https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=31.200.13.173Wikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-06-26T00:37:13ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.6https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vulkanische_Bombe&diff=215946246Vulkanische Bombe2021-09-28T00:02:12Z<p>31.200.13.173: /* Charakteristika */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Vulkanbomben.jpg|mini|Unterschiedliche Formen vulkanischer Bomben ausgestellt in [[Strohn]] (Vulkaneifel). Rechts oben: Eckig-gerundete [[Wurfschlacke]]n, d. h. [[pyroklastische Brekzie]]n.]]<br />
Eine '''vulkanische Bombe''' (früher: Auswürfling) ist ein bei einem [[Vulkanausbruch]] [[Wurfparabel|ballistisch]] herausgeschleuderter [[Pyroklast]] mit einem Durchmesser von mehr als [[Korngröße|64 mm]]. Er besitzt gerundete Formen; die äußere Form und die Oberfläche weisen Anzeichen dafür auf, dass der Pyroklast während der Entstehung und des Transports geschmolzen war. In der älteren Literatur gilt jeder auf einer ballistischen Bahn herausgeschleuderte Pyroklast als ''Bombe.'' In der neueren Literatur werden dagegen eckige Pyroklasten dieser Größenklasse als [[Vulkanischer Block|vulkanische Blöcke]] bezeichnet. Pyroklastische Gesteine, die zu mehr als 75 % aus vulkanischen Bomben bestehen, werden [[Vulkanisches Agglomerat|Vulkanische Agglomerate]] genannt.<br />
<br />
== Charakteristika ==<br />
[[Datei:Puu Oo - boulder Royal Gardens 1983.jpg|mini|Glühende Lavabombe bei [[Kīlauea]], [[Hawaii (Insel)|Hawaii]], [[USA]] in 1983.]]<br />
[[Datei:Bomba Gigantesca - Lanzarote.jpg|mini|Lavabombe in der Caldera Colorada, [[Lanzarote]], [[Kanarische Inseln]], [[Spanien]].]]<br />
[[Datei:Vulkanbombe strohn 20080722.jpg|mini|Vulkanische Bombe in [[Strohn]] mit einem Durchmesser von etwa 5 Metern und einem Gewicht von über 120 Tonnen.]]<br />
[[Datei:Crmo volcanic bomb 20070516123632.jpg|mini|Vulkanische Bombe vom ''Brotkrusten''-Typ im [[Craters of the Moon National Monument]], [[Idaho]], [[USA]].]]<br />
Vulkanische Bomben haben per Definition mehr als 64 mm Durchmesser, können jedoch auch mehrere Meter erreichen. Ihre Form ist meist ei- oder spindelförmig, da sie sich während des Fluges und der Erkaltung in der Luft um ihre eigene Achse drehen. Bei besonders gasreicher und zähflüssiger ([[kieselsäure]]reicher, „saurer“) Lava entstehen so genannte '''Brotkrustenbomben.''' Die durch die hohe Fördergeschwindigkeit abrupt in die Druck- und Temperaturverhältnisse der Erdoberfläche transportierte glutflüssige Lava gast während des ballistischen Fluges heftig aus. Dadurch vergrößern sich zum einen bereits im Material vorhandene Blasen, zum anderen entstehen weitere neue. Die durch das Aufblähen verursachten Spannungen lassen an der durch die rasche Abkühlung bereits im Flug erstarrten Oberfläche Risse entstehen, die den Lavabrocken das Erscheinungsbild eines Brotlaibes geben. <br />
<br />
Bedingt durch ihr verhältnismäßig hohes Gewicht fallen die Bomben in der näheren Umgebung des [[Vulkan]]s zu Boden und richten daher im Vergleich zu anderen vulkanischen Begleiterscheinungen verhältnismäßig wenig Schaden an.<br />
<br />
== Auftreten ==<br />
[[Datei:2011-07-09 gasometer 02.JPG|miniatur|Vulkanische Bombe, 350.000 Jahre alt, Vulkaneifel]]<br />
[[Datei:Vulkanbombeneinschlag.png|mini|Einschläge vulkanischer Bomben mit gut sichtbarer Verformung der Erdschichten nahe [[Boos (Eifel)|Boos]]/Vulkaneifel]]<br />
Vulkanische Bomben treten bei nahezu allen eruptiven Vulkanausbrüchen auf. Beispiel sind etwa die Vulkangebiete [[Island]]s oder die Vulkangebiete [[Italien]]s. Auf der italienischen Vulkaninsel [[Vulcano]] am Gipfel der ''Fossa'' können zum Beispiel Exemplare vulkanischer Bomben gefunden werden. Es handelt sich dabei um Auswürflinge der Eruptionsphase von 1888 bis 1890. Sie entstanden allerdings durch die Aufheizung [[viskos]] gewordener Bruchstücke älterer [[Vulkanite]].<br />
<br />
In Deutschland sind vulkanische Bomben zum Beispiel häufig in der Umgebung des [[Laacher See]]s sowie anderer Ausbruchszentren der [[Vulkaneifel]] anzutreffen. Ein besonders großes Exemplar einer vulkanischen Bombe ist in [[Strohn]] ausgestellt<ref>Sammlung geologischer Führer, Herausgeber Peter Rothe, Band 60, H. Wolfgang Wagner, Friederike Kremb-Wagner, Martin Koziol und Jörg F. W. Negendank, Trier und Umgebung, 3. Auflage, Gebr. Bornträger Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 2012, Seite 311, ISBN 978-3-443-15094-5.</ref> (s. Foto).<br />
<br />
== Sonstiges ==<br />
Grundlage der vor etwa 2500 bis 3000 Jahren nahe den [[Mexiko|mexikanischen]] Vulkanbergen der [[Sierra de los Tuxtlas]] entstandenen [[Olmeken]]köpfe sind wahrscheinlich vulkanische Bomben.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Volcanic bombs|Vulkanische Bombe}}<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Roger Walter Le Maitre (Hrsg.): ''Igneous rocks. IUGS classification and glossary; recommendations of the International Union of Geological Sciences, Subcommission on the Systematics of Igneous Rocks.'' 2. Aufl. Cambridge University Press, New York 2002, ISBN 0-521-66215-X, 236 S.<br />
* [[Hans Pichler (Mineraloge)|Hans Pichler]]: ''Italienische Vulkangebiete, Bd. 3: Lipari, Vulcano, Stromboli, Tyrrhenisches Meer'' (Sammlung geologischer Führer; Bd. 69). Gebr. Bornträger, Stuttgart 1981. ISBN 3-443-15028-4.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Pyroklastisches Gestein]]<br />
[[Kategorie:Sedimentation]]</div>31.200.13.173https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Marmarameer&diff=215909660Marmarameer2021-09-26T16:30:22Z<p>31.200.13.173: /* Einzelnachweise */Kategorie:Meer (Mittelmeer) ist in der Kategorie:Marmarameer vorhanden</p>
<hr />
<div>{{Positionskarte<br />
|Mittelmeer<br />
|caption = Lage des Marmarameeres {{Coordinate |NS=40/43/21/N |EW=28/13/29/E |type=waterbody |region=TR}}<br />
|float = right<br />
|width = 400<br />
|maptype = relief<br />
|label = Marmarameer<br />
|position = 4<br />
|mark = Blue pog.svg<br />
|lat = 40/43/21/N<br />
|long = 28/13/29/E<br />
|type = waterbody<br />
|elevation = 0<br />
|dim = 280000<br />
|region = TR<br />
}}<br />
<br />
[[Datei:Sea of Marmara map.png|miniatur|hochkant=1.2|rechts|Das Marmarameer]]<br />
[[Datei:Bosphorus aerial view.jpg|mini|Der [[Bosporus]], [[Istanbul]] und das Marmarameer im Hintergrund]]<br />
<br />
Das '''Marmarameer''' ([[Türkische Sprache|türkisch]] ''Marmara Denizi'', in der Antike ''Propontis'', veraltet ''Marmorameer'') ist ein [[Binnenmeer]] des [[Mittelmeer]]s. Über [[Bosporus]] und [[Dardanellen]] verbindet es das [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]] mit der [[Ägäisches Meer|Ägäis]]. Salzarmes Wasser strömt an der Oberfläche aus dem Schwarzen Meer durch das Marmarameer in das Mittelmeer. Die verkehrsgünstige Lage begünstigte die Entstehung der Millionenmetropole [[Istanbul]] am Nordufer.<br />
<br />
Das Marmarameer liegt zwischen [[Europa]] und [[Asien]] und hat eine europäische Nord- und eine asiatische Südküste. Es stellt somit einen Abschnitt der [[Eurasien|innereurasischen Grenze]] dar. Das Meer liegt auf der [[Nordanatolische Verwerfung|nordanatolischen Verwerfung]] und ist somit häufiger Schauplatz von Erdbeben und Tsunamis.<br />
