https://de.wikipedia.org/w/api.php?action=feedcontributions&feedformat=atom&user=138.246.2.191Wikipedia - Benutzerbeiträge [de]2025-06-04T07:00:42ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.45.0-wmf.3https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Auf_den_Spuren_eines_Selbstmords&diff=182541496Auf den Spuren eines Selbstmords2018-11-07T12:42:03Z<p>138.246.2.191: /* Inhalt */</p>
<hr />
<div>'''Auf den Spuren eines Selbstmords''' ist ein unter dem Namen Tezer Kiral geschriebener [[Deutsche Sprache|deutschsprachiger]] [[Roman]] der [[Türkei|türkischen]] Autorin [[Tezer Özlü]] aus dem Jahr 1982, der seine Erstveröffentlichung 1983 ins [[Türkische Sprache|Türkische]] übertragen in der Türkei erfuhr. Für das deutschsprachige [[Manuskript]] hatte die Autorin zuvor den [[Literaturpreis der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf|Literaturpreis der Stadt Marburg]] erhalten.<ref>http://www.tuerkischdeutsche-literatur.de/autoren_details/items/259.html</ref><br />
<br />
== Entstehung ==<br />
''Auf den Spuren eines Selbstmords'' wurde in deutscher Sprache in [[Berlin]]<ref>[[Sezer Duru]]: ''Tezer Özlü'ye armağan'', 1997, S. 18</ref> von einer türkischen Autorin geschrieben, die als Übersetzerin der deutschen Sprache bereits mächtig war, als sie Anfang der 1980er Jahre als [[Deutscher Akademischer Austauschdienst|DAAD]]-Stipendiatin nach Deutschland kam.<ref>Sezer Duru: Tezer Özlü'ye armağan, 1997, S. 36</ref> Zum Zeitpunkt der Entstehung des Werks waren deutschsprachige Romane in der [[deutsch-türkische Literatur|deutsch-türkischen Literatur]] ein Einzelphänomen. [[Emine Sevgi Özdamar]] begann zwar um dieselbe Zeit wie Özlü umfangreichere Schreibversuche auf Deutsch, allerdings zunächst in Form von Theaterstücken. Eine türkische Übertragung des Romans besorgte Tezer Özlü später nach ihrem deutschen Manuskript selbst. <ref>http://www.itusozluk.com/m/goster.php?t=bir+intihar%C4%B1n+izinde{{Toter Link|date=2018-03 |archivebot=2018-03-30 21:56:15 InternetArchiveBot |url=http://www.itusozluk.com/m/goster.php?t=bir+intihar%C4%B1n+izinde }}</ref><br />
<br />
== Inhalt ==<br />
Der Roman, der in der türkischen Fassung frei übersetzt „Reise ans Ende des Lebens“ betitelt wurde, versucht dem Suizid eines Menschen nachzuspüren. Er deckt dabei in bildhafter Sprache Licht- und Schattenseiten des Lebens des Betroffenen auf, empfindet seine Ängste wie Hoffnungen nach. Dabei wird bald die Frage laut, ob dieses Leben quasi zwangsläufig in die Selbsttötung geführt habe oder ob es einen Weg zurück ins Leben gegeben hätte.<br />
<br />
== Wirkung ==<br />
''Auf den Spuren eines Selbstmords'' erhielt im Jahr seiner Entstehung den Literaturpreis der [[Universitätsstadt]] [[Marburg]] und des [[Landkreis]]es [[Marburg-Biedenkopf]]. 1984 erschien der Roman in der Türkei unter dem Titel ''Hayatın Ucuna Yolculuk''. Er wurde hier auch als Theaterstück bearbeitet und aufgeführt.<ref>http://arsiv.ntvmsnbc.com/news/210728.asp</ref> In der türkischen Literaturwissenschaft wurde die Entstehung des Romans in Deutschland vielfach beleuchtet.<ref>vgl. z.&nbsp;B. Nesrin Tağızade Karaca: ''Edebiyatımızın kadın kalemleri'', 2006, S. 302 oder Şükran Kurdakul: ''Şairler ve yazarlar sözlüğü'', 1989, S. 498</ref> Eine reguläre Veröffentlichung des preisgekrönten deutschsprachigen Manuskripts gab es nicht.<br />
<br />
== Einzelbelege ==<br />
<references/><br />
<br />
{{SORTIERUNG:Auf Den Spuren Eines Selbstmords}}<br />
[[Kategorie:Literarisches Werk]]<br />
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]<br />
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Roman, Epik]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=S%C3%BC%C3%9Fstoff&diff=161185466Süßstoff2017-01-02T08:29:47Z<p>138.246.2.191: /* Studien */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Not Sugar (3630414292).jpg|mini|Tablettierter Süßstoff.]]<br />
{| class="wikitable float-right" style="text-align:center"<br />
|+ In der [[Europäische Union|EU]] zugelassene Süßstoffe<ref>[[Deutscher Süßstoffverband]] e.V.: [http://www.suessstoff-verband.de/suessstoffe/verwendung/suesskraft-dosierung/ ''Sehr viel Süßkraft im Vergleich zum Zucker'']. Auf: suessstoff-verband.de.</ref><br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! style="width:17em"| Name !! style="width:10em" | relative Süßkraft<br />([[Saccharose]] = 1)<br />
|-<br />
| [[Acesulfam]] ([[E 950]]) || 130–200<br />
|-<br />
| [[Aspartam]] ([[E 951]]) || 200<br />
|-<br />
| [[Aspartam-Acesulfam-Salz]] ([[E 962]]) || 350<br />
|-<br />
| [[Cyclamat]] ([[E 952]]) || 30–50<br />
|-<br />
| [[Neohesperidin]] ([[E 959]]) || 400–600<br />
|-<br />
| [[Neotam]] ([[E 961]]) || 7.000–13.000<br />
|-<br />
| [[Saccharin]] ([[E 954]]) || 300–500<br />
|-<br />
| [[Sucralose]] ([[E 955]]) || 600<br />
|-<br />
| [[Steviosid]] ([[E 960]]) || 250–300<br />
|-<br />
| [[Thaumatin]] ([[E 957]]) || 2.000–3.000<br />
|}<br />
<br />
'''Süßstoffe''' sind synthetisch hergestellte oder natürliche Ersatzstoffe für [[Zucker]], die dessen [[Süßkraft]] erheblich übertreffen. Sie haben keinen oder einen sehr geringen [[Physiologischer Brennwert|physiologischen Brennwert]]. Außerdem bieten sie [[Karies]] verursachenden [[Bakterien]] keine Nahrung, da sie von der [[Mundflora]] nicht [[Stoffwechsel|verstoffwechselt]] werden. Die Süßkraft der Süßstoffe wird immer auf [[Saccharose]] mit der Süßkraft 1 bezogen.<br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
{| class="wikitable float-right" style="text-align:center"<br />
|+ In der EU zurzeit nicht zugelassene Süßstoffe<br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! style="width:17em"| Name !! style="width:10em" | relative Süßkraft<br />([[Saccharose]] = 1)<br />
|-<br />
| [[Alitam]] || 2.000–3.000<br />
|-<br />
| [[Brazzein]] || 500–2.000<br />
|-<br />
| [[Dulcin]] || 200<br />
|-<br />
| [[Hernandulcin]] || ca. 1.250<br />
|-<br />
| [[Lugdunam]] || 220.000–300.000<br />
|-<br />
| [[Monellin]] || 800–2.000<br />
|-<br />
| [[Pentadin]] || 500<br />
|}<br />
Voraussetzung für die Wirkung von Süßstoffen ist, dass sie von ihrer chemischen Struktur her in der Lage sind, an die [[Geschmackssinn|Geschmacksrezeptoren]] anzudocken. Zahlenangaben über die relative Süßkraft sind Richtwerte und werden auf eine drei- bis vierprozentige Saccharoselösung bezogen. Die Süßkraft 500 besagt, dass eine 500fach verdünnte Lösung des Süßstoffes die gleiche Süßkraft wie die Saccharoselösung aufweist. Die Süßkraft ist außerdem abhängig von den weiteren Bestandteilen des gesüßten Nahrungsmittels, dessen Temperatur sowie von seinem [[pH-Wert]].<br />
Es zeigen sich z.&nbsp;T. [[Synergie|Synergismen]] zwischen verschiedenen Süßstoffen, wie z.&nbsp;B. zwischen Aspartam und Acesulfam, die zu einer noch höheren Süßkraft führen kann. Zur geschmacklichen Verbesserung werden Saccharose-basierte Süßstoffe häufig mit anderen Süßstoffen oder mit [[Zuckeraustauschstoff]]en kombiniert. In reiner Form genossen, können Süßstoffe z.&nbsp;T. Lakritz-, Menthol- oder Sauergeschmäcke aufweisen.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Neben der schon bei den Römern für die Zubereitung von [[Defrutum]] bekannten Verwendung von [[Blei]]gefäßen, mit denen der damit giftige „[[Bleizucker]]“ entstand, ist das vom deutschen Zuckerchemiker [[Constantin Fahlberg]] gefundene „[[Saccharin]]“ der älteste künstliche Süßstoff. Es kam 1885 erstmals auf den Markt. Als es um 1900 dem Zucker Konkurrenz zu machen begann, wurde es auf Druck der Zuckerindustrie in verschiedenen Staaten unter Apothekenzwang gestellt, sodass es nur noch gegen ein Arztzeugnis (zum Beispiel für [[Diabetes mellitus|Diabetiker]]) erhältlich war. Ebenso wie Saccharin wurde [[Cyclamat]] 1937 durch Zufall bei der Suche nach einem fiebersenkenden Arzneimittel entdeckt, als ein Chemiker bemerkte, dass eine auf dem Labortisch abgelegte Zigarette süß schmeckte. In den beiden Weltkriegen ersetzten Süßstoffe teilweise den damals knappen Zucker. Der Süßstoff Sucrononsäure mit der extrem hohen Süßkraft von 200.000 wurde 1990 synthetisiert, kam jedoch bisher nicht auf den Markt.<br />
<br />
== Gesundheitliche Bewertung ==<br />
<br />
Über die Langzeitwirkung des Einsatzes von Süßstoffen, insbesondere deren Kombinationen, gibt es bisher wenige gesicherte Erkenntnisse. Studien zu möglichen gesundheitsschädlichen Wirkungen gelangten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach Aussage der [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung|Deutschen Gesellschaft für Ernährung]] gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes [[Krebs (Medizin)|Krebsrisiko]] durch die Verwendung von Süßstoffen. Nur eine Studie habe ein erhöhtes Risiko für [[Blasenkrebs]] bei hohem Süßstoffkonsum ergeben.<ref name="dge">[[Deutsche Gesellschaft für Ernährung]] (DGE): [http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=720 ''Süßstoffe in der Ernährung'']. Auf: dge.de, 2. Mai 2007.</ref><ref name="Weihrauch2001">Martin R. Weihrauch u.&nbsp;a.: ''Künstliche Süßstoffe – Haben sie ein kanzerogenes Potential?'' In: ''Medizinische Klinik.'' 96, Nr. 11, 2001, S.&nbsp;670–675. [[doi:10.1007/PL00002158]].</ref><br />
<br />
Das [[Bundesinstitut für Risikobewertung]] hält den Einsatz der innerhalb der EU zugelassenen Süßstoffe für gesundheitlich unbedenklich, sofern die jeweiligen Höchstmengen nicht überschritten werden. In der Bewertung aus dem Jahr 2003 heißt es: „Von Verbrauchern wurden wiederholt Fragen nach potentiellen unerwünschten Wirkungen bzw. Nebenwirkungen zum Beispiel bei Verwendung des Süßstoffs [[Aspartam]] gestellt. Dabei wurden die im Stoffwechsel aus Aspartam entstehenden Stoffe [[Asparaginsäure]], [[Phenylalanin]] und [[Methanol]] mit unerwünschten Wirkungen wie Kopfschmerzen, [[Allergie]]n, neuroendokrinen Veränderungen, [[Epilepsie]] oder Hirntumoren in einen mutmaßlichen Zusammenhang gebracht. Nach eingehender Überprüfung […] konnten die vermuteten Zusammenhänge nicht bestätigt werden“.<ref name="BfR">[[Bundesinstitut für Risikobewertung]] (BfR): [http://www.bfr.bund.de/cm/208/bewertung_von_suessstoffen.pdf ''Bewertung von Süßstoffen'']. Auf: bfr.bund.de, 21. August 2003 ([[PDF]]; 20&nbsp;kB).</ref><br />
{| class="wikitable float-right" style="text-align:center"<br />
|+ [[Erlaubte Tagesdosis|ADI]] der in der [[Europäische Union|EU]] zugelassenen Süßstoffe<ref>zusatzstoffe-online.de: [http://www.zusatzstoffe-online.de/ Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe].</ref><br />
|- class="hintergrundfarbe6"<br />
! style="width:17em"| Name !! style="width:10em" |ADI in mg/kg Körpergewicht<br />
|-<br />
| [[Acesulfam]] ([[E 950]]) || 9<br />
|-<br />
| [[Aspartam]] ([[E 951]]) || 40<br />
|-<br />
| [[Aspartam-Acesulfam-Salz]] ([[E 962]]) || 20<br />
|-<br />
| [[Cyclamat]] ([[E 952]]) || 7<br />
|-<br />
| [[Neohesperidin]] ([[E 959]]) || 5<br />
|-<br />
| [[Neotam]] ([[E 961]]) || 2<br />
|-<br />
| [[Saccharin]] ([[E 954]]) || 5<br />
|-<br />
| [[Sucralose]] ([[E 955]]) || 15<br />
|-<br />
| [[Steviosid]] ([[E 960]]) || 4<br />
|-<br />
| [[Thaumatin]] ([[E 957]]) || keiner festgelegt<br />
|}<br />
Aus der Auswertung der zehn bis dahin vorliegenden Studien zum Zusammenhang von Süßstoffen und Krebsrisiko beim Menschen zog eine Forschungsgruppe der Universitätsklinik Köln 2001 vier Schlüsse:<ref name="Weihrauch2001" /><br />
* Saccharin kann bei Ratten in extrem hohen Dosen Blasenkrebs auslösen, was jedoch auf die spezielle Reaktion von Nagetieren auf Natriumsalze zurückzuführen ist.<ref name="Weihrauch2001" /><br />
* Nur eine Studie konnte bis 2001 ein leicht erhöhtes Blasenkrebsrisiko ([[Relatives Risiko|RR]] 1,3; [[Konfidenzintervall|KI]] 0,9–2,1) beim Menschen durch starken Süßstoffkonsum über 1,68&nbsp;g (1.680&nbsp;mg) pro Tag belegen, das allerdings ebenso durch starken Kaffeekonsum oder durch Harnwegsinfektionen erreicht werden kann. Eine Identifikation der Wirkung einzelner Süßstoffe ist dabei jedoch wegen der üblichen Vermischung nicht möglich.<ref name="Weihrauch2001" /><br />
* {{"|Trotz teils reißerischer und unwissenschaftlicher Artikel in der Laien- sowie der Fachpresse gibt es bislang keinen fundierten Nachweis, dass der Zuckerersatzstoff Aspartam [[karzinogen]] wirkt.}}<ref name="Weihrauch2001" /><br />
* Über Süßstoffe der zweiten Generation wie Acesulfam-K, Sucralose, Alitam oder Neotam lassen sich keine Aussagen machen, da sie erst seit zu kurzer Zeit im Einsatz waren.<ref name="Weihrauch2001" /><br />
<br />
Ein Übersichtsartikel von 2013 kam zum Schluss, dass noch keine evidenzbasierte Empfehlung für oder gegen Süßstoffe ausgesprochen werden könne und dass Süßstoffe zwar als diätetisches Hilfsmittel zwar für Diabetespatienten oder bei einer auf Gewichtsreduktion ausgerichteten Ernährung hilfreich sein mögen, dass aber für eine optimale Gesundheit zu empfehlen sei, nur minimale Mengen von Zucker und Süßstoffen zu konsumieren.<ref>P. Shankar, S. Ahuja, K. Sriram: ''Non-nutritive sweeteners: Review and update.'' In: ''Nutrition.'' Vol. 29, Nr. 11–12, 2013, S.&nbsp;1293–1299. PMID 23845273, [[doi:10.1016/j.nut.2013.03.024]].</ref><br />
<br />
Personen, die unter einer [[Phenylketonurie]] leiden, dürfen den Süßstoff Aspartam nicht zu sich nehmen. Daher müssen Produkte, die Aspartam enthalten, in der EU mit dem Hinweis „enthält eine Phenylalaninquelle“ oder „mit Phenylalanin“ gekennzeichnet sein.<ref name="dge" /> Neugeborene werden heute auf Phenylketonurie routinemäßig getestet. Jede eiweißhaltige Ernährung (insbesondere auch Milch, einschließlich Muttermilch) kann Menschen mit Phenylketonurie schädigen.<br />
<br />
== Studien ==<br />
<br />
Im Jahr 1986 berichtete das britische Forscherteam J.&nbsp;E. Blundell und A.&nbsp;J. Hill im Magazin [[The Lancet]] von einem Versuch, bei dem die Testpersonen nach dem Trinken von mit Süßstoff angereichertem Wasser über stärkere [[Hunger]]gefühle berichteten als nach dem Trinken derselben Menge reinen Wassers.<ref>J. E. Blundell, A. J. Hill: ''Paradoxical effects of an intense sweetener (Aspartame) on appetite.'' In: ''[[The Lancet]].'' Volume 327, Issue 8489, 10. May 1986, S.&nbsp;1092–1093. [[doi:10.1016/S0140-6736(86)91352-8]].</ref><br />
<br />
Seitdem haben zahlreiche Studien die mögliche Wirkung von künstlichen Süßstoffen auf [[Appetit]] und Hunger untersucht. Außer Blundell/Hill fand nur eine Studie Hinweise auf eine appetitsteigernde Wirkung, und zwar bei einem Test mit [[Kaugummi]].<ref name="dge" /><ref name="review">F. Bellisle, A. Drewnowski: ''Intense sweeteners, energy intake and the control of body weight.'' In: ''European Journal of Clinical Nutrition.'' 61, 2007, S.&nbsp;691–700. PMID 17299484; [[doi:10.1038/sj.ejcn.1602649]].</ref><br />
<br />
Mit Bezug auf Blundell/Hill wurde die Hypothese aufgestellt, dass Süßstoffe ebenso wie Zucker eine verstärkte Ausschüttung von [[Insulin]] kurz nach ihrer Aufnahme bewirkten ([[Cephalus|cephalische]] Insulinreaktion), obwohl diese im Gegensatz zu Zucker und [[Kohlenhydrate]]n dem Körper keine [[Glucose]] zuführen. Kurze Zeit später komme es dann zu einem starken Abfall des [[Blutzucker]]spiegels, was die Hungergefühle erkläre. In mehreren Versuchen wurde jedoch dieser Effekt nicht bestätigt.<ref name="review" /><br />
<br />
Eine Studie aus dem Jahr 1998 zeigte, dass verschiedene Süßstoffe mit einer [[bitter]]en Geschmackskomponente (Natrium[[saccharin]], Natrium[[cyclamat]], [[Steviosid]] und [[Acesulfam-K]]), nicht jedoch [[Aspartam]], an isolierten Ratten-[[Pankreas]]-[[Inselzellen]] die Insulinausschüttung statistisch signifikant steigerten.<ref name="bitter">Willy J. Malaisse u.&nbsp;a.: ''Effects of Artificial Sweeteners on Insulin Release and Cationic Fluxes in Rat Pancreatic Islets'' In: ''Cellular Signalling .'' Vol. 10, No. 10, 1998, S.&nbsp;627–733, {{ISSN|0898-6568}}/98.</ref> In einer Studie von Härtel und Graubaum aus dem Jahre 1993 mit 14 Personen konnte keine Steigerung des Plasmainsulins nach der Aufnahme von Aspartam, Acesulfam, Cyclamat und Saccharin festgestellt werden.<ref>Denise Jung: [http://books.google.de/books?id=PyiWBAAAQBAJ&pg=PA20&lpg=PA20&dq=Blundell+Hill+aspartam&source=bl&ots=xEsX1KMSRv&sig=kROel-6voAW1aj2hwBZYBbSccII&hl=de&sa=X&ei=EnaEVPP4OsTlUvOEg-AP&ved=0CCwQ6AEwAjgK#v=onepage&q=Blundell%20Hill%20aspartam&f=false ''Zur Bedeutung energiereduzierter Lebensmittel für die Gewichtsreduktion.''] Hamburg 2014, ISBN 978-3-95820-123-1, S.&nbsp;20.</ref><br />
<br />
Ebenfalls basierend auf Blundell/Hill wurde die Theorie aufgestellt, dass die Verwendung von Süßstoff zu einer verstärkten Energieaufnahme führe und dadurch [[Übergewicht]] fördere. Begründet wurde dies zum einen mit der Hypothese der Appetitsteigerung, zum anderen mit der Theorie des kompensatorischen Essverhaltens, wonach der Körper eingesparte Energie bei einer Mahlzeit durch verstärkte Energieaufnahme bei späteren Mahlzeiten ausgleiche oder überkompensiere. Die meisten Studien ergaben jedoch nur eine geringe Energiekompensation im Zusammenhang mit Süßstoffen, im Durchschnitt betrug sie nur 32 Prozent.<ref name="dge" /> In einer Langzeitstudie der dänischen Universität Frederiksberg nahmen 41 Übergewichtige (mit durchschnittlich circa 28 [[Body-Mass-Index|BMI]]) täglich knapp einen Liter Limonade oder Saftgetränke zu sich, die mit Zucker ([[Saccharose]]) oder mit Süßstoffen (einer Mischung aus Aspartam, Acesulfam-K, Cyclamat und Saccharin) gesüßt waren. Nach 10 Wochen wies die erste Gruppe ein im Schnitt um 1,3&nbsp;kg erhöhtes Gewicht auf, das Gewicht der Süßstoff-Gruppe hingegen um 0,3&nbsp;kg gefallen.<ref name="Sucrose compared with artificial sweeteners">A. Raben, T. H. Vasilaras, A. C. Møller, A. Astrup: ''Sucrose compared with artificial sweeteners: different effects on ad libitum food intake and body weight after 10 wk of supplementation in overweight subjects.'' In: ''American Society for Clinical Nutrition.'' 76, 2002, Nr. 4, S.&nbsp;721–729. PMID 12324283.</ref> Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2007 hingegen listet 19 Studien auf, von denen drei eine appetitsteigernde und drei eine appetitmindernde Wirkung angeben, alle übrigen ergaben keinen Einfluss von Süßstoff auf Hunger und Kalorienaufnahme.<ref name="review" /><br />
<br />
Yang stellte 2010 die Hypothese auf, dass die sensorische Komponente (süßer Geschmack) ohne die entsprechende kalorische Komponente (energiereiche Moleküle im Blut) das [[Mesolimbisches System|Belohnungssystem]] des Gehirns nur teilweise aktiviert (die sensorische Komponente beeinflusst z.&nbsp;B. das mesolimbische [[Dopamin]]-System, die kalorische den Hypothalamus). Dies könnte laut Yang zur Folge haben, dass das Nahrungssuche-Verhalten unabhängig vom tatsächlichen körperlichen Energiebedarf verstärkt gezeigt wird, um die fehlende Komponente zu ergänzen. Des Weiteren führen Gewöhnungseffekte dazu, dass das mesolimbische System immer schwächer auf Süße reagiert, was zu einer weiteren Steigerung der Aufnahme süßer Nahrungsmittel führen könnte. Zusätzlich korreliert laut Yang die Menge des durchschnittlichen Konsums einer Geschmacksrichtung bei einer Person mit der Vorliebe für die Intensität dieser Geschmacksrichtung. Somit würde die häufige Aufnahme süßer Nahrungsmittel und Getränke dazu führen, einen immer stärkeren Grad an Süße zu bevorzugen. Als mögliches Indiz für diese Zusammenhänge wird angeführt, dass sowohl der Prozentsatz der US-Amerikaner, die Süßstoff konsumieren, als auch der Bevölkerungsanteil mit einem BMI > 30 seit 1960 stark gestiegen sind.<ref>Q. Yang: ''Gain weight by "going diet?" Artificial sweeteners and the neurobiology of sugar cravings: Neuroscience 2010.'' In: ''The Yale journal of biology and medicine.'' Band 83, Nummer 2, Juni 2010, S.&nbsp;101–108, {{ISSN|1551-4056}}. PMID 20589192. {{PMC|2892765}}. (Review).</ref><br />
<br />
In einer 2014 veröffentlichten Studie aus Israel wurden nach Süßstoff-Zufuhr (Saccharin, Sucralose oder Aspartam) auftretende Störungen von [[Darmflora]] und Glukosestoffwechsel bei Mäusen belegt (Jotham Suez u.&nbsp;a., Weizmann Institut in [[Rehovot]]).<ref name="aerzteblatt2014">''Süßstoffe: Studie belegt Störung von Darmflora und Glukosestoffwechsel.'' In: ''Ärzteblatt.'' 18. September 2014. [http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/60139/Suessstoffe-Studie-belegt-Stoerung-von-Darmflora-und-Glukosestoffwechsel (online)].</ref><ref name="Suez-etal-2014">J. Suez u.&nbsp;a.: ''Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gutmicrobiota.'' In: ''Nature.'' 2014. [[doi:10.1038/nature13793]].</ref> Die daraufhin erfolgte Analyse von Daten von 381 nicht-diabetischen Teilnehmern einer anderen laufenden ernährungsphysiologischen Studie ergab: Teilnehmer, die Süßstoffe benutzten, wogen mehr, hatten höhere Werte bei [[Blutzucker|Nüchtern-Blutzucker]] und [[HbA1c]] sowie eine gestörte orale Glukosetoleranz; die Untersuchung der [[Faeces]] ergab eine Veränderung der Darmflora.<ref name="aerzteblatt2014" /><ref name="Suez-etal-2014" /><br />
<br />
== Auswirkung auf die Umwelt ==<br />
Süßstoffe werden nach dem Verzehr vom menschlichen Körper ausgeschieden und gelangen auf diese Weise in die Umwelt. Ihre dortigen Auswirkungen sind derzeit noch nicht absehbar. Manche Süßstoffe werden in [[Kläranlage]]n nicht abgebaut. Die [[Stiftung Warentest]] verwendet deshalb den Nachweis von Süßstoffen im [[Mineralwasser]] als Indikator für oberirdische Verunreinigungen: „Werden Süßstoffe im Mineralwasser nachgewiesen, deutet das darauf hin, dass Mineralwasserquellen nicht genügend geschützt sind und Wasser aus oberen Schichten eindringt.“<ref>''[https://www.test.de/Marmeladen-Lightprodukte-Suessstoffe-drosseln-die-Kalorien-4380531-0/ Marmeladen-Lightprodukte: Süßstoffe drosseln die Kalorien].'' In: Stiftung Warentest. test.de. 24. Mai 2012. Abgerufen am 24. Juni 2013.</ref><ref>''[https://www.test.de/Natuerliches-Mineralwasser-48-Mineralwaesser-im-Test-4258945-4258970/ Natürliches Mineralwasser: 48 Mineralwässer im Test. So testet die Stiftung Warentest].'' In: Stiftung Warentest. test.de. 24. April 2013. Abgerufen am 24. Juni 2013.</ref> In großen Mengen gelangt Süßstoff auch in Flüsse und Seen, so auch in den [[Rhein]]: "Bei Acesulfam liegt die Konzentration im dreistelligen Nanogrammbreich pro Liter Rheinwasser."<ref>Andreas Fath: ''Rheines Wasser – 1231 Kilometer mit dem Strom'', Carl Hanser Verlag, München 2016, ISBN 978-3-446-44871-1, S.&nbsp;135.</ref> Und: "Mit einer jährlichen Fracht von über 40 Tonnen und einer durchschnittlichen Konzentration von 1,2 Mikrogramm pro Liter Wasser ist Acesulfam die mit Abstand höchstkonzentrierte organische Substanz im Rhein."<ref>Andreas Fath: ''Rheines Wasser – 1231 Kilometer mit dem Strom'', Carl Hanser Verlag, München 2016, ISBN 978-3-446-44871-1, S.&nbsp;140-142.</ref><br />
<br />
== Weitere Süßstoffe ==<br />
* [[Advantame]]<ref name="Kay">Kay O'Donnell, M. W. Kearsley: ''Sweeteners and Sugar Alternatives in Food Technology.'' John Wiley & Sons, 2012, ISBN 978-0-470-65968-7, [http://www.chemistry-chemists.com/chemister/Pishevye/sweeteners-and-sugar-alternatives-in-food-technology-2012.pdf online] (PDF; 3,50&nbsp;MB), auf chemistry-chemists.com, abgerufen am 30. November 2016.</ref><br />
* [[Curculin]]<br />
* [[Erythrit]]<br />
* [[Glycyrrhizin]]<br />
* [[Luo Han Guo]]<ref name="Kay" /><br />
* [[Miraculin]]<br />
* [[Mogroside]]<ref name="Kay" /><br />
* [[Monatin]]<ref name="Kay" /><br />
* [[Osladin]]<br />
* [[Perillartin]]<br />
* [[Phyllodulcin]]<br />
* [[Stevia]]<br />
* [[Tagatose]]<br />
* [[Guanidin#Derivate|Guanidin: Derivate]]<br />
* [[Nitroaniline#Derivate|Nitroaniline: Derivate]]<br />
* [[Zucker#Natürliche Süßungsmittel|Natürliche Süßungsmittel]]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* G. W. von Rymon Lipinski, Erich Lück: ''Süßstoffe − Entwicklung und Tendenzen.'' In: ''[[Chemie in unserer Zeit]].'' 9. Jahrg. 1975, Nr. 5, S. 142–145, {{ISSN|0009-2851}}.<br />
* [[Christoph Maria Merki]]: ''Zucker gegen Saccharin. Zur Geschichte der künstlichen Süßstoffe''. Campus Verlag, Frankfurt am Main/ New York 1993, ISBN 3-593-34885-3.<br />
* J. Ahmed, S. Preissner, M. Dunkel, C. L. Worth, A. Eckert, R. Preissner: ''SuperSweet – a resource on natural and artificial sweetening agents.'' In: ''[[Nucleic Acids Res.]]'' 2010. PMID 20952410 [[doi:10.1093/nar/gkq917]].<br />
* {{Literatur|Autor=[[Klaus Roth (Chemiker)|Klaus Roth]], Erich Lück|Titel=Kalorienfreie Süße aus Labor und Natur|Sammelwerk=Chemie in unserer Zeit|Band=46|Nummer=3|Jahr=2012|Seiten=168–191|DOI=10.1002/ciuz.201200587|ISSN=0009-2851}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary}}<br />
{{Wikisource|Gesetz, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen|Gesetz, betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen (Deutschland, 1898)}}<br />
* [[Bundesinstitut für Risikobewertung]] (BfR): [http://www.bfr.bund.de/cm/208/bewertung_von_suessstoffen.pdf ''Bewertung von Süßstoffen'']. Auf: bfr.bund.de, 21. August 2003 ([[PDF]]; 20&nbsp;kB).<br />
* [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung]] (DGE): [http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=720 ''Süßstoffe in der Ernährung'']. Auf: dge.de, 2. Mai 2007.<br />
* [[Deutsche Gesellschaft für Ernährung]] (DGE): [http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=740 ''Süßstoffe – süß und sicher'']. Auf: dge.de, 8. Aug 2007.<br />
* [http://www.sweeteners.org/images/isa/ISABooklet-Feb2014.pdf ''Low-Calorie Sweeteners – Role and Benefits''] (PDF; 1,6&nbsp;MB).<br />
* [http://www.sugar-and-sweetener-guide.com/ ''Sugar and Sweetener Guide''] auf sugar-and-sweetener-guide.com, abgerufen am 25. November 2016.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Navigationsleiste Süßstoffe}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Sussstoff}}<br />
[[Kategorie:Süßstoff| ]]<br />
[[Kategorie:Lebensmittelersatz]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dieter_Frey_(Psychologe)&diff=160867813Dieter Frey (Psychologe)2016-12-21T12:50:03Z<p>138.246.2.191: Einige Wörter geändert, Quelle Vita der LMU Homepage (http://www.psy.lmu.de/soz/personen/leitung/frey/)</p>
<hr />
<div>'''Dieter Frey''' (* [[27. Juni]] [[1946]] in [[Röt (Baiersbronn)|Röt]]) ist ein [[Deutschland|deutscher]] [[Psychologe]].<br />
<br />
Dieter Frey wurde in Röt (Baiersbronn) im Nordschwarzwald geboren und hat Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Rastatt gemacht. Er hat in Mannheim und Hamburg Sozialwissenschaften (Psychologie, Ökonomie, Pädagogik u. Soziologie) studiert. Vom Diplom 1970 in Mannheim bis zur Habilitation war er Mitarbeiter am interdisziplinären Sonderforschungsbereich der Universität Mannheim über Entscheidungsforschung (Beteiligung von Ökonomen, Juristen und Psychologen). Seine Promotion erfolgte 1973 zum Thema Verarbeitung selbstbedrohender Informationen unter Prof. Martin Irle. Von 1976 bis 1977 erhielt ein Habilitationsstipendium der DFG und der VW Stiftung, in dessen Rahmen er längere USA-Aufenthalte in Austin/Texas sowie Madison/Wisconsin hatte. 1978 habilitierte Frey an der Universität Mannheim bei Prof. Irle und Prof. Albert über Informationsverarbeitung bei Entscheidungen und war anschließend bis 1993 Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. An der Graduate Faculty der New School für Social Research in New York war er 1989/1990 Theodor-Heuss-Professor, bis er im Jahr 1993 einen Ruf der [[Ludwig-Maximilians-Universität]] in München annahm, deren Dekan der Psychologischen Fakultät er von 1998 bis 2002 war.<br />
<br />
Seit 1993 ist er Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie der LMU München und seit 2007 Leiter des LMU-Centers for Leadership and People Management. <br />
<br />
Seit 1996 ist Frey Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]]. Von 2003 bis 2013 war er akademischer Leiter der [[Bayerische Elite-Akademie|Bayerischen Elite-Akademie]]. Er ist Träger des [[Deutscher Psychologie-Preis|Deutschen Psychologie-Preises]] 1998 (Psychologe des Jahres) und Preisträger 2016 der [[Dr. Margrit Egnér-Stiftung]] der Universität Zürich mit der Widmung, durch seine Forschung die Welt etwas fairer und humaner gemacht zu haben. <br />
<br />
2016 erhielt er den [[Martin-Irle-Preis]] für gute Nachwuchsförderung der [[Deutsche Gesellschaft für Psychologie|Deutschen Gesellschaft für Psychologie]]. Über viele Jahre war er Dekan der Fakultät 11 der LMU München. Ebenso war er ca. zehn Jahre Gutachter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Vor seiner Münchner Zeit hatte er Rufe an die Universitäten Bielefeld, Bochum, Heidelberg, Hamburg und Zürich erhalten.<br />
<br />
Frey ist Mitglied der ESMT Visiting Faculty (European School of Management & Technology, Berlin) und Seminarleiter am USW (Universitätsseminar der Deutschen Wirtschaft) zur Thematik Führung von Mitarbeitern. 2010 war er Mitbegründer der bundesdeutschen Initiative Generation D (Wie bringt man Deutschland voran?) zusammen mit Allianz, Süddeutscher Zeitung, Stiftung Marktwirtschaft und Deutsche Eliteakademie. Ein Jahr später wurde er von der Zeitschrift Personalmagazin als „Praktischer Ethiker“ und einer der führenden Köpfe im Personalbereich in Deutschland ausgezeichnet. <br />
<br />
Frey forscht auf den Gebieten des Entscheidungsverhaltens in Gruppen, der [[Teamarbeit]], der [[Teamführung|Führung]], der Erhöhung von [[Kreativität]] und der [[Motivation]] und setzt sich für den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis ein. Insgesamt umfassen seine Arbeiten ca. 600 Veröffentlichungen in Zeitungen, wissenschaftlichen Zeitschriften, Buchbeiträgen und Büchern. <br />
<br />
== Veröffentlichungen (Auswahl) ==<br />
* Fischer, P., Frey, D., Peus, C. & Kastenmueller, A. (2008). The theory of cognitive dissonance: State of the science and directions for future research. In P. Meusburger, M. Welker & E. Wunder (Eds.), Clashes of Knowledge- Orthodoxies and Heterodoxies in Science and Religion (p. 189-198). Heidelberg: Springer.<br />
* Fischer, P., & Greitemeyer, T., & Frey, D. (2008). Self-regulation and selective exposure: The impact of depleted self-regulation resources on confirmatory information processing. Journal of Personality and Social Psychology, 94(3), 382-395.<br />
* Fischer, P., Jonas, E., Kastenmüller, A. & Frey, D. (2008). Selective exposure and decision framing: The impact of gain and loss framing on confirmatory information search after decisions. Jour-nal of Experimental Social Psychology, 44, 312-320.<br />
* Fischer, P., Schulz-Hardt, S. & Frey, D. (2008). Selective exposure and information quantity: How different information quantities moderate decision makers’ preference for consistent and incon-sistent information. Journal of Personality and Social Psychology, 94(2), 231-244.<br />
* Frey, D., Gerkhardt, M. & Fischer, P. (2008). Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei Veränderungen. In R. Fisch, A. Müller & D. Beck (Hrsg.): Veränderungen in Organisationen. 281 – 300. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.psy.lmu.de/soz/personen/leitung/frey/ Dieter Frey auf der Website der LMU München]<br />
* [http://videoonline.edu.lmu.de/dozenten/dieter_frey Verschiedene Vorträge von Dieter Frey an der LMU München] im [[Quicktime]]-Format mit Simultananzeige der [[Powerpoint]]-Präsentation<br />
<br />
{{Normdaten|TYP=p|GND=12940974X|LCCN=n/78/75666|VIAF=266382297}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Frey, Dieter}}<br />
[[Kategorie:Sozialpsychologe]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Ludwig-Maximilians-Universität München)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1946]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Frey, Dieter<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Psychologe, Hochschullehrer<br />
|GEBURTSDATUM=27. Juni 1946<br />
|GEBURTSORT=[[Röt (Baiersbronn)|Röt]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Trapped_in_the_Closet:_Chapters_1%E2%80%9312&diff=141605880Trapped in the Closet: Chapters 1–122015-04-29T16:23:20Z<p>138.246.2.191: /* Soundtrack */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Film<br />
| Bild = <br />
| DT = <br />
| OT = Trapped In The Closet Chapters 1–12<br />
| PL = [[Vereinigte Staaten]]<br />
| PJ = 2005<br />
| FSK = 12<br />
| LEN = 43<br />
| OS = [[Englische Sprache|Englisch]]<br />
| REG = [[R. Kelly]]<br />Jim Swaffield<br />
| DRB = [[R. Kelly]]<br />
| PRO = R. Kelly<br />Ann Carli<br />Barry Weiss<br />Elliot Lewis Rosenblatt<br />Rick Johnson<br />
| MUSIK = [[R. Kelly]]<br />
| KAMERA = David Hennings<br />
| SCHNITT = <br />
Victor Mignatti<br />Jim Swaffield<br />Kenneth Wachtel<br />
| DS = *[[R. Kelly|Robert Kelly]]: Sylvester<br />
* Cat Wilson: Gwendolyn<br />
* Rolando A. Boyce: Rufus<br />
* LeShay Tomlinson: Cathy<br />
* Malik Middleton: Chuck<br />
* [[Michael K. Williams]]: James<br />
* Eric LaneTwan<br />
* [[Rebecca Field]]: Bridget<br />
* Drevon Cooks: Big Man<br />
}}<br />
'''Trapped In The Closet – Chapters 1–12''' ist der erste Teil eines mehrteiligen [[Dramedy]]-[[Musical]]films unter der Regie von [[R. Kelly]]. Kelly selbst beschreibt das Projekt als sogenannte ''hip hopera,'' also eine [[Hip-Hop]]-Oper. Zudem agierte Kelly auch als Produzent und schrieb auch das Drehbuch. Des Weiteren ist er der Erzähler der Geschichte, Synchronstimme für alle Schauspieler, Komponist des Soundtracks und Hauptdarsteller. Bei den [[Grammy Awards 2006]] erhielt der Film eine Nominierung als „Best Long Form Music Video“.<br />
<br />
== Veröffentlichung ==<br />
Der Musikfilm beruht auf dem fünfteiligen Song ''Trapped In The Closet'' aus R. Kellys Studioalbum [[TP-3: Reloaded]] und stellt eine Komplettierung der anfänglich fünf zusammenhängenden [[Musikvideo]]s dar. Der Film ist das Regiedebüt von Kelly. Während die ersten fünf Kapitel des Films exklusiv als Teil der Deluxe-Edition des Albums TP-3: Reloaded bereits am 5. Juli, 2005 veröffentlicht wurden, folgte die Weltpremiere zum 6. Kapitel von Trapped In The Closet im Rahmen einer Performance bei den [[MTV_Video_Music_Awards#2005.2C_Miami|MTV Video Music Awards 2005]]. Der komplette Film bestehend aus den ersten 12 Kapiteln erschien am 1. Oktober 2005 als [[DVD]]-Veröffentlichung. Zuvor wurden die einzelnen Kapitel bei den Fernsehsendern [[Black Entertainment Television|BET]], [[VH1]] und [[MTV]] erstausgestrahlt.<br />
<br />
== Handlung ==<br />
Sylvester wacht im Bett einer Fremden auf und stellt fest, dass er seine Frau betrogen hat. Um wiederum nicht vom Ehemann seiner Affäre Cathy entdeckt zu werden, versteckt sich Sylvester in Cathys Kleiderschrank. Als Sylvesters Handy jedoch klingelt, entdeckt ihn Ehemann und Pastor Rufus. Es beginnt ein heftiger Streit, welcher am Ende zur Folge hat, das Rufus von seiner [[Liebesbeziehung|Liaison]] mit einem Mann namens Chuck erzählt. Selbiger Chuck betritt nun auch das Haus. Ein weiterer Streit beginnt. Sylvester hat genug von dem Chaos und beschließt, nach Hause zu fahren. Als er von unterwegs dort anruft, meldet sich eine Männerstimme, statt seiner eigenen Ehefrau Gwendolyn, was Sylvester noch mehr antreibt und ihm auf dem Nachhauseweg einen Strafzettel von Polizist James einhandelt. Als Sylvester zu Hause ankommt, stellt sich heraus, dass selbiger Polizist mit Gwendolyn geschlafen hatte und auch das Telefon abnahm. Da auch Gwendolyn von Sylvesters Seitensprung weiß, vertragen sich die beiden wieder. Kurz darauf kommt Gwendolyns Bruder Twan aus dem Gefängnis zurück. Währenddessen beginnt der Erzähler von James' Ankunft bei sich zu Hause zu erzählen. Es stellt sich heraus, dass seine Frau Bridget ihn mit dem kleinwüchsigen Stripper namens ‘Big Man’ betrogen hat. Wutentbrannt zückt James seine Waffe, um den [[Stripper]] zu töten. Bridget wählt derweil verzweifelt die Nummer, die sie in der Tasche ihres Ehemanns fand, und erreicht Gwendolyn, welche ihren Bruder Twan samt Ehemann Sylvester ihr zur Hilfe schickt. Den beiden gelingt es, noch einen Mord abzuwenden. Im letzten Kapitel, ''Chapter 12'', wird nun nochmal in den Haushalt von Cathy und Rufus geblendet. Diese streiten sich immer noch lautstark mit Chuck. Plötzlich erhält Cathy einen Anruf von ihrer Freundin Gwendolyn. Diese will ihr entnervt vom Fremdgehen ihres Mannes erzählen. Cathy realisiert nun, sie hat mit dem Mann ihrer Freundin geschlafen. Es folgt ein [[Cliffhanger]] mit dem Wortlaut ''to be continued'' ([[Deutsche Sprache|deutsch:]] „Fortsetzung folgt“).<br />
<br />
== Soundtrack ==<br />
Die Musik zu den ersten fünf Kapitel des Films findet sich auf dem Musikalbum TP-3: Reloaded. Die Songs zu den ersten beiden Kapitel wurden zudem als eigenständige Singles ausgekoppelt. Die Audiospur zu Kapitel sechs, ist als B-Seite auf der CD-Single zu ''Burn It Up'' zu finden. Am 8. November folgte ein komplettes Soundtrackalbum mit allen zwölf Musikspuren, welches ausschließlich digital erhältlich ist.<ref name="amazon1">[http://www.amazon.de/gp/product/B002VTQPJS/ref=sr_1_album_2_rd?ie=UTF8&child=B002VTTLYO&qid=1331931936&sr=1-2 ''Trapped In The Closet''-Soundtrack] bei ''amazon.de''</ref><br />
<br />
;Tracklist<ref name="amazon1" /><br />
# Trapped In The Closet (Chapters 1–5)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 6)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 7)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 8)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 9)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 10)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 11)<br />
# Trapped In The Closet (Chapter 12)<br />
<br />
== Fortsetzungen ==<br />
Im Jahre 2007 folgte ein [[Trapped In The Closet: Chapters 13–22|Sequel mit den Kapitel 13–22]]. Im November 2012 erschienen mit [[Trapped In The Closet: 23–33]] elf weitere Kapitel.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{IMDb Titel|tt0491587}}<br />
* {{OFDb|140895}}<br />
<br />
[[Kategorie:Filmtitel 2005]]<br />
[[Kategorie:US-amerikanischer Film]]<br />
[[Kategorie:Fernsehfilm]]<br />
[[Kategorie:Filmdrama]]<br />
[[Kategorie:Musikfilm]]<br />
[[Kategorie:Kurzfilm]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Irinotecan&diff=139677880Irinotecan2015-03-11T11:30:43Z<p>138.246.2.191: /* Nebenwirkungen */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Chemikalie<br />
| Strukturformel = [[Datei:Irinotecan.svg|200px|Strukturformel von Irinotecan]]<br />
| Suchfunktion = C33H38N4O6<br />
| Freiname = Irinotecan<br />
| Andere Namen = (''S'')-4,11-Diethyl-3,4,12,14-tetrahydro-4-hydroxy-3,14-dioxo-1''H''-pyrano[3′,4′:6,7]-indolizino[1,2-''b'']chinolin-9-yl-[1,4′-bipiperidin]-1′-carboxylat monohydrochlorid trihydrat<br />
| Summenformel = * C<sub>33</sub>H<sub>38</sub>N<sub>4</sub>O<sub>6</sub><small>(Irinotecan)</small><br />
* C<sub>33</sub>H<sub>38</sub>N<sub>4</sub>O<sub>6</sub>·HCl <small>(Irinotecan·Mono[[hydrochlorid]])</small><br />
* C<sub>33</sub>H<sub>38</sub>N<sub>4</sub>O<sub>6</sub>·HCl·3H<sub>2</sub>O <small>(Irinotecan·Monohydrochlorid·Tri[[Kristallwasser|hydrat]])</small><br />
| CAS = * 97682-44-5 <small>(Irinotecan)</small><br />
* 100286-90-6 <small>(Irinotecan·Mono[[hydrochlorid]])</small><br />
* 136572-09-3 <small>(Irinotecan·Monohydrochlorid·Tri[[Kristallwasser|hydrat]])</small><br />
* 130144-33-1 <small>[(''RS'')-Irinotecan]</small><br />
| PubChem = 60838<br />
| ATC-Code = {{ATC|L01|XX19}}<br />
| DrugBank = DB00762<br />
| Wirkstoffgruppe = [[Zytostatika|Zytostatikum]]<br />
| Wirkmechanismus = [[Topoisomerase I]]-Hemmer<br />
| Molare Masse = * 586,68 [[Gramm|g]]·[[mol]] <small>(Irinotecan)</small><br />
* 623.14 [[Gramm|g]]·[[mol]] <small>(Irinotecan·Monohydrochlorid)</small><br />
* 677,19 [[Gramm|g]]·[[mol]] <small>(Irinotecan·Monohydrochlorid·Tri[[Kristallwasser|hydrat]])</small><br />
| Dichte = <br />
| Schmelzpunkt = * 222–223 [[Grad Celsius|°C]] <small>(Irinotecan)</small><ref name=roempp>{{RömppOnline|Name=Irinotecan |Datum=1. Juni 2014 |ID=RD-09-01381 }}</ref><br />
* 256,5 [[Grad Celsius|°C]] <small>(Irinotecan·Monohydrochlorid·Tri[[Kristallwasser|hydrat]])</small><ref name="MERCK Index">The [[Merck Index]]: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; S. 885−886, ISBN 978-0-911910-00-1.</ref><br />
| Siedepunkt = <br />
| Dampfdruck = <br />
| pKs = <br />
| Löslichkeit = <br />
| Quelle GHS-Kz = <ref name="Sigma">{{Sigma-Aldrich|SIGMA|I1406|Datum=6. April 2011|Name=Irinotecan hydrochloride}}</ref><br />
| GHS-Piktogramme = {{GHS-Piktogramme-klein|07}}<br />
| GHS-Signalwort = Achtung<br />
| H = {{H-Sätze|302}}<br />
| EUH = {{EUH-Sätze|-}}<br />
| P = {{P-Sätze|-}}<br />
| Quelle P = <ref name="Sigma" /><br />
| Quelle GefStKz = <ref name="Sigma" /><br />
| Gefahrensymbole = {{Gefahrensymbole-klein|Xn}}Irinotecan·Monohydrochlorid<br />
| R = {{R-Sätze|22}}<br />
| S = {{S-Sätze|-}}<br />
| MAK = <br />
| ToxDaten = {{ToxDaten |Typ=LD50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=oral |Wert=867 mg·kg<sup>−1</sup> |Bezeichnung=Monohydrochlorid |Quelle=<ref name="Sigma"/> }}<br />
}}<br />
<br />
