;a. [[Wolfgang Koeppen]] (''Das Treibhaus'', 1953), [[Martin Walser]] (''Ehen in Philippsburg'', 1957), [[Günter Grass]] (''[[Die Blechtrommel]]'', 1959). Obwohl sie auch als Gesellschaftsporträts lesbar sind, tragen sie doch deutliche Züge der zugespitzten satirischen Weltdarstellung. Als literarische Gattung konnte sich der satirische Roman jedoch nicht wieder etablieren.<br /> <br /> In [[Österreich]] gab es mehrere (kurzlebige) Satiremagazine. In den 1950er Jahren war das die '' Leuchtkugel'', von 1982 bis 1985 der [[Watzmann (Magazin)|Watzmann]], zeitgleich der ''Luftballon'' und 1997 der ''Simplicissimus''. Seit 2009 der [[Rappelkopf (Zeitschrift)|Rappelkopf]].<br /> <br /> Wenn man von ''satirischen Bewegungen'' sprechen kann, trifft man diese vor allem in Frankreich an. Um 1900 erfand [[Alfred Jarry]] die parodistische Wissenschaft der [[Pataphysik]], die 1948 in der Gründung des [[Collège de ’Pataphysique]] wieder aufgenommen wurde. Auch den Kunstbewegungen des [[Surrealismus]], [[Dada]] und der [[Situationistische Internationale|Situationistischen Internationale]] können satirische Züge nachgewiesen werden, wenn man ihre ironisch-spielerischen und humorvollen Tendenzen hervorhebt.<br /> <br /> == Gegenwart ==<br /> Künstler, Presseprodukte, Autoren und Sendungen der Neuzeit, die schwerpunktmäßig der Satire zugeordnet werden können:<br /> <br /> &lt;!--Es wäre schön, wenn die Einträge einigermaßen zur oben stehenden Definition von Satire passen würden (Comedy und Parodie haben ihre eigenen Artikel). Bei satirischen Webseiten gilt: Wertvoller als ein einfacher Weblink ist ein Wikipedia-Artikel mit Zusatzinformationen, daher wird er bevorzugt. Danke für die Mithilfe!--&gt;<br /> {| class=&quot;wikitable&quot;<br /> ! Personen<br /> ! Presse<br /> ! Websites<br /> ! Sendungen<br /> |-<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> {| border=&quot;0&quot;<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> * [[F. W. Bernstein]]<br /> * [[Johannes Conrad (Satiriker)|Johannes Conrad]]&amp;nbsp;†<br /> * [[Wiglaf Droste]]<br /> * [[Helmut Eckl]]<br /> * [[Robert Gernhardt]]&amp;nbsp;†<br /> * [[Thomas Gsella]]<br /> * [[Max Goldt]]<br /> * [[Eckhard Henscheid]]<br /> * [[Gerhard Henschel]]<br /> * [[Thomas Hintner]]<br /> * [[Oliver Kalkofe]]<br /> * [[Ephraim Kishon]] &amp;nbsp;†<br /> * [[Dietrich Kittner]]&amp;nbsp;†<br /> * [[Tom Lehrer]]<br /> * [[Helmar Meinel]]<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> * [[Michael Moore]]<br /> * [[Erich Pawlu]]<br /> * Vicco von Bülow (Loriot) †<br /> * [[Volker Pispers]]<br /> * [[Georg Schramm]]<br /> * [[Gerhard Polt]]<br /> * [[Chlodwig Poth]]&amp;nbsp;†<br /> * [[Harald Schmidt]]<br /> * [[Oliver Maria Schmitt]]<br /> * [[Serdar Somuncu]]<br /> * [[Martin Sonneborn]]<br /> * [[Jon Stewart]]<br /> * [[F. K. Waechter]]&amp;nbsp;†<br /> * [[Dietmar Wischmeyer]]<br /> * [[Hans Zippert]]<br /> * [[Jan Böhmermann]]<br /> |}<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> * [[Charlie Hebdo]]<br /> * [[Eulenspiegel (Magazin)|Eulenspiegel]]<br /> * [[Helgoländer Vorbote]]<br /> * [[MAD-Magazin|MAD]]<br /> * [[Nebelspalter]]<br /> * [[Nie (Zeitschrift)|NIE]]<br /> * [[Pardon (Zeitschrift)|pardon]]<br /> * [[Rappelkopf (Zeitschrift)|Rappelkopf]]<br /> * [[Samowar (Zeitschrift)|Samowar]]<br /> * [[Die Tageszeitung#Satireseite „die wahrheit“|taz: „die wahrheit“]]<br /> * [[Titanic (Magazin)|Titanic]]<br /> * [[The Harvard Lampoon]]<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> * [[Raketa (Satiremagazin)|Raketa]]<br /> * [[The Onion]]<br /> * [[Fernsehkritik-TV]]<br /> * [[Der Postillon]]<br /> * [[Stupidedia]]<br /> * [[Die Tagespresse]]<br /> * [[Uncyclopedia]]<br /> * LegalSatire &lt;ref&gt;http://legalcareers.de/satire_entries&lt;/ref&gt;<br /> |valign=&quot;top&quot;|<br /> * außenspiegel ([[auslandsjournal]])<br /> * [[Die Anstalt]] ([[ZDF]])<br /> * [[Die Simpsons]]<br /> * [[Extra 3]] ([[NDR]])<br /> * [[Gerd Show]]<br /> * [[Giacobbo/Müller]] ([[SRF 1]])<br /> * [[Grünwald Freitagscomedy]] ([[Bayerischer Rundfunk|BR]])<br /> * Hallervordens Spott Light (1994-2003) (ARD)<br /> * [[heute-show]] (ZDF)<br /> * Hurra Deutschland (1989-1991) (ARD)<br /> * Kalkofes Mattscheibe Rekalked (Tele 5)<br /> * [[Mitternachtsspitzen (WDR)]]<br /> * Neo Magazin Royale (ZDFneo)<br /> * [[Neues aus der Anstalt]] (ZDF)<br /> * Olaf verbessert die Welt (ARD)<br /> * [[Quer (BR)]]<br /> * [[Salon Helga]] ([[Ö3]]/[[FM4]])<br /> * [[Satire Gipfel]] ([[ARD]])<br /> * Saturday Night Live (NBC)<br /> * Spottschau (1992) (ARD)<br /> * Switch Reloaded (Mediensatire) (Pro Sieben)<br /> * [[Scheibenwischer (Kabarett)|Scheibenwischer]] (ARD)<br /> * Schleichfernsehen (BR)<br /> * [[South Park]]<br /> * Spätschicht – Die Comedy Bühne (SWR)<br /> * [[Stenkelfeld]] (NDR)<br /> * [[The Daily Show]]<br /> * [[Toll!]] ([[Frontal21|Frontal21/ZDF]])<br /> * TV Total (Pro Sieben)<br /> * Walulis sieht fern (NDR)<br /> * [[Willkommen Österreich (Late-Night-Show)|Willkommen Österreich]] ([[ORF]])<br /> * [[Zugabe (Radiosendung)|Zugabe (WDR2)]]<br /> |}<br /> <br /> == Satire im Film ==<br /> Auch im Film ist die Satire relativ häufig präsent. Sie ist zwar kaum als eigenständiges Filmgenre zu betrachten, dennoch ist sie ein Bestandteil vieler Filme, welche Kritik, wie z.&amp;nbsp;B. auf die Gesellschaft, ausüben. [[Charlie Chaplin]] gehörte zu den ersten, die den [[Spielfilm]] als satirisches Medium ernstnahmen. Mit ''[[Moderne Zeiten]]'' (1936) und ''[[Der große Diktator]]'' (1940) schuf er satirische Meisterwerke; es waren zugleich seine ersten Filme, die direkt aktuelle politische Zustände angriffen. Weitere wichtige Vertreter der Filmsatire waren u.&amp;nbsp;a. [[Luis Buñuel]], [[Billy Wilder]], [[Stanley Kubrick]] und [[Robert Altman]].<br /> <br /> Filmbeispiele:<br /> * ''[[The Front Page (Film)|The Front Page]]'' (1931) (Satire auf Sensationspresse)<br /> * ''[[Es lebe die Freiheit]]'' (1931) (Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Mr. Deeds geht in die Stadt]]'' (1936) (Politsatire)<br /> * ''[[Die Spielregel]]'' (1939) (Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Citizen Kane]]'' (1941) (Gesellschafts- und Mediensatire)<br /> * ''[[Boulevard der Dämmerung]]'' (1950) (Hollywood-Satire)<br /> * ''[[Alles über Eva]]'' (1950) (Showbiz-Satire)<br /> * ''[[Reporter des Satans]]'' (1951) (Satire auf Sensationspresse)<br /> * ''[[Sirene in Blond]]'' (1957) (Mediensatire)<br /> * ''[[Das