<br />
Der reiche Fischgrund, in dem insbesondere [[Sardellen]] gefangen werden, leidet unter dem industriellen Kerngebiet am Nordufer des Meeres ebenso wie unter dem exzessiven Schiffsverkehr, den die zentrale Lage des Meeres hervorruft. Ebenso trug diese strategische Lage dazu bei, dass die Passage durch das Meer umkämpft war und ist, da das Meer gleichzeitig ein türkisches Binnenmeer ist, dessen Befahrung aber multilateralen Verträgen unterliegt.<br />
<br />
Die [[Marmarameer#Schleimplage|Schleimplage]] im Marmarameer hat für irreversible Schäden gesorgt. Durch die gräuliche Masse sind bereits 60 Prozent der Spezies verschwunden. <br />
<br />
== Namensherkunft ==<br />
Seinen Namen (Bedeutung: Marmormeer) hat dieses Meer von der darin liegenden [[Marmara-Insel]] (Marmorinsel; im Altertum ''Prokonnesos''), die 21 km lang und 10 km breit ist, etwa 130 km² umfasst und neben dem berühmten weißen [[Prokonnesischer Marmor|Marmor]] (daher der Name) besonders Wein, Getreide und Oliven liefert. In einigen anderen Sprachen wird es als „Marmormeer“ bezeichnet. <br />
<br />
== Geografie ==<br />
[[Datei:Istanbul - Marmara (by CherryX).jpg|miniatur|Ausgang des Bosporus ins Marmarameer in Istanbul]]<br />
=== Lage und Gestalt ===<br />
Das Meer ist von [[Gallipoli (Türkei)|Gelibolu]] bis [[İzmit]] 282&nbsp;km lang und 80&nbsp;km breit. Das Marmarameer bedeckt eine Fläche von 11.655&nbsp;km², davon entfallen 182&nbsp;km² auf Inseln, das Volumen beträgt 3378&nbsp;km³.<ref name="Ozturk">Bayram Ozturk: ''The Marmara Sea, A Link Between the Mediterranean Sea and the Black Sea.'' In: Erkki Leppäkoski u.&nbsp;a.: ''Invasive aquatic species of Europe: distribution, impacts, and management.'' Springer, 2002, ISBN 1-4020-0837-6, S. 337–340.</ref> Die Küstenlinie beträgt 928 Kilometer, das Meer ist komplett von der [[Marmararegion]] der Türkei umgeben.<br />
<br />
Die Wassertiefe beträgt in der Nähe der Küste meist nur 50 Meter und liegt an den tiefsten Stellen bei etwa 1355 Meter. Im Osten bildet es den [[Golf von İzmit]], im Südosten den [[Golf von Mudanya]]. Das Marmarameer ist durch die [[Dardanellen]] mit dem [[Ägäis|Ägäischen Meer]] verbunden sowie durch den [[Bosporus]] ''(Straße von Istanbul)'' mit dem [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]].<br />
<br />
Der Marmaragraben nimmt knapp die Hälfte der Meeresfläche ein und erreicht Tiefen von 1300 Meter. Ungefähr 57 % der Fläche bestehen aus flachen Schelfgebieten.<ref name="Altinok">Yıldız Altınok und andere: ''Historical tsunamis in the Sea of Marmara'' in: ITS 2001 Proceedings, Session 4, Number 4-2 {{Webarchiv |url=http://nthmp-history.pmel.noaa.gov/its2001/Separate_Papers/4-02_Altinok.pdf |text=PDF |wayback=20100720225315 |archiv-bot=}}</ref> Der Marmaragraben gliedert sich in drei große Becken, das [[Çınarcık-Becken]], das [[Zentralbecken]] und das [[Tekirdağ-Becken]]. Zwischen Çınarcık- und Zentralbecken liegt das kleinere Silivri-Becken. Die Becken sind durch komplexe Verwerfungen voneinander getrennt, die Tiefen von etwa 500 bis 700 Metern erreichen. Vom flacheren Meer trennen sie steile Abhänge.<ref name="Wille">Peter C. Wille: ''Sound images of the ocean in research and monitoring.'' Springer, 2005, ISBN 3-540-24122-1, S. 242–245.</ref><br />
<br />
In der südlichen Hälfte des Meeres befindet sich ein Schelf-Gebiet, das weniger als 100 Meter Wassertiefe erreicht. Auch dort gibt es mehrere Becken und Anhöhen, die jedoch größtenteils von Sedimenten aufgefüllt sind. Vermutlich tragen die Flüsse [[Biga Çayı]], [[Gönen Çayı]] und [[Nilüfer Çayı]], die von Süden aus in das Meer fließen, ausreichend Sedimente mit sich, um die Unregelmäßigkeiten des Bodens zuzudecken.<ref name="Barka59">Aykut Barka: ''Neotectonics of the Marmara Region.'' In: [[Conrad Schindler]] und andere: ''Active tectonics of northwestern Anatolia: the Marmara Poly-Project: a multidisciplinary approach by space-geodesy, geology, hydrogeology, geothermics and seismology.'' vdf Hochschulverlag AG, 1997, ISBN 3-7281-2425-7, S. 59–62.</ref><br />
<br />
=== Salzgehalt und Strömungen ===<br />
[[Datei:STS040-610-50.jpg|miniatur|Satellitenaufnahme des Meeres; die deutlich sichtbare Strömung aus dem Bosporus bestimmt die Oberflächenhydrografie des Meeres]]<br />
<br />
Die Wasserzirkulation im Marmarameer folgt demselben Muster wie die in allen türkischen Meerengen: An der Oberfläche fließt salzarmes Oberflächenwasser aus dem Schwarzen Meer nach Süden, da das Schwarze Meer über der [[Ägäisches Meer|Ägäis]] liegt. In tieferen Wasserschichten bestimmt der unterschiedliche Salzgehalt zwischen salzreicher Ägäis und dem salzarmen Schwarzen Meer den Wasserhaushalt, so dass Tiefenströmungen von der Ägäis durch das Marmarameer ins Schwarze Meer fließen.<ref name="Cocakar" /> Dabei fließen im Jahr etwa 587 km³ brackiges, leichtes Wasser aus dem Marmarameer in die Ägäis, in umgekehrter Richtung 381 km³ schweres salzreiches Wasser.<ref name="Jablonka86">Peter Jablonka: ''The Link Between the Black Sea and Mediterranean Since the End of the Last Ice Age: Archaeology and Geology.'' In: Günther A. Wagner: ''Troia and the troad: scientific approaches.'' Springer, 2003, ISBN 3-540-43711-8, S. 86.</ref><br />
<br />
Im Marmarameer lassen sich dementsprechend zwei Wasserschichten klar trennen, die von einer etwa acht bis zehn Meter breiten Übergangsschicht getrennt werden. An der Oberfläche bis in etwa 15 Meter Tiefe befindet sich Wasser aus dem Schwarzen Meer mit einer [[Salinität]] von etwa 18, wobei der Salzgehalt in Richtung Ägäis zunimmt. Die Schicht hat ein Volumen von etwa 230 km³ und erneuert sich komplett in vier bis fünf Monaten.<ref name="Ozturk" /> Die Schichten weisen untereinander kaum eine Verbindung auf, so dass die tiefe Schicht auf den Zufluss von sauerstoffreichem Wasser aus der Ägäis angewiesen ist. Nur aufgrund der Bedingungen im Marmarameer selbst würden in tieferen Wasserschichten dieselben [[anoxisch]]en Bedingungen auftreten wie in den tiefen Wasserschichten des Schwarzen Meers.<ref name="Özsoy27">Emin Özsoy: ''Current Understandings of Environmental and Water Resource Impacts in the Eastern Mediterranean.'' In: E. J. Moniz (Hrsg.): ''Climate Change and Energy Pathways for the Mediterranean.'' Springer, 2007, ISBN 978-1-4020-4858-6, S. 27.</ref><br />
<br />
In tieferen Schichten des Ägäiswassers liegt die Salinität bei 38. Besonders im Winter kommt es nahe den Mündungen aufgrund von Abkühlungs- und Sinkeffekten sowie Stürmen zu stärkeren Vermischungen, so dass der Salzgehalt nahe dem [[Bosporus]] in diesen Monaten auf 23 steigt.<ref name="Cocakar" /> Die tiefe Wasserschicht hat ein Volumen von 3378 km³ und benötigt sechs bis sieben Jahre, um sich einmal zu erneuern.<ref name="Ozturk" /><br />
<br />
Die hauptsächliche Oberflächenströmung verläuft im Uhrzeigersinn, sie wird vom hereinfließenden Wasser durch den Bosporus angetrieben. Varianzen über das Jahr ergeben sich durch verstärkte Bosporusströmung in den von der Schneeschmelze beeinflussten Frühlingsmonaten und von Stürmen in den Wintermonaten.<ref name="Cocakar" /><br />