'''Irinotecan''' ist ein [[Arzneistoff]], der zur Behandlung bestimmter [[Krebs (Medizin)|Krebserkrankungen]] eingesetzt wird. Pharmakologisch ist Irinotecan ein [[Zytostatikum]] aus der Gruppe der [[Zytostatikum#Topoisomerasehemmer|Topoisomerase-Hemmer]], chemisch stellt es ein halbsynthetisches [[Derivat (Chemie)|Derivat]] des natürlich vorkommenden Pflanzeninhaltsstoffes [[Camptothecin]] dar. Camptothecin ist ein [[Alkaloid]], das aus der Pflanze ''[[Camptotheca acuminata]]'' gewonnen wird.<br />
<br />
== Wirkungsmechanismus ==<br />
Irinotecan bewirkt einen „programmierten Zelltod“ ([[Apoptose]]). Es hemmt das [[Enzym]] DNA-[[Topoisomerase]] I, das die räumliche Anordnung der [[DNA]] reguliert und in vielen Tumoren gesteigert aktiv ist. Die krankhaft gesteigerte Zellteilung des entarteten Gewebes wird gebremst.<br />
<br />
Irinotecan und sein aktiver [[Metabolit]] SN-38 lagern sich dem Komplex aus DNA-Topoisomerase I und DNA an und verhindern den Wiederverschluss des zuvor erfolgten DNA-[[Einzelstrangbruch]]s. Nach gegenwärtigem Wissensstand verursacht die [[Replikation]] von DNA durch die entsprechenden Enzyme wie [[DNA-Polymerase]]n bei Kontakt mit dem Komplex aus Irinotecan, DNA und DNA-Topoisomerase I einen [[Doppelstrangbruch]] der DNA und somit einen Abbruch der [[DNA-Replikation]]. Säugetierzellen besitzen keinen ausreichend wirksamen [[DNA-Reparatur]]mechanismus, um solche DNA-Doppelstrangbrüche zu reparieren. <br />
<br />
Bemessen am [[Zellzyklus]] ist Irinotecan nur in der [[Zellzyklus#Phasen des Zellzyklus|S-Phase]] des Zellzyklus ([[Replikation|DNA-Synthese]]) wirksam. [[ruhende Zelle|Ruhende Zellen]] (gesunde und krankhafte), welche keine DNA synthetisieren, sich also nicht in der S-Phase des Zellzyklus befinden, werden durch Irinotecan nicht beeinflusst.<br />
<br />
Verwandte Substanzen mit gleichem Wirkungsmechanismus sind [[Topotecan]] und [[Camptothecin]]. [[Etoposid]] (VP16) und [[Teniposid]] (VM26) sind zwar auch Topoisomerase-Hemmer, sie hemmen aber die DNA-Topoisomerase II.<br />
<br />
== Metabolisierung ==<br />
Irinotecan ist ein [[Prodrug]]. Es wird vor allem in der [[Leber]] durch eine [[Carboxylesterase]] vermittelte Spaltung der [[Carbamate|Carbamatverbindung]] in die aktive und [[lipophil]]e Form SN-38 überführt. SN-38 ist ein ca. 1000-fach stärkerer Hemmstoff der DNA-Topoisomerase I als Irinotecan selbst. Die [[Halbwertzeit]] von Irinotecan beträgt 14,2 (Spanne 6–12) Stunden. Die mittlere terminale [[Eliminationshalbwertszeit]] von SN-38 beträgt 10–20&nbsp;Stunden. Irinotecan wird zu 50 % an Plasmaproteine gebunden, SN-38 zu 95 %. Die Zeit zum Erreichen der Spitzenkonzentration von Irinotecan im Plasma beträgt ein bis zwei Stunden.<br />
<br />
Die Ausscheidung von Irinotecan erfolgt vorwiegend über eine [[Glucuronsäure|Glucuronidierung]] des aktiven Metaboliten SN-38 zu SN-38-[[Glucuronsäure|Glukuronid]], welches um den Faktor 50–100 schwächer wirksam ist als unverändertes SN-38. Trotz Glukuronidierung erfolgt nur eine geringfügige Ausscheidung über den Urin von SN-38 (3 %). 11–20 % des Irinotecans werden unverändert im Urin ausgeschieden. Im Stuhlgang werden 63,7±6,8 % des Irinotecan und SN-38 ausgeschieden.<br />
<br />
Sowohl Irinotecan als auch SN-38 liegen in einem pH-abhängigen Gleichgewicht zweier Zustandsformen vor: einer Lacton-Form und einer Hydroxy-Form. Ein sauerer pH bewirkt den verstärkten Übergang der Hydroxy-Form in eine Lacton-Form, ein basischer pH bewirkt das umgekehrte. Nur die Lacton-Form von Irinotecan und SN-38 haben eine Wirksamkeit gegen Zellen und sind somit aktiv. Die Hydroxy-Form hat keine Wirkung und ist somit inaktiv. Welchen Anteil SN-38 an der Anti-Tumor-Wirkung (antineoplastische Wirkung) von Irinotecan hat, ist gegenwärtig noch nicht zuverlässig geklärt.<br />
<br />
== Anwendungsgebiet(e) ==<br />
=== Metastasierter Dickdarm-/Mastdarmkrebs ===<br />
;Primärbehandlung (''first line'') <br />
Irinotecan wird bei der primären Behandlung (''first line''-Therapie) des metastasierten [[Kolonkarzinom]]s ([[Dickdarmkrebs]] mit Fernabsiedlungen; Stadium IV nach Dukes) in Kombination mit [[5-Fluoruracil]] (5-FU) und [[Folinsäure]] eingesetzt. Die bessere Wirksamkeit der Kombination Irinotecan, 5-FU und Folinsäure gegenüber 5-FU und Folinsäure allein wurde in zwei [[randomisiert]]en, kontrollierten, multinationalen klinischen Phase III-Studien nachgewiesen.<br />
<br />
;Sekundärbehandlung (''second line'') <br />
Irinotecan wird bei der sekundären Behandlung (''second line''-Therapie) des metastasierten [[Kolonkarzinom]]s eingesetzt, welches auf eine primäre Behandlung mit 5-FU und Folinsäure nicht oder nur unzureichend angesprochen hat (Beispiel: Wachstum des Tumors oder der Metastasen unter Therapie mit 5-FU und Folinsäure oder fehlender Rückgang des Tumors oder der Metastasen unter Therapie mit 5-FU und Folinsäure). Der Wirksamkeitsnachweis von Irinotecan beruht auf drei offenen klinischen multizentrischen Studien mit Irinotecan als einziger Substanz getestet gegen 5-FU Infusionen oder beste Supportivtherapie (keine Chemotherapie).<br />
<br />
=== Experimentelle Verwendung ===<br />
Irinotecan wird erprobt in der der Therapie weiterer Tumorerkrankungen wie [[Zervixkarzinom]] (Gebärmutterhalskrebs), [[Ösophaguskarzinom]] (Speiseröhrenkrebs), [[Magenkarzinom]] (Magenkrebs), [[Gliom]] (bösartiger Hirntumor, einschließlich [[Glioblastom]]), [[Lungenkarzinom]]e (Lungenkrebs), [[Mesotheliom]] (Rippenfellkrebs), [[Pankreaskarzinom]] (Bauchspeicheldrüsenkrebs), [[Gallengangskarzinom#Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung|Gallengangskarzinom]]; sowie bei Kindern und Jugendlichen zur Behandlung extrakranieller solider Tumoren (Ewing-Sarkom, Neuroblastom, [[Rhabdomyosarkom]], [[PNET]], Wilms-Tumor) oder bestimmter [[Hirntumor]]en (Ependymom, [[Medulloblastom]], [[malignes Gliom]], Glioblastom, PNET).<br />
<br />
=== Verabreichung ===<br />
Irinotecan wird langsam [[intravenös]] (über 90&nbsp;Minuten) infundiert. Sofern die Kombinationsbehandlung angezeigt ist, erfolgen unmittelbar danach zunächst die [[Folinsäure]]-Infusion und dann die [[5-FU]]-Infusion. <br />
<br />
Zur Verhinderung oder Abmilderung von unerwünschten Wirkungen von Irinotecan kann die prophylaktische Gabe von [[Atropin]] (Milderung oder Verhinderung eines cholinergen Syndroms) oder von [[Antiemetikum|Antiemetika]] (gegen Übelkeit und Erbrechen) angezeigt sein.<br />
<br />
== Gegenanzeigen und besondere Vorsichtsmaßnahmen ==<br />
Irinotecan sollte bei<br />
* vorangegangener [[Strahlentherapie|Bestrahlung]] im Gebiet von Bauch und Becken (Bestrahlung des Darmes),<br />
* bestehender oder beabsichtigter [[Schwangerschaft]] und<br />
* bestehendem schweren [[Leberinsuffizienz|Leberschaden]]<br />
* Morbus Meulengracht (Icterus intermittens juvenilis, familiäre Gelbsucht)<br />
nur nach strikter Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.<br />
<br />
Da Irinotecan in die [[Muttermilch]] übergeht, darf unter der Behandlung nicht gestillt werden.<br />
Irinotecan-haltige Arzneimittel sind für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen.<br />
<br />
== Nebenwirkungen ==<br />
Abhängig von Dosis und Infusionsgeschwindigkeit kann ein [[cholinerg]]es Syndrom auftreten, das sich früh (innerhalb von 24&nbsp;Stunden, sogenanntes '[[Akutes cholinerges Syndrom]]) im Auftreten von [[Bradykardie]] (Herzfrequenzabfall), Gesichtsrötung ([[Erröten|Flush]]), Nasenlaufen, Tränenlaufen, Schwitzen und Durchfall ([[Diarrhoe]]) äußert; oder spät (nach 24&nbsp;Stunden und später) mit einer [[Diarrhoe]] (Durchfall) einhergeht. Weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind [[Myelosuppression]] (manifestiert sich in [[Neutropenie]], [[Anämie]] und [[Thrombopenie]]), [[Alopezie]], Leberschädigung ([[Transaminasen]]erhöhung, [[Hyperbilirubinämie]], [[Gelbsucht]] bis zum [[Leberversagen]]), Nierenschädigung ([[Kreatinin]]anstieg, bisweilen auch Nierenversagen, vor allem bei gleichzeitigem Flüssigkeitsverlust durch Durchfall), [[Allergie|Hypersensitivität]] (Überempfindlichkeit, allergische Reaktion), [[Kolitis]], [[Ileus]] ([[Kolitis|Darmentzündung]] und [[Darmverschluss]]).<br />
<br />
===Durchfall (Diarrhöe) ===<br />
Charakteristisch sind durch Irinotecan verursachte Durchfälle.<br />
<br />
„Frühe Durchfälle“ treten während oder kurz nach der Infusion von Irinotecan auf. Sie werden durch eine [[cholinerg]]e Wirkung von Irinotecan verursacht, welche sich auf eine Hemmung der [[Acetylcholinesterase]] (AChE) zurückführen lassen. In den meisten Fällen ist dieser frühe Durchfall bedingt durch Irinotecan kurzandauernd und nur selten schwerwiegend. Parallel zum Durchfall treten oft als zusätzliche Symptome eines cholinergen Syndroms Schwitzen, Nasenlaufen (Schnupfen), gesteigerte Speichelproduktion, Tränenlaufen, Gesichtsrötung (Flush) und gesteigerte Darmtätigkeit auf. Die Gabe von [[Atropin]] kann diese Symptome und damit auch den Durchfall abmildern oder verhindern (prophylaktische Gabe).<br />
<br />
„Späte Durchfälle“ treten 24&nbsp;Stunden nach Irinotecan-Infusion oder noch später auf. Diese Durchfälle sind zumeist schwerwiegender, dauern länger an und können ohne Gegenmaßnahmen auch zu lebensbedrohlichen Zuständen infolge massiven Flüssigkeits- und Salzverlust führen. Als Richtwert gilt für schweren Durchfall mehr als 10&nbsp;Stuhlgänge am Tag oder Durchfall mit Blutbeimengung. Im Gegensatz zum „frühen Durchfall“ ist der „späte Durchfall“ durch zusätzliche Mechanismen verursacht: neben der cholinergen Wirkung durch Blockade der Acetylcholinesterase ist auch die [[Toxizität|toxische]] Wirkung des Medikaments auf die Schleimhaut des Darms ein Mitverursacher dieser Nebenwirkungen. Menschen über 65&nbsp;Jahren weisen ein höheres Risiko zur Entwicklung von Durchfällen durch Irinotecan auf.<br />
<br />
== Wechselwirkungen ==<br />
Die Wechselwirkungen zwischen Irinotecan und anderen Arzneistoffen oder Lebensmittelbestandteilen resultieren aus der hepatischen Verstoffwechselung von Irinotecan, vor allem über das [[Cytochrom P450|Cytochrom]] CYP3A4. Substanzen, die ebenfalls über CYP3A4 verstoffwechselt werden, können den Abbau und somit Wirkung und Nebenwirkung von Irinotecan beeinflussen. <br />
<br />
Eine Reihe von Wechselwirkungen von Irinotecan mit anderen Arzneistoffen und Lebensmittelbestanteilen sind gegenwärtig bekannt.<br />
<br />
Verschiedene [[Antiepileptika]] wie zum Beispiel [[Carbamazepin]], [[Phenobarbital]], [[Phenytoin]] senken durch ihren Einfluss auf das Cytochrom-P450-System wahrscheinlich die Wirkungen des Irinotecan, und zwar durch Steigerung dessen [[Clearance (Medizin)|Clearance]]. Um einen Wirkungsverlust von Irinotecan auszugleichen, ist entweder eine Dosiserhöhung von Irinotecan oder ein Absetzen der Antiepileptika erforderlich. Eine Dauertherapie mit [[Dexamethason]] kann ebenfalls die Wirkungen von Irinotecan vermindern, in dem es die Clearance von Irinotecan durch verschiedene Mechanismen steigert, so dass bei gleichzeitiger Gabe eine Dosisanpassung erforderlich werden kann. Auch [[Echtes Johanniskraut|Johanniskraut]] senkt die Wirkstärke von Irinotecan. Die Pflanzeninhaltsstoffe fördern die CYP3A4-vermittelte Umwandlung von Irinotecan zu inaktiven Metaboliten, so dass niedrigere [[Plasmaspiegel]] der wirksamen Substanz SN-38 resultieren. <br />
<br />
[[Diuretika]] wie [[Furosemid]], [[Torasemid]] usw. verstärken den als Nebenwirkung von Irinotecan auftretende [[Durchfall]]. Die daraus resultierende mögliche [[Dehydratation (Medizin)|Dehydratation]] (Wasserverlust) kann durch die Diuretika verstärkt werden. <br />
<br />
Die gleichzeitige Anwendung von Irinotecan und [[Etoposid]] erhöht das Risiko einer [[Lebertoxizität]] (Leberschädigung). Die gemeinsame Anwendung von Irinotecan und [[Prochlorperazin]] erhöht das unerwünschte Auftreten einer [[Akathisie]] (Nicht-Sitzenkönnen).<br />
<br />
== Handelsnamen ==<br />
;[[Monopräparat]]e<br />
Arinotec (A), Axinotecan (D), Campto (D, A, CH), Camptosar (USA, CDN), zahlreiche Generika (D, A, CH)<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Drengler RL et al.: ''Phase I and pharmacokinetic trial of oral irinotecan administered daily for 5 days every 3 weeks in patients with solid tumors.'' In: ''[[J. Clin. Oncol.]]'' 1999; 17(2):685–696. PMID 10080615<br />
* Earle CC et al.: ''Two schedules of second-line irinotecan for metastatic colon carcinoma.'' In: ''[[Cancer (Zeitschrift)|Cancer]].'' 2004 Dec 1;101(11): 2533–2539. PMID 15503310<br />
* Grivicich I et al.: ''The irinotecan/5-fluorouracil combination induces apoptosis and enhances manganese superoxide dismutase activity in HT-29 human colon carcinoma cells.'' In: ''Chemotherapy.'' 2005 May ; 51(2–3): 93–102. PMID 15886469<br />
* Harel M et al.: ''The 3D structure of the anticancer prodrug CPT-11 with Torpedo californica acetylcholinesterase rationalizes its inhibitory action on AChE and its hydrolysis by butyrylcholinesterase and carboxylesterase.'' In: ''[[Chem Biol Interact]].'' 2005 Dec 15; 157–158:153–157. PMID 16289500<br />
* Hyatt JL et al.: ''Inhibition of acetylcholinesterase by the anticancer prodrug CPT-11.'' In: ''Chem Biol Interact.'' 2005 Dec 15; 157–158: 247–252. PMID 16257398<br />
* Ji SH et al.: ''Phase II study of irinotecan, 5-fluorouracil and leucovorin as first-line therapy for advanced colorectal cancer.'' In: ''Jpn J Clin Oncol.'' 2005 Apr; 35(4): 214–217. PMID 15845571<br />
* Ohtsu T et al.: ''Unexpected hepatotoxicities in patients with non-Hodgkin's lymphoma treated with irinotecan (CPT-11) and etoposide.'' In: ''Jpn J Clin Oncol.'' 1998 Aug;28(8): 502–506. PMID 9769785<br />
* Rothenberg ML et al.: ''Alternative dosing schedules for irinotecan.'' In: ''Oncology (Huntington).'' 1998;12(8 Suppl 6): 68–71. PMID 9726095<br />
* Chabot GG.: ''Clinical pharmacokinetics of irinotecan.'' In: ''[[Clin Pharmacokinet]].'' 1997; 33(4): 245–259. PMID 9342501<br />
* Slatter JG et al.: ''Pharmacokinetics, metabolism, and excretion of irinotecan (CPT-11) following I.V. infusion of [(14)C]CPT-11 in cancer patients.'' In: ''[[Drug Metab Dispos]].'' 2000; 28(4): 423–433. PMID 10725311<br />
* Slatter JG et al.: ''Bioactivation of the anticancer agent CPT-11 to SN-38 by human hepatic microsomal carboxylesterases and the in vitro assessment of potential drug interactions.'' In: ''Drug Metab Dispos.'' 1997 Oct; 25(10): 1157–1164. PMID 9321519<br />
* Tsavaris N et al.: ''Two different schedules of irinotecan (CPT-11) in patients with advanced colorectal carcinoma relapsing after a 5-fluorouracil and leucovorin combination. A randomized study.'' In: ''[[Cancer Chemother Pharmacol]].'' 2003 Dec; 52(6): 514–519. PMID 14504920<br />
* Yoshimatsu K et al.: ''Second-line chemotherapy with low-dose CPT-11 and cisplatin for colorectal cancer resistant to 5-FU-based chemotherapy.'' In: ''Cancer Chemother Pharmacol.'' 2003 Dec; 52(6): 465–468. PMID 12920569<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2010/020571s031s032s033s036s037lbl.pdf Drug Prescription Information at FDA] (PDF-Datei; 342&nbsp;kB) US-amerikanischer Beipackzettel zu Irinotecan (Camptosar®). Stand: 14.&nbsp;Mai 2010, frei zugänglich.<br />
* [http://www.bccancer.bc.ca/HPI/DrugDatabase/DrugIndexPro/Irinotecan.htm Information der British Columbia Cancer Agency zu Irinotecan] Umfassende, klinisch orientierte Monographie zur Irinotecan. Stand: 1.&nbsp;Februar 2006, frei zugänglich.<br />
<br />
{{Gesundheitshinweis}}<br />
<br />
[[Kategorie:Piperidin]]<br />
[[Kategorie:Chinolin]]<br />
[[Kategorie:Dihydropyran]]<br />
[[Kategorie:Lactam]]<br />
[[Kategorie:Lacton]]<br />
[[Kategorie:Alpha-Hydroxycarbonsäureester]]<br />
[[Kategorie:Carbamat]]<br />
[[Kategorie:Dihydropyridin]]<br />
[[Kategorie:Pyrrolin]]<br />
[[Kategorie:Zytostatikum]]<br />
[[Kategorie:Arzneistoff]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ceran&diff=137559476Ceran2015-01-08T10:55:23Z<p>138.246.2.191: /* Vorgeschichte */</p>
<hr />
<div>[[Datei:Ceran_logo.svg|thumb|Logo]]<br />
[[Datei:Ceranfeld.jpg|thumb|Typisches Glaskeramikkochfeld]]<br />
[[Datei:Ceran surface.jpg|thumb|Glaskeramikkochfeld mit integrierter Sensorschaltung]]<br />
[[Datei:Cerankochfeld.jpg|thumb|Das Innenleben eines Kochfeldes]]<br />
'''Ceran''' ist der [[Markenname]] für Glaskeramikkochfelder der [[Schott AG]] in [[Mainz]] (bis 30. Juni 2004 Schott Glaswerke). Schott produziert seit 1973 als erster deutscher Hersteller [[Kochfeld]]er aus dem Werkstoff [[Glaskeramik]] in Serie. 1971 wurde das Produkt Ceran in einer Kleinserie gefertigt und als Prototyp auf der Messe Domotechnica präsentiert.<br />
Wegen seiner vorteilhafteren Produkteigenschaften entwickelte sich Ceran seit den 1980er Jahren zum [[Weltmarktführer]] im Bereich der Glaskeramikkochplatten.<br />
<br />
== Vorgeschichte ==<br />
Bereits am 6. November 1962 wurde Ceran als [[Wortmarke]] von Schott beim [[Deutsches Patent- und Markenamt|Deutschen Patent- und Markenamt]] angemeldet.<ref>[http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/768198/DE Registereintrag] auf www.dpma.de, aufgerufen am: 8. Februar 2013</ref> Der Markenname Ceran stand somit für zukünftige Produkte zur Verfügung. Die Produktidee für Ceran-Kochfelder war erst 1969 entstanden. Sowohl ein Mitarbeiter der Schott Glaswerke als auch der Geschäftsführer der [[Imperial (Unternehmen)|Imperial-Werke]] hatten den amerikanischen Markt für Glaskeramik-Kochfelder beobachtet. Man erkannte bei Schott, dass für die Herstellung hochwertiger Glaskeramik-Kochfelder, insbesondere im Vergleich zu den amerikanischen Modellen, zuerst noch ein technisch ausgereiftes Heizsystem entwickelt werden musste. <br />
Grundlage für den Produktionsbeginn 1971 in den Schott Glaswerken bildeten einerseits die vorhandenen produktionstechnischen Voraussetzungen. Schott stellte in eigenen [[Glasschmelzwanne|Schmelzwanne]]n bereits Glaskeramik für den Einsatz im Weltraum her. Andererseits wurde von dem in Mainz ansässigen Unternehmen der gezielte Versuch unternommen die Heizleistung von Ceran gegenüber gleichartigen Konkurrenzprodukten, wie der amerikanischen [[Pyroceram]]-Kochplatte<ref>vergleiche englischsprachigen Wikipedia-Artikel: [[:en:Pyroceram]]</ref> aus Glaskeramik, und den traditionellen Stahlgussplatten zu verbessern.<br />
<br />
In Abstimmung mit verschiedenen Herstellern von Elektroherden über eine Zusammenarbeit wurde am 1. Oktober 1971 das Anwendungstechnische Labor gegründet.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993, S. 22.</ref> Der erste Elektroherd mit Ceran-Kochfeld wurde auf der Messe Domotechnica 1971 vorgestellt. Hierbei handelte es sich um einen [[Prototyp (Technik)|Prototyp]], der die charakteristischen Merkmale späterer Ceran-Kochfelder aufwies: eine plane, schwarze Oberfläche unter der die Heizspiralen im eingeschalteten Zustand rot durchscheinen. Außerdem konnte die Heizzone auf maximal 700&nbsp;°C erhitzt werden, gleichzeitig erwärmten sich die umgebenden Zonen auf etwa 100&nbsp;°C. Problematisch war zu diesem Zeitpunkt die geringe Stückzahl an produzierten Glaskeramik-Kochfeldern. Am 7. Juli 1972 wurde die künftige Serienfertigung offiziell zum Projekt erklärt. Im August 1972 ging die Projektleitung auf Dipl. Ing. Herwig Scheidler über. Scheidler war Leiter des Anwendungstechnischen Labors. Er gilt zusammen mit [[Jürgen Petzoldt]], dem Erfinder der Glaskeramik und Hans Arno Roth, der intensiv mit Geräteherstellern verhandelte, als einer der drei Väter von Ceran.<ref>Schott AG (Hrsg.): ''Schott 1884–2009. Vom Glaslabor zum Technologiekonzern.'' Mainz, S. 169.</ref><br />
<br />
== Beginn der Serienproduktion und erste wirtschaftliche Erfolge ==<br />
Am 29. Januar 1973 lief die Fertigung der ersten Ceran-Platten in Serie an. In dieser Phase stand die Optimierung des Produkts Ceran in Bezug auf die wichtigsten Leistungsmerkmale Ankochzeit, Energieverbrauch und der Einstellbarkeit der Kochguttemperatur im Vordergrund.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993. S. 34.</ref> <br />
In der zweiten Produktionsphase, die am 2. Januar 1974 begann, wurde die Anzahl der Lufteinschlüsse in der Glaskeramik vermindert und dadurch die Produktqualität erheblich verbessert. Trotzdem blieb der tatsächliche Absatz des Geschäftsjahres 1973/74, das am 30. September 1974 endete, mit 7000 verkauften Ceran-Kochflächen hinter den Erwartungen zurück. Als ein Grund hierfür wird die durch die Ölkrise zurückgegangene Kaufbereitschaft gesehen. Auf Wunsch der Herdindustrie entwickelte Schott die Markierung der Ceran-Kochzonen weiter. Waren sie anfangs im [[Sandstrahlverfahren]] hervorgehoben worden, so suchte man nach einer Möglichkeit bei der Dekorierung farbliche Akzente zu setzen. Schließlich wurde ein Keramisierungsverfahren zusammen mit dem Unternehmen [[Leipold]] in Zirndorf entwickelt. Ceran-Dekore sollten neben der optischen zwei weitere praktische Funktionen erfüllen: Die beheizte Zone sollte erkennbar sein, um so einen Energieverlust während des Kochvorgangs zu vermeiden. Einige Gerätehersteller, wie [[Bauknecht]], [[Electrolux]] oder [[AEG]] setzten auf ein individuelles Dekor der Ceran-Kochflächen, um sich von anderen Anbietern abzuheben.<ref>Ute Hoffman: ''„Ceran“-Dekore: Schmuck mit Nutzeffekt.'' In: Schott information. 4/1977, S. 5.</ref> Mit der Bereitschaft Ceran-Kochfelder ständig weiterzuentwickeln, waren die Schott Glaswerke für die Gerätehersteller nicht nur Zulieferer einer Komponente. Die Entwicklung eines Ceran-Systems umfasste, dass ab August 1975 in der Ceran-Nachverarbeitung auch eine montagefreundlichere Rahmenverklebung serienmäßig ausgeführt wurde. Als Folge der Verbesserungen stieg der Absatz von Ceran im Geschäftsjahr 1974/75 auf 18.000 Stück an. Im Geschäftsjahr 1975/76, als der Absatz auf 48.000 Ceran-Platten gestiegen war, lag der mit Ceran erzielte Umsatz erstmals über den Kosten.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993. S. 54.</ref><br />
<br />
== Marketing des Ceran-Systems ==<br />
Um sich mit Ceran dauerhaft auf dem Markt behaupten zu können, setzte Schott auf den Aufbau eines Ceran-Kochsystems. Nach dem Einstieg in das Verbraucher- und Handelsmarketing im Jahr 1976 verwendete das Unternehmen die dort gewonnenen Erkenntnisse für die Vermarktung von Ceran-Kochflächen und die Entwicklung ergänzender Produkte. In Verbraucherumfragen wurde Ceran als ein Produkt wahrgenommen, das pflegeleicht und ästhetisch-schön, aber auch zerbrechlich ist. Außerdem barg sie die Gefahr der Verbrennung an noch eingeschalteten Platten. Dem wurde durch den Einbau einer Glimmlampe, welche die Restwärme anzeigt, entgegengewirkt. Mit der Entwicklung des „[[Ceraquick]]“-Schabers und der Erstellung einer Pflegeanleitung für Ceran-Kochfelder unterstrich man die einfache Handhabung bei der Reinigung.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993, S. 66.</ref><br />
<br />
== Ceran als Weltmarktführer ==<br />
Schott verkaufte am 28. Februar 1980 die millionste Ceran-Kochfläche und war damit in Europa zum Marktführer im Bereich der Glaskeramik-Kochfelder geworden. Die Erschließung des nordamerikanischen Marktes begann 1985. Hierzu stellte man auf der International Appliance Technical Conference das in Europa bereits erfolgreich vermarktete Ceran-Top-System vor.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993, S. 90</ref> Als Reaktion auf den Reputations- und Absatzverlust seit den späten 1970er Jahren, zieht sich [[Corning (Unternehmen)|Corning]], der Hauptkonkurrent der Schott AG, 1983 vom Markt für Glaskeramik-Kochflächen zurück. Schott nimmt fortan eine Monopolstellung ein.<br />
<br />
== Internationale Fertigungsstandorte ==<br />
Ceran wird an drei Fertigungsstandorten hergestellt: Mainz, [[Vincennes (Indiana)]] (USA) und [[Suzhou]] (China).<br />
<br />
1991 wurde mit der Ceran Nachverarbeitung in Vincennes begonnen, im Rahmen eines [[Joint Venture]]s zwischen Schott und AFG-GEMTRON, welches das Unternehmen Schott Hometech North America startete.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Eine amerikanische Erfolgsgeschichte, 10 Jahre "Ceran" Nachverarbeitung in Vincennes,'' in: Schott intern, 12/2011, S. 13</ref> 1993 wurde mit der Fertigung in Jena begonnen und inzwischen beendet.<ref>Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Tanz auf dem CERAN, In zehn Jahren fast neun Millionen Kochflächen - Wie das Ceran nach Jena kam,'' in: Schott in Jena, September 2003, S. 3.</ref> 2002 wurde die Nachverarbeitung in China aufgenommen.<ref>[http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/generally/ceran_brand/history.html Produkthistorie von Ceran auf www.schott.com, aufgerufen am 8. Februar 2013]</ref><br />
<br />
== Auszeichnungen ==<br />
Die Schott Glaswerke wurden 1984 mit dem jährlich verliehenen [[Deutscher Marketing-Preis|Deutschen Marketing-Preis]] ausgezeichnet.<ref>Schott AG (Hrsg.): ''Schott 1884-2009. Vom Glaslabor zum Technologiekonzern.'' Mainz 2009, S. 170.</ref> <br />
Anlässlich der Preisverleihung präsentierte man sich als produktinnovatives Unternehmen und räumte Ceran eine wesentliche Stellung innerhalb der Unternehmensstrategie ein. In firmeneigenen Publikationen wurde Ceran fortan offiziell als das wichtigste Produkt von Schott bezeichnet. 2010 erhielt die Schott AG für die Entwicklung ihrer [[arsen]]- und [[antimon]]frei produzierten Ceran-Kochflächen den Deutschen Innovationspreis. Die Schott AG war der erste Hersteller, der auf den Einsatz während des Läuterungsprozesses verzichten konnte. Für sein umweltfreundliches Herstellungsverfahren wurde Ceran 2011 für den [[Deutscher Nachhaltigkeitspreis|Deutschen Nachhaltigkeitspreis]] nominiert und gehörte damit zu den drei Finalisten der Kategorie Deutschlands nachhaltigste Produkte/Dienstleistungen.<ref>[http://www.nachhaltigkeitspreis.de/549-0-SCHOTT-AG.html Jurybegründung] auf www.nachhaltigkeitspreis.de, aufgerufen am: 8. Februar 2013</ref> Im November 2012 wurde Ceran von dem Verlag Deutsche Standards Editionen mit dem Titel Marke des Jahrhunderts ausgezeichnet.<ref>[http://www.schott.com/german/news/press.html?NID=3855 Pressemitteilung über die Auszeichnung von Ceran als Marke des Jahrhunderts], aufgerufen am: 8. Februar 2013.</ref><br />
<br />
== Technische Besonderheiten ==<br />
Platten aus Glaskeramik haben eine hohe Durchlässigkeit für Wärmestrahlung (das heißt: Glaskeramik hat wie Glas eine geringe Dämpfungskonstante für Teile des infraroten Spektrums) und praktisch keine [[Wärmeausdehnung]]. Sie besitzen eine glatte, porenfreie Oberfläche. Der größte Teil der [[Wärmeübertragung]] geschieht bei Glaskeramik-Kochfeldern daher durch Wärmestrahlung anstelle von [[Wärmeleitung]] (wie bei Stahl- oder Eisen-Herdplatten). Die [[Wärmeleitfähigkeit]] ist mit 1,46&nbsp;W/(m·K) sehr gering, was dazu führt, dass der Bereich neben der Kochstelle kalt bleibt. Stahl- oder Eisen-Herdplatten nutzen dagegen für den Wärmetransport ausschließlich ihre hohe Wärmeleitfähigkeit.<br />
Glaskeramik ist ein teilkristalliner Werkstoff, der durch unvollständige [[Kristallisation]] („Keramisierung“) geeigneter Gläser entsteht. Bei der Herstellung entstehen in der [[Glas]]-Matrix Bereiche mit einer geordneten [[Kristallstruktur]]. Diese Glaskeramik hat bei entsprechender chemischer Zusammensetzung und vorangegangener Teilkristalisation einen negativen [[Wärmeausdehnungskoeffizient]]en, zieht sich also bei Erwärmung zusammen. Wird das Verhältnis von Glas- zu Kristallphase geeignet eingestellt, entsteht ein Material, das sich bei Erwärmung so gut wie nicht ausdehnt. Hauptbestandteile der Glaskeramik für Ceran-Kochflächen sind Lithium-, Aluminium- und [[Siliziumdioxid|Siliziumoxid]] (sogenannte „LAS-Glaskeramik“).<br />
Eine solche Glaskeramik übersteht abrupte Temperaturschocks bis 750&nbsp;[[Kelvin|K]] unbeschädigt.<br />
<br />
== Anwendungen ==<br />
Die weiteste Verbreitung hat die [[Glaskeramik]]-Kochfläche in Verbindung mit der elektrischen Strahlungsbeheizung gefunden. Hier wird ein unterhalb der Glaskeramik angeordneter [[Heizwiderstand]] bis zur Rotglut aufgeheizt. Die von dem [[Heizelement]] ausgesandte infrarote [[Wärmestrahlung]] tritt durch die sehr Infrarot-durchlässige Glaskeramik hindurch, so dass sie den Boden des Topfes oder der Pfanne aufheizen kann. Die Kochfläche lässt die Heizenergie fast ohne Wärmeverlust an das Kochgefäß und es wird kaum Wärme zu den Seiten abgeleitet.<ref>[http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/description.html Schott AG: Ceran Produktbeschreibung]</ref> Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, [[Kochfeld]]er in mehrere, einzeln schaltbare Zonen zu unterteilen, wodurch man das aktive Kochfeld der Größe des Topfbodens anpassen kann.<br />
<br />
Neben der klassischen Ceran-Glaskeramik-Kochfläche, die in unterschiedlichen Größen, Formen und Farben hergestellt werden kann, gibt es mittlerweile auch andere Produktvarianten, zum Beispiel Grillgeräte aus Ceran oder Kochmulden aus Glaskeramik zur Aufnahme eines [[Wok]]s.<ref>[http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/applications/index.html Schott AG: Ceran Produktvarianten]</ref><ref>[http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/applications/cooking_appliances/design.html Schott AG: Ceran Design]</ref> Oft sind auch die Frontscheiben von Kaminöfen aus Glaskeramik.<br />
<br />
Ursprünglich wurde die Glaskeramik (Handelsname [[Zerodur]]) von Schott für [[Spiegelträger]] von astronomischen [[Teleskop]]en entwickelt und ist dort seit Jahrzehnten im Einsatz, beispielsweise in den [[Keck-Observatorium|Keck-Teleskopen]] oder dem [[Gran Telescopio Canarias]].<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* Bach, Hans; Krause, Dieter (Hrsg.), ''Low thermal expansion glass ceramics'', Mainz 2005.<br />
* Schott AG (Hrsg.): ''Schott 1884-2009. Vom Glaslabor zum Technologiekonzern.'' Mainz 2009.<br />
* Schott Glaswerke (Hrsg.): ''Ceran. Die Geschichte eines Produkterfolges.'' Mainz 1993.<br />
* Jenaer Glaswerk Schott und Genossen (Hrsg.): ''Besser kochen auf CERAN.'' In: ''Schott intern. Informationen für die Mitarbeiter der Schott-Gruppe.'' 3/1974, S. 4–5.<br />
* Ute Hoffman: ''„Ceran“-Dekore: Schmuck mit Nutzeffekt.'' In: ''Schott information.'' 4/1977, S. 2–7.<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Halogenkochzone]]<br />
* [[Induktionskochfeld]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/description.html Was ist Ceran?] (Beschreibung vom Hersteller)<br />
* [http://www.schott.com/hometech/german/products/ceran/applications/cooking_appliances/index.html Anwendungen für Ceran-Kochflächen]<br />
* [http://www.science-and-more.de/bilder/content/pdf/alltag_1204.pdf Keramik mit Durchblick] (PDF-Datei; 228 kB)<br />
* [http://oami.europa.eu/bulletin/ctm/2006/2006_024/003667169.htm Veröffentlichung der EU-Wortmarke Ceran in Nr. 2006/024 des Blatts für Gemeinschaftsmarken]<br />
* [http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/gesundheit/;art300,2098245# Der Tagesspiegel: Warum kann man auf Glas kochen?]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Markenname]]<br />
[[Kategorie:Technische Keramik]]<br />
[[Kategorie:Elektrohaushaltsgerät]]<br />
[[Kategorie:Gargerät]]<br />
[[Kategorie:Schott AG]]<br />
<br />
[[en:Glass-ceramic#Cooktops]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gloria_(Joachim-Witt-Lied)&diff=131304767Gloria (Joachim-Witt-Lied)2014-06-14T16:23:19Z<p>138.246.2.191: /* Musikvideo */</p>
<hr />
<div>{{Infobox Song<br />
| Titel = Gloria <br />
| Musiker = [[Joachim Witt]]<br />
| Veröffentlichung = 14. September 2012 <ref>{{Internetquelle|url=http://www.joachimwitt.de/news/ab-heute-erh%C3%A4ltlich-%E2%80%9Egloria%E2%80%9C|titel=Ab heute erhältlich: „GLORIA“|zugriff=2012-09-21}}</ref><br />
| Länge = 5:21<br />
| Genres = [[Popmusik|Pop]]<br />
| Autor = Joachim Witt <br> Michelle Leonard <br> Mirko Schaffer <br> Mario "Malo" Wesser<ref>http://swisscharts.com/showitem.asp?interpret=Joachim+Witt&titel=Gloria&cat=s</ref><br />
| Auszeichnungen = <br />
| Album = DOM<br />
}}<br />
<br />
'''''Gloria''''' ist ein deutsches Poplied von [[Joachim Witt]] aus dem Jahr 2012. Das Lied wurde von Joachim Witt, Michelle Leonard, Mirko Schaffer und Mario „Malo“ Wesser geschrieben. Das [[Musikvideo]] zum Lied löste eine Kontroverse aus.<ref name="laut">http://www.laut.de/Joachim-Witt/Bundeswehr-kritisiert-Video/05-10-2012</ref> Joachim Witt bezeichnet dieses Lied als dritten Meilenstein seines Werkes nach ''[[Goldener Reiter (Lied)|Goldene Reiter]]'' und ''[[Die Flut (Lied)|Die Flut]]''. Diese drei Lieder spiegelten sein Leben wider.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.joachimwitt.de/biography|titel=Joachim Witt: Biografie|zugriff=2012-09-21}}</ref><br />
<br />
== Liedinhalt ==<br />
Das Lied erzählt davon, wie sich die Welt verändert hat und der Sänger nach der Liebe zu [[Gloria|Gott sucht]] und für sich selbst nicht findet.<ref>http://www.magistrix.de/lyrics/Joachim%20Witt/Gloria-1157711.html</ref><br />
<br />
== Musikvideo ==<br />
Das Musikvideo entstand unter der Regie von Specter, einem Regisseur, der bereits für [[Sido]] und [[Bushido (Rapper)|Bushido]] Musikvideos gedreht hat, die ebenfalls als brutal bezeichnet wurden.<ref name="bild">http://www.bild.de/unterhaltung/leute/joachim-witt/schockierendes-video-von-joachim-witt-26590950.bild.html</ref><br />
<br />
Im Video selbst ist ein [[Prozession]]szug zu sehen, der von einem katholischen Pfarrer (gespielt von Joachim Witt) angeführt wird. Als Kontrast hierzu wird ein Kriegsgebiet gezeigt, in dem mehrere Bundeswehrsoldaten eine Frau [[Vergewaltigung|vergewaltigen]]. In diesem Augenblick beobachtet ein kleines Mädchen diese Szene und wird kurz darauf ermordet. Einer der Soldaten steht draußen und verwandelt sich in einen [[Engel]] mit schwarzen Flügeln und steigt in den Himmel empor. Daneben werden Fischer gezeigt, die im ölverpesteten Meer vergiftete Fische aufsammeln und einen schwarzen Engel einfangen. Auch ein Mönch wird gezeigt, der sich auf einen Berg begibt, um sich auf einem Kreuz selbst zu [[Geißelung|geißeln]] und sich anschließend selbst in einen Engel mit schwarzen Flügeln verwandelt. Daneben macht die Wallfahrt an einem See halt und geht bis auf den Pfarrer in dem See unter, während die [[Madonnenstatue]] blutige Tränen weint.<ref>Musikvideo</ref> Joachim Witt bezeichnet das Verschwinden der Teilnehmer der Prozession als Spitzfindigkeit.<ref>http://www.n-tv.de/leute/musikundfilm/Im-Dom-des-Joachim-Witt-article7328816.html</ref><br />
<br />
Dieses Musikvideo wurde von der [[Bundeswehr]] auf Grund der Vergewaltigungsszene heftig kritisiert. Hierzu sagte [[Ulrich Kirsch]] Folgendes:<br />
<br />
{{Zitat|''Bei aller künstlerischen Gestaltungsfreiheit: Das Video verunglimpft deutsche Soldaten in geschmackloser Weise. [...] Ausgerechnet diejenigen, die seit Jahren ihren Kopf für dieses Land hinhalten und etwa auf dem Balkan solche Szenarien verhindert haben, werden hier mit brutalen Gewaltverbrechern gleichgestellt.''<ref name="laut"/>}}<br />
<br />
Des Weiteren rief er die Menschen dazu auf im Internet ihren Unmut gegen dieses Video kundzutun.<ref name="laut"/> Dieses Video löste einen [[Shitstorm]] aus, der sogar so weit ging, dass Joachim Witt [[Mord]]drohungen erhalten hat.<ref name="bild" /><br />
<br />
Für die verletzten Gefühle entschuldigte sich Joachim Witt und sagte zum Shitstorm Folgendes:<br />
<br />
{{Zitat|''Ich bin ein deutscher Künstler – wir leben in einer Demokratie. Bedeutet dies, dass Herr Kirsch von der Bundeswehr offiziell zu einem ,Shit Storm' aufrufen darf? Ich bin einfach schockiert! Es ist ein Unding, sich in seiner Freiheit als Künstler einer Zensur ausgesetzt zu sehen, mit der Absicht mundtot gemacht zu werden über den Knopfdruck vom Bundeswehrfeldherrenhügel. Seit wann müssen Künstler in Deutschland wieder Angst vor der Armee haben und aus ihren Häusern flüchten?''<ref name="bild" />}}<br />
<br />
Eine weitere Reaktion war, dass die [[Bundesregierung]] bei der [[Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien]] einen Antrag auf [[Indizierung]] des Musikvideos gestellt hat.<ref>http://www.laut.de/Joachim-Witt/Gloria-soll-auf-den-Index/10-10-2012</ref> Der Jurist [[Udo Vetter]] bezweifelte in einer Einschätzung die Richtigkeit einer möglichen Indizierung, da das Video nicht jugendgefährdend sei und die Darstellung der Bundeswehrsoldaten unter die [[Kunstfreiheit]] falle.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/10/10/etwas-das-man-aushalten-muss/ | titel=Etwas, das man aushalten muss | autor=[[Udo Vetter]] | hrsg=[[Udo Vetter#law blog|law blog]] | datum=2012-10-10 | zugriff=2012-10-18 }}</ref> Am 25. Oktober wurde bekannt, dass die Bundesprüfstelle das Video als nicht jugendgefährdend eingestuft hat.<ref>{{Internetquelle | url=http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1376834 | titel=Musik - Bundeswehr: Joachim-Witt-Video «Gloria» nicht als jugendgefährdend eingestuft | hrsg=[[Deutsche Presse-Agentur|dpa]]-Meldung | werk=[[Süddeutsche Zeitung]] | datum=2012-10-25 | zugriff=2012-10-30 }}</ref><br />
<br />
== Chartplatzierungen ==<br />
Das Lied erreicht folgende Chartplatzierungen.<br />
<br />
{| class="prettytable"<br />
|- bgcolor="#cccccc"<br />
! colspan="3" | Chartplatzierungen<br />
|- bgcolor="#dddddd"<br />
!width="30"| [[Media-Control-Charts|DE]]<br />
|-<br />
|align="center" <!--DE-->| 74 <ref>http://swisscharts.com/showitem.asp?interpret=Joachim+Witt&titel=Gloria&cat=s</ref><br />
|}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [[MyVideo]]: [http://www.myvideo.de/watch/8732593/Joachim_Witt_Gloria Musikvideo zu ''Gloria'']<br />
* [[n-tv]]: [http://www.n-tv.de/leute/musikundfilm/Im-Dom-des-Joachim-Witt-article7328816.html Interview mit Joachim Witt über seine Karriere und das Lied]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Lied 2012]]<br />
[[Kategorie:Popsong]]<br />
[[Kategorie:Joachim Witt]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Federal_Deposit_Insurance_Corporation&diff=129651661Federal Deposit Insurance Corporation2014-04-19T12:48:00Z<p>138.246.2.191: /* Absicherung */</p>
<hr />
<div>[[Datei:US-FDIC-Seal.svg|miniatur|Logo der FDIC]]<br />
Die '''Federal Deposit Insurance Corporation''' (FDIC) ist ein durch den [[Glass-Steagall Act]] von 1933 ins Leben gerufener [[Einlagensicherung]]sfonds der [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]].<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Um die Stabilität des [[Bankensystem]]s zu sichern und „[[Bank Run]]s“ zu vermeiden, wurde in den USA das [[Federal Reserve System]] geschaffen. In der [[Weltwirtschaftskrise]] reichten die geschaffenen Sicherungsmechanismen nicht mehr aus und es kam zu einer Vielzahl von Bankzusammenbrüchen, die die Ersparnisse von Millionen vernichteten. 1933 wurde das Bankensystem durch den „Glass-Steagall Act“ neu geordnet. Neben der Einführung des [[Bankensystem#Trennbankensystem|Trennbankensystems]] war vor allem die Einführung der FDIC ein zentrales Mittel, das [[Vertrauen (Wirtschaft)|Vertrauen]] in die Banken wiederherzustellen.<br />
<br />
Im Mai 1933 sicherte die FDIC Einlagen bis zu 70 % der Einlagen in Höhe von 10.000 USD (in heutiger Kaufkraft ca. {{Inflation|1=US|2=10000|3=1933|r=-3}} USD) ab.<br />
Ende der 1970er Jahre wurde die Deckungssumme im Rahmen der [[Savings-and-Loan-Krise]] auf 100 % angehoben. Insgesamt wurden von der FDIC mehr als 150 Milliarden USD an Entschädigungen in dieser Krise ausgezahlt.<br />
<br />
Im Juli 2008 sprang die FDIC ein, um die durch die [[Finanzkrise ab 2007]] in Schwierigkeiten geratene [[IndyMac|IndyMac Bank]] zu retten.<ref>http://edition.cnn.com/2008/US/07/13/indymac/index.html</ref><br />
<br />
== Absicherung ==<br />
Bis zum 3. Oktober 2008 sicherte die FDIC 100 % des Verlustes von Einlagen pro Bank und Kunde bis zu einer Obergrenze von 100.000 USD, danach stieg die Obergrenze (zunächst temporär) auf 250.000 USD (http://www.fdic.gov/deposit/deposits/changes.html). Nicht abgesichert sind Wertpapiere der Bank, Depotbestände oder Schließfachinhalte.<br />
<br />
Ebenfalls nicht abgesichert sind Schäden aus Fehlbuchungen, Diebstahl und Betrug.<br />
<br />
Die Kosten der Absicherung tragen die Banken über eine Umlage. Diese Umlage hängt von der Höhe der Einlagen, der Umlagesatz vom Risiko der Bank ab. Je nach Eigenkapitalausstattung sind die Banken in 5 Klassen mit unterschiedlichen Beitragssätzen eingeteilt.<br />
<br />
Im September 2008 betrug die Höhe der Einlagen im Versicherungsfond der FDIC (DIF) rund 45 Milliarden USD. Bis August 2009 schmolz diese Summe jedoch auf 10,4 Milliarden USD zusammen.<ref>[http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/fdic-hofft-auf-hilfe-von-finanzinvestoren;2450001 Handelsblatt: FDIC hofft auf Hilfe von Finanzinvestoren]</ref> Weitere Zusammenbrüche regionaler und überregionaler Banken sorgten seither jedoch für zusätzliche Verluste.<ref>[http://www.fdic.gov/bank/individual/failed/banklist.html FDIC-Aufstellung insolventer US-Banken seit Oktober 2000]</ref> Inzwischen (Stand 2009) ist das Geld alle, und es geht weiter ins Negative.<ref>http://www.fdic.gov/news/board/Sept29no1.pdf</ref><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* http://www.fdic.gov – Offizielle Homepage<br />