Appartement]]'' (1960) (Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben|Dr. Seltsam]]'' (1964) (Polit- und Gesellschaftssatire auf den Kalten Krieg)<br /> * ''[[Frühling für Hitler]]'' (1968) (Showbiz-Satire)<br /> * ''[[MASH (Film)|M*A*S*H]]'' (1970) (Koreakrieg-Satire)<br /> * ''[[Uhrwerk Orange (Film)|Uhrwerk Orange]]'' (1971) (Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Der diskrete Charme der Bourgeoisie]]'' (1972) (Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Network (Film)|Network]]'' (1976) (Mediensatire)<br /> * ''[[Das Leben des Brian]]'' (1979) (zielt auf absurden [[Dogma]]tismus [[Religion|religiöser]] und politischer Gruppen)<br /> * ''[[Brazil (1985)|Brazil]]'' (1985) (kritisch-humorvolle Auseinandersetzung mit dem Thema [[Polizeistaat]] in der Zukunft)<br /> * ''[[Schtonk!]]'' (1992) (deutscher Satirefilm auf die Veröffentlichung der gefälschten [[Adolf Hitler|Hitler]]-Tagebücher in der Hamburger Illustrierten Stern 1983.)<br /> * ''[[Hip Hop Hood]]'' (1996) (schwarzhumorige Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Wag the Dog]]'' (1997) (Politsatire)<br /> * ''[[Bulworth]]'' (1998) (Polit- und Mediensatire)<br /> * ''[[Die Truman Show]]'' (1998) (Satire auf die von Medien geprägte Welt)<br /> * ''[[Fight Club (Film)|Fight Club]]'' (1999) (brutale und schwarzhumorige Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[American Beauty (Film)|American Beauty]]'' (1999) (amüsant-anspruchsvolle Gesellschaftssatire)<br /> * ''[[Idiocracy]]'' (2006) (Gesellschaftssatire über die geistig degenerierte Gesellschaft, welche in der Zukunft kurz vor dem Ende steht.)<br /> * ''[[The Interview]]''<br /> <br /> == Satire und Justiz ==<br /> [[Datei:Simplicissimus Titel.jpg|miniatur|Kopfzeile der Satirezeitschrift [[Simplicissimus]] von 1906]]<br /> Die Geschichte der rechtlichen Einschränkung von Satire ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die [[Geschichte der Zensur]].<br /> <br /> Seit 1854 existiert in Deutschland ein [[Presserecht]], das im Prinzip die [[Pressefreiheit]] garantiert. Immer wieder wurde es durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt, zum Beispiel<br /> * durch das [[Sozialistengesetz]] von 1878 bis 1890,<br /> * durch die [[Lex Heinze]] ab 1900<br /> * und durch willkürliche konservative Rechtsprechung (siehe auch [[Richterrecht]])<br /> Diese betraf vor allem die Satirezeitschriften, die ab der Einführung des Presserechts wie Pilze aus dem Boden schossen. Jede ihrer Ausgaben wurde von der [[Staatsanwaltschaft]] auf Rechtsverstöße überprüft; Prozesse waren an der Tagesordnung. Üblich war bei den Zeitschriften deshalb ein [[Sitzredakteur]], der im Falle einer Anklage ins Gefängnis ging, damit die Redaktion weiterhin arbeitsfähig war.<br /> <br /> Während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurde die kritische politische Satire ganz aus der Öffentlichkeit verbannt (siehe auch [[Presse im Nationalsozialismus]]). Mittel dazu waren unter anderem das [[Schriftleitergesetz]] (verabschiedet am 4. Oktober 1933, in Kraft getreten am 1. Januar 1934), „Schwarze Listen“; außerdem wurden politisch Andersdenkende verfolgt, unter Druck gesetzt (Drohungen, z.