<br />
Entstanden sind diese Strömungsverhältnisse und die besagte Wasserschichtung vor etwa 7000 Jahren.<ref>Frühere Untersuchungen gingen von 10.600, 9.500 und 7.000 Jahren aus (Thomas Reichel: ''Rekonstruktion der paläozeanographischen Entwicklung des Marmarameers anhand multipler Analyseverfahren'', Diss., FU Berlin 2004, S. 15 f. und S. 99).</ref><br />
<br />
=== Klima ===<br />
Das Klima über dem Marmarameer widerspiegelt die mittlere Lage zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer. Obwohl generell ein [[Mittelmeerklima]] herrscht, ist die Trockenheit im Sommer im Vergleich abgemildert. Die Regenmenge liegt im Sommer bei etwa 40 Millimeter/Monat im Nordosten und bei 10 mm/Monat in der Gegend der Dardanellen. Im Winter regnet es im Schnitt etwa 10 bis 15 Tage im Monat, dabei fallen um die 120 mm Niederschlag. Im Norden des Meeres kann im Januar und Februar der größere Teil des Niederschlags als Schnee niedergehen. In den Wintermonaten können die Temperaturen im Norden des Meeres unter null Grad sinken, bleiben aber nur selten über den ganzen Tag bei diesem Wert. Nebel kommt im Winter an etwa ein bis zwei Tagen im Monat vor, ein lokales Hoch liegt an der Südküste, wo sich der langjährige Schnitt bis zu vier Regentagen aufschwingt.<ref>Griffes: ''North Atlantic, Baltic Sea, North Sea and Mediterranean Sea.'' ProStar Publications, ISBN 1-57785-877-8, S. 336–340.</ref><br />
<br />
Im Marmarameer herrschen nordöstliche Winde vor (etwa 60 %), gefolgt von südöstlichen mit 20 %. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit beträgt vier Meter pro Sekunde. Starkwindereignisse mit Windgeschwindigkeiten zwischen 8 und 25 m/s bei mehr als 16 Stunden Dauer kommen vor allem in den Wintermonaten in der Nähe des Bosporus vor.<ref name="Cocakar" /> Die nordöstlichen Sommerwinde sind dabei auf der europäischen Nordseite deutlich ausgeprägter als auf der Südseite, dort bieten zudem die zahlreichen Inseln Schutz vor dem Wetter.<ref name="Malkin26" /><br />
<br />
=== Küste und Städte ===<br />
[[Datei:Ferry at the Gulf of Izmit.jpg|miniatur|Fähre vor İzmit an der Ostküste]]<br />
<br />
Während die Südostküste durch Gebirge und den Zufluss mehrerer großer Flüsse in das Marmarameer gekennzeichnet ist, ist die Nordküste wesentlich flacher, die [[Thrakische Ebene]] setzt sich zumindest in Teilen bis an das Marmarameer fort.<ref name="Barka59" /> In der Küstenzone des Marmarameers, insbesondere an der Nordküste befindet sich das wirtschaftlich-industrielle Zentrum der Türkei.<ref name="Bölü107">Deniz Bölükbaşı: ''Turkey and Greece: the Aegean disputes: a unique case in international law.'' Routledge Cavendish, 2004, ISBN 1-85941-953-4, S. 107–109.</ref> Im Bereich der Marmaraküsten lebt ein Viertel der türkischen Bevölkerung.<ref name="Schramm427" /><br />
<br />
Die gesamte Küstenregion des Marmarameeres ist städtisch geprägt, Häfen und Industrieanlagen finden sich entlang der gesamten Küstenregion. Die städtische Verdichtung erreicht ihren Höhepunkt insbesondere im Nordosten zwischen [[Bursa]] und vor allem Istanbul.<ref name="Cities">Stanley D. Brunn und andere: ''Cities of the world: world regional urban development.'' Rowman & Littlefield, 2003, ISBN 0-8476-9898-X, S. 264.</ref> Neben Istanbul und Bursa gibt es noch drei größere und wichtige Städte: [[İzmit]], [[Bandırma]], [[Tekirdağ]].<br />
<br />
Beherrschende Stadt am Marmarameer ist die 13-Millionen-Einwohner-Metropole Istanbul, die beiderseits der Mündung des Bosporus in das Marmarameer liegt. Sie geht auf die beiden Städte [[Chalkedon|Chalcedon]], gegründet 688 v.&nbsp;Chr., auf der asiatischen Küstenseite und [[Byzantinisches Reich|Byzanz]], gegründet 671 v.&nbsp;Chr., auf der europäischen Seite der Mündung zurück.<ref name="Malkin26" /> Während der Hafen von [[Konstantinopel]] ursprünglich am [[Goldenes Horn (Türkei)|Goldenen Horn]] im Bosporus lag, stellte sich mit dem Aufstieg der Stadt heraus, dass dieser von Süden nur schwer zu erreichen war, bald folgten große künstliche Hafenbecken am Marmarameer.<ref name="McC86">Michael McCormick: ''Origins of the European economy: communications and commerce, A.D. 300-900.'' Cambridge University Press, 2001, ISBN 0-521-66102-1, S. 86.</ref><br />
<br />
=== Inseln ===<br />
Die Inseln im Marmarameer liegen vor allem auf der südlichen, asiatischen Seite, auf der das Schelfgebiet deutlich breiter ist. Dort liegt die Gruppen der [[Marmarainseln]] und die nahe gelegene Halbinsel [[Kapıdağ]], die Molainsel und [[İmralı]]. Die [[Prinzeninseln (Istanbul)|Prinzeninseln]] liegen zwar auf der asiatischen Seite des Meeres, aber nördlich des Marmaragrabens.<ref name="Malkin26">Irad Malkin, Robert L. Hohlfelder: ''Mediterranean cities: historical perspectives.'' Routledge, 1988, ISBN 0-7146-3353-4, S. 26–33.</ref> Die Marmarainseln liegen im südwestlichen Teil des Marmarameeres. Vier der sieben Inseln sind bewohnt: [[Marmara-Insel]], [[Avşa]], [[Paşalimanı]] und [[Ekinlik]], besonders Avşa ist durch den Fremdenverkehr geprägt.<br />
<br />
== Geologie ==<br />
=== Entstehung des Marmarameers ===<br />
[[Datei:Mediterranean Rupelian.jpg|miniatur|Annäherung an Tethys/Mittelmeer und [[Paratethys]] zur Zeit ihrer Trennung vor etwa 33 Millionen Jahren]]<br />
<br />
Die genaue Entstehung des Marmarabeckens und seine Verbindungen zu Mittelmeer und Schwarzem Meer sind nicht abschließend geklärt. Das Mittelmeer ist ein Rest des Urozeans [[Tethys (Ozean)|Tethys]]. Davon trennten die sich auffaltenden Gebirge im Süden Europas ([[Pyrenäen]], [[Alpen]], [[Karpaten]], [[Dinarisches Gebirge]], [[Taurusgebirge]]) den Randozean die längste Zeit von Land eingeschlossene [[Paratethys]] ab, deren Reste Schwarzes Meer sowie [[Kaspisches Meer]] und [[Aralsee]] sind. Das Gebiet der Marmarasee gehörte ursprünglich zur Gebirgskette, die Mittelmeer und Paratethys voneinander trennte.<ref name="Görür251">Naci Görür und andere: ''Neogene Parathetyan succession in Turkey and its implications for the palaeogeography of the Eastern Parathetys.'' In: Erdin Bozkurt und andere: ''Tectonics and magmatism in Turkey and the surrounding area.'' Geological Society, 2000, ISBN 1-86239-064-9, S. 251–253.</ref><br />
<br />
Vor etwa sechs Millionen Jahren begann sich das Meer durch die Aktivitäten der anatolischen Platte und die Bildung des Marmaragrabens auszuprägen, bereits zu dieser Zeit war sie zumindest zeitweilig mit der Parathetys und dem Mittelmeer verbunden. Fossilien, die einige Millionen Jahre jünger sind, deuten wiederum darauf hin, dass vor drei Millionen Jahren kein Kontakt zwischen Mittelmeer und Marmarameer bestand, so dass es wieder zu einer Erhöhung in der Region gekommen sein muss.<ref name="Görür264">Naci Görür und andere: ''Neogene Parathetyan succession in Turkey and its implications for the palaeogeography of the Eastern Parathetys.'' In: Erdin Bozkurt und andere: ''Tectonics and magmatism in Turkey and the surrounding area.'' Geological Society, 2000, ISBN 1-86239-064-9, S. 264–266.</ref><br />