* [http://www.fdic.gov/bank/historical/brief/brhist.pdf A Brief History of Deposit Insurance in the United States] (PDF; 315 kB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references/><br />
<br />
[[Kategorie:Kundeneinlage]]<br />
[[Kategorie:Finanzbehörde]]<br />
[[Kategorie:Wirtschaftspolitik (Vereinigte Staaten)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Testfunktion&diff=110870625Testfunktion2012-11-24T10:54:37Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Als '''Testfunktionen''' bezeichnet man in der [[Mathematik]] gewisse Typen von [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]], die in der [[Distribution (Mathematik)|Distributionentheorie]] eine wesentliche Rolle spielen. Üblicherweise fasst man Testfunktionen eines bestimmten Typs zu einem [[Vektorraum]] zusammen. Die zugehörigen Distributionen sind dann lineare [[Funktional|Funktionale]] auf diesen Vektorräumen. Ihr Name rührt daher, dass man die Distributionen (im Sinne linearer [[Abbildung (Mathematik)|Abbildungen]]) auf die Testfunktionen anwendet und dadurch ''testet''<ref>{{Literatur | Autor = Dirk Werner | Titel = Funktionalanalysis | Jahr = 2000 | Verlag = Springer-Verlag | Ort = Berlin| ISBN = 3-540-21381-3 | Seiten = 426 }}</ref>.<br />
<br />
Es gibt verschiedene Arten von Testfunktionen. In der mathematischen Literatur werden häufig der Raum der glatten Funktionen mit kompaktem Träger oder der [[Schwartz-Raum]] als Testfunktionenraum bezeichnet.<br />
<br />
Testfunktionen spielen eine wichtige Rolle in der [[Funktionalanalysis]], etwa bei der Einführung des Begriffs der [[schwache Ableitung|schwachen Ableitung]], sowie in der Theorie der [[Differentialgleichung|Differentialgleichungen]]. Ihre Ursprünge liegen in der [[Physik]] und den [[Ingenieurwissenschaften]] (mehr dazu im Artikel [[Distribution (Mathematik)]]).<br />
<br />
== Glatte Funktionen mit kompaktem Träger ==<br />
=== Definition ===<br />
Eines der häufigsten Beispiele für einen Testfunktionenraum ist die Menge<br />
:<math> C_c^{\infty}(\Omega) = \{ \phi \in C^{\infty}(\Omega) \,|\, \operatorname{supp}\,(\phi)\mathrm{~ist~kompakte~Teilmenge~von~} \Omega \}, </math><br />
[[Datei:Bump2D illustration.png|rechts|miniatur|Der Graph einer Testfunktion in zwei Variablen]]<br />
[[Datei:Mollifier illustration.png|rechts|miniatur|Die Funktion &phi;<sub>b</sub> für b = 1]]<br />
also der Raum aller unendlich oft differenzierbaren Funktionen, die einen [[Kompakter Raum|kompakten]] [[Träger (Mathematik)|Träger]] haben, das heißt außerhalb einer kompakten Menge gleich null sind. <br />
<br />
Um den Raum der Testfunktionen zu erhalten, wird auf diesem [[Funktionenraum]] noch eine [[Topologischer Raum|Topologie]] definiert. Diese Topologie erhält man aus einem Konvergenzbegriff, der auf diesem Raum definiert wird. Eine [[Funktionenfolge]]<br />
<math> (\phi_j)_{j\in \mathbb{N}} </math><br />
mit<br />
<math>\phi_j \in C_c^\infty(\Omega)</math> <br />
konvergiert gegen <math>\ \phi</math>, wenn es ein Kompaktum <br />
<math>K \subset \Omega</math> <br />
gibt mit <br />
<math>\operatorname{supp}(\phi_j) \subset K </math> <br />
für alle <math>j</math> und<br />
:<math> <br />
\lim_{j \rightarrow \infty} \sup_{x\in K} <br />
\left|<br />
\frac{\partial^\alpha}{\partial x^\alpha} <br />
\left( \phi_j (x) - \phi(x) \right)<br />
\right| = 0<br />
</math><br />
für alle [[Multiindex|Multiindizes]] <math>\alpha \in \N^n</math> gilt. <br />
<br />
Der Raum <math>C_c^\infty(\Omega)</math>, zusammen mit diesem Konvergenzbegriff, wird in der Literatur häufig mit <math>{\mathcal D}(\Omega)</math> notiert.<br />
<br />
=== Beispiel ===<br />
Ein Beispiel einer Testfunktion mit kompaktem Träger <math>[-b,b]</math> ist<br />
:<math>\phi_{b}(x)=\begin{cases}\exp\frac{b^{2}}{x^{2}-b^{2}} & |x|<b\\0 & |x|\geq b.\end{cases}</math><br />
<br />
=== Eigenschaften ===<br />
Sei <math>\Omega \subset \R^n</math> eine [[Offene Menge|offene Teilmenge]] von <math>\R^n</math>.<br />
* Dann ist der Testfunktionenraum ein [[Lokalkonvexer Raum|lokalkonvexer Vektorraum]], genauer ein [[(LF)-Raum]].<br />
* Der Testfunktionenraum <math>\mathcal{D}(\Omega)</math> erfüllt die [[Satz von Heine-Borel|Heine-Borel-Eigenschaft]].<br />
* Der Raum <math>\mathcal{D}(\R^n)</math> ist ein Unterraum des [[Schwartz-Raum|Schwartz-Raums]]. Er liegt sogar [[Dichte Teilmenge|dicht]] im Schwartz-Raum und ist somit auch dicht in [[Lp-Raum|<math>L^p(\R^n)</math>]] für <math>1 \leq p < \infty</math>.<ref>{{Literatur | Autor = Man Wah Wong | Titel = An introduction to pseudo-differential operator | Jahr = 1999 | Verlag = World Scientific | Ort = River Edge, N.J. | ISBN = 978-981-02-3813-1 | Seiten = 10–11 }}</ref><br />
<br />
== Schwartz-Raum ==<br />
{{Hauptartikel|Schwartz-Raum}}<br />
Ein weiterer Raum, der häufig als Testfunktionenraum bezeichnet wird, ist der Raum der schnell fallenden Funktionen, auch bekannt als der ''Raum der schwartzschen Testfunktionen'' oder ''Schwartz-Raum''. Sein Dualraum heißt [[Temperierte Distribution|Raum der temperierten Distributionen]] und wird mit <math>\mathcal{S}'(\R^n)</math> notiert.<br />
<br />
== Sobolew-Räume ==<br />
{{Hauptartikel|Sobolev-Raum}}<br />
Auch der Sobolew-Raum <math>H^k(\R^n)</math> für eine beliebige reelle Zahl <math>k>0</math> kann als Testfunktionenraum aufgefasst werden. Dieser Unterraum von <math>L^2(\R^n)</math> ist ebenfalls ein [[Hilbertraum]]. Bezüglich der [[Duale Paarung|dualen Paarung]] <math>\textstyle (u,v) := \int_{\R^n} u(x)\overline{v(x)} \mathrm{d} x</math> ist allerdings <math>H^{-k}(\R^n) \subset \mathcal{S}'(\R^n)</math> der entsprechende Distributionenraum.<br />
<br />
== Der Satz von Riesz-Markov ==<br />
Mit Hilfe des [[Rieszscher Darstellungssatz#Der Satz von Riesz-Markov|Darstellungssatzes von Riesz-Markov]] lässt sich der Dualraum des Raums der stetigen Funktionen auf einem kompakten Definitionsbereich <math>K</math> schreiben als<br />
:<math>(C(K))^\prime\cong M(K),</math><br />
wobei <math>M(K)</math> der Raum der regulären Borelmaße ist. Die Isomorphie ist dadurch gegeben, dass ein Funktional <math>I:C(K)\rightarrow\C,</math> stets in der Form<br />
:<math>I(f)=\int f(x) d\mu(x),\quad\mu\in M(K),</math><br />
geschrieben werden kann. Die Integralschreibweise legt nahe, dass es auch für diese beiden Räume möglich ist, Distributionentheorie zu betreiben.<br />
<br />
== Allgemeinere Testfunktionenräume ==<br />
Prinzipiell lässt sich das Konzept von Testfunktionen und Distributionen auf andere Beispiele übertragen, in denen man einen Funktionenraum und seinen [[Dualraum]] zur Verfügung hat. Der Grundgedanke besteht darin, dass man einen Vektorraum <math>\mathcal{D}</math> von Funktionen betrachtet. Da man häufig auf Begriffe wie [[Stetigkeit]] und [[Konvergenz (Folge)|Konvergenz]] zurückgreifen möchte, sollte der Vektorraum ein [[topologischer Vektorraum]] oder besser noch ein [[lokalkonvexer Raum]] sein. Die Distributionen, die zu dem Raum <math>\mathcal{D}</math> gehören sind dann Elemente des [[Dualraum#Der topologische Dualraum|topologischen Dualraums]] <math>\mathcal{D}^\prime</math>.<br />
<br />
Mit Hilfe der [[duale Paarung|dualen Paarung]] kann man das Anwenden einer Distribution <math>T\in\mathcal{D}^\prime</math> auf eine Testfunktion <math>f\in\mathcal{D}</math> in der Form<br />
:<math>T(f)=\langle f,T\rangle</math><br />
schreiben. Die Notation erinnert stark an ein [[Skalarprodukt]], und in der Tat denkt man dabei häufig an das [[Quadratintegrierbar#Der_Hilbertraum_L2|<math>L^2</math>-Skalarprodukt]], so dass man (formal) auch<br />
:<math>T(f)=\langle f,T\rangle=\int f(x)T(x)dx</math><br />
schreibt (beachte, dass <math>T</math> keine Funktion ist und das Integral daher nicht immer wohldefiniert ist). Damit diese Interpretation einen Sinn ergibt, verlangt man in aller Regel, dass der Raum <math>\mathcal{D}</math> ein stetig eingebetteter Teilraum eines Vektorraums integrierbarer Funktionen ist, z.B. <math>L^1(\R^n),L^2(\R^n)</math> oder <math>L^1_{lok}(\R^n)</math>.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Dirk Werner (Mathematiker)|Dirk Werner]]: ''Funktionalanalysis'', Springer-Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-540-72533-6.<br />
* Hui-Hsiung Kuo: ''White Noise Distribution Theory'', CRC Press, 1996, ISBN 0-8493-8077-4.<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Funktionalanalysis]]<br />
[[Kategorie:Distributionentheorie]]<br />
<br />
[[en:Bump function]]<br />
[[fr:Fonction C∞ à support compact]]<br />
[[it:Funzione di test]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ralf_Dahrendorf&diff=110297804Ralf Dahrendorf2012-11-09T12:00:44Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>[[Datei:dahrendorf.jpg|miniatur|Ralf Dahrendorf (2003)]]<br />
'''Ralf Gustav Dahrendorf, Baron Dahrendorf of Clare Market in the City of Westminster''', [[Order of the British Empire|KBE]], [[British Academy|FBA]] (* [[1. Mai]] [[1929]] in [[Hamburg]]; † [[17. Juni]] [[2009]] in [[Köln]]), war ein deutsch-britischer [[Soziologe]], [[Politiker]] und [[Publizist]]. Er war Vorsitzender der [[Deutsche Gesellschaft für Soziologie|Deutschen Gesellschaft für Soziologie]], Mitglied des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]], parlamentarischer [[Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]], Mitglied der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], Direktor der [[London School of Economics and Political Science]], Mitbegründer der [[Universität Konstanz]] und Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Nach ihm wurde der [[Freie Demokratische Partei#Organisierte Strömungen in der Partei|Dahrendorf-Kreis in der FDP]] benannt.<br />
<br />
== Leben ==<br />
=== Drittes Reich und Nachkriegsjahre ===<br />
Ralf Dahrendorf wurde 1929 als Sohn des [[Genossenschaft]]ers und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Mitglied des Reichstages|Reichstagsabgeordneten]] [[Gustav Dahrendorf]] in Hamburg geboren. Sein Vater wurde, nachdem er 1933 gegen das [[Ermächtigungsgesetz]] gestimmt hatte, nach kurzer Haft arbeitslos. 1935 wurde Ralf Dahrendorf in Berlin eingeschult und besuchte seit 1938 das Gymnasium. 1941 siedelte er mit seiner Familie nach [[Buckow (Märkische Schweiz)|Buckow]] um. In der dortigen [[Internat]]sschule war er als 14-jähriger Mitverfasser von Flugblättern gegen den [[Nationalsozialismus]]. Als sein Vater, der im sozialdemokratischen Untergrund agitierte, nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] inhaftiert wurde, flog im November 1944 diese Tätigkeit auf, und Dahrendorf sollte im Gefängnis in [[Frankfurt (Oder)]] interniert werden. Dies lehnten aber die dortigen Aufseher mit Hinblick auf seine Jugend ab. So wurde er in ein Lager bei [[Świecko|Schwetig]] verbracht, wo er bis zum Eintreffen der Roten Armee festgehalten wurde.<br />
<br />
Weil sein Vater die [[Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED|Zwangsvereinigung von SPD und KPD]] in der sowjetischen Besatzungszone 1946 nicht mitvollziehen wollte und sich damit gegen [[Otto Grotewohl]] stellte, siedelte die Familie auf Anraten der amerikanischen Besatzungsmacht von Berlin nach Hamburg um, wo Dahrendorf sein Abitur nachholte. Zu Beginn des Jahres 1948 nahm er an einem politischen Lehrgang im englischen [[Wilton Park]] teil.<br />
<br />
=== Studium und Universitätskarriere ===<br />
Er studierte danach [[Philosophie]] und [[Klassische Philologie]] an der [[Universität Hamburg]]. Seine wichtigsten Lehrer waren der Klassische Philologe [[Ernst Zinn]] und der Philosoph [[Josef König (Philosoph)|Josef König]]. 1952 promovierte er dort zum [[Doktor|Dr. phil.]] mit der Arbeit ''Der Begriff des [[Gerechtigkeit|Gerechten]] im Denken von [[Karl Marx]]''. 1952 bis 1954 studierte er an der ''London School of Economics'', wo er [[Karl Popper]] hörte und zusammen mit [[David Lockwood]] und [[Basil Bernstein]] einem Kreis von [[Ph.D.]]-Studenten angehörte, die von dem Soziologen [[A. H. Halsey]] betreut wurden. Als sein Doktorvater an der LSE fungiert [[Thomas H. Marshall]].<br />
<br />
Neben seiner britischen [[Dissertation]] unter dem Titel ''Unskilled Labour in British Industry'' (1956) arbeitete er bereits dort an seiner Schrift ''[[Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft]]'', die er 1957 als [[Habilitation]]sschrift der [[Universität des Saarlandes]] in Saarbrücken vorlegte. Von 1958 bis 1960 lehrte er als Professor für Soziologie an der [[Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik|Akademie für Gemeinwirtschaft]] in Hamburg<ref>[http://www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Mitteilu/lord.html ''Neue Ehrensenatorin und neue Ehrensenatoren der Universität: Komatsu Chikô, Lord Dahrendorf und Michael Otto''] Pressemitteilung der Universität Hamburg vom 22. Juli 1999.</ref> und hielt zugleich Vorlesungen an der Universität Hamburg. Von dort wurde er dann nach [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Tübingen]] und danach an die [[Universität Konstanz]] berufen, zu deren ''Gründervätern'' er gezählt wird.<ref>So im [http://www.aktuelles.uni-konstanz.de/presseinformationen/2009/98/ Nachruf der Universität Konstanz]</ref><br />
<br />
=== Politisches Engagement in der FDP ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F031122-0017, Bonn, Landesvertretung Baden-Württemberg, Vortrag.jpg|thumb|Ralf Dahrendorf (links) 1970 im Gespräch mit [[Klaus Mehnert]]]]<br />
Obwohl Dahrendorf nach dem Krieg zunächst der SPD – und kurzzeitig auch dem damals von [[Helmut Schmidt]] geführten [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|SDS]] – angehört hatte, wurde er in seinem politischen Wirken vor allem als Vordenker des [[Liberalismus]] bekannt. Nachdem er zuvor bereits einmal auf einer regionalen Liste für die Freidemokraten kandidiert hatte, wechselte er 1967 endgültig zur [[Freie Demokratische Partei|FDP]]. Zusammen mit dem damaligen Generalsekretär [[Karl-Hermann Flach]] war er maßgeblich an der programmatischen Neuausrichtung der Partei in den späten 1960ern und frühen 1970ern beteiligt. Bekannt wurde er auch durch – von seinesgleichen selten gewagte – öffentliche Diskussionen mit den Protagonisten der [[68er-Bewegung]] wie zum Beispiel [[Rudi Dutschke]].<br />
<br />
1968 zog Dahrendorf für die Liberalen als Abgeordneter in den [[Landtag von Baden-Württemberg]] ein, doch legte er am 28. Oktober 1969 sein Mandat wieder nieder, als er in den [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] einzog, den er bereits am 25. August 1970 wieder verließ. Er war kurze Zeit in der ersten [[Kabinett Brandt I|Regierung Brandt]] als [[Staatssekretär#Parlamentarische Staatssekretäre|Parlamentarischer Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] tätig, bevor er 1970 als [[Kommissar für Außenhandel]] in die [[Kommission Malfatti|EG-Kommission Malfatti]] nach [[Brüssel]] wechselte. In der [[Kommission Ortoli]] war er bis zu seinem Rücktritt 1974 für [[Kommissar für Forschung und Innovation|Forschung, Wissenschaft und Bildung]] zuständig.<br />
<br />
=== Weitere universitäre und gesellschaftliche Karriere ab 1974 ===<br />
1974 kehrte Dahrendorf in die Wissenschaft zurück und leitete bis 1984 die renommierte [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics (LSE)]]. Von 1984 bis 1986 lehrte er an der Universität Konstanz, und 1986–1987 an der ''[[Russell Sage Foundation]]'' in New York. Von 1987 bis 1997 war er Rektor des ''[[St Antony’s College]]'' der [[University of Oxford]] und von 1991 bis 1997 zudem [[Prorektor]] der dortigen [[University of Oxford|Universität]].<br />
<br />
1982 wurde er von Königin [[Elisabeth II.]] zum [[Order of the British Empire|Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE)]] erhoben, mit dem für britische Bürger der [[Adelstitel]] „[[Knight|Sir]]“ verbunden ist. 1988 nahm Dahrendorf die britische Staatsbürgerschaft an, 1993 wurde er zum [[Peer (Adel)|Life Peer]] erhoben und erhielt den Titel eines ''Baron Dahrendorf of Clare Market in the [[City of Westminster]]''. Clare Market ist ein Platz bei der London School of Economics, welcher auch als ihr Parkplatz dient. In der Nähe befand sich früher das Schloss von [[Clare (Familie)|John Earl of Clare]], der dort bis etwa 1617 wohnte. Den Titel hat Dahrendorf, wie üblich, selbst gewählt und damit seine Verbundenheit mit der London School of Economics gezeigt.<br />
<br />
1982 bis 1987 war Dahrendorf außerdem Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen [[Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit|Friedrich-Naumann-Stiftung]]. Seitdem er britischer Staatsbürger war, gehörte er den ''[[Liberal Democrats]]'' an und war seit 1993 Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Im House of Lords wirkte er unter anderem als Vorsitzender der Commission on Wealth Creation and Social Cohesion (1995) und als langjähriger Vorsitzender des Select Committee on Delegated Powers and Regulatory Reform (bis Herbst 2006). In Deutschland war er als Berater der [[Badische Zeitung|Badischen Zeitung]] tätig.<br />
<br />
Dahrendorf erhielt 1989 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]]. Er war Botschafter der [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]]. 1997 wurde ihm der [[Theodor-Heuss-Stiftung|Theodor-Heuss-Preis]] für sein politisches und geisteswissenschaftliches Lebenswerk verliehen. Im Jahre 2002 wurde er als erster Preisträger mit dem [[Walter-Hallstein-Preis]] der Universität Frankfurt, der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank ausgezeichnet.<br />
<br />
=== Letzte Jahre ===<br />
Ab Januar 2005 war er Forschungsprofessor am [[Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung]]. Von 2006 bis zu seinem Tod 2009 war Dahrendorf Vorsitzender der Jury zur Vergabe des [[Gerda Henkel Stiftung#Gerda Henkel Preis|Gerda Henkel Preises]]. 2007 wurde Dahrendorf mit dem international hoch renommierten [[Prinz-von-Asturien-Preis]] in der Sparte Sozialwissenschaften ausgezeichnet.<ref> [http://www.waz.de/waz/waz.aktuell.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20070711-256-dpa_15079858.nitf&kategorie=&catchline=%2Fboulevard%2F&other=&dbserver=1 Soziologe Ralf Dahrendorf erhält Asturien-Preis], ''[[Westdeutsche Allgemeine Zeitung|WAZ]]'' vom 11. Juli 2007</ref><br />
<br />
Am 4. April 2008 wurde Dahrendorf durch den Ministerpräsidenten [[Jürgen Rüttgers]] (CDU) zum Vorsitzenden der neuen Zukunftskommission der [[Nordrhein-Westfalen|nordrhein-westfälischen]] Landesregierung berufen.<ref>[http://www.mpifg.de/aktuelles/doks/Presseinfo%20Zukunftskommission_stk04042008_1.pdf] Ministerpräsident Rüttgers beruft Mitglieder der Zukunftskommission, 4. April 2008</ref> 2009 erhielt er den [[Schader-Preis]]. Er war auch Ehrenpräsident der [[Deutsch-Britische Gesellschaft|Deutsch-Britischen Gesellschaft]]. Dahrendorf lebte in [[London]] und in [[Bonndorf im Schwarzwald|Bonndorf]] / Schwarzwald.<ref>http://www.spk-bs.de/c3b813218e149e02/index15.htm</ref><br />
<br />
Am 17. Juni 2009 starb Dahrendorf im Alter von 80 Jahren. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.<br />
<br />
== Werk ==<br />
Dahrendorfs früheste Publikationen beschäftigten sich mit Fragen der [[Industrie- und Betriebssoziologie]].<br />
<br />
Viele Schüler kennen Dahrendorfs Arbeiten durch das „[[Dahrendorfhäuschen]]“, eine Darstellung der [[Sozialstruktur|Schichtung]] der Bevölkerung in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]]. Theoretisch Interessierten ist er als Vertreter der [[Konfliktsoziologie]], durch seine Beiträge zur [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] und teilweise auch durch seine Beteiligung am sogenannten [[Positivismusstreit]] in der deutschen Soziologie bekannt, in dem die Philosophen [[Karl Popper]] und [[Theodor W. Adorno]] in [[Tübingen]] aufeinandertrafen.<br />
<br />
Bereits mit seiner Habilitationsschrift ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft'' (1957), die im Schulenstreit zwischen [[Marxistische Soziologie|marxistischer Soziologie]] und [[Strukturfunktionalismus]] einen „dritten Weg“ zu öffnen versprach, wurde er in der deutschen Soziologie bekannt, in weit stärkerem Maße dann im angelsächsischen Sprachbereich (viele Auflagen seiner Werke erschienen in englischer Übersetzung).<br />
<br />
Mit einer Reihe von Aufsätzen – zusammengefasst in dem Band ''Gesellschaft und Freiheit'' (1961) – begründete er eine soziologische [[Konfliktsoziologie|Konflikt]]- und [[Herrschaft]]stheorie, die sich als Gegenentwurf zur strukturfunktionalen Gesellschaftstheorie von [[Talcott Parsons]] und seinen Schülern verstand. Darin begriff er Konflikte nicht als „dysfunktionale“, die gesellschaftliche Ordnung störende Phänomene, sondern als „eine hervorragende schöpferische Kraft“ des sozialen Wandels.<ref>Ralf Dahrendorf: ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper Verlag, München 1961, S. 124 ff. </ref><br />
<br />
Zum geflügelten Wort wurde der Titel seines Buches ''Bildung ist Bürgerrecht'' (1965) über deutsche Bildungsdefizite, die er als Bedrohung für die bundesdeutsche Demokratie wertete. Er lieferte damit wesentliche Argumente für eine [[Bildungsexpansion]].<br />
<br />
Mit dem Konzept des ''[[Homo sociologicus]]'' führte er auch die [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] in die deutschsprachige Soziologie ein. Der Übergang vom innovativen, klaren und beredten akademischen Lehrer zum Akteur der Politik während der Zeit der Studentenrevolte, seine unter freiem Himmel geführte Diskussion mit [[Rudi Dutschke]], überraschten die Fachwelt.<br />
<br />
Er galt als Verfechter des politischen Liberalismus, den er durch die „Zerstörung der [[Ligaturen (Soziologie)|Ligaturen]]“ (Bindungen) in der Gesellschaft gefährdet sah. Hinsichtlich der Wirtschaftsordnung vertrat er Positionen des [[Ordoliberalismus]], aber auch das Konzept eines [[Grundeinkommen]]s („Bürgergeld“).<br />
<br />
Als zeitkritischer Intellektueller nahm er zu vielen aktuellen Fragen Stellung, seine besondere Aufmerksamkeit galt den Umwälzungen in Osteuropa (''Betrachtungen über die Revolution in Europa'', 1990) sowie den Entwicklungen nach 1989 und in [[Europa]].<br />
<br />
Als „Summe meiner Sozialwissenschaft“ bezeichnet er die Aufsatzsammlung ''Der moderne soziale Konflikt'' (1992), die seine Hauptthemen – soziale Klassen und Konflikt, Anrechte und Lebenschancen, Bürgergesellschaft und Weltbürgertum – in einen konsistenten Zusammenhang stellt.<br />
<br />
In seinen Werken ''Engagierte Beobachter'' (2005) und ''Versuchungen der Unfreiheit'' (2006) setzte er sich mit dem Phänomen der ''[[Intellektueller|Intellektuellen]] in Zeiten der Prüfung'' auseinander, die dem [[Totalitarismus]] (zeitweise) verfallen waren, und mit jenen, die sich immer von [[Ideologie]]n abgrenzten. Er stellte die These auf, dass das Votum letzterer auf vier Säulen beruhe: den Fähigkeiten, unabhängiges Denken strikt zu verfolgen und die Widersprüche und Konflikte der Gesellschaft auszuhalten, auf einer akribischen engagierten Beobachtungsweise sowie auf der Anerkennung der Vernunft als Grundlage jeder Theorie und Praxis.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 79</ref><br />
<br />
Als große Beispiele eines solchen auf [[Freiheit]] beruhenden eigenständigen zielbewussten Denkens nannte er [[Karl Popper]], [[Raymond Aron]] und [[Isaiah Berlin]], die ihn prägten. Nach Dahrendorfs Ansicht hat bereits der Humanist [[Erasmus von Rotterdam]] diese Art des Denkens im 15. Jahrhundert begründet und kann den modernen Intellektuellen somit als Vorbild dienen. Zu den von ihm so genannten ''Erasmus-Intellektuellen'' zählte er außerdem in unterschiedlichen Abstufungen u.&nbsp;a. [[Arthur Koestler]] und [[Manès Sperber]], beide ehemalige Kommunisten, die als Kritiker des Stalinismus bekannt wurden, sowie [[Norberto Bobbio]] (italienischer Rechtsgelehrter und Antifaschist), [[Jan Patočka]] (tschechischer Philosoph), [[Hannah Arendt]] und [[Theodor W. Adorno]].<br />
<br />
Die standhaften freiheitlichen Intellektuellen im Denken und Handeln stellten nach Dahrendorf im 20. Jahrhundert nur eine Minderheit dar, viele seien den zahlreichen ''Versuchungen der Unfreiheit'' erlegen. Dahrendorf betrachtete Großbritannien als liberale Gesellschaft ''(Erasmus-Land)'', die als ''[[offene Gesellschaft]]'' auf einem ''common sense'' beruhe und mit der sich der Autor als Liberaler mehr oder weniger identifizierte.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 157ff</ref><br />
<br />
== Schriften ==<br />
Dahrendorfs Buchnachlass wurde im Jahre 2010 von der Witwe in die Obhut der [[Universitäts- und Landesbibliothek Bonn]] gegeben.<br />
<br />
=== Monografien und Sammelbände ===<br />
* ''Industrie- und Betriebssoziologie''. Walter de Gruyter (Sammlung Göschen Bd. 103), Berlin 1956 (4 Auflagen bis 1967; spätere Auflagen weitergeführt von [[Wolfram Burisch]])<br />
* ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft''. Ferdinand Enke, Stuttgart 1957<br />
** (engl.) ''Class and Class Conflict in Industrial Society''. Routledge, London 1959 (zahlreiche Neuauflagen, im angelsächsischen Raum vielfach als Lehrbuch benutzt)<br />
* ''Sozialstruktur des Betriebes - Betriebssoziologie -''. Gabler, Wiesbaden 1959<br />
* ''Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen'', [1961]<ref>In dieser Tübinger Antrittsvorlesung findet sich die „berühmteste Fußnote der deutschen Nachkriegssoziologie“ ([[Dieter Claessens]]), in der Dahrendorf bekannte, die Kernthese seiner [[Habilitation]]sschrift über soziale Klassen ''zurücknehmen'' zu müssen, dass nämlich Konflikt- und Funktionstheorie in der Soziologie gleich wichtig und nebeneinander gültig seien. Nunmehr gehe er primär von einer [[Konfliktsoziologie|Konflikttheorie]] aus.</ref>, Mohr (Siebeck), Tübingen 1966<br />
* ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper, München 1961<br />
* ''Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika''. Piper, München 1962<br />
* ''Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik'', Nannen-Verlag 1965<br />
* ''Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle''. [Erstdruck 1965], 16. Auflage mit einem neuen Vorwort, VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-31122-7<br />
* ''Gesellschaft und Demokratie in Deutschland''. Piper, München 1965<br />
* ''Konflikt und Freiheit. Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft''. Piper, München 1972, ISBN 3-492-01782-7<br />
* ''Plädoyer für die Europäische Union''. Piper, München 1973, ISBN 3-492-02038-0<br />
* ''Pfade aus Utopia. Arbeiten zur Theorie und Methode der Soziologie''. Piper, München 1974, ISBN 3-492-00401-6<br />
* ''Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie''. Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-37059-6<br />
* ''Die neue Freiheit. Überleben und Gerechtigkeit in einer veränderten Welt''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-37123-1<br />
* ''Die Chancen der Krise. Über die Zukunft des Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06148-3<br />
* ''Reisen nach innen und außen. Aspekte der Zeit''. DVA, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-06183-1<br />
* ''Fragmente eines neuen Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06361-3<br />
* ''Betrachtungen über die Revolution in Europa''. DVA, Stuttgart, 1990.<br />
* ''Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit''. DVA, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06539-X<br />
* ''Liberale und andere: Portraits''. DVA, Stuttgart 1994, ISBN 3-421-06669-8<br />
* ''LSE. A History of the London School of Economics and Political Science, 1895–1995''. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-820240-7<br />
* ''Europäisches Tagebuch''. Steidl Verlag, Göttingen 1995, ISBN 3-88243-370-1<br />
* ''Die Zukunft des Wohlfahrtsstaats''. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1996<br />
* ''Liberal und unabhängig. [[Gerd Bucerius]] und seine Zeit''. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46474-2<br />
* ''Über Grenzen. [[Autobiografie|Lebenserinnerungen]]''. 4. Auflage, C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49338-6<br />
* ''Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert''. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50540-6<br />
* ''Der Wiederbeginn der Geschichte: vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak; Reden und Aufsätze''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51879-6<br />
* ''{{Literatur | Titel=Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchung der Zeit | Verlag=Passagen Verlag | Ort=Wien | Auflage=1. | Jahr=2005 | ISBN=978-3-85165-726-5 | Online=[http://www.libreka.de/9783851657265 Buchvorschau bei Libreka]}}<br />
* ''Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung ''. München 2006, ISBN 3-406-54054-6<br />
* (mit anderen) ''Klimawandel und Grundeinkommen. Die nicht zufällige Gleichzeitigkeit beider Themen und ein sozialökologisches Experiment'', hgg. von [[Maik Hosang]]. Andreas Mascha Verlag, München 2008, ISBN 978-3-924404-73-4<br />
<br />
=== Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden ===<br />
Im Jahr 1971 publizierte Ralf Dahrendorf zwei Artikel in der ''ZEIT'' unter Verwendung des Pseudonyms Wieland Europa, die sich kritisch mit dem Wirken der damaligen Institutionen der Europäischen Gemeinschaft auseinandersetzen.<br />
* ''Wieland Europa. Über Brüssel hinaus'' [http://www.zeit.de/1971/28/ueber-bruessel-hinaus] [[Die Zeit]] Nr. 28/1971, S. 3<br />
* ''Wieland Europa. Ein neues Ziel für Europa'' [http://www.zeit.de/1971/29/ein-neues-ziel-fuer-europa] [[Die Zeit]] Nr. 29/1971, S. 3<br />
* [http://www.sociosite.net/topics/texts/dahrendorf.php Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der „sozialen Schicht“ und „sozialen Klasse“ in der Sozialanalyse der Gegenwart], in: Seidel, B. / Jenkner, S. [1968] Klassenbildung und Sozialschichtung. Darmstadt, S. 279–296<br />
* ''An der Schwelle zum autoritären Jahrhundert.'' Die [[Globalisierung]] und ihre sozialen Folgen werden zur nächsten Herausforderung einer Politik der Freiheit, [[Die Zeit]] Nr. 47/1997<br />
* Vorworte zum 6-bändigen Basiswissen Politische Bildung, Dirk Lange/Volker Reinhardt (Hrsg.): ''Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Basiswissen Politische Bildung'', 6 Bände, [http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=1282 Schneider Verlag Hohengehren], Baltmannsweiler 2007 ISBN 978-3-8340-0212-9<br />
* ''Die globale Klasse und die neue Ungleichheit'', Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, H.11, November 2000<br />
* [http://www.zeit.de/2005/05/Interv_Dahrendorf Ein ZEIT-Gespräch] mit Dahrendorf über „Deutsche Illusionen“<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article199202/Grenzen_der_Demokratie_Essay.html Essay ''Grenzen der Demokratie''], [[Die Welt]] vom 20. Februar 2006<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article203401/Schweigen_der_Freunde.html ''Schweigen der Freunde''], DIE WELT vom 10. März 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/2006/11/16/fe/articleENO4U.print.html ''Das Tausendjährige Reich? Über Bezichtigungen, Selbstbezichtigungen und deutsche Lebensgeschichten''], [[Neue Zürcher Zeitung]] vom 16. November 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bewegungsfreiheit_1.542427.html?printview=true ''Bewegungsfreiheit – Anmerkungen zur Diskussion über Freiheit und Sicherheit''], Neue Zürcher Zeitung vom 18. August 2007<br />
* ''Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? – Sechs Anmerkungen''. In: Merkur, Nr. 720, Mai 2009. ([http://www.eurozine.com/articles/2009-05-05-dahrendorf-de.html online in Eurozine, 5. Mai 2009])<br />
<br />
=== Interviews ===<br />
* Dahrendorf, R.: ''Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch'' (geführt mit dem italienischen Journalisten Antonio Polito). München: Beck, 2003. 116 S.<br />
* [http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=do&dig=2008%2F04%2F05%2Fa0006&src=GI&cHash=8e1be0aae8 „Der Minirock wurde nicht 1968 erfunden!“], [[die tageszeitung]] vom 5. April 2008<br />
* [http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,585616,00.html „Eine Bildungsrepublik kann am Mittagessen scheitern“], [[Spiegel Online]] vom 22. Oktober 2008<br />
* UC Berkeley TV: [http://www.youtube.com/watch?v=Yj5pVe6hOZo&feature=channel Conversations with History: Sir Ralf Dahrendorf], Interview mit Harry Kreisler (Youtube-Video, 50 min.)<br />
<br />
=== Reden ===<br />
* ''Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit. Jan Patočka-Gedächtnisvorlesung 2004''. [[Passagen Verlag]], Wien 2005, ISBN 978-3-85165-726-5<br />
* [http://www.fr-online.de/in_und_ausland/dokumentation/?em_cnt=981972 ''Die Mühlen der Demokratie mahlen langsam''] – Deutschland ist in der demokratischen Welt inzwischen fest verankert. Die Rede von Ralf Dahrendorf zum [[Tag der Deutschen Einheit]] 2006 ([[Frankfurter Rundschau]], 4. Oktober 2006)<br />
* ''Anfechtungen liberaler Demokratien. Festvortrag zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.'' Stiftung-Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 19, Stuttgart 2007 ISBN 978-3-9809603-3-5<br />
<br />
== Auszeichnungen (Auszug) ==<br />
* 1974: Großkreuz des [[Verdienstorden des Großherzogtums Luxemburg|Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg]]<br />
* 1975: [[Orden Leopolds II. (Belgien)|belgisches Großkreuz des Ordens Leopolds II.]]<br />
* 1975: [[Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich|Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<ref>[http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_10542/imfname_251156.pdf Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952]</ref><br />
* 1982: [[Order of the British Empire|Knight Commander des Order of the British Empire]] (Großbritannien)<br />
* 1989: [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband]] der Bundesrepublik Deutschland<br />
* 1993: [[Peer (Adel)|Life Peer]] als ''Baron Dahrendorf'' (Großbritannien<br />
* 1994: [[Reinhold-Maier-Stiftung#Reinhold-Maier-Medaille|Reinhold Maier-Medaille]] der [[Reinhold-Maier-Stiftung]]<br />
* 1997: [[Theodor-Heuss-Preis]]<br />
* 1999: [[Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg|Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
* 1999: Ehrensenator der [[Universität Hamburg]]<ref>[http://www.uni-hamburg.de/UHH/ehrensenatoren.html Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren der Universität Hamburg]</ref><br />
* 2002: [[Verdienstorden der Italienischen Republik|Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik]] (Italien)<br />
* 2002: [[Walter-Hallstein-Preis]]<ref>[http://www.merton-zentrum.uni-frankfurt.de/Startseite/Walter_Hallstein_Symposium/WHK_2002.html II. Walter Hallstein Kolloquium [[Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main|Universität Frankfurt]]]</ref><br />
* 2003: Orden [[Pour le Mérite]]<br />
* 2007: [[Prinz-von-Asturien-Preis]]<br />
* 2009: [[Schader-Preis]] (Deutschland)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jens Alber]], ''In memoriam Ralf Dahrendorf (1. Mai 1929–17. Juni 2009)'', in: ''Soziologie'', Jg. 38, H. 4, 2009, S. 465–475<br />
* [[Jürgen Habermas]], ''Jahrgang 1929''. Oxforder Rede zum 80. Geburtstag von Ralf Dahrendorf, in: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 2. Mai 2009, S. 35.<br />
* [[Jürgen Kocka]], ''Dahrendorf in Perspektive'', in: ''Soziologische Revue'', Jg. 27, 2004, S. 151–158<br />
* Jürgen Kocka: ''Ralf Dahrendorf in historischer Perspektive. Aus Anlass seines Todes am 17. Juni 2009.'' In: [[Geschichte und Gesellschaft]]. Bd. 35 (2009), S. 346–352.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote}}<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikibooks|Soziologische Klassiker/ Dahrendorf, Ralf}}<br />
* {{DNB-Portal|118678612}}<br />
* [http://www.project-syndicate.org/contributor/77 Ralf Dahrendorfs Artikel für ''Project Syndicate'']<br />
* [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607029,00.html Porträt Dahrendorf: Aufstieg und Fall eines liberalen Supertalents – Spiegel-Online vom 14. Februar 2009]<br />
* [http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/trauer-um-lord-ralf-dahrendorf--16168751.html Dahrendorf-Nachruf der Badischen Zeitung, zu der als Ratgeber eine enge Verbindung hatte.]<br />
<br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Kommission Malfatti<br />
|Navigationsleiste Kommission Mansholt<br />
|Navigationsleiste Kommission Ortoli<br />
|Navigationsleiste Kommissare für Handel<br />
|Navigationsleiste Kommissare für Wissenschaft und Forschung<br />
|Navigationsleiste Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|PND=118678612|LCCN=n/79/53999|VIAF=17221311}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Dahrendorf, Ralf}}<br />
[[Kategorie:Soziologe (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Soziologe (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Politiker (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Person des Liberalismus]]<br />
[[Kategorie:SPD-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:SDS-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:FDP-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Landtagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Bundestagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Staatsminister im Auswärtigen Amt]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Europäischen Kommission]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Essay]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (HWP Hamburg)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Eberhard Karls Universität Tübingen)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Konstanz)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (London School of Economics and Political Science)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Oxford)]]<br />
[[Kategorie:Liberal-Democrats-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Life Peer]]<br />
[[Kategorie:Mitglied des House of Lords]]<br />
[[Kategorie:Knight Commander des Order of the British Empire]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<br />
[[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens der Italienischen Republik (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Ordens Leopolds II.]]<br />
[[Kategorie:Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa]]<br />
[[Kategorie:Ehrensenator der Universität Hamburg]]<br />
[[Kategorie:Ehrendoktor der Universität Warschau]]<br />
[[Kategorie:Ehrenbürger in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1929]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2009]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Dahrendorf, Ralf<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Dahrendorf, Ralf Gustav (vollständiger Name); Europa, Wieland (Pseudonym); Baron Dahrendorf of Clare Market<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutsch-britischer Soziologe, Hochschullehrer, Politiker (FDP), MdL, MdB und Publizist<br />
|GEBURTSDATUM=1. Mai 1929<br />
|GEBURTSORT=[[Hamburg]]<br />
|STERBEDATUM=17. Juni 2009<br />
|STERBEORT=[[Köln]]<br />
}}<br />
<br />
[[bg:Ралф Дарендорф]]<br />
[[ca:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cs:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cy:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[en:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[eo:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[es:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fi:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fr:Ralf Gustav Dahrendorf]]<br />
[[gl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[hr:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[it:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ja:ラルフ・ダーレンドルフ]]<br />
[[kk:Дарендорф Ральф]]<br />
[[ky:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[la:Radulphus Dahrendorf]]<br />
[[nl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[no:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pt:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ro:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ru:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[sr:Ралф Дарендорф]]<br />
[[sv:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[uk:Ральф Дарендорф]]<br />
[[zh:拉尔夫·达伦多夫]]<br />
[[zh-min-nan:Ralf Dahrendorf]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ralf_Dahrendorf&diff=110297721Ralf Dahrendorf2012-11-09T11:58:11Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>[[Datei:dahrendorf.jpg|miniatur|Ralf Dahrendorf (2003)]]<br />