&amp;nbsp;B. Androhung von Gewalt), verfolgt, kriminalisiert und ihrer Freiheit beraubt (durch Gefängnisstrafen oder indem sie außerhalb des normalen Rechtssystems in „[[Schutzhaft]]“ genommen wurden – siehe auch [[Konzentrationslager#1933 bis 1935]]). Nicht wenige wurden auch ermordet. Ein bekanntes Beispiel: [[Erich Mühsam]] (1878–1934), er veröffentlichte 1931 bis 1933 unter dem Pseudonym „Tobias“ politisch-satirische Beiträge für den Ulk (die Wochenbeilage des Berliner Tageblatts), wurde kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 von der [[Sturmabteilung|SA]] verhaftet und am 10. Juli 1934 im [[KZ Oranienburg]] nach über 16-monatiger „Schutzhaft“ von [[Schutzstaffel|SS]]-Männern ermordet.&lt;ref&gt;[http://www.stiftung-bg.de/kz-oranienburg/index.php?id=318 www.stiftung-bg.de]&lt;/ref&gt;<br /> <br /> === Situation in Deutschland seit 1949 ===<br /> Satire wird in der Bundesrepublik Deutschland durch die [[Meinungsfreiheit]] ({{Art.|5|gg|juris}} Abs.&amp;nbsp;1 [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|GG]]) und die [[Kunstfreiheit]] ({{Art.|5|gg|juris}} Abs.&amp;nbsp;3 GG) geschützt. Diese konkurrieren allerdings mit dem allgemeinen [[Persönlichkeitsrecht]] ({{Art.|2|gg|juris}} Abs.&amp;nbsp;1 i.V.m. {{Art.|1|gg|juris}} Abs.&amp;nbsp;1 GG), welches sichert, dass der Einzelne selbst darüber bestimmen darf, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt.<br /> <br /> Satire kann Kunst sein, ist es aber nicht notwendigerweise. Um durch die [[Kunstfreiheit]] geschützt zu sein, muss sie – rein rechtlich gesehen – eine schöpferische Gestaltung aufweisen, das heißt, als fiktive oder [[karikatur]]hafte Darstellung erkennbar sein. Ist diese nicht gegeben – oder wird sie vom Gericht nicht anerkannt –, greift das [[Persönlichkeitsrecht]].<br /> <br /> Vor Gericht müssen der ''Aussagekern'' einer Satire und seine ''künstlerische Einkleidung'' getrennt behandelt werden. Beide müssen daraufhin überprüft werden, ob sie das Persönlichkeitsrecht verletzen. Werden unwahre Aussagen nicht als fiktive oder karikaturhafte Darstellung erkennbar, ist die Meinungsfreiheit nicht geschützt; die Satire kann dann als „[[Schmähkritik]]“ und damit als [[Üble Nachrede (Deutschland)|üble Nachrede]] verstanden werden, bei der das Persönlichkeitsrecht greift. „Von einer Schmähkritik könne nur die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die [[Diffamierung]] der Person im Vordergrund stehe, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll“, so ein Urteil des [[Bundesgerichtshof]]s.&lt;ref&gt;[http://lexetius.com/1999,317 BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999], Az.&amp;nbsp;VI&amp;nbsp;ZR&amp;nbsp;51/99, Volltext.&lt;/ref&gt;<br /> <br /> Ein Urteil des [[Bundesverfassungsgericht]]s legte jüngst fest, dass auch satirische [[Fotomontage]]n dem Schutz der freien Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit unterliegen&lt;ref&gt;[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20050214_1bvr024004.html BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005], Az.&amp;nbsp;1&amp;nbsp;BvR&amp;nbsp;240/04, Volltext.&lt;/ref&gt; allerdings nur dann, wenn sie als fiktive oder karikaturhafte Darstellungen erkennbar sind.