<br />
Unter Wissenschaftlern besteht ebenso kein Konsens, wie sich die Verbindung zum Schwarzen Meer in den letzten Jahrtausenden gestaltete. Die traditionelle und am weitesten akzeptierte Theorie besagt, dass das Marmarameer schon etwa 8200 v.&nbsp;Chr. die Wasserhöhe erreichte, um über den Bosporus zu fließen, und dass sich die Verhältnisse in den letzten Jahrtausenden nicht weiter änderten. Die 1998 veröffentlichte [[Sintflut]]-These von [[William Ryan (Geologe)|William Ryan]] und [[Walter Pitmann]] dagegen beinhaltet, dass sich die Verbindung erst ca. 5500 v.&nbsp;Chr. bildete, wobei das mehrere hundert Meter tiefer liegende Schwarze Meer katastrophenartig überschwemmt wurde. Eine andere Verbindung zwischen Marmarameer und Schwarzem Meer als über den Bosporus, beispielsweise über den Golf von İzmit, [[Sapanca Gölü]] oder das Tal des [[Sakarya (Fluss)|Sakarya]] ist ebenfalls möglich.<ref name="Jablonka77" /> Dass das Marmarameer seit etwa 11000 v.&nbsp;Chr. mit der Ägäis verbunden war, ist hingegen unstrittig, da die Dardanellen deutlich tiefer sind als der Bosporus.<ref name="Jablonka86" /><br />
<br />
=== Die Nordanatolische Verwerfung ===<br />
Durch das Marmarameer verläuft die Verlängerung der [[Nordanatolische Verwerfung|Nordanatolischen Verwerfung]], die sich durch die Dardanellen in der nördlichen Ägäis fortsetzt. Bei dieser [[Transformstörung]] laufen die [[Eurasische Platte|Eurasische]] und die [[Afrikanische Platte]] gegeneinander. Vermutlich hat sich die Anatolische Platte von der Afrikanischen Platte abgespalten. Geschoben durch die Arabische Platte im Osten bewegt und beeinflusst von der Afrikanischen Platte, die sich unter die Anatolische Platte schiebt, bewegt sich die Anatolische Platte beim Marmarameer etwa 25 mm im Jahr nach Westen. An der Ägäis [[Subduktion|schiebt sie sich]] unter die Eurasische Platte. Diese Konstellation löst immer wieder schwere Erdbeben aus.<ref name="Wille" /><br />
<br />
Die Nordanatolische Verwerfung (''NAF'' – ''North Anatolian Fault'') spaltet sich auf etwa 31 Grad östlicher Länge in drei Hauptarme, von denen zwei durch das Marmarameer laufen. Der mittlere Hauptarm verläuft entlang der Südküste des Meeres, der nördliche Arm durch den [[Marmaragraben]]. Besonders der nördliche Arm hat zahlreiche Seitenarme, und ist der seismisch aktivste der drei Arme. Er ist insbesondere für schwere Erdbeben verantwortlich, die Istanbul treffen. Das letzte davon ereignete sich [[1509]].<ref name="Barka55">Aykut Barka: ''Neotectonics of the Marmara Region.'' In: Conrad Schindler und andere: ''Active tectonics of northwestern Anatolia: the Marmara Poly-Project: a multidisciplinary approach by space-geodesy, geology, hydrogeology, geothermics and seismology.'' vdf Hochschulverlag AG, 1997, ISBN 3-7281-2425-7, S. 55–58.</ref><br />
<br />
Während die nordanatolische Verwerfung über den größten Teil der Strecke eine vergleichsweise simple Linie ist, nimmt die Verwerfung am Boden des Marmarameers mehrere Kilometer Breite ein.<ref name="Taymaz">Tuncay Taymaz und andere: ''Active Tectonics of Turkey and Surroundings and Seismic Risk in the Marmara Sea Region.'' The Proceedings of IWAM04, Mizunami, Japan</ref> Lange Zeit war umstritten, ob sich dort die Nordanatolische Verwerfung fortsetzt oder sich im Marmarameer und der Ägäis eine Übergangszone befindet, ebenso wie Zahl und Struktur der Verwerfungen am Meeresgrund unsicher waren. Mittlerweile sind die Messtechniken wesentlich ausgereifter. Die Geologie interpretiert die Becken als auseinandergezogene Strukturen eines NAF-Arms.<ref name="Barka55" /><br />
<br />
=== Erdbeben ===<br />
[[Datei:Historic-izmit.jpg|mini|hochkant=1.5|Sukzessive Erdbeben entlang der Nordanatolischen Verwerfung. Seit [[Erdbeben von Erzincan 1939|1939]] ziehen sich Erdbeben immer weiter nach Westen Richtung Marmarameer. Das letzte, das [[Erdbeben von Gölcük 1999]] am Golf von İzmit, ist hier noch nicht verzeichnet.]]<br />
<br />
Historische Aufzeichnungen sprechen seit 1300 v.&nbsp;Chr. von 300 Erdbeben und vierzig schweren [[Tsunami]]s im Marmarameer, die meisten davon im Golf von İzmit. Der letzte ereignete sich am 17. August 1999, erreichte an der Nordküste des Golfs eine Höhe von 2,50 Metern und wurde durch das [[Erdbeben von Gölcük]] am Nordarm der Nordanatolischen Verwerfung ausgelöst.<ref name="Altinok" /> In den letzten 100 Jahren lässt sich zudem beobachten, dass sich eine Reihe schwerer Erdbeben entlang der Nordanatolischen Verwerfung nach Westen zieht, von denen das Erdbeben von Gölcük mit einer Stärke von 7,4 auf der [[Richterskala]] das bisher letzte war.<br />
<br />
Geologen gehen mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 30–70 % davon aus, dass bis 2030 ein schweres Erdbeben mit einer [[Magnitude (Erdbeben)|Magnitude]] von mehr als 7 im Marmarameer stattfinden wird, vermutlich nicht weit von Istanbul entfernt.<ref name="Muller">Jordan R. Muller und andere: ''Using an elastic dislocation model to investigate static Coulomb stress change scenarios for earthquake ruptures in the eastern Marmara Sea region, Turkey.'' In: S. J. H. Buiter und G. Schreurs (Hrsg.): ''Analogue and Numerical Modelling of Crustal-Scale Processes.'' Geological Society, London 2006, S. 399.</ref> Risikoberechnungen gehen bei einem möglichen Erdbeben stärkster Magnitude von etwa 40.000 Toten und über einer Million Obdachloser in Istanbul aus. An der Ostküste sind [[Bursa]], [[Kocaeli (Provinz)|Kocaeli]] und [[Sakarya]] gefährdet, für Bursa werden schlimmstenfalls 35.000 Todesopfer erwartet, für die anderen beiden Städte jeweils über 10.000. Weitere 35.000 Tote in den angrenzenden ländlichen Gebieten könnten hinzukommen.<ref name="Parker71">Ronald Steven Parker, Alcira Kreimer, Mohan Munasinghe: ''Informal settlements, environmental degradation, and disaster vulnerability: the Turkey case study.'' World Bank Publications, 1995, ISBN 0-8213-3397-6, S. 71–74.</ref><br />
<br />
== Flora und Fauna ==<br />
Zusammen mit der [[Adriatisches Meer|Adria]] ist das Marmarameer das Gebiet mit der höchsten [[Primärproduktion]] im vergleichsweise nährstoffarmen östlichen Mittelmeer. Beide Regionen sind durch bedeutende Wasserzuflüsse aus Flusssystemen gekennzeichnet, die starke Strömungen und starke jahreszeitliche Veränderungen im Wasserhaushalt mit sich bringen. Beides sind Faktoren, welche die Primärproduktion anregen. So liegt auch die davon abhängige Produktion von [[Zooplankton]] im Marmarameer bei 12.000 Individuen pro m³ gegenüber etwa 1500 in der nördlichen Ägäis, die Biomasse ist mit 90&nbsp;Milligramm/m³ etwa doppelt so hoch wie in der Ägäis.<ref name="Kovalev86" /> Die Zahl der [[Grünalge]]n und [[Braunalgen]] unterliegt saisonalen Schwankungen, ist langfristig jedoch etwa ausgeglichen, da sich Wasser aus dem grünalgendominierten Schwarzen Meer und der braunalgendominierten Ägäis hier mischen.<ref name="Schramm427">Winfrid Schramm, P. H. Nienhuis: ''Marine benthic vegetation: recent changes and the effects of eutrophication.'' Springer, 1996, ISBN 3-540-58106-5, S. 427–435.</ref><br />
<br />