'''Ralf Gustav Dahrendorf, Baron Dahrendorf of Clare Market in the City of Westminster''', [[Order of the British Empire|KBE]], [[British Academy|FBA]] (* [[1. Mai]] [[1929]] in [[Hamburg]]; † [[17. Juni]] [[2009]] in [[Köln]]), war ein deutsch-britischer [[Soziologe]], [[Politiker]] und [[Publizist]]. Er war Vorsitzender der [[Deutsche Gesellschaft für Soziologie|Deutschen Gesellschaft für Soziologie]], Mitglied des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]], parlamentarischer [[Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]], Mitglied der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], Direktor der [[London School of Economics and Political Science]], Mitbegründer der [[Universität Konstanz]] und Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Nach ihm wurde der [[Freie Demokratische Partei#Organisierte Strömungen in der Partei|Dahrendorf-Kreis in der FDP]] benannt.<br />
<br />
== Leben ==<br />
=== Drittes Reich und Nachkriegsjahre ===<br />
Ralf Dahrendorf wurde 1929 als Sohn des [[Genossenschaft]]ers und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Mitglied des Reichstages|Reichstagsabgeordneten]] [[Gustav Dahrendorf]] in Hamburg geboren. Sein Vater wurde, nachdem er 1933 gegen das [[Ermächtigungsgesetz]] gestimmt hatte, nach kurzer Haft arbeitslos. 1935 wurde Ralf Dahrendorf in Berlin eingeschult und besuchte seit 1938 das Gymnasium. 1941 siedelte er mit seiner Familie nach [[Buckow (Märkische Schweiz)|Buckow]] um. In der dortigen [[Internat]]sschule war er als 14-jähriger Mitverfasser von Flugblättern gegen den [[Nationalsozialismus]]. Als sein Vater, der im sozialdemokratischen Untergrund agitierte, nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] inhaftiert wurde, flog im November 1944 diese Tätigkeit auf, und Dahrendorf sollte im Gefängnis in [[Frankfurt (Oder)]] interniert werden. Dies lehnten aber die dortigen Aufseher mit Hinblick auf seine Jugend ab. So wurde er in ein Lager bei [[Świecko|Schwetig]] verbracht, wo er bis zum Eintreffen der Roten Armee festgehalten wurde.<br />
<br />
Weil sein Vater die [[Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED|Zwangsvereinigung von SPD und KPD]] in der sowjetischen Besatzungszone 1946 nicht mitvollziehen wollte und sich damit gegen [[Otto Grotewohl]] stellte, siedelte die Familie auf Anraten der amerikanischen Besatzungsmacht von Berlin nach Hamburg um, wo Dahrendorf sein Abitur nachholte. Zu Beginn des Jahres 1948 nahm er an einem politischen Lehrgang im englischen [[Wilton Park]] teil.<br />
<br />
=== Studium und Universitätskarriere ===<br />
Er studierte danach [[Philosophie]] und [[Klassische Philologie]] an der [[Universität Hamburg]]. Seine wichtigsten Lehrer waren der Klassische Philologe [[Ernst Zinn]] und der Philosoph [[Josef König (Philosoph)|Josef König]]. 1952 promovierte er dort zum [[Doktor|Dr. phil.]] mit der Arbeit ''Der Begriff des [[Gerechtigkeit|Gerechten]] im Denken von [[Karl Marx]]''. 1952 bis 1954 studierte er an der ''London School of Economics'', wo er [[Karl Popper]] hörte und zusammen mit [[David Lockwood]] und [[Basil Bernstein]] einem Kreis von [[Ph.D.]]-Studenten angehörte, die von dem Soziologen [[A. H. Halsey]] betreut wurden. Als sein Doktorvater an der LSE fungiert [[Thomas H. Marshall]].<br />
<br />
Neben seiner britischen [[Dissertation]] unter dem Titel ''Unskilled Labour in British Industry'' (1956) arbeitete er bereits dort an seiner Schrift ''[[Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft]]'', die er 1957 als [[Habilitation]]sschrift der [[Universität des Saarlandes]] in Saarbrücken vorlegte. Von 1958 bis 1960 lehrte er als Professor für Soziologie an der [[Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik|Akademie für Gemeinwirtschaft]] in Hamburg<ref>[http://www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Mitteilu/lord.html ''Neue Ehrensenatorin und neue Ehrensenatoren der Universität: Komatsu Chikô, Lord Dahrendorf und Michael Otto''] Pressemitteilung der Universität Hamburg vom 22. Juli 1999.</ref> und hielt zugleich Vorlesungen an der Universität Hamburg. Von dort wurde er dann nach [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Tübingen]] und danach an die [[Universität Konstanz]] berufen, zu deren ''Gründervätern'' er gezählt wird.<ref>So im [http://www.aktuelles.uni-konstanz.de/presseinformationen/2009/98/ Nachruf der Universität Konstanz]</ref><br />
<br />
=== Politisches Engagement in der FDP ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F031122-0017, Bonn, Landesvertretung Baden-Württemberg, Vortrag.jpg|thumb|Ralf Dahrendorf (links) 1970 im Gespräch mit [[Klaus Mehnert]]]]<br />
Obwohl Dahrendorf nach dem Krieg zunächst der SPD – und kurzzeitig auch dem damals von [[Helmut Schmidt]] geführten [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|SDS]] – angehört hatte, wurde er in seinem politischen Wirken vor allem als Vordenker des [[Liberalismus]] bekannt. Nachdem er zuvor bereits einmal auf einer regionalen Liste für die Freidemokraten kandidiert hatte, wechselte er 1967 endgültig zur [[Freie Demokratische Partei|FDP]]. Zusammen mit dem damaligen Generalsekretär [[Karl-Hermann Flach]] war er maßgeblich an der programmatischen Neuausrichtung der Partei in den späten 1960ern und frühen 1970ern beteiligt. Bekannt wurde er auch durch – von seinesgleichen selten gewagte – öffentliche Diskussionen mit den Protagonisten der [[68er-Bewegung]] wie zum Beispiel [[Rudi Dutschke]].<br />
<br />
1968 zog Dahrendorf für die Liberalen als Abgeordneter in den [[Landtag von Baden-Württemberg]] ein, doch legte er am 28. Oktober 1969 sein Mandat wieder nieder, als er in den [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] einzog, den er bereits am 25. August 1970 wieder verließ. Er war kurze Zeit in der ersten [[Kabinett Brandt I|Regierung Brandt]] als [[Staatssekretär#Parlamentarische Staatssekretäre|Parlamentarischer Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] tätig, bevor er 1970 als [[Kommissar für Außenhandel]] in die [[Kommission Malfatti|EG-Kommission Malfatti]] nach [[Brüssel]] wechselte. In der [[Kommission Ortoli]] war er bis zu seinem Rücktritt 1974 für [[Kommissar für Forschung und Innovation|Forschung, Wissenschaft und Bildung]] zuständig.<br />
<br />
=== Weitere universitäre und gesellschaftliche Karriere ab 1974 ===<br />
1974 kehrte Dahrendorf in die Wissenschaft zurück und leitete bis 1984 die renommierte [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics (LSE)]]. Von 1984 bis 1986 lehrte er an der Universität Konstanz, und 1986–1987 an der ''[[Russell Sage Foundation]]'' in New York. Von 1987 bis 1997 war er Rektor des ''[[St Antony’s College]]'' der [[University of Oxford]] und von 1991 bis 1997 zudem [[Prorektor]] der dortigen [[University of Oxford|Universität]].<br />
<br />
1982 wurde er von Königin [[Elisabeth II.]] zum [[Order of the British Empire|Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE)]] erhoben, mit dem für britische Bürger der [[Adelstitel]] „[[Knight|Sir]]“ verbunden ist. 1988 nahm Dahrendorf die britische Staatsbürgerschaft an, 1993 wurde er zum [[Peer (Adel)|Life Peer]] erhoben und erhielt den Titel eines ''Baron Dahrendorf of Clare Market in the [[City of Westminster]]''. Clare Market ist ein Platz bei der London School of Economics, welcher auch als ihr Parkplatz dient. In der Nähe befand sich früher das Schloss von [[Clare (Familie)|John Earl of Clare]], der dort bis etwa 1617 wohnte. Den Titel hat Dahrendorf, wie üblich, selbst gewählt und damit seine Verbundenheit mit der London School of Economics gezeigt.<br />
<br />
1982 bis 1987 war Dahrendorf außerdem Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen [[Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit|Friedrich-Naumann-Stiftung]]. Seitdem er britischer Staatsbürger war, gehörte er den ''[[Liberal Democrats]]'' an und war seit 1993 Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Im House of Lords wirkte er unter anderem als Vorsitzender der Commission on Wealth Creation and Social Cohesion (1995) und als langjähriger Vorsitzender des Select Committee on Delegated Powers and Regulatory Reform (bis Herbst 2006). In Deutschland war er als Berater der [[Badische Zeitung|Badischen Zeitung]] tätig.<br />
<br />
Dahrendorf erhielt 1989 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]]. Er war Botschafter der [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]]. 1997 wurde ihm der [[Theodor-Heuss-Stiftung|Theodor-Heuss-Preis]] für sein politisches und geisteswissenschaftliches Lebenswerk verliehen. Im Jahre 2002 wurde er als erster Preisträger mit dem [[Walter-Hallstein-Preis]] der Universität Frankfurt, der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank ausgezeichnet.<br />
<br />
=== Letzte Jahre ===<br />
Ab Januar 2005 war er Forschungsprofessor am [[Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung]]. Von 2006 bis zu seinem Tod 2009 war Dahrendorf Vorsitzender der Jury zur Vergabe des [[Gerda Henkel Stiftung#Gerda Henkel Preis|Gerda Henkel Preises]]. 2007 wurde Dahrendorf mit dem international hoch renommierten [[Prinz-von-Asturien-Preis]] in der Sparte Sozialwissenschaften ausgezeichnet.<ref> [http://www.waz.de/waz/waz.aktuell.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20070711-256-dpa_15079858.nitf&kategorie=&catchline=%2Fboulevard%2F&other=&dbserver=1 Soziologe Ralf Dahrendorf erhält Asturien-Preis], ''[[Westdeutsche Allgemeine Zeitung|WAZ]]'' vom 11. Juli 2007</ref><br />
<br />
Am 4. April 2008 wurde Dahrendorf durch den Ministerpräsidenten [[Jürgen Rüttgers]] (CDU) zum Vorsitzenden der neuen Zukunftskommission der [[Nordrhein-Westfalen|nordrhein-westfälischen]] Landesregierung berufen.<ref>[http://www.mpifg.de/aktuelles/doks/Presseinfo%20Zukunftskommission_stk04042008_1.pdf] Ministerpräsident Rüttgers beruft Mitglieder der Zukunftskommission, 4. April 2008</ref> 2009 erhielt er den [[Schader-Preis]]. Er war auch Ehrenpräsident der [[Deutsch-Britische Gesellschaft|Deutsch-Britischen Gesellschaft]]. Dahrendorf lebte in [[London]] und in [[Bonndorf im Schwarzwald|Bonndorf]] / Schwarzwald.<ref>http://www.spk-bs.de/c3b813218e149e02/index15.htm</ref><br />
<br />
Am 17. Juni 2009 starb Dahrendorf im Alter von 80 Jahren. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.<br />
<br />
== Werk ==<br />
Dahrendorfs früheste Publikationen beschäftigten sich mit Fragen der [[Industrie- und Betriebssoziologie]].<br />
<br />
Viele Schüler kennen Dahrendorfs Arbeiten durch das „[[Dahrendorfhäuschen]]“, eine Darstellung der [[Sozialstruktur|Schichtung]] der Bevölkerung in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]]. Theoretisch Interessierten ist er als Vertreter der [[Konfliktsoziologie]], durch seine Beiträge zur [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] und teilweise auch durch seine Beteiligung am sogenannten [[Positivismusstreit]] in der deutschen Soziologie bekannt, in dem die Philosophen [[Karl Popper]] und [[Theodor W. Adorno]] in [[Tübingen]] aufeinandertrafen.<br />
<br />
Bereits mit seiner Habilitationsschrift ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft'' (1957), die im Schulenstreit zwischen [[Marxistische Soziologie|marxistischer Soziologie]] und [[Strukturfunktionalismus]] einen „dritten Weg“ zu öffnen versprach, wurde er in der deutschen Soziologie bekannt, in weit stärkerem Maße dann im angelsächsischen Sprachbereich (viele Auflagen seiner Werke erschienen in englischer Übersetzung).<br />
<br />
Mit einer Reihe von Aufsätzen – zusammengefasst in dem Band ''Gesellschaft und Freiheit'' (1961) – begründete er eine soziologische [[Konfliktsoziologie|Konflikt]]- und [[Herrschaft]]stheorie, die sich als Gegenentwurf zur strukturfunktionalen Gesellschaftstheorie von [[Talcott Parsons]] und seinen Schülern verstand. Darin begriff er Konflikte nicht als „dysfunktionale“, die gesellschaftliche Ordnung störende Phänomene, sondern als „eine hervorragende schöpferische Kraft“ des sozialen Wandels.<ref>Ralf Dahrendorf: ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper Verlag, München 1961, S. 124 ff. </ref><br />
<br />
Zum geflügelten Wort wurde der Titel seines Buches ''Bildung ist Bürgerrecht'' (1965) über deutsche Bildungsdefizite, die er als Bedrohung für die bundesdeutsche Demokratie wertete. Er lieferte damit wesentliche Argumente für eine [[Bildungsexpansion]].<br />
<br />
Mit dem Konzept des ''[[Homo sociologicus]]'' führte er auch die [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] in die deutschsprachige Soziologie ein. Der Übergang vom innovativen, klaren und beredten akademischen Lehrer zum Akteur der Politik während der Zeit der Studentenrevolte, seine unter freiem Himmel geführte Diskussion mit [[Rudi Dutschke]], überraschten die Fachwelt.<br />
<br />
Er galt als Verfechter des politischen Liberalismus, den er durch die „Zerstörung der [[Ligaturen (Soziologie)|Ligaturen]]“ (Bindungen) in der Gesellschaft gefährdet sah. Hinsichtlich der Wirtschaftsordnung vertrat er Positionen des [[Ordoliberalismus]], aber auch das Konzept eines [[Grundeinkommen]]s („Bürgergeld“).<br />
<br />
Als zeitkritischer Intellektueller nahm er zu vielen aktuellen Fragen Stellung, seine besondere Aufmerksamkeit galt den Umwälzungen in Osteuropa (''Betrachtungen über die Revolution in Europa'', 1990) sowie den Entwicklungen nach 1989 und in [[Europa]].<br />
<br />
Als „Summe meiner Sozialwissenschaft“ bezeichnet er die Aufsatzsammlung ''Der moderne soziale Konflikt'' (1992), die seine Hauptthemen – soziale Klassen und Konflikt, Anrechte und Lebenschancen, Bürgergesellschaft und Weltbürgertum – in einen konsistenten Zusammenhang stellt.<br />
<br />
In seinen Werken ''Engagierte Beobachter'' (2005) und ''Versuchungen der Unfreiheit'' (2006) setzte er sich mit dem Phänomen der ''[[Intellektueller|Intellektuellen]] in Zeiten der Prüfung'' auseinander, die dem [[Totalitarismus]] (zeitweise) verfallen waren, und mit jenen, die sich immer von [[Ideologie]]n abgrenzten. Er stellte die These auf, dass das Votum letzterer auf vier Säulen beruhe: den Fähigkeiten, unabhängiges Denken strikt zu verfolgen und die Widersprüche und Konflikte der Gesellschaft auszuhalten, auf einer akribischen engagierten Beobachtungsweise sowie auf der Anerkennung der Vernunft als Grundlage jeder Theorie und Praxis.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 79</ref><br />
<br />
Als große Beispiele eines solchen auf [[Freiheit]] beruhenden eigenständigen zielbewussten Denkens nannte er [[Karl Popper]], [[Raymond Aron]] und [[Isaiah Berlin]], die ihn prägten. Nach Dahrendorfs Ansicht hat bereits der Humanist [[Erasmus von Rotterdam]] diese Art des Denkens im 15. Jahrhundert begründet und kann den modernen Intellektuellen somit als Vorbild dienen. Zu den von ihm so genannten ''Erasmus-Intellektuellen'' zählte er außerdem in unterschiedlichen Abstufungen u.&nbsp;a. [[Arthur Koestler]] und [[Manès Sperber]], beide ehemalige Kommunisten, die als Kritiker des Stalinismus bekannt wurden, sowie [[Norberto Bobbio]] (italienischer Rechtsgelehrter und Antifaschist), [[Jan Patočka]] (tschechischer Philosoph), [[Hannah Arendt]] und [[Theodor W. Adorno]].<br />
<br />
Die standhaften freiheitlichen Intellektuellen im Denken und Handeln stellten nach Dahrendorf im 20. Jahrhundert nur eine Minderheit dar, viele seien den zahlreichen ''Versuchungen der Unfreiheit'' erlegen. Dahrendorf betrachtete Großbritannien als liberale Gesellschaft ''(Erasmus-Land)'', die als ''[[offene Gesellschaft]]'' auf einem ''common sense'' beruhe und mit der sich der Autor als Liberaler mehr oder weniger identifizierte.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 157ff</ref><br />
<br />
== Schriften ==<br />
Dahrendorfs Buchnachlass wurde im Jahre 2010 von der Witwe in die Obhut der [[Universitäts- und Landesbibliothek Bonn]] gegeben.<br />
<br />
=== Monografien und Sammelbände ===<br />
* ''Industrie- und Betriebssoziologie''. Walter de Gruyter (Sammlung Göschen Bd. 103), Berlin 1956 (4 Auflagen bis 1967; spätere Auflagen weitergeführt von [[Wolfram Burisch]])<br />
* ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft''. Ferdinand Enke, Stuttgart 1957<br />
** (engl.) ''Class and Class Conflict in Industrial Society''. Routledge, London 1959 (zahlreiche Neuauflagen, im angelsächsischen Raum vielfach als Lehrbuch benutzt)<br />
* ''Sozialstruktur des Betriebes - Betriebssoziologie -''. Gabler, Wiesbaden 1959<br />
* ''Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen'', [1961]<ref>In dieser Tübinger Antrittsvorlesung findet sich die „berühmteste Fußnote der deutschen Nachkriegssoziologie“ ([[Dieter Claessens]]), in der Dahrendorf bekannte, die Kernthese seiner [[Habilitation]]sschrift über soziale Klassen ''zurücknehmen'' zu müssen, dass nämlich Konflikt- und Funktionstheorie in der Soziologie gleich wichtig und nebeneinander gültig seien. Nunmehr gehe er primär von einer [[Konfliktsoziologie|Konflikttheorie]] aus.</ref>, Mohr (Siebeck), Tübingen 1966<br />
* ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper, München 1961<br />
* ''Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika''. Piper, München 1962<br />
* ''Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik'', Nannen-Verlag 1965<br />
* ''Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle''. [Erstdruck 1965], 16. Auflage mit einem neuen Vorwort, VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-31122-7<br />
* ''Gesellschaft und Demokratie in Deutschland''. Piper, München 1965<br />
* ''Konflikt und Freiheit. Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft''. Piper, München 1972, ISBN 3-492-01782-7<br />
* ''Plädoyer für die Europäische Union''. Piper, München 1973, ISBN 3-492-02038-0<br />
* ''Pfade aus Utopia. Arbeiten zur Theorie und Methode der Soziologie''. Piper, München 1974, ISBN 3-492-00401-6<br />
* ''Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie''. Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-37059-6<br />
* ''Die neue Freiheit. Überleben und Gerechtigkeit in einer veränderten Welt''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-37123-1<br />
* ''Die Chancen der Krise. Über die Zukunft des Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06148-3<br />
* ''Reisen nach innen und außen. Aspekte der Zeit''. DVA, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-06183-1<br />
* ''Fragmente eines neuen Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06361-3<br />
* ''Betrachtungen über die Revolution in Europa''. DVA, Stuttgart, 1990.<br />
* ''Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit''. DVA, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06539-X<br />
* ''Liberale und andere: Portraits''. DVA, Stuttgart 1994, ISBN 3-421-06669-8<br />
* ''LSE. A History of the London School of Economics and Political Science, 1895–1995''. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-820240-7<br />
* ''Europäisches Tagebuch''. Steidl Verlag, Göttingen 1995, ISBN 3-88243-370-1<br />
* ''Die Zukunft des Wohlfahrtsstaats''. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1996<br />
* ''Liberal und unabhängig. [[Gerd Bucerius]] und seine Zeit''. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46474-2<br />
* ''Über Grenzen. [[Autobiografie|Lebenserinnerungen]]''. 4. Auflage, C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49338-6<br />
* ''Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert''. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50540-6<br />
* ''Der Wiederbeginn der Geschichte: vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak; Reden und Aufsätze''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51879-6<br />
* ''{{Literatur | Titel=Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchung der Zeit | Verlag=Passagen Verlag | Ort=Wien | Auflage=1. | Jahr=2005 | ISBN=978-3-85165-726-5 | Online=[http://www.libreka.de/9783851657265 Buchvorschau bei Libreka]}}<br />
* ''Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung ''. München 2006, ISBN 3-406-54054-6<br />
* (mit anderen) ''Klimawandel und Grundeinkommen. Die nicht zufällige Gleichzeitigkeit beider Themen und ein sozialökologisches Experiment'', hgg. von [[Maik Hosang]]. Andreas Mascha Verlag, München 2008, ISBN 978-3-924404-73-4<br />
<br />
=== Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden ===<br />
Im Jahr 1971 publizierte Ralf Dahrendorf zwei Artikel in der ''ZEIT'' unter dem Pseudonym Wieland Europa, die sich kritisch mit Wirken der damaligen Institutionen der Europäischen Gemeinschaft auseinandersetzen.<br />
* ''Wieland Europa. Über Brüssel hinaus'' [http://www.zeit.de/1971/28/ueber-bruessel-hinaus] [[Die Zeit]] Nr. 28/1971, S. 3<br />
* ''Wieland Europa. Ein neues Ziel für Europa'' [http://www.zeit.de/1971/29/ein-neues-ziel-fuer-europa] [[Die Zeit]] Nr. 29/1971, S. 3<br />
* [http://www.sociosite.net/topics/texts/dahrendorf.php Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der „sozialen Schicht“ und „sozialen Klasse“ in der Sozialanalyse der Gegenwart], in: Seidel, B. / Jenkner, S. [1968] Klassenbildung und Sozialschichtung. Darmstadt, S. 279–296<br />
* ''An der Schwelle zum autoritären Jahrhundert.'' Die [[Globalisierung]] und ihre sozialen Folgen werden zur nächsten Herausforderung einer Politik der Freiheit, [[Die Zeit]] Nr. 47/1997<br />
* Vorworte zum 6-bändigen Basiswissen Politische Bildung, Dirk Lange/Volker Reinhardt (Hrsg.): ''Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Basiswissen Politische Bildung'', 6 Bände, [http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=1282 Schneider Verlag Hohengehren], Baltmannsweiler 2007 ISBN 978-3-8340-0212-9<br />
* ''Die globale Klasse und die neue Ungleichheit'', Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, H.11, November 2000<br />
* [http://www.zeit.de/2005/05/Interv_Dahrendorf Ein ZEIT-Gespräch] mit Dahrendorf über „Deutsche Illusionen“<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article199202/Grenzen_der_Demokratie_Essay.html Essay ''Grenzen der Demokratie''], [[Die Welt]] vom 20. Februar 2006<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article203401/Schweigen_der_Freunde.html ''Schweigen der Freunde''], DIE WELT vom 10. März 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/2006/11/16/fe/articleENO4U.print.html ''Das Tausendjährige Reich? Über Bezichtigungen, Selbstbezichtigungen und deutsche Lebensgeschichten''], [[Neue Zürcher Zeitung]] vom 16. November 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bewegungsfreiheit_1.542427.html?printview=true ''Bewegungsfreiheit – Anmerkungen zur Diskussion über Freiheit und Sicherheit''], Neue Zürcher Zeitung vom 18. August 2007<br />
* ''Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? – Sechs Anmerkungen''. In: Merkur, Nr. 720, Mai 2009. ([http://www.eurozine.com/articles/2009-05-05-dahrendorf-de.html online in Eurozine, 5. Mai 2009])<br />
<br />
=== Interviews ===<br />
* Dahrendorf, R.: ''Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch'' (geführt mit dem italienischen Journalisten Antonio Polito). München: Beck, 2003. 116 S.<br />
* [http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=do&dig=2008%2F04%2F05%2Fa0006&src=GI&cHash=8e1be0aae8 „Der Minirock wurde nicht 1968 erfunden!“], [[die tageszeitung]] vom 5. April 2008<br />
* [http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,585616,00.html „Eine Bildungsrepublik kann am Mittagessen scheitern“], [[Spiegel Online]] vom 22. Oktober 2008<br />
* UC Berkeley TV: [http://www.youtube.com/watch?v=Yj5pVe6hOZo&feature=channel Conversations with History: Sir Ralf Dahrendorf], Interview mit Harry Kreisler (Youtube-Video, 50 min.)<br />
<br />
=== Reden ===<br />
* ''Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit. Jan Patočka-Gedächtnisvorlesung 2004''. [[Passagen Verlag]], Wien 2005, ISBN 978-3-85165-726-5<br />
* [http://www.fr-online.de/in_und_ausland/dokumentation/?em_cnt=981972 ''Die Mühlen der Demokratie mahlen langsam''] – Deutschland ist in der demokratischen Welt inzwischen fest verankert. Die Rede von Ralf Dahrendorf zum [[Tag der Deutschen Einheit]] 2006 ([[Frankfurter Rundschau]], 4. Oktober 2006)<br />
* ''Anfechtungen liberaler Demokratien. Festvortrag zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.'' Stiftung-Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 19, Stuttgart 2007 ISBN 978-3-9809603-3-5<br />
<br />
== Auszeichnungen (Auszug) ==<br />
* 1974: Großkreuz des [[Verdienstorden des Großherzogtums Luxemburg|Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg]]<br />
* 1975: [[Orden Leopolds II. (Belgien)|belgisches Großkreuz des Ordens Leopolds II.]]<br />
* 1975: [[Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich|Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<ref>[http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_10542/imfname_251156.pdf Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952]</ref><br />
* 1982: [[Order of the British Empire|Knight Commander des Order of the British Empire]] (Großbritannien)<br />
* 1989: [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband]] der Bundesrepublik Deutschland<br />
* 1993: [[Peer (Adel)|Life Peer]] als ''Baron Dahrendorf'' (Großbritannien<br />
* 1994: [[Reinhold-Maier-Stiftung#Reinhold-Maier-Medaille|Reinhold Maier-Medaille]] der [[Reinhold-Maier-Stiftung]]<br />
* 1997: [[Theodor-Heuss-Preis]]<br />
* 1999: [[Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg|Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
* 1999: Ehrensenator der [[Universität Hamburg]]<ref>[http://www.uni-hamburg.de/UHH/ehrensenatoren.html Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren der Universität Hamburg]</ref><br />
* 2002: [[Verdienstorden der Italienischen Republik|Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik]] (Italien)<br />
* 2002: [[Walter-Hallstein-Preis]]<ref>[http://www.merton-zentrum.uni-frankfurt.de/Startseite/Walter_Hallstein_Symposium/WHK_2002.html II. Walter Hallstein Kolloquium [[Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main|Universität Frankfurt]]]</ref><br />
* 2003: Orden [[Pour le Mérite]]<br />
* 2007: [[Prinz-von-Asturien-Preis]]<br />
* 2009: [[Schader-Preis]] (Deutschland)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jens Alber]], ''In memoriam Ralf Dahrendorf (1. Mai 1929–17. Juni 2009)'', in: ''Soziologie'', Jg. 38, H. 4, 2009, S. 465–475<br />
* [[Jürgen Habermas]], ''Jahrgang 1929''. Oxforder Rede zum 80. Geburtstag von Ralf Dahrendorf, in: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 2. Mai 2009, S. 35.<br />
* [[Jürgen Kocka]], ''Dahrendorf in Perspektive'', in: ''Soziologische Revue'', Jg. 27, 2004, S. 151–158<br />
* Jürgen Kocka: ''Ralf Dahrendorf in historischer Perspektive. Aus Anlass seines Todes am 17. Juni 2009.'' In: [[Geschichte und Gesellschaft]]. Bd. 35 (2009), S. 346–352.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote}}<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikibooks|Soziologische Klassiker/ Dahrendorf, Ralf}}<br />
* {{DNB-Portal|118678612}}<br />
* [http://www.project-syndicate.org/contributor/77 Ralf Dahrendorfs Artikel für ''Project Syndicate'']<br />
* [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607029,00.html Porträt Dahrendorf: Aufstieg und Fall eines liberalen Supertalents – Spiegel-Online vom 14. Februar 2009]<br />
* [http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/trauer-um-lord-ralf-dahrendorf--16168751.html Dahrendorf-Nachruf der Badischen Zeitung, zu der als Ratgeber eine enge Verbindung hatte.]<br />
<br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Kommission Malfatti<br />
|Navigationsleiste Kommission Mansholt<br />
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|Navigationsleiste Kommissare für Handel<br />
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}}<br />
<br />
{{Normdaten|PND=118678612|LCCN=n/79/53999|VIAF=17221311}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Dahrendorf, Ralf}}<br />
[[Kategorie:Soziologe (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Soziologe (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Politiker (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Person des Liberalismus]]<br />
[[Kategorie:SPD-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:SDS-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:FDP-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Landtagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Bundestagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Staatsminister im Auswärtigen Amt]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Europäischen Kommission]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Essay]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (HWP Hamburg)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Eberhard Karls Universität Tübingen)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Konstanz)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (London School of Economics and Political Science)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Oxford)]]<br />
[[Kategorie:Liberal-Democrats-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Life Peer]]<br />
[[Kategorie:Mitglied des House of Lords]]<br />
[[Kategorie:Knight Commander des Order of the British Empire]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<br />
[[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens der Italienischen Republik (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Ordens Leopolds II.]]<br />
[[Kategorie:Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa]]<br />
[[Kategorie:Ehrensenator der Universität Hamburg]]<br />
[[Kategorie:Ehrendoktor der Universität Warschau]]<br />
[[Kategorie:Ehrenbürger in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1929]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2009]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Dahrendorf, Ralf<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Dahrendorf, Ralf Gustav (vollständiger Name); Europa, Wieland (Pseudonym); Baron Dahrendorf of Clare Market<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutsch-britischer Soziologe, Hochschullehrer, Politiker (FDP), MdL, MdB und Publizist<br />
|GEBURTSDATUM=1. Mai 1929<br />
|GEBURTSORT=[[Hamburg]]<br />
|STERBEDATUM=17. Juni 2009<br />
|STERBEORT=[[Köln]]<br />
}}<br />
<br />
[[bg:Ралф Дарендорф]]<br />
[[ca:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cs:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cy:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[en:Ralf Dahrendorf]]<br />
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[[es:Ralf Dahrendorf]]<br />
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[[fr:Ralf Gustav Dahrendorf]]<br />
[[gl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[hr:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[it:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ja:ラルフ・ダーレンドルフ]]<br />
[[kk:Дарендорф Ральф]]<br />
[[ky:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[la:Radulphus Dahrendorf]]<br />
[[nl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[no:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pt:Ralf Dahrendorf]]<br />
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[[ru:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[sr:Ралф Дарендорф]]<br />
[[sv:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[uk:Ральф Дарендорф]]<br />
[[zh:拉尔夫·达伦多夫]]<br />
[[zh-min-nan:Ralf Dahrendorf]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ralf_Dahrendorf&diff=110295478Ralf Dahrendorf2012-11-09T10:50:48Z<p>138.246.2.191: Änderung 110295343 von Eynre wurde rückgängig gemacht.</p>
<hr />
<div>[[Datei:dahrendorf.jpg|miniatur|Ralf Dahrendorf (2003)]]<br />
'''Ralf Gustav Dahrendorf, Baron Dahrendorf of Clare Market in the City of Westminster''', [[Order of the British Empire|KBE]], [[British Academy|FBA]] (* [[1. Mai]] [[1929]] in [[Hamburg]]; † [[17. Juni]] [[2009]] in [[Köln]]), war ein deutsch-britischer [[Soziologe]], [[Politiker]] und [[Publizist]]. Er war Vorsitzender der [[Deutsche Gesellschaft für Soziologie|Deutschen Gesellschaft für Soziologie]], Mitglied des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]], parlamentarischer [[Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]], Mitglied der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], Direktor der [[London School of Economics and Political Science]], Mitbegründer der [[Universität Konstanz]] und Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Nach ihm wurde der [[Freie Demokratische Partei#Organisierte Strömungen in der Partei|Dahrendorf-Kreis in der FDP]] benannt.<br />
<br />
== Leben ==<br />
=== Drittes Reich und Nachkriegsjahre ===<br />
Ralf Dahrendorf wurde 1929 als Sohn des [[Genossenschaft]]ers und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Mitglied des Reichstages|Reichstagsabgeordneten]] [[Gustav Dahrendorf]] in Hamburg geboren. Sein Vater wurde, nachdem er 1933 gegen das [[Ermächtigungsgesetz]] gestimmt hatte, nach kurzer Haft arbeitslos. 1935 wurde Ralf Dahrendorf in Berlin eingeschult und besuchte seit 1938 das Gymnasium. 1941 siedelte er mit seiner Familie nach [[Buckow (Märkische Schweiz)|Buckow]] um. In der dortigen [[Internat]]sschule war er als 14-jähriger Mitverfasser von Flugblättern gegen den [[Nationalsozialismus]]. Als sein Vater, der im sozialdemokratischen Untergrund agitierte, nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] inhaftiert wurde, flog im November 1944 diese Tätigkeit auf, und Dahrendorf sollte im Gefängnis in [[Frankfurt (Oder)]] interniert werden. Dies lehnten aber die dortigen Aufseher mit Hinblick auf seine Jugend ab. So wurde er in ein Lager bei [[Świecko|Schwetig]] verbracht, wo er bis zum Eintreffen der Roten Armee festgehalten wurde.<br />
<br />
Weil sein Vater die [[Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED|Zwangsvereinigung von SPD und KPD]] in der sowjetischen Besatzungszone 1946 nicht mitvollziehen wollte und sich damit gegen [[Otto Grotewohl]] stellte, siedelte die Familie auf Anraten der amerikanischen Besatzungsmacht von Berlin nach Hamburg um, wo Dahrendorf sein Abitur nachholte. Zu Beginn des Jahres 1948 nahm er an einem politischen Lehrgang im englischen [[Wilton Park]] teil.<br />
<br />
=== Studium und Universitätskarriere ===<br />
Er studierte danach [[Philosophie]] und [[Klassische Philologie]] an der [[Universität Hamburg]]. Seine wichtigsten Lehrer waren der Klassische Philologe [[Ernst Zinn]] und der Philosoph [[Josef König (Philosoph)|Josef König]]. 1952 promovierte er dort zum [[Doktor|Dr. phil.]] mit der Arbeit ''Der Begriff des [[Gerechtigkeit|Gerechten]] im Denken von [[Karl Marx]]''. 1952 bis 1954 studierte er an der ''London School of Economics'', wo er [[Karl Popper]] hörte und zusammen mit [[David Lockwood]] und [[Basil Bernstein]] einem Kreis von [[Ph.D.]]-Studenten angehörte, die von dem Soziologen [[A. H. Halsey]] betreut wurden. Als sein Doktorvater an der LSE fungiert [[Thomas H. Marshall]].<br />
<br />
Neben seiner britischen [[Dissertation]] unter dem Titel ''Unskilled Labour in British Industry'' (1956) arbeitete er bereits dort an seiner Schrift ''[[Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft]]'', die er 1957 als [[Habilitation]]sschrift der [[Universität des Saarlandes]] in Saarbrücken vorlegte. Von 1958 bis 1960 lehrte er als Professor für Soziologie an der [[Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik|Akademie für Gemeinwirtschaft]] in Hamburg<ref>[http://www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Mitteilu/lord.html ''Neue Ehrensenatorin und neue Ehrensenatoren der Universität: Komatsu Chikô, Lord Dahrendorf und Michael Otto''] Pressemitteilung der Universität Hamburg vom 22. Juli 1999.</ref> und hielt zugleich Vorlesungen an der Universität Hamburg. Von dort wurde er dann nach [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Tübingen]] und danach an die [[Universität Konstanz]] berufen, zu deren ''Gründervätern'' er gezählt wird.<ref>So im [http://www.aktuelles.uni-konstanz.de/presseinformationen/2009/98/ Nachruf der Universität Konstanz]</ref><br />
<br />
=== Politisches Engagement in der FDP ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F031122-0017, Bonn, Landesvertretung Baden-Württemberg, Vortrag.jpg|thumb|Ralf Dahrendorf (links) 1970 im Gespräch mit [[Klaus Mehnert]]]]<br />
Obwohl Dahrendorf nach dem Krieg zunächst der SPD – und kurzzeitig auch dem damals von [[Helmut Schmidt]] geführten [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|SDS]] – angehört hatte, wurde er in seinem politischen Wirken vor allem als Vordenker des [[Liberalismus]] bekannt. Nachdem er zuvor bereits einmal auf einer regionalen Liste für die Freidemokraten kandidiert hatte, wechselte er 1967 endgültig zur [[Freie Demokratische Partei|FDP]]. Zusammen mit dem damaligen Generalsekretär [[Karl-Hermann Flach]] war er maßgeblich an der programmatischen Neuausrichtung der Partei in den späten 1960ern und frühen 1970ern beteiligt. Bekannt wurde er auch durch – von seinesgleichen selten gewagte – öffentliche Diskussionen mit den Protagonisten der [[68er-Bewegung]] wie zum Beispiel [[Rudi Dutschke]].<br />
<br />
1968 zog Dahrendorf für die Liberalen als Abgeordneter in den [[Landtag von Baden-Württemberg]] ein, doch legte er am 28. Oktober 1969 sein Mandat wieder nieder, als er in den [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] einzog, den er bereits am 25. August 1970 wieder verließ. Er war kurze Zeit in der ersten [[Kabinett Brandt I|Regierung Brandt]] als [[Staatssekretär#Parlamentarische Staatssekretäre|Parlamentarischer Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] tätig, bevor er 1970 als [[Kommissar für Außenhandel]] in die [[Kommission Malfatti|EG-Kommission Malfatti]] nach [[Brüssel]] wechselte. In der [[Kommission Ortoli]] war er bis zu seinem Rücktritt 1974 für [[Kommissar für Forschung und Innovation|Forschung, Wissenschaft und Bildung]] zuständig.<br />
<br />
=== Weitere universitäre und gesellschaftliche Karriere ab 1974 ===<br />
1974 kehrte Dahrendorf in die Wissenschaft zurück und leitete bis 1984 die renommierte [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics (LSE)]]. Von 1984 bis 1986 lehrte er an der Universität Konstanz, und 1986–1987 an der ''[[Russell Sage Foundation]]'' in New York. Von 1987 bis 1997 war er Rektor des ''[[St Antony’s College]]'' der [[University of Oxford]] und von 1991 bis 1997 zudem [[Prorektor]] der dortigen [[University of Oxford|Universität]].<br />
<br />
1982 wurde er von Königin [[Elisabeth II.]] zum [[Order of the British Empire|Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE)]] erhoben, mit dem für britische Bürger der [[Adelstitel]] „[[Knight|Sir]]“ verbunden ist. 1988 nahm Dahrendorf die britische Staatsbürgerschaft an, 1993 wurde er zum [[Peer (Adel)|Life Peer]] erhoben und erhielt den Titel eines ''Baron Dahrendorf of Clare Market in the [[City of Westminster]]''. Clare Market ist ein Platz bei der London School of Economics, welcher auch als ihr Parkplatz dient. In der Nähe befand sich früher das Schloss von [[Clare (Familie)|John Earl of Clare]], der dort bis etwa 1617 wohnte. Den Titel hat Dahrendorf, wie üblich, selbst gewählt und damit seine Verbundenheit mit der London School of Economics gezeigt.<br />
<br />
1982 bis 1987 war Dahrendorf außerdem Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen [[Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit|Friedrich-Naumann-Stiftung]]. Seitdem er britischer Staatsbürger war, gehörte er den ''[[Liberal Democrats]]'' an und war seit 1993 Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Im House of Lords wirkte er unter anderem als Vorsitzender der Commission on Wealth Creation and Social Cohesion (1995) und als langjähriger Vorsitzender des Select Committee on Delegated Powers and Regulatory Reform (bis Herbst 2006). In Deutschland war er als Berater der [[Badische Zeitung|Badischen Zeitung]] tätig.<br />
<br />
Dahrendorf erhielt 1989 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]]. Er war Botschafter der [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]]. 1997 wurde ihm der [[Theodor-Heuss-Stiftung|Theodor-Heuss-Preis]] für sein politisches und geisteswissenschaftliches Lebenswerk verliehen. Im Jahre 2002 wurde er als erster Preisträger mit dem [[Walter-Hallstein-Preis]] der Universität Frankfurt, der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank ausgezeichnet.<br />
<br />
=== Letzte Jahre ===<br />
Ab Januar 2005 war er Forschungsprofessor am [[Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung]]. Von 2006 bis zu seinem Tod 2009 war Dahrendorf Vorsitzender der Jury zur Vergabe des [[Gerda Henkel Stiftung#Gerda Henkel Preis|Gerda Henkel Preises]]. 2007 wurde Dahrendorf mit dem international hoch renommierten [[Prinz-von-Asturien-Preis]] in der Sparte Sozialwissenschaften ausgezeichnet.<ref> [http://www.waz.de/waz/waz.aktuell.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20070711-256-dpa_15079858.nitf&kategorie=&catchline=%2Fboulevard%2F&other=&dbserver=1 Soziologe Ralf Dahrendorf erhält Asturien-Preis], ''[[Westdeutsche Allgemeine Zeitung|WAZ]]'' vom 11. Juli 2007</ref><br />
<br />