<br /> <br /> Sowohl gegen '' [[Eulenspiegel (Magazin)|Eulenspiegel]]'', ''[[Pardon (Zeitschrift)|pardon]]'' wie gegen ''[[Titanic (Magazin)|Titanic]]'' und den ''[[Nebelspalter]]'' wurden in der Vergangenheit zahlreiche Prozesse angestrengt. Besonders ''Titanic'' ist dafür berüchtigt, mit ihrer Satire an die Grenze des rechtlich Erlaubten zu gehen. Von 1979 bis 2001 wurden insgesamt 40 Gerichtsverfahren gegen ''Titanic'' angestrengt und 28 Ausgaben verboten; [[Schadenersatz]]&amp;shy;zahlungen und Gerichtskosten brachten das Heft teilweise an den Rand des Konkurses. Auch die ''[[Die tageszeitung|taz]]'' und ihr prominentester satirischer Autor [[Wiglaf Droste]] mussten sich häufig vor Gericht verteidigen.&lt;ref&gt;Zahlreiche Prozesse skizziert folgender Artikel: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14763851.html ''Absolut geschmacklos.''] In: ''Der Spiegel.'' Nr. 37 vom 13. September 1999.&lt;/ref&gt;<br /> <br /> Bei dem bis 2006 erschienenen Online-Satiremagazin ''[[ZYN!]]'' beschränkten sich die rechtlichen Schwierigkeiten auf [[Markenrecht|marken-]] und [[namensrecht]]liche Probleme. Firmen wie Opel beispielsweise verwahrten sich gegen eine Nennung ihrer Marke in einer Parodie des Nachrichtenmagazins [[Der Spiegel|SPIEGEL]] (SPIGGL). Eine Parodie der [[Bild (Zeitung)|Bild-Zeitung]] durch ein anderes Online-Satiremagazin führte hingegen zu einer [[Abmahnung]].<br /> &lt;!---- hier wäre ein Abschnitt<br /> Situation in anderen Ländern seit 1949<br /> logisch. Darin z.&amp;nbsp;B. Verweis auf die frz. Satirezeitschrift [[Charlie Hebdo]] u.&amp;nbsp;a. -----&gt;<br /> <br /> == Literatur ==<br /> '''Allgemein:'''<br /> <br /> * [[Burkhard Meyer-Sickendiek]]: Art. „Satire“, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 8: Rhet-St, hg. v. Gert Ueding, Tübingen 2007, Sp. 447–469.<br /> '''Satirische Schreibweise:'''<br /> * Michail Bachtin: ''Rabelais und seine Welt: Volkskultur als Gegenkultur.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-04708-6.<br /> '''Satire in der Musik:'''<br /> * {{OeML|Satire|Satire/satirisch|FC}}<br /> '''Antike:'''<br /> * Dietmar Korzeniewski (Hrsg.): ''Die römische Satire.'' Wege der Forschung. Bd 238. Wiss. Buchges., Darmstadt 1970, {{ISSN|0509-9609}}<br /> * [[Ulrich Knoche]]: ''Die römische Satire.'' Wissenschaftl. Ed.-Ges., Berlin 1949, Vandenhoeck Ruprecht, Goettingen 1982 (4. Aufl.), ISBN 3-525-25319-2.<br /> '''Mittelalter:'''<br /> * [[Udo Kindermann]]: ''Satiren des Mittelalters. Lateinisch und deutsch.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-26275-5.<br /> * [[Udo Kindermann]]: ''Satyra. Die Theorie der Satire im Mittellateinischen. Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte.'' Carl-Verlag, Nürnberg 1978, ISBN 3-418-00058-4.<br /> * Hellmut Rosenfeld: ''Die Entwicklung der Ständesatire im Mittelalter.'' In: ''Zeitschrift für deutsche Philologie.'' Schmidt, Berlin 71.1951/52, {{ISSN|0044-2496}}<br /> * Ulrich Gaier: ''Satire, Studien zu Neidhart, Wittenwiler, Brant und zur satirischen Schreibart.'' Niemeyer, Tübingen 1967, (ohne ISBN)<br /> * Peter Richter (Hrsg.): ''Parodie und Satire in der Literatur des Mittelalters.'' Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 1989, ISBN 3-86006-008-2.