Das [[Zooplankton]] hängt von dem des Mittelmeeres und damit auch dem des Atlantiks westlich der Straße von Gibraltar ab. Abgesehen von einigen Tiefseearten, den Arten tropischer Lebensräume und einigen subtropischen Arten kommen alle taxonomischen Gruppen des Atlantiks auch im Marmarameer vor.<ref name="Kovalev86">A. V. Kovalev und andere: ''Composition and Abundance of Zooplankton of the Eastern Mediterranean Sea.'' In: Paola Malanotte-Rizzoli u. a. (Hrsg.): ''The Eastern Mediterranean as a laboratory basin for the assessment of contrasting ecosystems.'' Springer, 1999, ISBN 0-7923-5585-7, S. 86–95.</ref><br />
<br />
Das Meer ist eine Übergangszone zwischen Schwarzem Meer und Ägäis/Mittelmeer. Das heißt: es dient verschiedenen Lebewesen als Barriere, Korridor und Akklimatisationszone. Als Barriere bildet es die Verbreitungsgrenze zwischen warmwasserliebenden Meeresbewohnern des Mittelmeeres und an kälteres, salzarmes Wasser angepasste Lebewesen des Schwarzen Meeres. Andererseits gibt es viele Spezies von Fischen, Vögeln und Meeressäugern, die durch das Marmarameer zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer wechseln und das Marmarameer teilweise nutzen, um sich den anderen Lebensbedingungen anzupassen.<ref name="Ozturk" /> Fische, die im Marmarameer überwintern, während sie im Schwarzen Meer Laichen und den Sommer verbringen sind Bonito, [[Mittelmeermakrele]] und [[Blaufisch]].<ref name="Hes">Peter Heslenfeld, Council of Europe: ''Corridors and ecosystems: coastal and marine areas.'' Council of Europe, 2003, ISBN 92-871-5258-6, S. 7–8.</ref> Die Thunfischarten [[Roter Thun]], [[Weißer Thun]] und [[Thonine]] folgten in den früheren Jahrzehnten diesen Fischschwärmen, die Thunfischwanderung ist in großer Zahl bis in den 1960er Jahren hinein dokumentiert. Mittlerweile sind alle drei Arten jedoch aufgrund der starken Verschmutzung im Schwarzen Meer vermutlich ausgestorben, die Marmara-Bestände entsprechend gesunken.<ref name="Kara153" /> Durch die Verschmutzung des Meeres sank die Anzahl der Fischarten im Marmarameer von ursprünglich etwa 170 auf etwa 25 (Stand: Jahr 2021).<ref name=":0">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.spiegel.de/wissenschaft/tuerkei-seerotz-bedroht-das-marmarameer-a-52afc21a-2a3b-4c8a-b0ea-91bc0845f10f |titel=Türkei: Schleimteppich vor Istanbul - »Seerotz« bedroht das Marmarameer |werk=Der Spiegel |abruf=2021-06-04}}</ref><br />
<br />
Wie im Schwarzen Meer und der Ägäis, nicht aber im restlichen Mittelmeer, kommen im Marmarameer [[Gewöhnlicher Schweinswal|Schweinswale]] vor. Deren Zahl ist in den letzten Jahrzehnten allerdings dramatisch zurückgegangen. Bis 1983 waren sie noch häufiges Ziel von türkischen Fischern, seitdem macht ihnen die zunehmende Verschmutzung ihres Lebensraums zu schaffen, der sie unter anderem anfälliger für Epidemien macht. Die kommerzielle Fischerei stellt für sie sowohl eine Gefahr dar, da sie als [[Beifang (Fischerei)|Beifang]] enden können, aber auch weil die [[Überfischung]] des Meeres ihnen ihre Nahrungsgrundlage raubt.<ref>Randall R. Reeves, IUCN/SSC Cetacean Specialist Group: ''Dolphins, whales and porpoises: 2002-2010 conservation action plan for the world's cetaceans.'' IUCN, 2003, ISBN 2-8317-0656-4, S. 76.</ref> Ebenfalls ziehen gelegentlich [[Großer Tümmler|Große Tümmler]] und vor allem [[Gemeiner Delfin|Gemeine Delfine]] vom Schwarzen Meer in das Marmarameer.<ref name="Hes" /><br />
<br />
== Menschliche Nutzung ==<br />
=== Rechtlicher Status ===<br />
[[Datei:Mer de Marmara - Bateaux en attente.jpg|miniatur|Schiffe warten auf dem Marmarameer auf ihre Einfahrt in den Bosporus]]<br />
<br />
Das Marmarameer ist komplett von türkischem Staatsgebiet umgeben und gilt rechtlich als türkisches Binnengebiet. Aufgrund seiner Bedeutung für die internationale Schifffahrt unterliegt es wie die anderen Teile der türkischen Meerengen dem 1936 abgeschlossenen [[Vertrag von Montreux]]. Nach dem Vertrag dürfen alle nicht-militärischen Schiffe das Meer zu jeder Zeit ohne Formalitäten frei passieren. Dies gilt auch in Kriegszeiten, es sei denn, die Türkei ist im Kriegszustand, dann darf sie ihren direkten Gegnern den Zugang zum Meer verwehren.<ref name="Kovalev">Aleksandr Antonovich Kovalev, W. E. Butler: ''Contemporary issues of the law of the sea: modern Russian approaches.'' Eleven International Publishing, 2004, ISBN 90-77596-03-8, S. 210–213.</ref><br />
<br />
Kriegsschiffe aus Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres dürfen passieren, sofern sie der Türkei acht Tage vor Passage Nachricht erteilt haben, Kriegsschiffe aus anderen Staaten müssen dies 15 Tage im Voraus erledigen. Die freie Passage ist auf kleinere Schiffe beschränkt.<ref name="Kovalev" /><br />
<br />
Im Zuge zunehmenden Schiffsverkehrs und einiger Unglücke stellte die Türkei Ende des 20. Jahrhunderts unilateral Regeln für die Passage durch die türkischen Meerengen auf. Für das Marmarameer waren die Regeln für den Meeresverkehr von 1994 entscheidend, die spezielle Regeln für große Schiffe und solche mit gefährlicher Fracht wie Öl- und Ölprodukten vorsahen. Ebenso räumte sich die Türkei das Recht ein, den Schiffsverkehr aufgrund klimatischer Bedingungen oder Unterwasserarbeiten in bestimmten Gebieten zeitweise ganz einzustellen. Diese allerdings musste der Staat vor allem aufgrund von Protesten Russlands und der [[Internationale Seeschifffahrts-Organisation|Internationalen Seefahrts-Organisation]] (IMO) wieder aufheben, nach einigen Jahren der Verhandlungen und einer passiveren Haltung der IMO konnte sie diese jedoch wieder ausbauen.<ref name="Kovalev" /><br />
<br />
=== Schiffsverkehr ===<br />
[[Datei:Istanbul - Castell de Yedikule i mar de Màrmara.JPG|miniatur|Schiffsverkehr im Meer]]<br />
<br />
Das Marmarameer ist ein dichtbefahrenes Meer, jährlich finden auf dem Marmarameer etwa 50.000 Schiffsbewegungen statt.<ref name="Ozturk" /> Davon waren 2005 etwa 35.000 Frachtschiffe aller Art, knapp 10.000 Öltanker und etwa 5000 Massengutfrachter, wobei insbesondere die Zahl der Öltanker in den letzten Jahren stark steigt.<ref name="Dense" /> Täglich fahren etwa zehn bis 15 [[Tanker|Supertanker]] durch die türkischen Meerengen.<ref name="Nach128" /> Für Bulgarien, Rumänien, die Ukraine und Georgien verläuft die einzige Verbindung mit dem Weltmeer durch das Marmarameer, besondere Bedeutung hat die Strecke für den Außenhandel [[Russland]]s. Die russische Handelsmarine stellt die größte Flotte auf dem Marmarameer, etwa die Hälfte des russischen Seehandels läuft über dieses Meer.<ref name="Kovalev" /><br />
<br />
Das Marmarameer liegt auf der Strecke zwischen den Ölterminals am Schwarzen Meer und den Europäischen Häfen am Mittelmeer und dem Atlantik, auf der sämtliches Öl aus dem zentralasiatischen Teil Russlands und Aserbaidschans in den Westen transportiert wird. Durch das System der türkischen Meerengen transportierten Tanker im Jahr 2002 insgesamt 119 Millionen Tonnen Rohöl, bis 2010 soll die Menge auf 155 Millionen Tonnen gesteigert werden.<ref name="Cocakar">Tulay Çocakar: ''The Eastern Mediterranean-Black Sea System with High Oil Spill Risk.'' In: W. F. Davidson, K. Lee, A. Cogswell: ''Oil Spill Response: A Global Perspective.'' Springer, 2008, ISBN 978-1-4020-8564-2, S. 327–340.</ref><br />