Am 4. April 2008 wurde Dahrendorf durch den Ministerpräsidenten [[Jürgen Rüttgers]] (CDU) zum Vorsitzenden der neuen Zukunftskommission der [[Nordrhein-Westfalen|nordrhein-westfälischen]] Landesregierung berufen.<ref>[http://www.mpifg.de/aktuelles/doks/Presseinfo%20Zukunftskommission_stk04042008_1.pdf] Ministerpräsident Rüttgers beruft Mitglieder der Zukunftskommission, 4. April 2008</ref> 2009 erhielt er den [[Schader-Preis]]. Er war auch Ehrenpräsident der [[Deutsch-Britische Gesellschaft|Deutsch-Britischen Gesellschaft]]. Dahrendorf lebte in [[London]] und in [[Bonndorf im Schwarzwald|Bonndorf]] / Schwarzwald.<ref>http://www.spk-bs.de/c3b813218e149e02/index15.htm</ref><br />
<br />
Am 17. Juni 2009 starb Dahrendorf im Alter von 80 Jahren. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.<br />
<br />
== Werk ==<br />
Dahrendorfs früheste Publikationen beschäftigten sich mit Fragen der [[Industrie- und Betriebssoziologie]].<br />
<br />
Viele Schüler kennen Dahrendorfs Arbeiten durch das „[[Dahrendorfhäuschen]]“, eine Darstellung der [[Sozialstruktur|Schichtung]] der Bevölkerung in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]]. Theoretisch Interessierten ist er als Vertreter der [[Konfliktsoziologie]], durch seine Beiträge zur [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] und teilweise auch durch seine Beteiligung am sogenannten [[Positivismusstreit]] in der deutschen Soziologie bekannt, in dem die Philosophen [[Karl Popper]] und [[Theodor W. Adorno]] in [[Tübingen]] aufeinandertrafen.<br />
<br />
Bereits mit seiner Habilitationsschrift ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft'' (1957), die im Schulenstreit zwischen [[Marxistische Soziologie|marxistischer Soziologie]] und [[Strukturfunktionalismus]] einen „dritten Weg“ zu öffnen versprach, wurde er in der deutschen Soziologie bekannt, in weit stärkerem Maße dann im angelsächsischen Sprachbereich (viele Auflagen seiner Werke erschienen in englischer Übersetzung).<br />
<br />
Mit einer Reihe von Aufsätzen – zusammengefasst in dem Band ''Gesellschaft und Freiheit'' (1961) – begründete er eine soziologische [[Konfliktsoziologie|Konflikt]]- und [[Herrschaft]]stheorie, die sich als Gegenentwurf zur strukturfunktionalen Gesellschaftstheorie von [[Talcott Parsons]] und seinen Schülern verstand. Darin begriff er Konflikte nicht als „dysfunktionale“, die gesellschaftliche Ordnung störende Phänomene, sondern als „eine hervorragende schöpferische Kraft“ des sozialen Wandels.<ref>Ralf Dahrendorf: ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper Verlag, München 1961, S. 124 ff. </ref><br />
<br />
Zum geflügelten Wort wurde der Titel seines Buches ''Bildung ist Bürgerrecht'' (1965) über deutsche Bildungsdefizite, die er als Bedrohung für die bundesdeutsche Demokratie wertete. Er lieferte damit wesentliche Argumente für eine [[Bildungsexpansion]].<br />
<br />
Mit dem Konzept des ''[[Homo sociologicus]]'' führte er auch die [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] in die deutschsprachige Soziologie ein. Der Übergang vom innovativen, klaren und beredten akademischen Lehrer zum Akteur der Politik während der Zeit der Studentenrevolte, seine unter freiem Himmel geführte Diskussion mit [[Rudi Dutschke]], überraschten die Fachwelt.<br />
<br />
Er galt als Verfechter des politischen Liberalismus, den er durch die „Zerstörung der [[Ligaturen (Soziologie)|Ligaturen]]“ (Bindungen) in der Gesellschaft gefährdet sah. Hinsichtlich der Wirtschaftsordnung vertrat er Positionen des [[Ordoliberalismus]], aber auch das Konzept eines [[Grundeinkommen]]s („Bürgergeld“).<br />
<br />
Als zeitkritischer Intellektueller nahm er zu vielen aktuellen Fragen Stellung, seine besondere Aufmerksamkeit galt den Umwälzungen in Osteuropa (''Betrachtungen über die Revolution in Europa'', 1990) sowie den Entwicklungen nach 1989 und in [[Europa]].<br />
<br />
Als „Summe meiner Sozialwissenschaft“ bezeichnet er die Aufsatzsammlung ''Der moderne soziale Konflikt'' (1992), die seine Hauptthemen – soziale Klassen und Konflikt, Anrechte und Lebenschancen, Bürgergesellschaft und Weltbürgertum – in einen konsistenten Zusammenhang stellt.<br />
<br />
In seinen Werken ''Engagierte Beobachter'' (2005) und ''Versuchungen der Unfreiheit'' (2006) setzte er sich mit dem Phänomen der ''[[Intellektueller|Intellektuellen]] in Zeiten der Prüfung'' auseinander, die dem [[Totalitarismus]] (zeitweise) verfallen waren, und mit jenen, die sich immer von [[Ideologie]]n abgrenzten. Er stellte die These auf, dass das Votum letzterer auf vier Säulen beruhe: den Fähigkeiten, unabhängiges Denken strikt zu verfolgen und die Widersprüche und Konflikte der Gesellschaft auszuhalten, auf einer akribischen engagierten Beobachtungsweise sowie auf der Anerkennung der Vernunft als Grundlage jeder Theorie und Praxis.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 79</ref><br />
<br />
Als große Beispiele eines solchen auf [[Freiheit]] beruhenden eigenständigen zielbewussten Denkens nannte er [[Karl Popper]], [[Raymond Aron]] und [[Isaiah Berlin]], die ihn prägten. Nach Dahrendorfs Ansicht hat bereits der Humanist [[Erasmus von Rotterdam]] diese Art des Denkens im 15. Jahrhundert begründet und kann den modernen Intellektuellen somit als Vorbild dienen. Zu den von ihm so genannten ''Erasmus-Intellektuellen'' zählte er außerdem in unterschiedlichen Abstufungen u.&nbsp;a. [[Arthur Koestler]] und [[Manès Sperber]], beide ehemalige Kommunisten, die als Kritiker des Stalinismus bekannt wurden, sowie [[Norberto Bobbio]] (italienischer Rechtsgelehrter und Antifaschist), [[Jan Patočka]] (tschechischer Philosoph), [[Hannah Arendt]] und [[Theodor W. Adorno]].<br />
<br />
Die standhaften freiheitlichen Intellektuellen im Denken und Handeln stellten nach Dahrendorf im 20. Jahrhundert nur eine Minderheit dar, viele seien den zahlreichen ''Versuchungen der Unfreiheit'' erlegen. Dahrendorf betrachtete Großbritannien als liberale Gesellschaft ''(Erasmus-Land)'', die als ''[[offene Gesellschaft]]'' auf einem ''common sense'' beruhe und mit der sich der Autor als Liberaler mehr oder weniger identifizierte.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 157ff</ref><br />
<br />
== Schriften ==<br />
Dahrendorfs Buchnachlass wurde im Jahre 2010 von der Witwe in die Obhut der [[Universitäts- und Landesbibliothek Bonn]] gegeben.<br />
<br />
=== Monografien und Sammelbände ===<br />
* ''Industrie- und Betriebssoziologie''. Walter de Gruyter (Sammlung Göschen Bd. 103), Berlin 1956 (4 Auflagen bis 1967; spätere Auflagen weitergeführt von [[Wolfram Burisch]])<br />
* ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft''. Ferdinand Enke, Stuttgart 1957<br />
** (engl.) ''Class and Class Conflict in Industrial Society''. Routledge, London 1959 (zahlreiche Neuauflagen, im angelsächsischen Raum vielfach als Lehrbuch benutzt)<br />
* ''Sozialstruktur des Betriebes - Betriebssoziologie -''. Gabler, Wiesbaden 1959<br />
* ''Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen'', [1961]<ref>In dieser Tübinger Antrittsvorlesung findet sich die „berühmteste Fußnote der deutschen Nachkriegssoziologie“ ([[Dieter Claessens]]), in der Dahrendorf bekannte, die Kernthese seiner [[Habilitation]]sschrift über soziale Klassen ''zurücknehmen'' zu müssen, dass nämlich Konflikt- und Funktionstheorie in der Soziologie gleich wichtig und nebeneinander gültig seien. Nunmehr gehe er primär von einer [[Konfliktsoziologie|Konflikttheorie]] aus.</ref>, Mohr (Siebeck), Tübingen 1966<br />
* ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper, München 1961<br />
* ''Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika''. Piper, München 1962<br />
* ''Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik'', Nannen-Verlag 1965<br />
* ''Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle''. [Erstdruck 1965], 16. Auflage mit einem neuen Vorwort, VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-31122-7<br />
* ''Gesellschaft und Demokratie in Deutschland''. Piper, München 1965<br />
* ''Konflikt und Freiheit. Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft''. Piper, München 1972, ISBN 3-492-01782-7<br />
* ''Plädoyer für die Europäische Union''. Piper, München 1973, ISBN 3-492-02038-0<br />
* ''Pfade aus Utopia. Arbeiten zur Theorie und Methode der Soziologie''. Piper, München 1974, ISBN 3-492-00401-6<br />
* ''Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie''. Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-37059-6<br />
* ''Die neue Freiheit. Überleben und Gerechtigkeit in einer veränderten Welt''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-37123-1<br />
* ''Die Chancen der Krise. Über die Zukunft des Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06148-3<br />
* ''Reisen nach innen und außen. Aspekte der Zeit''. DVA, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-06183-1<br />
* ''Fragmente eines neuen Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06361-3<br />
* ''Betrachtungen über die Revolution in Europa''. DVA, Stuttgart, 1990.<br />
* ''Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit''. DVA, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06539-X<br />
* ''Liberale und andere: Portraits''. DVA, Stuttgart 1994, ISBN 3-421-06669-8<br />
* ''LSE. A History of the London School of Economics and Political Science, 1895–1995''. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-820240-7<br />
* ''Europäisches Tagebuch''. Steidl Verlag, Göttingen 1995, ISBN 3-88243-370-1<br />
* ''Die Zukunft des Wohlfahrtsstaats''. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1996<br />
* ''Liberal und unabhängig. [[Gerd Bucerius]] und seine Zeit''. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46474-2<br />
* ''Über Grenzen. [[Autobiografie|Lebenserinnerungen]]''. 4. Auflage, C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49338-6<br />
* ''Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert''. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50540-6<br />
* ''Der Wiederbeginn der Geschichte: vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak; Reden und Aufsätze''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51879-6<br />
* ''{{Literatur | Titel=Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchung der Zeit | Verlag=Passagen Verlag | Ort=Wien | Auflage=1. | Jahr=2005 | ISBN=978-3-85165-726-5 | Online=[http://www.libreka.de/9783851657265 Buchvorschau bei Libreka]}}<br />
* ''Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung ''. München 2006, ISBN 3-406-54054-6<br />
* (mit anderen) ''Klimawandel und Grundeinkommen. Die nicht zufällige Gleichzeitigkeit beider Themen und ein sozialökologisches Experiment'', hgg. von [[Maik Hosang]]. Andreas Mascha Verlag, München 2008, ISBN 978-3-924404-73-4<br />
<br />
=== Artikel in Ze-itungen, Zeitschriften und Sammelbänden ===<br />
In den 1960er Jahren publizierte er gelegentlich in der ''ZEIT'' unter dem Pseudonym ''Wieland Europa''.<br />
* [http://www.sociosite.net/topics/texts/dahrendorf.php Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der „sozialen Schicht“ und „sozialen Klasse“ in der Sozialanalyse der Gegenwart], in: Seidel, B. / Jenkner, S. [1968] Klassenbildung und Sozialschichtung. Darmstadt, S. 279–296<br />
* ''An der Schwelle zum autoritären Jahrhundert.'' Die [[Globalisierung]] und ihre sozialen Folgen werden zur nächsten Herausforderung einer Politik der Freiheit, [[Die Zeit]] Nr. 47/1997<br />
* Vorworte zum 6-bändigen Basiswissen Politische Bildung, Dirk Lange/Volker Reinhardt (Hrsg.): ''Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Basiswissen Politische Bildung'', 6 Bände, [http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=1282 Schneider Verlag Hohengehren], Baltmannsweiler 2007 ISBN 978-3-8340-0212-9<br />
* ''Die globale Klasse und die neue Ungleichheit'', Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, H.11, November 2000<br />
* [http://www.zeit.de/2005/05/Interv_Dahrendorf Ein ZEIT-Gespräch] mit Dahrendorf über „Deutsche Illusionen“<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article199202/Grenzen_der_Demokratie_Essay.html Essay ''Grenzen der Demokratie''], [[Die Welt]] vom 20. Februar 2006<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article203401/Schweigen_der_Freunde.html ''Schweigen der Freunde''], DIE WELT vom 10. März 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/2006/11/16/fe/articleENO4U.print.html ''Das Tausendjährige Reich? Über Bezichtigungen, Selbstbezichtigungen und deutsche Lebensgeschichten''], [[Neue Zürcher Zeitung]] vom 16. November 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bewegungsfreiheit_1.542427.html?printview=true ''Bewegungsfreiheit – Anmerkungen zur Diskussion über Freiheit und Sicherheit''], Neue Zürcher Zeitung vom 18. August 2007<br />
* ''Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? – Sechs Anmerkungen''. In: Merkur, Nr. 720, Mai 2009. ([http://www.eurozine.com/articles/2009-05-05-dahrendorf-de.html online in Eurozine, 5. Mai 2009])<br />
<br />
=== Interviews ===<br />
* Dahrendorf, R.: ''Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch'' (geführt mit dem italienischen Journalisten Antonio Polito). München: Beck, 2003. 116 S.<br />
* [http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=do&dig=2008%2F04%2F05%2Fa0006&src=GI&cHash=8e1be0aae8 „Der Minirock wurde nicht 1968 erfunden!“], [[die tageszeitung]] vom 5. April 2008<br />
* [http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,585616,00.html „Eine Bildungsrepublik kann am Mittagessen scheitern“], [[Spiegel Online]] vom 22. Oktober 2008<br />
* UC Berkeley TV: [http://www.youtube.com/watch?v=Yj5pVe6hOZo&feature=channel Conversations with History: Sir Ralf Dahrendorf], Interview mit Harry Kreisler (Youtube-Video, 50 min.)<br />
<br />
=== Reden ===<br />
* ''Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit. Jan Patočka-Gedächtnisvorlesung 2004''. [[Passagen Verlag]], Wien 2005, ISBN 978-3-85165-726-5<br />
* [http://www.fr-online.de/in_und_ausland/dokumentation/?em_cnt=981972 ''Die Mühlen der Demokratie mahlen langsam''] – Deutschland ist in der demokratischen Welt inzwischen fest verankert. Die Rede von Ralf Dahrendorf zum [[Tag der Deutschen Einheit]] 2006 ([[Frankfurter Rundschau]], 4. Oktober 2006)<br />
* ''Anfechtungen liberaler Demokratien. Festvortrag zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.'' Stiftung-Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 19, Stuttgart 2007 ISBN 978-3-9809603-3-5<br />
<br />
== Auszeichnungen (Auszug) ==<br />
* 1974: Großkreuz des [[Verdienstorden des Großherzogtums Luxemburg|Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg]]<br />
* 1975: [[Orden Leopolds II. (Belgien)|belgisches Großkreuz des Ordens Leopolds II.]]<br />
* 1975: [[Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich|Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<ref>[http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_10542/imfname_251156.pdf Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952]</ref><br />
* 1982: [[Order of the British Empire|Knight Commander des Order of the British Empire]] (Großbritannien)<br />
* 1989: [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband]] der Bundesrepublik Deutschland<br />
* 1993: [[Peer (Adel)|Life Peer]] als ''Baron Dahrendorf'' (Großbritannien<br />
* 1994: [[Reinhold-Maier-Stiftung#Reinhold-Maier-Medaille|Reinhold Maier-Medaille]] der [[Reinhold-Maier-Stiftung]]<br />
* 1997: [[Theodor-Heuss-Preis]]<br />
* 1999: [[Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg|Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
* 1999: Ehrensenator der [[Universität Hamburg]]<ref>[http://www.uni-hamburg.de/UHH/ehrensenatoren.html Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren der Universität Hamburg]</ref><br />
* 2002: [[Verdienstorden der Italienischen Republik|Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik]] (Italien)<br />
* 2002: [[Walter-Hallstein-Preis]]<ref>[http://www.merton-zentrum.uni-frankfurt.de/Startseite/Walter_Hallstein_Symposium/WHK_2002.html II. Walter Hallstein Kolloquium [[Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main|Universität Frankfurt]]]</ref><br />
* 2003: Orden [[Pour le Mérite]]<br />
* 2007: [[Prinz-von-Asturien-Preis]]<br />
* 2009: [[Schader-Preis]] (Deutschland)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jens Alber]], ''In memoriam Ralf Dahrendorf (1. Mai 1929–17. Juni 2009)'', in: ''Soziologie'', Jg. 38, H. 4, 2009, S. 465–475<br />
* [[Jürgen Habermas]], ''Jahrgang 1929''. Oxforder Rede zum 80. Geburtstag von Ralf Dahrendorf, in: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 2. Mai 2009, S. 35.<br />
* [[Jürgen Kocka]], ''Dahrendorf in Perspektive'', in: ''Soziologische Revue'', Jg. 27, 2004, S. 151–158<br />
* Jürgen Kocka: ''Ralf Dahrendorf in historischer Perspektive. Aus Anlass seines Todes am 17. Juni 2009.'' In: [[Geschichte und Gesellschaft]]. Bd. 35 (2009), S. 346–352.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote}}<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikibooks|Soziologische Klassiker/ Dahrendorf, Ralf}}<br />
* {{DNB-Portal|118678612}}<br />
* [http://www.project-syndicate.org/contributor/77 Ralf Dahrendorfs Artikel für ''Project Syndicate'']<br />
* [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607029,00.html Porträt Dahrendorf: Aufstieg und Fall eines liberalen Supertalents – Spiegel-Online vom 14. Februar 2009]<br />
* [http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/trauer-um-lord-ralf-dahrendorf--16168751.html Dahrendorf-Nachruf der Badischen Zeitung, zu der als Ratgeber eine enge Verbindung hatte.]<br />
<br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Kommission Malfatti<br />
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}}<br />
<br />
{{Normdaten|PND=118678612|LCCN=n/79/53999|VIAF=17221311}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Dahrendorf, Ralf}}<br />
[[Kategorie:Soziologe (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Soziologe (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Politiker (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Person des Liberalismus]]<br />
[[Kategorie:SPD-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:SDS-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:FDP-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Landtagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Bundestagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Staatsminister im Auswärtigen Amt]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Europäischen Kommission]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Essay]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (HWP Hamburg)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Eberhard Karls Universität Tübingen)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Konstanz)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (London School of Economics and Political Science)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Oxford)]]<br />
[[Kategorie:Liberal-Democrats-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Life Peer]]<br />
[[Kategorie:Mitglied des House of Lords]]<br />
[[Kategorie:Knight Commander des Order of the British Empire]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<br />
[[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens der Italienischen Republik (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Ordens Leopolds II.]]<br />
[[Kategorie:Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa]]<br />
[[Kategorie:Ehrensenator der Universität Hamburg]]<br />
[[Kategorie:Ehrendoktor der Universität Warschau]]<br />
[[Kategorie:Ehrenbürger in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1929]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2009]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Dahrendorf, Ralf<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Dahrendorf, Ralf Gustav (vollständiger Name); Europa, Wieland (Pseudonym); Baron Dahrendorf of Clare Market<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutsch-britischer Soziologe, Hochschullehrer, Politiker (FDP), MdL, MdB und Publizist<br />
|GEBURTSDATUM=1. Mai 1929<br />
|GEBURTSORT=[[Hamburg]]<br />
|STERBEDATUM=17. Juni 2009<br />
|STERBEORT=[[Köln]]<br />
}}<br />
<br />
[[bg:Ралф Дарендорф]]<br />
[[ca:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cs:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cy:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[en:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[eo:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[es:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fi:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fr:Ralf Gustav Dahrendorf]]<br />
[[gl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[hr:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[it:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ja:ラルフ・ダーレンドルフ]]<br />
[[kk:Дарендорф Ральф]]<br />
[[ky:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[la:Radulphus Dahrendorf]]<br />
[[nl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[no:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pt:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ro:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ru:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[sr:Ралф Дарендорф]]<br />
[[sv:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[uk:Ральф Дарендорф]]<br />
[[zh:拉尔夫·达伦多夫]]<br />
[[zh-min-nan:Ralf Dahrendorf]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ralf_Dahrendorf&diff=110295276Ralf Dahrendorf2012-11-09T10:45:00Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>[[Datei:dahrendorf.jpg|miniatur|Ralf Dahrendorf (2003)]]<br />
'''Ralf Gustav Dahrendorf, Baron Dahrendorf of Clare Market in the City of Westminster''', [[Order of the British Empire|KBE]], [[British Academy|FBA]] (* [[1. Mai]] [[1929]] in [[Hamburg]]; † [[17. Juni]] [[2009]] in [[Köln]]), war ein deutsch-britischer [[Soziologe]], [[Politiker]] und [[Publizist]]. Er war Vorsitzender der [[Deutsche Gesellschaft für Soziologie|Deutschen Gesellschaft für Soziologie]], Mitglied des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]], parlamentarischer [[Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]], Mitglied der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]], Direktor der [[London School of Economics and Political Science]], Mitbegründer der [[Universität Konstanz]] und Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Nach ihm wurde der [[Freie Demokratische Partei#Organisierte Strömungen in der Partei|Dahrendorf-Kreis in der FDP]] benannt.<br />
<br />
== Leben ==<br />
=== Drittes Reich und Nachkriegsjahre ===<br />
Ralf Dahrendorf wurde 1929 als Sohn des [[Genossenschaft]]ers und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-[[Mitglied des Reichstages|Reichstagsabgeordneten]] [[Gustav Dahrendorf]] in Hamburg geboren. Sein Vater wurde, nachdem er 1933 gegen das [[Ermächtigungsgesetz]] gestimmt hatte, nach kurzer Haft arbeitslos. 1935 wurde Ralf Dahrendorf in Berlin eingeschult und besuchte seit 1938 das Gymnasium. 1941 siedelte er mit seiner Familie nach [[Buckow (Märkische Schweiz)|Buckow]] um. In der dortigen [[Internat]]sschule war er als 14-jähriger Mitverfasser von Flugblättern gegen den [[Nationalsozialismus]]. Als sein Vater, der im sozialdemokratischen Untergrund agitierte, nach dem [[Attentat vom 20. Juli 1944|20. Juli 1944]] inhaftiert wurde, flog im November 1944 diese Tätigkeit auf, und Dahrendorf sollte im Gefängnis in [[Frankfurt (Oder)]] interniert werden. Dies lehnten aber die dortigen Aufseher mit Hinblick auf seine Jugend ab. So wurde er in ein Lager bei [[Świecko|Schwetig]] verbracht, wo er bis zum Eintreffen der Roten Armee festgehalten wurde.<br />
<br />
Weil sein Vater die [[Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED|Zwangsvereinigung von SPD und KPD]] in der sowjetischen Besatzungszone 1946 nicht mitvollziehen wollte und sich damit gegen [[Otto Grotewohl]] stellte, siedelte die Familie auf Anraten der amerikanischen Besatzungsmacht von Berlin nach Hamburg um, wo Dahrendorf sein Abitur nachholte. Zu Beginn des Jahres 1948 nahm er an einem politischen Lehrgang im englischen [[Wilton Park]] teil.<br />
<br />
=== Studium und Universitätskarriere ===<br />
Er studierte danach [[Philosophie]] und [[Klassische Philologie]] an der [[Universität Hamburg]]. Seine wichtigsten Lehrer waren der Klassische Philologe [[Ernst Zinn]] und der Philosoph [[Josef König (Philosoph)|Josef König]]. 1952 promovierte er dort zum [[Doktor|Dr. phil.]] mit der Arbeit ''Der Begriff des [[Gerechtigkeit|Gerechten]] im Denken von [[Karl Marx]]''. 1952 bis 1954 studierte er an der ''London School of Economics'', wo er [[Karl Popper]] hörte und zusammen mit [[David Lockwood]] und [[Basil Bernstein]] einem Kreis von [[Ph.D.]]-Studenten angehörte, die von dem Soziologen [[A. H. Halsey]] betreut wurden. Als sein Doktorvater an der LSE fungiert [[Thomas H. Marshall]].<br />
<br />
Neben seiner britischen [[Dissertation]] unter dem Titel ''Unskilled Labour in British Industry'' (1956) arbeitete er bereits dort an seiner Schrift ''[[Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft]]'', die er 1957 als [[Habilitation]]sschrift der [[Universität des Saarlandes]] in Saarbrücken vorlegte. Von 1958 bis 1960 lehrte er als Professor für Soziologie an der [[Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik|Akademie für Gemeinwirtschaft]] in Hamburg<ref>[http://www.uni-hamburg.de/PSV/PR/Presse/Mitteilu/lord.html ''Neue Ehrensenatorin und neue Ehrensenatoren der Universität: Komatsu Chikô, Lord Dahrendorf und Michael Otto''] Pressemitteilung der Universität Hamburg vom 22. Juli 1999.</ref> und hielt zugleich Vorlesungen an der Universität Hamburg. Von dort wurde er dann nach [[Eberhard Karls Universität Tübingen|Tübingen]] und danach an die [[Universität Konstanz]] berufen, zu deren ''Gründervätern'' er gezählt wird.<ref>So im [http://www.aktuelles.uni-konstanz.de/presseinformationen/2009/98/ Nachruf der Universität Konstanz]</ref><br />
<br />
=== Politisches Engagement in der FDP ===<br />
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F031122-0017, Bonn, Landesvertretung Baden-Württemberg, Vortrag.jpg|thumb|Ralf Dahrendorf (links) 1970 im Gespräch mit [[Klaus Mehnert]]]]<br />
Obwohl Dahrendorf nach dem Krieg zunächst der SPD – und kurzzeitig auch dem damals von [[Helmut Schmidt]] geführten [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|SDS]] – angehört hatte, wurde er in seinem politischen Wirken vor allem als Vordenker des [[Liberalismus]] bekannt. Nachdem er zuvor bereits einmal auf einer regionalen Liste für die Freidemokraten kandidiert hatte, wechselte er 1967 endgültig zur [[Freie Demokratische Partei|FDP]]. Zusammen mit dem damaligen Generalsekretär [[Karl-Hermann Flach]] war er maßgeblich an der programmatischen Neuausrichtung der Partei in den späten 1960ern und frühen 1970ern beteiligt. Bekannt wurde er auch durch – von seinesgleichen selten gewagte – öffentliche Diskussionen mit den Protagonisten der [[68er-Bewegung]] wie zum Beispiel [[Rudi Dutschke]].<br />
<br />
1968 zog Dahrendorf für die Liberalen als Abgeordneter in den [[Landtag von Baden-Württemberg]] ein, doch legte er am 28. Oktober 1969 sein Mandat wieder nieder, als er in den [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] einzog, den er bereits am 25. August 1970 wieder verließ. Er war kurze Zeit in der ersten [[Kabinett Brandt I|Regierung Brandt]] als [[Staatssekretär#Parlamentarische Staatssekretäre|Parlamentarischer Staatssekretär]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] tätig, bevor er 1970 als [[Kommissar für Außenhandel]] in die [[Kommission Malfatti|EG-Kommission Malfatti]] nach [[Brüssel]] wechselte. In der [[Kommission Ortoli]] war er bis zu seinem Rücktritt 1974 für [[Kommissar für Forschung und Innovation|Forschung, Wissenschaft und Bildung]] zuständig.<br />
<br />
=== Weitere universitäre und gesellschaftliche Karriere ab 1974 ===<br />
1974 kehrte Dahrendorf in die Wissenschaft zurück und leitete bis 1984 die renommierte [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics (LSE)]]. Von 1984 bis 1986 lehrte er an der Universität Konstanz, und 1986–1987 an der ''[[Russell Sage Foundation]]'' in New York. Von 1987 bis 1997 war er Rektor des ''[[St Antony’s College]]'' der [[University of Oxford]] und von 1991 bis 1997 zudem [[Prorektor]] der dortigen [[University of Oxford|Universität]].<br />
<br />
1982 wurde er von Königin [[Elisabeth II.]] zum [[Order of the British Empire|Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE)]] erhoben, mit dem für britische Bürger der [[Adelstitel]] „[[Knight|Sir]]“ verbunden ist. 1988 nahm Dahrendorf die britische Staatsbürgerschaft an, 1993 wurde er zum [[Peer (Adel)|Life Peer]] erhoben und erhielt den Titel eines ''Baron Dahrendorf of Clare Market in the [[City of Westminster]]''. Clare Market ist ein Platz bei der London School of Economics, welcher auch als ihr Parkplatz dient. In der Nähe befand sich früher das Schloss von [[Clare (Familie)|John Earl of Clare]], der dort bis etwa 1617 wohnte. Den Titel hat Dahrendorf, wie üblich, selbst gewählt und damit seine Verbundenheit mit der London School of Economics gezeigt.<br />
<br />
1982 bis 1987 war Dahrendorf außerdem Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen [[Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit|Friedrich-Naumann-Stiftung]]. Seitdem er britischer Staatsbürger war, gehörte er den ''[[Liberal Democrats]]'' an und war seit 1993 Mitglied des britischen [[House of Lords]]. Im House of Lords wirkte er unter anderem als Vorsitzender der Commission on Wealth Creation and Social Cohesion (1995) und als langjähriger Vorsitzender des Select Committee on Delegated Powers and Regulatory Reform (bis Herbst 2006). In Deutschland war er als Berater der [[Badische Zeitung|Badischen Zeitung]] tätig.<br />
<br />
Dahrendorf erhielt 1989 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]]. Er war Botschafter der [[Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]]. 1997 wurde ihm der [[Theodor-Heuss-Stiftung|Theodor-Heuss-Preis]] für sein politisches und geisteswissenschaftliches Lebenswerk verliehen. Im Jahre 2002 wurde er als erster Preisträger mit dem [[Walter-Hallstein-Preis]] der Universität Frankfurt, der Stadt Frankfurt und der Dresdner Bank ausgezeichnet.<br />
<br />
=== Letzte Jahre ===<br />
Ab Januar 2005 war er Forschungsprofessor am [[Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung]]. Von 2006 bis zu seinem Tod 2009 war Dahrendorf Vorsitzender der Jury zur Vergabe des [[Gerda Henkel Stiftung#Gerda Henkel Preis|Gerda Henkel Preises]]. 2007 wurde Dahrendorf mit dem international hoch renommierten [[Prinz-von-Asturien-Preis]] in der Sparte Sozialwissenschaften ausgezeichnet.<ref> [http://www.waz.de/waz/waz.aktuell.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20070711-256-dpa_15079858.nitf&kategorie=&catchline=%2Fboulevard%2F&other=&dbserver=1 Soziologe Ralf Dahrendorf erhält Asturien-Preis], ''[[Westdeutsche Allgemeine Zeitung|WAZ]]'' vom 11. Juli 2007</ref><br />
<br />
Am 4. April 2008 wurde Dahrendorf durch den Ministerpräsidenten [[Jürgen Rüttgers]] (CDU) zum Vorsitzenden der neuen Zukunftskommission der [[Nordrhein-Westfalen|nordrhein-westfälischen]] Landesregierung berufen.<ref>[http://www.mpifg.de/aktuelles/doks/Presseinfo%20Zukunftskommission_stk04042008_1.pdf] Ministerpräsident Rüttgers beruft Mitglieder der Zukunftskommission, 4. April 2008</ref> 2009 erhielt er den [[Schader-Preis]]. Er war auch Ehrenpräsident der [[Deutsch-Britische Gesellschaft|Deutsch-Britischen Gesellschaft]]. Dahrendorf lebte in [[London]] und in [[Bonndorf im Schwarzwald|Bonndorf]] / Schwarzwald.<ref>http://www.spk-bs.de/c3b813218e149e02/index15.htm</ref><br />
<br />
Am 17. Juni 2009 starb Dahrendorf im Alter von 80 Jahren. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt.<br />
<br />
== Werk ==<br />
Dahrendorfs früheste Publikationen beschäftigten sich mit Fragen der [[Industrie- und Betriebssoziologie]].<br />
<br />
Viele Schüler kennen Dahrendorfs Arbeiten durch das „[[Dahrendorfhäuschen]]“, eine Darstellung der [[Sozialstruktur|Schichtung]] der Bevölkerung in der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]]. Theoretisch Interessierten ist er als Vertreter der [[Konfliktsoziologie]], durch seine Beiträge zur [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] und teilweise auch durch seine Beteiligung am sogenannten [[Positivismusstreit]] in der deutschen Soziologie bekannt, in dem die Philosophen [[Karl Popper]] und [[Theodor W. Adorno]] in [[Tübingen]] aufeinandertrafen.<br />
<br />
Bereits mit seiner Habilitationsschrift ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft'' (1957), die im Schulenstreit zwischen [[Marxistische Soziologie|marxistischer Soziologie]] und [[Strukturfunktionalismus]] einen „dritten Weg“ zu öffnen versprach, wurde er in der deutschen Soziologie bekannt, in weit stärkerem Maße dann im angelsächsischen Sprachbereich (viele Auflagen seiner Werke erschienen in englischer Übersetzung).<br />
<br />
Mit einer Reihe von Aufsätzen – zusammengefasst in dem Band ''Gesellschaft und Freiheit'' (1961) – begründete er eine soziologische [[Konfliktsoziologie|Konflikt]]- und [[Herrschaft]]stheorie, die sich als Gegenentwurf zur strukturfunktionalen Gesellschaftstheorie von [[Talcott Parsons]] und seinen Schülern verstand. Darin begriff er Konflikte nicht als „dysfunktionale“, die gesellschaftliche Ordnung störende Phänomene, sondern als „eine hervorragende schöpferische Kraft“ des sozialen Wandels.<ref>Ralf Dahrendorf: ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper Verlag, München 1961, S. 124 ff. </ref><br />
<br />
Zum geflügelten Wort wurde der Titel seines Buches ''Bildung ist Bürgerrecht'' (1965) über deutsche Bildungsdefizite, die er als Bedrohung für die bundesdeutsche Demokratie wertete. Er lieferte damit wesentliche Argumente für eine [[Bildungsexpansion]].<br />
<br />
Mit dem Konzept des ''[[Homo sociologicus]]'' führte er auch die [[Soziale Rolle|Rollentheorie]] in die deutschsprachige Soziologie ein. Der Übergang vom innovativen, klaren und beredten akademischen Lehrer zum Akteur der Politik während der Zeit der Studentenrevolte, seine unter freiem Himmel geführte Diskussion mit [[Rudi Dutschke]], überraschten die Fachwelt.<br />
<br />
Er galt als Verfechter des politischen Liberalismus, den er durch die „Zerstörung der [[Ligaturen (Soziologie)|Ligaturen]]“ (Bindungen) in der Gesellschaft gefährdet sah. Hinsichtlich der Wirtschaftsordnung vertrat er Positionen des [[Ordoliberalismus]], aber auch das Konzept eines [[Grundeinkommen]]s („Bürgergeld“).<br />
<br />
Als zeitkritischer Intellektueller nahm er zu vielen aktuellen Fragen Stellung, seine besondere Aufmerksamkeit galt den Umwälzungen in Osteuropa (''Betrachtungen über die Revolution in Europa'', 1990) sowie den Entwicklungen nach 1989 und in [[Europa]].<br />
<br />
Als „Summe meiner Sozialwissenschaft“ bezeichnet er die Aufsatzsammlung ''Der moderne soziale Konflikt'' (1992), die seine Hauptthemen – soziale Klassen und Konflikt, Anrechte und Lebenschancen, Bürgergesellschaft und Weltbürgertum – in einen konsistenten Zusammenhang stellt.<br />
<br />
In seinen Werken ''Engagierte Beobachter'' (2005) und ''Versuchungen der Unfreiheit'' (2006) setzte er sich mit dem Phänomen der ''[[Intellektueller|Intellektuellen]] in Zeiten der Prüfung'' auseinander, die dem [[Totalitarismus]] (zeitweise) verfallen waren, und mit jenen, die sich immer von [[Ideologie]]n abgrenzten. Er stellte die These auf, dass das Votum letzterer auf vier Säulen beruhe: den Fähigkeiten, unabhängiges Denken strikt zu verfolgen und die Widersprüche und Konflikte der Gesellschaft auszuhalten, auf einer akribischen engagierten Beobachtungsweise sowie auf der Anerkennung der Vernunft als Grundlage jeder Theorie und Praxis.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 79</ref><br />
<br />
Als große Beispiele eines solchen auf [[Freiheit]] beruhenden eigenständigen zielbewussten Denkens nannte er [[Karl Popper]], [[Raymond Aron]] und [[Isaiah Berlin]], die ihn prägten. Nach Dahrendorfs Ansicht hat bereits der Humanist [[Erasmus von Rotterdam]] diese Art des Denkens im 15. Jahrhundert begründet und kann den modernen Intellektuellen somit als Vorbild dienen. Zu den von ihm so genannten ''Erasmus-Intellektuellen'' zählte er außerdem in unterschiedlichen Abstufungen u.&nbsp;a. [[Arthur Koestler]] und [[Manès Sperber]], beide ehemalige Kommunisten, die als Kritiker des Stalinismus bekannt wurden, sowie [[Norberto Bobbio]] (italienischer Rechtsgelehrter und Antifaschist), [[Jan Patočka]] (tschechischer Philosoph), [[Hannah Arendt]] und [[Theodor W. Adorno]].<br />
<br />
Die standhaften freiheitlichen Intellektuellen im Denken und Handeln stellten nach Dahrendorf im 20. Jahrhundert nur eine Minderheit dar, viele seien den zahlreichen ''Versuchungen der Unfreiheit'' erlegen. Dahrendorf betrachtete Großbritannien als liberale Gesellschaft ''(Erasmus-Land)'', die als ''[[offene Gesellschaft]]'' auf einem ''common sense'' beruhe und mit der sich der Autor als Liberaler mehr oder weniger identifizierte.<ref>''Versuchungen der Unfreiheit'', S. 157ff</ref><br />
<br />
== Schriften ==<br />
Dahrendorfs Buchnachlass wurde im Jahre 2010 von der Witwe in die Obhut der [[Universitäts- und Landesbibliothek Bonn]] gegeben.<br />
<br />
=== Monografien und Sammelbände ===<br />
* ''Industrie- und Betriebssoziologie''. Walter de Gruyter (Sammlung Göschen Bd. 103), Berlin 1956 (4 Auflagen bis 1967; spätere Auflagen weitergeführt von [[Wolfram Burisch]])<br />
* ''Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft''. Ferdinand Enke, Stuttgart 1957<br />
** (engl.) ''Class and Class Conflict in Industrial Society''. Routledge, London 1959 (zahlreiche Neuauflagen, im angelsächsischen Raum vielfach als Lehrbuch benutzt)<br />
* ''Sozialstruktur des Betriebes - Betriebssoziologie -''. Gabler, Wiesbaden 1959<br />
* ''Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen'', [1961]<ref>In dieser Tübinger Antrittsvorlesung findet sich die „berühmteste Fußnote der deutschen Nachkriegssoziologie“ ([[Dieter Claessens]]), in der Dahrendorf bekannte, die Kernthese seiner [[Habilitation]]sschrift über soziale Klassen ''zurücknehmen'' zu müssen, dass nämlich Konflikt- und Funktionstheorie in der Soziologie gleich wichtig und nebeneinander gültig seien. Nunmehr gehe er primär von einer [[Konfliktsoziologie|Konflikttheorie]] aus.</ref>, Mohr (Siebeck), Tübingen 1966<br />
* ''Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart''. Piper, München 1961<br />
* ''Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika''. Piper, München 1962<br />
* ''Bildung ist Bürgerrecht. Plädoyer für eine aktive Bildungspolitik'', Nannen-Verlag 1965<br />
* ''Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle''. [Erstdruck 1965], 16. Auflage mit einem neuen Vorwort, VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-31122-7<br />
* ''Gesellschaft und Demokratie in Deutschland''. Piper, München 1965<br />
* ''Konflikt und Freiheit. Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft''. Piper, München 1972, ISBN 3-492-01782-7<br />
* ''Plädoyer für die Europäische Union''. Piper, München 1973, ISBN 3-492-02038-0<br />
* ''Pfade aus Utopia. Arbeiten zur Theorie und Methode der Soziologie''. Piper, München 1974, ISBN 3-492-00401-6<br />
* ''Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie''. Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-37059-6<br />
* ''Die neue Freiheit. Überleben und Gerechtigkeit in einer veränderten Welt''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-37123-1<br />
* ''Die Chancen der Krise. Über die Zukunft des Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06148-3<br />
* ''Reisen nach innen und außen. Aspekte der Zeit''. DVA, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-06183-1<br />
* ''Fragmente eines neuen Liberalismus''. DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06361-3<br />
* ''Betrachtungen über die Revolution in Europa''. DVA, Stuttgart, 1990.<br />
* ''Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit''. DVA, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06539-X<br />
* ''Liberale und andere: Portraits''. DVA, Stuttgart 1994, ISBN 3-421-06669-8<br />
* ''LSE. A History of the London School of Economics and Political Science, 1895–1995''. Oxford University Press, Oxford 1995, ISBN 0-19-820240-7<br />
* ''Europäisches Tagebuch''. Steidl Verlag, Göttingen 1995, ISBN 3-88243-370-1<br />
* ''Die Zukunft des Wohlfahrtsstaats''. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1996<br />
* ''Liberal und unabhängig. [[Gerd Bucerius]] und seine Zeit''. C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46474-2<br />
* ''Über Grenzen. [[Autobiografie|Lebenserinnerungen]]''. 4. Auflage, C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49338-6<br />