<br /> '''Humanismus und Renaissance:'''<br /> * Barbara Könneker: ''Satire im 16. Jahrhundert. Epoche – Werke – Wirkung.'' Beck, München 1991, ISBN 3-406-34760-6.<br /> * [[Georg Piltz]] (Hrsg.): ''Ein Sack voll Ablaß. Bildsatiren der Reformationszeit.'' Eulenspiegel, Berlin 1983, (ohne ISBN)<br /> '''Barock:'''<br /> * [[Herbert Jaumann]]: ''Satire zwischen Moral, Recht und Kritik: zur Auseinandersetzung um die Legitimität der Satire im 17. Jahrhundert'' In: ''[[Simpliciana]].'' Berlin/Bern/Wien 13.1991, 15, 27, {{ISSN}}<br /> * Stefan Trappen: ''Grimmelshausen und die menippeische Satire: eine Studie zu den historischen Voraussetzungen der Prosasatire im Barock''. Niemeyer, Tübingen 1994, ISBN 3-484-18132-X.<br /> '''Aufklärung und Romantik:'''<br /> * Johann Georg Sulzer: ''[http://www.textlog.de/2440.html Allgemeine Theorie der Schönen Künste.]'' Weidemann, Leipzig 1771, Directmedia Publ., Berlin 2002 (CD-ROM), ISBN 3-89853-167-8.<br /> * Friedrich Schiller: ''[http://gutenberg.spiegel.de/schiller/naivsent/naivsen3.htm Über naive und sentimentalische Dichtung. Satirische Dichtung].'' 1795, Ehlermann, Dresden 1897, Leipzig 1922, Hamburg 1947, Reclam, Stuttgart 1952, 2002, ISBN 3-15-018213-1.<br /> * Jean Paul: ''[http://gutenberg.spiegel.de/jeanpaul/vorschul/vors163.htm Vorschule der Ästhetik. §29. Unterschied der Satire und des Komischen.]'' 1804, Stuttgart/Tübingen 1813, Meiner, Hamburg 1990, ISBN 3-7873-0950-0.<br /> * Wolfgang Weiß: ''Die englische Satire,'' Wiss. Buchges., Darmstadt 1982, ISBN 3-534-08120-X.<br /> * Jürgen Jacobs: ''Prosa der Aufklärung. Moralische Wochenschriften, Autobiographie, Satire, Roman; Kommentar zu einer Epoche.'' Winkler, München 1976, ISBN 3-538-07022-9.<br /> * Uwe Japp: ''Die Komödie der Romantik. Typologie und Überblick.'' Niemeyer, Tübingen 1999, ISBN 3-484-32100-8.<br /> * Alexander Košenina: ''Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung.'' Wallstein, Göttingen 2003, ISBN 3-89244-531-1.<br /> '''1820–1945:'''<br /> * G. W. F. Hegel: ''[http://www.textlog.de/5987.html Vorlesungen über die Ästhetik.]'' Band 2: ''Die Satire.'' Duncker &amp; Humblot, Berlin 1835–1838. (Reclam, Stuttgart 1980, ISBN 3-15-007976-4)<br /> * Kurt Tucholsky: ''[[s:de:Was darf die Satire? (Tucholsky)|Was darf die Satire?]]'' In: ''Berliner Tageblatt.'' Mosse, Berlin 27. Januar 1919. <br /> * Hermann Haarmann: ''„Pleite glotzt euch an – restlos“. Satire in der Publizistik der Weimarer Republik, ein Handbuch.'' Westdt. Verlag, Wiesbaden 1999, ISBN 3-531-13295-4.<br /> * [[Ursula E. Koch]]: ''Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung; illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890''. Leske, Köln 1991, ISBN 3-921490-38-3.<br /> * Burkhard Meyer-Sickendiek: Was ist literarischer Sarkasmus? Ein Beitrag zur deutsch-jüdischen Moderne. Fink Verlag, Paderborn/München 2009, ISBN 978-3-7705-4411-0.<br /> * Patrick Merziger: ''Nationalsozialistische Satire und 'Deutscher Humor'. Politische Bedeutung und Öffentlichkeit populärer Unterhaltung 1931–1945.'' Steiner, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-515-09355-2.<br /> '''Nach 1945:'''<br /> * Helmut Arntzen (Hrsg.): ''Gegen-Zeitung. Deutsche Satire des 20. Jahrhunderts.'' Rothe, Heidelberg 1964.