{{lückenhaft|Das Jahr 2010 ist vorbei. Hat das mit der geplanten Produktionssteigerung geklappt? --[[Benutzer:Flominator|Flominator]] 16:37, 17. Jan. 2012 (CET)}}<br />
<br />
Für die Türkei selber hat das Marmarameer ebenso überragende Bedeutung als Fernhandelsroute. Über 90 % der türkischen Außenhandelsgüter werden über die See transportiert. Von den 100 größten Häfen des Landes befinden sich 34 am Marmarameer, die 1996 knapp die Hälfte aller Handelsgüter anlandeten. Weitere 30 liegen am Schwarzen Meer, was auf den meisten Handelsrouten die Passage des Marmarameers notwendig macht. Größter Hafen am Marmarameer ist das am Rande Istanbuls gelegene İzmit.<ref name="Bölü107" /><br />
<br />
Quer über das Marmarameer fährt eine Vielzahl öffentlich und privat betriebener [[RoRo-Schiff|RoRo-Fähren]], die den stark industrialisierten Norden und insbesondere Istanbul mit der asiatischen Seite der Türkei verbinden. Wichtige Fährhäfen neben Istanbul sind [[Eskihisar]], [[Topçular]], [[Bandırma]] und [[Ambarlı]].<ref name="Intermo105">OECD: ''Intermodal Transport: National Peer Review: Turkey'' OECD Publishing, 2009, ISBN 92-821-0222-X, S. 105–108.</ref> Insgesamt fahren täglich etwa 2000 Fähren quer über das Marmarameer, ein großer Teil davon läuft bei mindestens einer Station Istanbul an.<ref name="Nach128">Amikam Nachmani: ''Turkey: facing a new millennium: coping with intertwined conflicts.'' Manchester University Press, 2003, ISBN 0-7190-6370-1, S. 128.</ref><br />
<br />
=== Fischerei ===<br />
[[Datei:Hamsi.jpg|miniatur|Hamsi (Sardellen) im Angebot]]<br />
<br />
Fischfang im Marmarameer hat eine lange Tradition und reicht mehrere tausend Jahre zurück. Von seiner Bedeutung für die Türkei zwar klar vom Schwarzen Meer übertroffen, liegt das Marmarameer etwa auf einer Höhe mit der Ägäis und weit vor dem Fischfang im offenen östlichen Mittelmeer. Der Anteil an den türkischen Gesamtfängen schwankt etwa zwischen zehn und 15 % im Jahr, kann in seltenen Fällen aber auch fünf Prozent oder 20 % des türkischen Gesamtfangs betragen. Wichtigste Fische im Marmarameer sind mit Abstand [[Sardellen]], die über die Hälfte der Fänge ausmachen.<ref name="Acquis" /> Der Bonito (''[[Pelamide|Sarda Sarda]]'') wird während seiner jährlichen Wanderung vom Marmarameer in das Schwarze Meer am Bosporuseingang gefangen.<ref name="Knudsen172" /> Andere kommerziell gefangene Fische, die von den 3000 registrierten Fischerbooten gejagt werden, sind [[Europäische Sprotte]], [[Stachelmakrele]]n, [[Blaufisch]], [[Sardine]], [[Wittling]], [[Roter Thun]]fisch, [[Streifenbarbe]], [[Schwarzmeer-Steinbutt]] sowie Shrimps, Schnecken und Tintenfische.<ref name="Acquis" /><br />
<br />
Insgesamt scheint es fast keinen Beifang zu geben, da fast alle gefangenen Fische auch angelandet und verwertet werden. Vermutlich sind die offiziellen Zahlen deutlich zu niedrig, sie lassen mindestens genauso einen Rückschluss auf die Berichterstattungswilligkeit wie auf den tatsächlichen Fischfang zu. Insbesondere Anlandung in den vielen kleineren Häfen, Fischfang außerhalb der Hauptsaison und von den vielen kleinen Fischerbooten findet nur selten seinen Niederschlag in der Statistik. So sind 85 % aller türkischen Fischereischiffe Boote von unter zehn Metern Länge, die zudem oft von Subsistenz- oder Nebenberufsfischern betrieben werden und kaum Daten berichten. Im statistischen Schnitt allerdings fahren auf dem Marmarameer die größten und bestmotorisierten Fischerboote der türkischen Fischereiflotte.<ref name="Acquis">Fisheries Acquis Centre: ''Technical Assistance to Support the Legal and Institutional Alignment of the Fisheries Sector to the EU Acquis: Fisheries & Aquaculture Sector Study. Final Report.'' 28. Februar 2007</ref><br />
<br />
Seit den 1980er Jahren fahren Sardellenfischer mit [[Sonar]] auf das Meer, seit den 1990ern ist dies im Sardellenfang weit verbreiteter Standard. Istanbuler Fischer begannen 1997 damit, Sonargeräte einzusetzen, die auch andere Fische aufspüren können, was sich insbesondere gravierend auf die Bonito-Fischerei auswirkte. Ebenso trugen die hohen Kosten für ein Sonargerät, das über 200.000 USD kosten kann, dazu bei, die Fischer auf dem Marmarameer sozial zu differenzieren. Große, kapitalkräftige Unternehmer waren die klaren Gewinner des Technologiewandels, während die traditionellen und kapitalärmeren Fischer in ökonomische Randpositionen abgedrängt werden.<ref name="Knudsen172">Ståle Knudsen: ''Fishers and Scientists in Modern Turkey: The Management of Natural Resources, Knowledge, and Identity on the Eastern Black Sea Coast.'' Berghahn Books, 2008, ISBN 978-1-84545-440-1, S. 172–175.</ref><br />
<br />
In den letzten Jahrzehnten hat die Jagd auf den Roten Thun stark zugenommen. Ursprünglich erfolgte der Fang mit großen Wehren vor allem in den Monaten von April bis August. Als mit dieser Methode die Erträge zurückgingen, begann im Marmarameer in den 1950er Jahren die [[Ringwadenfischerei]] in den Wintermonaten. Seit den 1980er Jahren begann die türkische Regierung die Ringwadenfischerei durch Kredite und Steuererleichterungen zu fördern, während gleichzeitig im boomenden Japan die Preise für Thunfisch stark anzogen. In den folgenden Jahren hat sich diese Fangmethode auch in den angrenzenden Gewässern der Ägäis und des östlichen Mittelmeeres ausgebreitet. Der Trend zu größeren Booten und Netzen und stärkerer Bejagung des Thunfischs verstärkte sich Anfang der 1990er, als die Sardellenerträge zurückgingen. Die Fangsaison reicht mittlerweile vom Winter bis in den Juni hinein. Während der türkische Thunfischfang sich insgesamt noch ausweitet, ist er aufgrund stark schrumpfender Bestände im Marmarameer dramatisch zurückgegangen. Der Bestand des Thunfischs ist mittlerweile im gesamten Mittelmeer akut gefährdet.<ref name="Kara153">F. Saadet Karakulak1, Işık K. Oray: ''Remarks on the Fluctuations of Bluefin Tuna Catches in Turkish Waters.'' Collect. Vol. Sci. Pap. ICCAT, 63, S. 153–160 (2009) {{Webarchiv|url=http://www.iccat.int/Documents/CVSP/CV063_2009/no_1/CVOL63010153.pdf |wayback=20150419185415 |text=PDF-Datei |archiv-bot=2019-04-30 02:43:38 InternetArchiveBot }} S. 153–156.</ref><br />
<br />
=== Tourismus ===<br />
[[Datei:Sunset at Avşa Istand, Turkey.jpg|miniatur|Badende auf der Insel [[Avşa]] an der Südwestküste]]<br />
<br />
Während das Marmarameer an sich ein beliebtes touristisches Ziel der angrenzenden Großstädte ist, hat der Tourismus in den letzten Jahrzehnten Rückschläge erlitten. Dazu führten unter anderem der Bau mehrspuriger Schnellstraßen direkt entlang der Küste bei Istanbul, als auch die teilweise starke Verschmutzung des Meeres. So wird mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen an einigen Stellen vom Baden abgeraten; außerdem geht vom Meer teilweise ein starker unangenehmer Geruch aus.<ref name="Parker132">Ronald Steven Parker, Alcira Kreimer, Mohan Munasinghe: ''Informal settlements, environmental degradation, and disaster vulnerability: the Turkey case study.'' World Bank Publications, 1995, ISBN 0-8213-3397-6, S. 132.</ref><br />