* ''Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert''. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50540-6<br />
* ''Der Wiederbeginn der Geschichte: vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak; Reden und Aufsätze''. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51879-6<br />
* ''{{Literatur | Titel=Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchung der Zeit | Verlag=Passagen Verlag | Ort=Wien | Auflage=1. | Jahr=2005 | ISBN=978-3-85165-726-5 | Online=[http://www.libreka.de/9783851657265 Buchvorschau bei Libreka]}}<br />
* ''Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung ''. München 2006, ISBN 3-406-54054-6<br />
* (mit anderen) ''Klimawandel und Grundeinkommen. Die nicht zufällige Gleichzeitigkeit beider Themen und ein sozialökologisches Experiment'', hgg. von [[Maik Hosang]]. Andreas Mascha Verlag, München 2008, ISBN 978-3-924404-73-4<br />
<br />
=== Artikel in Ze-itungen, Zeitschriften und Sammelbänden ===<br />
In den 1960er Jahren publizierte er gelegentlich in der ''ZEIT'' unter dem Pseudonym ''Wieland Europa''.<br />
* [http://www.sociosite.net/topics/texts/dahrendorf.php Gibt es noch Klassen? Die Begriffe der „sozialen Schicht“ und „sozialen Klasse“ in der Sozialanalyse der Gegenwart], in: Seidel, B. / Jenkner, S. [1968] Klassenbildung und Sozialschichtung. Darmstadt, S. 279–296<br />
* ''An der Schwelle zum autoritären Jahrhundert.'' Die [[Globalisierung]] und ihre sozialen Folgen werden zur nächsten Herausforderung einer Politik der Freiheit, [[Die Zeit]] Nr. 47/1997<br />
* Vorworte zum 6-bändigen Basiswissen Politische Bildung, Dirk Lange/Volker Reinhardt (Hrsg.): ''Handbuch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht. Basiswissen Politische Bildung'', 6 Bände, [http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=1282 Schneider Verlag Hohengehren], Baltmannsweiler 2007 ISBN 978-3-8340-0212-9<br />
* ''Die globale Klasse und die neue Ungleichheit'', Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, H.11, November 2000<br />
* [http://www.zeit.de/2005/05/Interv_Dahrendorf Ein ZEIT-Gespräch] mit Dahrendorf über „Deutsche Illusionen“<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article199202/Grenzen_der_Demokratie_Essay.html Essay ''Grenzen der Demokratie''], [[Die Welt]] vom 20. Februar 2006<br />
* [http://www.welt.de/print-welt/article203401/Schweigen_der_Freunde.html ''Schweigen der Freunde''], DIE WELT vom 10. März 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/2006/11/16/fe/articleENO4U.print.html ''Das Tausendjährige Reich? Über Bezichtigungen, Selbstbezichtigungen und deutsche Lebensgeschichten''], [[Neue Zürcher Zeitung]] vom 16. November 2006<br />
* [http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bewegungsfreiheit_1.542427.html?printview=true ''Bewegungsfreiheit – Anmerkungen zur Diskussion über Freiheit und Sicherheit''], Neue Zürcher Zeitung vom 18. August 2007<br />
* ''Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? – Sechs Anmerkungen''. In: Merkur, Nr. 720, Mai 2009. ([http://www.eurozine.com/articles/2009-05-05-dahrendorf-de.html online in Eurozine, 5. Mai 2009])<br />
<br />
=== Interviews ===<br />
* Dahrendorf, R.: ''Die Krisen der Demokratie. Ein Gespräch'' (geführt mit dem italienischen Journalisten Antonio Polito). München: Beck, 2003. 116 S.<br />
* [http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=do&dig=2008%2F04%2F05%2Fa0006&src=GI&cHash=8e1be0aae8 „Der Minirock wurde nicht 1968 erfunden!“], [[die tageszeitung]] vom 5. April 2008<br />
* [http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,585616,00.html „Eine Bildungsrepublik kann am Mittagessen scheitern“], [[Spiegel Online]] vom 22. Oktober 2008<br />
* UC Berkeley TV: [http://www.youtube.com/watch?v=Yj5pVe6hOZo&feature=channel Conversations with History: Sir Ralf Dahrendorf], Interview mit Harry Kreisler (Youtube-Video, 50 min.)<br />
<br />
=== Reden ===<br />
* ''Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit. Jan Patočka-Gedächtnisvorlesung 2004''. [[Passagen Verlag]], Wien 2005, ISBN 978-3-85165-726-5<br />
* [http://www.fr-online.de/in_und_ausland/dokumentation/?em_cnt=981972 ''Die Mühlen der Demokratie mahlen langsam''] – Deutschland ist in der demokratischen Welt inzwischen fest verankert. Die Rede von Ralf Dahrendorf zum [[Tag der Deutschen Einheit]] 2006 ([[Frankfurter Rundschau]], 4. Oktober 2006)<br />
* ''Anfechtungen liberaler Demokratien. Festvortrag zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.'' Stiftung-Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 19, Stuttgart 2007 ISBN 978-3-9809603-3-5<br />
<br />
== Auszeichnungen (Auszug) ==<br />
* 1974: Großkreuz des [[Verdienstorden des Großherzogtums Luxemburg|Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg]]<br />
* 1975: [[Orden Leopolds II. (Belgien)|belgisches Großkreuz des Ordens Leopolds II.]]<br />
* 1975: [[Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich|Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<ref>[http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_10542/imfname_251156.pdf Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952]</ref><br />
* 1982: [[Order of the British Empire|Knight Commander des Order of the British Empire]] (Großbritannien)<br />
* 1989: [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband]] der Bundesrepublik Deutschland<br />
* 1993: [[Peer (Adel)|Life Peer]] als ''Baron Dahrendorf'' (Großbritannien<br />
* 1994: [[Reinhold-Maier-Stiftung#Reinhold-Maier-Medaille|Reinhold Maier-Medaille]] der [[Reinhold-Maier-Stiftung]]<br />
* 1997: [[Theodor-Heuss-Preis]]<br />
* 1999: [[Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg|Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
* 1999: Ehrensenator der [[Universität Hamburg]]<ref>[http://www.uni-hamburg.de/UHH/ehrensenatoren.html Ehrensenatorinnen und Ehrensenatoren der Universität Hamburg]</ref><br />
* 2002: [[Verdienstorden der Italienischen Republik|Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik]] (Italien)<br />
* 2002: [[Walter-Hallstein-Preis]]<ref>[http://www.merton-zentrum.uni-frankfurt.de/Startseite/Walter_Hallstein_Symposium/WHK_2002.html II. Walter Hallstein Kolloquium [[Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main|Universität Frankfurt]]]</ref><br />
* 2003: Orden [[Pour le Mérite]]<br />
* 2007: [[Prinz-von-Asturien-Preis]]<br />
* 2009: [[Schader-Preis]] (Deutschland)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Jens Alber]], ''In memoriam Ralf Dahrendorf (1. Mai 1929–17. Juni 2009)'', in: ''Soziologie'', Jg. 38, H. 4, 2009, S. 465–475<br />
* [[Jürgen Habermas]], ''Jahrgang 1929''. Oxforder Rede zum 80. Geburtstag von Ralf Dahrendorf, in: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'' vom 2. Mai 2009, S. 35.<br />
* [[Jürgen Kocka]], ''Dahrendorf in Perspektive'', in: ''Soziologische Revue'', Jg. 27, 2004, S. 151–158<br />
* Jürgen Kocka: ''Ralf Dahrendorf in historischer Perspektive. Aus Anlass seines Todes am 17. Juni 2009.'' In: [[Geschichte und Gesellschaft]]. Bd. 35 (2009), S. 346–352.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wikiquote}}<br />
{{Commonscat}}<br />
{{Wikibooks|Soziologische Klassiker/ Dahrendorf, Ralf}}<br />
* {{DNB-Portal|118678612}}<br />
* [http://www.project-syndicate.org/contributor/77 Ralf Dahrendorfs Artikel für ''Project Syndicate'']<br />
* [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607029,00.html Porträt Dahrendorf: Aufstieg und Fall eines liberalen Supertalents – Spiegel-Online vom 14. Februar 2009]<br />
* [http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/trauer-um-lord-ralf-dahrendorf--16168751.html Dahrendorf-Nachruf der Badischen Zeitung, zu der als Ratgeber eine enge Verbindung hatte.]<br />
<br />
<br />
{{NaviBlock<br />
|Navigationsleiste Kommission Malfatti<br />
|Navigationsleiste Kommission Mansholt<br />
|Navigationsleiste Kommission Ortoli<br />
|Navigationsleiste Kommissare für Handel<br />
|Navigationsleiste Kommissare für Wissenschaft und Forschung<br />
|Navigationsleiste Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit<br />
}}<br />
<br />
{{Normdaten|PND=118678612|LCCN=n/79/53999|VIAF=17221311}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Dahrendorf, Ralf}}<br />
[[Kategorie:Soziologe (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Soziologe (21. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Politiker (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Person des Liberalismus]]<br />
[[Kategorie:SPD-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:SDS-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:FDP-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Landtagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Bundestagsabgeordneter (Baden-Württemberg)]]<br />
[[Kategorie:Staatsminister im Auswärtigen Amt]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Europäischen Kommission]]<br />
[[Kategorie:Autor]]<br />
[[Kategorie:Essay]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (HWP Hamburg)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Eberhard Karls Universität Tübingen)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Konstanz)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (London School of Economics and Political Science)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Oxford)]]<br />
[[Kategorie:Liberal-Democrats-Mitglied]]<br />
[[Kategorie:Life Peer]]<br />
[[Kategorie:Mitglied des House of Lords]]<br />
[[Kategorie:Knight Commander des Order of the British Empire]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich]]<br />
[[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens der Italienischen Republik (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg (Großkreuz)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Ordens Leopolds II.]]<br />
[[Kategorie:Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa]]<br />
[[Kategorie:Ehrensenator der Universität Hamburg]]<br />
[[Kategorie:Ehrendoktor der Universität Warschau]]<br />
[[Kategorie:Ehrenbürger in Baden-Württemberg]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Brite]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1929]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2009]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Dahrendorf, Ralf<br />
|ALTERNATIVNAMEN=Dahrendorf, Ralf Gustav (vollständiger Name); Europa, Wieland (Pseudonym); Baron Dahrendorf of Clare Market<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutsch-britischer Soziologe, Hochschullehrer, Politiker (FDP), MdL, MdB und Publizist<br />
|GEBURTSDATUM=1. Mai 1929<br />
|GEBURTSORT=[[Hamburg]]<br />
|STERBEDATUM=17. Juni 2009<br />
|STERBEORT=[[Köln]]<br />
}}<br />
<br />
[[bg:Ралф Дарендорф]]<br />
[[ca:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cs:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[cy:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[en:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[eo:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[es:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fi:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[fr:Ralf Gustav Dahrendorf]]<br />
[[gl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[hr:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[it:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ja:ラルフ・ダーレンドルフ]]<br />
[[kk:Дарендорф Ральф]]<br />
[[ky:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[la:Radulphus Dahrendorf]]<br />
[[nl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[no:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pl:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[pt:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ro:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[ru:Дарендорф, Ральф]]<br />
[[sr:Ралф Дарендорф]]<br />
[[sv:Ralf Dahrendorf]]<br />
[[uk:Ральф Дарендорф]]<br />
[[zh:拉尔夫·达伦多夫]]<br />
[[zh-min-nan:Ralf Dahrendorf]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ergonomie&diff=104037973Ergonomie2012-06-05T10:22:21Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Ergonomie''' (von [[altgriechische Sprache|altgriech.]] {{Polytonisch|ἔργον}} ''ergon'', „Arbeit“, „Werk“ und {{Polytonisch|νόμος}} ''nomos'', „Regel“, „Gesetz“) ist eine [[Praxeologie]], wovon die ingenieursmäßig orientierte die Ergonomie (international: „micro ergonomics“) definiert.<ref>http://www.lfe.mw.tum.de/de/institute/ergonomics</ref> Ziel der Ergonomie ist es, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsgeräte für eine Aufgabe so zu optimieren, dass das Arbeitsergebnis optimal wird und die arbeitenden Menschen möglichst wenig geschädigt werden, auch wenn sie die Arbeit über Jahre hinweg ausüben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der [[Benutzerfreundlichkeit]], also die Verbesserung der [[Benutzerschnittstelle|Mensch-Maschine-Schnittstelle]].<br />
<br />
== Grundlagen ==<br />
[[Datei:Computer Workstation Variables.jpg|miniatur|Beispiel: Vorgaben für die ergonomische Gestaltung eines Computerarbeitsplatzes]]<br />
=== Ziele ===<br />
<br />
Ein Ziel der Ergonomie ist es, handhabbare und komfortabel zu nutzende Produkte herzustellen.<br />
<br />
Ein anderes Ziel ist die ergonomische [[Arbeitsgestaltung]], bei der es darauf ankommt, effizientes und fehlerfreies Arbeiten sicherzustellen und die Menschen vor Gesundheitsschäden auch bei langfristiger Ausübung einer Tätigkeit zu schützen. Somit hat Ergonomie große Bedeutung für den präventiven [[Arbeitsschutz]], die [[Arbeitssicherheit]], Wirtschaftlichkeit und Humanität.<br />
<br />
Ergonomie wird immer dort wichtig, wo der Mensch beim Arbeiten oder anderen Tätigkeiten mit Maschinen (z.&nbsp;B. Fahrzeugen, Computer, Bohrmaschinen), Werkzeugen oder anderen Gegenständen (z.&nbsp;B. Telefonen, Bürostühlen) in Berührung kommt.<br />
<br />
=== Gebiete ===<br />
<br />
Als wichtiges Gebiet der [[Arbeitswissenschaft]] gliedert sich die Ergonomie anhand des Gegenstandsbereichs üblicherweise in die [[Produktergonomie]] (''micro ergonomics'') und in die [[Produktionsergonomie]] (''macro ergonomics''). Dabei ist der Übergang zwischen beiden Teilgebieten bei komplexen Mensch-Maschine-Systemen oft fließend, weil bei der ergonomischen Produktgestaltung der spätere Nutzungskontext wesentlich ist. Beispielsweise sollte die [[Arbeitsmittelgestaltung]] (Produktergonomie) stets unter Beachtung der Arbeitsbedingungen wie Arbeitsumgebung und Arbeitsaufgabe (Produktionsergonomie) erfolgen. <br />
<br />
Als Bindeglied zwischen Arbeit, Technik und Mensch ist die Ergonomie eine interdisziplinäre Wissenschaft, die demzufolge einen sehr großen Bereich bei der Arbeits- und Systemgestaltung zusammenwirkender, wissenschaftlicher Teilgebiete umfasst: <br />
<br />
So wird die auf der [[Systemtheorie]] basierende, analytische Behandlung ergonomischer Fragestellungen von Mensch-Maschine-Systemen, beispielsweise in Bezug auf die Funktionsaufteilung zwischen Mensch und Maschine, den [[Automatisierungsgrad]] oder die aus der [[Systemintegration]] resultierenden Randbedingungen der Mensch-Maschine-Schnittstelle (zum Beispiel im Hinblick auf das technisch gegebene Informationsangebot und den zur Aufgabenausführung erforderlichen Informationsbedarf des Nutzers), als [[Systemergonomie]] bezeichnet.<br />
<br />
In der [[Anthropometrie]] beschäftigt man sich mit der Erfassung und Beschreibung der Eigenschaften des menschlichen Körpers (statische Anthropometrie: Körperbau und Körperkräfte) sowie der Körperbewegungen (dynamische Anthropometrie) im Rahmen der räumlichen Arbeitsplatzgestaltung. <br />
<br />
Die [[Software-Ergonomie]] beschäftigt sich mit der menschgerechten Gestaltung der [[Mensch-Computer-Interaktion]]. Wesentliches Arbeitsgebiet ist die Gestaltung und Bewertung von [[Benutzungsschnittstelle]]n für interaktive rechnerbasierte Systeme. Neben den vielfältig im Büro- und Privatbereich verwendeten Softwareprodukten betrifft dies auch Softwaresysteme für die Maschinensteuerung in Produktionsbereichen, die Prozessführung und Fahrzeugführung, aber auch Systeme, die wir täglich gebrauchen, wie z.&nbsp;B. Haushaltsgeräte, Fahrkartenautomaten, Geräte der Unterhaltungselektronik etc. <br />
<br />
Die Untersuchung und Gewährleistung der [[Gebrauchstauglichkeit (Produkt)|Gebrauchstauglichkeit]] technischer Systeme ist Gegenstand der [[Software-Ergonomie]]. <br />
<br />
Die Anpassung technischer Systeme an die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen wird nach Bernotat auch als [[Anthropotechnik]] bezeichnet. <br />
<br />
In einigen Anwendungsfeldern, zum Beispiel bei der Gestaltung von Kraftfahrzeugen, haben sich domänenspezifische Teilbereiche der Ergonomie entwickelt, beispielsweise die Fahrzeugergonomie. In diesem Bereich gibt es in den letzten Jahren verstärkt Bestrebungen, Untersuchungen für [[Fahrerassistenzsystem]]e und [[Navigationssystem]]e im Kraftfahrzeug in Bezug auf Nutzbarkeit, Fahrerverhalten und Fahrauswirkung durchzuführen.<br />
<br />
Als [[Interdisziplinarität|interdisziplinäre]] Wissenschaft besitzt die Ergonomie vielerlei Schnittstellen zu den [[Ingenieurwissenschaft|Ingenieur-]] und den [[Humanwissenschaften]] sowie zum [[Design]]. Im Bereich der Software-Ergonomie besteht ferner eine Beziehung zur [[Informatik]]. <br />
<br />
Die bei der Behandlung ergonomischer Fragestellungen einbezogenen ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen ergeben sich häufig aus dem konkreten Anwendungsfall, also zum Beispiel zur [[Kraftfahrzeugtechnik]], [[Luft- und Raumfahrttechnik]] oder [[Verfahrenstechnik]].<br />
<br />
Da sich die Ergonomie als Bindeglied zwischen Mensch und Technik begreift, kommt den Humanwissenschaften eine hohe Bedeutung in der Ergonomie zu. Fragen der physiologischen Eigenschaften des Menschen werden - insbesondere in Bezug auf die körperliche Leistungsfähigkeit - durch die [[Arbeitsphysiologie]] behandelt. Die Wechselwirkungen zwischen der Arbeit des Menschen und seiner Gesundheit sind Gegenstand der [[Arbeitsmedizin]].<br />
<br />
Aus psychologischer Perspektive werden ergonomische Fragestellungen in der [[Arbeitspsychologie]] behandelt, wobei sich die [[Ingenieurpsychologie]] speziell mit der Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen befasst. Das Spektrum der hier behandelten Fragen reicht von der menschlichen Zuverlässigkeit (zur besseren Abgrenzung vom Begriff der [[Zuverlässigkeit (Technik)|technischen Zuverlässigkeit]] auch: Handlungszuverlässigkeit oder Verlässlichkeit) über die Aspekte der psychologischen Konstrukte zur Bewertung von Mensch-Maschine-Systemen und Mensch-Maschine-Schnittstellen bis hin zu wahrnehmungs- und kognitionspsychologischen Aspekten.<br />
<br />
Die Aspekte der menschlichen Informationsverarbeitung werden sowohl durch die [[Wahrnehmungsphysiologie]] als auch die [[Wahrnehmungspsychologie]] und [[Kognitionspsychologie]] aufgeklärt. <br />
<br />
Besonders bei der Produktergonomie ist nicht nur ein aus ergonomischer Sicht angemessene Gestaltung, sondern ein auch optischen Ansprüchen genügendes Design erforderlich, um die [[Marktattraktivität]] der Produkte sicherzustellen. Bezüge ergeben sich folglich zum [[Produktdesign|Produkt-]] und [[Industriedesign]].<br />
<br />
=== Ergonomie im Alltag ===<br />
<br />
Das Wort Ergonomie findet heute immer mehr Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. Grund dafür ist die immer stärker werdende Gefährdung des Menschen durch die Technik, nicht nur während der Arbeitszeit. Fast alle Tätigkeiten des täglichen Lebens können heute unter ergonomischen Kriterien untersucht werden, bügeln und kochen genauso wie die Arbeit am [[Bildschirmarbeit|Bildschirm]] oder die nächtliche [[Bettruhe]].<br />
<br />
Durch schlechte Ergonomie am Arbeitsplatz entstehen [[Verspannung]]en und zum Teil schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie [[Bandscheibenvorfall]] oder chronische [[Nackenschmerz]]en. Langanhaltende, statische Arbeitspositionen (wie zum Beispiel Arbeit am Schreibtisch) sollten daher nur mit ergonomisch entwickelten Möbeln verrichtet werden.<br />
<br />
== Entwicklung ==<br />
<br />
Seit der bewussten Verwendung des Begriffs [[Design]] wird die Ergonomie zunehmend weiterentwickelt. Erste Ansätze entstanden am [[Bauhaus]]. Konsequent und umfassend wurde sie jedoch erst von dem US-amerikanischen Produktdesigner [[Henry Dreyfuss]] und seinem Designbüro entwickelt und angewandt.<br />
<br />
Heute ist die Beachtung und Anwendung ergonomischer Erkenntnisse nicht nur eine für den Nutzer sinnvolle Ergänzung von Produkten, sondern auch ein Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz.<br />
<br />
== Lehre ==<br />
Institute, Fachbereiche, Einrichtungen und Veranstaltungen zur Ergonomie findet man vor allem an Hochschulen:<br />
* [[Technische Hochschule]]n (Universitäten), [[Fachhochschule]]n <br />
:* Informatik, Softwareergonomie (z.B. Universität Hamburg)<br />
:* Maschinenbau, Design, Mechatronik<br />
:* Psychologie, Mensch-Maschine-Interface (z.B. Universität Hamburg)<br />
<br />
Die Ergonomie ist besonders häufig an Technischen Hochschulen und dort zumeist an [[Maschinenbau]]-Fakultäten zu finden. Das liegt häufig daran, dass arbeitswissenschaftliche und Ergonomieinstitute aus Vorgängerinstituten entstanden sind, die an Maschinenbau-Fakultäten zu finden waren (zum Beispiel ''Arbeitsphysiologische Institute'').<br />
<br />
[[Arbeitswissenschaft]]liche Institute mit ergonomischen Schwerpunkten finden sich in Deutschland heute unter anderem an der Bergischen Universität Wuppertal, TU München, TU Ilmenau, TU Darmstadt, RWTH Aachen, TU Chemnitz, TU Dortmund, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und an der TU Berlin, in Österreich an der TU Wien und TU Graz sowie in der Schweiz an der ETH Zürich.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
* DIN EN ISO 6385:2004-05 : Grundsätze der Ergonomie für die Gestaltung von Arbeitssystemen.<br />
* DIN EN 614 : Sicherheit von Maschinen - Ergonomische Gestaltungsgrundsätze; Teil 1 2006: Begriffe und allgemeine Leitsätze; Teil 2 2000: Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung von Maschinen und den Arbeitsaufgaben.<br />
* {{Literatur|Autor=Christopher Schlick, Ralph Bruder, Holger Luczak|Titel=Arbeitswissenschaft|Auflage=3.|Verlag=[[Axel Springer AG|Springer]]|Ort=Berlin|Jahr=2010|ISBN=978-3-540-78332-9}}<br />
* M. Adler, H.-J. Herrmann, M. Koldehoff, V. Meuser, S. Scheuer, H. Müller-Arnecke, A. Windel, T. Bleyer: [http://www.baua.de/cln_137/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2116-2.html Ergonomiekompendium - Anwendung Ergonomischer Regeln und Prüfung der Gebrauchstauglichkeit von Produkten.] Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2010.<br />
* {{Literatur|Herausgeber=[[Kurt Landau (Arbeitswissenschaftler)|Kurt Landau]]|Titel=Good Practice|TitelErg=Ergonomie und Arbeitsgestaltung|Verlag=Ergonomia|Ort=Stuttgart|Jahr=2003|ISBN=3-935089-63-5}}<br />
* {{Literatur|Autor=Ahmet Cakir, David J. Hart, Thomas F. M. Stewart|Titel=Bildschirmarbeitsplätze|TitelErg=Ergonomie, Arbeitsplatzgestaltung, Gesundheit u. Sicherheit, Aufgabenorganisation|Sammelwerk=The VDT manual|Verlag=[[Axel Springer AG|Springer]]|Ort=Berlin, Heidelberg, New York|Jahr=1980|Monat=Juni|ISBN=3-540-10068-7|Kommentar=Taschenbuch, 313 S.}}<br />
* {{Literatur|Autor=Walter Ambros|Herausgeber=Friedrich Blaha|Titel=Trends der Bildschirmarbeit|TitelErg=Ein Handbuch über Recht, Gesundheit und Ergonomie in der Praxis|Verlag=[[Axel Springer AG|Springer]]|Ort=Berlin|Jahr=2001|ISBN=3-211-83504-0}}<br />
* {{Literatur|Autor=[[Hans-Jörg Bullinger]]|Titel=Ergonomie|TitelErg=Produkt- und Arbeitsplatzgestaltung|Verlag=[[B. G. Teubner Verlag|Teubner]]|Ort=Stuttgart|Jahr=1994|ISBN=3-519-06366-2}}<br />
* {{Literatur|Autor=Joachim Englisch|Titel=Ergonomie von Softwareprodukten|TitelErg=Methodische Entwicklung von Evaluationsverfahren|Verlag=BI-Wiss.-Verl.|Ort=Mannheim|Jahr=1993|ISBN=3-411-16061-6}}<br />
* {{Literatur|Autor=Gerhard Förster u. a.|Titel=Ergonomie|TitelErg=Ein Schwerpunkt praktizierter Mitbestimmung|Verlag=[[Bund-Verlag]]|Ort=Köln|Jahr=1981|ISBN=3-7663-0505-0}}<br />
* {{Literatur|Autor=Reinhard Koether|Titel=Betriebsstättenplanung und Ergonomie|TitelErg=Planung von Arbeitssystemen|Verlag=[[Carl Hanser Verlag|Hanser]]|Ort=München|Jahr=2001|ISBN=3-446-21074-1}}<br />
* {{Literatur|Autor=[[Wolfgang Laurig]]|Herausgeber=[[REFA]]|Titel=Grundzüge der Ergonomie|TitelErg=Erkenntnisse und Prinzipien|Verlag=[[Beuth Verlag|Beuth]]|Ort=Berlin|Jahr=1990|ISBN=3-410-36577-X}}<br />
* {{Literatur|Herausgeber=Kurt Landau, Holger Luczak|Titel=Ergonomie und Organisation in der Montage|Verlag=[[Carl Hanser Verlag|Hanser]]|Ort=München|Jahr=2001|ISBN=3-446-21507-7}}<br />
* {{Literatur|Autor=Michael Herczeg|Titel=Software-Ergonomie|TitelErg=Grundlagen der Mensch-Computer-Kommunikation|Verlag=[[R. Oldenbourg Verlag|Oldenbourg]]|Ort=München|Jahr=2005|ISBN=3-486-25052-3}}<br />
* {{Literatur|Autor=Theodor Hettinger, Gerhard Kaminsky, Hugo Schmale|Titel=Ergonomie am Arbeitsplatz|TitelErg=Daten zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit|Auflage=2.|Verlag=Kiehl|Ort=Ludwigshafen|Jahr=1980|ISBN=3-470-87152-3}}<br />
* {{Literatur|Autor=Heinz Schnmidtke (Hrsg.)|Titel=Ergonomie |Auflage=3.|Verlag=Hanser|Ort=München Wien|Jahr=1993|ISBN=3446164405}}<br />
* {{Literatur|Autor=Wolfgang Schneider|Herausgeber=[[Deutsches Institut für Normung]]|Titel=Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten|TitelErg=Grundsätze der Dialoggestaltung ; Kommentar zu DIN EN ISO 9241-10|Verlag=[[Beuth Verlag|Beuth]]|Ort=Berlin|Jahr=1998|ISBN=3-410-13832-3}}<br />
* {{Literatur|Autor=Jens Wandmacher|Titel=Software-Ergonomie|Verlag=[[Verlag Walter de Gruyter|de Gruyter]]|Ort=Berlin|Jahr=1993|ISBN=3-11-012971-X}}<br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Benutzerfreundlichkeit]]<br />
* [[Mensch-Computer-Interaktion]]<br />
* [[Repetitive Strain Injury Syndrom]]<br />
* [[Mensch-Maschine-System]], [[Mensch-Maschine-Schnittstelle]]<br />
* [[Arbeitsprozess (Betriebswirtschaft)]]<br />
* [[Arbeitswissenschaft]]<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Wiktionary|Ergonomie}}<br />
{{Commons|Category:Ergonomics|Ergonomie}}<br />
* [http://www.ergonassist.de/Ergonomie_Titelblatt_1857.htm 1857: Titelblatt des ersten Aufsatzes über Ergonomie]<br />
* [http://www.lfe.mw.tum.de/de/institute/ergonomics Informationen des Lehrstuhls für Ergonomie der Technischen Universität München]<br />
* [http://www.fees-network.org/ Federation of European Ergonomics Societies]<br />
* [http://www.ergo-online.de/ Ergo-Online: Arbeit im Büro gesund gestalten]<br />
* [http://www.arbeitssicherheit.de/de/html/fachbeitraege/anzeigen/362/Ergonomie-Arbeitsplatzausstattung/ Arbeitssicherheit.de: Ergonomie Arbeitsplatzausstattung]<br />
* [http://www.lfe.mw.tum.de/de/institute/ergonomics] Abb. 1: Arbeitswissenschaft und ihre Teilgebiete <br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Ergonomie| ]]<br />
[[Kategorie:Bürotechnik]]<br />
[[Kategorie:Personalwesen]]<br />
[[Kategorie:Ingenieurwissenschaft]]<br />
[[Kategorie:Arbeits- und Organisationspsychologie]]<br />
<br />
[[ar:عوامل الإنسان]]<br />
[[bn:আরগোনোমিকস]]<br />
[[ca:Ergonomia]]<br />
[[cs:Ergonomie]]<br />
[[da:Ergonomi]]<br />
[[el:Εργονομία]]<br />
[[en:Ergonomics]]<br />
[[eo:Ergonomio]]<br />
[[es:Ergonomía]]<br />
[[fa:ارگونومی]]<br />
[[fi:Ergonomia]]<br />
[[fr:Ergonomie]]<br />
[[he:ארגונומיה]]<br />
[[hr:Ergonomija]]<br />
[[hy:Էրգոնոմիկա]]<br />
[[id:Ergonomika]]<br />
[[it:Ergonomia]]<br />
[[ja:人間工学]]<br />
[[ko:인간공학]]<br />
[[lt:Ergonomika]]<br />
[[lv:Ergonomika]]<br />
[[nl:Ergonomie]]<br />
[[nn:Ergonomi]]<br />
[[no:Ergonomi]]<br />
[[pl:Ergonomia]]<br />
[[pt:Ergonomia]]<br />
[[ro:Ergonomie]]<br />
[[ru:Эргономика]]<br />
[[sh:Ergonomija]]<br />
[[sk:Ergonómia]]<br />
[[sl:Ergonomija]]<br />
[[sr:Ергономија]]<br />
[[sv:Ergonomi]]<br />
[[ta:பணிச்சூழலியல்]]<br />
[[tl:Ergonomiya]]<br />
[[tr:Ergonomi]]<br />
[[uk:Ергономіка]]<br />
[[ur:علم العمل]]<br />
[[vi:Công thái học]]<br />
[[zh:人因工程学]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historische_Kommission_bei_der_Bayerischen_Akademie_der_Wissenschaften&diff=100587692Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften2012-03-07T14:32:33Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Historische Kommission''' bei der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] wurde 1858 auf Initiative des Historikers [[Leopold von Ranke]] vom bayerischen König [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] gegründet. Sie ist einerseits eine Gelehrtengesellschaft, eine Akademie für deutsche Geschichte – so Ranke –, andererseits mit derzeit 26 wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine der größten außeruniversitären historischen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Von 1997 bis 2012 war [[Lothar Gall]] Präsident der Historischen Kommission. Am 7. März 2012 hat die Kommission, der derzeit 43 Mitglieder angehören, [[Gerrit Walther]] für die nächsten fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Im Mittelpunkt der Kommissionsarbeit stehen seit den Anfängen qualitativ hochwertige [[Quellenedition]]en. Das Spektrum der rund 650 Veröffentlichungen reicht vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte<ref>[http://www.badw.de/publikationen/kommissionen_publ/hiko_liste/index.html Schriftenübersicht der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref>. Dazu zählen zentrale Editionen wie die [[Deutsche Reichstagsakten|Deutschen Reichstagsakten]], die Deutschen Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, die [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Regierung_Hitler_1933-1945|Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945]] oder das maßgebliche historisch-biographische Lexikon des deutschen Sprachraums, die [[Neue Deutsche Biographie]]. <br />
<br />
Die Kommission verfolgt ein ambitioniertes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel, aus Hunderten von Quelleneditionen und ihren diversen biographischen Angeboten wie der Neuen Deutschen Biographie (NDB), der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB)]] oder dem [[Repertorium Academicum Germanicum|Repertorium Academicum Germanicum (RAG)]], einer Datenbank der Gelehrten des Alten Reiches (1250–1550), ein wissenschaftliches, vernetztes Gesamtangebot zu schaffen, das alle ihre Arbeitsgebiete für Forschung und Lehre weltweit und benutzerfreundlich zugänglich macht. 2007 ging mit den [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Weimarer_Republik|Akten der Reichskanzlei]] die zentrale Quellenedition zur Geschichte der [[Weimarer Republik]] online.<br />
<br />
Gemeinsam mit der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]], der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] und der Stiftung [[Historisches Lexikon der Schweiz]] betreut die Historische Kommission seit Juli 2009 das [[Biographie-Portal]].<br />
<br />
== Abteilungen ==<br />
<br />
=== laufend ===<br />
* [[Reichstagsakten|Deutsche Reichstagsakten]] (ab 1858, geteilt in Ältere, Mittlere und Neuere Reihe sowie Reichsversammlungen)<br />
* Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit (ab 1913)<br />
* [[Repertorium Academicum Germanicum]] 1250–1550 (ab 2000)<br />
* Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige 1519–1792<br />
* Wittelsbachische Korrespondenzen (4 Reihen, ab 1860)<br />
* Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts (ab 1917)<br />
* Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte (ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817 (ab 2000)<ref>[http://138.246.100.12/str/ Bd. 1 1799-1801, Bd. 2 1802-1807]</ref><br />
* Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten (ab 1982)<br />
* Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes (ab 1988)<br />
* Gesamtausgabe des Briefwechsels von [[Leopold von Ranke]] (ab 2005)<br />
* Akten der Reichskanzlei (Weimarer Republik, Regierung Hitler, ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1954 (ab 1991)<br />
* [[Neue Deutsche Biographie]] (ab 1950)<br />
<br />
=== abgeschlossen ===<br />
* [[Jahrbücher der Deutschen Geschichte]] (1858–2002)<br />
* [[Die Chroniken der deutschen Städte]] vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert (1862–1968)<br />
* [[Hanserezess|Hanserecesse]] (1859–1897)<br />
* Die Urkunden und Akten der oberdeutschen [[Städtebund|Städtebünde]] (1650–2005)<br />
* Pfalzgeschichte (1862–1888)<br />
* Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (1860–1864, Neue Folge 1899–1915)<br />
* Geschichte der Wissenschaften in Deutschland (1864–1952)<br />
* Volkslieder (1865–1913)<br />
* Deutsche und ostmitteleuropäische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts (2000–2005)<br />
* Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß (1959–1980)<br />
* Dokumentation der deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (1990–1999)<br />
* Forschungsverbund „Historische Innovationsforschung“ (2000–2005)<br />
* [[Allgemeine Deutsche Biographie]] (1875–1912)<br />
<br />
== Archiv ==<br />
Das Archiv der Historischen Kommission (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser – so Leopold von Ranke – „Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft“ von ihrer Gründung durch Statut des bayerischen Königs Maximilian II. vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961, in dem die Kommission ihre 86. Plenarversammlung in München abhielt. Das Material stellt eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Ein Findbuch <ref>[http://www.historischekommission-muenchen.de/seiten/archivfindbuch.pdf Archivfindbuch der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref> mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern) erschließt den Bestand.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hg.): ''»... für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften''. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58286-4.<br />
* [[Helmut Neuhaus]]: ''150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik von Helmut Neuhaus.'' Historische Kommission, München 2008, ISBN 978-3-929691-12-2.<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/00_aa2008_02_gesamt.pdf ''Akademie Aktuell''], Heft 25, 2/2008 (Sonderheft zu 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, PDF, 5,06 MB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Wikisource|Nachrichten von der historischen Commission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften}}<br />
* [http://www.historischekommission-muenchen.de/index.php Website der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]<br />
* {{GKD|}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bildung in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Bildungseinrichtung in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Institution (Geschichtswissenschaft)]]<br />
[[Kategorie:Geschichtsschreibung (Deutschland)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historische_Kommission_bei_der_Bayerischen_Akademie_der_Wissenschaften&diff=100587677Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften2012-03-07T14:32:08Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Historische Kommission''' bei der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] wurde 1858 auf Initiative des Historikers [[Leopold von Ranke]] vom bayerischen König [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] gegründet. Sie ist einerseits eine Gelehrtengesellschaft, eine Akademie für deutsche Geschichte – so Ranke –, andererseits mit derzeit 26 wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine der größten außeruniversitären historischen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Von 1997 bis 2012 war [[Lothar Gall]] Präsident der Historischen Kommission. Am 7. März 2012 hat die Kommission , der derzeit 43 Mitglieder angehören, [[Gerrit Walther]] für die nächsten fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Im Mittelpunkt der Kommissionsarbeit stehen seit den Anfängen qualitativ hochwertige [[Quellenedition]]en. Das Spektrum der rund 650 Veröffentlichungen reicht vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte<ref>[http://www.badw.de/publikationen/kommissionen_publ/hiko_liste/index.html Schriftenübersicht der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref>. Dazu zählen zentrale Editionen wie die [[Deutsche Reichstagsakten|Deutschen Reichstagsakten]], die Deutschen Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, die [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Regierung_Hitler_1933-1945|Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945]] oder das maßgebliche historisch-biographische Lexikon des deutschen Sprachraums, die [[Neue Deutsche Biographie]]. <br />
<br />
Die Kommission verfolgt ein ambitioniertes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel, aus Hunderten von Quelleneditionen und ihren diversen biographischen Angeboten wie der Neuen Deutschen Biographie (NDB), der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB)]] oder dem [[Repertorium Academicum Germanicum|Repertorium Academicum Germanicum (RAG)]], einer Datenbank der Gelehrten des Alten Reiches (1250–1550), ein wissenschaftliches, vernetztes Gesamtangebot zu schaffen, das alle ihre Arbeitsgebiete für Forschung und Lehre weltweit und benutzerfreundlich zugänglich macht. 2007 ging mit den [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Weimarer_Republik|Akten der Reichskanzlei]] die zentrale Quellenedition zur Geschichte der [[Weimarer Republik]] online.<br />
<br />
Gemeinsam mit der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]], der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] und der Stiftung [[Historisches Lexikon der Schweiz]] betreut die Historische Kommission seit Juli 2009 das [[Biographie-Portal]].<br />
<br />
== Abteilungen ==<br />
<br />
=== laufend ===<br />
* [[Reichstagsakten|Deutsche Reichstagsakten]] (ab 1858, geteilt in Ältere, Mittlere und Neuere Reihe sowie Reichsversammlungen)<br />
* Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit (ab 1913)<br />
* [[Repertorium Academicum Germanicum]] 1250–1550 (ab 2000)<br />
* Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige 1519–1792<br />
* Wittelsbachische Korrespondenzen (4 Reihen, ab 1860)<br />
* Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts (ab 1917)<br />
* Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte (ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817 (ab 2000)<ref>[http://138.246.100.12/str/ Bd. 1 1799-1801, Bd. 2 1802-1807]</ref><br />
* Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten (ab 1982)<br />
* Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes (ab 1988)<br />
* Gesamtausgabe des Briefwechsels von [[Leopold von Ranke]] (ab 2005)<br />
* Akten der Reichskanzlei (Weimarer Republik, Regierung Hitler, ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1954 (ab 1991)<br />
* [[Neue Deutsche Biographie]] (ab 1950)<br />
<br />
=== abgeschlossen ===<br />
* [[Jahrbücher der Deutschen Geschichte]] (1858–2002)<br />
* [[Die Chroniken der deutschen Städte]] vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert (1862–1968)<br />
* [[Hanserezess|Hanserecesse]] (1859–1897)<br />
* Die Urkunden und Akten der oberdeutschen [[Städtebund|Städtebünde]] (1650–2005)<br />
* Pfalzgeschichte (1862–1888)<br />
* Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (1860–1864, Neue Folge 1899–1915)<br />
* Geschichte der Wissenschaften in Deutschland (1864–1952)<br />
* Volkslieder (1865–1913)<br />
* Deutsche und ostmitteleuropäische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts (2000–2005)<br />
* Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß (1959–1980)<br />
* Dokumentation der deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (1990–1999)<br />
* Forschungsverbund „Historische Innovationsforschung“ (2000–2005)<br />
* [[Allgemeine Deutsche Biographie]] (1875–1912)<br />
<br />
== Archiv ==<br />
Das Archiv der Historischen Kommission (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser – so Leopold von Ranke – „Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft“ von ihrer Gründung durch Statut des bayerischen Königs Maximilian II. vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961, in dem die Kommission ihre 86. Plenarversammlung in München abhielt. Das Material stellt eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Ein Findbuch <ref>[http://www.historischekommission-muenchen.de/seiten/archivfindbuch.pdf Archivfindbuch der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref> mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern) erschließt den Bestand.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hg.): ''»... für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften''. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58286-4.<br />