<br /> * Oliver Maria Schmitt: ''Die schärfsten Kritiker der Elche. Die Neue Frankfurter Schule in Wort und Strich und Bild.'' Fest, Berlin 2001, ISBN 3-8286-0109-X.<br /> * Frank Wilhelm: ''Literarische Satire in der SBZ, DDR 1945–1961. Autoren, institutionelle Rahmenbedingungen und kulturpolitische Leitlinien.'' Kovac, Hamburg 1998, ISBN 3-86064-709-1.<br /> * Sylvia Klötzer: ''Satire und Macht. Film, Zeitung, Kabarett in der DDR.'' Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-412-15005-3.<br /> '''Gegenwart:'''<br /> * Hans Peter Muster: ''Who’s who in satire and humour.'' Wiese, Basel 1989, ISBN 3-909158-50-1 (Verzeichnis von Cartoonisten, Karikaturisten, Presse-, Satire-, am Rande auch Comiczeichnern aus 32 Ländern)<br /> '''Satire und Recht:'''<br /> * Mischa Senn, Satire und Persönlichkeitsschutz, Bern 1998<br /> * Elmar Erhardt: ''Kunstfreiheit und Strafrecht. Zur Problematik satirischer Ehrverletzungen.'' Decker, Heidelberg 1998, ISBN 3-7685-1389-0.<br /> * Sebastian Gärtner: ''Was die Satire darf. Eine Gesamtbetrachtung zu den rechtlichen Grenzen einer Kunstform.'' Duncker &amp; Humblot, Berlin 2009, ISBN 978-3-428-12669-9.<br /> * Sabine Stuhlert: ''Die Behandlung der Parodie im Urheberrecht. Eine vergleichende Untersuchung von Parodien im Urheberrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika.'' Verlag C.H Beck, München 2002, ISBN 3-406-49786-1.<br /> * {{Literatur|Autor=Julia Wenmakers|Titel=Rechtliche Grenzen der neuen Formen von Satire im Fernsehen. Wo hört bei Stefan Raab und Harald Schmidt der Spaß auf?|Verlag=Verlag Dr. Kovac|Ort=Hamburg|Jahr=2009|ISBN=978-3-8300-4299-0}}<br /> <br /> == Weblinks ==<br /> &lt;!-- Bitte hier keine Weblinks zu Satireseiten einfügen, sondern nur Seiten, die weiterführende Infos über Satire bieten. Wenn du eine Satireseite kennst, die du für relevant genug hältst, um hier eingefügt zu werden, lege einen eigenen Wikipedia-Artikel für sie an und verlinke darauf. Vielen Dank für die Mithilfe! --&gt;<br /> {{Wiktionary}}<br /> {{Wikiquote}}<br /> {{Commonscat}}<br /> * [http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/wir_ueber_uns/wasdarfsatire100.html Was darf Satire?] – Definitionsversuch von [[Jesko Friedrich]] für [[Extra 3]], erschienen im [[ARD]]-Jahrbuch 2009<br /> * [http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/aufklaerung/schoenert_satirische_aufklaerung.pdf Jörg Schönert: Satirische Aufklärung. Konstellationen und Krise des satirischen Erzählens in der deutschen Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts] (PDF; 2,5&amp;nbsp;MB)<br /> * [https://www.academia.edu/7027086/Der_Wandel_der_Satire._Uber_die_Verscharfung_literarischer_Ironie_in_der_deutsch-judischen_Moderne_in_Weimarer_Beitrage._Zeitschrift_fur_Literaturwissenschaft_Asthetik_und_Kulturwissenschaften_4_2011_S._550-570 Burkhard Meyer-Sickendiek: Der Wandel der Satire in der deutsch-jüdischen Moderne]<br /> <br /> == Einzelnachweise ==<br /> &lt;references /&gt;<br /> <br /> {{Lesenswert|10. November 2005|10683205}}<br /> <br /> {{Normdaten|TYP=s|GND=4051752-4}}<br /> <br /> [[Kategorie:Satire| ]]<br /> [[Kategorie:Journalistische Darstellungsform]]<br /> [[Kategorie:Literarischer Begriff]]<br /> [[Kategorie:Kabarett]]</div> Apflu