<br />
=== Erdgas ===<br />
Das größte türkische Erdgasfeld, das einen Großteil der 900 Millionen Kubikmeter jährlicher Erdgasförderung des Landes liefert, ist das Marmara-Kuzey-Feld, das sich nahe der Dardanellen im Marmarameer befindet.<ref name="Eur">Europa Publications Staff: ''The Middle East and North Africa 2003.'' Routledge, 2016, ISBN 1-85743-132-4, S. 1130.</ref> Als 1997 die Förderung begann, war es das erste türkische Offshore-Feld.<br />
<br />
=== Militärische Bedeutung ===<br />
[[Datei:E11 in action.jpg|miniatur|Zeichnung der ''London Illustrated News'': Das britische Unterseeboot HMS E11 versenkt im Ersten Weltkrieg einen türkischen Transporter vor der Küste Istanbuls]]<br />
<br />
Zusammen mit den anderen Teilen der türkischen Meerengen besitzt das Marmarameer große Bedeutung als einziger Zugang zum Schwarzen Meer und damit insbesondere zu Russlands Südküste, ebenso wie als zwingende Durchfahrtstrecke der russischen [[Schwarzmeerflotte (Russland)|Schwarzmeerflotte]].<br />
<br />
Für die Türkei selber spielt das Marmarameer vor allem als Teil der türkischen Meerengen eine Rolle, für die [[Türkische Marine]] gehört das Meer mit zu dem in Istanbul ansässigen Meerengenkommando. Ebenso nutzt das Land aber auch die vergleichsweise abgeschlossene und geschützte Lage der See gegenüber anderen Ländern, das Trainingskommando hat seinen Sitz in [[Karamüsel]] an der Südküste des Meeres, die Marineakademie sitzt in Istanbul an der Nordküste.<ref name="Country354">Federal Research Division: ''Turkey: A Country Study.'' Kessinger Publishing, 2004, ISBN 1-4191-9126-8, S. 354.</ref> Das Hauptquartier der türkischen Marine befand sich bis 1999 bei [[Gölcük (Kocaeli)|Gölcük]] am Golf von İzmit, nach dem [[Erdbeben von Gölcük]] samt einem Tsunami im Golf von İzmit zog dieses jedoch an die sicherere ägäische Küste nach [[Izmir]] um.<ref name="Bölü452">Deniz Bölükbaşı: ''Turkey and Greece: the Aegean disputes: a unique case in international law.'' Routledge Cavendish, 2004, ISBN 1-85941-953-4, S. 452.</ref><br />
<br />
== Schleimplage ==<br />
Durch die Strömungsverhältnisse gelangt der größte Teil der Abwässer, die ins Schwarze Meer fließen, auch ins Marmarameer, ebenso wie die gesamten Abwässer der Millionenmetropole Istanbul. Um das Marmarameer hat sich fast die Hälfte der türkischen Industrie angesiedelt.<ref>OECD (Hrsg.): ''Competitive cities in the global economy.'' OECD Publishing, 2006, ISBN 92-64-02708-4, S. 139.</ref> Davon siedeln alleine 40 Prozent in Istanbul.<ref name="ISKI">Istanbul Water and Wastewater Administration: ''Sanitation systems and environmental protection activities of Istanbul metropolitan area and the Bosphorus'', 2006 [http://www.bvsde.ops-oms.org/bvsacg/e/foro4/17marzo/combate/sanitation.pdf PDF]</ref> Schon in den 1990er Jahren gelangten jährlich 766 Millionen m<sup>3</sup> Haushalts- und Industrieabwässer in das Meer. Seit den 1980er Jahren führt dies zu einer deutlichen [[Eutrophierung]].<ref name="Schramm427" /><ref name=":0" /><ref>{{Literatur |Titel=Meeresschleim in Türkei: Marmarameer laut Fachmann „jetzt totes Meer“ |Sammelwerk=FAZ.NET |ISSN=0174-4909 |Online=https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/tuerkisches-marmarameer-forscher-warnen-vor-oekologischer-krise-17535872.html |Abruf=2021-09-14}}</ref> Durch die Verschmutzung des Gewässers sank die Anzahl der Fischarten im Marmarameer von ursprünglich etwa 170 auf etwa 25 (Stand: Jahr 2021).<ref name=":0" /><br />
<br />
Während schon in den 1990ern alle Abwässer, die von Istanbul direkt in das Marmarameer geleitet wurden, geklärt waren, war dies nicht der Fall bei Einleitungen in den Bosporus, die ebenfalls wenig später im Marmarameer landeten. Das starke Bevölkerungswachstum Istanbuls von 2,7 Millionen Einwohnern 1980 auf 6,6 Millionen Einwohner 1990 begann in den 1980ern die bis dahin bereit gehaltenen Klärmechanismen wirkungslos werden zu lassen. Erst seit 1995 unternimmt die Stadt wieder größere Investitionen in die Abwasseraufbereitung. Von 1995 bis 2005 sank die Zahl der ungeklärt in Istanbuls Küsten abgeleiteten Abwässer von 84 Prozent auf 5 Prozent. Während 1995 noch 211.000 m³ am Tag geklärt wurden, waren es 2005 1.910.000 m³. Während für das Marmarameer eine dreistufige Klärung inklusive einer [[Stickstoff]]- und [[Phosphor]]-Klärung vorgesehen ist, erachtet die Istanbuler Wasserverwaltung eine einstufige Klärung für Abwässer, die tief unterseeisch in den Bosporus eingespeist werden, für ausreichend.<ref name="ISKI" /><br />
<br />
Obwohl die Türkei Anfang der 2000er Jahre Anstrengungen unternommen hat, das Abwasserproblem zu bekämpfen, kam ein Bericht der [[OECD]] aus dem Jahr 2008 zu dem Schluss, dass die Wasserqualität im Meer weiter sank. Es sei laut dem Bericht weiter über die Hälfte des industriellen Abwassers ungeklärt in das Meer oder darin mündende Flüsse eingeleitet worden. Dies enthält oft [[Quecksilber]], [[Blei]], [[Chrom]] und [[Zink]]. Besonders gefährdet sind der [[Golf von İzmit]] und der [[Golf von Gemlik]], in denen sich das verschmutzte Wasser aus Bosporus und lokalen Zuflüssen sammelt.<ref>[http://www.todayszaman.com/tz-web/detaylar.do?load=detay&link=168796 ''OECD calls for Marmara Sea cleanup, end to pollution'']{{Toter Link |url=http://www.todayszaman.com/tz-web/detaylar.do?load=detay&link=168796 |date=2019-04 |archivebot=2019-04-30 02:43:38 InternetArchiveBot }}, Today’s Zaman, 6. März 2009</ref> Der am stärksten durch Abwasser belastete Teil des Marmarameeres ist die Küste bei [[Bursa]]. Dort fließen sowohl die Abwässer der Millionenstadt Bursa als auch die Industrieabwässer der Industriezone Bursa ungeklärt über den Nilüfer in das Meer.<ref name="Parker25" /><br />
<br />
Der vergleichsweise geringe Sauerstoff- und Salzgehalt des Oberflächenwassers begünstigt darüber hinaus Bakterien, während sie die Effektivität natürlichen Abwasserabbaus verlangsamen.<ref name="Parker25">Ronald Steven Parker, Alcira Kreimer, Mohan Munasinghe: ''Informal settlements, environmental degradation, and disaster vulnerability: the Turkey case study'', World Bank Publications, 1995, ISBN 0-8213-3397-6, S. 25–27.</ref><br />
<br />
Der dichte Schiffsverkehr stellt eine zusätzliche Gefährdung für das Marmarameer dar. Die Schiffe lassen beträchtliche Mengen an Abwässern ab, die das Meer direkt und ungeklärt belasten. Verunreinigungen durch Unglücke im Meer oder im Bosporus können sich monatelang im Meer halten und führen dabei zu dauerhaften Ablagerungen im Sediment.<ref name="Dense" /> Eine [[Lotsenpflicht]] im Bosporus und den stark befahrenen Abschnitten des Marmarameeres lässt sich aufgrund des schwierigen internationalen Status nicht durchsetzen. Obwohl die Lotsengebühren im internationalen Vergleich eher niedrig sind, fahren viele Schiffe ohne Lotsen.<ref name="Parker132" /> So gab es zwischen 1948 und 2005 über 700 Schiffsunglücke in den türkischen Meerengen.<ref name="Dense">Mehmet E. Birpinar und andere: ''The Effect of Dense Maritime Traffic On The Bosphorus Strait and Marmara Sea Pollution.'' Ministry of Environment and Forestry The Regional Directorate of Istanbul {{Webarchiv |url=http://balwois.com/balwois/administration/full_paper/ffp-746.pdf |wayback=20100331174139 |text=PDF-Datei |archiv-bot=2019-04-30 02:43:38 InternetArchiveBot }}</ref><br />