* [[Helmut Neuhaus]]: ''150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik von Helmut Neuhaus.'' Historische Kommission, München 2008, ISBN 978-3-929691-12-2.<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/00_aa2008_02_gesamt.pdf ''Akademie Aktuell''], Heft 25, 2/2008 (Sonderheft zu 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, PDF, 5,06 MB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Wikisource|Nachrichten von der historischen Commission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften}}<br />
* [http://www.historischekommission-muenchen.de/index.php Website der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]<br />
* {{GKD|}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bildung in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Bildungseinrichtung in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Institution (Geschichtswissenschaft)]]<br />
[[Kategorie:Geschichtsschreibung (Deutschland)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historische_Kommission_bei_der_Bayerischen_Akademie_der_Wissenschaften&diff=100587543Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften2012-03-07T14:28:42Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Historische Kommission''' bei der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] wurde 1858 auf Initiative des Historikers [[Leopold von Ranke]] vom bayerischen König [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] gegründet. Sie ist einerseits eine Gelehrtengesellschaft, eine Akademie für deutsche Geschichte – so Ranke –, andererseits mit derzeit 26 wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine der größten außeruniversitären historischen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Von 1997 bis 2012 war [[Lothar Gall]] Präsident der Historischen Kommission. Am 7. März 2012 hat die Kommission , der derzeit 43 Mitglieder angehören, [[Gerrit Walther]] für die nächsten fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Im Mittelpunkt der Kommissionsarbeit stehen seit den Anfängen qualitativ hochwertige [[Quellenedition]]en. Das Spektrum der rund 650 Veröffentlichungen reicht vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte<ref>[http://www.badw.de/publikationen/kommissionen_publ/hiko_liste/index.html Schriftenübersicht der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref>. Dazu zählen zentrale Editionen wie die [[Deutsche Reichstagsakten|Deutschen Reichstagsakten]], die Deutschen Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, die [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Regierung_Hitler_1933-1945|Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945]] oder das maßgebliche historisch-biographische Lexikon des deutschen Sprachraums, die [[Neue Deutsche Biographie]]. <br />
<br />
Die Kommission verfolgt ein ambitioniertes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel, aus Hunderten von Quelleneditionen und ihren diversen biographischen Angeboten wie der Neuen Deutschen Biographie (NDB), der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB)]] oder dem [[Repertorium Academicum Germanicum|Repertorium Academicum Germanicum (RAG)]], einer Datenbank der Gelehrten des Alten Reiches (1250–1550), ein wissenschaftliches, vernetztes Gesamtangebot zu schaffen, das alle ihre Arbeitsgebiete für Forschung und Lehre weltweit und benutzerfreundlich zugänglich macht. 2007 ging mit den [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Weimarer_Republik|Akten der Reichskanzlei]] die zentrale Quellenedition zur Geschichte der [[Weimarer Republik]] online.<br />
<br />
Gemeinsam mit der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]], der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] und der Stiftung [[Historisches Lexikon der Schweiz]] betreut die Historische Kommission seit Juli 2009 das [[Biographie-Portal]].<br />
<br />
== Abteilungen ==<br />
<br />
=== laufend ===<br />
* [[Reichstagsakten|Deutsche Reichstagsakten]] (ab 1858, geteilt in Ältere, Mittlere und Neuere Reihe sowie Reichsversammlungen)<br />
* Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit (ab 1913)<br />
* [[Repertorium Academicum Germanicum]] 1250–1550 (ab 2000)<br />
* Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige 1519–1792<br />
* Wittelsbachische Korrespondenzen (4 Reihen, ab 1860)<br />
* Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts (ab 1917)<br />
* Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte (ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817 (ab 2000)<ref>[http://138.246.100.12/str/]</ref><br />
* Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten (ab 1982)<br />
* Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes (ab 1988)<br />
* Gesamtausgabe des Briefwechsels von [[Leopold von Ranke]] (ab 2005)<br />
* Akten der Reichskanzlei (Weimarer Republik, Regierung Hitler, ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1954 (ab 1991)<br />
* [[Neue Deutsche Biographie]] (ab 1950)<br />
<br />
=== abgeschlossen ===<br />
* [[Jahrbücher der Deutschen Geschichte]] (1858–2002)<br />
* [[Die Chroniken der deutschen Städte]] vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert (1862–1968)<br />
* [[Hanserezess|Hanserecesse]] (1859–1897)<br />
* Die Urkunden und Akten der oberdeutschen [[Städtebund|Städtebünde]] (1650–2005)<br />
* Pfalzgeschichte (1862–1888)<br />
* Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (1860–1864, Neue Folge 1899–1915)<br />
* Geschichte der Wissenschaften in Deutschland (1864–1952)<br />
* Volkslieder (1865–1913)<br />
* Deutsche und ostmitteleuropäische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts (2000–2005)<br />
* Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß (1959–1980)<br />
* Dokumentation der deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (1990–1999)<br />
* Forschungsverbund „Historische Innovationsforschung“ (2000–2005)<br />
* [[Allgemeine Deutsche Biographie]] (1875–1912)<br />
<br />
== Archiv ==<br />
Das Archiv der Historischen Kommission (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser – so Leopold von Ranke – „Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft“ von ihrer Gründung durch Statut des bayerischen Königs Maximilian II. vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961, in dem die Kommission ihre 86. Plenarversammlung in München abhielt. Das Material stellt eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Ein Findbuch <ref>[http://www.historischekommission-muenchen.de/seiten/archivfindbuch.pdf Archivfindbuch der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref> mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern) erschließt den Bestand.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hg.): ''»... für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften''. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58286-4.<br />
* [[Helmut Neuhaus]]: ''150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik von Helmut Neuhaus.'' Historische Kommission, München 2008, ISBN 978-3-929691-12-2.<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/00_aa2008_02_gesamt.pdf ''Akademie Aktuell''], Heft 25, 2/2008 (Sonderheft zu 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, PDF, 5,06 MB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Wikisource|Nachrichten von der historischen Commission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften}}<br />
* [http://www.historischekommission-muenchen.de/index.php Website der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]<br />
* {{GKD|Protokolle des Bayerischen Staatsrats Bd. 1 1799-1801 und Bd. 2 1802-1807}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bildung in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Bildungseinrichtung in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Institution (Geschichtswissenschaft)]]<br />
[[Kategorie:Geschichtsschreibung (Deutschland)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historische_Kommission_bei_der_Bayerischen_Akademie_der_Wissenschaften&diff=100587459Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften2012-03-07T14:26:32Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Historische Kommission''' bei der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] wurde 1858 auf Initiative des Historikers [[Leopold von Ranke]] vom bayerischen König [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] gegründet. Sie ist einerseits eine Gelehrtengesellschaft, eine Akademie für deutsche Geschichte – so Ranke –, andererseits mit derzeit 26 wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine der größten außeruniversitären historischen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Von 1997 bis 2012 war [[Lothar Gall]] Präsident der Historischen Kommission. Am 7. März 2012 hat die Kommission , der derzeit 43 Mitglieder angehören, [[Gerrit Walther]] für die nächsten fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Im Mittelpunkt der Kommissionsarbeit stehen seit den Anfängen qualitativ hochwertige [[Quellenedition]]en. Das Spektrum der rund 650 Veröffentlichungen reicht vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte<ref>[http://www.badw.de/publikationen/kommissionen_publ/hiko_liste/index.html Schriftenübersicht der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref>. Dazu zählen zentrale Editionen wie die [[Deutsche Reichstagsakten|Deutschen Reichstagsakten]], die Deutschen Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, die [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Regierung_Hitler_1933-1945|Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945]] oder das maßgebliche historisch-biographische Lexikon des deutschen Sprachraums, die [[Neue Deutsche Biographie]]. <br />
<br />
Die Kommission verfolgt ein ambitioniertes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel, aus Hunderten von Quelleneditionen und ihren diversen biographischen Angeboten wie der Neuen Deutschen Biographie (NDB), der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB)]] oder dem [[Repertorium Academicum Germanicum|Repertorium Academicum Germanicum (RAG)]], einer Datenbank der Gelehrten des Alten Reiches (1250–1550), ein wissenschaftliches, vernetztes Gesamtangebot zu schaffen, das alle ihre Arbeitsgebiete für Forschung und Lehre weltweit und benutzerfreundlich zugänglich macht. 2007 ging mit den [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Weimarer_Republik|Akten der Reichskanzlei]] die zentrale Quellenedition zur Geschichte der [[Weimarer Republik]] online.<br />
<br />
Gemeinsam mit der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]], der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] und der Stiftung [[Historisches Lexikon der Schweiz]] betreut die Historische Kommission seit Juli 2009 das [[Biographie-Portal]].<br />
<br />
== Abteilungen ==<br />
<br />
=== laufend ===<br />
* [[Reichstagsakten|Deutsche Reichstagsakten]] (ab 1858, geteilt in Ältere, Mittlere und Neuere Reihe sowie Reichsversammlungen)<br />
* Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit (ab 1913)<br />
* [[Repertorium Academicum Germanicum]] 1250–1550 (ab 2000)<br />
* Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige 1519–1792<br />
* Wittelsbachische Korrespondenzen (4 Reihen, ab 1860)<br />
* Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts (ab 1917)<br />
* Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte (ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817 (ab 2000)<ref>[http://138.246.100.12/str/]</ref><br />
* Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten (ab 1982)<br />
* Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes (ab 1988)<br />
* Gesamtausgabe des Briefwechsels von [[Leopold von Ranke]] (ab 2005)<br />
* Akten der Reichskanzlei (Weimarer Republik, Regierung Hitler, ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1954 (ab 1991)<br />
* [[Neue Deutsche Biographie]] (ab 1950)<br />
<br />
=== abgeschlossen ===<br />
* [[Jahrbücher der Deutschen Geschichte]] (1858–2002)<br />
* [[Die Chroniken der deutschen Städte]] vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert (1862–1968)<br />
* [[Hanserezess|Hanserecesse]] (1859–1897)<br />
* Die Urkunden und Akten der oberdeutschen [[Städtebund|Städtebünde]] (1650–2005)<br />
* Pfalzgeschichte (1862–1888)<br />
* Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (1860–1864, Neue Folge 1899–1915)<br />
* Geschichte der Wissenschaften in Deutschland (1864–1952)<br />
* Volkslieder (1865–1913)<br />
* Deutsche und ostmitteleuropäische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts (2000–2005)<br />
* Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß (1959–1980)<br />
* Dokumentation der deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (1990–1999)<br />
* Forschungsverbund „Historische Innovationsforschung“ (2000–2005)<br />
* [[Allgemeine Deutsche Biographie]] (1875–1912)<br />
<br />
== Archiv ==<br />
Das Archiv der Historischen Kommission (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser – so Leopold von Ranke – „Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft“ von ihrer Gründung durch Statut des bayerischen Königs Maximilian II. vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961, in dem die Kommission ihre 86. Plenarversammlung in München abhielt. Das Material stellt eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Ein Findbuch <ref>[http://www.historischekommission-muenchen.de/seiten/archivfindbuch.pdf Archivfindbuch der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref> mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern) erschließt den Bestand.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hg.): ''»... für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften''. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58286-4.<br />
* [[Helmut Neuhaus]]: ''150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik von Helmut Neuhaus.'' Historische Kommission, München 2008, ISBN 978-3-929691-12-2.<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/00_aa2008_02_gesamt.pdf ''Akademie Aktuell''], Heft 25, 2/2008 (Sonderheft zu 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, PDF, 5,06 MB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Wikisource|Nachrichten von der historischen Commission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften}}<br />
* [http://www.historischekommission-muenchen.de/index.php Website der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]<br />
* {{GKD|2028047-6}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bildung in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Bildungseinrichtung in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Institution (Geschichtswissenschaft)]]<br />
[[Kategorie:Geschichtsschreibung (Deutschland)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historische_Kommission_bei_der_Bayerischen_Akademie_der_Wissenschaften&diff=100587246Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften2012-03-07T14:20:50Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Historische Kommission''' bei der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] wurde 1858 auf Initiative des Historikers [[Leopold von Ranke]] vom bayerischen König [[Maximilian II. Joseph (Bayern)|Maximilian II.]] gegründet. Sie ist einerseits eine Gelehrtengesellschaft, eine Akademie für deutsche Geschichte – so Ranke –, andererseits mit derzeit 26 wissenschaftlichen Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine der größten außeruniversitären historischen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Von 1997 bis 2012 war [[Lothar Gall]] Präsident der Historischen Kommission. Am 7. März 2012 hat die Kommission , der derzeit 43 Mitglieder angehören, [[Gerrit Walther]] für die nächsten fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Im Mittelpunkt der Kommissionsarbeit stehen seit den Anfängen qualitativ hochwertige [[Quellenedition]]en. Das Spektrum der rund 650 Veröffentlichungen reicht vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte<ref>[http://www.badw.de/publikationen/kommissionen_publ/hiko_liste/index.html Schriftenübersicht der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref>. Dazu zählen zentrale Editionen wie die [[Deutsche Reichstagsakten|Deutschen Reichstagsakten]], die Deutschen Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, die [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Regierung_Hitler_1933-1945|Akten der Reichskanzlei, Regierung Hitler 1933–1945]] oder das maßgebliche historisch-biographische Lexikon des deutschen Sprachraums, die [[Neue Deutsche Biographie]]. <br />
<br />
Die Kommission verfolgt ein ambitioniertes Digitalisierungsprogramm mit dem Ziel, aus Hunderten von Quelleneditionen und ihren diversen biographischen Angeboten wie der Neuen Deutschen Biographie (NDB), der [[Allgemeine Deutsche Biographie|Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB)]] oder dem [[Repertorium Academicum Germanicum|Repertorium Academicum Germanicum (RAG)]], einer Datenbank der Gelehrten des Alten Reiches (1250–1550), ein wissenschaftliches, vernetztes Gesamtangebot zu schaffen, das alle ihre Arbeitsgebiete für Forschung und Lehre weltweit und benutzerfreundlich zugänglich macht. 2007 ging mit den [[Akten_der_Reichskanzlei#Akten_der_Reichskanzlei.2C_Weimarer_Republik|Akten der Reichskanzlei]] die zentrale Quellenedition zur Geschichte der [[Weimarer Republik]] online.<br />
<br />
Gemeinsam mit der [[Bayerische Staatsbibliothek|Bayerischen Staatsbibliothek]], der [[Österreichische Akademie der Wissenschaften|Österreichischen Akademie der Wissenschaften]] und der Stiftung [[Historisches Lexikon der Schweiz]] betreut die Historische Kommission seit Juli 2009 das [[Biographie-Portal]].<br />
<br />
== Abteilungen ==<br />
<br />
=== laufend ===<br />
* [[Reichstagsakten|Deutsche Reichstagsakten]] (ab 1858, geteilt in Ältere, Mittlere und Neuere Reihe sowie Reichsversammlungen)<br />
* Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit (ab 1913)<br />
* [[Repertorium Academicum Germanicum]] 1250–1550 (ab 2000)<br />
* Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige 1519–1792<br />
* Wittelsbachische Korrespondenzen (4 Reihen, ab 1860)<br />
* Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts (ab 1917)<br />
* Forschungen zur deutschen Sozialgeschichte (ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817 (ab 2000)<br />
* Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten (ab 1982)<br />
* Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes (ab 1988)<br />
* Gesamtausgabe des Briefwechsels von [[Leopold von Ranke]] (ab 2005)<br />
* Akten der Reichskanzlei (Weimarer Republik, Regierung Hitler, ab 1962)<br />
* Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1954 (ab 1991)<br />
* [[Neue Deutsche Biographie]] (ab 1950)<br />
<br />
=== abgeschlossen ===<br />
* [[Jahrbücher der Deutschen Geschichte]] (1858–2002)<br />
* [[Die Chroniken der deutschen Städte]] vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert (1862–1968)<br />
* [[Hanserezess|Hanserecesse]] (1859–1897)<br />
* Die Urkunden und Akten der oberdeutschen [[Städtebund|Städtebünde]] (1650–2005)<br />
* Pfalzgeschichte (1862–1888)<br />
* Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte (1860–1864, Neue Folge 1899–1915)<br />
* Geschichte der Wissenschaften in Deutschland (1864–1952)<br />
* Volkslieder (1865–1913)<br />
* Deutsche und ostmitteleuropäische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts (2000–2005)<br />
* Leopold von Ranke: Aus Werk und Nachlaß (1959–1980)<br />
* Dokumentation der deutsch-französischen Beziehungen 1949–1963 (1990–1999)<br />
* Forschungsverbund „Historische Innovationsforschung“ (2000–2005)<br />
* [[Allgemeine Deutsche Biographie]] (1875–1912)<br />
<br />
== Archiv ==<br />
Das Archiv der Historischen Kommission (ca. 6 lfm.) dokumentiert das Wirken dieser – so Leopold von Ranke – „Akademie der deutschen Geschichtswissenschaft“ von ihrer Gründung durch Statut des bayerischen Königs Maximilian II. vom 26. November 1858 bis zum Jahr 1961, in dem die Kommission ihre 86. Plenarversammlung in München abhielt. Das Material stellt eine erstrangige Quelle für die historiographische Forschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Ein Findbuch <ref>[http://www.historischekommission-muenchen.de/seiten/archivfindbuch.pdf Archivfindbuch der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]</ref> mit ausführlichem Personen-, Institutionen- und Sachregister (139 S. und 336 Nummern) erschließt den Bestand.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hg.): ''»... für deutsche Geschichts- und Quellenforschung«. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften''. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008, ISBN 978-3-486-58286-4.<br />
* [[Helmut Neuhaus]]: ''150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik von Helmut Neuhaus.'' Historische Kommission, München 2008, ISBN 978-3-929691-12-2.<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/00_aa2008_02_gesamt.pdf ''Akademie Aktuell''], Heft 25, 2/2008 (Sonderheft zu 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, PDF, 5,06 MB)<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{Wikisource|Nachrichten von der historischen Commission bei der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften}}<br />
* [http://www.historischekommission-muenchen.de/index.php Website der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]<br />
* {{GKD|2028047-6}}<br />
<br />
[[Kategorie:Bildung in Bayern]]<br />
[[Kategorie:Bildungseinrichtung in Deutschland]]<br />
[[Kategorie:Institution (Geschichtswissenschaft)]]<br />
[[Kategorie:Geschichtsschreibung (Deutschland)]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gerrit_Walther&diff=100587068Gerrit Walther2012-03-07T14:17:03Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>'''Gerrit Walther''' (* [[15. Februar]] [[1959]] in [[Kiel]]) ist ein deutscher [[Historiker]].<br />
<br />
Gerrit Walther studierte von 1980 bis 1986 Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main]] und absolvierte nebenbei eine Redakteursausbildung bei einer Tageszeitung. Von 1987 bis 1997 war Walther Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Frankfurt. 1992 promovierte er in Frankfurt am Main mit der Arbeit ''Niebuhrs Forschung''. 1997 erfolgte die Habilitation ebenfalls in Frankfurt am Main. Dort lehrte er auch als Privatdozent für Neuere Geschichte. 2000/2001 hatte Walther eine Lehrstuhlvertretung für Geschichte der Frühen Neuzeit an der [[Justus-Liebig-Universität Gießen]] inne. Seit 2002 lehrt er als Professor an der [[Bergische Universität Wuppertal|Universität Wuppertal]]. Im Jahr 2006 wurde er ordentliches Mitglied der [[Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften|Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften]].Seit 2008 ordentliches Mitglied der [[Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften|Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]], hat die Kommission ihn am 7. März 2012 für fünf Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt.<br />
<br />
Seine Forschungsschwerpunkte sind die allgemeine Geschichte des konfessionellen Zeitalters, die französische Geschichte der Frühen Neuzeit, die Geschichte des Humanismus und der europäischen Bildung, die Geschichte der Geschichtswissenschaft und der klassischen Altertumswissenschaft, die Adels- und Hofkultur der Frühen Neuzeit. Walther ist Fachherausgeber für Bildung in der ''[[Enzyklopädie der Neuzeit]]'' und Fachvertreter für Frühe Neuzeit im Herausgebergremium der ''[[Historische Zeitschrift|Historischen Zeitschrift]]''.<br />
<br />
== Schriften ==<br />
* ''Julius Maria Becker 1887–1949. Ein Dichter zwischen den Weltkriegen.'' Battert, Baden-Baden 1989, ISBN 3-87989-160-5.<br />
* ''Niebuhrs Forschung.'' Steiner, Stuttgart 1993, ISBN 3-515-06369-2.<br />
* ''Abt Balthasars Mission. Politische Mentalitäten, Gegenreformation und eine Adelsverschwörung im Hochstift Fulda.'' Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-36060-6.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{DNB-Portal|112399460}}<br />
* [http://www.geschichte.uni-wuppertal.de/ueber-uns/personen/hauptamtliche-professoren/prof-dr-gerrit-walther.html Seite von Walther an der Universität Wuppertal]<br />
* [http://www.presse-archiv.uni-wuppertal.de/html/module/medieninfos/namen/2006/druckansicht/0407_walther.htm Prof. Dr. Gerrit Walther Mitglied der Akademie der Wissenschaften]<br />
<br />
{{Normdaten|PND=112399460|LCCN=n/93/120745|VIAF=56692710}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Walther, Gerrit}}<br />
[[Kategorie:Neuzeithistoriker]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Bergische Universität Wuppertal)]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1959]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Walther, Gerrit<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Historiker<br />
|GEBURTSDATUM=15. Februar 1959<br />
|GEBURTSORT=[[Kiel]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Chroniken_der_deutschen_St%C3%A4dte&diff=99369155Die Chroniken der deutschen Städte2012-02-07T14:10:52Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Chroniken der deutschen Städte''' waren ein bedeutendes Editionsunternehmen zur Geschichte des deutschen Spätmittelalters im 19. Jahrhundert. Sie wurde wie die [[Allgemeine Deutsche Biographie]] von der [[Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften|Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] getragen. Im Oktober 1858 auf der vorbereitenden Sitzung zur Gründung der Historischen Kommission beschloss man, die von [[Pertz]] angeregte Reihe in das Arbeitsprogramm aufzunehmen.<br />
<br />
Erster Leiter war der Historiker [[Karl von Hegel|Karl Hegel]].<br />
<br />
Der erste Band, [[Nürnberg]] gewidmet, erschien 1862 in [[Leipzig]] bei [[S. Hirzel Verlag|S. Hirzel]] (wie die meisten späteren Bände). Der letzte Band 37 ([[Bremen]]) erschien als Nachzügler 1968, doch war die Reihe bereits vor dem Ersten Weltkrieg im Wesentlichen abgeschlossen. <br />
<br />
1902 schrieb [[Ferdinand Frensdorff]] im Nachruf auf Hegel über die Reihe: <br />
{{Zitat|Die 27 Bände, welche sie bisher zählt, verteilen sich ziemlich gleichmäßig über die Landschaften Deutschlands. Aus dem Gebiete der Hanse sind Köln, Dortmund, Soest, Duisburg, Neuss, Magdeburg, Braunschweig und Lübeck vertreten. Den reichsten Stoff haben Nürnberg und Augsburg gewährt, deren jede fünf Bände in Anspruch genommen hat. Köln hat drei, Mainz zwei, ebenso viele Braunschweig und das noch nicht abgeschlossene Lübeck gefordert.}}<br />
<br />
Im Rahmen von [[Google Book Search]] sind zahlreiche Bände digitalisiert, allerdings nur mit US-Proxy nutzbar (Auflistung bei [[Wikisource]], siehe unten).<br />
<br />
Nach einer Information auf der Webseite der Historischen Kommission ist ein Volltextangebot der Chroniken geplant.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Wikisource}}<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2010/heft2/18_Koelzer.pdf Kumuliertes und ergänztes Register, DFG-Projekt der Historischen Kommission]<br />
<br />
* [http://books.google.com/books?id=I_w1AAAAMAAJ&pg=PA139 Nachruf von Frensdorff, Google USA]<br />
<br />
[[Kategorie:Historische Fachpublikation]]<br />
[[Kategorie:Geschichte nach Ort (Deutschland)|!Chroniken der deutschen Städte]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Chroniken_der_deutschen_St%C3%A4dte&diff=99369131Die Chroniken der deutschen Städte2012-02-07T14:10:22Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Die '''Chroniken der deutschen Städte''' waren ein bedeutendes Editionsunternehmen zur Geschichte des deutschen Spätmittelalters im 19. Jahrhundert. Sie wurde wie die [[Allgemeine Deutsche Biographie]] von der [[Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften|Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] getragen. Im Oktober 1858 auf der vorbereitenden Sitzung zur Gründung der Historischen Kommission beschloss man, die von [[Pertz]] angeregte Reihe in das Arbeitsprogramm aufzunehmen.<br />
<br />
Erster Leiter war der Historiker [[Karl von Hegel|Karl Hegel]].<br />
<br />
Der erste Band, [[Nürnberg]] gewidmet, erschien 1862 in [[Leipzig]] bei [[S. Hirzel Verlag|S. Hirzel]] (wie die meisten späteren Bände). Der letzte Band 37 ([[Bremen]]) erschien als Nachzügler 1968, doch war die Reihe bereits vor dem Ersten Weltkrieg im Wesentlichen abgeschlossen. <br />
<br />
1902 schrieb [[Ferdinand Frensdorff]] im Nachruf auf Hegel über die Reihe: <br />
{{Zitat|Die 27 Bände, welche sie bisher zählt, verteilen sich ziemlich gleichmäßig über die Landschaften Deutschlands. Aus dem Gebiete der Hanse sind Köln, Dortmund, Soest, Duisburg, Neuss, Magdeburg, Braunschweig und Lübeck vertreten. Den reichsten Stoff haben Nürnberg und Augsburg gewährt, deren jede fünf Bände in Anspruch genommen hat. Köln hat drei, Mainz zwei, ebenso viele Braunschweig und das noch nicht abgeschlossene Lübeck gefordert.}}<br />
<br />
Im Rahmen von [[Google Book Search]] sind zahlreiche Bände digitalisiert, allerdings nur mit US-Proxy nutzbar (Auflistung bei [[Wikisource]], siehe unten).<br />
<br />
Nach einer Information auf der Webseite der Historischen Kommission ist ein Volltextangebot der Chroniken geplant.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
{{Wikisource}}<br />
* [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2010/heft2/18_Koelzer.pdf Kumuliertes und ergäntes Register, DFG-Projekt der Historischen Kommission]<br />
<br />
* [http://books.google.com/books?id=I_w1AAAAMAAJ&pg=PA139 Nachruf von Frensdorff, Google USA]<br />
<br />
[[Kategorie:Historische Fachpublikation]]<br />
[[Kategorie:Geschichte nach Ort (Deutschland)|!Chroniken der deutschen Städte]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Historisches_Kolleg&diff=99153520Historisches Kolleg2012-02-02T10:33:32Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>Das '''Historische Kolleg''' wurde 1980 in München gegründet. Träger des Kollegs ist die „Stiftung zur Förderung der [[Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften|Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] und des Historischen Kollegs“. Es hat seinen Sitz in der [[Friedrich August von Kaulbach#Kaulbach-Villa München|Kaulbach-Villa]] in München. <br />
<br />
== Organisation ==<br />
Das Historische Kolleg wurde vom Stiftungsfonds der [[Deutsche Bank|Deutschen Bank]], der sich die Förderung der Wissenschaft in Forschung und Lehre zum Ziel gesetzt hat, sowie vom [[Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft]] gegründet. Zunächst wurde es von der „Stiftung des Historischen Kollegs“ getragen und ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert. Seit 1988 hat es seinen Sitz in der Kaulbach-Villa in München, die von den Kolleg-Gründern und dem [[Bayern|Freistaat Bayern]] instandgesetzt wurde. Seit dem Kollegjahr 2000/2001 übernimmt der Freistaat Bayern die finanzielle Grundausstattung des Kollegs, während private Zuwendungsgeber die Mittel für die Forschungsstipendien bereitstellen. Geleitet wird das Kolleg von einem Kuratorium, dessen Vorsitzender derzeit der Historiker [[Andreas Wirsching]] ist.<br />
<br />
== Vorsitzende des Kuratoriums == <br />
* 1980-1984 [[Theodor Schieder]] (1908-1984),<br />
* 1984-1997 [[Horst Fuhrmann]] (1926-2011),<br />
* 1997-2011 [[Lothar Gall]] (geb. 1936),<br />
* seit 2011 [[Andreas Wirsching]] (geb. 1959).<br />
<br />
== Aufgaben und Ziele ==<br />
Das Kolleg dient der Förderung von herausragenden deutschen und ausländischen Gelehrten aus dem Bereich der historischen Wissenschaften. Zu diesem Zweck werden für die Dauer eines Jahres Forschungsstipendien vergeben. Die Stipendiaten werden für diese Zeit von ihren universitären Verpflichtungen freigestellt, damit sie ein größeres Forschungsvorhaben konzentriert bearbeiten und die Ergebnisse publizieren können. Während ihres Forschungsjahres laden die Stipendiaten Fachkolleginnen und -kollegen aus dem In- und Ausland zu einem Kolloquium ein, in dem sie ihr wissenschaftliches Projekt vorstellen und zur Diskussion stellen. Zudem hat der Stipendiat einen öffentlichen Vortrag aus seinem Arbeitsbereich zu halten. Die Ergebnisse des Kollogiums sowie der öffentliche Vortrag werden in den Schriften des Historischen Kollegs veröffentlicht. <br />
<br />
== Preis des Historischen Kollegs ==<br />
Seit 1983 vergibt das Kolleg alle drei Jahre den [[Preis des Historischen Kollegs]], der auch als ''Deutscher Historikerpreis'' bezeichnet wird. Die Auszeichnung nimmt der Bundespräsident vor.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Lothar Gall]] (Hrsg.): ''25 Jahre Historisches Kolleg. Rückblick – Bilanz – Perspektiven''. Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-58005-1.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.historischeskolleg.de Homepage des Historischen Kollegs]<br />
<br />
[[Kategorie:Geschichtswissenschaftliches Forschungsinstitut]]<br />
[[Kategorie:Bildung und Forschung in München]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Horst_Fuhrmann&diff=99152222Horst Fuhrmann2012-02-02T10:03:14Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>[[Datei:Fuhrmann.jpg|miniatur|hochkant|Horst Fuhrmann]]<br />
__NOTOC__<br />
'''Horst Fuhrmann''' (* [[22. Juni]] [[1926]] in [[Kluczbork|Kreuzburg]] in Oberschlesien; † [[9. September]] [[2011]] in [[Wörthsee (Gemeinde)|Steinebach am Wörthsee]]<ref>[http://www.mgh.de/home/aktuelles/newsdetails/wir-trauern-um-herrn-prof-dr-drhc-mult-horst-fuhrmann/d7eaf9d7e0/ Mitteilung der MGH]; Rudolf Schieffer nennt in seinem Nachruf auf Horst Fuhrmann in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]] vom 13. September 2011 [[Herrsching am Ammersee]] als Sterbeort.</ref>) war ein deutscher [[Historiker]].<br />
<br />
Horst Fuhrmann studierte nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft an der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Universität Kiel]] die Fächer Geschichte, Klassische Philologie und Rechtsgeschichte und wurde 1952 mit der preisgekrönten Arbeit über mittelalterliche [[Patriarchat (Soziologie)|Patriarchate]] promoviert. Er arbeitete von 1954 bis 1957 am Institut der [[Monumenta Germaniae Historica]] in München und am [[Deutsches Historisches Institut|Deutschen Historischen Institut]] in Rom. Er habilitierte sich 1960 in Kiel in den Fächern Mittlere und Neuere Geschichte mit einer Schrift über die Bedeutung und Wirksamkeit der ''[[Pseudoisidor|Pseudoisidorischen Dekretalen]]''.<br />
<br />
1962 wurde er auf den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte an der [[Eberhard-Karls-Universität Tübingen|Universität Tübingen]] berufen, den er neun Jahre lang innehatte. Von 1971 bis 1994 war er dann Präsident der Monumenta Germaniae Historica und Ordinarius für Geschichte an der [[Universität Regensburg]],<ref name=ts17>Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who's who. XLVI. Ausgabe 2007/08 (Begründet von Walter Habel - vormals [[Degener & Co|Degeners]] wer ist´s), Lübeck 2007, S. 371.</ref> 1974 wurde er ordentliches Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] und war von 1992 bis 1997 deren Präsident. Von 1984 bis 1997 war er Vorsitzender des Kuratoriums des [[Historisches Kolleg|Historischen Kollegs]].<br />
<br />
Fuhrmann wurde mehrfach mit Ehrenpromotionen bedacht und erhielt unter anderem 1988 das [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern]]<ref name=ts17>Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who's who. XLVI. Ausgabe 2007/08 (Begründet von Walter Habel - vormals [[Degener & Co|Degeners]] wer ist´s), Lübeck 2007, S. 371.</ref> und den [[Pour le Mérite|Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste]]. Er war korrespondierendes Mitglied der [[Académie des Inscriptions et Belles-Lettres]] und auswärtiges Mitglied der [[Accademia Nazionale dei Lincei]]. Er leitete die Kommission für das ''[[Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi]]'' und gehörte unter anderem der Kommission für die Herausgabe des ''[[Mittellateinisches Wörterbuch|Mittellateinischen Wörterbuchs]]'' bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an.<br />
<br />
Fuhrmanns wissenschaftlicher Schwerpunkt waren das [[Kanonisches Recht|Kirchenrecht]] und die [[Kirchengeschichte]]. In seiner Habilitationsschrift beschäftigte er sich mit der Entstehung und Wirkung der [[Pseudoisidor|Pseudoisidorischen Fälschungen]] des 9. Jahrhunderts. Dies führte ihn zum Phänomen der Fälschungen durch die mittelalterliche Geschichte, ausgehend vom ''[[Konstantinische Schenkung|Constitutum Constantini]]'' bis hin zu den frühmittelalterlichen Rechtssammlungen, die in das ''[[Decretum Gratiani]]'' eingingen. Er regte zahlreiche Dissertationen aus diesem Themenbereich an, und auf seine Initiative hin veranstalteten die MGH einen Kongress zu diesem Thema (''Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica'', München, 16.–19. September 1986.) In späteren Jahren erweiterte er sein Tätigkeitsfeld auf die [[Sozialgeschichte|Sozial-]] und [[Ideengeschichte]] des 9.–12. Jahrhunderts.<ref>Die Darstellung von Fuhrmanns Tätigkeit beruht maßgeblich auf Claudia Märtl: ''[http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2011/heft4/00_aa_2011_04_gesamt.pdf „Irrtümer aufhellen, Andersdenken trainieren“ – Zum Tod des Mediävisten Horst Fuhrmann.]'' In: ''Akademie Aktuell'' der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Aufgabe 4-2011, S. 52–53.</ref><br />
<br />
Während seiner gesamten Amtszeit als Präsident der MGH gab er deren Zeitschrift ''[[Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters]]'' zusammen mit [[Hans Martin Schaller]] heraus. Fuhrmann trat häufig im Fernsehen auf, wo er mittelalterliche Geschichte einem breiten Publikum nahe brachte. <br />
<br />
== Schriften (Auswahl) ==<br />
* ''Studien zur Geschichte mittelalterlicher Patriarchate.'' In: ''[[Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte]].'' Kanonistische Abteilung. 39 (1953), S. 112–176; 40 (1954), S. 1–84; 41 (1955), S. 95–183.<br />
* ''Einfluß und Verbreitung der [[Pseudoisidor|Pseudoisidorischen Fälschungen]]. Von ihrem Auftreten bis in die neuere Zeit.'' 3 Bände. Hiersemann, Stuttgart 1972–1974, ISBN 3-7772-7204-3. (Schriften der MGH, Bände 24.1–24.3)<br />
* ''Deutsche Geschichte im hohen Mittelalter. Von der Mitte des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts.'' 3. durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, ISBN 3-525-33589-X. (Deutsche Geschichte, Band 2) [http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb00047567-4 (Digitalisat)]<br />
* ''Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten.'' Beck, München 1980, ISBN 3-406-06023-4. (Neuausgabe: ''Die Päpste. Von Petrus zu Benedikt XVI.'' 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52863-5)<br />
* ''Papst Urban II. und der Stand der Regularkanoniker.'' Bayerische Akademie der Wissenschaften, München 1984, ISBN 3-7696-1529-8. (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philologisch-historische Klasse, 1984.2)<br />
* ''Einladung ins Mittelalter.'' Beck, München 1987, ISBN 3-406-32052-X.<br />
* ''Pour le mérite. Über die Sichtbarmachung von Verdiensten: eine historische Besinnung.'' Thorbecke, Sigmaringen 1992, ISBN 3-7995-4159-4.<br />
* ''Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40518-5.<br />
* ''Sind eben alles Menschen gewesen. Gelehrtenleben im 19. und 20. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel der Monumenta Germaniae Historica und ihrer Mitarbeiter.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40280-1.<br />
* ''Ignaz von Döllinger. Ein exkommunizierter Theologe als Akademiepräsident und Historiker''. Hinzel, Stuttgart/Leipzig 1999, ISBN 3-7776-0996-X. (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, Band 137, Heft 1). <br />
* ''Menschen und Meriten. Eine persönliche Portraitgalerie.'' Beck, München 2001, ISBN 3-406-47221-4.<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Hubert Mordek]] (Hrsg.): ''Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag.'' Niemeyer, Tübingen 1991, ISBN 3-484-80142-5. (mit Bibliographie auf den Seiten 383 ff.)<br />
* [[Hubertus Seibert]]: ''Horst Fuhrmann zum 70. Geburtstag am 22. Juni 1996''. In: Ostdeutsche Gedenktage 1996. Persönlichkeiten und Historische Ereignisse, herausgegeben von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1995, S. 103–108.<br />
* [[Rudolf Schieffer]]: ''Die Welt will auch belehrt werden. Wenn der Lehrer so kundig, passioniert und witzig ist wie Horst Fuhrmann: Zum Tode des Mediävisten''. In: [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 13. September 2011, Nr. 213, S. 39. ([http://www.mgh.de/fileadmin/Downloads/pdf/Nachruf_Fuhrmann_FAZ_13-09-2011.pdf Online])<br />
* [[Claudia Märtl]]: ''[http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2011/heft4/00_aa_2011_04_gesamt.pdf „Irrtümer aufhellen, Andersdenken trainieren“ – Zum Tod des Mediävisten Horst Fuhrmann.]'' In: ''Akademie Aktuell'' der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Aufgabe 4–2011, S. 52–53.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* {{DNB-Portal|118997904}}<br />
* [[Dietmar Willoweit]]: [http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2006/heft4/13_Willoweit.pdf ''Horst Fuhrmann zum 80. Geburtstag''], Bayerische Akademie der Wissenschaften (PDF-Datei; 209 kB)<br />
* [http://opac.regesta-imperii.de/lang_de/suche.php?page=1&qs=Fuhrmann,+Horst&ts=&ps=&tags=&ejahr=&thes=&sprache=&sortierung=d&pagesize=20&objektart= Veröffentlichungen von Horst Fuhrmann] im Opac der [[Regesta Imperii]]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|PND=118997904|LCCN=n/84/803070|VIAF=29551028}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Fuhrmann, Horst}}<br />
[[Kategorie:Mittelalterhistoriker]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Eberhard Karls Universität Tübingen)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Regensburg)]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
[[Kategorie:Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Accademia dei Lincei]]<br />
[[Kategorie:Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften]]<br />
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern]]<br />
[[Kategorie:Träger des Pour le Mérite (Friedensklasse)]]<br />
[[Kategorie:Träger des Bayerischen Verdienstordens]]<br />
[[Kategorie:Deutscher]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1926]]<br />
[[Kategorie:Gestorben 2011]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Fuhrmann, Horst<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Historiker<br />
|GEBURTSDATUM=22. Juni 1926<br />
|GEBURTSORT=[[Kluczbork|Kreuzburg]]<br />
|STERBEDATUM=9. September 2011<br />
|STERBEORT=[[Wörthsee (Gemeinde)|Steinebach am Wörthsee]]<br />
}}</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Reziprokes_Gitter&diff=98084758Reziprokes Gitter2012-01-08T11:15:10Z<p>138.246.2.191: /* Bragg Gleichung */</p>
<hr />
<div>Das '''reziproke Gitter''' ist eine Konstruktion der [[Kristallographie]] zur Beschreibung der Bragg-Reflexe eines Kristalls. Es wird in der Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeugung verwendet. <br />
Dieses Konzept wurde – mit einer leicht veränderten Definition – in der [[Festkörperphysik]] zum reziproken Raum erweitert. Dort wird es bei der quantenmechanischen Beschreibung von physikalischen Vorgängen in einem Kristall durch [[Quasiteilchen]] eingesetzt.<br />
<br />
== Definition ==<br />
Ein 3-dimensionales [[Kristallstruktur#Gitter | Punktgitter]] wird durch drei Basisvektoren <math> \vec {a_1}</math>, <math> \vec {a_2}</math> und <math> \vec {a_3}</math> beschrieben. Dieses Gitter wird auch reales oder direktes Gitter genannt. Die Basisvektoren des zu diesem Gitter reziproken Gitters <math> \vec {b_1}</math>, <math> \vec {b_2}</math> und <math> \vec {b_3}</math> ergeben sich aus den Gleichungen:<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
! Kristallographie !! Festkörperphysik<br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_1=\frac{ \mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|| <math>\mathbf{b}_1= 2\pi \,\frac{\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_2=\frac{\mathbf{a}_3 \times \mathbf{a}_1}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
||<math>\mathbf{b}_2=2\pi \,\frac{\mathbf{a}_3 \times \mathbf{a}_1}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|<math>\mathbf{b}_3=\frac{ \mathbf{a}_1 \times \mathbf{a}_2}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
||<math>\mathbf{b}_3=2\pi \,\frac{ \mathbf{a}_1 \times \mathbf{a}_2}{\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)}</math><br />
|-<br />
|}<br />
Hierbei ist <math>\mathbf{a}_1 \cdot (\mathbf{a}_2 \times \mathbf{a}_3)</math> das Volumen der [[Elementarzelle]].<br />
<br />
Der Unterschied zwischen beiden Definitionen hat seine Ursache in der unterschiedlichen Darstellung des Streuvorgangs. In der Kristallographie wird die einfallende bzw. gestreute Welle in der Regel durch Einheitsvektoren <math> \vec {s_0} </math> bzw. <math> \vec {s_s} </math> beschrieben. In einigen Fällen wird auch die Definition <math> \vec k = \frac{\vec s}{\lambda} </math> verwendet, wobei λ die Wellenlänge der verwendeten Strahlung ist. In der Festkörperphysik werden zur Beschreibung von Wellen generell die Wellenvektoren <math> \vec k = \frac{2 \pi \vec s}{\lambda} </math> verwendet.<br />
Im Folgenden wird die kristallographische Definition benutzt. <br />
<br />
== Eigenschaften der Basisvektoren ==<br />
* Ein Basisvektor '''b<sub>i</sub>''' des reziproken Gitters hat die Länge 1/a<sub>i</sub> und steht senkrecht auf den beiden anderen Vektoren des realen Gitters. Diese Aussage kann man in folgender Gleichung zusammenfassen:<br />
:<math> \vec {a_i} \cdot \vec{b_j} = \delta_{ij} </math><br />
* Die Koordinaten eines Punktes des reziproken Gitters werden in der Regel mit (h,k,l) bezeichnet.<br />
* Das zu einem reziproken Gitter reziproke Gitter ist wieder das entsprechende reale Gitter.<br />
* Das reziproke Gitter eines Bravais-Gitters gehört zum gleichen Kristallsystem wie das reale Gitter, kann aber eine andere Zentrierung haben:<br />
<br />
{| class="wikitable"<br />
!Bravaisgitter !! reziprokes Gitter<br />
|-<br />
| Primitiv (P) || Primitiv (P)<br />
|-<br />
| Innenzentriert (I) || Allseitig Flächenzentriert (F)<br />
|-<br />
| Allseitig Flächenzentriert(F) || Innenzentriert (I) <br />
|-<br />
| Basiszentriert (A,B,C) || Basiszentriert (A,B,C) <br />
|-<br />
|}<br />
<br />
== Verwendung in der Kristallographie ==<br />
=== Zusammenhang mit den Millerschen Indizes ===<br />
Ein Vektor des reziproken Raums (h,k,l) steht senkrecht auf der Schar von Netzebenen mit den [[Millersche Indizes|Millerschen Indizes]] (h,k,l). Die Länge des Vektors ist gleich dem reziproken des Netzebenenabstandes.<br />
Im reziproken Gitter haben aber auch die Punkte, deren Koordinaten ein gemeinsames Vielfaches besitzen eine Bedeutung: Die mit (100) und (200) bezeichneten Netzebenenscharen liegen parallel zu einander, die Netzebenen der Schar (200) haben aber nur halb so großen Abstand wie die der Schar (100).<br />
<br />
=== Bragg Gleichung ===<br />
Die [[Bragg-Gleichung]] liefert einen Zusammenhang zwischen dem Netzebenenabstand d<sub>hkl</sub> und dem Beugungswinkel θ. Die Bragg Gleichung gilt nur für den Fall, dass der einfallende und der gestreute Strahl symmetrisch zur "reflektierenden" Netzebenenenschaar (h,k,l) verlaufen und lautet: <br />
<br />
:<math> n \lambda = 2d_{hkl} \, \sin(\theta) </math><br />
<br />
In dieser Form liefert sie aber keine Aussagen über die Richtungen der Netzebenen und der einfallenden und gestreuten Welle zueinander. Beschreibt man die einfallende Welle mit <math> \vec{k_0} = \frac{\vec{s_0}}{\lambda} </math> und die gestreute Welle mit <math> \vec{k_s} = \frac{\vec{s_s}}{\lambda} </math> so lautet die Bragg-Gleichung in vektorieller Form:<br />
<br />
:<math>\vec k = \vec{k_s}-\vec{k_0}=\vec{G}_{h,k,l}</math><br />
<br />
Wobei <math>\vec {G}_{h,k,l} </math> der Vektor (h,k,l) des reziproken Gitters und <math> \vec k </math> der Beugungsvektor ist.<br />
<br />
Allgemein bedeutet diese Gleichung: ein Röntgenstrahl wird genau dann gestreut, wenn der Beugungsvektor <math>\vec k </math> gleich einem reziproken Gittervektor ist. Dieser Zusammenhang wird mit der [[Ewaldkugel]] anschaulich dargestellt.<br />
<br />
== Historisches ==<br />
Das ''polare Gitter'' („réseau polaire“) als Vorläufer des reziproken Gitters wurde bereits von [[Auguste Bravais]] im Rahmen seiner Arbeit über Punktgitter behandelt.<ref> {{cite journal <br />
|author= M. A. Bravais<br />
|title=Mémoire sur les systèmes formés par des points distribués régulièrement sur un plan ou dans l’éspace<br />
|journal= J. École Polytech.,<br />
|pages=1-128<br />
|year=1850<br />
}}<br />
</ref><br />
<ref>[http://reference.iucr.org/dictionary/Polar_lattice Definition des polaren Gitters (IUCr, engl.)] </ref><br />
[[Josiah Willard Gibbs]] führte 1881 den Begriff des ''reziproken Systems'' („reciprocal system“) als rein mathematische Konstruktion in seinem Buch [http://en.wikipedia.org/wiki/Vector_Analysis Vector Analysis] ein.<ref>{{Literatur | Autor=J. W. Gibbs | Titel=Elements of Vector Analysis, arranged for the Use of Students in Physics | Verlag=Yale University Press | Ort=New Haven | Jahr=1881 | Originalsprache=en}}</ref> Seine Definition ist identisch mit der oben angegebenen kristallographischen.<br />
[[Paul Peter Ewald]] war der erste, der dieses Gitter zur Beschreibung von Röntgenreflexen einsetzte.<ref>{{cite journal <br />
|author= P. P. Edwald<br />
|title=Zur Theorie der Interferrenzen der Röntgenstrahlen in Kristallen<br />
|journal= Phys. Z<br />
|volume= 14<br />
|pages=465-472<br />
|year=1913<br />
}}<br />
</ref> Danach baute er die Theorie weiter aus.<ref>{{cite journal <br />
|author=P. P. Edwald <br />
|title=Das reziproke Gitter in der Strukturtheorie<br />
|journal= Z. Kristallor.<br />
|volume= 56<br />
|pages=129-156<br />
|year=1921<br />
}}<br />
</ref> Aber erst aufgrund einer Arbeit von [[John Desmond Bernal]]<ref> {{cite journal <br />
|author= J. D. Bernal<br />
|title=On the interprtation of x-ray, single crystal, rotation photographs<br />
|journal= Proc. Roy. Soc. A<br />
|volume= 113<br />
|pages=118-123<br />
|year=1926<br />
}}<br />
</ref> wurde diese Konstruktion zur Beschreibung von Braggreflexen allgemein bekannt und etablierte sich.<br />
<br />
== Anmerkungen zum reziproken Gitter in der Festkörperphysik ==<br />
{{Hauptartikel| Reziproker Raum}}<br />
<br />
In der Festkörperphysik werden zur Beschreibung des Kristalls [[Quasiteilchen]] eingesetzt. <br />
Diese besitzen einen Wellenvektor <math> \vec k </math> und einen Quasiimpuls <math> \hbar \vec k </math>. Daher werden sie im reziproken Raum beschrieben. In diesem Raum spielt das reziproke Gitter eine wichtige Rolle. <br />
<br />
So ist der wesentliche Bereich des reziproken Gitters, in dem die Darstellungen der Quasiteilchen stattfinden, die erste Brillouinzone. Diese ist die [[Wigner-Seitz-Zelle]] des reziproken Gitters.<br />
<br />
In dieser Beschreibung stellt die Bragg-Gleichung einen Impulserhaltungssatz für Quasiteilchen dar: <br />
<br />
Bei der Wechselwirkung zwischen Quasiteilchen muss die Differenz der Impulse vor und nach der Wechselwirkung dem <math>\hbar </math>-fachen eines reziproken Gittervektors entsprechen. <br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
== Literatur ==<br />
*{{Literatur<br />
| Autor= L.D. Landau, E.M. Lifschitz<br />
| Titel= Lehrbuch der theoretischen Physik<br />
| Band= V <br />
| TitelErg= Statistische Physik<br />
| Auflage=<br />
| Verlag=Akademie Verlag<br />
| Ort=Berlin<br />
| Jahr=1966<br />
}}<br />
*{{Literatur<br />
| Autor=Will Kleber, et.al.<br />
| Titel=Einführung in die Kristallographie<br />
| Auflage=19<br />
| Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag<br />
| Ort=München<br />
| Jahr=2010<br />
| ISBN= 978-3-486-59075-3<br />
}}<br />
*{{Literatur<br />
| Autor=Martin J. Buerger<br />
| Titel=Kristallographie<br />
| Auflage=1<br />
| Verlag=Walter de Gruyter<br />
| Ort=Berlin<br />
| Jahr=1977<br />
| ISBN=3-11-004286-x<br />
}}<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
<br />
* [http://www.archive.org/details/117714283 Vector Analysis]<br />
* [http://reference.iucr.org/dictionary/Reciprocal_lattice Das reziproke Gitter (IUCr, engl.)]<br />
<br />
[[Kategorie:Kristallographie]]<br />
<br />
[[en:Reciprocal lattice]]<br />
[[fr:Réseau réciproque]]<br />
[[he:סריג הופכי]]<br />
[[it:Reticolo reciproco]]<br />
[[ja:逆格子ベクトル]]<br />
[[nl:Reciproke rooster]]<br />
[[ru:Обратная решётка]]<br />
[[uk:Обернена ґратка]]<br />
[[zh:倒晶格]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wolfgang_Rindler&diff=97380691Wolfgang Rindler2011-12-21T10:38:21Z<p>138.246.2.191: </p>
<hr />
<div>'''Wolfgang Rindler''' (* [[18. Mai]] [[1924]] in [[Wien]]) ist ein US-amerikanischer theoretischer Physiker, der sich mit der [[Relativitätstheorie]] beschäftigt.<br />
<br />
==Leben==<br />
<br />
Rindler war der Sohn eines Anwalts (die Familie wohnte in der Wiener Straße namens Dominikanerbastei, wo auch die Kanzlei seines Vaters war). Er flüchtete als Jude 1938 (mit den sogenannten ''[[Kindertransport]]en'') vor den Nationalsozialisten nach England. Er studierte an der [[University of Liverpool|Universität Liverpool]] und [[Promotion (Doktor)|promovierte]] am [[Imperial College London|Imperial College]] in [[London]]. Er war danach in den USA ab 1956 an der [[Cornell University]] und ab 1963 am damals neu gegründeten Southwest Center for Advanced Studies, der späteren [[University of Texas at Dallas]], wo er noch heute (2009) Professor ist. Er war unter anderem Gastprofessor am [[King’s College London]] (1961/62), an der Universität [[Sapienza Universität von Rom|La Sapienza]] in Rom (1968/69), an der [[Universität Wien]] (1975, 1987), an der [[University of Cambridge|Cambridge University]] (Churchill College, 1990).<br />
<br />
In der ART führte er den Begriff [[Ereignishorizont]] ein<ref>''Visual Horizons in World Models.'' In: ''Monthly Notices Royal Astronomical Society.'' Band 116, 1956, S. 662, wieder abgedruckt in ''General Relativity and Gravitation.'' Band 34, 2002, S. 131</ref> und ist für die Rindler-Koordinaten im [[Minkowski-Raum]] (zur Beschreibung gleichförmig beschleunigter Bewegung) bekannt. Er schrieb ein bekanntes Lehrbuch der Relativitätstheorie. Mit [[Roger Penrose]] untersuchte er den [[Spinor]]- und [[Twistor-Theorie|Twistor]]formalismus in der Relativitätstheorie. Weiter befasste er sich mit Kosmologie, zum Beispiel der Frage der Gültigkeit des [[Machsches Prinzip|Mach-Prinzip]]s.<ref>Rindler: ''The Lense-Thirring effect exposed as anti-Machian.'' In: ''Physics Letters A.'' Band 187, 1994, S. 236</ref> <br />
<br />
Er ist auswärtiges Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Turin und seit 1998 Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.<br />
<br />
==Sonstiges==<br />
Der österreichische Physiker [[Daniel Grumiller]] benannte 2010 nach Rindler die sogenannte Rindler-Kraft - eine konstante Kraft, die zwischen zwei Objekten unabhängig von ihrer Entfernung wirkt.<ref>Grumiller: ''Model for Gravity at Large Distances.'' In: ''Phys. Rev. Lett.'' 105, 211303, 2010 </ref><br />
<br />
== Schriften ==<br />
* ''Essential Relativity. Special, General and Cosmological.'' Van Nostrand 1969, Springer 1977, Oxford University Press 2001, ISBN 0-19-850836-0.<br />
* mit Roger Penrose: ''Spinors and Spacetime.'' 2 Bände, Cambridge University Press 1984, 1986<br />
* ''Introduction to special relativity.'' Clarendon Press, Oxford 2003, ISBN 0-19-853952-5.<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
* [http://www.utdallas.edu/physics/faculty/wolfgang.html Homepage in Dallas]<br />
* [http://www.oeaw.ac.at/shared/news/2005/pdf/EinladungVortrag.pdf Kurze Biographie anlässlich eines Vortrags in Wien 2005, pdf Datei]<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
{{Normdaten|PND=133106098|LCCN=n/81/128257|VIAF=108188630}}<br />
<br />
{{SORTIERUNG:Rindler, Wolfgang}}<br />
[[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]]<br />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Texas)]]<br />
[[Kategorie:US-Amerikaner]]<br />
[[Kategorie:Geboren 1924]]<br />
[[Kategorie:Mann]]<br />
<br />
{{Personendaten<br />
|NAME=Rindler, Wolfgang<br />
|ALTERNATIVNAMEN=<br />
|KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Physiker<br />
|GEBURTSDATUM=18. Mai 1924<br />
|GEBURTSORT=[[Wien]]<br />
|STERBEDATUM=<br />
|STERBEORT=<br />
}}<br />
<br />
[[en:Wolfgang Rindler]]<br />
[[sl:Wolfgang Rindler]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Flashmob&diff=97201885Flashmob2011-12-16T17:17:15Z<p>138.246.2.191: /* Geschichte */</p>
<hr />
<div>[[Datei:P9275463.JPG|thumb|Szene eines Flashmobs vor dem Musikvereinssaal in Wien]]<br />
Der Begriff '''Flashmob''' ({{EnS}}: '''Flash mob;''' ''flash'' = Blitz; ''[[Mob (Personen)|mob]]'' [von ''mobilis'' beweglich] = aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel) bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen [[Menschenauflauf]] auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer persönlich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun. Flashmobs werden über [[Online-Community]]s, [[Blog|Weblogs]], [[Newsgroup]]s, [[E-Mail]]-[[Kettenbrief]]e oder per [[Mobiltelefon]] organisiert.<ref>[http://oxforddictionaries.com/view/entry/m_en_gb0972977#m_en_gb0972977 oxforddictionaries.com]</ref> Flashmobs gelten als spezielle Ausprägungsformen der [[Cybergesellschaft|virtuellen Gesellschaft]] (virtual community, Online-Community), die neue Medien wie Mobiltelefone und Internet benutzt, um kollektive [[direkte Aktion]]en zu organisieren.<br />
<br />
Obwohl die Ursprungsidee unpolitisch<ref>{{Internetquelle|autor=Webster's New Millennium Dictionary of English|hrsg=|titel=flash mob|url=http://dictionary.reference.com/browse/flash%20mob |werk=|seiten=|datum=|zugriff=30. Oktober 2009|archiv-url=|archiv-datum=|sprache=Englisch|format=|zitat=“a group of people who organize on the Internet and then quickly assemble in a public place, do something bizarre, and disperse.|kommentar=}}<br />
</ref> war, gibt es mittlerweile auch als Flashmob bezeichnete Aktionen mit politischem oder wirtschaftlichem Hintergrund <ref>Stefan Janke und Bülend Ürük: ''[http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/iserlohn/2008/1/11/news-15575295/detail.html Nächtlicher Ausnahmezustand an BFT-Tankstelle]'' Der Westen, Waz-Mediengruppe 11. Januar 2008</ref><ref>{{Internetquelle|autor=Bundesarbeitsgericht|titel=Streikbegleitende „Flashmob-Aktion - Urteil vom 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2008 - 5 Sa 967/08 - |url= http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&sid=60922e3a7e3d6b8497c133f55cd8f72c&nr=13901&pos=0&anz=1|werk=Pressemitteilung Nr. 95/09|datum=22. September 2009|zugriff=24. September 2009|zitat=Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies daher, wie bereits die Vorinstanzen, die Klage eines Arbeitgeberverbands ab, mit welcher der Gewerkschaft ver.di der Aufruf zu „Flashmob-Aktionen“ im Einzelhandel untersagt werden sollte. Die Gewerkschaft hatte im Rahmen eines Arbeitskampfes eine einstündige Aktion organisiert, bei der etwa 40 Personen überraschend eine Einzelhandelsfiliale aufgesucht und dort mit Waren vollgepackte Einkaufswagen zurückgelassen sowie durch den koordinierten Kauf von „Pfennig-Artikeln“ Warteschlangen an den Kassen verursacht hatten.}}</ref>. Diese müssten auf Grund ihrer Sinnhaftigkeit und Zielgerichtetheit als [[Smart Mob]] bezeichnet werden.<br />
<br />
== Ablauf ==<br />
Einem Aufruf aus dem [[Internet]] folgend, treffen sich die Teilnehmer an einem Ort, an dem sie weitere Instruktionen über den eigentlichen Aktionsort und Ablauf des Flashmobs bekommen. Typisch für Flashmobs ist die wie aus dem Nichts blitzartig entstehende Bildung des [[Mob (Personen)|Mobs]], das identische Handeln der Personen im Mob (z.&nbsp;B. applaudieren, telefonieren mit gleichen inhaltlichen Texten), und die plötzliche und völlig abrupte Auflösung nach wenigen Minuten.<br />
<br />
Die Beteiligten tauchen am vereinbarten Ort zur vereinbarten Zeit auf, um dort kurz und für die unwissenden Passanten völlig überraschend einer gänzlich sinn- und inhaltslosen Tätigkeit nachzugehen.<br />
<br />
So schnell wie die Menschen zusammengekommen sind, löst sich ihre Gruppe vor den Augen der verdutzten Zuschauer auch wieder auf. Dieses merkwürdige Verhalten wird vor allem durch die immer schnelleren zwischenmenschlichen Kommunikationsmöglichkeiten beeinflusst und unterstützt.<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Ein frühes literarisches Beispiel, das die Idee des Flashmobs bereits entsprechend beschreibt, findet sich in [[Erich Kästner|Erich Kästners]] [[Emil und die Detektive]]. In dem Roman aus dem Jahr 1929 stellt der Protagonist, unterstützt von seinen Freunden, einen Dieb. Dabei wird von einem selbstorganisierten Nachrichtendienst<ref>http://www.zlb.de/projekte/kaestner/emil/11.htm</ref> ein Kinder-Mob auf die Beine gestellt, der den Täter in die Enge treibt und schließlich an der Flucht hindert.<br />
<br />
Das Projekt „Zebra Fußgängertheater“<ref name="test">[http://www.glashauskultur.de/programm_1992.htm Festivalprogramm „Glashauskultur 1992“]</ref> des Niederländers Will Spoor (Anfang der neunziger Jahre) kann als ein früher realer Vorläufer der Flashmobs betrachtet werden. Spoor rekrutierte (über Flugblätter, Telefonketten etc.) die Darsteller jeweils vor Ort in der Stadt, in der das Fußgängertheater gastierte. Gemeinsam wurden unangekündigte Darbietungen im öffentlichen Raum geprobt und durchgeführt, die von Konzept und Anmutung stark an heutige Flashmobs erinnern.<br />
<br />
Als ein früher zweckloser (und damit vom Smart Mob unterscheidbarer) Flashmob gilt eine Aktion des Journalisten [[Bill Wasik]] am 3. Juni 2003 in New York. Mehr als hundert Teilnehmer versammelten sich in einem Kaufhaus um einen Teppich. Kaufhaus-Mitarbeitern teilten sie mit, dass sie einen „Liebesteppich“ suchten und Kaufentscheidungen grundsätzlich gemeinsam träfen. Danach versammelte sich eine noch größere Gruppe in einer Hotel-Lobby und applaudierte exakt 15 Sekunden, schließlich strömten die Teilnehmer in ein Schuhgeschäft und gaben sich dort als Touristen aus.<ref>[http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,547427,00.html Flashmob-Revival: Die Verhaftung der lautlosen Ruhestörerin], ''Spiegel Online'',16. April 2008</ref> Bill Wasik hat in einem Artikel im März 2006 bekundet, seine Absicht sei gewesen, hippe Leute vorzuführen, die in einer Atmosphäre der [[Konformität]] nur danach strebten, Teil der „nächsten großen Sache“ zu werden, egal wie sinnfrei diese sei.<ref>[http://www.harpers.org/media/pages/2006/03/pdf/HarpersMagazine-2006-03-0080963.pdf My Crowd, or, Phase 5: A report from the inventor of the flash mob], ''Harper's Magazine'', März 2006 (zahlungspflichtig)</ref><br />
<br />
Die Freude an den sinnfreien Aktionen und der öffentlichen Aufmerksamkeit führte rasch zu Nachahmungen ohne ironischen Hintergrund. Bald darauf schwappte eine Flashmob-Welle von den USA nach Europa über, wo es Ende Juli 2003 erste Aktionen in Zürich, Rom und Wien gab. Das Phänomen erlangte für einige Monate große Medienaufmerksamkeit, bis im Herbst 2003 das Interesse zurückging.<br />
<br />
Im Sommer 2007 wurde die Idee wiederbelebt, anfänglich von Organisationen, die mit Aktionen auf gesellschaftliche Ziele aufmerksam machen wollten. Durch neue Berichterstattungen in den Medien wurde auch wieder zu reinen Spaßaktionen inspiriert.<br />
<br />
„Flashmob-Aktionen“ wurden von der Handelsgewerkschaft ver.di gezielt zur Besetzung und Blockade von Geschäften bei Tarifauseinandersetzungen im Einzelhandel eingesetzt.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=nCJ6ZTSh19Y youtube-Video]</ref> <ref> [http://www.rsb4.de/content/view/2806/77/ Aus: Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, Streikaktionen Einzelhandel Stuttgart: Menschenkette und Flash Mob]</ref> Gegen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, das derartige Flashmobs für eine zulässige Arbeitskampfform hält, hat der Handelsverband Deutschland nach eigenen Angaben im Dezember 2009 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.<ref>[http://www.einzelhandel.de/pb/site/hde/node/334648/Lde/index.html Verfassungsbeschwerde gegen Laden-Blockaden]</ref><br />
<br />
In Philadelphia wurde im Frühjahr 2010 ein Trend beobachtet, dass Jugendliche hierbei wie ein „echter“ Mob ihre Gewaltbereitschaft ausleben.<ref>Ian Urbina: [http://www.nytimes.com/2010/03/25/us/25mobs.html?hp ''Mobs Are Born as Word Grows by Text Message.''] [[The New York Times]], 24. März 2010.</ref><br />
<br />
== Prominente Beispiele ==<br />
<!-- Hier bitte nur fünf Beispiele aufführen. --><br />
* Am 20. Januar 2008 versammelten sich ca. 700 Menschen auf dem Odeonsplatz in München, stürmten eine Filiale von [[McDonald’s]] am Stachus und kauften dort auf einmal 4.385 [[Hamburger]] und [[Cheeseburger]]. Auf diese Art wurden bereits in vielen deutschen Großstädten Flashmobs veranstaltet. Bei einer ähnlichen Aktion am 29. März 2008 wurden in einer Berliner Filiale von McDonald’s in einer Bestellung 10.355 Burger gekauft. <ref>[http://www.imgimg.de/uploads/10034304e4e5a47JPG.jpg Bestellung von 10.355 Cheeseburgern - Foto des Kassenbons]</ref><ref>[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0331/berlin/0027/index.html Die neue Burger-Bewegung]</ref><br />
<br />
* Am 31. Januar 2008 erstarrten gleichzeitig etwa 200 Menschen im New Yorker Bahnhof [[Grand Central Terminal]] für eine Dauer von fünf Minuten. Die Aktion wurde von [[Improv Everywhere]] geleitet<ref>[http://improveverywhere.com/2008/01/31/frozen-grand-central/ Protokoll zu ''Frozen Grand Central''] auf ''improveverywhere.com''</ref>. Die veröffentlichten Filmaufnahmen wurden auf YouTube mehr als 25 Millionen Mal abgerufen<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=jwMj3PJDxuo Frozen Grand Central] auf ''youtube.com''</ref><br />
<br />
* Am 4. April 2009 um 16:00 Uhr trafen sich mehrere tausend Jugendliche (Angaben schwanken zwischen 1000 und 5000 Personen) aus Anlass des ''Pillow-Fight-Day'' zu einer Kissenschlacht vor dem Kölner Dom.<ref>[http://www.ksta.de/html/artikel/1238746024909.shtml Artikel aus dem KÖLNER STADTANZEIGER]</ref><br />
<br />
* Am 8. Juli 2009 trafen sich in Stockholm mehr als 300 Menschen zu Ehren von Michael Jackson. Diese versammelten sich an verschiedenen Orten der Stadt und tanzten zu Jacksons Lied „Beat it“. <ref>[http://www.youtube.com/watch?gl=DE&hl=de&v=lVJVRywgmYM Offizielles Youtube-Video, in Deutschland aufgrund von Urheberrechtsbeschränkungen nicht verfügbar.]</ref> <!-- Könnte als viertes Beispiel dienen, da z.B. die Münchner Burger-Aktion kein eigentlicher FlashMob war. Flashmob wird auch durch das schlagartige Auflösen der Menschenmenge charakterisiert, die bei erwähnter Aktion nicht vorhanden war.<br />
<br />
* Am 9. Oktober 2009 versammelte sich bei Ophra's Kickoff Party ein gewaltiger Flashmob, der in einer einstudierten Choreografie zu den live singenden Black Eyed Peas tanzte.<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=enN5UjHmWH0 Video des Tanzes bei der Veranstaltung]</ref> --><br />
<br />
== Siehe auch ==<br />
* [[Mobile Clubbing]]<br />
* [[Critical Mass (Protestform)]]<br />
* [[Smart Mob]]<br />
* [[Die-in]]<br />
<br />
== Videos ==<br />
* [http://www.clipfish.de/special/smash247/video/3147596/20000-menschen-flashmob-bei-black-eyed-peas-konzert-smash247com/ 20000-Menschen-Flashmob bei Black-Eyed-Peas-Konzert]<br />
* [http://blogs.taz.de/tischgespraech/2011/03/23/plastikflaschenflashmob/ Flashmob, veranstaltet von einem kanadischen Fernsehsender zum Thema Plastikflaschenabfall]<br />
<br />
== Literatur ==<br />
* [[Volker Rieble]]: ''Flash-Mob – ein neues Kampfmittel?'' In: [[Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht]] 2008; Seite 796.<br />
* Julia Jochem: ''Performance 2.0 – Zur Mediengeschichte der Flashmobs.'' vwh Verlag, 2011, ISBN 978-3940317988. [http://www.mediengeschichte.uni-siegen.de/files/2010/07/Performance-2.0-Zur-Mediengeschichte-der-Flashmobs.pdf Online-Fassung]<br />
* Carina Jasmin Englert, Michael Roslon: ''[http://www.mediaculture-online.de/fileadmin/bibliothek/englert_flashmob/englert_flashmob.pdf Gemeinschaft für lau. Der Flashmob als kurzzeitige Form der Vergemeinschaftung.]''. 2010. In: merz (Zeitschrift für Medien + Erziehung).<br />
<br />
== Weblinks ==<br />
{{Commonscat|Flash mobs}}<br />
* [http://www.zeit.de/2003/38/Flashmobs Der kurze Sommer der Anarchie], ''Die Zeit'', 11. September 2003<br />
* [http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,258913,00.html Flash Mobs: Wenn dir plötzlich Hunderte applaudieren], ''Spiegel Online'', 28. Juli 2003<br />
* [http://www.freie-radios.net/42711 Interview von Radio Unerhört Marburg] mit dem Diplompsychologen Marc Amann zu Flashnmob als Form des (politischen) zivilen Ungehorsams<br />
<br />
== Einzelnachweise ==<br />
<references /><br />
<br />
[[Kategorie:Aktionskunst]]<br />
[[Kategorie:Handlung und Verhalten]]<br />
[[Kategorie:Netzkultur]]<br />
<br />
[[af:Blitsskare]]<br />
[[az:Fleşmob]]<br />
[[be-x-old:Флэшмоб]]<br />
[[bg:Флашмоб]]<br />
[[ca:Mobilització espontània]]<br />
[[cs:Flash mob]]<br />
[[da:Flash mob]]<br />
[[en:Flash mob]]<br />
[[eo:Fulmobando]]<br />
[[es:Flashmob]]<br />
[[fa:فلش ماب]]<br />
[[fi:Flash mob]]<br />
[[fr:Flash mob]]<br />
[[he:כנופיית בזק]]<br />
[[hu:Villámcsődület]]<br />
[[id:Flash mob]]<br />
[[it:Flash mob]]<br />
[[ja:フラッシュモブ]]<br />
[[ko:플래시 몹]]<br />
[[ksh:Flashmob]]<br />
[[lv:Zibakcija]]<br />
[[mr:झटकजमाव]]<br />
[[ms:Flash mob]]<br />
[[nl:Flashmob]]<br />
[[no:Flash mob]]<br />
[[pl:Flash mob]]<br />
[[pt:Flash mob]]<br />
[[ro:Flashmob]]<br />
[[ru:Флешмоб]]<br />
[[sk:Flashmob]]<br />
[[sl:Flash mob]]<br />
[[sq:Flash mob]]<br />
[[sv:Flash mob]]<br />
[[th:แฟลชม็อบ]]<br />
[[tt:Флешмоб]]<br />
[[uk:Флешмоб]]<br />
[[zh:快闪族]]<br />
[[zh-min-nan:Kín-siám-ê]]</div>138.246.2.191https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Levellers&diff=78314813Levellers2010-08-26T14:47:28Z<p>138.246.2.191: /* Politische Positionen */</p>
<hr />
<div>{{Dieser Artikel| behandelt eine historische englische Partei. Die britische Rockband ''The Levellers'' ist unter [[The Levellers]] zu finden.}}<br />
<br />
Die '''Levellers''' waren eine [[politische Partei]] in [[England]] um die Mitte des 17. Jahrhunderts, die im englischen Bürgerkrieg bekannt wurde. Nicht zu verwechseln mit den ''[[True Levellers]]'' oder auch ''Diggers'' genannt.<br />
<br />
== In Kürze ==<br />
Die Partei der Levellers hatte eine große Unterstützung unter vielen Angehörigen des Königs und engagierte sich für eine demokratische und freie Gesellschaft, für vollständige Religionsfreiheit sowie für die Abschaffung der Stände und für Gleichheit vor dem Gesetz. Wegen des letztgenannten Punkts wurde diese Partei von ihren politischen Gegnern aus den Oberschichten als „Levellers“ verspottet, was soviel wie „Einebner“ oder „Gleichmacher“ bedeutet. Da diese politische Gruppe auch unter der Bevölkerung vor allem als „Levellers“ bekannt wurde, nahm sie diesen Namen schließlich selber an. Der bekannteste Anführer war [[John Lilburne]], auch „Freeborn John“ genannt. Doch auch [[William Walwyn]], [[Thomas Prince]] und [[Richard Overton]] waren wichtige Sprecher dieser Partei. „Freeborn“ John Lilburne betrachtete die Bezeichnung „Levellers“ als abwertend und nannte seine Anhänger vor der Öffentlichkeit „Levellers so-called“ („sogenannte Levellers“), bevorzugte jedoch die Bezeichnung „Agitators“.<br />
<br />
== Politische Positionen ==<br />
Die Levellers stellten eine der größten Fraktionen im Unterhaus und publizierten die Zeitschrift „[[The Moderate]]“. Sie identifizierten sich mit Hilfe von meergrünen Bändern. Sie setzten sich für jährliche, allgemeine und gleiche Wahlen für alle ''freien'' Männer (s.o.) ein, wollten die Zensur, die Monarchie, das Oberhaus („House of Lords“) und alle Privilegien des Adels abschaffen. Ihr Programm beinhaltete nicht nur die Abschaffung der Steuerprivilegien des Adels, sondern auch Ideen für eine sozial verträgliche Steuer. Demnach sollten Menschen, die weniger als £30 im Jahr verdienten, nicht mehr besteuert werden. Ein ebenfalls wichtiger Punkt war die Trennung zwischen Staat und den Religionsgemeinschaften sowie eine völlige Gleichberechtigung aller Religionen (Freiheit des religiösen Bekenntnisses). Die politischen Standpunkte der Levellers galten in damaligen Zeiten als extremistisch und skandalös. Daher stießen sie selbst im englischen Unterhaus auf erbitterten Widerstand. Eine radikale aus den Levellers hervorgegangene Splittergruppe waren die ''[[Diggers]]''. Es bestanden auch zum Teil personelle Überschneidungen mit späteren [[Quäker|Quäkern]].<br />
<br />
Die Levellers betonten, dass jeder Mann an gleicher Würde und Freiheit geboren ist und dass die Regierung alle (männlichen) Bürger als rechtlich ebenbürtig zu betrachten hat. Freiheit wird hier zuerst verstanden als das ''Eigentum an sich selbst'' und den eigenen Fähigkeiten, d.h. an der eigenen Arbeitskraft, die also durchaus veräußerlicht ist: als Ware. Freiheit wird betrachtet als eine Funktion des Eigentums an der eigenen Person. Dieser Definition zufolge traten die Levellers nicht für ein allgemeines Männerwahlrecht ein, wie oft fälschlich behauptet wird, sondern für ein allgemeines Wahlrecht aller ''freien'' Männer, „die ihr Geburtsrecht nicht verloren hatten“ (vgl. C. B. Macpherson: ''Die Politische Theorie des Besitzindividualismus''. Ffm 1980 S. 126-181, S.150), das Almosenempfänger, ebenso wie Bedienstete - worunter auch Lohnarbeiter verstanden wurden - und Verbrecher (ebenso wie Delinquenten: Anhänger des Königs während des Bürgerkriegs) ausschloss. Bedienstete hatten nach dem Verständnis der Levellers ihr eingeborenes Recht aufgegeben, da sie sich der Verfügung und Bestimmung über ihre Fähigkeiten bzw. ihre Arbeitskraft durch das Eingehen eines Dienstvertrags zumindest auf Zeit entäußerten (vgl. ebd. S. 166). Sie waren dementsprechend, was ihre Berechtigung auf eine Stimme in der Wahl betraf ''in ihren Herren eingeschlossen'' (vgl. ebd. S. 166). Mit dieser Position schienen sie der von Ireton und Cromwell (während der Putney-Debatte 1647) vertretenen, Wahlrecht solle nur einer Person mit einem Mindestverdienst von 40 Schillingen zukommen, relativ nah - einzig in der Quantität unterschieden, da sie zum Kriterium den bloßen Besitz an der eigenen Arbeitskraft voraussetzten. Cromwells und vor allem Iretons Position allerdings bezog sich auf den Besitz an ortsgebundenem Eigentum (bezogen auf Landbesitzer und Mitglieder der Zünfte), als eines, das ein Dauerhaftes Interesse an politischer Stabilität erst konstituiere. Macpherson legt deshalb nahe die Levellers nicht als ''radikale Demokraten'', sondern vielmehr als ''radikale Liberale'' (vgl. ebd. S. 180) zu begreifen, die in ihren Positionen denen eines John Locke sehr nahekamen (vgl. ebd. S. 176f.), jedoch seine Vorstellung von grenzenlosem Recht auf Akkumulation verweigerten. Was die Idee der Gemeinschaft betrifft, nahm diese zwar eine wichtige Stellung in ihren Positionen ein, den Primat allerdings hatte immer das die Freiheit eines jeden konstituierende ''Eigentum an sich selbst'': „Ein jeder hat, so wie er ist, ein Eigentum an sich selbst, sonst könnte er nicht er selbst sein.“ Was einen Menschen zum Menschen macht, ist seine Freiheit gegenüber anderen Menschen. Das Wesen der Freiheit bedeutet Eigentümer seiner eigenen Person und Fähigkeiten zu sein“ (vgl. ebd. S. 163). Es sei allerdings angemerkt, dass es vor der Putney-Debatte „nur wenige Hinweise auf den Umfang des Wahlrechts“ (ebd. S. 139) gab. Denn „von Beginn der Levellerbewegung, bis weit in das Jahr 1647 hinein“ hatten andere Probleme (u.a. der „Kampf gegen die willkürlichen Verhandlungen des Parlaments und seiner Komitees, [...]; de[r] Kampf für religiöse Toleranz [...]; der Forderung, daß das Parlament dem Volk verantwortlich gemacht werden solle [...]; der Anprangerung des Vetorechts des königs und der Lords; der Anprangerung der beständigen Belastung durch Zehnten, Monopole, ungleiche Besteuerung, Schuldhaft, übertriebene Gerichtsgebühren und Prozeßverschleppungen“ (ebd. S. 140) den Vorrang. Und die meisten dieser Probleme „blieben auch noch von Bedeutung, als die Wahlrechtsfrage aufgegriffen wurde“ (ebd. S. 140).<br />
<br />
== Geschichte ==<br />
Nach den Anfangserfolgen der Royalisten (Anhängern des Königs) im englischen Bürgerkrieg, setzte das gegen den König kämpfende Parlament eine radikale Reform ihrer Armeen durch. So entstand die für damalige Zeit höchst modern organisierte „[[New Model Army]]“. In der New Model Army wurden die Kommandogewalt ohne Rücksicht auf die soziale Rangfolge vergeben. Damit brach sie die Tradition aller anderen damals existierenden Armeen, in der nur Adelige hohe Ämter in der Armee bekleiden konnten. Diese Neuerungen führten zu einem nie dagewesenen armeeinternen Pluralismus, welcher indirekt die Entstehung der Levellers begünstigte. Die vorbildliche religiöse Toleranz und der Bruch mit den Standestraditionen ließ eine neue politische Bewegung entstehen, die ein weiteres Vorantreiben dieser fortschrittlichen Reformen sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Heeres forderte.<br />
<br />
Im Juli 1645 wurde John Lilburne eingekerkert wegen seiner Kritik am Snobismus der Parlamentarier, die mitten im englischen Bürgerkrieg im höchsten Komfort lebten, während die Soldaten für die parlamentarische Sache kämpften und starben. Insbesondere warf „Freeborn John“ dem Sprecher des Parlaments William Lenthall vor, sich von den Royalisten kaum noch zu unterscheiden. Erst nach einer großangelegten Petition seiner Anhänger wurde John wieder freigelassen, doch schon im nächsten Jahr wurde er in das Tower of London verschleppt und dort gefangengehalten, weil er seinem ehemaligen militärischen Vorgesetzten vorwarf, ein Sympathisant der Royalisten zu sein. Die Bewegung, die sich für seine Befreiung einsetzte formierte sich schließlich zu einer eigenständigen politischen Gruppe, aus denen die Levellers hervorgingen. In weiterer Folge versuchten sie ihren Einfluss auf die New Model Army zu verstärken und wählten sogenannte Agitatoren für die jeweiligen Regimenter.<br />
<br />
[[Image:Agreement of the People (1647-1649).jpg|thumb|upright|Agreement of the People]]<br />
<br />
Zwischen den Agitatoren und den alteingesessenen Offizieren (den sogenannten „[[Grandees]]“) wurden Debatten beschlossen, welche als die [[Putney Debates]] in die Geschichte eingingen. Sie wurden in St Mary's Church in Putney, in Surrey, zwischen dem 28. Oktober und dem 11. November im Jahre 1647 gehalten. Die Agitatoren wurden von zivilen Levellers vertreten. Die Grandees von hochrangigsten Offizieren und auch von Oliver Cromwell. Jede Partei verfasste ein [[Pamphlet]] um ihre jeweilige Position darzustellen. Das Pamphlet der Levellers bekam den Titel „[[Agreement oft the people]]“. Das Pamphlet der Gegner der Levellers hieß „[[The Heads of the Proposals]]“. In den anschließenden Phasen wurden die starken Differenzen zwischen diesen beiden Manifesten heftig diskutiert. Aufgrund der gewaltigen Meinungsverschiedenheiten kam man jedoch zu keinen Ergebnissen.<br />
[[Oliver Cromwell]] wollte daraufhin die Macht in der Armee endgültig an sich reißen und führte zwangsweise das Pamphlet seiner Anhänger, anstatt der Levellers ein. Jeder, der die Akzeptanz des Pamphlets Cromwells verweigerte, wurde verhaftet. Einer von den Verweigerern, Richard Arnold, wurde sogar ermordet. Daraufhin starteten die Levellers ihre größte Petition mit dem Titel „[[To The Right Honovrable The Commons Of England]]“. Diese wurde dem Parlament am 11. September 1648 vorgetragen, jedoch von Cromwell blockiert. Am 30. Oktober 1648 wurde Thomas Rainsborough ermordet. Er war ein wichtiger Sprecher der Levellers und hatte an den Putney Debates aktiv teilgenommen. Zu seinem Begräbnis kam es zu Massendemonstrationen. Der Konflikt eskalierte in mehreren Meutereien. Schließlich wurden die Levellers 1649 von Oliver Cromwell in der Schlacht von Burford bei Oxfordshire vernichtend geschlagen. Zahlreiche Anführer wurden hingerichtet, eingesperrt oder mussten ins Exil gehen. Gegen Ende der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Bewegung innerhalb der Armee faktisch zerschlagen.<br />
<br />
== Das politische Erbe ==<br />
Wenngleich es noch von den damaligen Levellers ein weiter Weg bis zum modernen [[Liberalismus]] (welcher nicht zuletzt auch die Forderung nach dem [[Wahlrecht|Frauenwahlrecht]] beinhaltet) war und die Levellers nur als Vorläufer dessen gelten können, so sind zahlreiche bereits eindeutig liberale Ideen und Ansätze, die die Levellers schon vor fast 400 Jahren aufgriffen und vertraten, sehr bemerkenswert. Die Gleichheit vor dem Gesetz, die Republik als Staatsform und die Religionsfreiheit in dem Maß, wie es die Levellers propagierten, setzten sich in Europa zum Teil erst im 20. Jahrhundert durch.<br />
<br />
Möglicherweise wurden auch viele spätere Bewegungen, zum Beispiel die fast zwei Jahrhunderte später ebenfalls in Großbritannien aktiven Chartisten, von den Levellers inspiriert. Ein wichtiger Grundsatz der Levellers, nämlich die Gleichheit vor dem Gesetz, hat sich inzwischen in den meisten Staaten der Welt zumindest theoretisch durchgesetzt. <br />
<br />
[[Kategorie:Historische Partei (Großbritannien)]]<br />
[[Kategorie:Quäkertum]]<br />
<br />
[[cs:Rovnostáři]]<br />
[[el:Ισοπεδωτές]]<br />
[[en:Levellers]]<br />
[[es:Niveladores]]<br />
[[fr:Niveleurs]]<br />
[[hy:Լեվելլերներ]]<br />
[[pl:Lewelerzy]]<br />
[[pt:Levellers]]<br />
[[ru:Левеллеры]]<br />
[[sv:Levellers]]<br />
[[uk:Левелери]]</div>138.246.2.191