<br />
Bedeutende Tankerunglücke in den letzten Jahrzehnten fanden 1979 und 1999 statt. Am 11. November 1979 stieß das griechische Frachtschiff ''Evriali'' mit dem vor Anker liegenden rumänischen Tanker ''[[Independența (Schiff)|Independența]]'' südlich des Istanbuler Hafens zusammen. Laut türkischer Presse sei der griechische Kapitän angetrunken gewesen sein. Trümmerteile flogen bei der Explosion über 15 km weit ins Landesinnere. Bei dem Unglück, bei dem 43 Menschen starben, liefen insgesamt 95.000 Tonnen Schweröl in die See, der Tanker brannte drei Wochen lang und zerstörte am 6. Dezember in einer großen Explosion Teile der Küste. Brennendes Öl lief ins Meer und an die Küste. Die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Jahre, Tourismus und Fischerei gingen in den folgenden Jahren um 40 beziehungsweise 25 Prozent zurück.<ref name="Parker25" /> Am 29. Dezember 1999 brach während eines Sturms der Schweröltanker ''[[Volgoneft-248]]'' mit 4365 Tonnen Öl an Bord südlich von Istanbul im Meer auseinander. Während kurz nach dem Auseinanderbrechen 1300 Tonnen Schweröl in das Meer gelangten und fünf Kilometer Küste verunreinigten, lief der Rest des Öls durch kleinere Lecks bis zum Sommer 2000 aus dem Schiff. Darüber hinaus flossen bei einer Kollision des zypriotischen Tankers ''[[Nassia]]'' am nördlichen Ende des Bosporus im Jahr 1994 insgesamt 13.500 Tonnen Schweröl ins Meer.<ref>Emre N. Otay1, Orhan Yenigün2: ''The Volgoneft-248 Oil Spill in the Marmara Sea'' [http://www.ce.boun.edu.tr/otay/SeaAccident/Volgoneft/VolgoneftProc.pdf PDF-Datei]</ref><br />
<br />
Im Juni 2021 stellte Umweltminister [[Murat Kurum]] einen interdisziplinären Aktionsplan vor, um das Problem des seit Jahren zunehmenden [[Meeresschleim]]<!-- [[:en:Sea snot]] --> zu beseitigen. Unter anderem sollen innerhalb von drei Monaten neue Bestimmungen für die Behandlung und Entsorgung von Abwässern erlassen werden und bisher nur mechanisch reinigende [[Kläranlage]]n in den kommenden drei Jahren um eine biologische Abwasserbehandlungsstufe erweitert werden. Bis zum Jahr 2030 sollen 15 Prozent der Abwässer wiederverwendet werden. Zudem soll noch im Jahr 2021 mehr als ein Drittel des Marmarameers als Schutzgebiet ausgewiesen werden.<ref>{{Internetquelle |autor=Rainer Hermann |url=https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/algenschleim-vor-istanbul-gefaehrlicher-glibber-17377473.html |titel= Algenschleim vor Istanbul: Gefährlicher Glibber |werk=faz.net |datum=2021-06-07 |abruf=2021-06-08}}</ref><br />
<br />
== Geschichte ==<br />
[[Datei:Hellespont Shepherd 1923.JPG|miniatur|[[Hellespont]] und Propontis in der Antike]]<br />
<br />
Seit etwa 3000 v. Chr. gleichen die Wetter- und Strömungsbedingungen auf dem Marmarameer den heutigen Bedingungen. Archäologische Funde lassen darauf schließen, dass schon in der [[Bronzezeit]] Kontakt zwischen den Ufern des Meeres bestand.<ref name="Jablonka77">Peter Jablonka: ''The Link Between the Black Sea and Mediterranean Since the End of the Last Ice Age: Archaeology and Geology'' in: Günther A. Wagner: ''Troia and the troad: scientific approaches'', Springer, 2003, ISBN 3-540-43711-8, S. 77–78.</ref><br />
<br />
Seit der Stadtgründung von [[Byzantion]] (heute [[Istanbul]]) an der Küste des Meeres dient es zur lokalen und regionalen Versorgung der Stadt. Bauholz, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Wein wurden direkt von den anderen Küsten nach Istanbul geschifft.<ref name="Inalcik461" /><ref name="Horden218">Peregrine Horden, Nicholas Purcell: ''The corrupting sea: a study of Mediterranean history.'' Wiley-Blackwell, 2000, ISBN 0-631-21890-4, S. 218–219.</ref> Fischerei im Marmarameer im Bosporus gehörte neben den Zöllen zu einer wichtigen Einnahmequelle der Stadt. Bonitos und Thunfische finden sich als Symbol der Stadt ebenso wie auf Münzen aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n.&nbsp;Chr.<ref name="Kara153" /><br />
<br />
Im 17. Jahrhundert bekam die 700.000-Einwohner-Stadt Istanbul von den Städten und Dörfern am Marmarameer Getreide, Obst und Gemüse, während spezialisiertere Waren wie Oliven oder Rosinen aus dem Süden der türkischen Ägäis, Lammfleisch sogar aus dem Balkan, über das Meer in die Stadt kamen. Die überragende Rolle von Istanbul wird auch dadurch deutlich, dass die Stadt [[Tekirdağ]] an der Nordküste dauerhaft die Rolle eines Zweithafens für die größere Stadt spielte. In der frühen Neuzeit hatten die dortigen Lagerhäuser den Zweck, Reis und anderes Getreide aus dem südlichen Mittelmeerraum anzulanden und aufzubewahren, bis es in Istanbul benötigt wurde.<ref name="Inalcik493">Halil İnalcık und andere: ''An economic and social history of the Ottoman Empire'', Cambridge University Press, 1997, ISBN 0-521-57455-2, S. 493–496.</ref><br />
<br />
In der Spätphase des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reichs]] war das Meer an einzelne Dörfer verteilt. Der Fischfang mit [[Fischwehr]]en war, im Gegensatz zu anderen Küstengebieten der Türkei, häufig. Ein striktes Territorialitätsprinzip herrschte, bei dem – analog zu Landgebieten – die Autoritäten in Istanbul verschiedene Seegebiete exklusiv einzelnen Dörfern zuteilten, so dass nur Fischer aus diesen Dörfern dort auf Fang gehen durften. Auch wenn diese Verbote vor allem dem Schutz der Fischer vor Konkurrenz dienten, gab es auch Ansätze zur Ressourcenschonung: So war etwa der Einsatz besonders kleinmaschiger [[Sardellen]]netze zeitlich beschränkt, ebenso wie es wohl ungeschriebenes Gesetz war, dass andere Fische unter einer bestimmten Größe ins Meer zurückgeworfen wurden.<ref name="Knudsen46">Ståle Knudsen: ''Fishers and Scientists in Modern Turkey: The Management of Natural Resources, Knowledge, and Identity on the Eastern Black Sea Coast.'' Berghahn Books, 2008, ISBN 978-1-84545-440-1, S. 46–47.</ref><br />
<br />
Neben der starken Bedeutung als Transitstrecke für den Fernhandel spielte auch der Marmaramarmor von der gleichnamigen Insel, der über das Marmarameer in den östlichen Mittelmeerraum verschifft wurde, eine wichtige Rolle als Exportgut.<ref name="Inalcik461">Halil İnalcık und andere: ''An economic and social history of the Ottoman Empire.'' Cambridge University Press, 1997, ISBN 0-521-57455-2, S. 461–463.</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Sea of Marmara|Marmarameer}}<br />
{{Wiktionary}}<br />
* [http://eeo.uni-klu.ac.at/index.php?title=Marmarameer ''Marmarameer.''] In: ''Enzyklopädie des europäischen Ostens.''<br />
* [https://orf.at/stories/3228465/ ''Meeresschleim. Marmarameer laut Experte „jetzt tot“''] am 14. September 2021 auf orf.at<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Mittelmeer}}<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=g|GND=4135005-4|VIAF=248583530}}<br />
<br />
[[Kategorie:Marmarameer| ]]<br />
[[Kategorie:Binnenmeer]]<br />
[[Kategorie:Gewässer in der Türkei]]</div>31.200.13.173